Leben im Barock - Landesmuseum Niederösterreich
Leben im Barock - Landesmuseum Niederösterreich
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Jakob Prandtauer<br />
Ich begrüße euch sehr herzlich<br />
und freue mich, dass ihr euch für<br />
mich und die Zeit in der ich gelebt<br />
habe, interessiert.<br />
Geboren bin ich in _ _ _ _ _ <strong>im</strong> Jahr<br />
_ _ _ _. Der Ort in dem ich zur Welt gekommen<br />
bin, befindet sich <strong>im</strong> Lande<br />
_ _ _ _ _. Ich hatte noch sechs Schwestern<br />
und konnte, da mein Vater schon 1669 gestorben<br />
ist und ich daher lange zu Hause<br />
mithelfen musste, erst sehr spät be<strong>im</strong><br />
Maurermeister Hans Georg Asam mit<br />
der Lehre beginnen, die ich dann <strong>im</strong><br />
Jahre _ _ _ _ abgeschlossen habe. So<br />
wie es damals üblich war, bin ich dann<br />
auf Wanderschaft gegangen und habe<br />
geschaut, dass ich bei anderen Meistern<br />
noch viel dazulernen kann.<br />
Abb.17<br />
lichkeiten gab. Das Land, dessen Bevölkerung<br />
von den dauernden Kriegen, den<br />
Türkenüberfällen, Hungersnöten und der<br />
Pestseuche stark vermindert worden war,<br />
benötigte Zuwanderer. So kamen viele<br />
Menschen aus anderen Ländern, sogar<br />
aus der Schweiz, nach<br />
Niederösterreich. 1650<br />
lebten in Niederösterreich<br />
450.000 Menschen,<br />
<strong>im</strong> Jahre 1700<br />
aber, unter anderem<br />
durch die Zuwanderer<br />
bedingt, 630.000. Abb.18: St. Pölten<br />
Ich ging also nach<br />
St. Pölten, eine Stadt die damals ungefähr<br />
2.500 Einwohner hatte, weil ich mir<br />
sagte, dass in einer Stadt die Arbeitsmöglichkeiten<br />
für mich viel besser seien.<br />
In Dokumenten steht meine Name seit<br />
dem Jahr _ _ _ _, denn da habe ich mir<br />
ein Haus gekauft und wurde Bürger in<br />
dieser Stadt. Bürger in einer Stadt zu werden,<br />
war aber in der damaligen Zeit gar<br />
nicht leicht. Denn auch in der Stadt gab<br />
es eine Art Ständeordnung: Zum 1. Stand<br />
gehörten die Bürger die den Stadtrat bildeten,<br />
die großen und reichen Kaufleute<br />
und die Handwerksmeister. Zum 2. Stand<br />
gehörten die mittleren und kleineren<br />
Handel- und Gewerbetreibenden, die<br />
städtischen Beamten und freie Bauern,<br />
die in der Stadt wohnten. Sie alle waren<br />
ebenfalls Bürger dieser Stadt. Aber die<br />
Angehörigen dieser beiden Stände machten<br />
nur ungefähr 10-15% der gesamten<br />
Stadtbevölkerung aus.<br />
Der 3. Stand war der zahlreichste. Die<br />
Menschen, die diesen Stand bildeten,<br />
konnten keine Bürger werden, weil sie<br />
arm waren oder weil sie nicht nachweisen<br />
konnten, dass sie ehelich geboren<br />
worden waren.<br />
Wenn der Landesherr Katholik war, galten<br />
die Regeln der katholischen Kirche<br />
auch für alle seine Untertanen.<br />
Das wirkte sich auch bei der Erlangung<br />
des Bürgerrechts aus, denn da musste<br />
jeder neu aufgenommene Bürger jährlich<br />
einen Beichtzettel vorlegen – das<br />
ist die schriftliche Bestätigung eines<br />
Priesters über die Ablegung der Beichte<br />
– und den regelmäßigen Besuch der<br />
heiligen Messe an Sonn- und Feiertagen<br />
nachweisen.<br />
Ihr seht, es war gar nicht so einfach,<br />
Bürger einer Stadt zu werden.<br />
Außerdem musste man zumeist<br />
ein Haus besitzen und ein<br />
Handwerk oder Gewerbe ausüben, bzw.<br />
zumindest eine handwerkliche oder kaufmännische<br />
Lehre nachweisen können. In<br />
manchen Städten musste man auch noch<br />
den Besitz eines ledernen Feuerlösche<strong>im</strong>ers<br />
nachweisen. Das war wirklich<br />
wichtig, weil die größte Gefahr, die einer<br />
Stadt drohte, nicht der Krieg sondern die<br />
Feuergefahr war. Viele Häuser waren<br />
noch aus Holz gebaut, hatten hölzerne<br />
Rauchfänge, waren mit Schindeln oder<br />
Schilf eingedeckt, besaßen eine offene<br />
Feuerstelle und die Menschen verwendeten<br />
Kienspäne oder Kerzen zur Beleuchtung.<br />
Außerdem war es sehr schwer, in meinem<br />
He<strong>im</strong>atland Arbeit zu finden, da es viele<br />
Arbeitslose gab. Ich war daher sehr froh<br />
als ich hörte, dass es <strong>im</strong> heutigen Land<br />
Niederösterreich – damals hieß es noch<br />
„Das Land unter der Enns“ – Arbeitsmög-<br />
18 Abb.19: St. Pölten 1697<br />
Abb.20<br />
Abb.21<br />
19