Leben mit - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter
Leben mit - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter
Leben mit - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
LESERPOST<br />
Leserbrief zum Artikel:<br />
Integration in der Schule – Vorteile<br />
und Schlüssel zum Erfolg<br />
<strong>Leben</strong> <strong>mit</strong> <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> 39/Jan. 2002<br />
Schule ist nicht alles ...<br />
Wir machen das Pro und Kontra Integration<br />
an Befürwortern und Gegnern<br />
(bzw. Skeptikern) von Regelschulen fest.<br />
Ist das der richtige Ansatz? Ich denke<br />
nicht. „Integration in der Schule – Vorteile<br />
und Schlüssel zum Erfolg“. Diese<br />
Überschrift suggeriert, dass sich Eltern<br />
von Sonderschulkindern auf dem Verliererkurs<br />
bewegen. Weitere Äußerungen<br />
in diesem Artikel wie „Weshalb keine<br />
Vorteile in den Sonderschulen?“ oder<br />
„Schlechtes Zeugnis für die Sonderschule“<br />
tun ihr Übriges in diese Richtung.<br />
Davon abgesehen, dass die Situation<br />
in England geschildert wird und Vergleichsstudien<br />
in Deutschland fehlen,<br />
bleibt ein ungutes Gefühl zurück: Viele<br />
Eltern von Kindern, die eine Sonderschule<br />
besuchen, fühlen sich dem Vorwurf<br />
ausgesetzt, nicht genügend Kampfgeist<br />
gezeigt zu haben, lieber den bequemen<br />
Weg gegangen zu sein. Vielleicht<br />
trifft das z.T. für Eltern zu. Was<br />
aber ist <strong>mit</strong> den vielen Eltern, denen<br />
nach langem Ringen keine andere Wahl<br />
blieb? Was aber ist <strong>mit</strong> den Eltern, die<br />
sich nach langer Überlegung und Abwägung<br />
guten Gewissens für die Sonderschule<br />
entschieden haben? Ja, auch<br />
das gibt es.<br />
Um den Begriff „Kampf“ noch einmal<br />
aufzugreifen. Wenn wir überhaupt<br />
54 <strong>Leben</strong> <strong>mit</strong> <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> Nr. 40, Mai 2002<br />
kämpfen, dann doch nicht an unterschiedlichen<br />
„Fronten“. Wir kämpfen<br />
doch alle für unsere Kinder. Teilen wir<br />
uns doch nicht selber in Kategorien wie<br />
Befürworter und Gegner von Integration<br />
ein. Wir befürworten doch alle Integration.<br />
Wir möchten, dass unsere Kinder<br />
in dieser Gesellschaft, nein in diesem<br />
<strong>Leben</strong> ihren Platz finden und vor allem,<br />
dass sie glücklich sind. Dass unsere<br />
Tochter Antonia glücklich wird, das ist<br />
überhaupt das Kriterium, an dem mein<br />
Mann und ich alles messen.<br />
Wir verstehen Integration in einem<br />
umfassenden Sinn. Für uns gehört wesentlich<br />
mehr dazu als die Tatsache,<br />
dass unsere Tochter vielleicht eine Regelschule<br />
besucht. Unter dem Begriff<br />
„Integration“ sollten wir all unsere<br />
Bemühungen zusammenfassen, unseren<br />
Kindern in unserer Gesellschaft zu<br />
einem sinnerfüllten und glücklichen <strong>Leben</strong><br />
zu verhelfen. Da sind alle <strong>Leben</strong>sbereiche<br />
angesprochen ...<br />
Im Fazit lesen wir dann, „... dass es<br />
dort zur Zeit noch schwierig ist für die<br />
Teenager <strong>mit</strong> <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>, adäquate<br />
Freunde zu finden, weil innerhalb ihrer<br />
Schule keine oder noch zu wenige<br />
Schüler sind, die auf einem ähnlichen<br />
Entwicklungsniveau stehen und <strong>mit</strong> denen<br />
sie Freundschaften entwickeln<br />
könnten“. Ein Eingeständnis? Wirklich<br />
gute Freundschaften entstehen zwischen<br />
unseren Kindern <strong>mit</strong> <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />
und nicht behinderten Kindern<br />
nicht. Und das ist kein gesellschaftliches<br />
Problem, das einfach nur noch behoben<br />
werden muss, das wir schon noch in<br />
den Griff bekommen. Das ist ein<br />
Leserbrief von Katharina Kaiser aus Kössen, Tirol<br />
menschliches Problem. Nein, es ist, glaube<br />
ich, noch nicht einmal ein Problem.<br />
So ist es einfach ...<br />
Ich kann meiner Tochter eine liebevolle<br />
Mutter sein, ich kann ihr beim Lesen-<br />
und Schreibenlernen helfen, ich<br />
kann sie entwickeln, fördern und fordern.<br />
Aber ich kann ihr im Teenageralter<br />
nicht die gute Freundin sein. Unsere<br />
Tochter Antonia, fast viereinhalb Jahre<br />
alt, hat eine besondere „Antenne“ für<br />
das, was sich in ihrer Umwelt abspielt,<br />
für soziale Beziehungen. Die Integration<br />
im Kindergarten klappt prima. Ihre Erzieherin<br />
ist sehr engagiert, liebevoll. Sie<br />
wird von den anderen Kindern einbezogen<br />
(Zauberwort „inclusion“). Aber wir<br />
sind davon überzeugt, dass Antonia<br />
spürt, dass sie „anders“ ist, und es ist<br />
schmerzhaft für sie. „Können wir die Liz<br />
einladen?“ „Die Désirée soll zu mir kommen<br />
...“ Sie will sich <strong>mit</strong> anderen Kindern<br />
verabreden, und das klappt halt<br />
nicht immer so, wie sie will.<br />
Jetzt kann sie noch (wenige, aber<br />
gute) Freundschaften knüpfen. Aber wie<br />
wird das im Teenageralter? Vielleicht<br />
sind wir da naturgemäß nicht so optimistisch,<br />
aber wir wollen uns keiner Illusion<br />
hingeben.<br />
All das Gesagte soll kein Plädoyer für<br />
die Sonderschule sein. Überhaupt denken<br />
wir, dass eine gelungene Integration<br />
nicht an eine bestimmte Schulform<br />
geknüpft ist. Das zeigen hoffentlich die<br />
<strong>Leben</strong>släufe unserer Kinder, vielleicht<br />
auch mal eine Studie ...<br />
Christina und Walter Vest,<br />
Glashütten-Schloßborn