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VISIONEN FÜR STARTUPS IN ÖSTERREICH - AustrianStartups

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<strong>VISIONEN</strong> <strong>FÜR</strong><br />

<strong>STARTUPS</strong> <strong>IN</strong><br />

<strong>ÖSTERREICH</strong><br />

(VERÖFFENTLICHT: 28.11.2013)<br />

2013


Visionen für Startups in Österreich<br />

EXECUTIVE SUMMARY<br />

Das 21. Jahrhundert ist bisher geprägt von einer Digitalisierung der Weltwirtschaft, rasanten<br />

Innovationszyklen und einem weltweiten Aufstieg von jungen, ambitionierten Talenten.<br />

Aus einer volkswirtschaftlichen Perspektive sind Startups sowohl Konsequenz als auch<br />

wichtiger Katalysator dieser Entwicklungen. Startups sind innovative, meist technologieorientierte<br />

Jungunternehmen mit sehr hohem Wachstumspotenzial, aber hohem Risiko<br />

des Scheiterns, da häufig noch kein erprobtes (da neues) Produkt oder Geschäftsmodell<br />

vorhanden ist. Sie profitieren besonders von der Digitalisierung der Weltmärkte und den<br />

damit einhergehenden niedrigeren Eintrittsbarrieren bei Produktentwicklung und Unternehmensinternationalisierung.<br />

Sie sind es aber auch selbst, die diese Digitalisierung durch<br />

innovative Produkte und Technologien teilweise über gesamte Wertschöpfungsketten<br />

hinweg vorantreiben. Aufgrund der, verglichen mit großen Organisationen, kleinen Teams,<br />

schaffen es Startups Innovationen rascher „auf die Straße“ zu bringen und tragen damit<br />

bei, dass Innovationszyklen über Branchen hinweg beschleunigt werden und die Wettbewerbsfähigkeit<br />

erhöht wird. Aufgrund ihrer Flexibilität und Offenheit ziehen Startups vermehrt<br />

junge und ambitionierte Persönlichkeiten an. Diese ideenreichen, innovationshungrigen<br />

und international mobilen Talente blühen genau dann am besten auf, wenn sie auf<br />

ihresgleichen treffen. So entsteht eine innovative und fruchtbare Dynamik: Diejenigen, die<br />

erfolgreich bei der Umsetzung ihrer Idee sind und einen wirtschaftlichen Aufstieg schaffen,<br />

ziehen dadurch weitere ambitionierte und begeisterte Menschen an und wirken dadurch<br />

volkswirtschaftlich gesehen als wichtige Multiplikatoren in dem sie Erfahrung, Wissen,<br />

Netzwerk und Kapital in das Startup Ökosystem re-investieren.<br />

Es braucht jedoch mehr als „nur“ junge und motivierte Startups, um die positiven Effekte<br />

gesamtwirtschaftlich zu nutzen: Die Studenten Sergey Brin und Larry Page, die Gründer<br />

der Suchmaschine Google, hatten nicht nur die Möglichkeit an einer der weltweit besten<br />

Universitäten, der Stanford University, zu studieren, sondern sie konnten auf optimale<br />

Rahmenbedingungen des Silicon Valleys (Kalifornien) zurückgreifen. Das Valley hat sich<br />

gemeinsam mit der Hard- und Softwarewelt stetig weiterentwickelt, sich an das 21. Jahrhundert<br />

angepasst und fungiert auch heute noch als fruchtbarster Boden für Startups und<br />

ist größter Magnet für internationales Talent. Das Bilden von Clustern bestehend aus verschiedensten<br />

(Technologie-)Unternehmen und Netzwerken, wie Universitäten, Risikokapitalgebern<br />

oder auch Beratungsunternehmen, macht aus dem Silicon Valley ein beispielloses<br />

Startup-Ökosystem, aus welchem heraus sich Google in weniger als 15 Jahren vom<br />

kleinen 2-Mann Garagen-Startup zu einem der wertvollsten und profitabelsten Unternehmen<br />

der Welt mit aktuell über 46.000 Mitarbeitern entwickeln konnte.<br />

2


Visionen für Startups in Österreich<br />

An diesem Punkt stellt sich die Frage: Hätten Sergey Brin und Larry Page die richtigen Voraussetzungen<br />

dafür auch in Österreich vorgefunden, um die Erfolgsgeschichte Googles<br />

von hier zu starten Die Antwort lautet „Leider nein“. <strong>AustrianStartups</strong> teilt gemeinsam<br />

mit der österreichischen Startup-Community die Vision, dass Österreich genau diese Frage<br />

in Zukunft mit einem klaren „Ja“ beantworten muss, indem es auf das 21. Jahrhundert<br />

angepasste, unternehmerfreundliche Rahmenbedingungen und eine innovative Infrastruktur<br />

bietet und zur „innovation-driven economy“ wird.<br />

Was für Maßnahmen sind dafür notwendig<br />

Startups sind eine spezifische Untergruppe von Jungunternehmen und Jungunternehmerinnen<br />

und haben besondere Bedürfnisse. Nach einer Status Quo-Analyse, begleitet von<br />

Gesprächen und Umfragen innerhalb der österreichischen Startup-Community, kristallisierten<br />

sich fünf Aspekte heraus, die für eine Veränderung zu einem fruchtbaren Umfeld für<br />

Startups in Österreich unabdinglich sind. Diese werden nun kurz zusammengefasst:<br />

ZUKUNFTSORIENTIERTE BILDUNG<br />

Ein zukunftsorientiertes und unternehmerisches Bildungswesen ist die Grundlage, um den<br />

wichtigsten Faktor für Startups zu fördern: ambitionierte, talentierte, gut qualifizierte, junge<br />

Menschen. Konkrete Maßnahmen dafür sind:<br />

• IT Unterricht bereits ab der Volksschule<br />

• Unternehmertum praxisnah integriert in den Unterricht ab der Unterstufe<br />

• Gründerinitiative und Gründerwerkstätten an den Hochschulen<br />

VERBESSERUNG DES GRÜNDUNGSUMFELDES & WIEN ALS STARTUP HUB &<br />

W<br />

Startups sind in ihrer Natur häufig international. Damit in Österreich mehr Startups gegründet<br />

werden und sich mehr Startups ansiedeln, ist es essenziell, das heimische Gründungsumfeld<br />

aus einer rechtlichen und strukturellen Perspektive deutlich zu verbessern<br />

und im Vergleich zu anderen Ländern Barrieren aus dem Weg zu räumen. Wien muss sich<br />

pro-aktiv als internationaler Startup Hub positionieren. Die wichtigsten Schritte dafür sind:<br />

• Einführung eines einfachen Mitarbeiterbeteiligungsmodell für Kapitalgesellschaften<br />

• Reduktion oder Abschaffung notariatspflichtiger Geschäftsprozesse für Startups<br />

• Neugründungsförderung & Unternehmensgründungsprogramm an Gründerrealität<br />

anpassen<br />

• Ausbau der Strukturförderungen fürs Startup-Ökosystem<br />

• Modernisierung der Gewerbeordnung<br />

• Flagship Entepreneurship & Tech-Events unterstützen<br />

• Rot-Weiß-Rot Karte für Startups adaptieren<br />

3


Visionen für Startups in Österreich<br />

MOBILISIERUNG VON PRIVATEM RISIKOKAPITAL<br />

Es besteht Einigkeit darüber, dass in Österreich zu wenig Risiko- und Wachstumskapital<br />

für Startups und innovative Technologieunternehmen zur Verfügung stehen. Die wichtigsten<br />

Hebel, um Kapital aus Österreich und Europa zu mobilisieren, sind:<br />

• Schaffung von steuerlichen Anreizen für österreichische Privatinvestoren<br />

• Schaffung eines Fund-of-Fund Modells mit staatlichem Cornerstone Investment in<br />

privat gemanagte Funds<br />

• „Freisetzung“ von Crowdfunding und Crowdinvesting durch sinnvolle Regulierung<br />

• Schaffung von Anreizen für institutionelle Investoren um in Startups zu investieren<br />

• Bereitstellung von Ressourcen für Vernetzungs- und Fundraising Aktivitäten mit internationalen<br />

Investoren<br />

•<br />

ZUKUNFTSORIENTIERTE FÖRDERLANDSCHAFT<br />

Die Förderlandschaft muss praxisnaher an Startups und deren Bedürfnisse angepasst und<br />

zukunftsorientierter gestaltet werden. Das bedeutet:<br />

• Umschichtung von Fördermitteln auf innovative Jungunternehmen und F&E<br />

• Ausbau von kleineren, schneller und leichter zu beantragenden Förderungen<br />

• Schrittweise Angleichung der Förderantragsstruktur<br />

• Kooperationen mit wissenschaftlichen Einrichtungen nicht mehr bevorzugen<br />

• Toleranz bei Anpassung des Projektschwerpunktes während der Projektlaufzeit<br />

• Förder- und Finanzierungskette planbarer gestalten<br />

VERANKERUNG DES THEMAS „JUNGUNTERNEHMERTUM“ <strong>IN</strong> DER POLITIK<br />

Die Themen Startups und innovative Hi-Tech-Unternehmen erhalten in anderen Ländern<br />

(z.B. auch in Deutschland) eine hohe politische Aufmerksamkeit. Es benötigt eine stärkere<br />

Verankerung dieser Themen in der Politik, damit sich das Ökosystem für innovative,<br />

wachstumsorientierte Jungunternehmen in Österreich verbessert: Hier ist wünschenswert:<br />

• Gründer- und Startup-Beauftragter in der Regierung<br />

• Innovative Jungunternehmen und Startups auf der Agenda von Spitzenpolitikern<br />

Mit dieser Initiative und den vorgeschlagenen Ideen wollen wir dazu beitragen, dass Österreich<br />

mit Hilfe einer dynamischen Startup-Szene sein volles Potential nutzen kann und als<br />

„innovation-driven economy“ fit für das 21. Jahrhundert wird. Wir glauben, dass es mit<br />

vereinten Anstrengungen möglich ist Österreich bis 2018 europaweit ins Spitzenfeld der<br />

attraktiven Standorte für Startup-Gründungen & innovative Wachstumsunternehmen bringen.<br />

Dass ist essenziell, denn wenn Österreich nicht pro-aktiv zum Magnet für Talent und<br />

4


Visionen für Startups in Österreich<br />

Startups wird, droht die Konsequenz, dass diese von Österreich abwandern weil sie mobiler<br />

denn je sind und international bessere Rahmenbedingungen für ihre Ambitionen finden.<br />

5


Visionen für Startups in Österreich<br />

<strong>IN</strong>HALT<br />

Executive Summary ..................................................................................................... 2<br />

1. Einleitung ............................................................................................................. 7<br />

1.1. Entstehung des Visionspapiers ................................................................................................... 8<br />

1.2. Die DNA von Startups - ein Definitionsversuch ................................................................... 8<br />

1.3. Startups in Europa und Österreich ........................................................................................... 11<br />

1.4. Wichtige Bedeutung von Startups für Wirtschaft und Gesellschaft ......................... 12<br />

1.5. Die 5 Säulen des Maßnahmenkatalogs ................................................................................... 14<br />

2. Bildungswesen zukunftsorientiert und unternehmerischer gestalten ....... 14<br />

2.1. Einführung von zusätzlichem IT-Unterricht ab der Volksschule .................................. 15<br />

2.2. Praxisnahe Vermittlung von Unternehmertum ab der Unterstufe ............................. 15<br />

2.3. Verstärkte Gründerinitiative an Hochschulen und an Hochschulen angesiedelte<br />

Gründerwerkstätten .............................................................................................................................. 16<br />

3. Heimisches Gründungsumfeld signifikant verbessern und Wien als<br />

Startup Hub für CEE positionieren ................................................................. 18<br />

3.1. Einführung eines einfachen Mitarbeiterbeteiligungsmodell für<br />

Kapitalgesellschaften ............................................................................................................................ 19<br />

3.2. Signifikante Reduktion bzw. Abschaffung notariatspflichtiger Geschäftsprozesse<br />

für Startups ............................................................................................................................................... 21<br />

3.3. Neugründungsförderung und Unternehmensgründungsprogramm an Realitäten<br />

von Startup-Gründern anpassen ..................................................................................................... 22<br />

3.4. Ausbau der Strukturförderungen fürs Startup-Ökosystem ......................................... 24<br />

3.5. Modernisierung der Gewerbeordnung ................................................................................. 24<br />

3.6. Flagship Entepreneurship & Tech-Events unterstützen ................................................ 25<br />

3.7. Rot-Weiß-Rot Karte für Startups adaptieren ..................................................................... 26<br />

4. Mobilisierung von heimischem und europäischem Kapital für<br />

österreichische Startups .................................................................................. 27<br />

4.1. Schaffung von steuerlichen Anreizen für österreichische Privatinvestoren ......... 27<br />

4.2. Unterstützung eines Fund-of-Fund Modells durch staatliches Cornerstone<br />

Investment ............................................................................................................................................... 29<br />

4.3. „Freisetzung“ von Crowdfunding und Crowdinvesting .................................................. 31<br />

4.4. Schaffung von Anreizen für österreichisch-institutionelle Investoren um in<br />

Startups oder Startup-Fonds zu investieren .............................................................................. 33<br />

4.5. Bereitstellung von Ressourcen für Vernetzungs- und Fundraising-Aktivitäten<br />

mit internationalen Investoren ......................................................................................................... 34<br />

5. Förderlandschaft zukunftsorientiert und Startup-gerecht gestalten ....... 34<br />

5.1. Umschichtung von Fördermitteln auf innovative Jungunternehmen und F&E ..... 36<br />

5.2. Ausbau von kleineren, leichter und schneller zu beantragenden Förderungen .. 37<br />

5.3. Schrittweise Angleichung der Förderantragsstruktur .................................................... 38<br />

5.4. Förderkategorien und -definition zeitgemäß gestalten ................................................ 38<br />

5.5. Kooperationen mit wissenschaftlichen Einrichtungen nicht mehr bevorzugen ... 39<br />

5.6. Toleranz bei Anpassung des Projektschwerpunktes nach Marktgegebenheiten<br />

während der Projektlaufzeit .............................................................................................................. 39<br />

5.7. Förder- und Finanzierungskette planbarer gestalten ................................................... 40<br />

6. Verankerung der politischen Verantwortung des Themas<br />

Jungunternehmertum/Startups ...................................................................... 41<br />

6.1. Gründer- und Startup-Beauftragter in der Regierung ..................................................... 41<br />

6.2. Innovative Jungunternehmen und Startups auf der Agenda von<br />

Spitzenpolitikern .................................................................................................................................... 41<br />

Danksagung ............................................................................................................... 44<br />

6


Visionen für Startups in Österreich<br />

1. Einleitung<br />

Im Jahr 2018 liegt Österreich europaweit im Spitzenfeld der attraktiven Standorte für Startup-Gründungen<br />

1 und innovative Wachstumsunternehmen. Zahlreiche talentierte, ambitionierte<br />

und junge Menschen wagen den Schritt in die Unternehmensgründung, um ihre innovativen<br />

Ideen zu verwirklichen. Das österreichische Startup-Ökosystem wächst organisch<br />

und ist untereinander, mit Politik, Wirtschaft, Bildungsinstitutionen und der Presse<br />

ausgezeichnet vernetzt und bietet allen Gründern - unabhängig in welcher Phase sich ihr<br />

Unternehmen befindet - ausreichend Unterstützung und Rückhalt für ihre unternehmerische<br />

Vorhaben.<br />

Wien konnte sich als wichtiger Startup-Hub in Zentral- und Osteuropa etablieren und erfreut<br />

sich regen Zuzugs talentierter junger Menschen und erfolgsversprechender Startups<br />

aus den Nachbarländern, die aufgrund der lokalen Ansiedlung Wertschöpfung generieren.<br />

Doch nicht nur in Wien floriert die Startup-Szene, in ganz Österreich werden nun Startups<br />

gegründet, die technologisch und marktseitig auf internationalem Niveau mithalten können<br />

und über dem gesamten Unternehmenslebenszyklus den Hauptsitz in Österreich behalten.<br />

Österreich hat es geschafft, sich als eines der innovativsten und wettbewerbsfähigsten<br />

Länder weltweit zu positionieren, sich optimal auf eine „Wissens-<br />

Infrastruktur“ einzustellen und somit an die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts anzupassen,<br />

welche stark von einem exponentiellen Wachstum von Zukunftstechnologien geprägt ist.<br />

Es ist gelungen, die Transformation von der „(post-) industrial-economy“ zur „innovationdriven<br />

economy“ zu vollziehen. Konsequenter werden in innovationsgetriebenen Volkswirtschaften<br />

unternehmerische Rahmenbedingungen wichtiger als Hebel der wirtschaftlichen<br />

Entwicklung im Vergleich zu Grundvoraussetzungen oder „Effizienzverstärkern“. Das<br />

Ergebnis des Modells ist Wirtschaftswachstum, durch die Schaffung von Arbeitsplätzen<br />

und technischer Innovation. 2<br />

Auch wenn dies wie eine entfernte Zukunftsvorstellung scheint, soll sie die grundlegende<br />

Vision für Österreich sein. Um das Wachsen der heimischen Startup-Community weiter<br />

anzukurbeln, müssen bestehende Ressourcen besser eingesetzt, neue Ressourcen mobilisiert,<br />

Barrieren aus dem Weg geschafft, das Talent von jungen Menschen stärker gefördert<br />

und die entscheidenden politischen Weichen gestellt werden. Nicht vergessen werden<br />

darf, dass Startups und Technologieunternehmen in ihrer Natur meistens international sind<br />

und daher von Tag 1 im Wettbewerb mit Startups in anderen Ländern stehen (v.a. aus ei-<br />

1<br />

Definition: Startups sind innovative, wachstumsorientierte Jungunternehmen, die häufig neue Technologien oder<br />

neue Ansätze für Problemlösungen auf Basis technologischer und gesellschaftlicher Trends erschaffen. (Siehe<br />

1.2)<br />

2<br />

Siehe http://www.gemconsortium.org/Model<br />

7


Visionen für Startups in Österreich<br />

nem vergleichsweise kleinem Markt wie Österreich). Daher gilt es die diskutierten Maßnahmen<br />

nicht aus nationaler Sicht sondern aus internationaler Sicht zu betrachten und das<br />

Startup Ökosystem daran angepasst zu verbessern. Aus der Perspektive hat Österreich<br />

zwar noch einiges an Nachholbedarf, aber <strong>AustrianStartups</strong> ist überzeugt davon, dass diese<br />

Vision Realität werden kann.<br />

1.1. Entstehung des Visionspapiers<br />

Dieses Visionspapier wurde auf Initiative des gemeinnützigen Vereins <strong>AustrianStartups</strong> erarbeitet,<br />

der am Beginn eine Befragung von über 90 Stakeholdern 3 aus der österreichischen<br />

Startup-Szene mit Fokus auf das Verbesserungspotential des Startup-Umfeldes<br />

vornahm. Auf Basis dieser wurde eine österreichweite Umfrage mit 575 Teilnehmern, die<br />

sich aus Gründern, deren Mitarbeitern, Investoren sowie Förderstellen zusammensetzen,<br />

durchgeführt. 4 Die Resultate wurden in darauf folgenden Fokusgruppengesprächen zu einer<br />

Erstversion zusammengefasst. Auf Basis dieser wurden Gespräche mit Vertretern aus<br />

politischen Parteien sowie mit diversen Verantwortlichen aus einigen Ministerien geführt.<br />

Das vorliegende Dokument bündelt die gesammelten Eindrücke und stellt somit das (derzeitige)<br />

Ergebnis eines breiten Diskurses dar: „Visionen für Startups in Österreich“ versteht<br />

sich als Momentaufnahme eines langfristigen Prozesses. Dieser soll in Zukunft weitergeführt<br />

werden und möchte die Startup-Community, ihre diversen Stakeholder, sowie Politik<br />

und Verwaltung involvieren und die Öffentlichkeit über den Fortschritt informieren. Die Intention<br />

war es, zu den Visionen auch eine pragmatische Liste zu erarbeiten, welche real<br />

umsetzbare, konkrete (und weitestgehend kosteneffektive) Maßnahmen vorschlägt, die<br />

über den „obligatorischen Ruf“ nach mehr Geld hinausgeht.<br />

1.2. Die DNA von Startups - ein Definitionsversuch<br />

Startups sind anders. Jedes Startup ist ein Jungunternehmen, aber nicht jedes Jungunternehmen<br />

ist ein Startup. Startups arbeiten daran, innovative Produkte, Dienstleistungen,<br />

Technologien oder Geschäftsmodelle zu erschaffen, die potenziell von vielen Menschen<br />

nachgefragt werden; Startups sind somit in der Regel hoch skalierbar. 5 Die Innovationleistung<br />

besteht darin, neue oder bessere, marktfähige Lösungen für Probleme zu finden. Der<br />

neuartige Kundennutzen kann sowohl technischer Natur sein, als auch auf Seiten des Ge-<br />

3<br />

Unternehmensgründer, Investoren, Förderstellen, Inkubatoren, Service-Dienstleister, Coworking Spaces, etc...<br />

4<br />

Die Online Befragung wurde gemeinsam mit der Befragung zum Austrian Startup Report 2013 durchgeführt.<br />

5<br />

Als Beispiel: Ein als Jungunternehmen gegründetes Friseurstudio kann maximal die Menschen in der eigenen<br />

Stadt erreichen, oft auch nur einige davon aus den umliegenden Bezirken. Im Vergleich dazu könnte jede iPhone<br />

App Entwicklerin mit ihrer von zu Hause aus programmierten App potenziell 300 Millionen iPhone User weltweit<br />

erreichen.<br />

8


Visionen für Startups in Österreich<br />

schäftsmodells liegen. Bei Erfolg der Innovation kann dies zu rasantem Wachstum führen.<br />

Zu Beginn ist, wie bei den meisten Neueinführungen 6 , oft unklar, in welche Richtung sich<br />

das Vorhaben entwickelt und welche innovativen Produkte oder Dienstleistungen sich am<br />

Markt durchsetzten werden.<br />

Microsoft, Apple, Google, eBay, Amazon, Facebook, Twitter, PayPal, Skype und YouTube<br />

sind einige der bekanntesten weltweit tätigen Giganten der IT-Branche, die noch vor nicht<br />

zu langer Zeit selbst als Startups gegolten haben. Jedes dieser Unternehmen hatte zu Beginn<br />

ein relativ unklares Geschäftsmodell und ein noch nicht ausgereiftes Produkt und war<br />

dem hohen Risiko des Scheiterns ausgesetzt. Dem Ausfallsrisiko gegenüber stand aber<br />

auch in deren Fall das rasante Wachstumspotenzial.<br />

Hierzu einige Beispiele:<br />

Zwei Studenten beginnen einen „Personal Computer“ (Apple I) in einer Garage zu bauen<br />

und gründen im Jahr 1976 „Apple Computer“. 36 Jahre später wird Apple mit ca. 85.000<br />

Mitarbeitern das wertvollste Unternehmen der Welt, ein Jahr drauf die weltweit bekannteste<br />

Marke, und überholt damit die seit 1888 bestehende Marke Coca Cola.<br />

In der Garage einer Bekannten programmieren zwei Stanford Studenten 1998 eine Suchmaschine<br />

mit dem ursprünglichen Namen „Googol“. Dies zu einer Zeit, in der jeder überzeugt<br />

war, dass Yahoo den Suchmaschinenmarkt beherrscht. Aus der ursprünglichen<br />

simplen, primär von Programmierern genutzten Suchmaschine - basierend auf einem an<br />

der Universität gemeinsam von den Gründern entwickelten Algorithmus - wird 2004 aus<br />

Google eine an der NASDAQ gelisteten Aktiengesellschaft. Im Jahr 2013 weist das Unternehmen<br />

eine Marktkapitalisierung von fast 300 Mrd. USD auf und beschäftigt weltweit<br />

46.000 Mitarbeiter.<br />

Das vom ehemaligen Investmentmanager Jeff Bezos im Jahr 1994 in seiner Garage gegründete<br />

und anfangs belächelte Online-Buchverkauf-Unternehmen Amazon wird die<br />

weltweit größte E-Commerce Plattform für Produkte aller Art. Im Jahr 2013 sind 97.000<br />

Mitarbeiter angestellt und erwirtschaften einen Umsatz von 61 Mrd. USD.<br />

2004 entwickelt der Student Mark Zuckerberg ein Online Studentennetzwerk, ursprünglich<br />

rein für die Elite-Universität Harvard gedacht. Acht Jahre später schreibt das daraus<br />

6<br />

Selbst bei Neueinführung von Produkten im vergleichsweise etablierten Konsumgüter- und Einzelhandel scheitern<br />

75% am Markt. Siehe Harvard Business Review: http://hbr.org/2011/04/why-most-product-launches-fail/ar/<br />

9


Visionen für Startups in Österreich<br />

entstandenen Unternehmen, das mittlerweile „Facebook“ heißt und über 1 Milliarde User<br />

zählt, mit einem der größten Börsengänge aller Zeit Wirtschaftsgeschichte.<br />

Man kann bereits ein Muster erkennen, was ein Startup ausmacht: häufig ist es eine technologie-orientierte,<br />

innovative, hoch skalierbare, vergleichsweise riskante Unternehmung,<br />

die das Potenzial haben kann, bestehende Märkte und teilweise sogar Industrien zu revolutionieren<br />

oder gänzlich neue Märkte zu erschaffen. Die meisten der oben aufgezählten Unternehmen<br />

wurden aus einer Garage, aus dem Wohnzimmer oder auf einem Universitätscampus<br />

gegründet. Bei 4 dieser 10 Unternehmen hatte der älteste, seit 1911 aktive Venture-<br />

Capital-Fond der USA „Bessemer Venture Partners“ die Chance zu investieren, doch selbst<br />

mit ihrer langjährigen Erfahrung konnten die Fonds-Partner nicht erahnen, dass daraus<br />

sehr erfolgreiche Unternehmen werden und wiesen die damaligen Startups ab. 7<br />

Betrachtet man die angeführten Unternehmen näher, fällt auf, dass Startups häufig durch<br />

unsichere Gewässer navigieren, dabei ist das Risiko eines Fehlschlags hoch - ebenso wie<br />

die potenziellen Erfolgsaussichten. Dies hat die Konsequenz, dass zu Beginn risikobereites<br />

Kapital und in weiterer Folge meist zusätzliches Wachstumskapital für das rasant eintretende<br />

Wachstum oder die Internationalisierung notwendig ist. Startups werden meist von<br />

jungen, oftmals unerfahrenen Gründern ins Leben gerufen. Aus diesem Grund benötigen<br />

sie Experimentierraum, eine angemessene Fehler-Toleranz und schließlich möglichst wenig<br />

strukturelle, wirtschaftliche und administrative Hindernisse. 8<br />

Startups zeichnen sich in den meisten Fällen besonders durch ihr intellektuelles Kapital<br />

aus. Ein Startup ist nur so gut wie das gesamte Team, das hinter der Idee steht und sich<br />

bei einer Erstgründung häufig beweisen muss. 9 Auch in weiterer Folge ist das technische,<br />

wirtschaftliche und soziale Know-How der Gründer und Mitarbeiter essentiell für den Erfolg<br />

eines Startups. Betrachtet man in diesem Kontext ein erfolgreiches Unternehmen wie<br />

Apple, stellt man fest, dass dieses mit etwa 85.000 Mitarbeitern einen Umsatz erwirtschaftet,<br />

der 40% des BIP von Österreich entspricht. 10<br />

7<br />

Konkret wurde bei eBay, Apple, PayPal und Google nicht investiert. Siehe<br />

http://www.bvp.com/portfolio/antiportfolio<br />

8<br />

Beispielsweise hätten die Anfänge von Apple und Google in den Garagen von Steve Jobs oder Larry Page weder<br />

einer Gewerbeordnung noch einer Betriebsstätten-Prüfung in Österreich standgehalten.<br />

9<br />

Eine bekannte Weisheit von frühphasigen Investoren besagt: „I’d rather invest in a 1 st class team with a 2 nd class<br />

idea, than a 1 st class idea with a 2 nd class team“.<br />

10<br />

Apple hat in den letzten 12 Monaten einen Umsatz von ca. 170 Mrd. USD erwirtschaftet, Österreichs BIP lag<br />

2012 bei ca. 400 Mrd. USD.<br />

10


Visionen für Startups in Österreich<br />

1.3. Startups in Europa und Österreich<br />

Neben den amerikanischen Erfolgsgeschichten aus dem vorherigen Kapitel gibt es auch<br />

einige namhafte europäische Beispiele, wenngleich diese noch nicht an den wirtschaftlichen<br />

Erfolg der US-Unternehmen - mit einziger Ausnahme von Skype (Schweden/Estland)<br />

- anschließen können. Hierzu eine kurze Auflistung erfolgreicher Startups aus Europa:<br />

Shazam (Großbritannien), Xing (Deutschland), SoundCloud (Deutschland), Prezi 11 (Ungarn),<br />

MySQL 12 (Schweden), Rovio 13 (Finnland), Spotify 14 (Schweden), Busuu 15 (Großbritannien)<br />

oder Last.fm 16 (Großbritannien), Kaspersky Labs (Russland), Vente Privée (Frankreich)<br />

Auch einige österreichische Startups sind mittlerweile zu erfolgreichen Unternehmen herangewachsen<br />

oder sind im internationalen Vergleich am besten Weg dorthin. Beispielsweise<br />

zählen dazu:<br />

Bwin: 1997 mit 12 Mitarbeitern gestartet, hat das Unternehmen nach 16 Jahren - mittlerweile<br />

mit PartyGaming fusioniert - weltweit 3.100 Mitarbeiter, einen Umsatz von 760 Millionen<br />

USD und ist der größte Online Gaming Anbieter weltweit.<br />

Jajah: Der Anbieter für webbasierte Telefonie wurde 2005 gegründet, hatte 2007 einen<br />

Jahresumsatz von ca. 200 Mio. EUR und wurde 2009 von der spanischen Telefonica um<br />

145 Mio. EUR übernommen.<br />

Runtastic: Von vier Studenten der FH Hagenberg im Jahr 2009 gestartet, hat das Unternehmen<br />

nach vier Jahren bereits mehr als 85 Mitarbeiter, über 50 Mio. App Downloads<br />

Apps und gilt weltweit als Marktführer im Bereich der Fitness-Apps für Smartphones.<br />

Paysafecard: Die paysafecard startete im Jahr 2000 ausgehend von einer Gruppe ehemaliger<br />

Studenten quasi aus der Küche einer der Mitgründer. Daraus wurde das erste bankenrechtlich<br />

genehmigte Online-Zahlungsmittel in Europa, welches als europäischer<br />

Marktführer mit hunderten Mitarbeitern seine Leistungen in 33 Ländern anbietet.<br />

11<br />

Ursprünglich, 2008 quasi als Alternative zu PowerPoint entwickelt, hat Prezi derzeit mehr als 20 Millionen Nutzer.<br />

12<br />

Das weltweit am meisten verwendete open-source, relationale Datenbankmanagement System wurde 2008 für<br />

1 Mrd. USD von Sun Microsystems übernommen.<br />

13<br />

Das Unternehmen hinter Angry Birds, mit mehr als 1,7 Mrd. App Downloads insgesamt auf allen mobilen Plattformen<br />

und fast 200 Mio. USD Umsatz in 2012, einer der größten mobilen Spielehersteller weltweit.<br />

14<br />

Der Musik-Stream Dienst wurde 2008 gegründet und hat derzeit über 24 Millionen aktive Nutzer, davon 6 Millionen<br />

die für den Dienst (als monatliches Abo) bezahlen und wurde kürzlich um 1,1 Mrd. USD bewertet.<br />

15<br />

Die weltweit am schnellsten wachsende Sprachlern-Plattform, mit mehr als 30 Millionen Nutzern. Wurde 2008<br />

von einem Österreicher im Ausland mitgegründet.<br />

16<br />

Bei dieser Musik-Community-Plattform, die 2007 von CBS um 280 Mio. USD übernommen wurde und 2009<br />

mehr als 30 Mio. aktive Nutzer hatte, war ein Österreicher Mitgründer.<br />

11


Visionen für Startups in Österreich<br />

Hookipa Biotech: Das vom Laboratorium des Nobelpreisgewinners Prof. Rolf Zinkernagel<br />

2011 gegründete Biotech Startup ist spezialisiert auf die Entwicklung von „next generation“<br />

Impfstoffen und entwickelt eine neue Plattformtechnologie für Impfstoffe. Das Unternehmen<br />

konnte bisher mehr als 35 Mio. € an (ausländischem) Risikokapital sichern.<br />

UBIMET: Das 2004 gegründete, einstige Zwei-Mann-Unternehmen ist mittlerweile der<br />

größte österreichische und der am schnellsten wachsende europäische private Anbieter<br />

meteorologischer Dienstleistungen. Seit 2012 ist RedBull am Unternehmen beteiligt.<br />

Affiris: Das junge Biotech Startup entwickelt aktuell Impfstoffe gegen Alzheimer, Parkinson,<br />

Atherosklerose sowie gegen vier weitere Krankheiten und hat 2012 die weltweit ersten<br />

klinischen Versuche für einen Parkison Impfstoff gestartet. Das Unternehmen konnte<br />

bisher mehr als 25 Mio. € an (ausländischem) Risikokapital sichern.<br />

Eine detaillierte Übersicht der Startups in Österreich findet sich unter austrianstartups.com.<br />

Der Austrian Startup Report 2013 bietet zusätzlich eine Status-Quo Analyse des<br />

österreichischen Startup Ökosystems. 17<br />

1.4. Wichtige Bedeutung von Startups für Wirtschaft und<br />

Gesellschaft<br />

Laut einer Studie der Jungen Wirtschaft aus dem Jahr 2013 entstehen mit einem neu gegründeten<br />

Unternehmen durchschnittlich direkt 2,4 und indirekt (inkl. Vorleistungsverflechtungen<br />

und Kaufkrafteffekte) 5,3 Arbeitsplätze sowie rund 181.000 EUR an Wertschöpfung.<br />

18 Im Jahr 2013 gegründete Unternehmen schaffen somit bis zu 200.000 neue<br />

Arbeitsplätze im darauffolgenden Jahr 2014. Die Folgeeffekte entsprechen 8,7 Milliarden<br />

EUR an Wertschöpfung (= 2,8% des BIP). 19 Diese Zahlen machen deutlich, wie wichtig das<br />

Unternehmertum im Allgemeinen für den Wirtschaftsstandort Österreich ist.<br />

Dieser Multiplikatoreffekt wurde für neu gegründete Unternehmen und nicht für Startups<br />

im Speziellen berechnet. In der Regel folgen erstere einem linearen Wachstumspfad. Welche<br />

Entwicklung lässt sich also in Folge von erfolgreichen Startups erwarten, die ein rasantes<br />

und exponentielles Wachstum aufweisen Es gibt weder für Österreich noch für Europa<br />

quantitative, makro-ökonomische Analysen über die spezifischen volkswirtschaftlichen<br />

Effekte von Startups. 20 Jedoch zeigt sich an Beispielen aus der Praxis, dass Startups einen<br />

17<br />

Präsentation zum Austrian Startup Report 2013 findet sich unter http://www.bit.ly/1fChY5q<br />

18<br />

Siehe http://portal.wko.at/wk/format_detail.wkangid=1&stid=749563&dstid=379<br />

19<br />

Siehe http://wirtschaftsblatt.at/home/life/dossiers/start_up/1457619/Eine-Neugruendung-bringt-sieben-neue-<br />

Jobs<br />

20<br />

Zumindest war dies den Autoren zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments nicht bekannt.<br />

12


Visionen für Startups in Österreich<br />

überproportional hohen Grad an Innovation, Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und (hoch<br />

qualifizierter) Beschäftigung schaffen können. Daher haben erfolgreiche Startups einen<br />

enorm positiven Effekt auf die Volkswirtschaft eines Landes. Gelingt es beispielsweise einem<br />

österreichischen Gründerteam mit deren Startup ein Vierzigstel (1/40) des Umsatzes<br />

von Apple zu erwirtschaften, steigt das österreichische BIP um 1%.<br />

Der Status Quo der österreichischen Startup-Szene sowie der internationale Vergleich<br />

zeigen, dass sowohl hinsichtlich der Anzahl der Gründungen, als auch in Bezug auf internationale<br />

Erfolge noch Vieles möglich ist. Um dieses Potential auszuschöpfen sind von Seiten<br />

der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft gebündelte Maßnahmen notwendig.<br />

Betrachtet man andere Länder, die in Sachen Startup-Förderung Vorreiter sind, und versucht<br />

Rückschlüsse auf Österreich zu ziehen, so fällt auf, dass jene Länder vor allem in das<br />

Talent und in Gründungsvorhaben junger Menschen investieren. Dies führt unweigerlich zu<br />

einer höheren Anzahl an Gründungen und somit einem größerem Pool aus dem mehr Erfolgsgeschichten<br />

entstehen können. Wie bereits erwähnt, haben erfolgreiche Startups<br />

wichtige und positive volkswirtschaftliche Effekte und tragen zum Wachstum eines Startup-Ökosystems<br />

bei. Für letzteres ist eine kritische Masse an erfolgreichen Gründungen<br />

notwendig, um es langfristig zu nähren und zu stabilisieren. Erfolgreiche Gründer reinvestieren<br />

nicht nur ihr Know-How und Netzwerk, sondern auch ihr Kapital (sowohl als Business<br />

Angels als auch als Mitgründer bei neuen Startups) in das Ökosystem. Des Weiteren<br />

agieren sie durch das offene Teilen ihrer Expertise als Mentoren und Vorbilder für andere<br />

Gründer. Diese so genannten „High-Impact-Entrepreneurs“ tragen sehr stark zu einem organischen<br />

Wachstum eines Startup-Ökosystems bei. 21<br />

Dies ist nicht nur für Österreich, sondern für ganz Europa essenziell. Die Internetwirtschaft<br />

wird in den nächsten 5 Jahren um 8% p.a. in G-20 Staaten und 18% p.a. in Emerging Markets<br />

wachsen. Diese Wachstumsraten sind bei weitem stärker als in traditionellen Wirtschaftssektoren.<br />

Im Digitalen Zeitalter sind digitale Technologien nicht mehr beschränkt<br />

für High-Tech-Unternehmen, sie tragen dazu bei jeden einzelnen Wirtschaftssektor zu<br />

transformieren und versprechen die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen und Wohlstand.<br />

Die Verfasser des StartupManifesto gehen in ihrer Analyse sogar noch weiter: „The days of<br />

relying on large businesses or the government for job creation are over.” 22 Wenn das zutrifft,<br />

liegt diese Aufgabe verstärkt bei Entrepreneuren und Startups. Aufgrund der Anzahl<br />

21<br />

Unter http://www.youtube.com/watchv=X5fXfwwJj2A ist eine Präsentation zu finden, die diesen Effekt verdeutlicht.<br />

22<br />

Siehe http://startupmanifesto.eu/ Dieses Manifesto wurde auch EU-Rats-Präsident Herman van Rompuy präsentiert:<br />

http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13-989_en.htm<br />

13


Visionen für Startups in Österreich<br />

der positiven Effekte ist es daher unbedingt notwendig, anhand der in den Folgekapiteln<br />

beschriebenen Säulen ein Startup-freundliches Umfeld zu schaffen.<br />

1.5. Die 5 Säulen des Maßnahmenkatalogs<br />

Die vorgeschlagenen Maßnahmen des Visionspapiers bestehen aus 5 Säulen:<br />

▪ Zukunftsorientierte Bildung<br />

▪ Verbesserung des Gründungsumfeldes<br />

▪ Mobilisierung von privatem Risikokapital<br />

▪ Zukunftsorientierteres Förderwesen<br />

▪ Verankerung politischer Verantwortung für Jungunternehmertum<br />

Den 5 Säulen liegt folgender Wirkungsmechanismus zugrunde: Zukunftsorientierte Bildung<br />

bedeutet mehr und besser gerüstete (potenzielle) Gründer. Die Verbesserung des<br />

Gründungsumfelds führt zu mehr Gründungen und einem schnelleren Vorankommen für<br />

Startups. Die Mobilisierung von privatem Risikokapital begünstigt gemeinsam mit einem<br />

zukunftsorientierten Förderwesen ebenfalls eine höhere Anzahl an erfolgreichen Gründungen<br />

sowie Wachstumsunternehmen die erfolgreich internationalisieren können. Die<br />

Verankerung politischer Verantwortung im Bereich Jungunternehmertum schafft eine klare<br />

Botschaft zur Förderung von Startups gegenüber der Öffentlichkeit. Des Weiteren fördert<br />

sie eine bessere Koordination und höhere Effizienz bei der schrittweisen Umsetzung<br />

der Maßnahmen der ersten vier Säulen.<br />

2. Bildungswesen zukunftsorientiert und unternehmerischer<br />

gestalten<br />

Ambitionierte, talentierte, und gut qualifizierte Menschen sind die wichtigsten Faktoren eines<br />

erfolgsversprechenden Startups. Derzeit herrscht einerseits ein spürbarer Mangel an<br />

Fachkräften (z.B.: in der IT-Industrie), der gerade bei Startups in der Wachstumsphase<br />

spürbar ist. 23 Andererseits, wird „unternehmerisches Denken“ im Bildungswesen nicht flächendeckend<br />

bzw. nicht ausreichend gefördert. So wird von den meisten Schul- und<br />

Hochschulabsolventen der Berufsweg „Unternehmertum“ nicht als Option wahrgenommen.<br />

24<br />

23<br />

Für 72% der Befragten der <strong>AustrianStartups</strong> Umfrage ist es sehr schwierig gute IT Fachkräfte zu finden.<br />

24<br />

Laut Global Entrepreneurship Monitor hatten in Österreich im Jahr 2012 8,6% der Befragten die Intention, ein<br />

Unternehmen in den nächsten 3 Jahren zu gründen. Im Vergleich lag der Wert für Großbritannien bei 9,5%, für<br />

Schweden bei 11%, für die USA bei 12,5%, für Portugal bei 14,4%, für Singapur bei 16,1% und für Frankreich bei<br />

17,3%<br />

14


Visionen für Startups in Österreich<br />

Grundsätzlich bedarf es eines stärkeren Aufzeigens der Aus- und Weiterbildung in technischen<br />

Bereichen als attraktiven Bildungsweg mit hohem Zukunfts- und Verdienstpotential.<br />

Genauso ist ein verstärktes Aufzeigen des Berufsweges „UnternehmerIn“ notwendig, sowie<br />

die Verankerung von „Unternehmertum“ bzw. „unternehmerischem Denken“ im Bildungssystem.<br />

2.1. Einführung von zusätzlichem IT-Unterricht ab der Volksschule<br />

„Software ist eating the world“ ist ein bekanntes Credo vom ehemaligen Mitgründer von<br />

Netscape und Investor Marc Andreesen. Beinahe jeder Mensch in westlichen Gesellschaften<br />

ist zum Anwender von Software geworden, doch nur die wenigsten verstehen wie<br />

Programme entwickelt werden und was sich im Hintergrund abspielt. Steve Jobs, der<br />

Gründer von Apple, hat in Bezug auf die USA bemerkt: „Jeder in diesem Land sollte lernen<br />

wie man einen Computer programmiert, weil es denken lehrt.“ Wer die Fähigkeit zu programmieren<br />

erwirbt, lernt auch lösungsorientiert zu denken und erwirbt die Fähigkeit, mit<br />

einfachster Infrastruktur (einem haushaltsüblichen Computer) etwas zu erschaffen und<br />

nicht nur Konsument im digitalen Zeitalter zu sein, sondern Produzent.<br />

Stärker als alles andere ist das Verlangen, selbst etwas erschaffen zu können, was die Basis<br />

für unternehmerisches Handeln ist. <strong>AustrianStartups</strong> unterstützt daher die Initiative<br />

code.org 25 , die sich zum Ziel gesetzt hat, dass jeder Schüler die Möglichkeit haben sollte,<br />

Informatik bzw. Programmieren zu lernen. Eine Einführung von zusätzlichem IT-Unterricht<br />

ab der Volksschule soll unserer Meinung nach, angepasst an den jeweiligen Schulgrad,<br />

passieren und idealerweise vom spielerischen Lernen geprägt sein, z.B. „Wie erstelle ich<br />

meine eigene Webseite“. Außerdem ist es grundlegend (und durchaus fächerübergreifend)<br />

wichtig zu vermitteln, wie man mit der Informationsflut neuer Medien umgeht.<br />

Im digitalen Zeitalter zählen Kreativität, kritische Denkfähigkeit und Informationsfilterung<br />

mehr als Faktenwissen.<br />

2.2. Praxisnahe Vermittlung von Unternehmertum ab der Unterstufe<br />

Im internationalen Vergleich zeigt Singapur, wie die ersten Schritte in die richtige Richtung<br />

bei der Vermittlung von Unternehmertum aussehen könnten: Das Bildungsministerium hat<br />

eine Initiative gestartet, bei der Schulen ab der Unterstufe 4,5 Mio. USD bereit gestellt<br />

25<br />

www.code.org wird von einer NPO betrieben, bei der beispielsweise die Gründer von PayPal, Dropbox und<br />

Twitter mitwirken und die eine sehr breite Unterstützung sowohl in der US amerikanischen Bevölkerung als auch<br />

bei den Granden der Informationstechnologie (z.B. Bill Gates, Mark Zuckerberg, etc.) findet.<br />

15


Visionen für Startups in Österreich<br />

werden, um gemeinsam mit Mentoren 26 schulspezifisch Programme und Aktivitäten zu<br />

entwickeln, mit denen Schüler an Entrepreneurship Lernmöglichkeiten beteiligt werden. 27<br />

Die Startup-Community betrachtet die Einbindung von Unternehmerpersönlichkeiten als<br />

Mentoren in Schulen sowohl als sehr effektive Methode, um Unternehmertum zu vermitteln,<br />

als auch als eine sehr gute Möglichkeit für erfolgreiche Unternehmer etwas an die Gesellschaft<br />

zurück zu geben. Es ist bemerkenswert, dass mehr als 93% der Befragten in der<br />

<strong>AustrianStartups</strong> Umfrage befürworten, dass das Thema Unternehmertum in den Schulen<br />

und auf den Universitäten stärker gefördert werden soll.<br />

Die konkrete Einbindung von Programmen zur Förderung von Unternehmertum sollte –<br />

ähnlich dem Beispiel von Singapur - den jeweiligen Schulen selbst überlassen werden. Diese<br />

kennen die eigenen Bedürfnisse und vorwiegenden Interessen ihrer Schüler am besten.<br />

Was sicherlich ein gangbarer Weg für viele Schulen sein könnte, sind Ideen-Wettbewerbe<br />

und Gründungsworkshops, die gemeinsam mit lokalen Entrepreneuren organisiert werden.<br />

Zusätzlich bedarf es betriebswirtschaftlicher Inhalte, die den Schülern parallel zu den praktischen<br />

Aktivitäten vermittelt werden.<br />

Was die Grundlage für eine offene, demokratische und solidarische Gesellschaft bildet, ist<br />

umso wichtiger aus der Perspektive von zukünftigen Unternehmern: Grundhaltungen wie<br />

Eigeninitiative, Verantwortung übernehmen und Offenheit für Neues müssen ebenfalls im<br />

Bildungssystem stärker gefördert werden. 28 Beispielsweise schlägt der Schulversuch<br />

„Schumpeter-Handelsakademie“ der HAK Maygasse den richtigen Weg ein: Dort wird eine<br />

breit angelegte Entrepreneurship-Erziehung mit einer gezielten Begabungsförderung verknüpft.<br />

29<br />

2.3. Verstärkte Gründerinitiative an Hochschulen und an Hochschulen<br />

angesiedelte Gründerwerkstätten<br />

86% der Teilnehmer der <strong>AustrianStartups</strong> Umfrage sind überzeugt, dass Universitäten und<br />

Fachhochschulen Studenten fördern und darin unterstützen sollten, während ihres Studiums<br />

ein Unternehmen zu gründen. Weiters hätten 81% der Befragten Kurse zu Unternehmertum<br />

an ihrer Hochschule abgeschlossen, wären diese angeboten worden.<br />

26<br />

Aktive oder ehemalige Unternehmer<br />

27<br />

Siehe http://www.techinasia.com/press-release-spring-launches-45-million-fund-to-promoteentrepreneurship-in-schools/<br />

28<br />

Dies gilt natürlich auch für „Intrapreneure“, also Innovation-treibende Angestellte in Unternehmen<br />

29<br />

Siehe http://www.bhakwien13.at/index.php/ausbildung/schumpeter-handelsakademie<br />

16


Visionen für Startups in Österreich<br />

Die wichtigste Art, „Gründertum“ zu fördern, ist die praxis-orientierte Förderung von Unternehmertum.<br />

Dies geschieht unserer Meinung nach am Besten durch die Ansiedelung<br />

von Inkubatoren und Gründerwerkstätten direkt an Hochschulen. Als weitere, sehr praxisnahe<br />

(und spielerische) Förderungsmöglichkeit sehen wir das stärkere Angebot von „Do It<br />

Yourself“ und Open-Source Technologien (z.B. 3D Printing, etc.) an Universitäten an. Dies<br />

passiert bereits in sogenannten „Hacker-Spaces“ 30 (beispielsweise im MetaLab in Wien),<br />

die als Vorbild für eine „Experimentier-Werkstatt“ an technischen Universitäten dienen<br />

können.<br />

Neben den Aktivitäten an den einzelnen Universitäten ist auch ein verstärkter interdisziplinärer<br />

Austausch zwischen Universitäten bzw. deren Fakultäten, Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen<br />

sowohl in der Forschung, vor allem aber bereits in der Lehre notwendig.<br />

Diese fördert die Entstehung von Innovationen sowie deren unternehmerische<br />

Umsetzung. Internationale Beispiele für derartige integrative Ansätze liefern u.a. die 1999<br />

gegründete "Stockholm School of Entrepreneurship" (ein gemeinsames Institut für angewandtes<br />

Unternehmertum von fünf Stockholmer Universitäten) oder das 2011 gegründete<br />

"Aalto Science Institute" der gleichnamigen, durch Fusion dreier eigenständiger Universitäten<br />

entstandenen Universität in Helsinki. Existierende universitätsübergreifende Lehrveranstaltungen<br />

in Wien (z.B. "Sustainability Challenge" und "Entrepreneurship & Innovation<br />

Garage") genauso wie ein kürzlich gestarteter interdisziplinärer Masterstudiengang zum<br />

Thema Entrepreneurship & Innovation an der NDU St. Pölten stellen in diesem Zusammenhang<br />

eine potenzielle Basis für eine weiter zu vertiefende Vernetzung zwischen Studierenden<br />

und Lehrenden verschiedener Fachrichtungen dar. 31 Zusätzlich soll erwähnt werden,<br />

dass auch österreichische Fachhochschulen sehr hohes Potenzial als ideale „Ausbildungsstätte<br />

für Entrepreneure“ besitzen, denn diese sind stark praxisorientiert und häufig<br />

unternehmerisch geprägt.<br />

Bei allen Initiativen sollen Bildungsstätten unterstützt und sogar belohnt werden, die Unternehmertum<br />

an der eigenen Hochschule fördern und pro-aktiv Spin-offs (von Technologie<br />

zu Startup) ermöglichen. 32 Wichtig ist zu festzuhalten, dass Entrepreneurship nicht ei-<br />

30<br />

Mit Hacker sind hier nicht Programmierer gemeint, die kriminelle Handlungen begehen. Mit dem Begriff sind in<br />

der Startup Subkultur Personen gemeint, die die Grenzen des Machbaren spielerisch erforschen. Oft zeigt sich<br />

das im Modifizieren von Hardware od. Software eigener Geräte oder Computer, um diese zu optimieren. Natürlich<br />

zählt dazu auch das Neubauen von elektronischen Geräten oder Software. Oft gilt dabei das Motto des<br />

„Drauf-los-entwickelns“, ohne umständlicher und langwieriger Planung. Die Verbreitung von Do-It-Yourself Technologien<br />

ermöglicht ein immer stärkeres Experimentieren mit neuen Technologien und Produktionsverfahren.<br />

Letzteres findet man vor allem in sogenannten Hacker-Spaces.<br />

31<br />

Mehr als 90% der Befragten der <strong>AustrianStartups</strong> Umfrage sind dafür, dass beim Thema Unternehmertum die<br />

unterschiedlichen Universitäten und Fachrichtungen stärker miteinander arbeiten sollten.<br />

32<br />

Knapp 90% sind dafür, dass Bildungsstätten mit starkem Fokus und Förderung von Unternehmertum belohnt<br />

werden sollten.<br />

17


Visionen für Startups in Österreich<br />

ne Thematik ist, die nur an Fakultäten der Wirtschaftswissenschaften angesiedelt ist, sondern<br />

ein Querschnittsthema darstellt, das Fächer- und Universitätsübergreifend funktionieren<br />

und angeboten werden muss. Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist der Studiengang Technology<br />

Management des Center for Digital Technology & Management (CDTM), der ein<br />

gemeinsamer Studiengang der TU München und LMU München ist. Neben den universitären<br />

Initiativen, benötigt es parallel eine breite, unabhängige, außeruniversitäre und gemeinnützige<br />

Bildungsinitiative, für welche die Initiative „Teach for Austria“ als Vorbild dienen<br />

könnte. 33<br />

3. Heimisches Gründungsumfeld signifikant verbessern<br />

und Wien als Startup Hub für CEE positionieren<br />

Startups sind geprägt von einem hohen Risiko und häufig von der Notwendigkeit mehrere<br />

Versuche starten zu müssen („Learning by failure“). Aufgrund des noch unerprobten Geschäftsmodells<br />

oder der noch nicht marktreifen innovativen Technologie sind Startups anfangs<br />

nicht umgehend in der Lage Umsätze erwirtschaften zu können. Es ist auch deshalb<br />

eine notwendige Nebenbedingung, dass Startups schnell agieren und sich voll auf die Produktentwicklung<br />

konzentrieren können. Diesen besonderen Bedürfnissen stehen die derzeitige<br />

Realität eines dafür nicht angepassten Gründungsumfeldes, sowie hohe finanzielle<br />

und zeitliche Belastungen bei Abgaben bzw. bürokratischen Wegen gegenüber. Internationale<br />

Vergleiche zeigen, dass es zeit- und kostensparender möglich ist. Beispielsweise lag<br />

2012 die durchschnittliche Gründungsdauer des administrativen Verfahrens in Österreich<br />

bei 11 Tagen, hingegen lag sie in Deutschland bei 6 und in Dänemark, Niederlande, Portugal<br />

und Italien bei einem Tag. Österreich liegt beim doppelten des EU-Durschnitts (5,4 Arbeitstage).<br />

Speziell die Gründung (und Erhaltung) einer Kapitalgesellschaft ist im Vergleich<br />

aufwendig – im Hinblick auf zeitlichen Aufwand und Behördenwege.<br />

Das in Summe schwierige Gründungsumfeld trägt dazu bei, dass sich kaum Startups aus<br />

dem (vor allem nahen) Ausland in Österreich ansiedeln, obwohl die Mehrheit der Startup-<br />

Community (über 60%) der Meinung ist, dass Wien definitiv das Potenzial zu einem Startup<br />

Hub für CEE hätte. 34 Auch das relevante Wirtschaftsumfeld deutet auf das Potenzial<br />

33<br />

http://www.teachforaustria.at/ eine gemeinnützige, unabhängige Bildungsinitiative, die bessere Zukunftsperspektiven<br />

für bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche schafft.<br />

34<br />

Ein Startup Hub bietet das richtige, gründungs- und wachstumsfreundliche Umfeld für Startups und floriert<br />

neben genügend Fachkräften und verfügbarem Kapital dadurch, dass eine kritische Masse an Startups an einem<br />

Ort versammelt ist. Letzteres wirkt ähnlich dem bekannten „Medici Effekt“.<br />

18


Visionen für Startups in Österreich<br />

von Wien hin, beispielsweise haben 42% aller österreichischen Kreativbetriebe ihren Sitz in<br />

Wien. 35<br />

Wenn das österreichische Gründungsumfeld verbessert wird, fällt es auch leichter Wien als<br />

Startup Hub zu positionieren und die zweitgrößte Stadt im deutschsprachigen Raum für<br />

erfolgsversprechende Startups bzw. Gründer aus dem europäischen Umfeld attraktiver zu<br />

machen, indem die besten, talentiertesten, fähigsten, kreativsten und ambitioniertesten<br />

Leute angezogen werden. Wenn diesem Talent nicht das richtige Umfeld geboten wird,<br />

führt es dazu, dass dieses (sehr mobile) Talent - aufgrund sehr stark nachgefragter, vor allem<br />

technischer Fähigkeiten - abwandert. Schafft man es nicht ein Hub zu werden und<br />

dadurch „Brain Gain“ zu erhalten, ist die Konsequenz in der globalisierten Wirtschaft des<br />

21. Jahrhundert nicht nur Stillstand, sondern Rückgang. Dann folgt ein „Brain Drain“ der talentiertesten<br />

Personen aus Österreich. 36 Daher sind weitere Initiativen, die aktiv dazu beitragen<br />

Wien als Startup-Hub zu positionieren von Nöten, und vor allem auch öffentlichkeitswirksame<br />

Initiativen wie beispielsweise das „Vienna Startup City“ Video, das von <strong>AustrianStartups</strong><br />

sehr begrüßt wurde. 37<br />

Um die bestehenden Barrieren zu lösen, bestehendes Talent zu behalten und neues anzuziehen<br />

bedarf es neben einer Verbesserung der Risikokapitalsituation, Startup-freundliche<br />

Anpassungen bei rechtlichen Strukturen und signifikante Verbesserungen im Gründungsumfeld.<br />

Die Elemente der Gründungserleichterung müssen an die Realität der steigenden<br />

Anzahl von innovativen Jungunternehmen mit häufig noch zu entdeckendem Geschäftsmodell<br />

und starkem Wachstumspotenzial angepasst werden.<br />

3.1. Einführung eines einfachen Mitarbeiterbeteiligungsmodell für<br />

Kapitalgesellschaften<br />

Ein Startup kann niemals ein so hohes Gehalt auszahlen wie etablierte Konzerne, konkurriert<br />

aber oft um die gleichen, gut qualifizierten Mitarbeiter. 38 Ein einfacher und guter<br />

Ausweg ist in Österreich - im Gegensatz zu Ländern wie USA oder Großbritannien - kaum<br />

möglich: Mitarbeiter-Beteiligungs-Programme (sogenannte Employee Stock Options).<br />

35<br />

Siehe Wiener Wirtschaft Nr. 45, 8.11.2013, Seite 4-5; Anmerkung: Von allen Unternehmen in der Kreativwirtschaft<br />

hatten 2012 unter allen Bereichen Unternehmen im Bereich Software und Games in Relation den höchsten<br />

Umsatz (2,8 Mrd. EUR) und die meisten Beschäftigten (16.576).<br />

36<br />

Es gibt eine nicht geringe Anzahl an sehr talentierten Tech-Startup Gründern aus Österreich, die ins Ausland<br />

abgewandert sind, weil es dort ein besseres Ökosystem, mehr Risikokapital, und besseres Gründungsumfeld gibt.<br />

37<br />

Siehe Video „Vienna Startup City“: http://www.youtube.com/watchv=ZfNN9sFiiqY<br />

38<br />

Die Situation wird durch die geringe Verfügbarkeit von guten, qualifizierten Menschen mit Spezial Know-How<br />

(z.B.: bestimmte Programmiersprachen) noch verschärft. Siehe den Diskurs zu Fachkräftemangel in 3.<br />

19


Visionen für Startups in Österreich<br />

Diese ermöglichen den ersten Mitarbeitern - die in einer riskanteren Phase angeworben<br />

werden - einen wichtigen Anreiz zur Mitarbeit zu geben und an einem Unternehmenserfolg<br />

teilhaben zu können. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Mitarbeiter-<br />

Beteiligungs-Programme in Österreich müssen diesem Umstand besser angepasst werden.<br />

Das Beispiel Großbritannien zeigt, dass ein (steuerbegünstigtes) Mitarbeiterbeteiligungsmodell<br />

in Form eines Mitarbeiter-Options-Programmes, dem „Enterprise Management Incentives“<br />

(EMI) durchaus sinnvoll gestaltbar ist.<br />

Die juristische und steuerliche Abbildung eines Mitarbeiterbeteiligungsmodells in Österreich<br />

hingegen ist - wenn überhaupt - nur sehr kompliziert möglich. Es gibt keine spezifische<br />

Regelung, wie dies Kapitalgesellschaften - mit Ausnahme von AGs 39 - problemlos<br />

machen könnten. Es gibt keine rechtlich vorgesehene Möglichkeit ein Vesting 40 zu vereinbaren.<br />

Bei der Anteilsgewährung fallen derzeit die Zeitpunkte der Realisierung steuerpflichtiger<br />

Einkünfte (bei Gewährung von Anteilen) und des tatsächlichen Liquiditätszuflusses<br />

(erst beim Verkauf bzw. sonstiger Verwertung der Anteile) auseinander. Dies hat<br />

einen negativen Effekt für die Mitarbeiter, denen man aber einen positiven Anreiz bieten<br />

möchte, was weder dem Unternehmen noch dem Mitarbeiter nützt.<br />

Der richtige Ansatz wäre, dass Mitarbeiter zu Mitgesellschaftern und Mitunternehmern<br />

werden. Die Besteuerung von Anteilen und Anteilsoptionen für Mitarbeiter muss weg von<br />

"Anteile und Optionen als Einkommen" hin zu einer Besteuerung über (erst faktisch eintretenden)<br />

Kapitalertrag. Sozialversicherungsbeiträge oder sonstige Arbeitnehmerkosten für<br />

Stock-Option Pläne 41 gehen an der internationalen Praxis vorbei. Diese würden jegliche Art<br />

der wirtschaftlich sinnvollen Mitarbeiterbeteiligungsmodelle irreparabel zerstören. Mitarbeiterbeteiligungen<br />

bei privaten Firmen - die noch nicht öffentlich gehandelt werden und<br />

somit keinen handelbaren liquiden Wert darstellen - dürfen weder als Gehaltsbestandteil<br />

noch als Schenkung betrachtet werden. Sie stellen ein Mitunternehmertum dar, und sollten<br />

auch nur beim Veräußerungsfall, so wie reguläre Unternehmensanteile steuerlich behandelt<br />

werden. Der Bezugspreis muss sinngemäß zu 0.- oder 1.- Euro möglich sein. Mechanismen<br />

eines Vesting (Bezug über mehrere Jahre verteilt) sowie Accelerated Vesting (sofortiger<br />

voller Bezug wenn ein Verkauf stattfindet) müssen abbildbar sein, und zwar ohne<br />

umfangreiche Anwalts- und Steuerberaterkosten und Prozesse loszutreten (sonst wird es<br />

in der Realität nicht genutzt).<br />

39<br />

Welche in ihrer derzeitigen rechtlichen Ausgestaltung für Startups als Rechtsform nicht in Frage kommen<br />

40<br />

Quasi “Anteile auf Raten”, bei denen Mitarbeiter oder auch Mitgründer mit der Gesellschaft vereinbaren können,<br />

dass sie mehr Anteile erhalten umso länger sie beim Unternehmen aktiv sind. Es stellt für Startups ein enormes<br />

Problem dar, wenn jemand sofort signifikante Anteile erhält, doch das Unternehmen unerwartet verlässt.<br />

Vesting – wie es im angelsächsischen Raum gang und gebe ist – soll genau diesem Umstand gerecht werden.<br />

41<br />

Oder auch sogenannte Phantom Stock Option Pläne<br />

20


Visionen für Startups in Österreich<br />

Grundsätzlich gilt die GmbH von den in Österreich verfügbaren Gesellschaftsformen für<br />

Startups als die noch attraktivste Rechtsform 42 , trotz mehrerer Nachteile, die diese Form<br />

für Startups mit sich bringt. 43 Daher könnte auch gleich über die Einführung des Mitarbeitermodells<br />

für GmbHs hinaus nachgedacht werden. Denkbar wäre die Einführung einer<br />

neuen, eigenständigen Rechtsform für eine Kapitalgesellschaft. Diese könnte dann auf einem<br />

Schlag gleichzeitig den Bedürfnissen der Eigenkapitalbeschaffung auch von internationalen<br />

Investoren, der Ermöglichung von Mitarbeiterbeteiligungen, der Notwendigkeit<br />

der unbürokratischen Flexibilität bei Änderungen von Eigentumsverhältnissen, der Möglichkeit<br />

von Vesting-Vereinbarungen, der Einführung von bedingtem bzw. genehmigtem<br />

Kapital, usw. gerecht werden. Teile davon werden bereits häufig in Diskussionen um die<br />

sogenannte „Klein-AG“ angeregt, jedoch soll dieser Begriff nicht limitierend verwendet<br />

werden. 44 Egal wie eine neue Kapitalgesellschaft heißt oder konkret ausgestaltet werden<br />

könnte, wichtig ist, dass sie den Anforderungen von innovativen Jungunternehmen im 21.<br />

Jahrhundert mit internationaler Ausrichtung und hohem Wachstumspotenzial gerecht<br />

wird. Der Startpunkt wäre ein Best-Practice Assessment von international vorhandenen<br />

Rechtsformen für Kapitalgesellschaften. 45<br />

3.2. Signifikante Reduktion bzw. Abschaffung notariatspflichtiger<br />

Geschäftsprozesse für Startups<br />

Startups sind sehr häufig mit komplexen Eigentums- bzw. Kapital-Transaktionen konfrontiert<br />

(z.B.: Änderung der Beteiligungsverhältnisse, Investition durch Risikokapitalgeber,<br />

Mitarbeiterbeteiligungen). Daher geht die durch die GmbH-Reform („GmbH Light“) induzierte<br />

Reduktion der Notariatsgebühren bei Gründung einer GmbH mit dem (niedrigeren)<br />

gesetzlichen Mindeststammkapital nicht weit genug. Neben den sehr strikten Formalprozessen<br />

und der einhergehenden Notariatspflicht für sehr viele Situationen in der Startup-<br />

Realität, nehmen Notariatswege nicht nur viel Zeit in Anspruch, sondern verursachen vor<br />

allem signifikante Kosten in einer Phase, in der wenig Kapital verfügbar ist. Plant ein Startup<br />

einen Business Angel aus dem nicht deutschsprachigen Ausland an Bord holen, ist<br />

dieser oftmals verwundert und meistens abgeneigt, bei jeder vertraglichen Einigung oder<br />

Änderung zum akkreditierten „Public Notary“ im Heimatland zu gehen oder gar eine<br />

42<br />

Auch wenn diese bereits im Prinzip unverändert auf Anforderungen des vorletzten Jahrhunderts wie Finanzierung<br />

durch Cash Flow – was bei Startups fehlt – oder Bankkrediten – was für Startups nicht möglich ist – basiert<br />

und somit für Startups im 21. Jahrhundert nicht gut geeignet ist.<br />

43<br />

Vor allem im Vergleich zu Rechtsformen von Kapitalgesellschaften anderer europäischer Länder.<br />

44<br />

Eine Diskussion zum Thema Klein-AG kann beispielsweise im „Forderungskatalog der Austrian Angel Investor<br />

Association“ gefunden werden, siehe www.aaia.at/download_file/view/275/<br />

45<br />

Beispielweise mit Fokus auf Gesellschaftsformen in OECD Ländern.<br />

21


Visionen für Startups in Österreich<br />

Apostille vom Konsulat einzuholen. 46 Diese komplizierten, zeitintensiven und ungewohnten<br />

Prozedere schrecken ausländische Risikokapitalgeber de facto ab. Im Falle von Venture-Capital-Gebern<br />

aus dem Ausland verlangen diese vom Startup oft eine Unternehmensgründung<br />

oder rechtliche Umsiedelung in ihrem eigenen Land bzw. in Großbritannien.<br />

47<br />

Es geht allerdings auch anders. In den USA und in Großbritannien - wo Rechtssicherheit<br />

und Rechtsdurchsetzung im Fall des Falles auch problemlos funktionieren - gibt es beispielsweise<br />

keine Notariatspflicht für Jungunternehmen betreffende Privatrechtsakte. In<br />

einigen Fällen bedarf es dort beidseitig eines Zeugen der unterschreibt (sogenannter<br />

Deed). Wenn man diesen (international üblichen) Weg nicht gehen möchte, dann wäre<br />

zumindest eine Umsetzung der meisten Transaktionen durch Anwälte statt durch Notare<br />

sinnvoller. Die Idealvorstellung wäre, die Notariatspflicht für (zumindest die meisten, typischen)<br />

Geschäftsprozesse bei Startups abzuschaffen; 87% der befragten Startups plädieren<br />

dafür. 48 Dazu zählen auch jene Situationen, in denen nur eine notarielle Beglaubigung<br />

benötigt wird, wie beispielsweise bei der Bestellung oder Abberufung eines Geschäftsführers<br />

oder Prokuristen.<br />

3.3. Neugründungsförderung und Unternehmensgründungsprogramm<br />

an Realitäten von Startup-Gründern anpassen<br />

93% der Befragten sind der Meinung, dass die SVA-Beträge und die Lohnnebenkosten an<br />

die Bedürfnisse der Startups angepasst werden sollen. Sogar 95% sind der Meinung, dass<br />

die Anstellung des ersten Mitarbeiters bei Startups gefördert und unterstützt werden soll.<br />

Ein Mitgrund für diese fast einheitliche Forderung ist, dass in der Anfangsphase (in welcher<br />

Umsätze fehlen) bei Anstellung von Mitarbeitern Lohnnebenkosten und SVA-Beiträge<br />

in ihrer jetzigen Form für viele Startups finanziell nicht tragbar sind. Die bestehende Neugründungsförderung<br />

soll zwar hier für Jungunternehmer Erleichterung bieten, greift aber<br />

in vielen Fällen zu kurz. Beispielsweise sind die Zielgruppe dieser Maßnahmen ausschließlich<br />

Erstgründer, die zuvor noch keine Gewerbeberechtigung hatten. Viele Startup-<br />

Gründer waren jedoch in ihrer Berufslaufbahn bereits einmal Einzelunternehmer (z.B. als<br />

selbständiger Freelance Designer) oder hatten eine Personengesellschaft (z.B. eine Web-<br />

Entwicklungsagentur gemeinsam mit dem besten Freund während des Studiums). Das hö-<br />

46<br />

Akkreditierte Notare gibt es in einigen Ländern gar nicht, viele internationale Städte haben kein Konsulat.<br />

47<br />

Reales Szenario: ein Investor, der einige Beteiligungen hält, muss in der Regel mehrmals pro Jahr und pro Startup<br />

bei jeder Änderung zum Notar. Das ist in der Realität für internationale Investoren nicht vorstellbar, die häufig<br />

eine Gründung in Großbritannien oder USA anregen oder einfach nicht investieren.<br />

48<br />

Wobei eine Abschaffung der Verpflichtung für Notariatsakte in diversen Fällen zum gleichen Ergebnis mit zusätzlicher<br />

Aufwands- und Zeitersparnis führt.<br />

22


Visionen für Startups in Österreich<br />

here Risiko des Scheiterns führt bei Startups oft dazu, dass Gründer zwar mit der ersten<br />

Idee fehlschlagen, aber durch die wertvollen Erfahrungen signifikant höhere Erfolgsaussichten<br />

mit dem zweiten Geschäftskonzept haben; Letztere fallen auch in die Gruppe der<br />

sogenannten „Serial Entrepreneurs“ und sind besonders wichtig für ein gedeihendes Startup-Ökosystem.<br />

Alle Gründer sind den gleichen Herausforderungen wie Erstgründern eines<br />

Startups ausgesetzt, doch nicht alle erhalten die gleichen Erleichterungen. Es muss<br />

daher darüber nachgedacht werden, wie ohne Wettbewerbsverzerrung oder starke Gefahr<br />

der unsittlichen Ausnützung, eine Neugründungsförderung auch bei neuen Unternehmen<br />

von Personen aus dem oben angeführten Kreis (früher „unternehmerisch“ tätige Personen,<br />

Zweit/Dritt-Gründer, Umgründer, etc.) ermöglicht werden kann.<br />

Ebenso gilt es die Thematik der Folgegründung beim - vom Prinzip her sehr sinnvollen -<br />

Unternehmensgründungsprogramm des AMS zu überdenken. 49 Dieses bietet grundsätzlich<br />

auch Startup-Gründern die Möglichkeit, zumindest während der Vorgründungsphase<br />

die eigenen Lebenskosten zu decken. Doch auch hier gilt eine Einschränkung und zwar,<br />

dass dies nur für Personen möglich ist, die („ungewollt“) von einer Anstellung in die Arbeitslosigkeit<br />

geraten und zuvor noch nie eine Gewerbeberechtigung hatten bzw. nie<br />

Pflichtbeiträge in die SVA der gewerblichen Wirtschaft einbezahlt haben. Da bei vielen<br />

Startups in der Vorgründungsphase vor allem die Unterhaltskosten der Gründer der größte<br />

Kostenfaktor sind, wäre ein Ausbau und eine Anpassung des Unternehmensgründungsprogramms<br />

des AMS eine gute, kosten-effektive und relativ unbürokratische Möglichkeit<br />

für viele Gründer, zumindest schnell und vergleichsweise einfach den Weg in die Gründung<br />

einzuschlagen. Es ist sehr nachteilig, dass dieses Programm nur für Personen gedacht<br />

ist, die (ungewollt) als Angestellter in die Arbeitslosigkeit geraten und nun einen<br />

Anreiz haben sollen, sich selbstständig zu machen, um folglich aus der Arbeitslosigkeit<br />

heraus zu kommen. In der Realität steigt die Zahl derer, die von Angestelltenverhältnis in<br />

die Selbständigkeit und wieder zurückkehren bzw. von einer Form der Selbstständigkeit in<br />

eine andere übergehen. Es wäre ebenso denkbar und wünschenswert, das Unternehmensgründungsprogramm<br />

des AMS soweit auszubauen, dass es als soziales Sicherheitsnetz für<br />

Fälle dient, in denen die Selbstständigkeit mit einem Scheitern verbunden ist. Dies ist vor<br />

allem dort relevant, wo ein Gründer es noch einmal mit der Selbstständigkeit versuchen<br />

will, denn derzeit haben Unternehmer keine sinnvolle soziale Absicherung und alles andere<br />

als einen Anreiz, um eine Folgegründung anzustreben.<br />

49<br />

Bei diesem besteht die Möglichkeit für angehende Gründer, die aus der Anstellung kommen, Arbeitslosengeld<br />

für ca. 6 Monate zu beziehen und sich dabei auf die Gründungsphase des Unternehmens konzentrieren zu können<br />

ohne sich bei vom AMS vermittelten Jobangeboten vorstellen zu müssen.<br />

23


Visionen für Startups in Österreich<br />

3.4. Ausbau der Strukturförderungen fürs Startup-Ökosystem<br />

75% der Befragten befürworten die Einrichtung eines staatlich finanzierten, privat geführten<br />

Accelerators in Österreich. Ein Accelerator ist eine Art „Boot Camp“ für Startups. 50 International<br />

erfolgreiche Beispiele wie Y-Combinator, 500 Startups, Seedcamp und StartupBootCamp<br />

zeigen den enormen positiven Einfluss von Accelerator Programmen auf<br />

ein Startup-Ökosystem und die damit verbundene Steigerung der Erfolgswahrscheinlichkeit<br />

bei Startups. Diese Beispiele zeigen aber auch, dass dies nur möglich ist, wenn die<br />

Programme von privaten Akteuren geleitet werden, die selbst Erfahrung als (erfolgreiche)<br />

Startup-Unternehmer haben. In Österreich gibt es derzeit noch kein solches Programm<br />

und der Hauptgrund dafür scheint zu sein, dass es einen Mangel an privatem Risikokapital<br />

gibt, das notwendig wäre um die Investitionen und Operationen des Accelerators zu finanzieren.<br />

Daher wäre es sinnvoll, staatliche Mittel als Strukturförderungsmaßnahmen bereitzustellen.<br />

Dies kann als Förderung erfolgen, aber es auch denkbar ist, dass der Staat<br />

durchaus indirekt als Eigenkapitalinvestor auftritt und somit bei möglichen Erfolgsfällen<br />

mitprofitiert. Die Strukturförderungsmaßnahmen sind genauso denkbar, um Anreize für<br />

privat geführte Inkubatoren zu schaffen, die Startups beginnend in den frühen Phasen der<br />

Gründung, meist über längere Zeiträume hinweg begleiten. Die Strukturförderung könnte<br />

beispielsweise angelehnt an das AWS LEAD Förderprogramm geschehen, welches den<br />

Aufbau von nachhaltigen und wirtschaftlich tragfähigen Strukturen zur Stärkung des Innovationspotenzials<br />

fördert, aber bisher ausschließlich für Unternehmen in der Kreativwirtschaft<br />

zielt.<br />

3.5. Modernisierung der Gewerbeordnung<br />

Die aktuelle österreichische Gewerbeordnung ist weder zeitgemäß noch Startupfreundlich.<br />

Beispielsweise existieren dermaßen detaillierte und einengende Gewerbeberechtigungen<br />

wie „Aufstecken eines Plastikrahmens durch einfache Handgriffe auf bereits<br />

fertig montierte Steckdosen unter Ausschluss der den Elektrotechnikern vorbehaltenen<br />

Tätigkeiten“ – gleichzeitig sind IT- und Online-Startups oft gezwungen, in ein viel breiteres<br />

und oft für sie kaum reglementiertes Gewerbe „hineingezwängt“ zu werden. Würde beispielsweise<br />

ein Startup eine Online-Plattform anbieten, die Privatpersonen sowie Unternehmen<br />

die Vermittlung einfacher Services (durch Privatpersonen) wie Online-<br />

50<br />

Ausgewählte Startups durchlaufen dort in der Regel ein drei-monatiges Programm, in welchem sie durch intensives<br />

Coaching und Mentoring von erfahrenen Startup-Unternehmern und Startup-affinen Experten aus diversen<br />

Bereichen sowie vom gegenseitigem Lernen von anderen Startup-Gründern in Rekordzeit „startklar“ gemacht<br />

werden. Meist folgt dem ein „Demo-Day“, bei dem Startups vor geladenen Investoren präsentieren und dadurch<br />

eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit des Fundraisings haben. Daneben investiert ein Accelerator selbst niedrige<br />

Summen an Kapital im Austausch für geringe Unternehmensanteile in Startups, v.a. damit sich die Gründer finanzieren<br />

können, und bietet zusätzlich Office-Space und aggregierte Dienstleistungen (Buchhaltung, rechtliche Unterstützung,<br />

usw.) an.<br />

24


Visionen für Startups in Österreich<br />

Flugbuchungen, Recherchen, E-Mail-Verkehr usw. ermöglicht, so fällt es theoretisch<br />

gleichzeitig in das freie Gewerbe “IKT” sowie in die reglementierten Gewerbe “Unternehmensberatung“<br />

und „Personalvermittlung”. Ein anderes Startup, das auf seiner Online-<br />

Plattform von anderen zusammen gestellte Reisetouren anbietet, braucht einen Gewerbeschein<br />

im reglementierten Gewerbe für Reisebüros. Darüber hinaus sind zugezogene<br />

Gründer – auch wenn sie von EU oder OECD Staaten stammen – selbst bei langjähriger<br />

Berufserfahrung in ihrem Heimatland gezwungen, Gewerbeberechtigungen für reglementierte<br />

Gewerbe kostspielig und zeitaufwendig zu erwerben. Häufig gelten für Bürger aus<br />

EU-Ländern höhere Anforderungen, beispielsweise in der benötigten Berufserfahrung, was<br />

aus Sicht des EU-Binnenmarkts kritisch zu hinterfragen ist. Relevante Qualifikationen für<br />

die Ausführung eines Gewerbes von Personen aus Nicht-EU-Staaten werden häufig gänzlich<br />

nicht anerkannt.<br />

In all seinen Facetten ist das Gewerberecht stark modernisierungsbedürftig, vor allem in<br />

der deutlichen Mehrzahl der Tätigkeiten bzw. Gewerbe wo weder Gesundheit, Umwelt o-<br />

der die Allgemeinheit in irgendeiner Art einem Risiko ausgesetzt wären. Im internationalen<br />

Vergleich stellt dies oft einen Nachteil vor allem für innovative Startups dar. Nicht ohne<br />

Grund sind 81% der befragten Startups der Meinung, dass das Gewerberecht in Österreich<br />

veraltet ist und Anpassungen dringend notwendig sind.<br />

3.6. Flagship Entepreneurship & Tech-Events unterstützen<br />

Die internationale Vernetzung von Startups mit anderen Gründern, Investoren und möglichen<br />

Kunden aus dem Ausland ist für jedes Startup-Ökosystem essenziell. Flagship-Events<br />

in den Bereichen Technologie & Entrepreneurship sind mitunter eines der wichtigsten<br />

Elemente, die vor Ort notwendig sind um dies zu fördern. Vor allem wenn man Wien als<br />

Startup-Hub positionieren und in das Bewusstsein von Startup-Gründern und Investoren<br />

gelangen möchte, ist es notwendig, dass zumindest ein großes, internationales Event regelmäßig<br />

stattfindet – als Beispiel dient das Pioneers Festival in Wien. 51 Idealerweise erhalten<br />

solche Events die volle Unterstützung von Bund, Gemeinden und anderen Stakeholdern,<br />

um möglichst viel Reichweite zu generieren. 52 Das belegt auch die Aussage der<br />

holländischen Gewinnerin der Startup Challenge, dem internationalen Startups-<br />

51<br />

<strong>AustrianStartups</strong> befürwortet Initiativen bei denen österreichische Startups ins Ausland geschickt werden,<br />

bspw. „Outgoing“ (z.B.: das „Go Silicon Valley“ Programm der WKÖ). Es ist jedoch notwendig auch die andere<br />

Seite der Medaille („Incoming“) zu fördern. Jedes österreichische Startup, das sich im Silicon Valley präsentiert,<br />

trägt quasi ein kleines Werbeschild mit „Made in Austria“ bei sich. Bei einem großen Event bei dem viele Leute<br />

aus dem Silicon Valley extra dafür nach Wien anreisen, hält bildlich gesprochen die ganze Stadt ein riesiges,<br />

leuchtendes Werbeplakat mit „It’s happening in Austria!“ hoch.<br />

52<br />

Natürlich helfen dabei zusätzlich internationale PR-Offensiven wie das Video „Startup Hub Vienna“:<br />

http://www.youtube.com/watchv=ZfNN9sFiiqY<br />

25


Visionen für Startups in Österreich<br />

Wettbewerb des Pioneers Festival 2012: „I never realized how freaking cool Vienna is and<br />

just how strong a startup scene there is here”. 53 Die Wichtigkeit wird auch von KommR<br />

Brigitte Jank, Präsidentin der Wirtschaftskammer Wien geteilt: "Das Pioneers Festival leistet<br />

hier einen wesentlichen Beitrag, weil es als Plattform den Kontakt zwischen den Startups<br />

und potenziellen Investoren herstellt, und Wien zur Kreativhauptstadt Europas macht."<br />

54 Es ist zweifellos zu beobachten, dass international positionierte, große Flagship-Tech<br />

Events durch die Vernetzung ihrer Teilnehmer einen für Startups so wichtigen „internationalen<br />

Uplink“ schaffen. Andere Länder haben den positiven Effekt, sich als Technologie-<br />

Hub zu positionieren, bereits erfasst und unterstützen zusehends große Flagship Events.<br />

Beispielsweise unterstützt die irische Regierung das Dublin Web Summit sehr stark – auch<br />

finanziell. 55<br />

3.7. Rot-Weiß-Rot Karte für Startups adaptieren<br />

Aufgrund des großen Bedarfs von hochqualifizierten Mitarbeitern bei österreichischen<br />

Startups (aber auch KMUs) gepaart mit dem herrschenden Fachkräftemangel in Österreich,<br />

ist es unabdinglich Barrieren für die Mobilität von internationalem Talent zu reduzieren.<br />

Der einfachste Weg wäre das bestehende Instrument der Rot-Weiß-Rot Karte für die<br />

Bedürfnisse von Startups zu adaptieren. Beispielsweise könnten akkreditierte Startups<br />

qualifizierte Mitarbeiter rascher und mit weniger Auflagen nach Österreich holen. Noch<br />

schwieriger gestaltet sich die wünschenswerte Mobilität (Stichwort internationaler Startup<br />

Hub) von ganzen Startup Teams aus Drittländern nach Österreich. Es gibt zwar die Rot-<br />

Weiß-Rot Karte für Selbstständige; diese ist aber für die spezifische Zielgruppe von Startup-Gründern<br />

sehr schlecht geeignet und wird insgesamt an diese sehr selten vergeben.<br />

Hier ist die Entwicklung von entsprechenden Kriterien gefragt, damit eine Qualifizierung<br />

für die Rot-Weiß-Rot Karte auch für Startup Teams sinnvoll erreichbar ist. 56<br />

53<br />

Siehe ab Minute 5:35 http://www.youtube.com/watchv=3ub5R90-2cQ<br />

54<br />

Siehe Wiener Wirtschaft Nr. 45, 8.11.2013, Seite 8<br />

55<br />

Die irische Regierung hat es weiters geschafft, die Ansiedelung von Intel, HP, IBM, Microsoft, Apple, Google,<br />

Facebook, LinkedIn, Amazon, PayPal und eBay in Irland pro-aktiv zu unterstützen. Das Vorhandensein dieser führenden<br />

Technologieunternehmen führt unweigerlich zu einem internationalen Zuzug von hochqualifiziertem jungen<br />

Talent, was an sich – neben dem wichtigen Draht zu diesen Unternehmen – enorm wichtig für ein Startup<br />

Ökosystem ist.<br />

56<br />

Es gibt auch auf E.U. Ebene, im Rahmen der Digital Agenda, den Vorschlag eines „Pan-European Startup Visa“,<br />

siehe http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13-989_en.htm<br />

26


Visionen für Startups in Österreich<br />

4. Mobilisierung von heimischem und europäischem<br />

Kapital für österreichische Startups<br />

Österreich ist trotz seines äußerst hohen Wohlstandsniveaus, renommierten Forschungseinrichtungen<br />

und breit diversifizierten, industriellen Mittelstands eines der Schlusslichter<br />

beim Thema Risikokapitalinvestitionen in Europa. Mit 10 USD verfügbarem Risikokapital<br />

pro Einwohner liegt die Heimat von Magna, Red Bull und Swarovski nur noch vor Italien,<br />

Portugal und Griechenland. Selbst in Deutschland, dessen Risikokapitalverfügbarkeit noch<br />

deutlich unter dem europäischen Durchschnitt von 35 USD liegt, wird im Vergleich zu Österreich<br />

doppelt so viel (21 USD pro Kopf) in innovative Wachstumsunternehmen investiert.<br />

Die Spitzengruppe bilden aktuell noch, vor den nordischen EU-Staaten (allesamt<br />

deutlich über 50 USD/Kopf), die Niederlande (62 USD/Kopf) und unsere Nachbarn in der<br />

Schweiz (69 USD/Kopf), die damit nur knapp hinter den USA (72 USD/Kopf) liegen. Von<br />

israelischen (142 USD/Kopf) oder gar Silicon Valley-Verhältnissen (geschätzt 1.800<br />

USD/Kopf) sind aber natürlich auch die europäischen Spitzenreiter noch sehr weit entfernt.<br />

57<br />

Die EU-Kommission nimmt aus europäischer Perspektive folgende Stellung dazu ein:<br />

„Auf dem Risikokapitalmarkt besteht eine Kapitalmarktlücke, d. h. ein anhaltender Mangel<br />

an Beteiligungskapital, der zulasten der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) geht.<br />

Besonders betroffen sind High-Tech-Unternehmen sowie Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial.<br />

Die Beteiligungsfinanzierung ist für die Entwicklung von Unternehmen, insbesondere<br />

in ihren frühen Wachstumsphasen, von entscheidender Bedeutung.“ 58<br />

Es bedarf unterschiedlicher Hebel, die in Bewegung gesetzt werden müssen, damit einerseits<br />

vorhandenes Kapital in Österreich als Risikokapital mobilisiert werden kann und andererseits,<br />

um Kapital aus anderen EU Staaten stärker nach Österreich anzuziehen.<br />

4.1. Schaffung von steuerlichen Anreizen für österreichische<br />

Privatinvestoren<br />

In Österreich besteht im internationalen Vergleich eine relativ hohe Risikoaversion bei privaten<br />

Anlegern. Daher ist es notwendig diesen zusätzliche Anreize zu bieten, in österreichische<br />

Startups statt beispielsweise in amerikanische Wertpapiere zu investieren (die sich<br />

in letzter Zeit ebenfalls als sehr riskant erwiesen haben). Als vermutlich größter Hebel, um<br />

57<br />

Siehe Verve Capital Partners AG (2011), Microsoft Corp./ ESADE Business School (2012)<br />

58<br />

Siehe http://europa.eu/legislation_summaries/competition/state_aid/l26123_de.htm<br />

27


Visionen für Startups in Österreich<br />

heimische Privatinvestoren zu mobilisieren, würde die Einführung der steuerlichen Absetzbarkeit<br />

von Investitionen durch „Business Angels“ dienen, wobei sich dies nicht nur an<br />

professionelle Business Angels richtet, da diese bereits investieren. Mit diesem Anreiz sollen<br />

vor allem Personen angesprochen und mobilisiert werden, die im Familien- oder Bekanntenkreis<br />

von Gründern sind und auch mit anderen Tätigkeiten die Unternehmungen<br />

unterstützen können; ehemalige oder aktive Unternehmer, die auch mit Rat zur Seite stehen;<br />

Personen, die hohe Management-Funktionen bei Großunternehmen inne hatten und<br />

neben dem angesparten Kapital auch ihr Netzwerk zur Verfügung stellen, usw. Letztendlich<br />

soll dadurch natürlich auch Kapital - das häufig wenig produktiv auf Sparbüchern, in<br />

Immobilien oder Privatstiftungen liegt - in wirtschaftsstimulierendes Kapital umgewandelt<br />

werden.<br />

Das ist vermutlich der Grund, warum sich 83% der befragten Startups für eine solche Absetzbarkeit<br />

aussprechen. Die Ausgestaltung kann unterschiedlich erfolgen: Von der Möglichkeit<br />

der Abschreibung zum Investitionszeitpunkt oder über einen längeren Zeitraum<br />

bis hin zur Abschreibung bei Verlusten oder Investitionsfreibeträgen. Die Junge Wirtschaft<br />

schlägt beispielsweise letzteres i.d.H. von 50.000 EUR vor (abschreibbar auf 5 Jahre). Jede<br />

der Varianten hat unterschiedliche Implikationen, die abgewogen werden müssen. Beispielsweise<br />

beschränkt ein Investitionsfreibetrag die gesamte Summe, die ein Privatinvestor<br />

auch in unterschiedliche Startups investieren könnte, wobei in der Regel Startups vom<br />

Austausch mit anderen Startups, die vom gleichen Investor gestützt sind, sehr profitieren.<br />

Rein theoretisch würde die größte Mobilisierung von Risikokapital durch eine sofortige<br />

steuerliche Abschreibbarkeit der Investition selbst - nicht erst des Verlustes erreicht werden.<br />

Natürlich ist dies auch in einer anderen, unter Umständen praktikableren Ausgestaltung<br />

möglich, wie beispielsweise einem Steuerkredit über die getätigte Investition mit einer<br />

prozentuellen Begrenzung der Absetzbarkeit von der fälligen Einkommens- bzw. Kapitalertragssteuer<br />

über mehrere Jahre. Falls gewünscht, könnten für eine gezielte Steuerungsfunktion<br />

auch andere, objektive Kriterien wie Gründungszeitraum des Unternehmens<br />

(z.B.


Visionen für Startups in Österreich<br />

ausschüttungen an Gesellschafter in Form von Einkommensteuereinnahmen oder Kapitalertragssteuereinnahmen<br />

beim Verkauf der Unternehmensanteile.<br />

Die EU begrüßt und erlaubt sowohl steuerliche Investitionsanreize für Kapitalgeber, als<br />

auch Sicherheiten, durch die Risikokapitalanleger teilweise gegen Verluste aus ihren Beteiligungen<br />

geschützt werden. Für solche Maßnahmen ist je nach Ausgestaltung im konkreten<br />

Fall eventuell eine eingehende Prüfung der Vereinbarkeit dieser Form von „Beihilfen“<br />

mit dem gemeinsamen Markt seitens der EU-Kommission notwendig. 59<br />

Es gibt international bereits erfolgreich praktizierte Beispiele zur Setzung von sinnvollen<br />

Maßnahmen bei der steuerlichen Anreizschaffung. Beispielsweise gibt es in Großbritannien<br />

das neu eingeführte „Seed Enterprise Investment Scheme“, sowie das länger bestehende<br />

„Enterprise Investment Scheme“. Wir verweisen als Anregung zu weiteren Details der<br />

Ausgestaltungsmöglichkeiten, zur Diskussion der Ansatzpunkte in Österreich bzw. detaillierter<br />

Beschreibung internationaler Praktiken auf den „Forderungskatalog der Austrian<br />

Angel Investors Association“. 60<br />

Als Anknüpfung zum Thema Crowdfunding: Analog zur steuerlichen Absetzbarkeit als<br />

„klassischer“ Investor (in österreichische Unternehmen) sollte angedacht werden, Investitionen<br />

über Crowdinvesting Plattformen ebenfalls durch eine Absetzbarkeit zu begünstigen.<br />

61 Durch einen derartigen Anreiz wird das Potential der österreichischen Bevölkerung<br />

genutzt, um selbst entscheiden zu können, welche Projekte förderwürdig sind. Dadurch<br />

können gegebenenfalls Unternehmen unterstützt werden, die über bisherige Förderinstrumente<br />

nicht erfasst werden können. 62<br />

4.2. Unterstützung eines Fund-of-Fund Modells durch staatliches<br />

Cornerstone Investment<br />

Innovative Startups unterscheiden sich von klassischen KMUs meist dadurch, dass es noch<br />

kein erprobtes Geschäftsmodellen gibt. Daher sind die Erfolgsfaktoren auch sehr unterschiedlich.<br />

Diese versteht man oft nur dann ansatzweise wenn man selbst ein Startup auf-<br />

59<br />

Siehe http://europa.eu/legislation_summaries/competition/state_aid/l26123_de.htm<br />

60<br />

Siehe www.aaia.at/download_file/view/275/<br />

61<br />

Unter Umständen wäre eine Analogie zur Absetzbarkeit von Spenden angebrachter. Die Absetzbarkeit sollte<br />

natürlich nur für Plattformen gelten, die nach definierten Regeln in eine Liste des BMF aufgenommen werden.<br />

Der Betrag kann und müsste vermutlich - ähnlich dem Spendenmodell - in einer definierten prozentuellen Höhe<br />

des Vorjahreseinkommens begrenzt werden.<br />

62<br />

Die Begünstigung kann für Crowdfunding (Spendencharakter, daher obige Analogie) oder für Crowdinvesting<br />

(Investitionscharakter, analog zu Business Angel Investments) oder für beide erfolgen.<br />

29


Visionen für Startups in Österreich<br />

gebaut hat und/oder einen großen Erfahrungsschatz als frühphasiger Startup Investor besitzt.<br />

Selbst dann ist es für erfahrene Investoren schwierig, erfolgsversprechende Startups<br />

zu identifizieren. 63 Für wenig erfahrene Investoren ist dies wesentlich schwieriger, und für<br />

staatliche Förderstellen 64 ist dies eine noch größere Herausforderung. Letztere können<br />

auch kaum behilflich dabei sein, nationale oder internationale Anschlussfinanzierung zu<br />

finden. Private Investoren oder Fonds hingegen tun dies aus eigenem Anreiz, d.h. sie versuchen<br />

ihre privat finanzierten Startups bei anderen Investoren positiv zu „verkaufen“ und<br />

diese als Anschluss- bzw. Co-Investoren an Board zu holen.<br />

Da sich die notwendige Erfahrung, das für Anschlussfinanzierungen benötigte Netzwerk,<br />

sowie etablierte Prozesse im „Investment-Management“ häufig erst ab einer kritischen<br />

Masse an Investitionsvolumen und getätigten Investitionen entwickeln, bedarf es eines<br />

frühphasig investierenden, großen Kapitalfonds in Österreich. 65 Gleichzeitig gibt es bei einer<br />

größeren Anzahl an Investitionen in Startups gesamt gesehen eine bessere Risikostreuung,<br />

die für das langfristige Fortbestehen eines Fonds und die Akquise von weiterem<br />

Privatkapital essenziell ist. Ein oder mehrere „größere“ Risikokapital-Funds würden<br />

auch einen enormen Anreiz für ambitionierte Gründer und Startups aus dem Ausland<br />

(speziell aus der CEE Region, in der auch wenig Risikokapital verfügbar ist) schaffen sich<br />

in Wien anzusiedeln.<br />

Die aktuelle Initiative des Gründerfonds der AWS scheint theoretisch ein erster Schritt in<br />

die richtige Richtung, fördert aber leider nicht die Stimulation der derzeit kaum vorhandenen<br />

Venture-Capital Industrie in Österreich, u.a. weil das Geld von der AWS selbst verwaltet<br />

wird. Stattdessen würde eine Fokussierung auf ein sinnvoll gestaltetes „Fund-of-Fund<br />

Modell“ stärker privates Kapital mobilisieren und die Strukturschaffung privater Marktteilnehmer<br />

unterstützen. 66 Wenn sich beispielsweise die AWS als Cornerstone-Investor mit<br />

einem ausreichend hohen Betrag (vermutlich bei einer Größenordnung von ~100 Mio. EUR)<br />

an einem oder mehreren privaten Fonds beteiligen würde statt selbst zu investieren, können<br />

diese damit auch wesentlich leichter an zusätzliches Privatkapital - auch aus dem Aus-<br />

63<br />

Siehe Beispiel zu Bessemer Ventures im Kapitel 1.2<br />

64<br />

Das könnte eventuell erklären, warum bei vielen Förderstellen auch bei Startups mit unerprobten, neuen Geschäftsmodellen<br />

oder innovativen Produkten in den Anträgen nach einer Mehr-Jahres-Planung oder nach einer<br />

ausführlichen Beschreibung eines klaren Geschäftsmodells kombiniert mit einer umfangreichen Marktanalyse gefragt<br />

wird. Erfahrene Business Angels und Frühphasenrisikokapitalgeber hingegen betrachten einen 50-Seiten<br />

„Business Plan“ als relativ sinnlos und fokussieren sich bei ihrer Beurteilung vor allem auf das Gründerteam.<br />

65<br />

Damit ist vor allem frühphasiges Risikokapital (ähnlich wie Business Angel Investments oder frühphasiges<br />

Wachstumskapital von VCs) gemeint, nicht Private Equity. Also „early-stage“ investment.<br />

66<br />

Dabei ist zu beachten, dass ein sinnvoll gestalteter Fund of Fund in der Regel mit 25%-50% mit öffentlichem<br />

Geld (als Cornerstone Investment) betrieben wird und nicht mit 80-90% öffentlichem Geld, damit das Ziel der<br />

Stimulierung der privaten Risikokapitalwirtschaft erfolgt.<br />

30


Visionen für Startups in Österreich<br />

land - gelangen. 67 Die EU erlaubt und begrüßt explizit die Errichtung von Investmentfonds,<br />

an denen der Staat als Teilhaber, Investor oder in anderer Form beteiligt ist. 68 Innerhalb<br />

der EU gibt es erfolgreiche Beispiele für dieses Modell, in welchem der Staat oder<br />

die EU selbst (z.B. über den EIF) als Cornerstone-Investor bei einem Fund-of-Fund auftreten:<br />

Großbritannien: UK Innovation Investment Fund “UKIIF”: Diese staatliche Initiative hat<br />

in mehrere private Funds investiert, bisher in Summe 150 Mio. GBP von der britischen Regierung;<br />

weiteres staatliches Kapital soll noch folgen und gemeinsam mit dem privaten<br />

Kapital in 12-15 Jahren kumuliert 3 Mrd. GBP erreichen<br />

Polen: Polish Growth Fund of Funds; 90 Mio. privat verwaltet, davon 30 Mio. vom EIF<br />

Deutschland: High-Tech Gründerfonds; in Summe 573 Mio. EUR in 2 Fonds als PPP-<br />

Modell gemeinsam mit Industrieunternehmen, wovon ca. 500 Mio. EUR gemeinsam von<br />

Bund und der KfW Bankengruppe zur Verfügung gestellt wurden.<br />

4.3. „Freisetzung“ von Crowdfunding und Crowdinvesting<br />

90% der befragten Startups sind der Ansicht, Crowdfunding 69 bzw. Crowdinvesting 70 soll<br />

(sinnvoll) „legalisiert“ werden. 59% unter ihnen würden sogar Crowdfunding oder Crowdinvesting<br />

als Finanzierungsform nutzen. Tatsächlich können derzeitige Finanzierungsmöglichkeiten<br />

den Bedarf von vielen Startups oft nur beschränkt abdecken, um innovative<br />

Produkte zu entwickeln, wodurch Österreich langfristig an Wettbewerbsvorteilen verliert.<br />

Vor allem Startups, die kostenintensiv Hardware und physische Produkte herstellen wollen,<br />

würden davon profitieren. 71 Um die Bedeutung zu illustrieren: 2012 haben Crowdfunding-Plattformen<br />

weltweit Startups und Projekten dabei geholfen, Kapital in Höhe von 2,7<br />

Mrd. USD 72 aufzustellen. Das ist ein Anstieg von 81% im Vergleich zum Vorjahr und somit<br />

stellen Crowdfunding und Crowdinvesting global einen nicht zu leugnenden, rasant ansteigenden<br />

Trend dar. Auch die österreichische Bevölkerung spricht sich offener für<br />

67<br />

Dabei wären nicht zwangsweise neue Fördermittel notwendig: dies könnte größtenteils durch eine Umschichtung<br />

bestehender Fördermittel erfolgen.<br />

68<br />

Siehe http://europa.eu/legislation_summaries/competition/state_aid/l26123_de.htm<br />

69<br />

Bei Crowdfunding erwarten sich Geldgeber keine finanzielle Rendite sondern wollen vom Erfolg des Projekts<br />

nicht-finanziell begünstigt werden (z.B.: als erstes die durch die Kampagne entwickelten Produkte des Unternehmens<br />

beziehen) oder es hat (reinen) Spenden-Charakter.<br />

70<br />

Bei Crowdinvesting erwarten sich Geldgeber eine (reine) finanzielle Rendite, daher der Investitionscharakter.<br />

71<br />

Das ist der Bereich, wo Crowdfunding nach Erfahrungswerten aus den USA bisher am erfolgreichsten funktioniert<br />

72<br />

Siehe http://www.reuters.com/article/2013/04/08/us-crowdfunding-data-idUSBRE9370QY20130408<br />

31


Visionen für Startups in Österreich<br />

Crowdfunding aus: Laut einer durch die Jungen Wirtschaft beauftragten Umfrage, können<br />

sich 56% der Befragten vorstellen, ein Crowdfunding Projekt zu unterstützen. 73<br />

Diese Plattformen agieren als Intermediäre zwischen Geldgebern und Unternehmen. Unbestritten<br />

ist hervorzuheben, dass die Investition in ein Startup ein Risikoinvestment darstellt,<br />

das mit entsprechenden Wahrscheinlichkeiten zu einem Verlust der „Einlage“ führen<br />

kann; dem gegenüber stehen aber höhere Renditenerwartungen für Geldgeber. 74 Für die<br />

Plattformen selbst besteht im Falle von Crowdinvestment die latente Gefahr, dass Geldgeber,<br />

die in nicht erfolgreiche Projekte investiert haben, die Plattform auf Schadensersatz<br />

klagen. Diese Haftungsrisiken stehen jedoch aufgrund der in der Regel geringen Transaktionssummen<br />

in keinem Verhältnis. Es ist daher zu überlegen, ob in Abstimmung mit Konsumentenschutz/Arbeiterkammer<br />

eine Kennzeichnung vereinbart werden kann, die den<br />

Konsumenten auf der einen Seite klar die Risiken signalisiert und auf der anderen Seite<br />

den Betreibern derartige Plattformen - unter Einhaltung definierter Informationspflichten!<br />

- die Haftung beschränken lässt. 75<br />

Um die Hebelwirkung zu erhöhen, könnte Crowdfunding und Crowdinvesting in weiterer<br />

Folge als ein zusätzliches Finanzierungsinstrument von öffentlichen Einrichtungen anerkannt<br />

und in die bestehenden Strukturen und Förderschienen mit aufgenommen werden.<br />

76 Weiters definiert das Alternative Investmentfonds Manager Gesetz (AIFMG) neue Rahmenbedingungen<br />

für alternative Investmentfonds Manager, die mit umfangreichen Dokumentations-,<br />

Prozess- und Beratungskosten bei der Einführung und laufenden Einhaltung<br />

verbunden sind. Sollten Crowdfunding- bzw. Crowdinvesting-Plattformen von diesen Regelungen<br />

erfasst werden, kann dieses Finanzierungsinstrument mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

nicht sinnvoll angeboten werden. Die Transaktionssummen und die damit verbundene<br />

Gebühren zu gering, um wirtschaftlich betrachtet diese Anforderungen in vollem Umfang<br />

erfüllen zu können. Um hier mehr Rechtssicherheit zu bieten, wäre daher die Einführung<br />

einer Ausnahme für Transaktionssummen unter 1 Mio. EUR denkbar.<br />

Die erfolgte Erhöhung der Prospektpflicht auf 250.000 EUR ist als erster Schritt in die<br />

richtige Richtung sehr zu begrüßen, doch reicht dies nicht aus. Es gilt die Thematik umfassend<br />

und sinnvoll zu regeln. Crowdfunding und Crowdinvesting können sich realistischer<br />

73<br />

Siehe http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/1415762/Mehrheit-ist-offen-fuer-Crowdfunding<br />

durchschnittlich würden die Befragten sich mit einem Betrag von 700 – 750 EUR an einem Projekt beteiligen.<br />

74<br />

Fast ¾ der Befragten der obigen, von der Jungen Wirtschaft beauftragten Umfrage sind der Meinung, dass<br />

man sich „gut informieren muss und selbst die Verantwortung trägt“.<br />

75<br />

Als Analogie: Banken haften auch nicht dafür wenn beispielsweise ein Bankberater seinem Kunden Investitionen<br />

in Aktienfonds empfiehlt bei denen Renditeerwartungen der Kunden nicht erfüllt werden<br />

76<br />

Dies würde zum Beispiel bedeuten, dass Förderstellen wie das AWS nach den Kriterien des AWS konstruierte<br />

Eigenkapitalinstrumente auch für Double Equity zulassen.<br />

32


Visionen für Startups in Österreich<br />

Weise nur dann entwickeln, wenn v.a. die richtigen Rahmenbedingungen für einschlägige<br />

Plattformen geschaffen werden.<br />

Die aktuellen Rahmenbedingungen - bedingt durch Gesetze, die ursprünglich andere Bereiche<br />

wie Bankwesen, Wertpapiermärkte und Investmentfonds regeln sollten - und die<br />

nicht voll geschaffene Rechtssicherheit, führen in weiterer Folge sowohl zur Zurückhaltung<br />

von potenziell interessierten Konsumenten, als auch den Plattformen selbst. Es gibt<br />

daher weiterhin Handlungsbedarf, um in Österreich das vermutlich sehr große Potenzial<br />

von Crowdfunding und Crowdinvesting freizusetzen. 77 Positiv scheint, dass das Potential<br />

von Crowdfunding bzw. Crowdinvesting in nicht allzu ferner Zukunft auf europäischer<br />

Ebene einheitlich „freigesetzt“ werden könnte: Die EU-Kommission ist bis Ende 2013 in einer<br />

öffentliche Konsultation mit dem Titel „Crowdfunding in Europa - Untersuchung des<br />

Mehrwertes potenzieller Maßnahmen der EU“. 78<br />

4.4. Schaffung von Anreizen für österreichisch-institutionelle<br />

Investoren um in Startups oder Startup-Fonds zu investieren<br />

Eine weitere Möglichkeit fehlendes Risikokapital zu mobilisieren, ist es institutionellen Investoren<br />

Anreize zu bieten, ihr Kapital bei Startups einzusetzen. Beispielsweise sind in den<br />

USA Banken, Versicherungen, Pensionskassen und Gemeinden signifikante Investoren in<br />

Startup-Fonds; in Österreich dagegen werden oft entsprechende Gelder in internationale<br />

Aktienfonds, Derivate und SWAPs investiert. Laut Aussage der jeweiligen Marktteilnehmer<br />

fehlen hier Anreize und Regelungen, um in Startups zu investieren. Beispielsweise könnte<br />

man ausgewählte bestehende oder neu geschaffene Startup und/oder Hi-Tech Fonds<br />

staatlich akkreditieren und entsprechenden institutionellen Investoren Anreize geben, damit<br />

sie dort investieren. Wäre es beispielsweise vorstellbar, für öffentliche, vermögensverwaltende<br />

Institutionen (z.B. ÖIAG) eine Quote vorzugeben, wie viel in Unternehmen<br />

aus Österreich investiert werden muss Vielleicht läge auch ein großer Hebel in Österreich<br />

bei der Kapitalmobilisierung von Banken (bei denen der Staat im Zuge der Krise hohe Garantien<br />

vergeben hatte) und Versicherungen. Bei letzteren würde es aber aufgrund der Eigenkapitalunterlegungsvorschriften<br />

von Basel III (Banken) und Solvency II (Versicherungen)<br />

vermutlich anlegerorientierte Kapitalgarantien bedürfen. Solche Maßnahmen der<br />

AWS haben auf Ebene der Fonds in der Vergangenheit positiv entgegengewirkt. Ein sehr<br />

wahrscheinlich großer Hebel liegt in der Mobilisierung von Risikokapital bei den rund 3400<br />

77<br />

Die USA zeigen es teilweise vor: dort wurde Titel III des JOBS Act legalisiert (oder entkriminalisiert), dass sich<br />

Unternehmen nun innerhalb von 12 Monaten bis zu 1 Million USD von „der Öffentlichkeit“ beschaffen, entweder<br />

durch Broker-Dealer oder Funding-Plattformen<br />

78<br />

Siehe http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2013/crowdfunding/index_en.htm<br />

33


Visionen für Startups in Österreich<br />

österreichischen Privatstiftungen, von denen bereits zwei Drittel an Unternehmen beteiligt<br />

sind (hinter 80 der 100 größten österreichischen Unternehmen stehen Privatstiftungen). 79<br />

Schätzungsweise wird in Stiftungen ein Vermögen von über 60 Mrd. EUR gehalten. 80 Die<br />

Mobilisierung von nur 0,5% dessen, würde bereits 300 Mio. EUR an Risikokapital für Startups<br />

bereitstellen. Da dies deutlich mehr wäre, als das derzeit gesamte verfügbare österreichische<br />

private Risikokapital, sind stimulierende Anreize sehr willkommen.<br />

4.5. Bereitstellung von Ressourcen für Vernetzungs- und<br />

Fundraising-Aktivitäten mit internationalen Investoren<br />

75% der befragten Startups sehen es als nicht einfach an, mit einem internationalen Venture<br />

Capitalist (VC) in Kontakt zu treten. Eine rasch wirksame und kostengünstige Maßnahme<br />

ist die pro-aktive Unterstützung der Vernetzung zu internationalen Investoren. Dies<br />

kann z.B. in Form von Investoren-Roadshows umgesetzt werden, bei der sich österreichische<br />

Startups bei Venture Capital Fonds in den europäischen Fundraising-Hotspots (z.B.:<br />

London, Berlin), sowie anderen EU-Ländern mit rasant wachsender Risikokapitalverfügbarkeit<br />

(z.B.: Niederlande, Schweden), vor Ort vorstellen und dadurch eine persönliche<br />

Beziehungsebene aufbauen können. Mittelfristig kann mit diesen aufbauenden Schritten<br />

auch das Ziel verfolgt werden, große international erfolgreiche Fonds wie beispielsweise<br />

Accel Partners (frühes Investment bei Facebook) mit einem Büro in Wien anzusiedeln. Natürlich<br />

hilft auch die stärkere Unterstützung und Förderung von bestehenden Netzwerk-<br />

Events und Initiativen, welche internationale Investoren nach Österreich bringen (z.B.:<br />

<strong>IN</strong>ITS Business Angel Day, Pioneers Festival, EBAN Kongress). Die EU-Unterstützung der<br />

Initiative „European Venture Capital Funds“ (europäische VC-Fonds, denen es nun regulatorisch<br />

vereinfacht wurde, in anderen EU-Staaten zu investieren) ist ein Schritt in die richtige<br />

Richtung. 81<br />

5. Förderlandschaft zukunftsorientiert und Startupgerecht<br />

gestalten<br />

Global findet eine Verlagerung der Bedeutung von physischer Infrastruktur zu Wissensund<br />

Zukunftsinfrastruktur statt. Die gesetzten Zeichen seitens der Politik spiegeln diesen<br />

Wandel aber noch nicht wieder: Beispielsweise, hat der Bau der “S10 Mühlviertler Schnell-<br />

79<br />

Siehe http://www.stiftungsverband.at/pages/haeufig-gestellte-fragen/stiftungen-allgemein.php<br />

80<br />

Siehe http://www.wifo.ac.at/jart/prj3/wifo/resources/person_dokument/person_dokument.jartpublikationsid<br />

=33940&mime_type=application/pdf<br />

81<br />

Siehe http://ec.europa.eu/internal_market/investment/venture_capital/index_en.htm<br />

34


Visionen für Startups in Österreich<br />

strasse Unterweitersdorf - Freistadt Nord (B 310)“ ca. 718 Mio. EUR gekostet. Mit nur einem<br />

Bruchteil davon als Investition in Zukunftstechnologien bzw. “Wissensinfrastruktur”<br />

und in Startups, die beides als „Speerspitze“ vorantreiben, könnte man in Zukunft eine viel<br />

größere und vor allem nachhaltigere Wertschöpfung erzielen. 82<br />

Der Status Quo zeigt: Förderungen in Österreich sind - vor allem aufgrund der kurzfristig<br />

kaum zu beseitigenden Verfügbarkeit von Risikokapital - enorm wichtig für Startups. 43%<br />

der befragten Startups haben bisher eine oder mehrere Förderungen von öffentlichen<br />

Stellen erhalten. Von diesen haben bis zum Zeitpunkt der Befragung kumuliert 32% eine<br />

Fördersumme von weniger als 50.000 EUR, 14% zwischen 50.000 und 100.000 EUR, 33%<br />

zwischen 100.000 und 500.000, und 16% zwischen 500.000 und 1 Mio. EUR erhalten. Positiv<br />

ist auch, dass von 65% der befragten Startups die Möglichkeit mit Förderstellen in<br />

Kontakt zu treten, als gut gesehen wird. Jedoch sind 74% der Meinung, dass Förderstellen<br />

derzeit nicht gut an die Bedürfnisse von Startups angepasst sind. Es ist dringend notwendig,<br />

die Förderlandschaft stärker und praxisnäher an die Bedürfnisse der „Wissensinfrastruktur“<br />

im 21. Jahrhundert anzupassen.<br />

Der „Innovationsgedanke“ bzw. die häufig grundlegenden Basisannahmen von Förderungen<br />

sollten dabei weiter gefasst werden als bisher; “Forschung & Entwicklung” bedeutet<br />

nicht nur Forschung im Labor bzw. an den Universitäten. Entwicklung bedeutet nicht nur<br />

Technologie voranzutreiben, sondern häufig gilt es auch ein innovatives und skalierbares<br />

Geschäftsmodell (in Interaktion mit dem Markt) zu „erforschen“ und idealerweise zu finden.<br />

Zur Entwicklung sollte auch die explizite Entwicklung von „sektoralen Innovationen“<br />

in der eigenen Branche zählen. Beispielsweise war die ursprüngliche Innovation bei<br />

Amazon, Bücher online zu verkaufen - zu einer Zeit, als es bereits E-Commerce Plattformen<br />

in großer Zahl gab. Googles Innovation war neben einem neuen Algorithmus, auch<br />

jene eines neuen Geschäftsmodells: Werbung nicht in der Suche oder auf Bannern wie bisher<br />

anzuzeigen (z.B.: wie Konkurrent Yahoo), sondern in einem dezidiert ausgewiesenen<br />

Feld über den Ergebnissen. Die Kerntechnologie von Ebay wurde als Hobby aus dem<br />

Wohnzimmer von einem Programmierer geschrieben, die tatsächliche Innovation war es<br />

erstmalig ein Auktionsverfahren online anzubieten. Facebook war nicht das erste soziale<br />

Netzwerk, aber das erste, das sich ursprünglich auf Harvard Studenten fokussierte, was die<br />

Basis für die folgende „Eroberung“ aller Universitäten war, die erst zur Massenfähigkeit geführt<br />

hat.<br />

82<br />

Weil Startups in der Regel international skalierbar sind und da eine Anstellung von Mitarbeitern in Wachstumsunternehmen<br />

erfolgt und keine (Bau-)Projekt-basierte Anstellung.<br />

35


Visionen für Startups in Österreich<br />

Aus der Vogelperspektive betrachtet ist nicht die Anzahl der unterschiedlichen Fördertöpfe<br />

für Technologie relevant, sondern das tatsächlich verfügbare Volumen. Es fließt derzeit<br />

nur ein Bruchteil der Förderungen in praktikable Technologien und wirtschaftlich verwertbare<br />

Innovationen. Daher wird in Summe nicht unbedingt mehr Geld benötigt, sondern das<br />

vorhandene Fördervolumen muss zukunftsorientierter eingesetzt und verteilt werden.<br />

5.1. Umschichtung von Fördermitteln auf innovative Jungunternehmen<br />

und F&E<br />

56% der befragten Startups sind der Meinung, dass das Förderangebot nicht ausreichend<br />

sei. Dies liegt wahrscheinlich nicht am insgesamt tatsächlich verfügbaren Fördervolumen,<br />

sondern daran, dass nur ein vergleichsweise geringer Teil davon für Startups oder innovative<br />

High-Tech Unternehmen in Frage kommt.<br />

Neben der wachsenden Bedeutung von Wissensinfrastruktur, geht der Wirtschaftstrend<br />

im digitalisierten 21. Jahrhundert klar in Richtung Wertschöpfung und Exportfähigkeit von<br />

Produkten und Dienstleistungen von High-Tech Unternehmen. Letztere schaffen Innovationen,<br />

Zukunftstechnologien und arbeiten an marktfähiger Forschung & Entwicklung. Somit<br />

geht es um Investitionen in den Aufbau nachhaltiger Arbeitsplatzschaffung und Investition<br />

in Humankapital.<br />

Als Denkanregung dazu: Bis 2016 ist die Realisierung von Straßenbauprojekten im Wert<br />

von 6,5 Milliarden EUR geplant. 83 Die vermutlich dahinter liegende Annahme, dass mit raschem<br />

Ausbau des Straßennetzes (immer noch) ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts<br />

einhergeht, ist zu hinterfragen. In der digitalen Weltwirtschaft des 21.Jahrhunderts scheinen<br />

BIP und Autobahnwachstum von einander entkoppelt zu sein. Dies gilt vor allem in einem<br />

Land wie Österreich, welches bereits eines der dichtesten Autobahnnetze in ganz Europa<br />

hat. Daher ist die Annahme eines sinkenden Grenznutzens legitim: neue Straßen sind<br />

heutzutage kein zusätzlicher Standortvorteil mehr für die Wirtschaft Österreichs. Beispielsweise<br />

soll der geplante Bau der A26 Linzer Autobahn Westring Linz geschätzte Gesamtkosten<br />

in Höhe von ca. 646 Mio. EUR für 4,7 Straßenkilometer verursachen. Das wären<br />

137,4 Mio. EUR pro Straßenkilometer. 84<br />

83<br />

Siehe http://www.format.at/articles/1205/580/317871/strassenbau-das-geld-strasse<br />

84<br />

Siehe http://www.asfinag.at/unterwegs/bauprojekte/oberoesterreich/-/asset_publisher/1_47143/content/a-<br />

26-linzer-autobahn-knoten-linz-hummelhof-a-7-anschlussstelle-donaunordp_o_p_id=56_<strong>IN</strong>STANCE_I8LKwiYWAPVa<br />

36


Visionen für Startups in Österreich<br />

Was könnte in unserem Denkbeispiel mit diesem Geld in Investitionen in „Wissensinfrastruktur“<br />

geschehen Für den Gegenwert eines Straßenkilometers aus obigem Beispiel<br />

könnten - bei einem angenommenen Investitionsvolumen von 500.000 EUR pro Startup -<br />

274 frühphasige Startups je nach Kostenstruktur für 1 - 1,5 Jahre komplett finanziert werden.<br />

Selbst wenn im schlechten Fall nur 10% davon erfolgreich sind, könnte man für den<br />

rechnerischen Gegenwert eines Autobahnkilometers dazu beigetragen, 27 hoch innovative<br />

Wachstumsunternehmen zu ermöglichen. Davon würde mindestens die Hälfte 85 auf einen<br />

Weltmarkt abzielen und vermutlich dort bereits erste Erfolge erzielen. Der Effekt wird<br />

durch die initiierte Wertschöpfungskette weiter multipliziert und der Standort Österreich<br />

wird noch attraktiver für junges Talent. Es ist daher ein zukunftsorientiert sinnvoller<br />

Schritt, eine Umschichtung von staatlichen Investitionen bzw. Fördermitteln auf innovative<br />

Jungunternehmen und experimentelle, marktorientierte Entwicklung durchzuführen. 86<br />

5.2. Ausbau von kleineren, leichter und schneller zu beantragenden<br />

Förderungen<br />

73% der befragten Startups sind der Meinung, dass es mehr kleine Förderungen (zwischen<br />

10.000 und 20.000 EUR) geben soll. Wie in der Einleitung zu diesem Visionspapier dargestellt,<br />

können viele technologieorientierte Startups „aus der Garage“ starten. In der Vorgründungsphase<br />

gibt es oft fast keine oder nur sehr geringe Kosten 87 außer der notwendigen<br />

Finanzierung des Unterhalts der Gründer. Mit einer solchen geringen Pre-Seed Finanzierung<br />

ist es in vielen Fällen bereits möglich, sich ohne Anstellung oder Nebenjobs<br />

voll auf die Produktentwicklung zu konzentrieren - oft sogar um einen ersten Prototypen<br />

oder ein “Proof-of-Concept” zu entwickeln. Mit diesem kann man bereits zwei wichtige<br />

Dinge angehen: Erstens sich früh Markt-/Kundenfeedback einzuholen, ob man grundsätzlich<br />

am richtigen Pfad ist - und zweitens, mit etwas Konkretem oder ersten wichtigen Erkenntnissen<br />

88 , die Chance auf eine Erstfinanzierung durch einen Business Angel oder öffentlichen<br />

Inkubator erhöhen.<br />

Essenziell bei der Konzeption kleiner Förderungen ist, dass sie im Gegensatz zu den meisten<br />

bisher bestehenden Förderungen mit wenig Aufwand zu beantragen sein sollen und<br />

85<br />

Aliquot zu den Umfrageergebnissen<br />

86<br />

Wenn dies beispielsweise in einem Fund-of-Fund Model (siehe 4.2) passiert, könnte der Staat sogar an den Erfolgen<br />

der Startups als indirekter Eigenkapitalgeber beteiligt sein und hätte dadurch zukünftige Rückflüsse.<br />

87<br />

Natürlich kommen hier nicht zu vernachlässigende administrative Gebühren, Abgaben, Notariatskosten, etc.<br />

hinzu<br />

88<br />

Auch wenn man herausgefunden hat am ursprünglich am falschen gewesen zu Pfad zu sein<br />

37


Visionen für Startups in Österreich<br />

sehr schnell ein positives oder negatives Feedback ermöglichen. 89 Wenn rein angenommen<br />

eine typische Seed-Förderung zwischen 100.000 und 200.000 EUR beträgt, dann<br />

gibt es bei einer Pre-Seed Förderung von 10.000–20.000 EUR ein Zehntel des Verlustrisikos<br />

und somit wäre auch nur maximal ein Zehntel der „Due Diligence“ notwendig und das<br />

Zehnfache an Geschwindigkeit bei der Bearbeitung möglich. Die vermutlich noch am<br />

Ehesten an diese Kriterien herankommende Förderung ist beispielsweise AWS Impulse XS.<br />

90<br />

5.3. Schrittweise Angleichung der Förderantragsstruktur<br />

72% der befragten Startups sind der Meinung, die Anforderungen bei Förderanträgen seien<br />

zu hoch. 66% finden die österreichische Förderlandschaft als unübersichtlich. Darüber<br />

hinaus würden sich 70% sogar eine zentrale Stelle für alle Fördermöglichkeiten wünschen.<br />

Die Existenz spezieller „Förder-Experten“ der Wirtschaftskammer und privatwirtschaftlichen<br />

„Förderberatern“ ist ebenfalls ein hinweisender Indikator für die hohe Unübersichtlichkeit<br />

im “Förderdschungel”.<br />

Kurz- und wahrscheinlich sogar mittelfristig wird es bei den auf Basis von Gesetzen und<br />

Verordnungen für mehrere Jahre im Voraus geschaffenen Förderinstitutionen vermutlich<br />

nicht einfach werden, diese (teilweise) zusammenzulegen, um den Förderdschungel übersichtlicher<br />

zu gestalten. Was allerdings kurzfristig möglich wäre, ist eine schrittweise Angleichung<br />

der Struktur von dutzenden unterschiedlichen Förderanträgen. Diese werden<br />

derzeit in sehr unterschiedlichen Formen abverlangt und bedeuten unnötigen Mehrfachaufwand<br />

für Startups, die sich oft bei mehreren Förderstellen bewerben, da im Vorhinein<br />

die Erfolgschancen schwer abzuschätzen sind. Der damit verbundene Zeit- und Fokusverlust<br />

(auf die Produktentwicklung), führt bei schneller werdenden Innovationszyklen österreichischen<br />

Startups zu einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber internationaler<br />

Konkurrenz.<br />

5.4. Förderkategorien und -definition zeitgemäß gestalten<br />

Bei einigen Fördertöpfen (beispielsweise AWS/Impulse XS, <strong>IN</strong>ITS und ZIT), fallen viele<br />

Startups vor allem aus dem Bereich IT mit allen Ihren Unterbereichen 91 mit anderen Spar-<br />

89<br />

Bei vielen Förderungen gibt es 2-mal im Jahr eine Ausschreibung und bis man eine Zu- oder Absage erhält<br />

dauert es mehrere Monate.<br />

90<br />

Aber derzeit mit längerer Feedback-Schleife und den in 5.4 beschriebenen sub-optimalen Rahmenbedingungen<br />

(z.B.: nicht für Startups geeigneten Förder-Kategorien)<br />

91<br />

Von E-Commerce, Software-Algorithmen, Big-Data, Smartphone Applikation, etc.<br />

38


Visionen für Startups in Österreich<br />

ten in eine Kategorie zusammen. Bei AWS Impulse ist es beispielsweise der Kreativwirtschaftsbereich<br />

„Innovative Media & Gaming“ 92 , bei <strong>IN</strong>ITS (derzeit) die Kategorie „Produktund<br />

Dienstleistungsinnovation“. Hier ist eine Neu-Aufteilung der Kategorien angebracht<br />

und außerdem eine entsprechend fachlich versiertere Jurybesetzung zu schaffen, statt einer<br />

gemischten Jury, die über alle möglichen Projekte entscheidet.<br />

Da außerdem 71% der befragten Startups der Meinung sind, dass die Eingrenzung von förderbaren<br />

Projekten meist zu eng gefasst sei, wäre generell ein Überdenken der bei diversen<br />

Förderungen derzeit getroffenen Definitionen (z.B.: Forschung & Entwicklung zu stark<br />

als klassische akademische, wissenschaftliche Forschung betrachtet, etc.) und derzeit<br />

strikten Eingrenzungen (z.B.: bestimmte Förderungen nur vor erfolgter Gründung, andere<br />

nur für Akademiker, Nicht-Beginn mit Projekt vor Antragseinreichung, etc.) notwendig.<br />

5.5. Kooperationen mit wissenschaftlichen Einrichtungen nicht<br />

mehr bevorzugen<br />

Nachdem eingereichte Projekte mit wissenschaftlichen Kooperationspartnern höhere<br />

Chancen zur Bewilligung zugerechnet werden, entstehen oftmals „Alibi“-Projekte, in welchen<br />

ein Startup oder KMU oftmals ohne sinnvolle Begründung oder Notwendigkeit eine<br />

wissenschaftliche Einrichtung als „Forschungspartner“ an Bord holt, um bessere Chancen<br />

zu erhalten. Entsprechend werden damit Mittel verschwendet und nicht sinnvoll eingesetzt.<br />

Es muss das notwendige Bewusstsein entstehen, dass wirtschaftlich verwertbare<br />

„Forschung & Entwicklung“ heutzutage noch viel stärker (und meist schneller sowie fast<br />

immer marktnäher) aus dem Privatsektor kommt - vor allem bei Jungunternehmen und<br />

KMUs - und nicht „nur“ aus Forschungsinstitutionen oder Universitäten. Daher sollte allen<br />

Startups - auch ohne Vorhandensein von Forschungspartnern oder Hochschulen - die gleiche<br />

Chance auf den Erhalt einer Förderung gewährt werden wie bei Projekten an denen<br />

eine wissenschaftliche Einrichtung beteiligt ist.<br />

5.6. Toleranz bei Anpassung des Projektschwerpunktes nach<br />

Marktgegebenheiten während der Projektlaufzeit<br />

Ergebnisorientierte Förderungen bzw. vorab definierte Förderziele greifen bei Startups oft<br />

zu kurz. Bei Startups steht der Prozess selbst stärker im Vordergrund, denn oft kann man<br />

im Vorhinein das Ergebnis nicht klar abschätzen. Die initiale Geschäftsidee, als erste „Hy-<br />

92<br />

Welcher neben 9 anderen Sub-Kategorien existiert für die sich fast kein skalierbares bzw. technologieorientiertes<br />

Startup qualifizieren kann.<br />

39


Visionen für Startups in Österreich<br />

pothese“, die man als Startup-Gründer im Kopf hat, geht oftmals an dem vorbei, was der<br />

Zielmarkt wirklich braucht, sodass fast immer zahlreiche Veränderungen bzw. „Iterationen“<br />

zum Entdecken der richtigen Technologie bzw. des richtigen Geschäftsmodells notwendig<br />

sind. Derzeit wird bei den meisten Förderungen ein Projektplan verlangt, von dem<br />

häufig erwartet wird, dass er „exakt“ eingehalten wird. Für bestehende KMUs, die mit erprobten<br />

Produkten, Dienstleistungen oder Geschäftsmodellen arbeiten, ist dies unter Umständen<br />

eine denkbar legitime Erwartungshaltung. Bei Startups allerdings kann man nicht<br />

die (fast) immer vorkommende Weiterentwicklung bzw. Veränderung von Ideen, Produkten<br />

und Geschäftsmodellen vernachlässigen. Aus diesem Grund braucht es für Startups<br />

wesentlich mehr Toleranz bei Abweichungen in der Projektrichtung. Dies muss auch in Abrechnungen<br />

und Überprüfungen seitens der Förderstellen berücksichtigt werden.<br />

5.7. Förder- und Finanzierungskette planbarer gestalten<br />

Bei manchen Förderstellen gibt es Förderungen („Calls“) für unterschiedliche Phasen im<br />

Unternehmenslebenszyklus. Trotzdem kommt es häufig vor, dass viele Startups nach Ablauf<br />

einer Förderung finanziell „in der Luft hängen“. Die Finanzierungskette wird unterbrochen,<br />

denn es gibt keine Planbarkeit (oder zumindest höhere Wahrscheinlichkeit) auf eine<br />

Weiterförderung bei der gleichen Förderstelle für eine neue Unternehmensphase. Im Idealfall<br />

sollte es für bereits geförderte Startups leichter werden, innerhalb derselben Förderstelle<br />

eine Folgeförderung zu erhalten. 93 Als Vorbild dient hier die AWS Pre-Seed Förderung,<br />

bei der im besten Fall damit gerechnet werden kann, dass man danach eine AWS<br />

Seed Förderung erhält. Außerdem ist denkbar, die „Förderkette“ auf gedanklich eine „Finanzierungskette“<br />

zu erweitern und sich mit an Startups beteiligten Investoren mehr auszutauschen,<br />

eventuell sogar zu koordinieren. 94 Aus Startup-Perspektive sind Investoren<br />

und Förderstellen pragmatisch gesehen 2 Seiten der gleichen Medaille: eine wichtige und<br />

notwendige Finanzierungsquelle für Startups in Österreich.<br />

93<br />

Beispielsweise soll nach Erhalt und erfolgreicher Überprüfung und Abschluss von impulse XS die Möglichkeit<br />

bestehen (sowohl in vereinfachter Beantragung als auch in höherer Wahrscheinlichkeit der Zusage) impulse XL<br />

zu erhalten.<br />

94<br />

Wenn es genügend Risikokapital und Investoren in Österreich gäbe - was derzeit nicht der Fall ist - könnte es<br />

in Zukunft durchaus sinnvoll sein bei Förderentscheidungen (von größeren Förderungen, nicht bei kleinen) das<br />

Vorhandensein von Eigenkapitalinvestoren bzw. interessierten Investoren als zusätzliches Kriterium in die Projektbewertung<br />

mit zu berücksichtigen.<br />

40


Visionen für Startups in Österreich<br />

6. Verankerung der politischen Verantwortung des<br />

Themas Jungunternehmertum/Startups<br />

Politische Bekenntnisse und damit die Förderung der Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung<br />

tragen dazu bei, das Ökosystem für innovative High-Tech Unternehmen in Österreich<br />

deutlich zu verbessern. Das ist dringend notwendig, denn es sind 73% der befragten Startups<br />

der Meinung, dass der Wert von Startups in der Gesellschaft nicht anerkannt wird.<br />

Über 75% haben diese Meinung auch von Seiten der Regierung. Darüber hinaus sehen<br />

knapp 90% der Befragten, dass das Scheitern in der Gesellschaft nicht toleriert wird. Bei<br />

scheinbar so breitflächig gesellschaftlich verankerten, für Startups & Innovation nicht förderlichen<br />

Perspektiven ist es wichtig, dass die Politik sich den Themen „innovative Jungunternehmen“<br />

und „Startups“ stärker annimmt und diese in der politischen Verantwortung<br />

verankert.<br />

6.1. Gründer- und Startup-Beauftragter in der Regierung<br />

Es gab in der Regierung 2008-2013 unter anderem einen Staatssekretär für Integration,<br />

einen Staatssekretär für Medien und Koordination, einen Staatssekretär im Außen- und einen<br />

im Finanzministerium, einen Beauftragten für Kapitalmarktentwicklung und Corporate<br />

Governance, und einen Family Assistance Beauftragten, jedoch gibt es keine äquivalente<br />

Rolle für einen Gründer-/Startup-/Jungunternehmer-Beauftragten. Diese Thematik ist aber<br />

eine, die faktisch und inhaltlich übergreifend Verantwortungsbereiche aus mehreren Ministerien<br />

betrifft: Die vorgeschlagenen Maßnahmen in diesem Visionspapier würden bei deren<br />

sorgfältigen Umsetzungen eine Einbeziehung von BMF, BMVIT, BMWA, BMWF, BMJ,<br />

BMSK und BMEIA benötigen. Entscheidungen und Umsetzungen von fast allen dieser Ministerien<br />

betreffen außerdem generell durchaus auch Jungunternehmer und Startups, doch<br />

es mangelt an Koordination für diesen Bereich und an einem eindeutigen Ansprechpartner.<br />

Es wäre sehr wünschenswert, eine Rolle innerhalb der Regierung zu schaffen, durch<br />

die eine Person die Themen Unternehmensgründungen, Jungunternehmen und Startups<br />

als eine Art Querschnittsfunktion innerhalb der Verwaltung in einer politischen Rolle abbildet.<br />

Das hilft wesentlich bei notwendigen Umgestaltungen für Startups sowie Jungunternehmer.<br />

6.2. Innovative Jungunternehmen und Startups auf der Agenda<br />

von Spitzenpolitikern<br />

Beispiele wie der polnische Präsident Bronisław Komorowski, der medial wirksam bei einem<br />

US-Besuch polnische, in den USA arbeitende Startup-Unternehmer besuchte und sich<br />

41


Visionen für Startups in Österreich<br />

dort dazu öffentlich bekannte, polnische Startups und Gründer unterstützen zu wollen und<br />

auch gleich Test-User von einem der anwesenden Startups wird, haben eine starke Signalwirkung<br />

an die Öffentlichkeit. 95 Doch es war keine einmalige Aktion. Der polnische Präsident<br />

hatte zuvor in der “Global Entrepreneurship Week 2012” einen offenen Brief an<br />

wichtige „Größen“ im Silicon Valley adressiert, den Fortschritt in der polnischen Startup-<br />

Szene sowie Ingenieure aus Polen gepriesen und diesen mit folgendem Aufruf beendet:<br />

“This week is being celebrated as Global Entrepreneurship Week. It is time to boost the<br />

competitiveness of the Polish economy on the basis of global new tech entrepreneurship<br />

by forging links with your open innovation ecosystem. Polish entrepreneurs are keen to<br />

make the most of this opportunity. I would encourage all entrepreneurs, investors & innovators<br />

-whether you are based in Silicon Valley or Polish- to cooperate and build bridges<br />

between the US and Poland. Please keep me informed about your initiatives: prezydent@prezydent.pl”<br />

96<br />

Die politische Aufmerksamkeit, die dem Thema Startups und Technologie-Unternehmen in<br />

Polen geschenkt wird, ist mitunter einer der Gründe, warum sich die Startup-Szene in Polen<br />

in den letzten Jahren so rasant entwickelt hat. Ein weiteres prominentes Beispiel für<br />

starke politische Aufmerksamkeit findet man auch bei unserem nördlichen Nachbarn, wo<br />

sich seit Frühling 2013 Bundeskanzlerin Merkel sehr aktiv um das Thema Startups bemüht<br />

und zahlreiche Startups gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Rösler persönlich besucht<br />

und eigens eine Rede zu „Internet & Startups in Deutschland“ gehalten hat. 97 Der<br />

darauf folgende „Internetgipfel“ spricht eindeutig dafür, dass die Politik in Deutschland<br />

das Potenzial in der digitalen Wirtschaft erkannt hat. Das Ziel des Gipfels war herauszufinden,<br />

wie die deutsche Internetszene internationale Größen 98 auf dem Niveau von Apple,<br />

Facebook, Amazon generieren kann. 99<br />

In Irland hat der irische Premierminister persönlich am irischen Flagship-Tech-Event „Dublin<br />

Web Summit“ teilgenommen und mit dem weltbekannten Serienunternehmer Elon<br />

Musk 100<br />

öffentlich diskutiert, was Musk als irischer Premierminister tun würde, um das Star-<br />

95<br />

Siehe http://www.forbes.com/sites/forbesinsights/2013/10/01/whats-next-for-the-polish-phenomenonlessons-from-silicon-valley/<br />

96<br />

Siehe http://www.president.pl/en/news/news/art,373,letter-to-the-silicon-valley-entrepreneur-community.<br />

97<br />

Siehe http://www.gruenderszene.de/allgemein/angela-merkel-startup-tour<br />

98<br />

Dies ist faktisch ident zu unser am Anfang von Kapitel 1.4. gestellten Ausgangsfrage in diesem Visionspapier:<br />

Warum gibt es kein vergleichbares Unternehmen wie Google, Apple, Facebook aus Europa, geschweige denn<br />

Österreich<br />

99<br />

Siehe http://www.gruenderszene.de/news/merkel-internetgipfel<br />

100<br />

Gründer von PayPal, Tesla Motors, SpaceX<br />

42


Visionen für Startups in Österreich<br />

tup Ökosystem zu fördern. 101 Der estnische Präsident unterstützt persönlich die positive<br />

Entwicklung von estnischen Technologieunternehmen (Skype wurde von Esten programmiert)<br />

und erklärt öffentlich seine Ansicht, warum das kleine Estland im Technologiebereich<br />

so erfolgreich ist: dazu zählen beispielsweise die Tatsachen, dass bereits Kindern ab<br />

der 1. Klasse Programmierunterricht erhalten können und eine Verwaltungsinfrastruktur,<br />

die Technologie „umarmt“. 102<br />

Diese europäischen Beispiele zeigen die in Österreich noch unterschätzte Bedeutung auf,<br />

die das Engagement von hochrangingen Politikern für ein Startup und Hi-Tech Ökosystem<br />

mit sich bringt. Genau diese Begeisterung seitens Spitzenpolitikern wäre allerdings wünschenswert<br />

und ist notwendig um das Thema und seine Bedeutung stärker an die Öffentlichkeit<br />

zu tragen, dazu beizutragen die gesellschaftliche Akzeptanz für innovatives Jungunternehmertum<br />

und Scheitern zu erhöhen, um Veränderungen bei allen 5 Säulen dieses<br />

Visionspapiers zu bewirken und letztendlich um Österreich in eine „innovation-driven economy“<br />

des 21.Jahrhunderts zu transformieren.<br />

101<br />

Siehe http://www.bloomberg.com/news/2013-11-01/if-musk-were-ireland-s-prime-minister-school-would-befree-for-engineers.html<br />

102 http://www.businessinsider.com/estonias-tech-success-comes-down-to-2-factors-2013-9<br />

43


Visionen für Startups in Österreich<br />

DANKSAGUNG<br />

„Jetzt ist der ideale Zeitpunkt der Politik die Bedürfnisse von Startups in Österreich mitzuteilen“.<br />

Was im Mai als einfache Idee an <strong>AustrianStartups</strong> herangetragen wurde, hat sich in<br />

den vergangenen 7 Monaten zu einem Österreich-weiten Projekt entwickelt, bei dem sich<br />

insgesamt mehr als 650 Personen aktiv eingebracht haben.<br />

Ursprünglich als einmalige Aktion geplant, entwickelte sich das Projekt „Visionen für Startups<br />

in Österreich“ zu einem Prozess, in den fast das gesamte Startup-Ökosystem eingebunden<br />

wurde, um gemeinsam mit den politischen Kräften die Rahmenbedingungen für<br />

Startups zu verbessern. Dieses Visionspapier ist der erste Schritt in einem politischen Prozess,<br />

der mit Hilfe dieses Arbeitspapiers die Weichen für die nächsten Jahren stellen<br />

möchte.<br />

An dieser Stelle soll auch unseren Förderern gedankt werden, die den Verein <strong>AustrianStartups</strong><br />

mit ihrem Beitrag maßgeblich unterstützen: in der kritischen Aufbauphase ist die mit<br />

ihrem Internet Förderprogramm netidee bekannte Internet Foundation Austria (IPA) neben<br />

den Fördermitgliedern (derzeit Pioneers, Sektor5, dataformers, Styria Digital, Alps<br />

Ventures, Clusterhaus, ProSiebenSat.1 PULS 4, Herbst Kinsky, Speedinvest, Constantia,<br />

Ploner Communications, Deloitte, i5invest, Conda, IBM) der Hauptsponsor von Austrian-<br />

Startups.<br />

Den zahlreichen Stakeholdern und 575 Teilnehmern der Umfrage sei für ihre Mithilfe, das<br />

ausführliche Feedback und die kritischen Anmerkungen gedankt.<br />

Im Zuge der zahlreichen Treffen mit den politischen Parteien und Ministerien danken wir<br />

für die offenen und konstruktiven Gespräche und freuen uns darauf, den Prozess mit ihnen<br />

fortzusetzen.<br />

Schließlich danken wir allen, auch den freiwilligen Helfern, die einen Beitrag zu diesem Visionspapier<br />

bzw. zu dem andauernden Prozess geleistet haben und weiterhin leisten.<br />

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