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„Gruß aus Bremen“ Postkarte mit Motiven der<br />
Waller Jute<br />
tet mit einer Säuglingsstation, Stillstube,<br />
einer Spiel- und Warteschule, einem<br />
Jungen- und Mädchenhort für schulpflichtige<br />
Kinder bis zum 14. Lebensjahr<br />
und stand ausschließlich den Kindern<br />
der „Jute“-Arbeiterinnen zur Verfügung.<br />
Es hatte offiziell 250 Plätze, war aber in<br />
der Regel überbelegt. Für die Frauen der<br />
„Jute“ war das Kinderheim sicherlich<br />
eine große Entlastung, waren die Kinder<br />
doch nun besser als vorher untergebracht,<br />
auch das Säuglingsheim trug<br />
zum Rückgang von Kindersterblichkeit<br />
und Krankheiten bei. Gleichzeitig bedeutete<br />
diese soziale Versorgung auch<br />
eine starke Bindung der Familien an die<br />
Fabrik und sicherte dem Unternehmen<br />
eine verlässliche Arbeiterschaft. Mehrere<br />
Generationen von „Jute“-ArbeiterInnen<br />
wuchsen so fast auf dem Werksgelände<br />
auf. Es kam häufiger vor, dass<br />
über mehrere Generationen hinweg Eltern<br />
und Großeltern und Urgroßeltern<br />
auf der „Jute“ beschäftigt waren.<br />
„Unsere Jute“?<br />
Trotz eines 10-Stunden Tages, trotz der<br />
schweren Industriearbeit (hohe Luftfeuchtigkeit,<br />
Lärm etc.) und auch trotz<br />
stattfindender Streiks für die Verbesserung<br />
der Arbeitsbedingungen und für<br />
Lohnerhöhungen, haben ehemalige JutearbeiterInnen<br />
erzählt, dass es „ihr“<br />
Betrieb war, und wenn zum Geburtstag<br />
niemand von der „Jute“ mit dem Präsentkorb<br />
kam, dann war es kein richtiger<br />
Geburtstag…<br />
Die Einwanderungswelle zum Ende des<br />
vorletzten Jahrhunderts hatte wirtschaftliche<br />
Gründe. Nach dem 1.Weltkrieg<br />
1919 gab es polnische Familien,<br />
die mit der Gründung des polnischen<br />
Staates zurück in ihre Heimat gingen; es<br />
wurde berichtet, dass diese Rückwanderung<br />
sogar in den Waller Schulen deutlich<br />
spürbar war. Manch einer kam enttäuscht<br />
wieder zurück. Andere blieben<br />
und in alten Adressbüchern erinnern<br />
Namen wie Urbanski, Drabinski oder<br />
Kratky an ihre kulturellen Wurzeln.<br />
Und so kommt es heute noch vor, dass<br />
Kinder oder Enkelkinder fast zufällig bei<br />
der Beschäftigung mit ihrer Familiengeschichte<br />
auf Groß- oder Urgroßeltern<br />
stoßen, die damals der „Jute“ nach Bremen<br />
folgten.<br />
Cecilie Eckler-von Gleich,<br />
Geschichtskontor <strong>Kultur</strong>haus Walle Brodelpott<br />
Literatur<br />
– Unsere Schule, Schülerzeitung der Versuchsschule<br />
an der Helgolander Straße, VI.Jahrgang,<br />
Nummer 3, Bremen März 1927<br />
Marlene Ellerkamp und Brigitte Jungmann:<br />
Frauen in der „Jute“, in: Beiträge zur Sozialgeschichte<br />
Bremens, Heft 6, Universität Bremen<br />
Elke Reining: Arbeitsbedingungen und Arbeitskämpfe<br />
in der Bremer Jute 1924-1933, in: Beiträge<br />
zur Sozialgeschichte Bremens, Heft 6, Universität<br />
Bremen<br />
Bildnachweise<br />
Alle Abbildungen: Geschichtskontor / <strong>Kultur</strong>haus<br />
Walle Brodelpott, Bildarchiv (Tel.3887078)<br />
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