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Vom Engel, der am Weihnachtsabend weinte<br />
04<br />
An diesem Heiligen Abend darf ich Ihnen eine<br />
Geschichte erzählen. Sie ist tiefsinnig genug,<br />
damit jeder von uns die Botschaft des Kindes in<br />
der Krippe für hier und heute vernehmen kann.<br />
Das aber herauszufinden, überlasse ich Ihnen.<br />
Als Jesus in Bethlehem geborgen wurde, so erzählt<br />
die Geschichte, machten sich alle Engel des<br />
Himmels auf, das Kind in der Krippe anzubeten.<br />
Nur ein Engel beeilte sich nicht. Ihm war nicht so<br />
recht danach zumute – wie auch nicht jeder von<br />
uns hier hochgemuten Herzens hergekommen<br />
ist. Als dieser Engel nun am „Palast der tiefsten<br />
Geheimnisse“ vorbeikam, spürte er einen Sog,<br />
der ihn anzog – vielleicht war es auch ein wenig<br />
Neugierde, obwohl Engel ja darüber stehen sollen.<br />
Und er sah, dass der Eingang nicht bewacht war; warum auch, wo<br />
doch jetzt das größte Geheimnis der Weltgeschichte im Stall auf Erden<br />
sichtbar werden sollte?!<br />
Er trat in die spiralförmig angelegten Gänge und sah Urbilder der Schöpfung<br />
und der Geheimnisse des Lebens. Aber sie standen nicht erstarrt,<br />
sondern fluteten unaufhörlich ineinander. Mit Tönen und Farben strömten<br />
sie alle Lust und Leben und Hoffnung aus. Schließlich kam er zur<br />
Herzkammer und hier flossen nur noch drei Bilder ineinander: Die Geburt<br />
eines Kindes, der Tod eines Mannes, der die Züge des Kindes trug, und<br />
die Gestalt der Liebe, die mit zwei Armen beide Bilder umschloss. Aber<br />
sofort sah er drei neue Bilder entstehen: Er sah den Tod des Kindes, die<br />
Neugeburt des toten Mannes und das schreckliche Gesicht der Liebe. Da<br />
schrie er entsetzt auf und taumelte durch die Gänge zurück. Jetzt fluteten<br />
ihm von allen Bildern nur Schrecken und Tod entgegen:<br />
Die Natur starb, Gemeinschaften zerbrachen<br />
und Hoffnungslosigkeit lähmte alles.<br />
Als er draußen wieder einen klaren Kopf bekam,<br />
konnte er sich das Bild der Liebe nicht mehr vorstellen.<br />
Und dann durchfuhr es ihn: Ich muss das<br />
Kind warnen, es beschützen!<br />
In Windeseile näherte er sich dem Stall. Es war<br />
nicht leicht, die jubelnden Scharen der Engel zu<br />
durchbrechen. Schließlich stand er vor der Krippe.<br />
Ja, da lag das Kind, das er schon geschaut hatte.<br />
Und dahinter stand lächelnd die Liebe. Aber im<br />
nächsten Augenblick sah er den vor Schmerz