neue Schule? - Gew-offenbach.de
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Die Medienindustrie gaukelt dagegen eine zumin<strong>de</strong>st<br />
am Schluss meist „heile Welt“ vor. In <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntifikation<br />
mit omnipotenten Heldinnen und Hel<strong>de</strong>n können wir<br />
uns für einen Moment unserer Unsicherheit entledigen.<br />
Hier ist alles möglich, außer <strong>de</strong>r Umsetzung in<br />
unseren Alltag. Im Vergleich mit <strong>de</strong>n Medienhel<strong>de</strong>n<br />
jedoch sind wir alle Versager. Wer <strong>de</strong>n Aufstieg von<br />
Tellerwäscher zum Millionär nicht schafft, wer nicht so<br />
perfekt ist wie die Figuren, die uns in <strong>de</strong>n Medien<br />
vorgeführt wer<strong>de</strong>n, hat schon verloren. Der Weg zum<br />
Erfolg aber bleibt im Bereich <strong>de</strong>s Magischen. Stetes<br />
Bemühen ist er je<strong>de</strong>nfalls nicht. Und scheint nicht tatsächlich<br />
eher Zufall eine Rolle zu spielen bei <strong>de</strong>r Frage,<br />
wer zu etwas kommt und wer nicht Lohnen die Mühen<br />
einer soli<strong>de</strong>n Ausbildung, wenn hochqualifizierte<br />
Aka<strong>de</strong>miker/innen arbeitslos wer<strong>de</strong>n Erfolgreich<br />
scheint, wer reich (geerbt) und schön ist, und dazu<br />
kann schulische Bildung nicht verhelfen. Begrün<strong>de</strong>te<br />
Zukunftsängste haben auch die, die in <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />
erfolgreich sind.<br />
Foto: Reinhard Krause (taz) mit frdl. Genehmigung<br />
Wenn nun die Reifungsprozesse misslingen, besteht die<br />
Gefahr, dass die betroffene Person nur oberflächliche<br />
Kontakte eingeht, Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen vermei<strong>de</strong>t<br />
und statt<strong>de</strong>ssen Erlebnisse sucht, die mit einem Gefühl<br />
von Großartigkeit verbun<strong>de</strong>n sind. Dies ist oft mit<br />
Süchten verbun<strong>de</strong>n; das zu Größenerlebnissen verhelfen<strong>de</strong><br />
Kokain ist nicht umsonst Mo<strong>de</strong>droge.<br />
Die Beschäftigung mit eigenen Defiziten wird sorgfältig<br />
vermie<strong>de</strong>n. Die Stabilisierung <strong>de</strong>s eigenen fragilen<br />
Selbst steht so sehr im Vor<strong>de</strong>rgrund, dass je<strong>de</strong> Empathie<br />
für an<strong>de</strong>re Menschen fehlt. An<strong>de</strong>re dienen lediglich als<br />
Objekte, die benutzt wer<strong>de</strong>n; ihre Bedürfnisse wer<strong>de</strong>n<br />
kaum registriert, sie spielen keine Rolle. Im Gegenteil<br />
kann es von eigenen Unzulänglichkeiten entlasten, die<br />
Schwächen an<strong>de</strong>rer herauszustellen. Mobbing hat in<br />
<strong>de</strong>r Regel diese Funktion.<br />
Wir sollten im Auge behalten, dass es sich dabei<br />
keineswegs um Bosheit, son<strong>de</strong>rn um Selbstheilungsversuche<br />
han<strong>de</strong>lt, die notwendig misslingen müssen.<br />
Auch ein tiefes Verstehen <strong>de</strong>r eigenen Person ist dabei<br />
ausgeschlossen, Schein statt Sein ist die Devise.<br />
Diese Problematik weist über die einzelner Schülerinnen<br />
und Schüler weit hinaus. Mir fiel vor kurzem ein<br />
Plakat <strong>de</strong>r „Dresdner Bank“ auf. Ein vor seinem<br />
Spiegelbild(!) stehen<strong>de</strong>r junger Mann fragt sich: „Soll<br />
ich sie zum Essen einla<strong>de</strong>n O<strong>de</strong>r gibt's noch bessere<br />
Geldanlagen“. Wo keine Empathie möglich ist,<br />
verkümmert Resonanz zur Rendite.<br />
Narzisstische Strukturen sind Zeitgeist. Wir fin<strong>de</strong>n sie<br />
wie<strong>de</strong>r in Kultur und Politik, in <strong>de</strong>n „Blasen“ <strong>de</strong>r<br />
Börsen, in <strong>de</strong>r Verfolgung wirtschaftlicher und politischer<br />
Ziele ohne Rücksicht auf soziale und ökologische<br />
Folgen, aber bei gleichzeitiger medienwirksamer<br />
Verheißung von Verbesserung. Vor<strong>de</strong>rgründig ist es<br />
entlastend, nicht anzusehen, was durch das eigene<br />
Han<strong>de</strong>ln in einem nicht auf Solidarität, son<strong>de</strong>rn auf<br />
Profit ausgerichtetem Kontext angerichtet wird.<br />
Zusätzlich bieten Größenerlebnisse eine (Schein-)<br />
Möglichkeit, Gefühlen <strong>de</strong>r Entfremdung und<br />
Vermassung, die die Struktur unserer Gesellschaft mit<br />
sich bringt, wenigstens punktuell zu entkommen.<br />
In <strong>de</strong>n beschriebenen Verhaltensweisen unserer<br />
Schülerinnen und Schüler spiegeln sich grundlegen<strong>de</strong><br />
gesellschaftliche Wi<strong>de</strong>rsprüche wie<strong>de</strong>r. Eine aus<br />
pädagogischer Sicht verantwortungsbewusste <strong>Schule</strong><br />
muss gera<strong>de</strong> auch <strong>de</strong>shalb ein Ort sein, <strong>de</strong>r die<br />
emotionale Situation <strong>de</strong>r Schülerinnen und Schüler<br />
ernst nimmt und ihnen Möglichkeiten zur<br />
Entwicklung bietet.<br />
Wie das aussehen kann, soll unter Berücksichtigung<br />
<strong>de</strong>r Erfahrungen <strong>de</strong>r Selbstpsychologie diskutiert<br />
wer<strong>de</strong>n. Von zentraler Be<strong>de</strong>utung für die Praxis <strong>de</strong>r<br />
Selbstpsychologie ist <strong>de</strong>r Begriff „Ambiente“. Damit ist<br />
nicht nur die räumliche Umgebung gemeint, son<strong>de</strong>rn<br />
die Atmosphäre insgesamt, die <strong>de</strong>m Klienten begegnet.<br />
Dies schließt die Haltung <strong>de</strong>s Therapeuten ein.<br />
Da Menschen mit einem fragilen Selbst in hohem<br />
Maße dazu tendieren, in allem, was ihnen begegnet,<br />
Hinweise auf ihren Selbstwert zu sehen (eben weil sie<br />
Selbstobjekterfahrungen suchen), bekommt die Frage,<br />
wie ein Raum eingerichtet ist und wie <strong>de</strong>r Mensch, <strong>de</strong>r<br />
dort empfängt, gera<strong>de</strong> gelaunt ist, eine eminente<br />
Be<strong>de</strong>utung. Ein Mensch mit narzisstischen Defiziten<br />
wird nur zu motivieren sein, sich auf einen Lernort<br />
einzulassen, wenn er spüren kann, dass hier positive<br />
Erfahrungen für ihn möglich sind.<br />
Das Ambiente muss Angenommensein, Verständnis<br />
und Akzeptanz vermitteln; eine freundlich entspannte<br />
Atmosphäre, die nicht lustfeindlich ist. Hand aufs Herz:<br />
davon sind die meisten <strong>Schule</strong>n Meilen entfernt.<br />
<strong>Schule</strong>n wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Regel kostengünstig errichtet<br />
und in Stand gehalten, und das sieht man ihnen an.<br />
Viele wirken schon von außen grau und trist.<br />
Ich habe mich gefragt, was passieren wür<strong>de</strong>, wenn<br />
man eine „schwierige“ Klasse in eine Hun<strong>de</strong>rtwasser-<br />
<strong>Schule</strong> verlegen könnte. Ich gehe davon aus, dass eine<br />
bisher ungekannte Atmosphäre von Neugier, Ent<strong>de</strong>ckerfreu<strong>de</strong><br />
und Lust, in die <strong>Schule</strong> zu gehen, die<br />
Folgen wären. Dieselben Klassen wür<strong>de</strong>n beginnen,<br />
eine geschätzte Umgebung zu pflegen, anstatt sie mit<br />
halb ausgetrunkenen Colaflaschen, Kaugummis,<br />
Bonbon- und Butterbrotpapieren zu garnieren.<br />
Zu <strong>de</strong>n ersten Erfahrungen in einer <strong>neue</strong>n <strong>Schule</strong><br />
gehören bürokratische Akte, das Verkün<strong>de</strong>n von<br />
Regeln, das Austeilen von Erklärungen, die unterschrieben<br />
wer<strong>de</strong>n müssen, zum Teil sogar Tests.<br />
Details aus einer Offenbacher <strong>Schule</strong> (vgl. S. 9)<br />
Persönliche Begrüßungen, die Mut machen, stehen<br />
nicht im Vor<strong>de</strong>rgrund. Positive Ansätze gibt es in<br />
Grundschulen, die die Kin<strong>de</strong>r an „Kennenlerntagen“<br />
neugierig auf die <strong>Schule</strong> machen und ihnen zeigen,<br />
was hier alles Schönes gemacht wird. Für <strong>de</strong>rartige<br />
Ansätze ist mehr Raum zu gewähren. So könnten die<br />
Schülerinnen und Schüler an Stelle einer anonymen<br />
Anmeldung im Sekretariat auch in weiterführen<strong>de</strong>n<br />
<strong>Schule</strong>n zu einem freundlichen Gespräch eingela<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n, bei <strong>de</strong>m man die Klassenlehrerin o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
Klassenlehrer kennen lernen kann und spezielle<br />
Wünsche und Motivationen besprochen sowie die<br />
Möglichkeiten, die die <strong>Schule</strong> bietet, dargestellt wer<strong>de</strong>n<br />
können. Einzelgespräche wür<strong>de</strong>n auch <strong>de</strong>nen, die sich<br />
in großen Gruppen zu Beginn unsicher fühlen, <strong>de</strong>n<br />
Einstieg erleichtern.<br />
Dafür fehlen allerdings in <strong>de</strong>r Regel sowohl Raum als<br />
auch Zeit, und für Kaffee und Gebäck ist ohnehin kein<br />
Geld da. Spinnerei Welche Be<strong>de</strong>utung haben Anfänge<br />
für die Entwicklung <strong>de</strong>r Einstellung zu einem <strong>neue</strong>n<br />
Ort! Wenn es gelänge, hier schon das Eis zu brechen,<br />
könnte sehr viel an zähflüssigem Unterricht gespart<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
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