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Musik › JAHRESRÜCKBLICK<br />
Meine Top 5:<br />
Gabby Young & Other Animals: One Foot In Front<br />
Of The Other<br />
Angus & Julia Stone: Angus & Julia Stone<br />
Musée Mécanique: From Shores Of Sleep<br />
Wesseltoft, Schwarz, Berglund: Trialogue<br />
Tingvall Trio: Beat<br />
DELIKATESSEN AUS FOLK, ROCK UND JAZZ<br />
Die schönste, verführerischste Stimme in 2014 war Gabby Young, die<br />
sich mit ihren Pop-Chansons in keine Klischee-Kiste packen ließ:<br />
„One Foot In Front Of The Other“ ist anrührend, melodiensatt, originell<br />
arrangiert, mitreißend natürlich und vital – einfach unbeschreiblich<br />
weiblich. Die Geschwister Angus & Julia Stone demonstrieren ihre<br />
Seelenverwandtschaft in einer wunderbar knisternden Melange aus<br />
Indie-Pop und Folk-Rock, an der Edel-Producer Rick Rubin mitgerührt<br />
hat. Moderne Troubadour-Träume und altmodische Seefahrer-Romantik<br />
verschmelzen aufs Feinste bei Musée Mécanique von der<br />
US-Nordwestküste: Get Well Soon, Pink Floyd und die Beach Boys<br />
lassen grüßen. Gnadenlos audiophil ist „Trialogue“: In acht Klangskizzen<br />
streifen der norwegische Pianist Bugge Wesseltoft, der schwedische<br />
Bass-Hüne Dan Berglund (e.s.t.) und der oberschwäbische<br />
Elektronik-Tüftler Henrik Schwarz durch Rock-Jazz, Ambient,<br />
Kammermusik – grandios. Melodische Substanz plus elegante<br />
Improvisationen: Das Tingvall Trio mit<br />
„Beat“ ist mein Favorit in der umkämpften<br />
Sparte Piano-Trio-Jazz.<br />
Matthias Inhoffen<br />
AUDIO-Mitarbeiter<br />
Meine Top 5:<br />
Andrea Schroeder: Where The Wild Oceans End<br />
Rosanne Cash: The River & The Thread<br />
Ryan Adams: Ryan Adams<br />
John Mellencamp: Plain Spoken<br />
Diverse Interpreten: The New Basement Tapes<br />
WENN DER POSTMANN KLINGELT ...<br />
Mit ihrer düsteren Melancholie schuf die Berlinerin Andrea<br />
Schroeder einen eigenen, hochintensiven Klangkosmos. Und mit dem<br />
selbstkomponierten „Ghosts Of Berlin“ und dem Bowie-Cover<br />
„Helden“ zwei Hymnen für die Ewigkeit. Rosanne Cash, älteste<br />
Tochter von Country-Legende Johnny, vertonte in wunderbar fragilem<br />
Erzählstil Geschichten aus dem US-Süden. Das Comeback: Ryan<br />
Adams. Nach einer physischen und psychischen Krise rockt er wie in<br />
alten Tagen, so kernig wie kreativ. Ruhiger ging’s John Mellencamp<br />
an, auch wenn die Themen hart waren. Der Folkrocker aus Indiana<br />
vertonte Trennung und Schmerz in intimen Songs. Äußerst froh war<br />
T-Bone Burnett über die Postsendung des Jahres. Bob Dylan schickte<br />
ihm einen Karton mit handgeschriebenen<br />
Texten von 1967: „ Mach was<br />
draus!“. Das Ergebnis Einmalig<br />
– siehe S. 52!<br />
Willi Andresen<br />
AUDIO-Mitarbeiter<br />
Meine Top 5:<br />
Norma Winstone: Dance Without Answer<br />
Roger Hanschel: Niederschlagsmengen<br />
Nils Wogram Vertigo Trombone Quartet:<br />
Developing Good Habits<br />
Marius Neset & Trondheim Jazz<br />
Orchestra: Lion<br />
David Friedman: Weaving Through Motion<br />
KUNST UND GEFÜHL<br />
Auch der Jazz hat seine Kunstlieder. Norma Winstone, zum<br />
Zeitpunkt der Aufnahme 73 Jahre alt, verzaubert in den 13<br />
Songs auf „Dance Without Answer“ mit ihrer beschwingten,<br />
swingenden Lockerheit, Intonationssicherheit und wunderbarem<br />
Gespür für Nuancen in Dynamik und Klangfarbe. Sie bleibt<br />
dem Jazz treu. Im Gegensatz dazu schafft Roger Hanschel,<br />
gereift in der Kölner Saxofon Mafia, mit seinen „Niederschlagsmengen“<br />
das, was Gunther Schuller in den 1950ern prophezeite<br />
– und nie erlebte: dass eine ausgereifte Musik entstehen<br />
wird, die weder dem Jazz noch der zeitgenössischen oder<br />
traditionellen E-Musik zugeschlagen werden kann. Ähnliches<br />
gilt für den Posaunisten Nils Wogram, dessen Vertigo<br />
Trombone Quartet auf „Developing Good Habits“ Stücke<br />
jenseits aller Genrezugehörigkeit spielen. Der Saxofonist<br />
Marius Neset hingegen bleibt mit dem Trondheim Jazz<br />
Orchestra und „Lion“ beim bestens arrangierten Bigband-Jazz.<br />
Ganz allein ist hingegen der Vibraphonist David Friedman bei<br />
„Weaving Through Motion“:<br />
eine sanfte Klangreise mit<br />
nuancenreichen, leisen, zarten<br />
Tönen.<br />
Werner Stiefele<br />
AUDIO-Mitarbeiter<br />
Meine Top 5:<br />
Christian Gerhaher: Nachtviolen, Schubert, Lieder<br />
The Originals: Die Jubiläumsedition, The Originals<br />
Wayne Shorter: The Language Of The Unknown<br />
Daniil Trifonov: Trifonov Live (Blu-ray)<br />
Cameron Carpenter: If You Could Read My Mind<br />
DUNKEL UND SINNLICH, REBELLISCH UND WILD<br />
Er zählt zu den Besten seines Fachs derzeit: Der Bariton Christian Gerhaher schwebt<br />
wie in Trance durch die romantische, mondbeglänzte Welt in Schuberts dunkelsten<br />
Liedern. Wie er in feinstem lyrischem Timbre diese Kostbarkeiten durchträumt, ist<br />
große Klasse. Eine Grenzerfahrung. Für Sammler ist die Jubiläumsedition The Originals<br />
zum 20. Geburtstag der Reihe ein absolutes Must-Have. Dieser 50 CD-Pack fasst die<br />
Bestseller aus der Zeit der Langspielplatte kompakt zusammen – darunter Mahlers<br />
Fünfte mit Karajan und Dvoraks „Slawische Tänze“ mit dem unvergessenen Rafael<br />
Kubelík. Der blühende, leuchtende Ton des heute 81-jährigen Jazz-Saxophonisten<br />
Wayne Shorter war schon immer eine Ausnahmeerscheinung. Musik sei, so sein Credo,<br />
wie ein spiritueller Tanz. Der Film „The Language Of The Unknown“ dokumentiert die<br />
Arbeit mit seinem aktuellen Quartet – ein Plädoyer für den stetigen Aufbruch ins<br />
Unbekannte. Tastenstars gibt’s viele – er ragt heraus. Daniil Trifonov, befand ein Kritiker<br />
zu Recht, sei „der Pianist für den Rest unseres Lebens“. Der russische Echo-Preisträger<br />
holt Liszt, Chopin und Scriabin aus der plüschigen Romantik-Ecke und überrascht mit<br />
einer spielerischen Intelligenz und Brillanz. Live aus dem Teatro La Fenice und der<br />
Carnegie Hall – schlichtweg ein Erlebnis. Cameron Carpenter, der neue, klassisch<br />
ausgebildete Superstar an der großen Orgel, posiert gern rebellisch mit Iro-Schnitt im<br />
Unterhemd. Kein Wunder, er sprengt das kirchenmusikalische Repertoire und fegt wie<br />
ein Crossover-Orkan über Genre-Grenzen hinweg. Auch<br />
wenn Bedenkenträger wieder mal die Stirn runzeln: Er<br />
rockt und jazzt sein Instrument wie ein Mega-Orchester<br />
– virtuos, sinnlich, wild!<br />
Otto Paul Burkhardt<br />
AUDIO-Mitarbeiter<br />
www.audio.de ›01 /2015<br />
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