7. Sinfoniekonzert - Sinfonieorchester Wuppertal
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<strong>7.</strong> <strong>Sinfoniekonzert</strong><br />
13./14. März 2011, 11 Uhr/20 Uhr,<br />
Historische Stadthalle, Großer Saal<br />
Marion Ammann, Sopran<br />
Toshiyuki Kamioka, Leitung<br />
RICHARD STRAUSS (1864-1949)<br />
»Macbeth« op. 23 – Sinfonische Dichtung<br />
Allegro un poco maestoso<br />
»Vier letzte Lieder« für Sopran und Orchester<br />
Frühling<br />
September<br />
Beim Schlafengehen<br />
Im Abendrot<br />
PAUSE<br />
JOHANNES BRAHMS (1833-1897)<br />
Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98<br />
Allegro non troppo<br />
Andante moderato<br />
Allegro giocoso<br />
Allegro energico e passionato<br />
<strong>Sinfonieorchester</strong> <strong>Wuppertal</strong><br />
Stadtbetrieb Orchester & Konzerte (211)<br />
Konzertdauer: ca. 2 Stunden inkl. Pause<br />
Konzerteinführung Mo. um 19 Uhr mit Prof. Dr. Lutz-Werner Hesse.<br />
Die Verpflichtung von Marion Ammann wird von den Freunden der<br />
<strong>Wuppertal</strong>er Bühnen und des <strong>Sinfonieorchester</strong>s <strong>Wuppertal</strong> e. V.<br />
ermöglicht.<br />
FÜR DIE REDAKTION:<br />
Öffentlichkeitsarbeit & Konzertpädagogik<br />
Gianna-Vera Nett<br />
Kurt-Drees-Str. 4<br />
D-42283 <strong>Wuppertal</strong><br />
Tel. +49 (0) 202 563 2614<br />
Fax +49 (0) 202 563 8097<br />
g.nett@sinfonieorchester-wuppertal.de<br />
www.sinfonie orchester-wuppe rtal.de
RICHARD STRAUSS<br />
BLUTIGES DRAMA, GRÄULICHE DISSONANZEN<br />
Richard Strauss’ Tondichtung »Macbeth«<br />
Uraufführung: 13. Oktober 1890 in Weimar<br />
Richard Strauss sammelte schon früh Erfahrung mit dem Orchesterklang: Als Kind konnte er den<br />
Proben des Münchner Hoforchesters lauschen, wann immer er wollte – sein Vater war dort<br />
Solo-Hornist. 1885 machte der berühmte Hans von Bülow den jungen Musiker zu seinem<br />
Assistenten in Meiningen, 1886 wurde Strauss Dritter Kapellmeister an der Münchner Oper und<br />
1889 Hofkapellmeister in Weimar. Bereits in diesen Jahren entstand die viersätzige<br />
Orchesterfantasie »Aus Italien«, gefolgt von den ersten Tondichtungen »Macbeth« und »Don<br />
Juan«. Dass Strauss sich der Gattung der Tondichtung zuwandte, ist wohl das Verdienst des<br />
Geigers und Schriftstellers Alexander Ritter (1833-1896). „Ritter“, so erzählte er später, „war<br />
außerordentlich belesen in allen philosophischen Werken, in der neuen und alten Literatur,<br />
überhaupt ein Mann von umfassendster Bildung. Sein Einfluss hatte etwas Sturmwindartiges. Er<br />
drängte mich dazu, das Ausdrucksvolle, Poetische in der Musik zu entwickeln nach den<br />
Beispielen, die uns Berlioz, Liszt, Wagner gegeben haben.“ Den jungen Musiker, der sich zuvor<br />
an Brahms orientiert hatte, zog sein Mentor damit auf die Seite der „Neudeutschen“. Strauss<br />
ersetzte die traditionellen Satzanlagen (etwa den Sonatenhauptsatz) und Satzfolgen (die<br />
viersätzige Sinfonie) durch immer neue einsätzige Formen, die außermusikalische Inhalte zur<br />
Grundlage hatten. Solche »Programme« bezog er aus der Weltliteratur – etwa »Macbeth«,<br />
»Don Juan«, »Till Eulenspiegel« und »Don Quixote« – oder auch aus eigener Erfahrung, wie<br />
beim »Heldenleben«, der »Sinfonia domestica« und der »Alpensinfonie«.<br />
Auslöser für den Macbeth war eine Aufführung des düsteren Shakespeare-Dramas in<br />
Meiningen. Strauss schrieb 1886 eine erste Fassung des Stücks und spielte sie von Bülow vor.<br />
Dieser kritisierte neben den „gräulichen Dissonanzen“ vor allem den Schluss, einen<br />
Triumphmarsch »Macduffs« in D-Dur. Die Tragödie der Hauptfigur trete dadurch in den<br />
Hintergrund, meinte er – woraufhin Strauss die Stelle durch einen verhalteneren d-Moll-Schluss<br />
ersetzte. Er stellte 1888 eine zweite Version des »Macbeth« fertig, führte sie 1890 erstmals auf<br />
und gab dem Werk zwei Jahre später seine endgültige Gestalt. In der Partitur, die er „Meinem<br />
hochverehrten teuren Freunde Alexander Ritter“ widmete, brachte er nur zwei musikalische<br />
Motive mit Personen des Dramas in Verbindung: Nach wenigen Einleitungstakten und einer<br />
Pausenfermate erscheint der Hinweis „Macbeth“ und etwas später, bei einer Pianissimo-Stelle<br />
der von Streichertremolo begleiteten Flöten und Klarinetten, die Notiz „Lady Macbeth“, gefolgt<br />
von ihren verführenden Worten: „O eile! Eile her! damit ich meinen Geist in deinen gieße,<br />
durch meine tapfere Zunge diese Zweifel und Furchtgespenster aus dem Felde schlage, die dich<br />
wegschrecken von dem goldnen Reif, womit das Glück dich gern bekrönen möchte.“ Varianten<br />
der beiden Hauptthemen, zu denen noch ein „königliches“ Fanfarenmotiv tritt, bestimmen von<br />
nun an einen Großteil des Werks, doch die genaue Zuordnung zwischen musikalischen<br />
Formteilen und dramatischen Stationen ist schwierig, sodass die zahlreichen Kommentatoren<br />
zu ganz unterschiedlichen Deutungen kamen. Letztlich muss wohl jeder Hörer im Geist seine<br />
eigene Tondichtung kreieren.<br />
2
VERGEHENDE SCHÖNHEIT<br />
Strauss’ »Vier letzte Lieder«<br />
Uraufführung: 22. Mai 1950 in London<br />
Die Orchesterwerke des jungen Strauss galten als hypermodern, als Zukunftsmusik. Dagegen<br />
sind die Vier letzten Lieder, die 60 Jahre später entstanden, nicht nur in biographischer Hinsicht<br />
letzte Lieder, sondern zugleich letzte Zeugnisse der spätromantischen Epoche. In seinen späten<br />
Jahren verfiel Strauss zunehmend in Depressionen – sie mochten mit seiner Sorge um den<br />
zunehmenden Einfluss modernistischer Strömungen und den Verfall der Tradition zu tun haben.<br />
Sicher spielten aber auch die drohenden Sanktionen eine Rolle, die er nach 1945 wegen seiner<br />
Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Regime zu befürchten hatte. Strauss war in<br />
die „Kategorie 1 – Hauptschuldige“ eingestuft und wurde erst im Juni 1948 „entnazifiziert“. Um<br />
ihn aufzuheitern, riet ihm sein Sohn Franz, ein paar Lieder zu komponieren. Da so viele Opernhäuser<br />
zerstört worden seien, gebe es wohl bald eine große Nachfrage nach konzertanter<br />
Musik. Strauss vertonte 1947/48 das Eichendorff-Gedicht »Im Abendrot«; die drei übrigen<br />
Lieder »Frühling«, »Beim Schlafengehen« und »September« folgten (in dieser Reihenfolge)<br />
zwischen Juli und September 1948. Ihre Texte stammen von Hermann Hesse, den Strauss in<br />
dieser Zeit zufällig in einem schweizer Hotel kennen lernte. Der Dichter hätte das<br />
Zusammentreffen gerne vermieden: Er hatte bereits 1934, ein Jahr nach Hitlers<br />
Machtergreifung festgestellt, dass „die rauschende Musik von Strauss der Seele eines heutigen<br />
deutschen Großstädters entspricht. Denn wie sagt der altchinesische Dichter Lü Bu We? ‚Wenn<br />
die Musik rauschend wird, zerfallen die Sitten, und die Staaten sind bedroht!‘“ Über die »Vier<br />
letzten Lieder« schrieb Hesse später, sie erschienen ihm „wie alle Strauss-Musik: virtuos,<br />
raffiniert, voll handwerklicher Schönheit, aber ohne Zentrum, nur Selbstzweck.“<br />
Nun kann man Strauss’ Kollaboration mit den Machthabern bedauern und auch fragen, ob<br />
zwischen seiner „rauschenden Musik“ und der nationalsozialistischen Ideologie ein mehr als<br />
äußerlicher Zusammenhang besteht. In einem Punkt hatte Hesse aber sicher Unrecht: Strauss’<br />
Kompositionen zu den Gedichten lassen sich nicht als „Selbstzweck“ bezeichnen. In all ihrer<br />
harmonischen und instrumentatorischen Virtuosität beziehen sie sich doch sehr eng auf die<br />
Texte. Das zeigt etwa der Beginn des Liedes »Frühling«, wenn zielloses Pendeln zwischen Moll-<br />
Harmonien das Verharren in „dämmrigen Grüften“ schildert, gefolgt von lebhaften Wechseln<br />
freundlicherer Klänge zu den „Bäumen“ und „blauen Lüften“. Abfallende Melodielinien der<br />
Singstimme und hingetupfte Triolenrepetitionen der Streicher versinnbildlichen in<br />
»September« herabtropfenden Regen und fallende Blätter. Trotz aller Detailtreue empfindet<br />
man Strauss’ Vertonung nicht als reflexhaft illustrierend; seine üppigen Orchesterfarben<br />
beschwören vielmehr genau jene vergehende Schönheit, die auch das Gedicht besingt. Zwei<br />
Ideen bestimmen das folgende Lied »Beim Schlafengehen«: die Müdigkeit am Ende des Tages,<br />
von der Singstimme weitgehend syllabisch geschildert, und der freie Flug der Seele im Schlaf,<br />
nachvollzogen in weit geschwungenen Melismen. Das zuerst komponierte Lied, »Im Abendrot«<br />
steht bei Aufführungen der »Vier letzten Lieder« stets am Ende, denn die Eichendorff-<br />
Vertonung bildet mit der abschließenden Zeile „Ist das etwa der Tod?“ und dem langen<br />
Orchesternachspiel ein ideales Schlussstück. Den Text über ein altes Paar am Ende des<br />
3
gemeinsamen Lebensweges dürfte Strauss auf sich selbst und seine Frau Pauline bezogen<br />
haben. Für sie hatte er viele seiner früheren Lieder geschrieben.<br />
„WUNDERBAR VERSCHLUNGENES WACHSTUM“<br />
Johannes Brahms’ 4. Sinfonie<br />
Uraufführung: 25. Oktober 1885 in Meiningen<br />
Johannes Brahms hatte keinerlei Programmmusik-Ambitionen. Dennoch enthält seine 4.<br />
Sinfonie Passagen, die die Frage nach einem verschwiegenen „Inhalt“ aufwerfen: etwa den<br />
Beginn des zweiten Satzes mit seinem altertümlichen Kirchenton und Trauermarsch-Rhythmus.<br />
Oder zwei Choralzitate aus Bach-Kantaten im zweiten und im vierten Satz. Ob sie etwas zu<br />
bedeuten haben, werden wir wohl nie erfahren. Unumstritten ist allerdings der herbe<br />
Ausdrucksgestus der gesamten Sinfonie. Brahms brachte ihn mit der Natur in Verbindung, die<br />
ihn während des Komponierens umgab. So fragte er in einem Brief an Hans von Bülow, „ob sie<br />
weiteres Publikum kriegen wird! Ich fürchte nämlich, sie schmeckt nach dem hiesigen Klima –<br />
die Kirschen hier werden nicht süß, die würdest Du nicht essen!“ Das „hiesige Klima“ – damit<br />
meinte Brahms seinen Urlaubsort Mürzzuschlag, etwa 100 Kilometer südwestlich von Wien, wo<br />
er die 4. Sinfonie in zwei Arbeitsphasen 1884 (erster und zweiter Satz) und 1885 (dritter und<br />
vierter Satz) komponierte.<br />
Die Uraufführung war zweifellos ein Erfolg, doch später wurde von den vier Brahms-Sinfonien<br />
die letzte immer am wenigsten gespielt. Neben ihrer Ausdruckshaltung war wohl ihr hoher<br />
intellektueller Anspruch ein Hindernis auf dem Weg zur Popularität. Selbst der Kritiker Eduard<br />
Hanslick bekannte nach einer Voraufführung des Klavierauszugs: „Den ganzen [ersten] Satz<br />
über hatte ich die Empfindung, als ob ich von zwei schrecklich geistreichen Leuten<br />
durchgeprügelt würde.“ Fast beiläufig beginnt der Kopfsatz der Vierten mit einer Reihe von<br />
fallenden Terzen (die auch zu aufsteigenden Sexten umgekehrt werden). Als Thema im<br />
traditionellen Sinn lässt sich die Tonfolge kaum bezeichnen, zumal sie in der Folge gleich<br />
rhythmisch und melodisch variiert wird. Die Brahms-Freundin Elisabeth von Herzogenberg<br />
wandte dagegen ein: „Wir sind ja kaum bekannt mit dem Hauptthema und sollen es schon in so<br />
veränderter Gestalt erkennen und gehörig auf uns wirken lassen?“ Dennoch sind aus dem<br />
Terzmotiv durch ständige Abwandlung fast alle thematischen Gedanken des Satzes gebildet. Ein<br />
Formbegriff der Durchführung verliert hier seinen Sinn: Traditionell meint er den Teil der<br />
Sonatenform, der Themenverarbeitung und dramatischen Konflikten vorbehalten ist. Hier<br />
dagegen wird der ganze Satz zu einer einzigen Durchführung.<br />
Terzmotivik dominiert auch das folgende »Andante moderato«. Es wird zu Beginn von den<br />
Bläsern bestimmt, während satte Streicherklänge das elegische zweite Thema prägen. Der<br />
dritte Satz, das Allegro giocoso, nimmt in der Sinfonie die Stelle des Scherzos ein. Allerdings<br />
steht es nicht im üblichen 3/4- sondern im 2/4-Takt. Und auch die Form entspricht kaum den<br />
Erwartungen an ein Scherzo: Anstelle eines Tanzes mit eingeschobenem Trioteil hören wir eine<br />
Art Sonatensatzform mit Anleihen beim Rondo. Dafür »stimmt« zumindest der Ausdrucksgestus<br />
der Musik – Burleskes in vielen Schattierungen, von lärmender Fröhlichkeit bis zur Rokoko-<br />
4
Grazie. Das Finale der Sinfonie konstruierte Brahms nach dem Muster einer barocken<br />
Passacaglia: als Reihe von 30 Variationen über ein Bassthema. Allerdings schrieb Brahms keine<br />
statische Reihung von Variationen, wie sie auch die Barockzeit hätte hervorbringen können,<br />
sondern er überblendete die alte Form mit einer neuen. Elemente des Sonatensatzes<br />
schimmern durch: Eine Art Durchführung glaubt man etwa ab der achten Variation zu hören,<br />
wenn sich die Musik immer weiter vom Ausgangspunkt des Themas entfernt; und was ab<br />
Variation 23 folgt, trägt Züge einer Reprise.<br />
Gewiss, beim Kennenlernen der e-Moll-Sinfonie mag man sich wie Hanslick von „geistreichen<br />
Leuten durchgeprügelt“ fühlen. Manche Schönheit erschließt sich erst nach oftmaligem Hören,<br />
doch wer sich intensiv mit der Sinfonie befasst, dem geht es vielleicht wie dem Geiger Joseph<br />
Joachim. Er schrieb an seinen Freund Brahms: „Deine neueste Sinfonie hat sich mir und dem<br />
Orchester immer tiefer in die Seele gesenkt. Der geradezu packende Zug des Ganzen, die<br />
Dichtigkeit der Erfindung, das wunderbar verschlungene Wachstum der Motive noch mehr als<br />
der Reichtum und die Schönheit einzelner Stellen, haben mir’s geradezu angetan, so dass ich<br />
fast glaube, die e-Moll ist mein Liebling unter den vier Sinfonien.“<br />
Jürgen Ostmann<br />
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