Musterbeispiel Gedichtinterpretation - Praktikum macht Schule
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Unterrichtsstunde zu früh ihre Reibung verliert und eine didaktische Reserve zwingend wird, ließen<br />
sich weitere Punkte thematisieren: So wäre zu erfragen, wer über die Richtigkeit einer Leerstellenfüllung<br />
entscheidet? Der Autor? Der Lehrer? Der Schüler? Die Schüler? Die Zeit? Im Anschluss könnten<br />
die Folgen einer offenen Leerstelle für den Leser diskutiert werden.<br />
5. Lernziele<br />
Die Schülerinnen und Schüler sollen sich mit der Ballade „Meeresstille“ von H. Heine auseinandersetzen,<br />
verschiedene Lesarten entwickeln und prüfen, sowie als Ursache für die Vielzahl von Interpretationsansätzen<br />
die mehrdeutige Leerstelle erarbeiten.<br />
� Sie sollen den Handlungsverlauf des Gedichtes nach einer ersten Rezeption mit eigenen Worten wie-<br />
dergeben.<br />
� Sie sollen aus den gegensätzlichen Wahrnehmungsweisen eine Problemfrage für den weiteren Unterricht<br />
entwickeln, die auf eine intensive Textarbeit zielt.<br />
� Sie sollen den Text konzentriert lesen und sich mit seinem Inhalt kritisch auseinandersetzen.<br />
� Sie sollen in Gruppen mögliche Varianten des Handlungsverlaufes entwickeln, diskutieren und am<br />
Text prüfen.<br />
� Sie sollen ihre Befunde in kurzen Referaten der Klasse präsentieren. (Minimalziel)<br />
� Sie sollen die erarbeiteten Plotmuster theoretisch erklären und auf das Strukturmodell einer mehrdeutigen<br />
Leerstelle zurückführen. (Maximalziel)<br />
6. Methodik<br />
Wenigstens zwei (unterrichts-)methodische Schwerpunkte sind für die Lehrprobenstunde wesentlich:<br />
Dazu gehört zum einen die Offenheit des Unterrichts. Nicht nur die thematische Ausrichtung, der Versuch<br />
eine mehrdeutige Leerstelle als solche zu fassen, muss dazu gezählt werden. Es kann beispiels-<br />
weise auch nicht mit letzter Sicherheit vorausgesagt werden, ob sich eine Schülerin oder ein Schüler<br />
zur freien Rezitation der Ballade „Meeresstille“ melden wird. Auch die nachfolgende Wiedergabe des<br />
Plots kann nur bedingt prognostiziert werden. Assoziationen aufgrund persönlicher Erfahrungen, aber<br />
auch Konkretisationen anderer Unbestimmtheiten sind nicht völlig auszuschließen. Hier ist die behutsame<br />
Lenkung durch den Lehrer gefragt. Der Vorteil eines solchen offenen Stundenkonzeptes liegt im<br />
Bereich der Motivation: Die Schülerinnen und Schüler können vor dem Hintergrund ihrer eigenen<br />
Wahrnehmungen und Irritationen Problemstellungen formulieren, eine bewusste Arbeit am Text fordern<br />
und selbst praktizieren.<br />
An diese Prämisse schließt sich die Entscheidung für einen induktiven Lernweg an: Der Unterrichtsprozess,<br />
der sich in fünf Phasen gliedert, beginnt mit dem Zuhören und stillen Lesen und wird fortge-<br />
setzt (im Sinne einer spontanen Konkretisation) mit der Wiedergabe des Plots durch die Klasse. Die zu<br />
erwartenden widersprüchlichen Aussagen - sie werden an der Tafel zur Unterstützung auch graphisch<br />
als Gegensätze festgehalten - implizieren eine unklare Textlage. Sie muss durch die Schülerinnen und<br />
Schüler bemerkt werden und konditioniert das Begehren nach einer Auflösung. Dieses Begehren sollte<br />
in einer Frage seinen Ausdruck finden, z.B.: Wie ist der Widerspruch zu klären? Was kann mit dem<br />
fehlenden Fisch passiert sein? Welche Deutung stimmt? Warum kommen wir zu so unterschiedlichen<br />
Wahrnehmungen? In der zweiten Phase des Unterrichts sollen die Schülerinnen und Schüler in Gruppen<br />
ihre bisherigen Lesarten überdenken und in einem kurzen Referat zusammenfassen. Damit wird<br />
der Schritt zu einer kritischen Textarbeit (im Sinne einer Interpretation) vollzogen. Nachdem die Arbeitsergebnisse<br />
in der dritten Phase vorgestellt und festgehalten wurden, gilt es in der vierten Phase die<br />
vorliegenden Ergebnisse auf einer abstrakteren Ebene zu erklären. Die bereits bekannten Fachbegriffe<br />
- sie können mit einer Overheadprojektion in Erinnerung gerufen werden - bieten schließlich die Möglichkeit,<br />
die Beobachtungen der Lerngruppe theoretisch zu beschreiben.<br />
Bei der Umsetzung dieses Stundenkonzeptes ist auf verschiedene methodische Einzelentscheidungen<br />
und organisatorische Probleme zu achten:<br />
Dazu gehört zum Ersten die Form, in der das Textmaterial ausgegeben wird. Es ist vollständig - um<br />
Zeit zu sparen, um den Schülerinnen und Schülern eine vorbereitende Mappenführung zu ermöglichen<br />
und um ihnen eine freiwillige Rezitation zu eröffnen - zu Beginn der Unterrichtseinheit ausgeteilt<br />
worden. Dabei wurde darauf Wert gelegt, dass die Texte mit Zeilenangaben und, wo es notwendig<br />
erschien, mit begrifflichen Erläuterungen versehen wurden. Zur Sicherheit und zentralen Orientierung<br />
soll der Text „Meeresstille“ überdies als Folie an die Wand projiziert werden.<br />
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