Pfaffenspiegel
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scherzte mit ihr. Besuchte Jesus eine andere Nonne -denn er hatte gar zu viele Bräute-, so war sie vor Eifersucht außer sich, bis er<br />
wiederkam. Ihre heilige Schwiegermutter diente ihr einundzwanzig Jahre lang als Kammerfrau, und wenn die Frühmette kam, rief<br />
sie: «Stehe auf, liebe Tochter, es ist Zeit.» Das Kloster wimmelte von Flöhen, aber kein einziger dieser freigeisterischen Husaren<br />
unterstand sich, die Braut Christi zu stechen. -So steht es in der päpstlichen Bulle, welche ihre Heiligsprechung enthält!<br />
Außer diesen Heiligen und noch vielen hundert anderen, die ich nicht nannte, betet der Katholik noch zu einigen, die niemals lebten<br />
und die einer lächerlichen Fabel ihren Ursprung verdanken, wie St. Christopherus, St. Georgius, St. Mauritius mit 6.600 Gesellen,<br />
die sieben Schläfer, Ursula mit ihren 11.000 Jungfrauen und St. Guinefort von Verona, der ein veritabler Hund war! Jeder gute<br />
Katholik, der das Vergnügen haben will, nach seinem Tode unter die Heiligen versetzt zu werden, kann dies erlangen; denn<br />
derjenige, der sich die Stelle des Vizegottes auf Erden angemaßt hat, der Papst, macht ihn für 100.000 Gulden zum Heiligen.<br />
Wunder finden sich! Die Christen der ersten Jahrhunderte wußten von Heiligen nichts. Sie verehrten allerdings die sogenannten<br />
Mär-<br />
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tyrer oder Blutzeugen, welche ihres Glaubens wegen hingerichtet wurden, sie erwähnten dieselben bei ihren Versammlungen und<br />
stellten sie der Gemeinde als Muster hin; und das war durchaus zu billigen und sehr natürlich. Erst als Konstantin zum Christentum<br />
übertrat und viele der heidnischen Gebräuche in die christliche Kirche übergingen, kam auch der Heiligendienst in Aufnahme. Die<br />
Heiden waren es gewohnt, ihren Heroen zu opfern; die christlichen Priester trugen diesen Gebrauch auf die Glaubenshelden über.<br />
Der Heiligendienst mußte als ein Unsinn betrachtet werden, solange jeder Mensch Gott gleich nahezustehen glaubte, und konnte<br />
erst Eingang finden, als die Pfaffen entstanden, als sie dem Volke weismachten, daß sie auf Erden die Makler wären zwischen Gott<br />
und den übrigen Menschen, Von da war es denn auch nicht weit zu dem unsinnigen Glauben, daß die Heiligen im Himmel gleichsam<br />
wie Minister und Kammerherren den Hofstaat Gottes bildeten und daß, wer bei Sr. himmlischen Majestät etwas durchsetzen<br />
wolle, nur diese durch Gebete und Opfer zu bestechen braucht.<br />
Ärger konnten die Pfaffen das Heiligste nicht verhöhnen als durch diesen Heiligendienst, der unvernünftiger und lächerlicher ist als<br />
die Anbetung der Sonne oder anderer Naturgegenstände. Nicht weniger unvernünftig wäre dieser christliche Götzendienst, aber<br />
doch nicht ganz so entwürdigend, wenn die angebeteten Heiligen Männer gewesen wären wie Christus oder Sokrates; aber was waren<br />
diese Heiligen? Von vielen unter ihnen lehrt uns die Geschichte, daß sie die verworfensten, lasterhaftesten Menschen, ja daß<br />
sie geradezu Schufte waren. Selbst die besten waren Schwärmer oder Narren. Solche Heilige gibt es noch heutzutage in großer<br />
Menge, nur daß man sie<br />
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nicht anbetet, sondern in Tollhäuser sperrt. Carl Julius Weber, einer unserer geistreichen Schriftsteller, charakterisiert diese Art<br />
Heilige derb, aber richtig. «Bei weiblichen Mystikern», sagt er, «sitzt der Jammer gewöhnlich auf dem Fleckchen, das man nicht<br />
gerne nennt, und bei männlichen hat den Fleck Hudibras getroffen -<br />
So wie ein Wind in Darm gepreßt<br />
Ein - wird, wenn er niederbläst,<br />
Sobald er aber aufwärts steigt,<br />
Neu Licht und Offenbarung zeugt.»<br />
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3. Kapitel<br />
Reliquienverehrung<br />
Und dräuf ging Göckingk's Prior weiter Und<br />
blieb an einem Schranke steh'n, Und zeigte mir<br />
ein Stückchen von der Leiter. Die Jakob einst - im<br />
Traum geseh'n.<br />
Als die Pfaffen einmal entstanden waren, verwandelten sie bald die einfache, rein moralische Religion Christi in einen<br />
übersteigerten Glauben an Jesus und in eine politische Priesterherrschaft, die nicht allein von der Priestern der Heiden ihre<br />
Zeremonien, sondern auch ihre Manipulationen meisterhaft erlernte. Ist erst einmal in den Deich der Vernunft eine kleine Öffnung<br />
gerissen worden, so wird er auch bald ganz zerstört, und die schmutzigen Fluten des Aberglaubens und der Dummheit brechen<br />
unaufhaltsam über die Welt herein.