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Arsch huh, Zäng ussenander! - WDR.de

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meine Redaktion kamen und heute<br />

schon vor 12:00 auf <strong>de</strong>r Internet-<br />

Seite stehen.<br />

Kommt es mir nur so vor, dass im<br />

Presseclub glaubwürdiger gestritten<br />

wird als in <strong>de</strong>n Abend-Talkrun<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>s Fernsehens Eine Weltaner<br />

Nation<br />

Monika Piel<br />

unter Höfer schon mal ganz schön<br />

heiß her ging und er wortgewaltig<br />

die Wogen glätten musste. Erinnern<br />

Sie sich an ähnliche Temperamentsausbrüche<br />

im Presseclub<br />

Schönenborn: Ich erinnere mich, dass<br />

es zwischen Josef Joffe und Alfred<br />

Grosser sehr geknistert hat. Da haben<br />

wir auch über <strong>de</strong>n Euro gesprochen,<br />

und man merkte, dass die bei<strong>de</strong>n<br />

viele Konflikte in ihrem Leben miteinan<strong>de</strong>r<br />

ausgetragen haben.<br />

Ein Dilemma<br />

Unsere Gesellschaft hat seit fünf<br />

Jahren die Krise als Hauptthema,<br />

aber diese Krise ist nicht klassisch<br />

kontrovers. Das ist für eine<br />

politische Gesprächssendung ein<br />

Dilemma. Wenn man dieses Jahr<br />

anschaut, fin<strong>de</strong>t man mit Mühe<br />

eine Handvoll Themen – Beispiel<br />

Beschneidungs<strong>de</strong>batte, Beispiel<br />

Betreuungsgeld – die das Land<br />

kontrovers diskutiert hat.<br />

wdr print: Welches war Ihre außergewöhnlichste<br />

Ausgabe<br />

Schönenborn: Ich freue mich immer<br />

wenn es uns gelingt, an wichtigen<br />

Schauplätzen zu sein. Ich<br />

erinnere mich an eine sehr gute<br />

Sendung vom Wahltag aus Moskau<br />

mit einem regierungsnahen<br />

russischen Kollegen und einer<br />

oppositionsnahen Kollegin. Als<br />

<strong>de</strong>utsches Fernsehen mitten in<br />

Moskau diesen Diskurs zu führen,<br />

<strong>de</strong>r so im russischen Staatsfernsehen<br />

nie stattfin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, hat<br />

mir gefallen.<br />

wdr print: Ist <strong>de</strong>r Presseclub als<br />

Foto: wdr/Sachs<br />

Foto: wdr/Görgen<br />

Foto: wdr/ Sachs<br />

quasi nationale Institution nicht<br />

<strong>de</strong>m Diktat <strong>de</strong>r Einschaltquoten<br />

unterworfen, o<strong>de</strong>r wird er in seinem<br />

60. Jahr, wenn man <strong>de</strong>n Frühschoppen<br />

mitrechnet, immer noch<br />

von so vielen eingeschaltet<br />

Schönenborn: Wir freuen uns über<br />

je<strong>de</strong>n zusätzlichen Zuschauer und<br />

natürlich gucken wir je<strong>de</strong> Woche,<br />

wie viele dabei waren. Wir haben<br />

aber das Glück, dass wir ein treues<br />

Stammpublikum haben. Seit vielen<br />

Jahren schalten etwa eine Million<br />

Zuschauer konstant ein. Und<br />

wir haben ein sehr interessiertes<br />

und gebil<strong>de</strong>tes Publikum, darunter<br />

viele Multiplikatoren.<br />

wdr print: Die Gratulanten auf<br />

dieser Seite versuchen sich ebenfalls<br />

an <strong>de</strong>r Erklärung <strong>de</strong>s Erfolgs.<br />

Rainer Hank von <strong>de</strong>r FAZ<br />

beispielsweise meint, es könnte<br />

daran liegen, dass im Presseclub<br />

glaubwürdiger gestritten wird,<br />

dass es auf das Mittagsformat<br />

zurückzuführen ist o<strong>de</strong>r weil Die<br />

Sendung mit <strong>de</strong>r Maus vorher so<br />

gut ist. Was meinen Sie<br />

Glaubwürdiger Diskurs<br />

Schönenborn: Ich glaube, dass<br />

Erklärungsversuch Nummer eins<br />

<strong>de</strong>r Sache sehr nahe kommt. Der<br />

Presseclub ist die einzige Sendung,<br />

in <strong>de</strong>r nicht Interessenvertreter<br />

miteinan<strong>de</strong>r streiten. Die Leute,<br />

die da sitzen, vertreten we<strong>de</strong>r einen<br />

Verband noch eine Partei, son<strong>de</strong>rn<br />

nur ihre eigene Position. Und<br />

das unterschei<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Presseclub<br />

von allen Talkshows. mal<br />

Sonia Seymor Mikich Jörg Schönenborn Volker Herres<br />

Foto: wdr/ Sachs<br />

Foto: SZ<br />

Glückwünsche <strong>de</strong>r Leitartikler<br />

Die Sonntagsmittags-<br />

Lust zu Köln<br />

Von Heribert Prantl<br />

„Die munteren Mo<strong>de</strong>rator(inn)en<br />

<strong>de</strong>r zahlreichen Talkshows richten<br />

mit ihrem immer gleichen Personal<br />

einen Meinungsbrei an, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m<br />

letzten Zuschauer die Hoffnung<br />

nimmt, es könne bei politischen<br />

Themen noch Grün<strong>de</strong> geben, die<br />

zählen. Manchmal zeigt <strong>de</strong>r ard-<br />

Presseclub, dass es auch an<strong>de</strong>rs<br />

geht.“<br />

Das ist ein Lob nicht von mir,<br />

son<strong>de</strong>rn vom Philosophen Jürgen<br />

Habermas. Er formulierte dieses<br />

„Unbehagen an <strong>de</strong>r politisch-medialen<br />

Klasse“ samt Ehrenerklärung<br />

für <strong>de</strong>n Presseclub in einem<br />

Artikel <strong>de</strong>r Süd<strong>de</strong>utschen Zeitung<br />

vom 7. April 2011, in <strong>de</strong>m er für<br />

eine offensive, mutige Europapolitik<br />

warb. Wenn ein politischer<br />

Philosoph <strong>de</strong>r Weltklasse eine politische<br />

Fernseh-Gesprächsrun<strong>de</strong><br />

im <strong>de</strong>utschen Fernsehen für bemerkenswert<br />

hält – dann ist das<br />

bemerkenswert.<br />

Ich bin nun seit fast 25 Jahren<br />

Journalist – und es ist wohl 24<br />

Jahre her, dass ich zum ersten<br />

Heribert Prantl leitet die Redaktion<br />

Innenpolitik <strong>de</strong>r Süd<strong>de</strong>utschen<br />

Zeitung.<br />

Mal in <strong>de</strong>n Presseclub eingela<strong>de</strong>n<br />

wur<strong>de</strong>; es ging um die Deutsche<br />

Einheit, und es waren nicht nur<br />

Journalisten da, son<strong>de</strong>rn auch<br />

Wolfgang Schäuble, auf <strong>de</strong>n sich<br />

dieser Presseclub sehr konzentrierte.<br />

Diese Übung, gelegentlich<br />

auch Politiker einzula<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong><br />

bald darauf, zum Segen <strong>de</strong>r Sendung,<br />

wie<strong>de</strong>r eingestellt. Politiker<br />

sehen und hören die Leute ja<br />

oft genug im Fernsehen. Das Beson<strong>de</strong>re<br />

<strong>de</strong>s Presseclubs ist: da<br />

sind Journalisten unter sich. Journalisten<br />

müssen nicht wahlkämpfen,<br />

sie müssen nicht für eine<br />

Partei werben, sie müssen keine<br />

Parteilinie vertreten; sie müssen<br />

sich nicht künstlich aufblasen<br />

und <strong>de</strong>m Kollegen von <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Partei das Wort abschnei<strong>de</strong>n,<br />

sie müssen keine Show liefern,<br />

son<strong>de</strong>rn einfach möglichst gute<br />

Diskussionsbeiträge. Es entfällt<br />

das politische Gegockel und das<br />

Kikeriki – o<strong>de</strong>r sagen wir: das<br />

gibt es bei Journalisten, sie sind<br />

schließlich Menschen, auch, aber<br />

in reduzierter Form.<br />

Damals, als ich, Schäuble gegenüber,<br />

im Presseclub saß, brachte<br />

ich vor lauter Aufregung nur<br />

wenig heraus. Die Sendung ging<br />

schon fast zu En<strong>de</strong>, da platzte ich<br />

mit <strong>de</strong>m Vorwurf heraus: „Herr<br />

Foto: FAS<br />

Schäuble, sie sind kleinmütig.“<br />

Ich hatte für die <strong>de</strong>utsche Einheit<br />

nach Artikel 146 Grundgesetz geworben,<br />

also für die Einheit mittels<br />

einer neuen, gesamt<strong>de</strong>utschen<br />

Verfassung plädiert; Schäuble<br />

war ein Vertreter <strong>de</strong>r Beitrittslösung<br />

nach Artikel 23 Grundgesetz<br />

… und er hielt alles an<strong>de</strong>re für zu<br />

kompliziert, zu langwierig und illusorisch.<br />

Nun ja; die Wie<strong>de</strong>rvereinigung<br />

wur<strong>de</strong> natürlich via Artikel 23<br />

konstruiert.<br />

Meine große Aufregung von damals<br />

ist bald <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> über und <strong>de</strong>m<br />

großen Vergnügen an diesem Presseclub<br />

gewichen – und <strong>de</strong>m Respekt<br />

vor <strong>de</strong>n Mo<strong>de</strong>ratoren, von <strong>de</strong>nen ich<br />

ziemlich viele mit vielen liebenswürdigen<br />

Eigenheiten erlebt habe. Und<br />

fast immer ist die Lust in dieser Sendung<br />

zu spüren: die Lust daran, klar<br />

und pointiert zu re<strong>de</strong>n. Es ist dies<br />

die Sonntagsmittags-Lust zu Köln.<br />

Und so ist <strong>de</strong>r Presseclub – gesen<strong>de</strong>te<br />

Streitkultur.<br />

Weltanschauung<br />

Von Rainer Hank<br />

Der Aphoristiker Johannes Gross war<br />

es, <strong>de</strong>r bei meinem ersten Presseclub<br />

neben mir saß: ein kleiner, aber<br />

wortgewaltiger Herr, weshalb ich in<br />

<strong>de</strong>r Sendung – sei es aus Respekt,<br />

sei es aus Aufregung – selbst kaum<br />

etwas zu sagen wagte. Hinterher,<br />

bei gut durchgezogenen Wurstbrötchenhälften<br />

und viel Kaffee, erzählte<br />

Fritz Pleitgen von Russland und <strong>de</strong>r<br />

übrigen weiten Welt, Gross sagte,<br />

dass am Presseclub so schön sei,<br />

dass man das Honorar direkt auf<br />

die Tatze bekomme, und ich schämte<br />

mich, weil ich für mein Geld so wenig<br />

geleistet hatte.<br />

Das ist wohl zwanzig Jahre her,<br />

fürchte ich, und die alten Kämpfer,<br />

Pleitgen, „Blacky“ Schwarz o<strong>de</strong>r<br />

Hans Barbier, sind auch nicht mehr<br />

da. Jetzt gibt es eine Espressomaschine,<br />

kleine Klopse mit Senf, das<br />

elektronische Gästebuch und Herr<br />

Herres hat einen Knopf im Ohr. Der<br />

Presseclub ist immer noch putzmunter,<br />

die lieben Kollegen sind jetzt<br />

auch Kolleginnen und das Publikum<br />

ist unglaublich treu. Man merkt es<br />

an <strong>de</strong>n erregten Zuschauerbriefen,<br />

die früher ab Mittwoch per Papier in<br />

Rainer Hank ist Ressortleiter Wirtschaft<br />

sowie „Geld & Mehr“ bei <strong>de</strong>r Frankfurter<br />

Allgemeinen Sonntagszeitung.<br />

DAS THEMA<br />

schauung zu haben muss ja nicht<br />

altmodisch sein, solange sie sich<br />

nicht i<strong>de</strong>ologisch abschottet und<br />

man sich die besten Argumente<br />

um die Ohren hauen darf. Vielleicht<br />

ist das ein Geheimnis<br />

<strong>de</strong>s Mittagsformats. Vielleicht<br />

erklärt die Langlebigkeit aber<br />

auch, dass Die Sendung mit <strong>de</strong>r<br />

Maus immer so gut ist und die<br />

Leute hängen bleiben, weil das<br />

sonntägliche Familienmittagessen<br />

längst außer Mo<strong>de</strong> gekommen<br />

ist. Wie auch immer: Hauptsache<br />

<strong>de</strong>r Presseclub bleibt noch<br />

viele Jahre.<br />

Erfolgsrezept „Respekt“<br />

Von Ines Pohl<br />

Vielleicht ist das Erfolgsrezept <strong>de</strong>s<br />

Presseclubs ganz schlicht. Und es<br />

ist einfach das Konzept „Respekt“,<br />

das die allsonntägliche Sendung<br />

so beson<strong>de</strong>rs macht. So wertvoll<br />

und erfolgreich. Respekt zum allerersten<br />

gegenüber <strong>de</strong>m Gegenstand<br />

<strong>de</strong>r Berichterstattung: <strong>de</strong>r Politik<br />

und ihren AkteurInnen.<br />

Wenn auch meist locker, so doch<br />

klar vom Mo<strong>de</strong>ratoren-Team geführt,<br />

ist plumpes Politikerbashing<br />

tabu. Das passt nicht. Nicht zur<br />

ehrwürdigen Geschichte, aber<br />

auch nicht zur <strong>de</strong>finierten Gegenwart.<br />

Und ist damit ein Alleinstellungsmerkmal<br />

in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Talklandschaft.<br />

Ines Pohl ist Chefredakteurin <strong>de</strong>r taz.<br />

Foto: Weber<br />

Es ist <strong>de</strong>r Respekt vor <strong>de</strong>m Argument,<br />

<strong>de</strong>r fast je<strong>de</strong> Sendung<br />

zu einem Lernerlebnis macht. Irgendwo<br />

auf dieser Welt ist etwas<br />

Neues passiert, die Koordinaten<br />

<strong>de</strong>r bisherigen Argumentationslinien<br />

verschieben sich. Und da ist<br />

auf <strong>de</strong>n Presseclub Verlass: Das<br />

Aktuelle wird in das Bestehen<strong>de</strong><br />

eingeordnet.<br />

Respekt aber auch vor <strong>de</strong>n Mitdiskutieren<strong>de</strong>n.<br />

Bei allem Feuer,<br />

mit <strong>de</strong>m je<strong>de</strong>r Journalist natürlich<br />

für seine Weltsicht brennen<br />

muss, wird erstmal zugehört, na ja,<br />

meistens. Und dann aufeinan<strong>de</strong>r<br />

eingegangen. Ich bin sicher, dass<br />

auch hier die Frauen-Quote hilft.<br />

Zu viel Testosteron passt einfach<br />

nicht zum ernst gemeinten Konzept<br />

einer differenzierten Analyse.<br />

In diesem Sinne gratuliere ich <strong>de</strong>m<br />

Presseclub für die vergangenen 25<br />

Jahre. Und wünsche als engagierte<br />

Journalistin und überzeugte Demokratin:<br />

Bleiben Sie sich treu.<br />

Deutschland braucht gera<strong>de</strong> in<br />

diesen Zeiten, die auch medial immer<br />

aufgeregter wer<strong>de</strong>n, Räume<br />

für eine respektvolle Auseinan<strong>de</strong>rsetzung.<br />

<strong>WDR</strong>PRINT · Dezember 2012 5

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