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GELD UND MACHT<br />

immer noch fast täglich. Vor allem im sogenannten<br />

Minenbecken um Gafsa blockieren<br />

sie oft Straßen und Eisenbahnstrecken,<br />

auf denen die wichtige Phosphat-<br />

und Chemieindustrie ihre Produkte<br />

zur Küste transportiert. In diesen strukturschwachen<br />

Regionen ist die Hälfte aller<br />

Jugendlichen arbeitslos. Durch den<br />

Einbruch des Tourismus im vergangenen<br />

Jahr – aus Deutschland etwa kamen 40<br />

Prozent weniger Touristen – sind auch die<br />

besser entwickelten Küstenregionen von<br />

der Wirtschaftskrise betroffen.<br />

»Man schafft mehr Wachstum<br />

im Land, wenn man die Korruption<br />

bekämpft«<br />

Neben neuen Touristen braucht das Land<br />

Investoren, doch aus deren Sicht sind zu<br />

viele Fragen ungeklärt. »Es besteht noch<br />

ganz viel Unsicherheit, politisch und in<br />

sozialer Hinsicht«, sagt Slim Feriani, der<br />

tunesische Chef des rund 750 Millionen<br />

Euro schweren Vermögensverwalters Advance<br />

Emerging Capital. Der Fonds hat<br />

seine Investitionen in Tunesien während<br />

der Revolution von fünf auf ein Prozent<br />

seines Portfolios in der Region reduziert<br />

und will erst einmal weiter abwarten.<br />

»Es gibt eine große Auseinandersetzung<br />

über die zukünftige Richtung des Landes«,<br />

sagt Feriani. »Die oberste Priorität<br />

sollte es jetzt sein, endlich schnell und<br />

pragmatisch die Verfassung abzuhaken<br />

und sich nicht in ideologischen Fragen zu<br />

verlieren.« Vor allem die Vorstellungen der<br />

islamistischen Ennahda-Partei – der derzeit<br />

stärksten politischen Kraft im Land –<br />

von einer Islamisierung seien wenig verheißungsvoll<br />

und könnten speziell den<br />

Tourismus treffen, an dem fast die Hälfte<br />

aller Arbeitsplätze in Tunesien hängt.<br />

Doch viele Tunesier wollen trotz der<br />

wirtschaftlichen Probleme nicht einfach<br />

zur Tagesordnung übergehen. Auf Facebook<br />

attackieren Aktivisten den Gouverneur<br />

der Zentralbank, der noch aus der<br />

Ben-Ali-Ära stamme und deswegen nicht<br />

gegen die Financiers des alten Regimes<br />

vorgehe.<br />

»Es hat sich nichts verändert«, sagt<br />

auch Sofiane Reguigui von der tunesischen<br />

Vereinigung für Transparenz im<br />

Energie- und Minensektor. »Wegen der<br />

Pressefreiheit diskutieren wir jetzt ständig<br />

über Korruptionsfälle, aber viele Geschäftsleute<br />

aus der Ben-Ali-Ära sind<br />

noch da.« Reguigui fürchtet, die Islamisten<br />

wollten die Aufarbeitung der Korruption<br />

abkürzen, um es sich nicht mit<br />

der nach wie vor mächtigen Wirtschaftselite<br />

des Landes zu verscherzen.<br />

Ebenso wie vielen anderen Tunesiern<br />

bereitet es ihm Unbehagen, dass nach<br />

der Revolution zwar das Geld aus anderen<br />

Quellen kommt, aber die Intransparenz<br />

die gleiche geblieben ist. So verweist<br />

Reguigui darauf, dass die Regierung ein<br />

zwei Milliarden Dollar teures Raffinerieprojekt<br />

ohne Ausschreibung an eine<br />

Staatsfirma aus Katar vergeben wolle.<br />

Der reiche Golfstaat hat im Arabischen<br />

Frühling auf die Aufstandsbewegungen<br />

in der Region gesetzt und pumpt jetzt<br />

über mehrere Projekte Geld ins Land,<br />

um seine neu erworbene Stellung als Regionalmacht<br />

zu festigen.<br />

»Wir brauchen dringend das Geld«, sagt<br />

Reguigui. »Aber das heißt nicht, dass wir<br />

auf jegliche good governance verzichten<br />

sollten.« Seine Vereinigung setzt sich vor<br />

allem dafür ein, dass sich Tunesien wie<br />

schon mehr als 30 andere Staaten um die<br />

Aufnahme in die Transparenzinitiative der<br />

Rohstoffwirtschaft bemüht.<br />

Die Verwaltung, die mit Ausnahme des<br />

Zolls weitgehend vom alten Regime übernommen<br />

wurde, weist jede Schuld an der<br />

Korruption von sich. Auch der Ex-Minister<br />

auf der Hotel-Terrasse in Karthago<br />

wurde nach der Revolution nach seiner<br />

Rolle in der Günstlingswirtschaft befragt.<br />

»Es ging um Zuteilungen von Land, keine<br />

große Summen. Doch die Minister haben<br />

auf schriftlichen Befehl von Ben Ali<br />

gehandelt, sie hatten keine Wahl«, sagt er.<br />

Neben den Verflechtungen der Wirtschaft<br />

mit dem Präsidentenpalast Ben Alis<br />

plagt sich Finanzminister Dimassi noch<br />

mit einem weiteren Erbe des alten Regimes.<br />

Der Wirtschaftsexperte, der als politisch<br />

Unabhängiger an den Parlamentswahlen<br />

teilnahm, sorgt sich vor allem um<br />

die hohen Ölpreise. Ebenso wie andere<br />

arabische Autokraten hatte sich Ben Ali<br />

die Bevölkerung mit massiven Subventionen<br />

von Benzin und Lebensmitteln gewogen<br />

gemacht. Doch das kann sich Tunesien<br />

immer weniger leisten in Zeiten,<br />

in denen seine Devisenreserven nicht einmal<br />

mehr reichen, um die Importe für<br />

vier Monate zu decken.<br />

»Vom rein finanziellen und wirtschaftlichen<br />

Standpunkt her müssen wir vor allem<br />

die Benzinpreise korrigieren«, sagt<br />

Dimassi in seinem Palast im Regierungsviertel<br />

von Tunis. Eine Kürzung der Subventionen<br />

dürfte jedoch weitere soziale<br />

Proteste zur Folge haben – und damit den<br />

Spielraum der Regierung, sich mit der Vergangenheit<br />

statt mit der Zukunft zu beschäftigen,<br />

weiter einengen.<br />

Fondsmanager Feriani warnt bei allem<br />

Pragmatismus dennoch davor, die Aufarbeitung<br />

der Korruption zu vernachlässigen.<br />

Die grassiere vor allem im öffentlichen<br />

Sektor Tunesiens auch nach dem<br />

Ende des Ben-Ali-Regimes noch immer.<br />

»Die Priorität sollte jetzt auf Wachstum<br />

liegen, aber das heißt nicht, dass sie nur<br />

das tun und für die nächsten beiden Jahre<br />

die Korruption ignorieren sollten«, betont<br />

Feriani. »Beides gehört zusammen.<br />

Man schafft mehr Wachstum im Land,<br />

wenn man die Korruption bekämpft, denn<br />

Korruption kostet die Wirtschaft sehr viel<br />

Geld.«<br />

22 <strong>BusinessReport</strong> Mai/Juni 2012

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