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PLANEN UND BAUEN<br />
die zoroastrische Vergangenheit der Region<br />
an. In einigem Abstand entsteht das<br />
weiß-glänzende Hejdar-Alijew-Kulturzentrum,<br />
benannt nach dem früheren Präsidenten<br />
der jungen Republik und Vater<br />
des heutigen Staatschefs. Der vom Büro<br />
der Stararchitektin Zaha Hadid entworfene<br />
Bau soll einmal ein multifunktionales<br />
Veranstaltungszentrum, ein Museum<br />
und ein Opernhaus beherbergen.<br />
Gebaut werden die beiden Megaprojekte<br />
von der türkisch-aserbaidschanischen<br />
DIA Holding, die 2007 eigens zu<br />
diesem Zweck gegründet wurde; Winterstetters<br />
Arbeitgeber Sobek ist als Subunternehmer<br />
für sie tätig. »Damals, 2007,<br />
gab es nur vier Personen, die Architekten<br />
und mich«, erinnert sich Winterstetter.<br />
Was DIA seitdem aus dem Boden gestampft<br />
habe, sei eine Meisterleistung.<br />
Der aserbaidschanische Baumarkt gebe<br />
die Materialien für derart anspruchsvolle<br />
Projekte gar nicht her; auch an qualifiziertem<br />
Fachpersonal mangele es. Alles<br />
müsse importiert werden – aus den Vereinigten<br />
Arabischen Emiraten, aus Europa<br />
und der Türkei. »Wir haben da eine<br />
Menge Erklärungsarbeit investiert und<br />
teilweise Detailentwicklung bis hin zur<br />
letzten Schraube geleistet«, sagt der Deutsche<br />
über die Zusammenarbeit mit den<br />
Zulieferern in Istanbul.<br />
Fertigstellung von Gebäuden in Aserbaidschan<br />
Ganze Stadtteile mit<br />
alter Bausubstanz<br />
wurden abgerissen<br />
und neu bebaut<br />
In Aserbaidschan selbst scheint nur wenig<br />
von dem transferierten Know-how zu bleiben.<br />
Die Stadt und ihre Bewohner profitierten<br />
dennoch, findet Winterstetter, weil<br />
der Umbau der Metropole auch die Renovierung<br />
ganzer Stadtteile und den Ausbau<br />
der Infrastruktur umfasse. »Baku hat sich<br />
in einem beispiellosen Kraftakt von einer<br />
heruntergekommenen sozialistischen Bettenburg-Stadt<br />
zu einer lebenswerten Großstadt<br />
gewandelt, in der man sich manchmal<br />
fühlt wie in Wien oder Paris.«<br />
Während viele Einwohner Bakus den<br />
Umbau mit Skepsis und Unwohlsein betrachten,<br />
sieht der Stuttgarter den gut umgesetzten<br />
Masterplan dahinter. Begünstigt<br />
werde dessen Verwirklichung gerade durch<br />
die geringe Zahl an Entscheidern in der<br />
aserbaidschanischen Regierung: Lähmende<br />
demokratische Legitimierungsprozesse<br />
wie in Europa fielen einfach weg. »Das<br />
ist wie in China, wenn einmal das Go<br />
kommt, geht alles sehr schnell«, sagt Winterstetter.<br />
Und im Unterschied etwa zum<br />
2006 2007 2008 2009 2010<br />
Fertigstellung von Wohneinheiten 13.900 14.700 17.100 13.500 17.600<br />
Fertigstellung von Wohngebäuden (Anzahl) 9.470 11.967 11.396 9530 11.808<br />
Fertigstellung von Wohngebäuden (1.000 qm) 1.583 1.616 1.845 1.501 2.049<br />
Fertigstellung von öffentlichen Gebäuden (1.000 qm) 146 236 243 139 311<br />
Fertigstellung von privaten Gebäuden (1.000 qm) 1.437 1.380 1.602 1.362 1.738<br />
Anteil des öffentlichen Baus (in Prozent) 9,2 14,6 13,1 9,3 15,2<br />
Quelle: GTAI / Staatliches Statistisches Komitee der Republik Aserbaidschan (2011)<br />
Bauboom in Dubai stünden in Aserbaidschan<br />
Milliardeneinnahmen aus dem Ölund<br />
Gassektor als sichere Finanzierung<br />
hinter den Plänen.<br />
Das ehemals sagenhafte aserbaidschanische<br />
Wirtschaftswachstum, das in den<br />
Jahren ab 2004 zunächst durchschnittlich<br />
21 Prozent erreichte, hat sich zwar aufgrund<br />
der Krise nach 2008 deutlich verlangsamt;<br />
2010 lag es nur noch bei 3,7<br />
Prozent. Dennoch hat das Land in den<br />
fetten Jahren ausreichend Geld- und Goldreserven<br />
aufgebaut, um die Folgen der<br />
Krise abfedern zu können.<br />
Nun ist eine Diversifizierung der heimischen<br />
Wirtschaft das Gebot der Stunde:<br />
Möglichst rasch will sich Aserbaidschan<br />
von der einseitigen Abhängigkeit vom Erdöl-<br />
und Gassektor befreien. 2010/11 entfielen<br />
immerhin schon sieben bis zehn Prozent<br />
des BIP auf die Baubranche. Zwar sind<br />
die ausländischen Investitionen in der<br />
Branche seit 2002 stark rückläufig, doch<br />
dafür steigen die inländischen stetig an.<br />
Nur muss die einheimische Industrie noch<br />
lernen, einen größeren Teil der Arbeit selbst<br />
zu übernehmen.<br />
Zu den ambitionierten Großprojekten<br />
in Baku gehört auch die Chrystal Hall, der<br />
Veranstaltungsort des Eurovision Song<br />
Contest in diesem Mai. Gebaut worden<br />
ist die wabenartig gestaltete Halle direkt<br />
am Ufer des Kaspischen Meeres von Alpine<br />
Bau Deutschland. Die aserbaidschanische<br />
Regierung stellte dafür 212,5 Millionen<br />
Manat (203 Millionen Euro) zur Verfügung.<br />
Allerdings führten die mit dem<br />
Projekt einhergehenden Abriss- und Umsiedlungsmaßnahmen<br />
in der Umgebung<br />
zu Protesten im In- und Ausland. Und ein<br />
Teil des Geldes für den Bau kommt aus<br />
staatlichen Töpfen, die ursprünglich für<br />
die Sanierung der Wasser- und Kanalisationssysteme<br />
in den ländlichen Regionen<br />
Aserbaidschans vorgesehen waren. Schlagerwettbewerb<br />
statt Trinkwasser – ob diese<br />
Rechnung aufgeht<br />
40 <strong>BusinessReport</strong> Mai/Juni 2012