neue Schule? - Gew-offenbach.de
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Das <strong>de</strong>utsche Bildungssystem ist<br />
sozial ungerecht und nicht sehr effizient<br />
Der Befund <strong>de</strong>r bildungssoziologischen PISA-Studie<br />
ist ein<strong>de</strong>utig: Die Leistungen <strong>de</strong>s bun<strong>de</strong>srepublikanischen<br />
Bildungssystems gleichen einem pädagogischen<br />
Albtraum: Deutschland und die Schweiz sind<br />
die bei<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n größten Unterschie<strong>de</strong>n in<br />
<strong>de</strong>r Lesekompetenz von Jugendlichen aus höheren<br />
und niedrigen Sozialschichten (PISA 2000, S. 383).<br />
Was bei<strong>de</strong> Län<strong>de</strong>r gemeinsam haben, ist die frühere<br />
Differenzierung nach nur vier Grundschuljahren in<br />
unterschiedlichen Schulformen. Dabei zeigt sich, dass<br />
beim Übergang von <strong>de</strong>r vierten in die fünfte Klasse<br />
nicht vorrangig vergleichbare Leistungsunterschie<strong>de</strong>,<br />
son<strong>de</strong>rn empirisch nachweisbar die Zugehörigkeit zu<br />
sozialen Klassen die Chance zum Besuch <strong>de</strong>r Realschule<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Gymnasiums bestimmt (Kapitel 8,4:<br />
Soziale Herkunft und Bildungsbeteiligung).<br />
Sind die Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Leistungskompetenz <strong>de</strong>r<br />
Schülerinnen und Schüler in Deutschland zu diesem<br />
Zeitpunkt noch nicht allzuweit auseinan<strong>de</strong>r, än<strong>de</strong>rt<br />
dies sich im Verlauf <strong>de</strong>r Sekundarstufe in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />
Schulformen gewaltig: Im untersuchten<br />
neunten Jahrgang überschreiten Jugendliche, „die<br />
aus <strong>de</strong>n sozialen Klassen III (Routinedienstleistungen<br />
in Han<strong>de</strong>l und Verwaltung), V-VI (Facharbeiter<br />
und Arbeiter) und VII (un- und angelernte<br />
Arbeiter) zwischen 25 und 35 % nicht die erste<br />
Kompetenzstufe im Lesen“! Nur 32 - 43 % aus diesen<br />
sozialen Klassen erreichen die Kompetenzstufe 2, die<br />
<strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Rahmen- o<strong>de</strong>r Lehrpläne <strong>de</strong>s<br />
Faches Deutsch für die neunte Klasse <strong>de</strong>r Hauptschule<br />
entsprechen.<br />
Die PISA-Studie zeigt auch, dass die Lesekompetenz<br />
entschei<strong>de</strong>nd für die mathematische und naturwissenschaftliche<br />
Grundbildung ist. Auch in diesen<br />
Bereichen wer<strong>de</strong>n ähnliche Ergebnisse dokumentiert.<br />
Trotz <strong>de</strong>r frühen Selektion ist das <strong>de</strong>utsche Bildungssystem<br />
mit seiner Elite, <strong>de</strong>n Gymnasiasten, nicht sehr<br />
erfolgreich. Die Leistungen <strong>de</strong>r besten Jugendlichen<br />
im neunten Schuljahr erreichen nur OECD-Durchschnitt.<br />
Im Vergleich mit Deutschland gelingt es Teilnehmerstaaten<br />
mit <strong>de</strong>n besten Testleistungen <strong>de</strong>r Schülerinnen<br />
und Schüler die Unterschie<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Leistungskompetenz<br />
von Jugendlichen aus hohen und niedrigen<br />
sozialen Klassen gering zu halten.<br />
Vertiefen<strong>de</strong> Analysen zeigen:<br />
„Eine Entkopplung von sozialer Herkunft und Kompetenzerwerb<br />
muss offensichtlich nicht mit einem<br />
Niveauverlust erkauft wer<strong>de</strong>n. Im Gegenteil: Es <strong>de</strong>utet<br />
sich eine positive Beziehung zwischen Leseniveau<br />
und Lockerung <strong>de</strong>s Zusammenhangs von sozialer<br />
Herkunft und <strong>Schule</strong>rfolg an“ (PISA 2000, S. 389).<br />
Was unterschei<strong>de</strong>t die Staaten mit guten Testergebnissen<br />
von Deutschland<br />
Die meisten Staaten über <strong>de</strong>m OECD-Durchschnitt<br />
haben folgen<strong>de</strong> Gemeinsamkeiten:<br />
* Sie beginnen mit einer vorschulischen För<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r ab <strong>de</strong>m 4. o<strong>de</strong>r 5. Lebensjahr ähnlich wie<br />
<strong>de</strong>r hessische Schulversuch <strong>de</strong>r Eingangsstufe -- aber<br />
flächen<strong>de</strong>ckend.<br />
* Sie unterrichten die Schüler gemeinsam in<br />
integrierten Systemen bis zum neunten Schulbesuchsjahr.<br />
* Ein Ausgrenzen sozial schwacher Schichten wird<br />
vermie<strong>de</strong>n.<br />
* In <strong>de</strong>r Grundschule wer<strong>de</strong>n die Kulturtechniken<br />
(Lesen, Schreiben, Rechnen) in Form von individualisierten<br />
Lernprogrammen vermittelt, die die<br />
Möglichkeit zu einer frühen Diagnostik von Leistungsschwächen<br />
und binnendifferenzierten För<strong>de</strong>rmaßnahmen<br />
bieten.<br />
* In einigen Staaten (z. B. Finnland und Schwe<strong>de</strong>n)<br />
gibt es keine Noten und kein Sitzenbleiben. Statt<br />
<strong>de</strong>ssen wird <strong>de</strong>r persönliche Lernzuwachs dokumentiert<br />
und bei Schwächen ein För<strong>de</strong>rprogramm<br />
aufgestellt. Alle SchülerInnen sollen mitkommen.<br />
* Es wird an<strong>de</strong>rs gelernt. Die Aufgabenstellungen sind<br />
praxisbezogener, handlungsorientierter und fächerübergreifend.<br />
Sie sind auch so offen, dass<br />
SchülerInnen mit unterschiedlichen Lernausgangslagen<br />
zu einer Lösung kommen können, entwe<strong>de</strong>r<br />
alleine o<strong>de</strong>r in Kooperation mit an<strong>de</strong>ren. Projektarbeit<br />
hat großen Anteil. Gute Schüler übernehmen<br />
Kurse und Nachhilfe für schwächere.<br />
* Die erfolgreichen Län<strong>de</strong>r haben meistens eine<br />
Ganztagsschule mit einem warmen Mittagessen. Die<br />
Zeit, in <strong>de</strong>r SchülerInnen gemeinsam lernen und sich<br />
austauschen, dauert länger als in Deutschland.<br />
* Die Kooperation <strong>de</strong>r Lehrkräfte ist viel ausgeprägter.<br />
Sind bei uns Jahrgangssteams eher die Ausnahme,<br />
sind sie in Finnland, Schwe<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n<br />
und an<strong>de</strong>rswo die Regel.<br />
PISA - <strong>de</strong>r schiefe Turm<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Schulstruktur<br />
* Es wird ein erheblich größerer Anteil <strong>de</strong>s Bruttosozialprodukts<br />
für Bildung aufgewen<strong>de</strong>t. Zum Beispiel<br />
finanziert Schwe<strong>de</strong>n sein Schulsystem mit 8,6 %,<br />
Deutschland mit 5,9 %. Damit wird dort auch eine<br />
wesentlich bessere Lehrer-Schüler-Relation erreicht.<br />
Das <strong>de</strong>utsche Bildungssystem muss sich än<strong>de</strong>rn!<br />
Deutschland hat ein Schulstrukturproblem. Die <strong>Schule</strong><br />
produziert zu viele schlechte und nur wenige gute<br />
Schulabgänger. Die Chance, dass ein Kind einer Kassiererin<br />
und eines Arbeiters einen höheren Schulabschluss<br />
als die Eltern erreicht, ist in Finnland viermal<br />
größer als in Deutschland.<br />
Auch die Abschlüsse, die zu einem Hochschulstudium<br />
berechtigen, sind von <strong>de</strong>r Anzahl in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn<br />
viel höher als in Deutschland. Das <strong>de</strong>utsche Bildungssystem<br />
läuft Gefahr sich international zu isolieren,<br />
was qualifizierte Ausbildung anbelangt. Die Greencard<br />
wird es nicht richten!<br />
Thomas Kiele<br />
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