Illustration: Caroline Heinzel 34 KULTUR Web www.<strong>heuler</strong>magazin.de/kultur Heilige Shimona Alfonso, Ressortleiter Ayo, unser Theater hat Technologie: ein freitragendes chapiteau. In <strong>die</strong>sem Tipi très beau lassen <strong>die</strong> nomadischen Angestellten vom Volkstheater des Greifen Spirit wiederauferstehen. Infrastrukturell ebenfalls in, sagen wir <strong>mal</strong>, »Inangriffnahme« ist <strong>die</strong> Moschee unserer muslimischen Gemeinde. Last, least und west gibt es auf den folgenden Seiten einige scharfe mexikanische Bonbons für Kinogäng(st)er sowie Tolles und Absurdes aus dem Kunstbetrieb. Chin chin!
<strong>Rostock</strong> und der Islam Die Moschee in <strong>Rostock</strong> ist so gut »integriert«, dass man sie kaum findet … Auf den Spuren des Islam an der <strong>Uni</strong>versität und darum herum besuchten wir den hiesigen Imam und das Studentenwerk. Die aktuellen Landtagswahl-Ergebnisse rücken <strong>Rostock</strong> wieder ein<strong>mal</strong> mit der Frage ins Rampenlicht, wie weltoffen <strong>die</strong>se Stadt wirklich ist. Noch immer verbinden viele Nicht-Hanseaten sie mit einer starken und aktiven rechten Szene. Auf der anderen Seite stehen besonders hier ansässige Muslime fortwährend im Mittelpunkt der Diskussion um <strong>die</strong> multikulturelle Gesellschaft, um Integration und Toleranz. Auch lösen sogenannte Hassprediger immer wieder Debatten aus. Fakt ist: Der Islam ist längst auch in <strong>Rostock</strong> angekommen, denn eine Gemeinde von rund 120 regelmäßigen Gottes<strong>die</strong>nst-Besuchern hat sich hier etabliert. Wir vereinbaren ein Gespräch mit ihrem Imam, um herauszufinden, wie akzeptiert der Islam in <strong>Rostock</strong> ist. Die Moschee liegt versteckt in der Erich- Schlesinger-Straße. Statt eines prunkvoll verzierten Gebäudes mit Kuppel und Minarett in orientalischen Blautönen stoßen wir hinter Büschen und Bäumen auf einen grau verputzten, lang gezogenen Bungalow aus tiefsten DDR- Zeiten. Mohammed Farea, ehrenamtlich tätig in der Moschee und eigentlich Zahnmedizinstudent, führt uns zu Youssoufou Abdel Koudouss und bietet sich zugleich als Übersetzer an, da der Imam selbst nur wenig deutsch spreche. Dieser erklärt, er stamme aus Benin, sei 2002 als Asylbewerber <strong>nach</strong> <strong>Rostock</strong> gekommen und seitdem auch der hiesige Vorbeter. Er möge <strong>die</strong> Stadt, <strong>die</strong> <strong>Rostock</strong>er seien freundlich und ihm gegenüber aufgeschlossen. Und was sind seine Aufgaben? Herr Koudouss erläutert, dass er sich als Vorbild für seine Gemeinde sehe, Ratschläge und Weisheiten fürs Leben gebe und natürlich bei den Gebeten vorbete. Außerdem kümmere er sich um <strong>die</strong> Moschee. Das Gotteshaus bildet für seine Besucher eine Anlaufstelle, es ist ein Stück der »alten« Heimat in einer neuen Kultur. Unter den Gästen befinden sich <strong>Rostock</strong>er, Touristen, Durchreisende, interessierte Nicht-Muslime und Asylbewerber sowie besonders viele Austauschstudenten, zum Beispiel aus dem Jemen, <strong>die</strong> hier Fächer wie Medizin oder Ingenieurswissenschaften stu<strong>die</strong>ren, um mit einem Abschluss zurückzukehren. »Wir brauchen Fachkräfte«, meint Farea zu uns. Er selbst werde zurückgehen und lehren, vielleicht auch eine Praxis aufmachen. Wie es mit den Frauen aussehe, fragen wir und erfahren, dass <strong>die</strong>se <strong>die</strong> <strong>Rostock</strong>er Moschee zwar auch besuchen, aber eher selten und hauptsächlich an muslimischen Feiertagen, wie beispielsweise zum Ende des Ramadan. Interessanterweise seien es hier trotzdem in der Mehrzahl Frauen, <strong>die</strong> zum Islam konvertieren. Vor einigen Jahren richtete <strong>die</strong> Gemeinde einen separaten Gebetsraum für Muslima wie sie ein, davor hatten <strong>die</strong>se getrennt durch einen Vorhang mit den Männern »zusammen« gebetet. Die Stadt <strong>Rostock</strong> schenkte der muslimischen Gemeinschaft das Haus im Jahr 2000, aber dabei soll es nun nicht mehr bleiben. Im letzten Jahr wurde eine Ausschreibung für Architekturstu<strong>die</strong>rende veröffentlicht, <strong>die</strong> dazu aufrief, eine neue Moschee zu entwerfen. Der Gewinnerentwurf überrascht: ein mo- derner Bau mit kaum als solches erkennbarem Minarett. Dazu passend erklärt man uns, dass der Islam moderner sei, als <strong>die</strong> meisten dächten, <strong>die</strong>s werde häufig falsch dargestellt. Probleme mit <strong>Rostock</strong>ern habe es dennoch nie gegeben. Aber: Außer bei »offiziellen« Kontakten zu Behörden und Schulklassen, <strong>die</strong> sich den Islam näherbringen lassen, sind Besuche von Deutschen eher selten – was vielleicht der Grund der problemlosen Akzeptanz ist, jedoch auch <strong>die</strong> grundlegende Gefahr einer zukünftigen Parallelgesellschaft birgt. Die muslimischen Studenten würden sich ebenso gut integriert fühlen und <strong>die</strong> Möglichkeit schätzen, hier stu<strong>die</strong>ren zu können, erzählt uns Farea. <strong>Rostock</strong> und damit <strong>die</strong> »westliche« Gesellschaft verändere auch ihre Sicht auf <strong>die</strong> Dinge, nehme Einfluss auf <strong>die</strong> Muslime hier – das müsse man positiv aufnehmen. Eine Multikultur mit unterschiedlichen Einflüssen sei doch Voraussetzung für Toleranz in der Gesellschaft. Und welche Position vertritt <strong>die</strong> <strong>Uni</strong> gegenüber dem Islam? Der <strong>heuler</strong> berichtete 2008 von dem Wunsch mehrerer muslimischer Studenten, im Studentenwohnheim in Lichtenhagen einen Gebetsraum einzurichten. Dazu sagt uns Dr. Dieter Stoll, Leiter des Studentenwerkes, dass <strong>die</strong> <strong>Uni</strong>versität bzw. das Studentenwerk natürlich anderen Kulturen offen gegenüberstehe. Von dem angesprochenen Anliegen wisse er jedoch nichts, anscheinend sei nie ein offizieller Antrag eingereicht worden. Lediglich in einem inzwischen abgerissenen Studentenwohnheim in Wismar habe es einen solchen Raum gegeben. Man habe generell noch nie Probleme mit Studenten gehabt, <strong>die</strong> sich wegen ihrer religiösen Herkunft be<strong>nach</strong>teiligt behandelt gefühlt hätten. Es sollten, so fährt Stoll fort, Staat und Kirche getrennt bleiben und alle Religionen gleichbehandelt werden. Die <strong>Uni</strong> tue ihr Bestes, um <strong>die</strong> Vielfalt der an ihr vertretenen Religionszugehörigkeiten zu erhalten und Rücksicht auf jeden zu nehmen, schildert er. So würden zum Beispiel einige der Mensa-Gerichte mit religiösen Essgewohnheiten übereinstimmen: etwa für Hindus Mahlzeiten ohne Rind, für Muslime Gerichte ohne Schwein. Zusätzlich solle das »Starter- Café« als Treffpunkt für Veranstaltungen und kulturellen Austausch Interesse am Fremden wecken. In der »Lebenswelt« der <strong>Rostock</strong>er Stu<strong>die</strong>renden scheinen also Toleranz und Integration keine Reizworte zu sein, sondern gelebter Alltag. Nur sollte aus Toleranz nicht Gleichgültigkeit erwachsen – gegenseitiges Interesse ist unersetzlich. Eine Gelegenheit zum Abbau von Wissenslücken gab es am dritten Oktober, am »Tag der offenen Moschee« – auch ein durchaus umstrittener Prediger aus Berlin war eingeladen. Unsere Eindrücke schildern wir auf <strong>heuler</strong><strong>online</strong>. Text >> tinyurl.com/5v2rdk5 YVONNE HEIN UND ANDREAS LUßKY 35