UNTER DREIUND ZWANZIG ÜBER DEN ERWARTUNGEN Ein Rückblick auf die Hinrunde der Reserve. Text: Johannes Arbter 09 aussicht Foto: Witters
Foto: Witters Am 20. Februar informierte der <strong>HSV</strong> über den Trainerwechsel in der U23. Der damalige Sportchef Oliver Kreuzer hatte Joe Zinnbauer von den Amateuren des KSC nach Hamburg gelotst. Zinnbauer sollte Rodolfo Cardoso zur neuen Saison als Trainer ablösen. Wirklich wahrgenommen wurde wohl lediglich, dass die <strong>HSV</strong>-Legende Cardoso abtritt - Zinnbauer war eher die Randnotiz. Interessanterweise haben beide Trainer im April 2014 den Fußballlehrer-Lehrgang des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) erfolgreich absolviert – Joe Zinnbauer und Rudolfo Cardoso gemeinsam in einem Klassenzimmer. Neben Rodolfo Cardoso musste der halbe Kader seine sieben Fußballsachen packen - der Umbruch wurde eingeläutet. 13 Spieler verließen den Verein, der in der vergangenen Saison bis kurz vor Schluss um den Klassenerhalt kämpfte. Aus der Startelf, die das letzte Spiel der Saison 2013/14 bestritt (2:3 gegen Wolfsburg II), stehen heute noch Ronny Marcos, Ashton Götz, Francis Adomah und Nils Brüning im Kader. Mit neuem Trainer und neuer Mannschaft ging es in Saisonvorbereitung. Joe impfte seinem Team das ein, was er im Laufe der Vorbereitung ankündigte: ”Wir wollen gerne einen offensiven Fußball spielen. Meine Mannschaft ist motiviert und wir werden in den nächsten Wochen hart arbeiten.” Und die harte Arbeit in den sechs Wochen Saisonvorbereitung schien sich auszuzahlen. 4:0 hieß es nach den ersten 90 Minuten der Saison beim Goslarer SC. Sieben neue Spieler kamen zum Einsatz und erzielten drei der vier Tore. Sieben Spiele und sieben Siege später thronte das Team mit der maximalen Ausbeute von 24 Punkten unangefochten an der Tabellenspitze – und verlor seinen Trainer. Am 16.09.14, fast sieben Monate nach Bekanntgabe der Zinnbauer-Verpflichtung, wurde eben jener zu vermeintlich Höherem berufen: der Betreuung der Bundesliga-Mannschaft. Der neue Trainer des Bundesliga-Teams zeigte sich zum Dienstantritt vor allem dankbar seiner ehemaligen Mannschaft gegenüber und sprach davon, dass seine U23 ihn dorthin gebracht habe, er selbst habe schließlich keine Tore erzielt. Nach einigen netten Worten holt Joe dann aus: ”Wenn es oben nicht funktioniert, hol ich mir Spieler von der U23 - das ist mir vollkommen egal!” Gesagt, getan. Schon beim ersten Bundesligaspiel des Trainer Joe Zinnbauer konnte ein Spieler aus dem Nachwuchs sein Bundesligadebüt feiern. Matti Steinmann sicherte beim 0:0 gegen die Bayern in den letzten Spielminuten den erkämpften Punkt. Mit Ashton Götz, Tolcay Cigerci, Mohamed Gouaida und Ronny Marcos durften vier weitere Spieler aus der U23 ebenfalls Bundesligaluft schnuppern – und wurden teilweise mit Startelfeinsätzen belohnt. Plötzlich schien eine Nachwuchsmannschaft beim <strong>HSV</strong> wieder Sinn zu machen. Die vielbeschworene Durchlässigkeit von unten nach oben funktionierte, die U23 wurde im Bewusstsein wieder als Sprungbrett zu den Profis wahrgenommen, nachdem sie im Jahr zuvor nur als Straflager für aussortierte Profispieler gesehen wurde. Wurde nicht einmal ein halbes Jahr vorher laut über die Sinnhaftigkeit einer U23 nachgedacht, sehen nun viele Fans die Spieler der „Zweiten“ mit anderen Augen. Nachfolger von Joe Zinnbauer wurde Daniel Petrowsky, bis dahin Trainer der U16, und die Mannschaft macht da weiter, wo sie aufgehört hat: 4:1 heißt es am Ende gegen die zweite Vertretung von Eintracht Braunschweig. Petrowsky selbst spricht vom Vertrauensbeweis des Vereins und einer großen Herausforderung, Joe habe ihm eine qualitativ tolle Mannschaft hinterlassen. Weitere Siege und gute Auftritte sprechen für die Richtigkeit seiner Worte. Erst am 10. Spieltag wird die Siegesserie mit dem 1:1 gegen Rehden schließlich gestoppt. Ein Riss ist dennoch nicht zu erkennen, St. Paulis U23 wird bezwungen, es folgen drei weitere Siege am Stück gegen Hannover II (4:1), VfR Neumünster (2:1) und das wahnwitzige 10:0 gegen die Freien Turner aus Braunschweig. Eine bis dato unglaubliche Hinrunde hat ihren Höhepunkt erreicht. Nach dem 14. Spieltag steht man mit 40 Punkten und 50 erzielten Treffern satte 12 Punkte vor Werder Bremen II. Diese Zahlen lesen sich noch beeindruckender, wenn man sie mit denen der Vorsaison vergleicht. Damals stand Platz 15 bei 15 Punkten zu Buche, mit einem Pünktchen Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz. Allerdings machte sich zum Ende des Jahres der Aderlass in der U23 langsam bemerkbar. Die brisante Lage und Verletzungen in der Bundesliga-Mannschaft sorgten dafür, dass einige ehemalige Stammspieler der U23 dauerhaft bei den Profis verblieben, und damit der U23 fehlten. Mit Torhüter Alexander Brunst, Ashton Götz, Ronny Marcos und Mohamed Gouaida haben vier Spieler vorerst offenbar ihre Dauerkarte bei den Profis gebucht. Zwar konnte die Hinrunde nach zwei Unentschieden gegen den SV Meppen (0:0) und dem VfB Lübeck (2:2) ohne Niederlage beendet werden. Allerdings wurde die Rückrunde, die mit 3 Spieltagen noch in diesem Jahr startete, mit drei Niederlagen in Norderstedt (1:4), Oldenburg (1:2) und Flensburg (1:2) eingeleitet. Der einstige Vorsprung von 12 Punkten schmolz damit auf 5 Punkte. Aber das lädt nun wirklich nicht dazu ein, den Kopf hängen zu lassen, im Gegenteil. Eine fast komplett neue Mannschaft, ein neuer Trainer und ein weiterer Trainerwechsel inmitten der Hinrunde, zahlreiche Spieler die zu den Profis berufen wurden - all das hat die Mannschaft nur bedingt tangiert. Es bleibt ein erster Platz und größtenteils hervorragende Leistungen, 14 Siege in 20 Spielen, dabei im Schnitt 2,85 pro Partie erzielte Tore bei 1,05 Tore kassierten Treffern. Die Zuschauer konnten schnelle Spielzüge und fast immer offensiv geführte Partien bewundern. Aus dem Fast– Absteiger ist ein Kandidat für den Aufstieg in die 3. Liga geworden, aus einem Mauerblümchen eine Mannschaft, die eben ein wichtiger Baustein für das Gesamtkonstrukt Hamburger SV ist. Auf Sportdirektor Peter Knäbel warten derweil auch beim Nachwuchs viele Aufgaben. Ein neuer Trainer muss gefunden werden, da Daniel Petrowsky in der nächsten Saison Trainer der U19 wird. Wer die U23 zur neuen Saison trainiert, und wen derjenige dann vom aktuellen Kader begrüßen darf (es laufen 15 Verträge aus), steht aktuell noch in den Sternen. Aber im Gegensatz zu den vergangenen Jahren scheint es endlich ernsthafte Bestrebungen zu geben, die Nachwuchsarbeit auf stabile Beine zu stellen. Peter Knäbel am 19.11. in einem Interview auf <strong>HSV</strong>.de: ”Unser Ziel für unsere U23 ist die Dritte Liga. Wir sind derzeit dabei, die Rahmenbedingungen zu prüfen, denn es ist ein Unterschied zwischen der Regionalliga und der Dritten Liga, auch, weil das dafür nötige Geld dann nicht für Transfers zur Verfügung steht. Allerdings ist es eine Grundsatzentscheidung, ob man einen Unterbau für die Profis haben will, von dem man zehren kann, oder ob man Spieler verleiht und diese dann währenddessen intensiv betreut. Fakt ist, dass bis zur U17 runter in diesem Jahr über 60 Verträge auslaufen. Das ist ein Berg von Arbeit, der uns da erwartet. Aber wenn man sieht, wie viele Spieler sich derzeit aus dem Bereich aufdrängen, erscheint dieser Aufwand nur lohnenswert.” Ein Halbjahr mit der Zweiten. Jungs, genießt die Feiertage, den Jahreswechsel und verteidigt im neuen Jahr das, was ihr euch verdient habt - die Spitze! Ich ziehe meinen Hut vor Euch. 10 aussicht