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Referat Bernhard Klingen

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Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 1<br />

<strong>Referat</strong>:<br />

Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien<br />

Vorlesung: Themen der internationalen politischen Ökonomie<br />

PD Dr. <strong>Bernhard</strong> Boockmann<br />

13. Januar 2006<br />

<strong>Bernhard</strong> <strong>Klingen</strong><br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Methodik der empirischen Untersuchungen<br />

2. Abstimmungsverhalten und Konfliktlinien in der Generalversammlung der Vereinten<br />

Nationen<br />

3. Abstimmungsverhalten und Koalitionsbildung im Europäischen Parlament


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 2<br />

1 Methodik der empirischen Untersuchungen<br />

−→ zu Grunde liegendes Verfahren: Nominate (Nominal Three-Step Estimation)<br />

−→ Idee des Verfahrens: Darstellung der Positionen von Abgeordneten in Bezug<br />

auf eine Vielzahl von Fragestellungen in wenigen Konfliktdimensionen<br />

−→ Beispiel: Positionen von Abgeordneten, die entweder klassisch liberalen<br />

Überzeugungen oder traditionellen Sozialstaatsideen anhängen, lassen sich<br />

in vielen wirtschaftspolitischen Fragen (Kündigungsschutz, Privatisierungen,<br />

Spitzensteuersatz etc.) eindimensional zusammenfassen<br />

−→ Graphische Darstellung:<br />

• in der Regel zweidimensionale Darstellung mit den zwei dominierenden<br />

Konfliktdimensionen (z.B. rechts/links in Bezug auf Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik)<br />

• jedem Abgeordneten wird ein Idealpunkt in diesem zweidimensionalen Raum<br />

zugeordnet (die Koordinaten repräsentieren seine Position in Bezug auf die<br />

dominierenden Konflikte)<br />

−→ zu Grunde liegende Annahme: die Präferenzen der Abgeordneten sind<br />

eingipflig (je näher eine Abstimmungsalternative am Idealpunkt liegt,<br />

desto wahrscheinlicher ist es, dass der Abgeordnete für diese votiert)<br />

und symmetrisch (der Abgeordnete ist indifferent zwischen zwei Abstimmungsalternativen,<br />

die in gleicher Entfernung von seinem Idealpunkt<br />

liegen)


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 3<br />

• Abgeordnete, deren Idealpunkte nah beieinander liegen, vertreten in Abstimmungen<br />

zumeist die gleiche Position<br />

• es können für einzelne Fragen – oder gemittelt für eine Vielzahl ähnlicher<br />

Themen – sogenannte cutting-lines“ ermittelt werden, entlang derer sich<br />

”<br />

das Gremium in seinem Abstimmungsverhalten teilt<br />

• je weiter der Punkt eines Abgeordneten von der cutting line“ entfernt<br />

”<br />

ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass er tatsächlich in der vom Modell<br />

prognostizierten Weise abstimmt<br />

−→ Identifikation der Konfliktdimensionen und Ermittlung der Abgeordnetenpositionen:<br />

in einem Maximum likelihood-Verfahren werden die Idealpunkte<br />

und Konfliktlinien geschätzt, indem die Wahrscheinlichkeit maximiert<br />

wird, dass die ermittelten Punkte und Linien zu den beobachteten Abstimmungsergebnissen<br />

führen<br />

−→ Bestimmung der Dimensionalität:<br />

• Schätzung des Modells in verschiedenen Dimensionen<br />

• Vergleich der Präzision, mit der die verschiedenen Spezifikationen die Abstimmungsergebnisse<br />

vorhersagen können


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 4<br />

−→ Maße zur Bewertung des fit“ der jeweiligen Spezifikationen:<br />

”<br />

- %-Klassifizierung: Prozentualer Anteil der einzelnen beobachteten<br />

Stimmabgaben, die durch die Spezifikation erklärt werden können<br />

(Beispiel: eine %-Klassifikation von 80% für ein eindimensionales<br />

Modell besagt, dass bei eindimensionaler Anordnung der Abgeordneten<br />

durch die geschätzten cutting“-Punkte 80% der Stimmabgaben<br />

erklärt werden können); aber: problematische Interpretation der<br />

”<br />

Werte (Beispiel: wenn in einem Gremium Beschlüsse durchschnittlich<br />

mit 80%iger Mehrheit getroffen werden, führt eine Modellspezifikation,<br />

die allen Abgeordneten den gleichen Idealpunkt gibt, zu einer %-<br />

Klassifikation von 80%)<br />

- Aggregate Proportional Reduction in Error (Apre): der Apre gibt<br />

an, um wieviel Prozentpunkte die %-Klassifizierung einer Modellspezifikation<br />

über der des Modells mit identischen Idealpunkten liegt;<br />

die Differenz zwischen dem Apren + 1 und dem Apren gibt die<br />

Verbesserung im Erklärungsgehalt des Modells an, wenn eine zusätzliche<br />

Dimension einbezogen wird


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 5<br />

2 Abstimmungsverhalten und Konfliktlinien in der Generalversammlung<br />

der Vereinten Nationen<br />

=⇒ Voeten, Erik (2000): ”<br />

Clashes in the Assembly“, International Organization,<br />

54(2), S. 185–215.<br />

−→ Ziel und Idee der Arbeit von Voeten:<br />

• empirische Untersuchung der Veränderungen in der internationalen Politik<br />

nach Ende des Kalten Krieges und Auflösung der bipolaren Weltordnung<br />

−→ Welche Konflikte prägen die internationale Polititk? Welche neuen Koalitionen<br />

und Bündnisse der zwischenstaatlichen Kooperation haben<br />

sich nach Zerfall der Ost-/West-Blöcke herausgebildet?<br />

• Untersuchung der roll call“-Ergebnisse in der Generalversammlung der<br />

”<br />

Vereinten Nationen für die Cold War“- von 1946–1988 und die post-Cold<br />

” ”<br />

War“-Periode von 1991–1996 (nicht berücksichtigt werden einzig Staaten,<br />

die an weniger als 25 Abstimmungen teilnahmen; ebenso nicht in die Analyse<br />

Eingang gefunden haben Abstimmungen mit weniger als 2,5% der Staaten<br />

auf der überstimmten Seite)<br />

−→ Generalversammlung der Vereinten Nationen ist das einzige Gremium,<br />

in dem eine sehr große Zahl von Staaten sehr verschiedenartige Themen<br />

zur Abstimmung bringen, und daher Veränderungen des zwischenstaatlichen<br />

Verhaltens beobachtbar sind.


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 6<br />

−→ Empirische Untersuchung dreier konkreter Fragestellungen:<br />

a) Hat die Dimensionalität der Konflikte in der Generalversammlung – und<br />

damit die Instabilität der Koalitionen und voting-Blöcke – nach Ende des<br />

Kalten Krieges zugenommen?<br />

b) Was sind die Determinanten des Abstimmungsverhaltens in der Generalversammlung<br />

seit Ende des Kalten Krieges?<br />

c) Haben sich die Konfliktlinien in der Generalversammlung seit Ende des<br />

Kalten Krieges grundlegend verändert?<br />

−→ Theoretische Hypothesen über die Konstellationen in der internationalen<br />

Politik nach Fall des Eisernen Vorhangs:<br />

• Auflösung von festen Gruppierungen: an die Stelle der Ost-/West-Blöcke<br />

sind ad-hoc-Koalitionen getreten; die Staaten lassen sich von ihren themenspezifischen<br />

Präferenzen leiten<br />

• Neuformierung von Gruppierungen: an die Stelle der Ost-/West-Blöcke sind<br />

neue geopolitische Verbindungen getreten<br />

Ansätze der Realisten“: zwischenstaatliche Beziehungen werden vom geopolitischen<br />

Machtgefüge geprägt; der Zerfall der Sowjetunion erfordert eine<br />

”<br />

Anpassung der internationalen Politik an die neuen Gegebenheiten<br />

i) Stability hypothesis: Staaten streben in der internationalen Politik einzig<br />

nach Sicherheit und Wohlstand<br />

−→ bis auf die Neuorientierung ehemaliger Ostblock-Staaten sind durch<br />

Fall des Eisernen Vorhangs keine fundamentalen Veränderungen zu<br />

erwarten


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 7<br />

ii) Structuralist hypothesis: ökonomisch oder politisch schwache Staaten<br />

schließen sich zusammen, um gemeinsam ihre Interessen erfolgreicher<br />

artikulieren zu können<br />

−→ ein Bündnis der Entwicklungsländer und ein North-South“-Konflikt<br />

”<br />

sind zu erwarten<br />

iii) Counterhegemonic bloc hypothesis: um die Machtstellung eines Hegemons<br />

zu beschränken, bildet sich ein Zusammenschluss von Staaten<br />

zur counterhegemonic“ Opposition<br />

”<br />

−→ nach Zerfall der Sowjetunion ist ein Zusammenschluss von Staaten<br />

als Gegengewicht zu den USA zu erwarten<br />

Ansätze der Liberalen“: zwischenstaatliche Beziehungen werden von innerstaatlichen<br />

Institutionen geprägt; Veränderungen der internationalen Poli-<br />

”<br />

tik lassen sich auf Veränderungen dieser Institutionen zurückführen<br />

i) Democracy hypothesis: moderne demokratische Regime teilen eine Vielzahl<br />

politischer Zielsetzungen (z.B. in Bezug auf Menschenrechte, politische<br />

Freiheiten, ökonomischen Liberalismus) und werden daher eng<br />

kooperieren<br />

−→ Fall des Eisernen Vorhangs beendete den ideologischen Ost-West-<br />

Konflikt und führte zur Installation neuer demokratischer Regime<br />

insbesondere in Osteuropa; die Bildung eines neuen voting blocs“<br />

”<br />

demokratischer Staaten ist zu erwarten


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 8<br />

ii) Civilization hypothesis: die Geopolitik wird maßgeblich von Differenzen<br />

zwischen einzelnen Kulturkreisen geprägt (Huntington, Samuel P.<br />

[1996]: The Clashes of Civilizations and the Remaking of World Order)<br />

−→ nach Ende des Ost-West-Konflikts sind Konflikte zwischen Kulturkreisen<br />

– insbesondere zwischen westlichen und islamischen Staaten<br />

– zu erwarten<br />

Tabelle 1: Implikationen der theoretischen Hypothesen für die drei<br />

Fragestellungen a)–c)<br />

Hypothesen a) Dimensionalität b) Determinanten c) Veränderungen<br />

der Konflikte des Abstimmungsverhaltens<br />

seit Ende des<br />

Kalten Krieges<br />

Auflösung<br />

hoch themenspezifisch groß<br />

fester Gruppierungen<br />

Stability hypothesis<br />

niedrig Sicherheit, Wohlstand gering<br />

Structuralist niedrig Wohlstand gering (jedoch zusätzlich<br />

hypothesis<br />

Nord-Süd-<br />

Konflikt)<br />

Counterhegemonic<br />

— Opposition zu USA groß (Bildung eines<br />

bloc<br />

neuen Blocks)<br />

hypothesis<br />

Democracy niedrig Regierungsform —<br />

hypothesis<br />

Civilization<br />

hypothesis<br />

hoch Kulturkreis gering


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 9<br />

Clashes in the Assembly 203<br />

−→ Ergebnis der Nominate-Schätzung für die letzte Cold War“-Periode<br />

”<br />

FIGURE 4. Structure of conflict in the UNGA (1970–88)<br />

Abbildung 1: Konfliktlinien in der VN-Generalversammlung 1970–88<br />

Voting Alignments Since the End of the Cold War<br />

Figures 5 and 6 show the distribution of states’ estimated ideal points in the UNGA<br />

from 1991 to 1993 and 1994 to 1996. The positions of states along this first dimension<br />

strongly correlate between the two periods (r .96). Given the countries that<br />

−→ Interpretation der Konfliktlinen für die Periode 1970–88:<br />

are on the extremes of the first dimension, one could appropriately label the poles as<br />

‘‘Western’’ and ‘‘non-Western.’’ On the ‘‘Western’’ side of the dimension, the United<br />

Kingdom, • Verteilung France, the derUnited Staaten States, entlang and Israel der occupy ersten the most Dimension extreme positions. legt erwartungsgemäß<br />

eine Interpretation dieser als West-East“-Spektrum nahe<br />

In that respect, little seems to have changed since the Cold War, except perhaps that<br />

the United States has moved further away from most other Western countries since<br />

the Cold War, as expected by the counterhegemonic ” hypothesis. 48 Most of the East-<br />

• Verteilung der Staaten entlang der zweiten Dimension zeigt die in der<br />

48. The category Western countries in the figures includes the United States, Canada, Australia, New<br />

Zealand, and the countries of the European Union except the Nordic countries.<br />

Endphase des Kalten Krieges steigende Bedeutung des Nord-Süd-Konflikts<br />

(insbesondere seit dem Zusammenschluss von Entwicklungsländern zur<br />

Group of 77“ Anfang der 1970er Jahre)<br />

”<br />

@xyserv2/disk3/CLS_jrnl/GRP_inor/JOB_inor54-2/DIV_105k01<br />

cind


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 10<br />

• etwa 43% der Abstimmungen führten zu einer Trennung des Gremiums<br />

entlang der West-Rest“-Linie, 7% zu einer entlang der East-Rest“-<br />

” ”<br />

Linie und 14% entlang der North-South“-Linie<br />

”<br />

−→ obwohl viele Themen des Ost-West-Konflikts nicht mehr in der Generalversammlung<br />

der Vereinten Nationen behandelt wurden (beispielsweise<br />

kam es nie zu einer Abstimmung über den Vietnamkrieg),<br />

dominiert dieser das Abstimmungsverhalten<br />

204 International Organization<br />

−→ Ergebnisse der Nominate-Schätzung für die post-Cold War“-Periode:<br />

”<br />

FIGURE 5. Structure of conflict in the UNGA (1991–93)<br />

Abbildung 2: Konfliktlinien in der VN-Generalversammlung 1991–93<br />

ern European states are now located closer to Western European states than to Russia.<br />

Countries belonging to the former Soviet bloc have thus switched sides since the<br />

end of the Cold War.<br />

‘‘Non-Western’’ is a good label for the second pole, because its prototypical members<br />

are exactly those states that have been involved in clashes with the West and, in<br />

particular, the United States in the 1990s. On this side of the dimension, the remaining<br />

communist states Laos, North Korea, Vietnam, China, and Cuba group together<br />

with states such as Iran, Iraq, Libya, Syria, Sudan, Burma, and, in the 1994–96<br />

period, India. Of these countries, only Vietnam and Cuba can be found on extreme<br />

positions to the East in the period preceding the end of the Cold War (see Figure 4).<br />

The first dimension represents a continuum, with the United States and its Western<br />

allies on one extreme, followed by the Orthodox former Soviet republics, the Latin<br />

American countries, a group of African and Asian countries in the middle, and at the


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 11<br />

−→ Interpretation der Konfliktlinen für die Periode 1991–93:<br />

• erste Konfliktdimension lässt sich als Western/Non-Western“-Dimension<br />

”<br />

bezeichnen<br />

- am linken Ende des Spektrums nur geringe Veränderungen seit Ende<br />

des Kalten Krieges: USA entfernen sich leicht von den europäischen<br />

Staaten; osteuropäische Staaten haben sich nah bei den westeuropäischen<br />

positioniert; und Russland ist ebenfalls auf die linke Seite<br />

des Spektrums gewechselt<br />

- in der Mitte des Spektrums befinden sich vornehmlich lateinamerikanische<br />

und afrikanische Staaten<br />

- am rechten Ende des Spektrums hat sich ein counterhegemonic<br />

”<br />

voting bloc“ aus aufstrebenden Mächte wie China und Indien sowie<br />

solchen, die in Konflikte mit den USA verwickelt sind (Nordkorea,<br />

Kuba, Iran, Irak, Libyen, Syrien, Sudan und Myanmar), positioniert<br />

• zweite Dimension von geringer Bedeutung (nur etwa 2% der Abstimmungen<br />

teilten das Gremium entlang dieser Dimension) und schwer<br />

interpretierbar


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen GremienClashes in the Assembly 205 12<br />

FIGURE 6. Structure of conflict in the UNGA (1994–96)<br />

Abbildung 3: Konfliktlinien in der VN-Generalversammlung 1994–96<br />

other extreme a counterhegemonic voting bloc of countries that challenge U.S. hegemony.<br />

The countries on the ‘‘non-Western’’ pole are not the prototypical representatives<br />

of the countries that were seeking to establish a new international economic<br />

−→ Interpretation der Konfliktlinien für die Periode 1994–96:<br />

order in the 1970s and 1980s. They are states that challenge principles of political<br />

liberalism and the dominance of the United States. This finding therefore supports<br />

the• counterhegemonic große Stabilität bloc der hypothesis Positionen rather entlang than theder structuralist ersten Konfliktdimension hypothesis that im<br />

North-South conflict has superseded East-West conflict.<br />

The finding could also be seen as evidence for the hypothesis that regime type<br />

Vergleich zur Periode 1991–93 (Korrelationskoeffizient r = 0, 96)<br />

matters, since most countries on the ‘‘non-Western’’ pole are nondemocracies. The<br />

substantive meaning of the continuum that underlies the voting behavior of states can<br />

be• further erneut evaluated geringe by constructing Bedeutungmultivariate der zweiten testsKonfliktdimension; that relate different possible zudem niedrige<br />

Stabilität der Positionen entlang dieser<br />

determinants of state behavior to their position on this continuum. I will develop<br />

(Korrelationskoeffizient<br />

r = 0, 57)<br />

@xyserv3/disk3/CLS_jrnl/GRP_inor/JOB_inor54-2/DIV_105k01<br />

rich


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 13<br />

−→ ad a): Dimensionalität der Konflikte<br />

Tabelle 2: Ergebnisse der ein- und zweidimensionalen Nominate-Modelle<br />

Periode Roll Staaten %-Klassifizierung Apre1 Apre2 Apre2<br />

”<br />

calls“ eindimen- zweidimen- –Apre1<br />

sional sional<br />

1946–53 383 60 85,9 88,0 48,1 55,8 7,7<br />

1954–69 662 126 86,5 88,2 55,5 61,4 5,9<br />

1970–88 2279 158 90,3 91,8 46,8 54,8 8,0<br />

1991–93 167 179 93,4 94,6 69,5 75,0 5,5<br />

1994–96 176 182 91,2 92,5 59,3 65,3 6,0<br />

1991–96 344 186 91,8 93,0 62,1 67,7 5,6<br />

−→ die Werte von Apre1 und Apre2 deuten auf einen großen Erklärungsgehalt<br />

der ersten Dimension und einen verhältnismäßig geringen zusätzlichen<br />

Erklärungsgehalt der zweiten hin; insbesondere für die ”<br />

post-Cold War“-<br />

Periode kann das Wahlverhalten bereits weitgehend mit den Positionen<br />

auf einem eindimensionalen Spektrum erklärt werden; Widerspruch zur<br />

Hypothese, dass nach Fall des Eisernen Vorhangs eine Auflösung jeglicher<br />

voting blocs“ stattgefunden hat<br />

”<br />

−→ auf Grund des geringen Erklärungsgehalts der zweiten Dimension sollten<br />

die Positionen entlang dieser nur mit Vorsicht interpretiert werden<br />

−→ die Berücksichtigung einer dritten Dimension führt nur in der ersten ”<br />

Cold<br />

War“-Periode zu einem zusätzlichen Erklärungsgehalt von mehr als einem<br />

Prozentpunkt


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 14<br />

−→ ad b): Determinanten des Abstimmungsverhaltens<br />

−→ Identifikation der Determinanten für die Position entlang des ”<br />

Western/Non-<br />

Western“-Spektrums mit Hilfe einer Regressionsanalyse<br />

Tabelle 3: Einfluss von Wohlstand, Demokratie und Kulturkreis<br />

auf das Abstimmungsverhalten<br />

erklärende 1991–93 1994–96<br />

Variablen mit Westen ohne Westen mit Westen ohne Westen<br />

Konstante 0,63 0,67 0,56 0,62<br />

(7,7) (7,5) (6,8) (6,9)<br />

BIP pro Kopf -0,17 -0,23 -0,16 -0,22<br />

(-3,1) (-2,9) (-2,7) (-2,9)<br />

Demokratie -0,17 -0,23 -0,16 -0,22<br />

(-2,7) (-2,7) (-1,9) (-2,5)<br />

Westen -0,69 — -0,73 —<br />

(-9,2) (-9,3)<br />

Islam -0,04 -0,09 -0,06 -0,16<br />

(-0,6) (-0,8) (-0,8) (-1,3)<br />

Orthodox -0,32 -0,54 -0,39 -0,61<br />

(-6,0) (-5,9) (-6,8) (-6,7)<br />

Lateinamerika -0,10 -0,19 -0,16 -0,26<br />

(-1,6) (-1,7) (-2,4) (-2,4)<br />

Afrika -0,04 -0,11 -0,02 -0,08<br />

(-0,6) (-0,9) (-0,2) (-0,7)<br />

Radj 2 0,76 0,43 0,72 0,45<br />

N 138 104 139 105<br />

[abhängige Variable: Koordinaten der Western/Non-Western“-Dimension]<br />

”<br />

[aufgeführt sind standardisierte Koeffizienten; t-Werte in Klammern]<br />

−→ erklärende Variablen:<br />

• BIP pro Kopf als Proxy für wirtschaftliche Entwicklung<br />

• Index für Qualität demokratischer Institutionen<br />

• Dummys für die fünf größten Kulturkreise (Huntington, 1996)


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 15<br />

−→ Ergebnisse der Regressionsanalyse:<br />

• hoher Grad wirtschaftlicher Entwicklung, sowie demokratische Institutionen<br />

führen zu einem Western“ Abstimmungsverhalten<br />

”<br />

−→ um Kolinearitätsprobleme auszuschließen, wurde die Regression auch<br />

unter Ausschluss der westlichen Staaten durchgeführt; dies führte<br />

jedoch zu einem noch stärkeren Einfluss von Demokratie und wirtschaftlicher<br />

Entwicklung<br />

• die Kulturkreisdummies sind nur teilweise signifikant<br />

−→ Bestätigung der Structuralist“ und der Democracy hypothesis“<br />

” ”


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 16<br />

−→ ad c): Veränderung der Konfliktlinien seit Ende des Kalten Krieges<br />

−→ Identifikation der Veränderungen im Wahlverhalten nach Fall des Eiserenen<br />

Vorhangs mit Hilfe einer Regressionsanalyse<br />

Tabelle 4: Veränderung des Abstimmungsverhaltens<br />

nach Ende des Kalten Krieges<br />

erklärende Koordinaten der Veränderung der<br />

Variablen Western/Non-Western“- Position zwischen<br />

”<br />

Dimension 1991–93 1986–88 und 1991–93<br />

Konstante 0,22 0,05<br />

(3,2) (1,5)<br />

East-West“- 0,41 —<br />

”<br />

Dimension (2,9)<br />

1986–88<br />

North-South“- 0,11 —<br />

”<br />

Dimension (-1,6)<br />

1986–88<br />

BIP pro Kopf -0,22 -0,14<br />

(-2,6) (-1,5)<br />

Demokratie -0,16 -0,12<br />

(-2,4) (-1,8)<br />

Veränderung in -0,16 -0,20<br />

Demokratie“ (-2,6) (-3,1)<br />

”<br />

Westen -0,19 0,03<br />

(-1,6) (0,4)<br />

Osteuropa -0,61 -0,68<br />

(-11,4) (-11,4)<br />

Islam 0,13 0,11<br />

(2,4) (2,0)<br />

Radj 2 0,89 0,69<br />

N 119 119<br />

[aufgeführt sind standardisierte Koeffizienten; t-Werte in Klammern]<br />

[Die Variablen Lateinamerika“ und Afrika“ hatten keinen signifikanten<br />

Einfluss auf die Analyse und wurden daher aus dem Modell<br />

” ”<br />

entfernt.]<br />

−→ erklärende Variablen:<br />

• Positionen entlang der East-West“- und der North-South“-Dimension<br />

” ”<br />

in den letzten Cold War“-Jahren 1986–88<br />

”<br />

• Veränderung des Index für die Qualität demokratischer Institutionen


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 17<br />

• BIP pro Kopf, Demokratieindex und Kulturkreisdummies (die Variable<br />

”<br />

Orthodox“ wurde durch ”<br />

Osteuropa“ ersetzt, um die besondere<br />

Rolle der ehemaligen Ostblockstaaten abbilden zu können)<br />

−→ Interpretation der Ergebnisse:<br />

• die Position entlang des ”<br />

East-West“-Spektrums im Kalten Krieg leistet<br />

einen erheblichen Erklärungsbeitrag für die Positionierung entlang der<br />

ersten Konfliktdimension nach Fall des Eisernen Vorhangs<br />

• der Einfluss der Position entlang des ”<br />

North-South“-Spektrums hat keinen<br />

signifikanten Einfluss auf das Abstimmungsverhalten in der ”<br />

post-<br />

Cold War“-Periode<br />

• hochsignifikanter Koeffizient für Osteuropa-Dummy bildet den ”<br />

Seitenwechsel“<br />

der ehemaligen Ostblockstaaten ab<br />

• eine Stärkung der demokratischen Institutionen führte zu einem mehr<br />

Western“ Abstimmungsverhalten<br />

”<br />

• die Positionsveränderung mit Ende des Kalten Krieges können drei Variablen<br />

signifikant erklären: eine Veränderung des Demokratieindex, der<br />

Osteuropa-Dummy sowie der Islam-Dummy (islamische Staaten haben<br />

sich seit Ende des Kalten Krieges mit ihrem Abstimmungsverhalten<br />

vom Westen entfernt)


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 18<br />

3 Abstimmungsverhalten und Koalitionsbildung im Europäischen<br />

Parlament<br />

=⇒ Hix, Simon, Abdul G. Noury und Gérard Roland (2005): ”<br />

Dimensions of Politics<br />

in the European Parliament“, IGS Paper WP 2005-9, Institute of Governmental<br />

Studies, University of California, Berkeley.<br />

−→ Ziel und Fragestellungen der Arbeit von Hix, Noury und Roland:<br />

• Empirische Untersuchung der Konfliktdimensionen im Europäischen Parlament<br />

−→ Welche Rolle spielt die klassische rechts/links-Dimension auf europäischer<br />

Ebene? Welche Bedeutung haben Anti- bzw. Pro-Europapositionen?<br />

• das Europäische Parlament ist ein in seiner Form einzigartiges Organ<br />

- das Europäische Parlament ist das einzige direkt gewählte Gremium<br />

der EU<br />

- Abgeordnete entstammen nationalen Parteien und werden von nationalen<br />

Listen gewählt, schließen sich jedoch zu transnationalen Gruppen<br />

zusammen<br />

−→ Welche Auswirkungen haben die besonderen Charakteristika des Europäischen<br />

Parlaments auf das Wahlverhalten seiner Abgeordneten?<br />

• das Europäische Parlament hat in den letzten Jahrzehnten erhebliche Veränderungen<br />

in Bedeutung und Funktion erfahren – wie spiegeln sich diese<br />

Veränderungen im Abstimmungsverhalten wider?<br />

• Untersuchungen der role call votes“ im Europäischen Parlament von 1979–<br />

”<br />

2001


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 19<br />

−→ Dimensionalität der Konflikte im Europäischen Parlament:<br />

Tabelle 5: Ergebnisse der ein- und zweidimensionalen Nominate-Modelle<br />

Wahlperiode Roll Abge- %-Klassifizierung Apre1 Apre2 Apre2<br />

”<br />

calls“ ordnete eindimen- zweidimen- –Apre1<br />

sional sional<br />

1979–84 787 500 86,0 91,5 46,9 67,6 20,7<br />

1984–89 1690 612 88,6 92,4 52,9 68,6 15,7<br />

1989–94 2269 586 89,9 91,8 54,8 63,5 8,7<br />

1994–99 3360 716 87,8 90,0 48,5 58,0 9,5<br />

1999–01 1914 644 87,5 89,9 51,2 60,5 9,3<br />

−→ Interpretation der Ergebnisse zur Bestimmung der Dimensionalität:<br />

• die Maße Apre1 und Apre2 zeigen auf, dass bereits mit einer zweidimensionalen<br />

Darstellung ein großer Teil des Abstimmungsverhaltens<br />

erklärt werden kann; die Werte entsprechen in etwa denen, die für nationale<br />

Parlamente ermittelt wurden<br />

−→ die These, dass auf Grund der kulturellen und nationalen Heterogenität<br />

die Konflikte im Europäischen Parlament höherdimensional<br />

sind als auf nationaler Ebene, wird nicht bestätigt<br />

• das Apre2–Apre1-Maß deutet auf eine geringe aber nicht unerhebliche<br />

Bedeutung der zweiten Konfliktdimension hin (größeres Gewicht<br />

als in den meisten nationalen Parlamenten)<br />

• die Bedeutung der zweiten Konfliktdimension geht jedoch im Zeitablauf<br />

zurück


Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 20<br />

−→ Ergebnisse der Nominate-Schätzung für die fünf Wahlperioden des<br />

Europäischen Parlaments<br />

−→ Gruppierungen im Europäischen Parlament:<br />

Tabelle 6: Parteien und Sitzverteilung im Europäischen Parlament<br />

Partei Kürzel Sitzverteilung (in %)<br />

Juni Juni Juni Juni Juni<br />

1979 1984 1989 1994 1999<br />

Transnationale Gruppen<br />

Sozialisten S 27,6 30,0 34,7 34,9 28,8<br />

Christdemokraten/Konservative E 26,1 25,3 23,4 27,7 37,2<br />

Liberale L 9,8 7,1 9,5 7,6 8,1<br />

Radikale Linke M 10,7 9,9 2,7 4,9 6,7<br />

Regionalisten R 2,7 4,4 2,5 3,4<br />

Grüne V 5,8 4,1 7,7<br />

Radikale Rechte X 3,7 3,3<br />

unabhängige Abgeordnete N 2,2 1,4 2,3 4,8 4,2<br />

Nationale Gruppen<br />

Französische Gaullisten G 5,4 6,7 3,9 4,6 4,8<br />

Britische Konservative C 15,6 11,5 6,6<br />

Italienische Kommunisten O 5,4<br />

Italienische Konservative F 4,8<br />

(Französische) Anti-Europäer A 3,4 2,6


Figure 1a. MEP Ideal Points in the First European Parliament (1979-1984)<br />

Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 21<br />

Abbildung 4: Abstimmungsverhalten im Europäischen Parlament 1979–84<br />

Tokens used in Figures 1a-1e.<br />

−→ Interpretation der Ergebnisse für die Wahlperiode 1979–84:<br />

Party group<br />

Token<br />

Anti-Europeans • Verteilung der Gruppierungen entspricht exakt der, die für ein links/rechts- A<br />

British Conservatives and allies<br />

C<br />

Christian Democrats-Conservatives<br />

Spektrum prognostiziert würde; die radikale Linke am linken Rand desE<br />

Italian Conservatives<br />

F<br />

French Gaullists and Spektrums, allies Sozialisten, Liberale und Christdemokraten in der MitteG<br />

Liberals<br />

L<br />

Radical Left<br />

M<br />

und die britischen Konservateiven am rechten Rand<br />

Non-attached<br />

N<br />

Italian Communists and Allies<br />

O<br />

Regionalists • die zweite Dimension lässt sich als Pro-/Anti-Europa-Dimension bezeichnen;<br />

die Sozialisten am pro-europäischen“ die Gaullisten am“anti-<br />

V<br />

”<br />

R<br />

Socialists<br />

S<br />

Greens<br />

Radical Right<br />

X<br />

europäischen“ Ende des Spektrums<br />

26


Figure 1b. MEP Ideal Points in the Second European Parliament (1984-1989)<br />

Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 22<br />

Abbildung 5: Abstimmungsverhalten im Europäischen Parlament 1984–89<br />

−→ Interpretation der Ergebnisse für die Wahlperiode 1984–89:<br />

• Stabilität der Positionen entlang der links/rechts-Dimension; stärkere<br />

Trennung der politischen Lager<br />

• weitgehende Stabilität entlang der zweiten Dimension<br />

27


Figure 1c. MEP Ideal Points in the Third European Parliament (1989-1994)<br />

Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 23<br />

Abbildung 6: Abstimmungsverhalten im Europäischen Parlament 1989–94<br />

−→ Interpretation der Ergebnisse für die Wahlperiode 1989–94:<br />

• weitgehende Stabilität entlang der Konfliktdimensionen<br />

• Eintritt der Grünen ins Parlament; Positionierung am linken Rand des<br />

links/rechts-Spektrums<br />

28


Figure 1d. MEP Ideal Points in the Fourth European Parliament (1994-1999)<br />

Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 24<br />

Abbildung 7: Abstimmungsverhalten im Europäischen Parlament 1994–99<br />

−→ Interpretation der Ergebnisse für die Wahlperiode 1994–99:<br />

• grundsätzliche Stabilität der Positionen entlang der ersten Dimension,<br />

aber Veränderung der politischen Landschaft durch Positionierung der<br />

Liberalen zwischen Volkspartei und Sozialisten<br />

• weitgehende Stabilität entlang der zweiten Dimension; stärker pro-europäische<br />

Ausrichtung der Christdemokraten<br />

29


Figure 1e. MEP Ideal Points in the Fifth European Parliament (1999-2001)<br />

Konfliktlinien und -dimensionen in internationalen Gremien 25<br />

Abbildung 8: Abstimmungsverhalten im Europäischen Parlament 1999–2001<br />

−→ Interpretation der Ergebnisse für die Wahlperiode 1999–2001:<br />

• Stabilität entlang der Konfliktdimensionen im Vergleich zur vorhergegangenen<br />

Wahlperiode<br />

• stärkere Konzentration der Idealpunkte von Abgeordneten der verschiedenen<br />

Gruppierungen lässt auf gestiegene Fraktionsdisziplin schließen<br />

−→ mögliche Ursache: gestiegene Bedeutung der Entscheidungen<br />

• starke Positionsveränderung der britischen Konservativen entlang der<br />

zweiten Dimension beobachtbar; nach Anschluss an die Europäische<br />

Volkspartei bilden sie eine Gruppe in der unteren rechten Ecke des<br />

30<br />

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