Der Bierstaedter November 2014
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Seite 3<br />
KULMBACHS BÜRGERMEISTER UND DER RÄUBER KNEISSL<br />
Folgender Artikel sollte bereits 2012 im Bierstädter erscheinen, aber die sehr gründlichen und<br />
umfassenden Recherchen der damaligen Autorin zogen sich zu lange hin. Durch Zufall fielen<br />
nun wieder Schriftstücke in meine Hände. Es folgt nun die aus den vorliegenden Aufzeich nun -<br />
gen und anderweitigen Berichten zusammengefasste Geschichte des<br />
Mathias Kneißl aus Unterweikertshofen<br />
Portrait des Mathias Kneißl, auch genannt:<br />
„Schachenmüller Hias“<br />
Pirat Störtebeker, Raubritter Eppelein von<br />
Gailingen und der Schinderhannes, allesamt<br />
waren sie Räuber, die zu Legenden wurden.<br />
<strong>Der</strong> oberbayerische Mathias Kneißl (12. Mai<br />
1875 –21. Februar 1902) ist ebenfalls<br />
längst Figur für Verfilmungen und Theater -<br />
stücke.<br />
Obwohl der, auch als „Kneißl Hias“,<br />
„Räuber Kneißl“ oder „Schachenmüller-<br />
Hias“ bekannte und gefürchtete Unhold nie<br />
einen Fuß in unsere Gefilde gesetzt haben<br />
soll, ergibt sich tatsächlich ein Bezugspunkt<br />
zu Kulmbach – und kein unwichtiger.<br />
Als ältester Sohn eines straffälligen Gastwirtes und dessen nicht unlauterer Gattin wurde<br />
Mathias Kneißl in Unterweikertshofen (heute Landkreis Dachau) geboren. Als er elf Jahre alt<br />
wurde, bezog seine Familie die Schachermühle bei Sulzemoos. Dieses Gebäude diente<br />
Jahrzehnte zuvor schon als Unterschlupf für räuberisches Gesindel. <strong>Der</strong> Räuberhauptmann<br />
Pascolini, ein Onkel Kneißls, war schon ein halbes Jahrhundert zuvor eine der gefürchtetsten<br />
Kneißl nach der Festnahme, mit Klinikpersonal<br />
Gestalten Oberbayerns. All diese Voraussetzungen und die Tatsache, dass der junge Kneißl,<br />
wie auch seine Geschwister, mit Lehrern und Pfarrern keineswegs gut zurechtkamen, ebneten<br />
den Weg zum Leben eines Verbrechers. <strong>Der</strong> Vater, diesbezüglich keineswegs untätig, verstarb<br />
während eines Gefangenentransports. Die Mutter musste wegen Hehlerei und Diebstahls viele<br />
Jahre absitzen. Mit knapp 16 Jahren wurde Kneißl wegen Jagdfrevels bestraft. 1892 verübte<br />
er einen schweren Einbruch, zusammen mit seinem Bruder. Als die Polizei die beiden „Pas -<br />
colinis“, wie sie genannt wurden, in der Mühle festnehmen wollte, eröffneten die Brüder das<br />
Feuer und verletzten einige Beamte schwer. Es folgten lange Haftstrafen. 1899 aus dem<br />
Gefängnis entlassen, verdingte sich Mathias als Schreinergeselle in Nußdorf am Inn. Nach<br />
einem halben Jahr musste ihn sein sehr zufriedener Meister auf Drängen des örtlichen Gen -<br />
dar men jedoch wieder entlassen. Mutlos sah Kneißl für sich erneut nur den Weg in die Ille ga -<br />
li tät. Von da an war kaum ein Einödhof sicher. Mal mit Kumpanen, zumeist jedoch alleine,<br />
lebte der Kneißl von Einbrüchen und Diebstählen. Immer wieder gelang es ihm, wenn er<br />
erkannt wurde, zu fliehen. Sein modernes Zweiradfahrzeug, auf dem er stets schwer bewaffnet<br />
umherfuhr, leistete ihm dabei große Hilfe. Mit seinem letzten Räubergesellen Rieger<br />
wurde er von der Polizei im Riegerschen Gehöft gestellt. Als die Beamten eintraten, hatte sich<br />
Kneißl verborgen. Sein Versteck flog jedoch auf, und er schoss auf die Beamten. Einer war<br />
sofort tot, der andere verstarb im Krankenhaus. Erneut konnte Kneißl, man schrieb inzwischen<br />
das Jahr 1901, fliehen. Im März 1901 wurde Kneißls Unterschlupf bekannt. Mit 60 bewaffneten<br />
Polizisten umstellte man das Gebäude, wagte sich jedoch nicht zu nahe, da man von<br />
der Schussbereitschaft Kneißls wusste. Nach kurzer Zeit begannen die Beamten, das Haus zu<br />
beschießen. Als sie vernahmen, dass Kneißl verletzt worden war, drangen sie ein und nahmen<br />
den Räuber fest. <strong>Der</strong> schwer am Unterleib Verletzte rang anschließend im Krankenhaus mit<br />
dem Tode. Seine gute Konstitution half den Ärzten jedoch, den Gefangenen wieder herzustellen.<br />
Vom 14. bis 19. <strong>November</strong> 1901 musste sich Mathias Kneißl vor dem Augsburger<br />
Schwur gericht verantworten. Vorgeworfen wurden ihm zwei Morde, versuchter Totschlag,<br />
schwerer Raub und Erpressung. Mit ihm angeklagt, wegen Beihilfe zum Mord, war sein letzter<br />
Kumpan Rieger.<br />
Schon am frühen Morgen, obwohl noch sehr dunkel und regnerisch, drangen Hun derte<br />
Schaulustiger in den Gerichtssaal. Auch die Presse war stark vertreten. Ganz Bayern nahm<br />
interessiert Anteil an diesem Schau prozess, den Oberlandesgerichtsrat Anton Rebholz leitete.<br />
Die Anklage vertrat Staatsanwalt Dr. Farnbacher. Riegers Verteidigung hatte der Augsburger<br />
Rechtsanwalt Prechtl übernommen. Nach mehrtägigen Verhandlungen, während denen Kneißl<br />
sämtliche ihm vorgeworfenen Taten eingestand, jedoch immer wieder darauf hinwies, dass er<br />
die Polizisten nicht habe erschießen, sondern nur aufhalten wollen, wurde Rieger von den Ge -<br />
schworenen „frei aller Anklagen“ gesprochen. Mathias Kneißl erhielt den vollen Schuldspruch<br />
der Geschworenen: Todesstrafe wegen Mordes, fünfzehn Jahre Zuchthaus, sowie Verlust der<br />
bürgerlichen Ehrenrechte. „Die Woch’ fangt scho guat o!“ Diesen, ihn berühmt machenden,<br />
Ausspruch soll Kneißl am Tag der Urteilsverkündung getan haben. Am 21. Februar, einem<br />
Freitag, um sieben Uhr morgens, trat Kneißl seinen letzten Gang an. Die Guillotine wartete..<br />
Das beschossene Riegersche Gehöft nach der Festnahme<br />
Kneißls Anwalt war der für schwierige Fälle und Schauprozesse gerne berufene<br />
Dr. Walter von Pannwitz<br />
– einst der „Bossi“ aus Kulmbach.<br />
In Mehlsack/Ostpreußen wurde am 4. Mai 1856 der Rechtsanwalt, Kunstliebhaber und<br />
Mäzen, Autor und Oberbürgermeister von Kulmbach, Dr. Walter Sigismund Emil Adolf von<br />
Pannwitz, geboren. <strong>Der</strong> Ehrenritter des Johanniterordens verstarb am 8. Novem ber 1920 in<br />
Buenos Aires. In München hatte sich von Pannwitz bei großen Strafprozessen bereits<br />
Lorbeeren verdient. <strong>Der</strong> künstlerisch Begabte war auch mit Ludwig Thoma sehr befreundet. In<br />
diese Zeit fiel von Pannwitz’ Berufung zum Oberbürgermeister Kulm bachs, wo er sich ab<br />
1888 mittels einer durchgreifenden Verwal -<br />
tungsreform große Verdienste erwarb. Mit<br />
seiner zweiten Ehe frau Catalina Roth vereinigte<br />
er 1908 zwei große Kunstsamm lun -<br />
gen. 1910 ließ das Ehepaar in Berlin ein Pa -<br />
lais errichten, um die Kunstwerke in angemessenem<br />
Rahmen präsentieren zu können.<br />
Sechs Jahre später besuchte auch der Kaiser<br />
das ansprechende Gebäude, und als dieser<br />
nach dem Ende des Ersten Weltkrieges nach<br />
Holland ins Exil wechselte, folgte ihm das<br />
Catalina Roth<br />
Dr. Walter Sigismund Emil Adolf von Pannwitz,<br />
Rechtsanwalt und Bürgermeister von Kulmbach<br />
eng befreundete Ehepaar Pannwitz. Nach<br />
von Pannwitz´ Tod schaffte es seine Witwe,<br />
den in Nordholland befindlichen Wohnsitz Schloss De Hartekamp zu einem Treffpunkt europäischer<br />
Aristokratie zu machen. Das Berliner Palais wurde während des Zweiten Weltkrieges an<br />
das Deutsche Reich verkauft, blieb während der schweren Bombardements unbeschadet und<br />
stand danach viele Jahre leer. Als „Schlosshotel Gehrhus“ blühte es wieder auf, ehe es nach<br />
der Wende und fast dreijähriger Restaurierung in das moderne „Schlosshotel im Grunewald“<br />
umbenannt wurde.<br />
R.H./V.H.<br />
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