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Die Paulusbriefe in der Holländischen Radikalkritik 1996 pdf

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Hermann Deter<strong>in</strong>g: <strong>Die</strong> <strong>Paulusbriefe</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Holländischen <strong>Radikalkritik</strong> 24<br />

nach se<strong>in</strong>er Bekehrung. Der E<strong>in</strong>schub dient dazu, Paulus die Souveränität zu<br />

nehmen und ihn zum Abhängigen Jerusalems zu machen. Der Galaterbrief, <strong>in</strong><br />

dessen E<strong>in</strong>gang ausdrücklich gesagt wird, daß Paulus gottberufener Apostel ist,<br />

nicht von Menschen noch durch e<strong>in</strong>en Menschen, wird auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong><br />

katholischen Apostelgeschichte bearbeitet. Wie dort ist die Tendenz: Paulus hat<br />

gar ke<strong>in</strong>e eigene Offenbarung gehabt (wie die Marcioniten behaupteten), son<strong>der</strong>n<br />

ist bei den Aposteln bzw. bei Petrus gewesen. Der (und nicht Gott) hat ihn als<br />

Repräsentant <strong>der</strong> Jerusalemer Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong>struiert. Folglich können sich die<br />

Marcioniten nicht auf Paulus berufen und haben auch ke<strong>in</strong>en Anspruch darauf,<br />

e<strong>in</strong>e selbständige Kirche zu se<strong>in</strong>. Wie Paulus von Jerusalem so s<strong>in</strong>d sie von Rom<br />

(<strong>der</strong> legitimen Nachfolger<strong>in</strong> <strong>der</strong> Jerusalemer Kirche) abhängig!<br />

<strong>Die</strong> Rekonstruktion des historischen Kontextes, <strong>in</strong> den wir den Galaterbrief <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> ersten Hälfte des 2. Jahrhun<strong>der</strong>ts e<strong>in</strong>fügen und neu verstehen könnten, ist e<strong>in</strong><br />

skizzenhafter Entwurf. Er soll die Perspektive aufzeigen, unter <strong>der</strong> e<strong>in</strong> Versuch<br />

e<strong>in</strong>er historischen Ortung des Schreibens im 2. Jahrhun<strong>der</strong>t geschehen könnte.<br />

<strong>Die</strong> zentrale Frage muß die nach dem cui bono se<strong>in</strong>. Welcher christlichen<br />

Gruppierung im 2. Jahrhun<strong>der</strong>t konnten die Briefe nutzen <strong>Die</strong> Antwort ist klar:<br />

<strong>Die</strong> ersten Nutznießer <strong>der</strong> <strong>Paulusbriefe</strong> waren zweifellos zugleich diejenigen, bei<br />

denen zuerst e<strong>in</strong> Kanon von 10 paul<strong>in</strong>ischen Briefen nachweisbar ist: die<br />

Marcioniten. Erst e<strong>in</strong>e gründliche Überarbeitung hat <strong>der</strong>en Rezeption durch die<br />

katholische Kirche ermöglicht und aus dem Apostel Marcions, dem Apostel <strong>der</strong><br />

Häretiker, den katholischen Paulus gemacht, <strong>der</strong> von nun an gleichberechtigt<br />

neben Petrus steht.<br />

5. Weiterh<strong>in</strong> wäre <strong>der</strong> Frage nachzugehen, wie sich das Vorhandense<strong>in</strong><br />

marcionitischer Elemente <strong>in</strong> <strong>der</strong> paul<strong>in</strong>ischen Theologie erklärt. Bei näherer<br />

Betrachtung zeigt sich, daß sich nicht nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Theologie des ursprünglichen<br />

(marcionitischen) Paulus, son<strong>der</strong>n auch im überarbeiteten kanonischen Text noch<br />

e<strong>in</strong>e Reihe von Vorstellungen und Begriffen f<strong>in</strong>den, die nur im Kontext des<br />

marcionitischen Systems s<strong>in</strong>nvoll verstanden werden können. Man hat <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang von Anknüpfungspunkten gesprochen, die Marcion bei Paulus<br />

fand. 57 Hierbei könnte es sich freilich ebensogut um marcionitisches Urgeste<strong>in</strong><br />

handeln, das unter dem katholischen Gras, das darauf wächst, immer wie<strong>der</strong><br />

h<strong>in</strong>durchsche<strong>in</strong>t.<br />

a) Man beachte <strong>in</strong> diesem Zusammenhang vor allem die doketische<br />

Christologie, d.h. die <strong>in</strong> den <strong>Paulusbriefe</strong>n vertretene, aus <strong>der</strong> Gnosis<br />

stammende Auffassung, Jesus sei ke<strong>in</strong> wirklicher Mensch aus Fleisch und Blut<br />

gewesen, son<strong>der</strong>n habe nur e<strong>in</strong>en Sche<strong>in</strong>leib (Phantasma) gehabt.<br />

57 Der Theologe A. HILGENFELD <strong>in</strong>: Das Apostolikon Marcion’s, ZHTh, 1855, 426-<br />

484.<br />

www.<strong>Radikalkritik</strong>.de —Berl<strong>in</strong> 2000

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