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Piotr Sudol Mein Gefühl ist seit Jahren,<br />

dass sich das Verhältnis zwischen<br />

Deutschen und Polen bessert. Durch<br />

die Grenzöffnung entstehen immer<br />

mehr Verbindungen. Wenn man früher<br />

durch Frankfurt/Oder fuhr, gab es<br />

immer zwei Gruppen. Man merkte<br />

sofort, wer Pole ist und wer Deutscher.<br />

Jetzt vermischt sich das immer mehr.<br />

Das finde ich herrlich. Damals hat man<br />

immer noch eine Art – Feindseligkeit ist<br />

übertrieben – Differenz bemerkt. Mir<br />

fällt auf, dass in Polen Deutsche immer<br />

mehr akzeptiert werden. Früher stand<br />

der Deutsche auf einer anderen Stufe,<br />

verdiente besser. Das war die allgemeine<br />

Einstellung. Die existiert fast gar<br />

nicht mehr. Das Selbstbewusstsein der<br />

Polen hat sich enorm gesteigert. Wenn<br />

man Anfang der 90er Jahre nach Polen<br />

gefahren ist, wurde man behandelt,<br />

wie aus einem UFO gestiegen, wie<br />

ein Außerirdischer mit genug „Kohle“.<br />

Dadurch, dass immer mehr Polen<br />

hier arbeiten, auch legal arbeiten mit<br />

eigenen Firmen, wissen die, dass es hier<br />

auch nicht so rosig aussieht. Das macht<br />

die Menschen gleicher.<br />

Es spielt auch eine Rolle, dass es in<br />

Polen inzwischen eine gut ausgebildete<br />

Schicht gibt, die für sich Aufstiegschancen<br />

sehen. Was fehlt, sind die Handwerker,<br />

die sind weg. Die Hochschulabsolventen<br />

sind noch im Land, aber die<br />

Handwerker sind weg. Man versucht<br />

Urszula Wöltjen, geboren in Łόdź, Zentralpolen, Industriestadt,<br />

zweitgrößte Stadt Polens, 50 Jahre alt. Gründerin<br />

einer deutsch-polnische consulting-Firma. Arbeitet vor<br />

allem im <strong>Kultur</strong>bereich, organisiert Ausstellungen und<br />

Veranstaltungen in Polen wie in Deutschland. Verheiratet<br />

mit einem Deutschen, eine Tochter.<br />

„Ich kam im Januar vor 19 Jahren nach Bremen. Aus meiner<br />

Familie gab es vorher keine Zuwanderer nach Deutschland.<br />

Meine Schwester ist nach Kanada emigriert. Ich habe<br />

hier meinen Ehemann kennen gelernt und damit fiel die<br />

Entscheidung, in Deutschland zu bleiben. Zwei, drei Jahre später habe ich ein<br />

Studium an der Universität aufgenommen. Ich hatte vorher schon ein Studium in<br />

Slawistik in Zagreb (Kroatien, damals noch Jugoslawien) absolviert. Hier konnte<br />

ich damit nicht viel anfangen. Dann habe ich in Bremen <strong>Kultur</strong>geschichte Südosteuropas<br />

studiert, als Nebenfächer Soziologie und Polonistik. Nach Beendigung<br />

meines Studiums suchte ich Arbeit, habe aber nichts für mich gefunden. Deswegen<br />

habe ich mich entschieden, mich selbständig zu machen.“<br />

mit allen Mitteln, sie wieder ins Land<br />

zu holen. Beispiel ist mein Cousin, der<br />

Bergbau studiert hat. Der arbeitet bei<br />

Kattowitz, hat eine supergute Stelle auf<br />

dem Gebiet des Umweltschutzes. Ich<br />

habe letzte Woche mit ihm telefoniert<br />

und da kam wieder die alte Schiene:<br />

‚Bei Euch gehts wieder besser. Ihr habt<br />

Bei der Durchsicht des<br />

Haushaltsetats: „Leider<br />

können wir uns in unser<br />

gegenwärtigen Lage nur<br />

ein gestohlenes Auto<br />

leisten.“<br />

Anspielung auf das vor<br />

allem auch in Deutschland<br />

verbreitete <strong>Vor</strong>urteil,<br />

dass viele Autos von<br />

Polen gestohlen würden.<br />

Cartoon von<br />

Andrzej Mleczko<br />

doch sowieso alle Arbeit. Da läuft alles<br />

super’. Dabei verdient er gutes Geld,<br />

hat ein Haus, ein dickes Auto, drei<br />

Kinder, eigentlich ein perfekt eingelebter<br />

Mensch – aber trotzdem stellt<br />

er mir Fragen, wo ich denke: Wenn Du<br />

mal herkommen würdest und mich<br />

für 8 Euro die Stunde arbeiten sehen<br />

würdest, dann wüsstest du, in Polen ist<br />

es für dich besser.<br />

Urszula Wöltjen Die Polen, die hierher<br />

gekommen sind, sind eine sehr heterogene<br />

Gruppe, sie unterscheiden sich.<br />

Und so unterschiedlich reagieren auf<br />

sie die Deutschen.<br />

Es gibt Polen, die sind zufrieden, dass<br />

sie hier sind. Es gibt welche, die seit 20,<br />

30 Jahren hier leben, immer unzufrieden<br />

sind und trotzdem hier bleiben. In<br />

den ersten Jahren, als ich nach Bremen<br />

kam, war die Atmosphäre etwas anders<br />

gegenüber Ausländern als heute.<br />

Offener, etwas menschlicher. Heute stehen<br />

soziale, finanzielle oder kulturelle<br />

Probleme mehr im <strong>Vor</strong>dergrund. Als ich<br />

vor 20 Jahren kam, fühlte ich mich hier,<br />

von der Bevölkerung (nicht von den<br />

Beamten) willkommen.<br />

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