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Pfaffenspiegel

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Wenn auch Pipin sich sehr demütig zeigte, so fiel es doch seinem Sohne, Karl dem Großen, obgleich ersieh in Rom vom Papste<br />

zum Kaiser krönen ließ, nicht im allerentferntesten ein, sich diesem unterzuordnen; er betrachtete ihn als den ersten Reichsbischof<br />

und trat in alle Rechte, welche sonst der römische Kaiser ausgeübt hatte.<br />

Aber dieser sonst so vernünftige und große Mann, welcher die Geistlichkeit wegen ihrer Habsucht, Prachtliebe und Sittenlosigkeit<br />

sehr derb herunterkanzelte, beging dennoch den dummen Streich, den Pfaffen ein Recht zu gewähren, welches nur dazu diente, die<br />

Macht zu erhöhen, von der Karls Nachfolger mißhandelt wurden. Er bestätigte den Zehnten!<br />

Als die christlichen Priester sich ganz nach dem Muster der jüdischen bildeten, verlangten sie auch, wie diese, den zehnten Teil der<br />

Ernte usw. für sich. Bisher hatten sie die gläubigen Christen zur Zahlung dieser Abgabe durch Überredung zu verführen gesucht,<br />

und wenn auch schon am Ende des siebten Jahrhunderts eine fränkische Synode den Zehnten für eine göttliche Satzung erklärte und<br />

jeden mit dem Bann bedrohte, der ihn nicht bezahlen wollte, so war dies eben weiter nichts, als ein Beweis der pfaffischen<br />

Unverschämtheit, deren wir so viele haben.<br />

Karl der Große machte den Zehnten erst gesetzlich, und bald dehnten ihn die Pfaffen auf alles mögliche aus. Sie verlangten nicht<br />

nur den Zehnten von den Feldfrüchten, Schafen, Ziegen, Kälbern, Hühnern und dem Erwerb, sondern sie wollten ihn sogar von<br />

Dingen haben, die sich für Geistliche sehr schlecht schickten. Den Beweis dafür mag folgendes liefern:<br />

[144]<br />

Zu Brescia belehrte der Pfarrer die Frauen im Beichtstuhl, daß sie ihm auch den Zehnten von - den ehelichen Umarmungen<br />

entrichten müßten. Eine der Frauen, welche sich von der Rechtmäßigkeit der geistlichen Ansprüche hatte überzeugen lassen, wurde<br />

von ihrem Manne über ihre lange Abwesenheit zur Rede gestellt; von ihm gedrängt -beichtete sie das saubere<br />

Beichtstuhlgeheimnis. Der beleidigte Ehemann sann auf eine herbe Züchtigung. Er veranstaltete ein großes Gastmahl, zu welchem<br />

auch der zehntenlustige Pfarrer geladen wurde. Als man in der besten Unterhaltung war, erzählte der Wirt die saubere Geschichte<br />

der Gesellschaft und wandte sich dann plötzlich gegen den entsetzten Pfaffen, indem er sagte: «Da du nun von meiner Frau den<br />

Zehnten von allen Dingen verlangst, so empfange nun auch den hier.» Dabei überreichte er ihm ein Glas voll Urin und - nun die<br />

Leser mögen sich denken, was darin war - zwang den halbtoten Pfarrer, dasselbe vor den Augen der ganzen Gesellschaft zu leeren!<br />

-Seitdem wird ihm wohl der Appetit nach dem Zehnten etwas vergangen sein!<br />

Karls des Großen unwürdige Nachfolger begingen die Unklugheit, sich ebenfalls von dem Papste krönen zu lassen, und so wurde in<br />

dem dummen Volke bald die Idee erweckt, daß der Papst über dem Kaiser stehe, da er ihn ja erst durch die Krönung zum Kaiser<br />

mache. Die Einwilligung, welche aber die Päpste zu ihrer Wahl vom Kaiser bedurften, wurde stets ohne Sang und Klang eingeholt,<br />

damit das Volk davon nichts merkte.<br />

Papst Eugenius entwarf selbst den Eid, welchen er «seinen Herren, den Kaisern Ludwig und Lothar» leistete und den auch seine<br />

Nachfolger den Kaisern schwören mußten. Dieser Eid, den ich nicht ausführlich erwähnen will, steht auch in den Diplomen, die<br />

von den Kaisern Otto I. und<br />

[145]<br />

Heinrich l. in der Engelsburg in Rom aufgefunden wurden. Es ist also ganz klar bewiesen, daß die Päpste damals vollkommen<br />

anerkannten, daß sie Untergebenerer Kaiser waren.<br />

Es ist ordentlich erbaulich zu lesen, mit welcher grenzenlosen Unverschämtheit die Päpste dies abzustreiten versuchten! Wahrhaft<br />

groß darin war Nikolaus l. (858-868). Er behauptet, «daß die Kaiser, wenn sie Synoden für nötig hielten, stets nach Rom<br />

geschrieben und nicht befohlen, sondern nur gebeten hätten, eine Synode zusammenzurufen, und dann gutgeheißen oder verdammt<br />

hätten, was man in Rom für nötig fand».<br />

Er war sogar so dreist zu behaupten, «daß die Untertanen den Königen, die den Willen Gottes (d. h. des Papstes) nicht täten,<br />

keinen Gehorsam schuldig wären». Seinen Namen setzte er in allen Schriften vor den der Könige, ja, er wagte es, Lothar zu<br />

exkommunizieren, und dieser - bat wirklich demütig um Absolution!<br />

Die Erzbischöfe Teutgaud von Trier und Günther von Köln traten kühn dem frechen Nickel entgegen. «Du bist ein Wolf unter<br />

Schafen», sagten sie zu ihm, «du handelst gegen deine Mitbischöfe nicht wie ein Vater, sondern wie ein Jupiter, du nennest dich<br />

einen Knecht der Knechte und spielst den Herrn der Herren - du bist eine Wespe -, aber glaubst du, daß du alles tun dürftest, was<br />

dir gefällt? Wir kennen dich nicht und deine Stimme und fürchten nicht deinen Donner; die Stadt Gottes, von der wir Bürger sind,<br />

ist größer als Babylon, das sich rühmt, ewig zu sein, und sich brüstet, als ob es nie irren könne.»<br />

Doch was halfen alle diese Anstrengungen? Die starke Kreuzspinne zu Rom spann ihr Lügengewebe über ganz Europa und<br />

bestrickte damit endlich Könige, Bischöfe und Volk! Es ging aber damit den Päpsten noch immer zu<br />

[146]<br />

langsam und sie ersannen einen Betrug, der ihnen schneller zum Ziele helfen sollte und, dank der Dummheit der Welt, leider auch<br />

half!

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