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Pfaffenspiegel

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Ich könnte leicht parteiisch erscheinen, wenn ich diese schmachvolle Periode der Wahrheit getreu charakterisierte, deshalb mag für<br />

mich der Kardinal Baronius sprechen, ein durchaus päpstlicher Schriftsteller. Er sagt: «In diesem Jahrhundert war der Greuel im<br />

Tempel und Heiligtum des Herren zu sehen, und auf Petri Stuhl saßen die gottlosesten Menschen, nicht Päpste, sondern<br />

Ungeheuer. Wie häßlich sah die Gestalt der römischen Kirche aus, als geile und unverschämte Huren zu Rom alles regierten, mit<br />

den bischöflichen Stühlen nach Willkür schalteten und ihre Galane und Beischläfer auf Pein Stuhl setzten.» Doch man darf nicht<br />

glauben, daß nur die Päpste ein so unwürdiges Leben rührten, nein, verdorben wie das Haupt, so waren auch die Glieder. König<br />

Edgard sagt in einer Rede von der englischen Geistlichkeit: «Man findet unter der Klerisei nichts anderes als Üppigkeiten, liederliches<br />

Leben, Völlerei und Hurerei. Ihre Häupter haben sie ganz infam gemacht und sie in Hurenherbergen verwandelt. Tag und<br />

Nacht wird darin gesoffen, getanzt und gespielt. Ihr Bösewichte, müsset ihr die Vermächtnisse der Könige und die Almosen der<br />

Fürsten so anwenden?» Ich werde später hinlänglich Beweise anführen, daß König Edgard die Wahrheit sprach und daß seine<br />

Strafrede nicht allein die Geistlichkeit Englands, sondern aller Länder anging.<br />

Nicht der Heilige Geist, sondern die Mätresse des mächtigen Markgrafen Adalbert von Toskana, Marozia, erhob<br />

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Sergius III. auf den päpstlichen Stuhl und zeugte mit ihm hier ein Söhnlein, welches später ebenfalls Papst wurde. Als dieser Papst<br />

starb, gaben ihm Marozia und ihre Schwester Theodora ihren Liebling Anastasius II. zum Nachfolger. Diesem folgte in kurzer Zeit,<br />

weil das Schwesterpaar viel Päpste konsumierte, Johannes X., der es aber mit Marozia verdarb, die ihn gefangensetzen und ersticken<br />

ließ. Leo VI., der ihm folgte, wurde ebenfalls nach einigen Monaten ermordet.<br />

Endlich machte Marozia ihren mit Sergius gezeugten Sohn Johannes XI., der noch fast ein Kind war, zum Papst. Mord und<br />

Totschlag erfüllte Rom. Einer der Feinde des Papstes bemächtigte sich desselben und ließ ihn im Gefängnis vergiften.<br />

Die tolle Wirtschaft, die in Rom und überhaupt in Italien zu dieser Zeit herrschte, ist zu verwirrt und bunt, als daß ich mich auf<br />

nähere Umstände einlassen könnte. Im Jahr 956 gelang es einem Enkel der Marozia, namens Oktavian, den päpstlichen Stuhl zu<br />

erobern, obwohl er erst neunzehn Jahre alt und niemals Geistlicher gewesen war. Er nannte sich Johannes XII. und ist ein wahres<br />

Juwel von einem Papst, der es noch toller trieb als sein gleichzeitiger Kollege, der griechische Patriarch Theophylaktus, ein Junge<br />

von sechzehn Jahren!<br />

Johannes verkaufte Bistümer und Kirchenämter an den Meistbietenden und verwandte mehr auf Pferde und Hunde, als wohl einem<br />

Papst ziemt. Von ersteren hielt er nicht weniger als 2.000, und diese fütterte er aus bloßer Verschwendungssucht mit Pistazien,<br />

Rosinen, Mandeln und Feigen, die vorher in gutem Wein eingeweicht waren. Guter Hafer und Heu wäre ihnen<br />

höchstwahrscheinlich lieber gewesen.<br />

Unter seiner Regierung ging es recht lustig zu, man lachte<br />

[151]<br />

und tanzte In der Kirche und sang dazu liederliche Lieder. Der päpstliche Palast wurde von ihm in ein Serail verwandelt. Kein<br />

Weib war mehr so keck, sich sehen zu lassen, denn Johannes notzüchtigte alles, Mädchen, Frauen und Witwen, selbst über den<br />

Gräbern der heiligen Apostel. So erzählt von ihm der Bischof von Cremona, Luitprand. Diese Wirtschaft wurde endlich dem<br />

Kaiser Otto I. zu toll. Er berief ein Konzil, und hier erfuhr er von dem «Heiligen Vater» höchst unheilige Dinge. Die<br />

achtungswertesten Bischöfe traten gegen ihn als Ankläger auf. Einer sagte, daß er gesehen, wie der Papst einen im Pferdestalle zum<br />

Bischof ordinierte; andere bewiesen, daß er Bischofsstellen für Geld verkaufte und daß er einen zehnjährigen Knaben zum Bischof<br />

von Lodi gemacht habe. Die Unzucht will ich hier übergehen, weil sie zuviel Platz wegnehmen würde. Man beschuldigte ihn<br />

ferner, daß er den Kardinal-Subdiakonus kastriert, mehrere Häuser in Brand gesteckt, beim Wein auf des Teufels Gesundheit<br />

getrunken und beim Würfelspiel oftmals Venus und Jupiter angerufen habe. Nachdem die Synode feierlich die Wahrheit dieser<br />

Aussagen beschworen hatte, bat sie den Kaiser, den Papst trotz aller Beweise nicht ungehört zu verdammen. St. Johannes wurde<br />

also herbeizitiert, aber statt seiner kam ein Brief, in welchem er schrieb: «Wir hören, daß ihr einen anderen Papst wählen wollt. Ist<br />

das eure Absicht, so exkommuniziere ich euch alle im Namen des allmächtigen Gottes. damit ihr außer Stand gesetzt werdet, weder<br />

einen Papst zu ordinieren, noch Messe zu halten.»<br />

Nun machte Kaiser Otto l. nicht viel Umstände mit Johann, setzte ihn ab und den von Volk, Adel und Geistlichkeit erwählten Leo<br />

VIII. an seine Stelle. Johann hatte sich mit den Schätzen der Peterskirche davongemacht. Als Kaiser Otto mit seinen Deutschen<br />

abmarschiert war,<br />

[152]<br />

da verlangten die römischen Damen nach ihrem Liebling Johannes und wußten es durch ihren Anhang dahin zu bringen, daß er<br />

wieder im Triumph in Rom eingeführt wurde. Leo gelang es, zu entkommen, aber mehrere seiner Freunde fielen Johannes in die<br />

Hände, und er ließ sie schändlich verstümmeln. Otgar, Bischof von Speyer, der noch in Rom war, wurde so lange gepeitscht, bis er<br />

starb! St. Johannes genoß aber die neue Herrlichkeit nicht lange. Er entführte eine schöne Frau, wurde von dem Manne derselben<br />

auf frischer Tat ertappt und «auf der Bresche» der erstürmten Zitadelle totgeschlagen. Ein seltsames Sterbekissen für einen<br />

heiligen Papst!

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