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Pfaffenspiegel

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masus, hatte sich den Beinamen Ohrenkratzer der Damen erworben.<br />

Als Kaiser Julianus zur Regierung kam (361 nach Chr.), da geriet der ganze Pfaffenschwarm in große Bestürzung, denn ihm wollte<br />

das bereits durch Aberglauben aller Art verunstaltete Christentum nicht behagen; er trat wieder zur Religion seiner Väter über und<br />

erwarb sich dafür den Beinamen Apostata (Abtrünniger).<br />

Die Christen waren selbst daran schuld, indem sie ihre reine Lehre durch Wundermärchen und läppische Fabeln verunstalteten. Vor<br />

der ersten allgemeinen Kirchenversammlung von Nicáa (325 nach Chr.) gab es an die fünfzig Evangelien, die bis auf die noch<br />

vorhandenen reduziert wurden, wahrscheinlich weil die andern den Heiden doch gar zu viel zu lachen gaben. Aus dem, was uns<br />

davon übriggeblieben ist, ersehen wir, daß ihre Verfasser mit den Familienverhältnissen Jesu weit genauer bekannt waren, als die<br />

der uns erhaltenen. Wenn sie auch mit seiner Mutter nicht so vertraut waren wie jener Portugiese, der ein «Leben Jesu im Bauche<br />

der Maria» abschrieb, so erzählen sie uns doch, daß dem frechen Menschen, der es wagte, die Maria unzüchtig anzufassen,<br />

sogleich die Hand verdorrte. Auch einige Wunder von Jesus berichten sie. Einst habe derselbe als Kind mit den andern Kindern<br />

gespielt und mit ihnen aus Ton Vögel gemacht, als die seinigen plötzlich fortgeflogen wären. Als er größer geworden, habe er einst<br />

einen Tisch gemacht, der zu kurz gewesen, weshalb er von seinem Vater gescholten worden sei; sogleich habe er an dem Tische<br />

gezogen und ihn so lang gemacht, wie Meister Joseph ihn wollte.<br />

Kaiser Julianus versuchte es, das Christentum zu stürzen, wenn er auch die Christen nicht verfolgte. Zur Freude der Pfaffen fiel er<br />

schon nach zwei Jahren im Kriege gegen die<br />

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Perser. Sein Liebling, der Philosoph Libanius, fragte einst spöttisch einen christlichen Lehrer zu Antiochien: «Was macht des<br />

Zimmermanns Sohn?» Er erhielt zur Antwort:<br />

«Einen Sarg für deinen Schüler.» Bald darauf starb der Kaiser. Libanius vermutete, vielleicht eben wegen dieser Äußerung, daß er<br />

durch irgendeinen fanatischen Christen seinen Tod fand. Sterbend unterhielt sich der Kaiser über die Erhabenheit der menschlichen<br />

Seele, aber die Christen erzählen, er habe eine Hand voll Blut gen Himmel gespritzt und ausgerufen: «Du hast gesiegt, Galiläer.»<br />

Mit Julian starb der letzte heidnische Kaiser; unter seinen Nachfolgern wurde die Macht der Pfaffen immer größer.<br />

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2. Kapitel<br />

Die lieben, guten Heiligen<br />

Zu alten Zeiten hieß heilig, wenn der Fliegen, der<br />

Heuschrecken fraß und jener gar mit seinem<br />

heil'gen Hintern in einem Ameisenhaufen saß, um<br />

voller Andacht drin zu überwintern.<br />

Die Protestanten haben die Heiligen abgeschafft, aber der gläubige Katholik betet noch heute vor dem Bilde des Heiligen, in<br />

dessen Departement er oder die Bitte gehört, deren Erfüllung er wünscht.<br />

Der Adel steht unter der besonderen Protektion von St. Georg, St. Moritz und St. Michael; der Patron der Theologen ist<br />

seltsamerweise der ungläubige St. Thomas und der Schutzheilige der Schweine ist St. Antonius; die Jurisdiktion über die Juristen<br />

hat St. Ivo, über die Ärzte St. Cosmus und St. Damian, über die Jäger St. Hubertus; die Trinker stehen unter dem Schütze St.<br />

Martins.<br />

So hat auch jedes Gewerbe seinen besonderen Heiligen, wie auch jede Nation ihren besonderen Schutzheiligen hat. Die<br />

Portugiesen haben St. Anton, die Spanier St. Jacob, die Franzosen St. Denis, die Engländer St. Georg, die Venetianer St. Marcus,<br />

die Russen St. Nicolaus; die Frommen in Preußen beten zu St. Thieleus, dessen Fürbitte als besonders kräftig gerühmt wird; die<br />

Deutschen, ach ja so, die haben keinen Nationalheiligen, weil sie nie eine Nation waren. St. Thieleus bitt' für sie!<br />

Auch haben einige Heilige, die mit der Leitung von Na-<br />

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tionen und besonderen Ständen nicht zu sehr beschäftigt sind, ihre Muße im Himmel benutzt, einige Übel der armen Erdenwürmer<br />

besonders gründlich zu studieren, und der liebe Gott, der doch nicht alles selbst tun kann, hat ihnen nach dem Glauben vieler<br />

Katholiken erlaubt, ihm hier und da auszuhelfen. St. Aja hat die Rechtswissenschaft studiert und hilft in Prozessen, St. Cyprian

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