Pfaffenspiegel
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Betrügerei ist also bei dieser Rockgeschichte ganz sicher im Spiel, wenn diese auch vielleicht nicht von den jetzigen Besitzern<br />
ausgeht, und ein jeder derselben, der seinen<br />
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«heiligen Rock» für echt erklärt, gibt der römischen Kirche eine Maulschelle, indem er die Päpste, welche die Echtheitsbullen für<br />
die übrigen ausstellten, Betrüger schilt, denn die Päpste sind ja unfehlbar!<br />
Wenn nun manche zu eifrige Freunde der Vernunft verlangen, daß der Staat diese Wallfahrten verbieten soll, so begehen sie eine<br />
Lächerlichkeit. Die Regierungen mischen sich weiß Gott schon in genug Dinge, von denen viele meinen, daß sie dieselben nichts<br />
angehen, und dies ist ganz bestimmt der Fall mit den Wallfahrten. Was hat sich die Regierung um den Zweck meiner Reise zu bekümmern,<br />
wenn er ein so gänzlich unschuldiger ist! Wollende Menschen eine Dummheit begehen, die ja niemand schadet, nun so<br />
laßt sie doch in Gottes Namen dumm sein! Was kümmert es die Regierung, ob ich reise, um eine schöne Gegend zu sehen oder um<br />
einen alten Paletot zu küssen!<br />
Eine andere Frage dagegen ist es, ob es nicht Pflicht der Regierung wäre, die Untertanen vor Betrug zu schützen! Ein Weinhändler,<br />
welcher ein selbstgemachtes Gebräu für Wein verkauft, wird bestraft; einen Lump, der, um Geld zu gewinnen, Handschriften<br />
nachmacht, hat die Regierung gar bald am Ohr; aber weil unter fünf Röcken Christi einer vielleicht der echte sein könnte, so<br />
erlaubt sie, daß das Publikum ganz gewiß vierfach und höchstwahrscheinlich Fünffach betrogen wird! Ist darin Logik?<br />
Seit anderthalb tausend Jahren leben die Pfaffen von der Gutgläubigkeit der Menschen; hört diese auf, dann haben auch ihre<br />
Einnahmen ein Ende, und es ist in der Tat ein seltsames Verlangen, welches man wohl an Engel, aber nicht an Pfaffen stellen kann,<br />
daß sie freiwillig und ohne Zwang für die Aufklärung tätig sein sollen, welche notwendigerweise ihre Existenz vernichten muß!<br />
Beweist den Pfaf-<br />
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fen, daß sie durch die Aufklärung gewinnen, und dann werdet ihr eure Freude daran haben, wie schnell die Reliquien, Ablaß und<br />
dergleichen verschwinden!<br />
Im Interesse der Geistlichkeit liegt es, mit allen Kräften dahin zu wirken, daß der Zustand wiederhergestellt werde, welchen die<br />
römisch-katholische Kirche als den segenvollsten erkannt hat. Es ist dies der Zustand, dessen sich die Welt im Mittelalter erfreute,<br />
wo man dem Worte eines Geistlichen denselben Glauben schenkte, als spräche Gott selbst; wo jedermann sich ereiferte, sein Geld<br />
für die Waren hinzugeben, mit welchen die Kirche handelte; wo Kaiser und Könige dem Oberhaupte der Kirche, dem Papste,<br />
demütig den Steigbügel hielten und den Pantoffel küßten; wo es Tausende von Klöstern gab, gefüllt mit feisten Faulenzern; wo die<br />
halbe Erde der Kirche gehörte! Die Geschichte lehrt, daß die römisch-katholische Kirche seit ihrem Entstehen eine Anstalt war, die<br />
sich damit beschäftigte, die Schwächen der Menschen, ihren Aberglauben, mit einem Worte ihre Dummheit zu benutzen, um<br />
daraus den möglichst großen Geldgewinn zu ziehen. Weil die Aufklärer diesen Geldgewinn zu beeinträchtigen drohten, deshalb<br />
wurden sie so hart mit Feuer und Schwert verfolgt, wenn auch die Werkzeuge, welche die Päpste zu diesen Verfolgungen<br />
gebrauchten, zum Teil in Aberglauben versunkene, fanatische Menschen waren. Der Aberglaube war die Wünschelrute, welche die<br />
Schätze aus den Beuteln der Menschen zu Tage oder vielmehr gen Rom beförderte, und deshalb war er das Schoßkind der Geistlichkeit,<br />
welches von ihr auf das sorgfältigste gehegt und gepflegt wurde.<br />
Wie Christus nach der kirchlichen Sprache das Lamm Gottes ist, welches die Sünden der Welt trägt, so ist der Bischof Arnoldi von<br />
Trier der Bock, welchem nun die<br />
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Sünden der römisch-katholischen Kirche aufgeladen werden - und welcher nun dafür büßen muß!<br />
Ich habe die vollkommene Überzeugung, daß der Herr Bischof Arnoldi innerlich über die Einfältigen lacht, welche sich durch<br />
seinen «heiligen Rock» das Geld aus den Taschen locken lassen, und daß er mehr an die Echtheit und Wunderkraft dieses Geldes<br />
glaubt, als an die des heiligen Rockes. Aber dieses alte Kleidungsstück ist in seine Verwahrung gegeben als ein Kapital, welches er<br />
zum Besten der Kirche benutzen muß, was nur dadurch geschehen kann, daß er das heilige Kleinod für Geld sehen läßt. Indem er<br />
nun dieses tut, tut er eben nichts anderes, als was ihm von seinen Oberen befohlen ist. Er handelt als ein guter Beamter, der nicht zu<br />
denken, sondern nur zu gehorchen hat, und ganz im Geiste der römisch-katholischen Kirche und derjenigen Männer, welche diese<br />
als heilig anerkannt hat.<br />
Daß nun diese Ausstellung des heiligen Rockes gerade die schon seit langer Zeit gefüllte Bombe entzündete, ist nicht des Bischofs<br />
Schuld. «Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht», ist ein altes deutsches Sprichwort. Viele vernünftige Katholiken fingen<br />
an, sich darüber zu schämen, daß sie einer Kirche angehörten, welche solche Lächerlichkeiten gutheißt, und sagten sich von ihr los.<br />
Die neue Reformation ist ein Wunder des heiligen Rockes, von welchem sich der Heilige Vater in Rom nichts träumen ließ! Dieser<br />
Speer, welchen sein Geiz gegen die Vernunft schleuderte, hat sich gegen ihn selbst gekehrt.<br />
Doch ich denke nun, den Herrn Bischof Arnoldi hinlänglich gerechtfertigt zu haben, und nun wollen wir uns in der Trödelbude<br />
weiter umsehen. Daß die Päpste die christlichen Schafe schoren, weiß jedermann, aber nicht so bekannt möchte es wohl sein, daß