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Pfaffenspiegel

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seine einzigen Mitarbeiter im Reiche Gottes wären (Kolosser 4,7-14). Also «Paulus schreibt davon nichts», daß Petrus jemals in<br />

Rom war.<br />

Doch wenn dieser auch wirklich, ganz gegen seinen Beruf als Apostel, 25 Jahre lang der Pfarrer einer Anzahl bettelhafter Christen<br />

gewesen wäre, folgt denn daraus, daß die nachherigen Bischöfe von Rom das Recht hatten, mit Völkern, Kaisern und Königen wie<br />

mit Bettlern umzuspringen? Ei, ihr Herren Päpste, nennt euch in Gottes Namen Nachfolger Petri, aber macht auch nicht mehr Ansprüche<br />

als dieser!<br />

Wo Petrus gestorben ist, das weiß man zum Glück für die Päpste nicht; und so konnten diese eine sehr schöne und rührende<br />

Geschichte erfinden. Paulus wurde als römischer Bürger bloß enthauptet; aber der Jude Petrus wurde gegeißelt und dann<br />

gekreuzigt, den Kopf nach unten, wie er es - so erzählt die Legende - aus Demut und zum Unterschied mit Christus verlangte.<br />

Aller Wahrscheinlichkeit nach war die Gemeinde der Christen zu Rom zur Zeit, als Paulus dort war, noch nicht so groß, daß sie<br />

eines eigenen Aufsehers bedurfte, und<br />

[126]<br />

von einem Bischöfe in späterem Sinne konnte vollends nicht die Rede sein. Das Verdienst - wenn man es so nennen kann -, die<br />

christliche Gemeinde zu Rom gestiftet zu haben, gebührt also unbedingt dem Paulus; dem Petrus aber auf keinen Fall.<br />

Alle Ansprüche also, welche die römischen Bischöfe darauf gründeten, daß sie Nachfolger des Petrus wären, zerfallen demnach in<br />

nichts. - Ursprünglich wurden diese Peterlügen von ihnen nur deshalb erfunden, weil sie dadurch bewirken wollten, daß ihre<br />

Stimme bei Kirchenstreitigkeiten als die entscheidende gelten sollte. Als sie dies erst durchgesetzt hatten, griffen sie weiter, denn<br />

l'appetit vient en mangeant.<br />

Konsequenterweise beginnen die Päpste ihre Reihe mit Petrus. Nach ihm nennt man eine Menge zum Teil erdichteter Namen, um<br />

nur die Lücken auszufüllen; denn die erste Geschichte der römischen Bischöfe ist ebenso dunkel wie die der römischen Könige.<br />

Mir soll es nicht einfallen, diese Herren Stadtpfarrer, denn anderes waren sie nicht, aufzuzählen. Ich will mich damit begnügen, nur<br />

diejenigen näher zu beleuchten, welche die größten Schritte taten, um dem Gipfelpunkt näherzukommen, nach welchem sie alle<br />

strebten.<br />

Die Reihen der römischen Kaiser, die der asiatischen Despoten, kurz, keine Fürstenreihe der Welt bietet solche moralischen<br />

Ungeheuer dar, als die Reihe der Päpste, die sich die Statthalter Gottes nennen! - Aber sie mochten es noch so arg treiben, den<br />

verdummten Menschen gingen die blöden Augen nicht auf. Fürsten und Völker ließen sich von diesen heiligen Männern das Fell<br />

über die Ohren ziehen und küßten den Tyrannen noch demütig den Pantoffel.<br />

Fuhr einmal ein vernünftiger Fürst dem hochmütigen<br />

[127]<br />

Priester zu Rom über die Glatze, dann schrie das dumme Volk Zetermordio, und war einmal das Volk vernünftig genug, den<br />

römischen Anmaßungen entgegenzutreten, dann kam gewiß ein einfältiger Fürst mit geweihtem Schwert und Hut und wetterte<br />

hernieder auf die verfluchten Ketzer!<br />

So kam es denn, daß die Päpste bis auf den heutigen Tag ein Recht ausüben, das ihnen niemand gegeben. Durch eine unerhörte<br />

Dreistigkeit, durch die klügste Benutzung der Dummheit der Menschen haben sie sich nach und nach in den faktischen Besitz<br />

desselben gesetzt, denn die Christen der ersten Jahrhunderte waren weit entfernt, ihnen dasselbe einzuräumen.<br />

Ein Unrecht kann aber nie ein Recht werden, mag es auch Jahrtausende faktisch bestanden haben. Die, welche darunter leiden,<br />

haben volles Fug und Recht, sich von dem aufgezwungenen Joche loszumachen, sobald sie können. Die sonst auf ihre Macht so<br />

eifersüchtigen Fürsten sind mir in ihrer Stellung zum Papste unbegreiflich! Sie dulden eine Gewalt im Staate, welche der ihrigen<br />

überall Abbruch tut, welche durch ihre Beamte das Volk beherrscht und stets bereit ist, dasselbe aufzuwiegeln, wenn der Fürst<br />

etwas unternimmt, was dem römischen Interesse zuwider ist.<br />

Und wie häufig müssen dergleichen Fälle nicht vorkommen und besonders in Ländern, in denen die protestantische Religion die<br />

vorherrschende und die der Regierung ist! Die neueste Zeit hat es bewiesen, wie die römischen Beamten stets bereit sind, der<br />

weltlichen Regierung ihres Landes entgegenzutreten!<br />

Wie schwach zeigt sich eine solche Regierung, und wie erbärmlich steht sie den anderen Untertanen gegenüber, wenn sie schon von<br />

einem Rom verkauften Bischof ins<br />

[128]<br />

Gesicht trotzen läßt. Ein Schriftsteller, der es wagt, eine Regierungsmaßregel zu tadeln, dem macht man den Prozeß wegen<br />

Majestätsbeleidigung, frechen und unehrerbietigen Tadels der Gesetze und wie die neuerfundenen Ausdrücke alle heißen mögen;<br />

ein Minister oder ein anderer Beamter, der mit einer fremden Regierung gegen die vaterländische konspiriert, wird mit Recht als<br />

Hochverräter angeklagt, und - ein römisch-katholischer Bischof darf das alles tun, ja er darf durch Reden und Schriften das Volk<br />

zum Aufruhr reizen'.

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