Handout Orchideen - Freundeskreis Botanische Gärten Bonn ...
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Begleitmaterial<br />
Erlebnisfahrt<br />
zur<br />
Grünen Woche in Berlin<br />
<strong>Orchideen</strong><br />
Do. 25. – So. 28. Januar 2007<br />
<strong>Freundeskreis</strong><br />
der <strong>Botanische</strong>n Gärten der<br />
Universität <strong>Bonn</strong> e.V.
Handreichung "<strong>Orchideen</strong>"<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1.0. Einleitung............................................................................................................. 3<br />
2.0. Merkmale............................................................................................................. 3<br />
3.0. Verbreitung .......................................................................................................... 4<br />
4.0. Systematik........................................................................................................... 4<br />
4.1. Gattungen ........................................................................................................ 5<br />
4.1.2. Europäische Gattungen............................................................................. 5<br />
4.1.3. Tropische Gattungen................................................................................. 6<br />
4.2. Wuchsformen................................................................................................... 7<br />
4.3. Habitus............................................................................................................. 7<br />
4.4. Wurzeln............................................................................................................ 7<br />
4.5. Blätter............................................................................................................... 8<br />
4.6. Blattfarbe.......................................................................................................... 8<br />
4.7. Blütenstand ...................................................................................................... 8<br />
4.7.1. Blüte .......................................................................................................... 9<br />
4.8. Früchte........................................................................................................... 10<br />
5.0. Vermehrung....................................................................................................... 10<br />
5.1. Samen............................................................................................................ 10<br />
5.2. Bestäubung.................................................................................................... 11<br />
5.3. Bestäubungsmechanismen............................................................................ 11<br />
5.4. Vegetative Vermehrung ................................................................................. 12<br />
6.0. Evolution............................................................................................................ 12<br />
7.0. Gefährdung der Habitate und Artenschutz ........................................................ 13<br />
8.0. Kulturgeschichte ................................................................................................ 14<br />
9.0. <strong>Orchideen</strong> als Nutzpflanzen............................................................................... 16<br />
Quelle: Überarbeiteter Text und Bilder aus www.wikipedia.de<br />
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Erlebnisreise zur "Grünen Woche Berlin" 25. – 28.1.2007<br />
1.0. Einleitung<br />
Mit <strong>Orchideen</strong> wird die Gesamtheit der <strong>Orchideen</strong>gewächse (Orchidaceae)<br />
bezeichnet. Die zwei hodenförmigen Wurzelknollen der Knabenkräuter (v. griech.<br />
„Hoden“) haben der gesamten Pflanzenfamilie ihren Namen gegeben. Nach den<br />
Korbblütlern (Asteraceae) stellen die <strong>Orchideen</strong> die zweitgrößte Familie unter den<br />
bedecktsamigen Blütenpflanzen dar. Sie gehören zur Klasse der Einkeimblättrigen<br />
Pflanzen. Etwa 1.000 Gattungen mit 15.000 bis 30.000 Arten werden von den<br />
Botanikern anerkannt.<br />
2.0. Merkmale<br />
Pflanzentaxa der Familie <strong>Orchideen</strong> unterscheiden sich nur durch wenige eindeutige<br />
Merkmale von anderen verwandten Pflanzenfamilien der Einkeimblättrigen Pflanzen.<br />
Dabei gibt es trotz der vielfachen Merkmale, die bei den meisten <strong>Orchideen</strong>arten zu<br />
finden sind, nur sehr wenige, die bei allen vorkommen. Dies liegt daran, dass die<br />
verschiedenen Gattungen und Arten verschiedene evolutionäre Stufen darstellen.<br />
Die <strong>Orchideen</strong> weisen folgende spezifische Merkmale auf:<br />
- <strong>Orchideen</strong> besitzen in der Regel eine Säule, dem durch das teilweise oder<br />
vollständige Zusammenwachsen des einzigen fruchtbaren Staubblattes und<br />
des Stempels entstandenen einzigen Blütenorgans<br />
- die Pollenkörner sind zu den sogenannten Pollinien zusammengeballt<br />
- <strong>Orchideen</strong> bilden zahlreiche sehr kleine Samen aus, die in der Regel nicht<br />
ohne Symbiosepilze keimfähig sind<br />
- das in der Symmetrieachse gelegene Blütenhüllblatt des inneren<br />
Hüllblattkreises (drittes Kronblatt = Petalum) unterscheidet sich meist deutlich<br />
von den anderen und wird Lippe oder Labellum genannt. Es steht dem<br />
fruchtbaren Staubblatt (Teil der Säule) gegenüber.<br />
- die Blüten sind in der Regel zygomorph (monosymmetrisch, bilateralsymmetrisch,<br />
dorsiventral).<br />
Ausnahmen finden sich beispielsweise in den Gattungen Mormodes, Ludisia und<br />
Macodes. Die Blüten der meisten <strong>Orchideen</strong>arten zeichnen sich dadurch aus, dass<br />
sie sich von der Knospenbildung bis zur Blütenentfaltung um 180° drehen. Dies wird<br />
als Resupination bezeichnet. Es gibt auch Arten, bei denen sich der Blütenstiel um<br />
360° dreht (hyper-resupiniert).<br />
<strong>Orchideen</strong> sind in der Regel mehrjährige Pflanzen, könnten theoretisch je nach<br />
Wuchsform unbegrenzt lange weiterwachsen (jedes Jahr ein oder mehrere Neutriebe<br />
oder permanentes Weiterwachsen eines Sprosses). Tatsächlich ist aber nur sehr<br />
wenig darüber bekannt, welches Alter <strong>Orchideen</strong> erreichen können.<br />
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Handreichung "<strong>Orchideen</strong>"<br />
3.0. Verbreitung<br />
<strong>Orchideen</strong> wachsen mit Ausnahme der Antarktis auf jedem Kontinent. Aufgrund ihrer<br />
enormen Vielfalt gibt es <strong>Orchideen</strong> fast in jeder Vegetationszone (nicht in Wüsten).<br />
Selbst oberhalb des nördlichen Polarkreises oder in Patagonien und den dem ewigen<br />
Eis des Südpols vorgelagerten Inseln, z.B. Macquarie Island gibt es <strong>Orchideen</strong>. Der<br />
Großteil der Arten wächst allerdings in den Tropen und Subtropen, hauptsächlich in<br />
Südamerika und Asien. In Europa gibt es etwa 250 Arten.<br />
Einen groben Überblick über die Häufigkeit auf den einzelnen Kontinenten bietet die<br />
folgende Auflistung:<br />
Eurasien - etwa 40 bis 60 Gattungen<br />
Nordamerika - etwa 20 bis 30 Gattungen<br />
Neotropis (Mittel- und Südamerika, Karibische Inseln) - etwa 300 bis 350 Gattungen<br />
Tropisches Afrika - etwa 125 bis 150 Gattungen<br />
Tropisches Asien - etwa 250 bis 300 Gattungen<br />
Ozeanien - etwa 50 bis 70 Gattungen<br />
4.0. Systematik<br />
Die Familie der <strong>Orchideen</strong> ist in Unterfamilien, Triben, Subtriben, Gattungen, Arten<br />
und Unterarten/Varietäten/Formen untergliedert. Einen genauen Überblick darüber<br />
zu geben ist kaum möglich, da ständig innerhalb der einzelnen Bereiche<br />
umgruppiert, zusammengeführt, getrennt, neubeschrieben oder vermeintliche<br />
Synonyme der Erstbeschreibung untergeordnet werden.<br />
Die derzeitige Systematik unterhalb der Familie unterscheidet sechs Unterfamilien:<br />
Epidendroideae, Cypripedioideae, Orchidoideae, Apostasioideae, Spiranthoideae,<br />
Vandoideae.<br />
Diese Unterteilung richtet sich in erster Linie nach morphologischen, also sichtbaren<br />
Merkmalen und wurde besonders von Robert L. Dressler er- und überarbeitet. Sie ist<br />
derzeit noch am gebräuchlichsten, auch wenn sie von verschiedenen Autoren als<br />
veraltet angesehen wird.<br />
In letzter Zeit werden auch immer mehr genetische Untersuchungen durchgeführt<br />
und deren Ergebnisse veröffentlicht, die eine grundsätzliche Überarbeitung dieser<br />
Einteilung erforderlich machen könnten.<br />
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Erlebnisreise zur "Grünen Woche Berlin" 25. – 28.1.2007<br />
4.1. Gattungen<br />
Die Familie der <strong>Orchideen</strong> (Orchidaceae) besteht aus ca. 1000 Gattungen mit<br />
insgesamt bis zu 30.000 Arten. In Deutschland sind die folgenden Gattungen<br />
heimisch. Dingel, Drehwurzen, Einblatt, Frauenschuh, Glanzstendel, Händelwurzen,<br />
Höswurzen, Hohlzungen, Honigorchis, Hundswurzen, Kanarenstendel,<br />
Knabenkräuter, Kohlröschen, Korallenwurzen, Kugelorchis, Nestwurzen, Netzblatt,<br />
Ohnhorn, Ragwurzen, Riemenzungen, Stendelwurzen, Vanille, Waldhyazinthen,<br />
Waldvöglein, Weichstendel, Widerbart, Zungenstendel, Zweiblatt, Zwergstendel.<br />
4.1.2. Europäische Gattungen<br />
Cypripedium Gymnadenia Dactylorhiza<br />
Orchis Epipactis Cephalanthera<br />
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Handreichung "<strong>Orchideen</strong>"<br />
Ophrys<br />
Chamorchis<br />
4.1.3. Tropische Gattungen<br />
Bulbophyllum Cattleya Dendrobium<br />
Doritis Kingidium Phalaenopsis<br />
Vanda Vanilla Oncidium<br />
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Erlebnisreise zur "Grünen Woche Berlin" 25. – 28.1.2007<br />
4.2. Wuchsformen<br />
<strong>Orchideen</strong> können auf verschiedene Art und Weise wachsen. Man unterscheidet<br />
dabei folgende Formen<br />
- epiphytisch, auf anderen Pflanzen wachsend (nicht als Schmarotzer)<br />
- terrestrisch, auf der Erde wachsend<br />
- lithophytisch, auf Felsen oder Steinen wachsend<br />
Mehr als die Hälfte aller tropischen Arten wachsen als Epiphyten auf Bäumen. Sie<br />
besitzen spezielle morphologische (Velamen radicum, Pseudobulben) und<br />
physiologische (CAM Mechanismus) Besonderheiten, um mit den teilweise widrigen<br />
Bedingungen wie Trockenheit und Nährstoffmangel im Kronenraum<br />
zurechtzukommen.<br />
4.3. Habitus<br />
Man unterscheidet monopodial wachsende <strong>Orchideen</strong>, die eine an der Spitze<br />
weiterwachsende einheitliche Sprossachse besitzen (teilweise auch mit<br />
Verzweigungen) und sympodial wachsende <strong>Orchideen</strong>, die durch Verzweigung<br />
nacheinanderfolgende Sprossglieder mit begrenztem Spitzenwachstum ausbilden.<br />
Die sympodial wachsenden <strong>Orchideen</strong> bilden mehr oder weniger dicke<br />
Pseudobulben aus, die ein- oder mehrgliedrig ausgebildet sein können und als<br />
Speicherorgane dienen.<br />
Einige <strong>Orchideen</strong>gattungen bilden auch unterirdische Speicherorgane (Kormus) aus.<br />
Bei den monopodial wachsenden <strong>Orchideen</strong> dienen die Blätter und/oder die Wurzeln<br />
als Speicherorgane. Neben den beiden angeführten Formen des Habitus gibt es<br />
noch seltenere Abwandlungen, die nicht dem normalen Schema von monopodial<br />
oder sympodial entsprechen. So bilden viele Arten der Pleurothallidinae (z.B.<br />
Pleurothallis, Lepanthes) trotz sympodialem Wuchs keine Pseudobulben aus,<br />
sondern haben oftmals fleischige Blätter.<br />
4.4. Wurzeln<br />
<strong>Orchideen</strong> bilden keine Primärwurzel (Pfahlwurzel) aus, sondern nur sekundäre<br />
Wurzeln, die dem Spross entspringen. In ihrer Dicke unterscheiden sie sich teilweise<br />
sehr deutlich. Beim überwiegenden Teil der <strong>Orchideen</strong> weisen die Wurzel ein<br />
Velamen auf.<br />
Neben ihrer Funktion als Aufnahmeorgan für Wasser und Nährstoffe dienen sie oft<br />
auch als Haft- und Halteorgan. Dies ist besonders bei epiphytisch wachsenden Arten<br />
von Bedeutung. Die Form der Wurzeln hängt im wesentlich davon ab, wo sie<br />
wachsen. Während die frei in der Luft hängenden Wurzeln der Epiphyten bzw. die<br />
Wurzeln, die völlig in den Boden wachsen, meist zylindrisch sind, weisen die Haftund<br />
Haltewurzeln, die auf den Oberflächen wachsen, eine eher abgeflachte Form<br />
auf. Bei einigen Arten sind die Wurzeln chlorophylltragend, um auch während<br />
klimatisch bedingtem Blattabwurf weiterhin Nährstoffe verarbeiten zu können. Die<br />
Wurzeln der <strong>Orchideen</strong> verzweigen eher selten. Sie haben eine Lebensdauer, die<br />
von verschiedenen Umweltfaktoren abhängt und kürzer ist als die des Sprosses. Die<br />
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Handreichung "<strong>Orchideen</strong>"<br />
Neubildung von Wurzeln erfolgt in der Regel mit dem Wachstum des neuen<br />
Sprosses zum Ende der Vegetationsperioden oder auch während der<br />
Wachstumsphase. Bei vielen terrestrischen <strong>Orchideen</strong>arten bilden sich an den<br />
Wurzeln Speicherorgane oder knollenähnliche Gebilde.<br />
Bei einigen Gattungen ist es möglich, dass sich an den Wurzeln Adventivknospen<br />
bilden, aus denen neue Sprosse entstehen.<br />
Neben der Mykorrhiza die für die embryonale Entwicklung aus einem Samen<br />
notwendig ist, gibt es auch in den Wurzeln Mykorrhiza. Dabei wachsen die Pilzfäden<br />
in die äußeren oder unteren Zellschichten der Wurzeln oder Rhizomen. Die<br />
<strong>Orchideen</strong> nehmen auch in diesem Fall durch Verdauung von Pilzteilen oder -<br />
ausscheidungen Nährstoffe auf. Da der Pilz, der das Protokorm (Keimknöllchen)<br />
befällt, in der Regel nicht mit den neuen Wurzeln nach außen wächst, muss die<br />
Mykorrhiza jedes Jahr von neuem (mit der Bildung neuer Wurzeln) ausgebildet<br />
werden. Bei ausreichendem Angebot von Licht und Nährstoffen, sind <strong>Orchideen</strong> in<br />
der Regel nicht auf diese Mykorrhiza angewiesen. Ausnahmen sind die mykoheterotroph<br />
lebenden <strong>Orchideen</strong>.<br />
4.5. Blätter<br />
Der überwiegende Teil der <strong>Orchideen</strong> besitzt parallelnervige Blätter, mit kaum<br />
sichtbaren Querverbindungen. Sie sitzen in der Regel zweireihig, abwechselnd an<br />
den entgegengesetzten Seiten des Sprosses. Viele <strong>Orchideen</strong> bilden nur ein<br />
einziges richtiges Blatt aus, die Anlagen der Blätter sind jedoch ebenfalls zweireihig.<br />
Die Form der Blätter und Blattspitzen, die Festigkeit, die Färbung und der Blattaufbau<br />
variieren sehr stark.<br />
4.6. Blattfarbe<br />
In der Regel sind die Blätter grün in den unterschiedlichsten Abstufungen (von hellbis<br />
tiefem dunkelgrün), aber auch vollständig bzw. zum Teil (Unterseiten) rötlich bis<br />
rotbraun, oder chlorophyllarm oder -frei vollständig oder zum Teil hell bis weiß<br />
Viele Arten verlieren klimatisch bedingt ihre Blätter, um sie zu Beginn des nächsten<br />
Vegetationszyklus neu auszubilden. Während bei dem überwiegenden Teil dieser<br />
Arten die Blätter tatsächlich nur einjährig sind, gibt es ebenso Arten, die ihre Blätter<br />
nur unter widrigen Standortbedingungen abwerfen bzw. unter günstigen<br />
Bedingungen behalten. Es gibt aber auch Arten, die völlig blattlos wachsen<br />
(Dendrophylax lindenii). Dafür besitzen sie chlorophylltragende Wurzeln.<br />
4.7. Blütenstand<br />
Die Blütenstände der <strong>Orchideen</strong> sind in der Regel traubenförmig, an denen sich je<br />
nach Art bis zu hundert und mehr Blüten ausbilden können. Wachsen verzweigte<br />
Blütenstände (rispenförmig), so ist die Traubenform jeweils an den äußersten<br />
Zweigen zu finden. Neben den trauben- oder rispenförmigen Blütentrieben gibt es<br />
aber auch eine Vielzahl von <strong>Orchideen</strong>, die nur einblütig sind. Bei einigen Arten<br />
bilden sich nacheinander mehrere Blüten an demselben Blütentrieb, wobei jedoch<br />
nie mehr als eine Blüte geöffnet ist (z.B. Psychopsis papilio). Die Blütenstände<br />
können an jeder Stelle des Sprosses der Orchidee entspringen. Dabei wird zwischen<br />
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Erlebnisreise zur "Grünen Woche Berlin" 25. – 28.1.2007<br />
endständigen (terminal (an der Triebspitze), apikal (zentral am Triebansatz)) und<br />
seitenständigen (lateral) Blütenständen unterschieden. Meist entspringen die<br />
Blütentriebe einer Blattachsel. Aufgrund der Wuchsrichtung sind die Blütenstände<br />
der monopodialen <strong>Orchideen</strong> immer seitenständig. Die einzelnen Blüten werden<br />
stets von einer Braktee (Tragblatt) gestützt, welche meist unauffällig ist.<br />
4.7.1. Blüte<br />
Keine andere Pflanzenfamilie hat ein solches Spektrum, was Formen und Farben der<br />
Blüten anbelangt, wie die Familie der <strong>Orchideen</strong>. Die Größe der Blüten variiert von<br />
einigen Millimetern (z.B. Lepanthes calodictyon) bis zu 20 Zentimetern und mehr pro<br />
Blüte (z.B. Paphiopedilum hangianum). Das Farbspektrum reicht dabei von zartem<br />
Weiß über Grün- und Blautöne bis zu kräftigen Rot- und Gelbtönen. Viele der<br />
<strong>Orchideen</strong>blüten sind mehrfarbig.<br />
Außer bei einigen Gattungen (z.B. Catasetum) sind die zwittrigen Blüten der<br />
<strong>Orchideen</strong> dreizählig. Die Blütenhülle (Perianth) besteht aus zwei Kreisen. Es gibt<br />
einen äußeren Hüllblattkreis, der aus drei Kelchblättern (Sepalen) besteht und einem<br />
inneren Hüllblattkreis, der aus drei Kronblättern (Petalen) besteht. Dabei ist das in<br />
der Symmetrieachse gelegene Blütenhüllblatt des inneren Hüllkreises in der Regel<br />
deutlich abweichend was Größe, Farbe und Form betrifft. Es bildet die Lippe<br />
(Labellum) der <strong>Orchideen</strong>blüte. Außerdem sind Säule (Columna oder Gynostemium)<br />
und der Fruchtknoten wesentliche Bestandteile der Blüten. Die <strong>Orchideen</strong>blüten<br />
unterscheiden sich sehr deutlich in ihrem Aussehen von anderen Vertretern der<br />
Einkeimblättrigen Pflanzen.<br />
Bei einigen <strong>Orchideen</strong>gattungen sind die unteren beiden Sepalen verwachsen und<br />
bilden einen "Schuh" (z.B. die Gattungen der Unterfamilien Cypripedioideae). Bei<br />
anderen Gattungen fällt vor allem ein langer Sporn auf (z.B. Aeranthes, Aerangis),<br />
einem besonders ausgebildeten Teil des Labellum. Im Grundaufbau unterscheidet<br />
man monandrische (1 fertiles Staubblatt, z.B. Cattleya, Phalaenopsis) und<br />
diandrische (2 fertile Staubblätter, z.B. Paphiopedilum, Cypripedium) <strong>Orchideen</strong>. Der<br />
Fruchtknoten ist bei <strong>Orchideen</strong> unterständig. Die anderen Blütenteile (Sepalen und<br />
Petalen, Säule, Lippe) sind mit diesem vollständig verwachsen und stehen über ihm.<br />
In der Regel ist der Fruchtknoten nur sehr schmal und schwillt erst nach der<br />
Bestäubung an (Ausbildung der Samenkapsel). Die Blüten der <strong>Orchideen</strong> sind mit<br />
Ausnahme einiger Gattungen (z.B. Cycnoches, Mormodes) bilateral-symmetrisch<br />
(zygomorph). Das heißt, dass man durch die Mitte der Blüte eine Spiegelachse legen<br />
kann, und zwar nur eine einzige (monosymmetrisch).<br />
P: Petalen<br />
S: Sepalen<br />
L: Labellum<br />
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Handreichung "<strong>Orchideen</strong>"<br />
4.8. Früchte<br />
Fast alle <strong>Orchideen</strong>früchte sind Kapseln. Sie unterscheiden sich in Größe, Form und<br />
Farbe deutlich. Epiphyten besitzen eher dickere Früchte mit fleischigen Wänden,<br />
terrestrische Arten oft dünnwandige trockene Früchte. Es gibt dreieckige, rundliche<br />
mit einer mehr (bis 9) oder weniger (bis 3) großen Anzahl von Rippen oder auch<br />
geschnäbelte Früchte. Manche sind behaart oder stachelig oder besitzen eine<br />
warzige Oberfläche. Die Früchte entwickeln sich aus dem bereits im<br />
Knospenstadium am Boden der Blüte vorgebildeten Fruchtknoten, welcher aus drei<br />
Fruchtblättern besteht. Bei eintretender Reife platzen die meisten <strong>Orchideen</strong>früchte<br />
der Länge nach auf, ohne sich an der Spitze vollständig zu trennen. Dabei bilden<br />
sich in der Regel drei oder sechs Längsspalten, bei manchen auch nur eine oder<br />
zwei. Fast immer werden die Samen dabei trocken verstreut.<br />
5.0. Vermehrung<br />
<strong>Orchideen</strong> können auf unterschiedliche Weise vermehrt werden. Es gibt die<br />
Vermehrung durch Samen als auch die vegetative Vermehrung. Unter künstlichen<br />
Bedingungen ist auch die Vermehrung durch Meristeme möglich.<br />
5.1. Samen<br />
Fast alle <strong>Orchideen</strong> besitzen winzige Samen. Jede Pflanze produziert<br />
Hunderttausende bis Millionen von Samen in einer Samenkapsel. Durch ihre geringe<br />
Größe sind die Samen von <strong>Orchideen</strong> nur noch auf eine Hülle und den in ihr<br />
liegenden Embryo reduziert. Im Gegensatz zu anderen Samen fehlt ihnen das<br />
Nährgewebe oder Endosperm, das für eine erfolgreiche Keimung nötig ist. Nur bei<br />
wenigen Gattungen ist dieses noch vorhanden (z.B. Bletilla).<br />
<strong>Orchideen</strong> sind deshalb auf eine Symbiose mit Pilzen angewiesen. Bei diesem als<br />
Mykorrhiza bezeichneten Vorgang wird der mit der Keimung beginnende Embryo<br />
durch das Eindringen von Pilzfäden in den Samen infiziert. Der Embryo bezieht über<br />
diese Verbindung Nährstoffe, in dem er Teile des Pilzkörpers oder Ausscheidungen<br />
des Pilzes verdaut. Sobald der Sämling zur Photosynthese fähig ist, übernimmt diese<br />
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die Versorgung der Pflanze mit Nährstoffen und die Mykorrhiza ist zur weiteren<br />
Entwicklung nicht mehr notwendig. Es gibt aber einige <strong>Orchideen</strong>arten die aufgrund<br />
des fehlenden oder nur in unzureichenden Mengen vorhandenen Chlorophylls<br />
zeitlebens auf die Mykorrhiza angewiesen sind (Z.B. Korallenwurz). Dies betrifft<br />
alle vollkommen myko-heterotroph lebenden Arten. Während der überwiegende Teil<br />
der <strong>Orchideen</strong> trockene Samen verstreuen, gibt es einige Gattungen (z.B. Vanilla)<br />
bei denen die Samen von einer feuchten Masse umgeben sind.<br />
5.2. Bestäubung<br />
Die Bestäubung der <strong>Orchideen</strong> erfolgt in der Natur hauptsächlich durch Insekten<br />
(z.B. Ameisen, Käfer, Fliegen, Bienen, Schmetterlinge) aber auch durch Vögel (z.B.<br />
Kolibris), Fledermäuse oder Frösche. Dabei haben sich teilweise Art-Art-Bindungen<br />
(z.B. Drakea glyptodon und Zapilothynus trilobatus oder die einheimische Orchis<br />
papilionacea und Eucera tuberculata) oder Gattungs-Gattungs-Bindungen (z.B. wird<br />
die <strong>Orchideen</strong>gattung Chloraea von Bienen der Gattung Colletes bestäubt)<br />
herausgebildet. Diese Spezialisierung ist in der Regel nur einseitig, da keine<br />
Insektenart auf die Bestäubung einer einzigen <strong>Orchideen</strong>art beschränkt ist. Innerhalb<br />
der Familie gibt es aber auch einige Gattungen, bei denen sich einige oder alle Arten<br />
auf asexuellem Weg durch Selbstbestäubung fortpflanzen. Dazu zählen unter<br />
anderem die Gattungen Apostasia, Wullschlaegelia, Epipogium und Aphyllorchis.<br />
Von der Art Microtis parviflora ist bekannt, dass sie sich ebenfalls selbstbestäuben<br />
kann, wenn die Bestäubung durch Ameisen ausbleibt. Die Bestäuber sind bei einer<br />
Vielzahl von <strong>Orchideen</strong>gattungen jedoch unbekannt oder nur wenig erforscht.<br />
<strong>Orchideen</strong> sind in der Regel nicht selbststeril.<br />
In der Natur entstehen teilweise durch die Bestäuber Hybriden zwischen zwei<br />
verwandten Arten (seltener über Gattungsgrenzen hinweg), diese werden<br />
Naturhybriden genannt.<br />
5.3. Bestäubungsmechanismen<br />
Schwertblättriges Waldvöglein (Cephalanthera longifolia) Im Vergleich zu anderen<br />
Blütenpflanzen fällt auf, dass beispielsweise nicht-tropische <strong>Orchideen</strong> häufig keine<br />
Belohnung in Form von Nahrung anbieten, sondern ihr Ziel durch Mimikry oder<br />
Täuschung erreichen. Werden Belohnungen angeboten, bestehen diese oft nicht aus<br />
Nahrung, sondern aus Duftstoffen (z.B. Sexlockstoffe für Insekten wie es bei<br />
manchen Wespenarten der Fall ist) oder Wachs.<br />
Durch die evolutionäre Entwicklung verschiedener Blütenformen ergab sich eine<br />
zunehmende Spezialisierung auf bestimmte Bestäubergruppen und somit auch auf<br />
die Art und Weise, wie die Blüten bestäubt werden. Im folgenden werden einige<br />
Bestäubungssysteme und -mechanismen erläutert.<br />
„Röhrenblüten“: Der Aufbau der Blüte ist so gestaltet, dass der Bestäuber eine<br />
"Röhre" unterhalb der Säule betreten muss und so der Pollen meist auf den Rücken<br />
der Insekten geheftet wird. Manchmal auch an den Kopf oder an die Unterseite. (Z.B.<br />
Cattleya)<br />
„Pseudokopulation“: Dies ist ein besonderer Mimikry-Typ, bei dem <strong>Orchideen</strong>blüten<br />
weibliche Insekten nachahmen. Dadurch locken sie paarungswillige Männchen an,<br />
die die Blüten dann bestäuben. Bekannt ist dieses Phänomen vor allem von der<br />
heimischen Gattung Ophrys.<br />
11
Handreichung "<strong>Orchideen</strong>"<br />
Die Pollen sind bei <strong>Orchideen</strong> zu Pollinien mit angehefteten Viscidien (Viscidium =<br />
Klebscheibe, Klebkörper) zusammengeballt (eine Ausnahme bilden dabei<br />
beispielsweise die Cypripedioideae). Dies ermöglicht es, die Pollenpakete exakt zu<br />
positionieren, so dass es möglich ist, dass an einem Bestäuber die Pollinien<br />
verschiedener Arten befestigt werden können, ohne dass es zu falschen<br />
Bestäubungen kommt. An verschiedenen Bienenarten (Euglossinae) konnten bis zu<br />
13 Anheftungsstellen festgestellt werden. Im Gegensatz zu anderen Blütenpflanzen<br />
dient der <strong>Orchideen</strong>pollen nicht als Nahrung.<br />
Eine ungewöhnliche Bestäubungstechnik wendet die epiphytisch lebende<br />
chinesische <strong>Orchideen</strong>art Holcoglossum amesianum an: die Antherenkappe öffnet<br />
sich und die männlichen Staubfaden drehen sich aktiv und ohne jedes Hilfsmittel um<br />
fast 360 Grad in Richtung der weiblichen Narbe. Die an dem biegsamen Staubfaden<br />
befestigten Pollenkörner werden anschließend bei Berührung der Narbe freigegeben,<br />
so dass eine Selbstbefruchtung erfolgen kann. Es wird vermutet, dass es sich bei<br />
dieser Technik um eine Anpassung der Orchidee an ihren trockenen und<br />
insektenarmen Lebensraum handelt, die womöglich bei Pflanzen vergleichbarer<br />
Biotope gar nicht so selten ist. Die bereits bekannte Selbstbestäubung der Bienen-<br />
Ragwurz (Ophrys apifera) folgt einem ähnlichen Schema.<br />
5.4. Vegetative Vermehrung<br />
Verschiedene Arten haben die Möglichkeit, sich durch die Bildung von Stolonen (z.B.<br />
Mexipedium xerophyticum), Knollen (z.B. Pleionen) oder Kindeln (Adventiv-Pflanzen;<br />
z.B. Phalaenopsis lueddemanniana) auf vegetativem Weg fortzupflanzen. Die<br />
entstehenden Pflanzen sind genetisch identisch.<br />
Meristeme: Die Vermehrung über Meristeme erfolgt vor allem im Erwerbsgartenbau<br />
zur Erzeugung großer Mengen von <strong>Orchideen</strong> für den Schnitt als auch zum Verkauf<br />
als Topfpflanze, welche man häufig in Pflanzencentern oder Baumärkten erwerben<br />
kann. Große Produzenten findet man vor allem in den Niederlande oder in Thailand.<br />
Außerdem ist es die einzige Möglichkeit, von bestimmten Klonen, beispielsweise<br />
prämierten Pflanzen, identische Nachkommen zu erzeugen, die auch den gleichen<br />
Kultivarnamen tragen dürfen. Im Erwerbsgartenbau geht man bei der<br />
Massenvermehrung aber immer mehr dazu über, mittels in-vitro Aussaat von<br />
<strong>Orchideen</strong>samen und Clusterbildung durch Hormongaben den Bedarf zu decken.<br />
6.0. Evolution<br />
Wann sich die <strong>Orchideen</strong>familie entwickelt hat, konnte bisher noch nicht genau<br />
bestimmt werden, da es kaum Fossilien von <strong>Orchideen</strong> gibt. Wahrscheinlich bildeten<br />
sich die ersten <strong>Orchideen</strong> zwischen dem Ende der Kreidezeit/Anfang des Paläozän<br />
und dem Eozän.<br />
Es wird angenommen, dass sie sich in einem tropischen Gebiet, in offenem Gelände<br />
auf möglicherweise felsigen Standorten als erstes entwickelten. Die Verbreitung<br />
verschiedener primitiver <strong>Orchideen</strong> (z.B. Vanilla, Corymborkis) und das Vorkommen<br />
der primitiven Gattungen (z.B. Cypripedium, Epistephium) in nahezu allen tropischen<br />
Gebieten sind ein Indiz dafür, dass die Entwicklung der <strong>Orchideen</strong> in einer Zeit<br />
begonnen haben muss, in der Afrika und Südamerika enger beieinanderlagen<br />
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Erlebnisreise zur "Grünen Woche Berlin" 25. – 28.1.2007<br />
(Kontinentaldrift). Der Hauptteil der Evolution der <strong>Orchideen</strong> hat allerdings erst<br />
begonnen, als sich die wichtigsten tropischen Regionen schon weit voneinander<br />
entfernt hatten (vor etwa 55 Millionen Jahren). Weiterhin wird angenommen, dass vor<br />
50 bis 55 Millionen Jahren bereits alle Unterfamilien in erkennbarer Form vorhanden<br />
waren und auch die primitiven Vertreter der meisten Triben entwickelt waren oder<br />
sich begannen zu entwickeln.<br />
Die epiphytische Lebensweise vieler <strong>Orchideen</strong>, vor allem der tropisch und<br />
subtropischen Arten, ist das Resultat einer evolutionären Anpassung an<br />
verschiedene Bedingungen. Periodisch trockenes Klima oder gut entwässerte<br />
Standorte, die bereits zur Entstehung der <strong>Orchideen</strong> vorhandene Neigung zur<br />
Insektenbestäubung sowie der zumindest kurzzeitige Zyklus einer mykoheterotrophen<br />
Lebensweise und der damit einhergehenden Entwicklung von kleinen<br />
Samen scheinen wesentliche Faktoren gewesen zu sein, dass <strong>Orchideen</strong> Bäume<br />
besiedelten. Andererseits scheint auch die Ausbildung von fleischigen Wurzeln mit<br />
Velamen oder von fleischigen Blättern als Anpassung an die periodisch trockenen<br />
Standortbedingungen eine Voraussetzung oder ein Möglichkeit gewesen zu sein, von<br />
Felsen oder anderen gut entwässerten Standorten auf Bäume über zu siedeln. Ob<br />
dabei der Weg über Humusepiphyten und anschließender Besiedlung der<br />
ökologischen Nischen in den Baumkronen oder die direkte Besiedlung der Bäume<br />
erfolgte, konnte bis heute nicht geklärt werden.<br />
Bei der Wuchsform der <strong>Orchideen</strong> geht man davon aus, dass sich die Vielfalt der<br />
heutigen <strong>Orchideen</strong> aus einer sehr primitiven Form entwickelt hat, die man noch<br />
ansatzweise in fast allen Unterfamilien findet. So werden die ersten <strong>Orchideen</strong> einen<br />
sympodialen Wuchs mit schmalen Rhizomen, fleischigen Wurzeln (keine<br />
Speicherorgane), gefaltete Blätter und entständige Blütenstände besessen haben.<br />
Aufgrund der fehlenden Fossilien lässt sich nur schwer ableiten, auf welchem Weg<br />
sich die verschiedenen Wuchsformen herausgebildet haben und welches die<br />
Hauptrichtungen der Wuchsevolution sind. Ähnlich verhält es sich bei der<br />
evolutionären Entwicklung der verschiedenen Blütenformen. Es wird davon<br />
ausgegangen, dass die Entwicklung und Anpassung der Blüten vor allem mit den<br />
bestäubenden Insekten in Verbindung zu bringen ist. Am Anfang stand sicherlich<br />
eine lilienähnliche Blüte die nach und nach ihre ventralen Staubbeutel verloren hat.<br />
Dies hängt wahrscheinlich mit der Art zusammen, wie die Bestäuber in die<br />
röhrenförmige Blüte eingedrungen sind. Dabei konnten wohl nur die dorsalen<br />
Staubbeutel ihre Pollen an eine sinnvolle Position für die Bestäubung heften. Die<br />
Ausbildung der Lippe resultiert ziemlich wahrscheinlich daraus, dass die Insekten<br />
immer wieder auf die gleiche Art und Weise auf den Blüten „gelandet“ sind und sich<br />
entsprechend das untere Petalum (medianes Blütenhüllblatt des inneren<br />
Blütenhüllblattkreises) zur Lippe umgebildet hat, um die jeweiligen Bestäuber zu<br />
unterstützen.<br />
7.0. Gefährdung der Habitate und Artenschutz<br />
Nur für die wenigsten Gattungen liegen gesicherte Informationen über die Stärke der<br />
Populationen vor. Trotzdem muss davon ausgegangen werden, dass die Bestände<br />
vieler Arten in der Natur stark gefährdet sind. Dies gilt für die Habitate in allen<br />
Regionen der Welt. Vor allem die Abholzung der Regenwälder oder die<br />
landwirtschaftliche Nutzung von Gebieten mit <strong>Orchideen</strong>habitaten reduzieren die<br />
Bestände stetig. Zusätzlich werden sie durch das unkontrollierte Sammeln gefährdet.<br />
13
Handreichung "<strong>Orchideen</strong>"<br />
Zum Schutz der Pflanzen wurden Regularien erlassen, die den Handel und den<br />
Umgang mit ihnen reglementieren. Alle <strong>Orchideen</strong>arten stehen mindestens im<br />
Anhang II des Washingtoner Artenschutz-Übereinkommens (WA). Folgende<br />
Gattungen und Arten stehen aufgrund besonders umfangreicher Aufsammlungen in<br />
der Vergangenheit und/oder der Gegenwart auf dem Anhang I und unterliegen somit<br />
noch strengeren Auflagen: Aerangis ellisii, Dendrobium cruentum, Laelia jongheana,<br />
Laelia lobata, Peristeria elata, Renanthera imschootiana alle Arten der Gattungen<br />
Paphiopedilum und Phragmipedium.<br />
Der Rückgang vieler europäischer Arten ist auch auf eine veränderte ländliche<br />
Bewirtschaftung zurückzuführen. Durch den enormen Rückgang der Beweidung<br />
(Schafe, usw.), vor allem in Mitteleuropa, gehen die durch menschlichen Eingriff<br />
entstandenen Habitate (Trockenrasen) in ihren ursprünglichen, wäldlichen Zustand<br />
zurück. <strong>Orchideen</strong>arten, die auf Trockenrasen wachsen, treten in diesen Wäldern<br />
kaum noch auf. Es gibt Anlass zu Hoffnung, mit steigendem Naturschutz-<br />
Bewusstsein werden auch unseren seltenen <strong>Orchideen</strong> neue Chancen eingeräumt.<br />
Im Bereich des Lechs wird aktuell versucht Restheiden mit neuen Heiden aus zweiter<br />
Hand zu verbinden. So bieten die Lechtalheiden mit ihren speziellen Böden ein<br />
wachsendes Rückzugsgebiet für unsere heimischen <strong>Orchideen</strong>arten.<br />
8.0. Kulturgeschichte<br />
<strong>Orchideen</strong> faszinieren und beschäftigen die Menschen schon mehr als 2500 Jahre.<br />
Sie wurden als Heilmittel, Dekoration und Aphrodisiakum verwendet oder sie spielten<br />
im Aberglauben eine große Rolle. Die ältesten Überlieferungen über <strong>Orchideen</strong><br />
stammen aus China und beziehen sich auf die Kultur von <strong>Orchideen</strong> aus der Zeit um<br />
500 v. Chr. (Tsui Tsze Kang: <strong>Orchideen</strong>kultur im Kum Cheong (erschienen in der<br />
Song-Dynastie 1128-1283). Der chinesische Philosoph Konfuzius (551-478 v.Chr.)<br />
berichtete über ihren Duft und verwendete sie als Schriftzeichen »lán« ( 蘭 ), was so<br />
viel wie Anmut, Liebe, Reinheit, Eleganz und Schönheit bedeutet. Allgemein gilt die<br />
Orchidee in China als Symbol für Liebe und Schönheit oder auch für ein junges<br />
Mädchen. <strong>Orchideen</strong> in der Vase stehen dort für Eintracht.<br />
Die ältesten europäischen Überlieferungen stammen aus der griechischen<br />
Spätklassik von Theophrastus von Lesbos (etwa 372-289 v. Chr.). In seinem Werk<br />
Historia plantarum, Band 9 beschreibt er eine Pflanze mit zwei unterirdischen Knollen<br />
und bezeichnet sie als orchis, was dem griechischen Wort ὄρχις „Hoden“ entspricht.<br />
Vermutlich handelte es sich dabei um die Art Orchis morio. Die ältesten erhalten<br />
gebliebenen Schriften über <strong>Orchideen</strong> stammen von Pedanios Dioscurides (1. Jhd.<br />
n. Chr.) und von Apulieus (um 150 n. Chr.).<br />
Die ersten monographischen Abhandlungen über <strong>Orchideen</strong> entstanden in China<br />
bereits während der Song-Dynastie (Tsui Tsze Kang: <strong>Orchideen</strong>kultur im Kum<br />
Cheong, Wong Kwei Kok Die <strong>Orchideen</strong>kultur des Herrn Wong). Anhand der<br />
Schilderungen in diesen Werken kann man ablesen, dass sich die <strong>Orchideen</strong>kultur in<br />
China damals bereits auf einer hohen Stufe befand. Auch in Amerika (Mexiko)<br />
werden <strong>Orchideen</strong> schon lange kultiviert. Noch bevor die Spanier das Land<br />
eroberten, wurden vor allem die Früchte von „Tlilxochitl“ (Vanilla planifolia) als<br />
Gewürz geschätzt. Die Azteken verehrten »Coatzontecomaxochitl« (Stanhopea-<br />
Arten) als heilige Blumen und kultivierten diese in den Gärten ihrer Heiligtümer. Mitte<br />
14
Erlebnisreise zur "Grünen Woche Berlin" 25. – 28.1.2007<br />
des 16. Jhd. setzte man sich auch in Europa stärker mit den <strong>Orchideen</strong> auseinander.<br />
So erschienen nacheinander verschiedene Werke (Leonhart Fuchs Histora Stirpium<br />
(1542), Hieronymus Bock (New) Kreuter Buch 2. Ausgabe (1546), Jacques<br />
Daléchamps Historia generalis plantarum (1586)), die die bisher bekannten Pflanzen<br />
ordneten, indem sie verwandte Arten zusammenstellten, Wuchsformen, Blüten und<br />
Wurzelknollen beschrieben.<br />
Mit dem Erscheinen von Species plantarum von Carl von Linné (1753) erhielten auch<br />
verschiedene <strong>Orchideen</strong>arten erstmals Namen nach der binären Nomenklatur.<br />
Antoine Laurent de Jussieu begründete 1789 mit der Herausgabe des Werkes<br />
Genera Plantarum die Grundlagen der botanischen Klassifikation und somit auch die<br />
Schaffung der Orchidaceae als Pflanzenfamilie. Der schwedische Botaniker O.<br />
Swartz gliederte 1800 als erster die <strong>Orchideen</strong>familie in zwei verschiedene Gruppen<br />
(ein oder zwei fruchtbare Staubblätter). Mit seinem Werk The Genera and Species of<br />
Orchidaceous Plants (London, 1830 bis 1840) und unzähligen Einzelbearbeitungen<br />
wurde J. Lindley zum eigentlichen Begründer der <strong>Orchideen</strong>kunde. Sein Hauptwerk<br />
lag in der Gliederung und Beschreibung von Arten. Seine Arbeiten wurden später<br />
durch H. G. Reichenbach (Rchb. f.), J. D. Hooker, R. Schlechter und andere ergänzt,<br />
erweitert und zum Teil wesentlich überarbeitet.<br />
Bevor man in Europa begann, aus Übersee tropische <strong>Orchideen</strong> einzuführen,<br />
kultivierte man schon lange Zeit heimische <strong>Orchideen</strong> in den Gärten. Die erste<br />
tropische Orchidee in Europa erblühte 1615 in Holland (Brassavola nodosa). 1688<br />
wurde Disa uniflora aus Südafrika nach Europa eingeführt. Vor allem durch seine<br />
weltweite Vormachtstellung als Kolonialmacht und die daraus resultierenden<br />
Verbindungen gelangten viele Arten nach England, wo im 19. Jhd. zahlreiche<br />
Sammlungen entstanden. Vor allem C. Loddiges war ausgesprochen erfolgreicher<br />
Kultivateur.<br />
Als 1818 bei W. Cattley die erste Cattleya labiata (später als Cattleya labiata var.<br />
autumnalis bezeichnet) erblühte, war die große lavendelblaue Blüte eine Sensation<br />
in Europa und führte zu einem immer stärkeren Bedarf an weiteren tropischen<br />
<strong>Orchideen</strong>. Es wurden immer mehr Sammler und Forschungsreisende (z. Z.B. J.<br />
Gibson, W. Lobb, Th. Lobb, D. Burke, J. H. Veitch) in alle Welt geschickt, um neue<br />
unbekannte Arten zu finden und diese Pflanzen in die Sammlungen der zahlenden<br />
Gärtnereien (z. B. C. Loddiges, J. Linden, F. Sander, L. van Houtte, Veitch & Sons<br />
LTD) und Privatpersonen (z.B. W. Cattley, AL. Keferstein, Senator Jenisch)<br />
einzugliedern. Die Anzahl der Importe verringerte sich erst wieder, als die<br />
<strong>Orchideen</strong>züchtung immer mehr an Bedeutung gewann (Anfang 20. Jhd.). Mit dem<br />
Beginn der stärkeren wissenschaftlichen Untersuchung der Familie Orchidaceae zur<br />
Klärung von z.B. offener Verwandtschaftsverhätnisse und dem wachsenden<br />
Interesse von Amateuren stieg der Bedarf und das Interesse an den Naturformen<br />
wieder. Auch heute noch sind Gärtnereien in aller Welt daran interessiert,<br />
Wildformen in ihre Bestände einzugliedern, um durch Einkreuzungen vorhandenes<br />
Pflanzenmaterial aufzufrischen. Auch heute werden bisher unbekannte Arten neu<br />
entdeckt.<br />
In den letzten Jahrzehnten wurde die <strong>Orchideen</strong>kultur immer populärer, das Angebot<br />
und die Verfügbarkeit von Kulturhybriden wurde größer und so versuchten sich<br />
immer mehr Amateure daran, in den heimischen Zimmern, Vitrinen und<br />
Gewächshäusern <strong>Orchideen</strong> zu kultivieren. Heute ist die Kultur dieser bezaubernden<br />
15
Handreichung "<strong>Orchideen</strong>"<br />
Pflanzen nichts Ungewöhnliches mehr. Vor allem der Massenproduktion von<br />
<strong>Orchideen</strong> in Taiwan, Thailand und den Niederlanden ist es zu verdanken, dass die<br />
Preise der Pflanzen so gesunken sind, dass eine blühende Orchidee im Topf (z. Z.B.<br />
in Deutschland) zum Teil preiswerter ist als ein durchschnittlicher Blumenstrauß.<br />
Diese Popularität hat aber auch dazu geführt, dass die Jagd nach dem Besonderen,<br />
dem Einzigartigen, dem Besitz besonders hochwertiger Pflanzen wieder aktueller<br />
denn je ist.<br />
Die Folge ist zum einen, dass für besonders rare Exemplare oder prämierte Pflanzen<br />
exorbitante Preise in Japan oder den USA gezahlt werden, und zum anderen, dass<br />
aus Geldgier besonders bei neuentdeckten Arten häufig die natürlichen Bestände<br />
geplündert werden, nur um die Nachfrage sogenannter „Sammler“ zu befriedigen. So<br />
führte die Entdeckung von Phragmipedium kovachii neben einem Streit um die<br />
Erstbeschreibung auch dazu, dass die bekannt gewordenen Habitate in Peru stark<br />
dezimiert wurden.<br />
9.0. <strong>Orchideen</strong> als Nutzpflanzen<br />
Trotz ihrer großen Vielfalt werden nur wenige <strong>Orchideen</strong>arten als kultivierte<br />
Nutzpflanze verwendet. Dazu zählt die Gewürzvanille (Vanilla planifolia) zur<br />
Gewürzproduktion. Einige Arten werden auch zur Aromatisierung/Bereitung von Tee<br />
(z.B. Jumellea fragrans) oder auch als Parfümierungsmittel für Parfüm und Tabak<br />
(z.B. Vanilla pompona) genutzt. Wo nationale Naturschutzgesetze dies nicht<br />
unterbinden, werden verschiedene Arten der Gattungen Orchis und Ophrys (z.B.<br />
Orchis morio) durch Naturentnahmen zur Gewinnung von Gallerte aus „Salep“<br />
genutzt. Die ausgegrabenen Wurzelknollen werden in der Türkei zur Aromatisierung<br />
von Speiseeis verwendet.<br />
Große wirtschaftliche Bedeutung erlangen die <strong>Orchideen</strong> als Zierpflanzen oder<br />
Schnittblumen. Den größten Anteil daran haben im Zierpflanzenbereich die<br />
Züchtungen von Hybriden der Gattungen Phalaenopsis, Cattleya, Dendrobium,<br />
Paphiopedilum und Cymbidium. Außer als getopfte Pflanzen werden die Blütentriebe<br />
der Gattungen Phalaenopsis, Dendrobium und Cymbidium häufig auch als<br />
Schnittblumen vermarktet.<br />
Im südostasiatischen Raum erwirtschaftet Thailand mit dem Export von <strong>Orchideen</strong><br />
jährlich ca. 2 Milliarden Baht (etwa 40 Mio. Euro), wobei die Hauptmärkte in den<br />
USA, Japan, Europa, Hongkong, Taiwan und Südkorea liegen. Dies sorgte 2002 für<br />
den Export von über 3.1 Mio. <strong>Orchideen</strong>pflanzen. Da laut thailändischer<br />
Landwirtschaftsbehörde ein Trend mit großem Umsatzpotenzial erkannt wurde, wird<br />
versucht, die Qualität und Attraktivität der thailändischen <strong>Orchideen</strong> mit Zertifikaten<br />
weiter zu steigern. In Europa werden große Mengen von <strong>Orchideen</strong>hybriden vor<br />
allem in den Niederlanden für den Massenmarkt (Baumärkte, Pflanzen- und<br />
Blumencenter) produziert. So gab es 2003 dort etwa 216 ha überglaste Anbaufläche<br />
alleine für die Produktion von <strong>Orchideen</strong> für den Schnittblumenverkauf. In den USA<br />
betrug der Umsatz durch getopften Orchidee etwa 121 Millionen US$ (2003).<br />
Der Massenmarkt wird vorwiegend durch in-vitro erzeugte Pflanzen bedient. Die<br />
Bedeutung dieses Geschäftszweiges lässt sich anhand der Entwicklung der<br />
Produktionsmengen belegen. Innerhalb von 10 Jahren (1991-2000) hat sich die<br />
Menge der in Deutschland in-vitro produzierten <strong>Orchideen</strong> fast verfünffacht (1991:<br />
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Erlebnisreise zur "Grünen Woche Berlin" 25. – 28.1.2007<br />
ca. 2,5 Millionen Pflanzen, 2000: über 12 Millionen Pflanzen). Den größten Anteil<br />
hatten daran Pflanzen (größtenteils Hybriden) der Gattungen Phalaenopsis (2000:<br />
über 9 Millionen Pflanzen).<br />
Die <strong>Orchideen</strong> als entwicklungsgeschichtlich relativ junge Familie der Pflanzen<br />
können in weitem Umfang, auch über Gattungsgrenzen hinweg, zur Kreuzung<br />
verwendet werden. So entstanden im Lauf der letzten etwa 150 Jahre ungefähr<br />
100.000 Hybriden. Von diesen werden wiederum einige Tausende als Zierpflanzen<br />
kommerziell vermehrt und verkauft.<br />
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