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Pfaffenspiegel

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suspendiert. Es war ein Zustand, wie ich ihn - die Dummheit des Volkes abgerechnet - dem deutschen Volke von ganzem Herzen<br />

wünsche!<br />

Der Bann oder die Exkommunikation kommt schon weit früher in der christlichen Kirche vor; aber dann war er immer nur gegen<br />

einen einzelnen gerichtet, und dieser hatte daran schwer genug zu tragen, wenn ersieh auch persönlich nichts daraus machte. Das<br />

Volk betrachtete ihn als einen Teufelsbraten und floh seine Gemeinschaft, als ob er ein Pestkranker wäre. Die Überbleibsel seiner<br />

Tafel, und waren es die einer kaiserlichen, rührte selbst der Ärmste nicht an, sie wurden verbrannt.<br />

Mit der Exkommunikation wurde der Gebannte auch zugleich für bürgerlich tot erklärt. Er konnte keine Rechtssache vor Gericht<br />

führen, nicht Zeuge sein, kein Gut zu Lehen oder in Pacht geben usw. Vor die Tür eines Gebannten stellte man eine Totenbahre,<br />

und seine Leiche durfte nicht in geweihter Erde begraben werden. Hieraus<br />

[156]<br />

wird man es erklärlich finden, daß selbst Könige vor dem Banne zitterten.<br />

Sylvester II., der Nachfolger Gregors V., ist der einzige Papst, von welchem die päpstlichen Geschichtsschreiber mit Bestimmtheit<br />

melden, daß ihn der Teufel geholt habe. Er war nämlich ausnahmsweise ein gescheiter Mann, der besonders Mathematik trieb und<br />

die Wissenschaften begünstigte. Ihm verdanken wir auch die arabischen, das heißt unsere gewöhnlichen Zahlen.<br />

Diesem gescheiten Papst hatte, so erzählt man, der Teufel die Papstwürde verheißen und versprochen, ihn nicht eher zu holen, als<br />

bis er zu Jerusalem Messe lesen würde. Dazu war wenig Hoffnung, denn diese Stadt war von den Sarazenen besetzt. Aber der<br />

Teufel ist ein Schalk. Es gab in Rom eine Kapelle, die Jerusalem hieß. Hier las der Papst Messe, und so holte ihn denn der Teufel.<br />

Sylvesters Grab hat lange geschwitzt und seine Gebeine rasselten. Grauenhaft!<br />

Die Pseudo-isidorischen Dekretalen hatten im zehnten Jahrhundert schon ihre Blüten entfaltet; aber im elften fingen sie erst recht<br />

an, Früchte zu tragen. Wir erblicken in ihm das Papsttum in seiner höchsten Macht, und Gregor VII. erklomm den Gipfel<br />

derselben.<br />

Ehe ich von diesem gewaltigen Papst rede, muß ich noch erwähnen, daß schon vor ihm das Kollegium der Kardinäle zu sehr hoher<br />

Bedeutung gelangte. Ursprünglich gab es nur sieben Cardinales (von Cardo, Türangel), und es waren dies die vornehmsten<br />

Geistlichen Roms. Da aber der Einfluß dieser Herren mit der Zeit stieg, und alle Geistlichen nach dieser Würde trachteten, so sahen<br />

sich die Päpste genötigt, die Zahl der «Türangeln der Kirche» unter allerlei Abstufungen zu vermehren, bis sie endlich, weil Jesus<br />

siebzig Jünger hatte, auf siebzig stieg.<br />

[157]<br />

Allmählich wurde der Geistlichkeit und dem Volk das Recht der Papstwahl «entzogen», was man auf deutsch gestohlen nennt, und<br />

die Kardinäle maßten sich das Recht derselben an. Dieses Kollegium, aus dem der Papst nun gewählt wurde, hatte ein direktes<br />

Interesse daran, das Ansehen des päpstlichen Stuhles auf jede Weise zu fördern, denn es konnte ja schließlich jedes Mitglied Papst<br />

werden!<br />

Die Kardinäle errangen bald die größten Vorrechte. Sie machten Anspruch auf einen Rang unmittelbar nach den Königen und<br />

verlangten den Vorrang vor allen Kurfürsten, Herzögen und Prinzen. Sie, die eigentlichen Privatdiener des Papstes, standen weit<br />

höher als Erzbischöfe und Bischöfe, welche doch alle ebensoviel waren wie der Papst. Doch haben ja auch in manchen unserer<br />

deutschen Staaten die Kammerherren, die dem Fürsten den Operngucker nachtragen müssen. Oberstenrang!<br />

Die Kardinäle trugen Purpur. Begegneten sie einem Verbrecher auf seinem Gange zum Galgen, so konnten sie ihn befreien. Sie<br />

selbst verdienten diesen Galgen sehr häufig; aber ich glaube nicht, daß jemals ein Kardinal durch rechtskräftigen Urteilsspruch<br />

gehängt wurde. Es war auch beinahe unmöglich, ihn eines Verbrechens zu überführen, denn dazu gehörten zweiundsiebzig Zeugen.<br />

Kardinäle durften jede Königin oder Fürstin auf den Mund küssen, und keiner durfte ein Einkommen unter 4.000 Scudi jährlich<br />

haben. Der Posten eines Kardinals soll einer der bequemsten in der Christenheit sein.<br />

Gregor VII. (1073-85) war der Sohn eines Handwerkers und hieß eigentlich Hildebrand. Er war nur klein von Körper, aber der<br />

größte und kräftigste Geist, der je auf dem päpstlichen Stuhle gesessen. Sein Zeitgenosse, der Kardinal Damiani, nannte ihn nur<br />

einen heiligen Satan, und<br />

[158]<br />

die späteren reformierten Schriftsteller titulierten ihn nie anders als Höllenbrand.<br />

Schon als Kardinal beherrschte er unter den früheren Päpsten den «Apostolischen Stuhl» und wußte es durch Intrigen und<br />

Heuchelei dahin zu bringen, daß man ihn selbst auf denselben erhob und daß Kaiser Heinrich IV., trotz aller Warnungen<br />

gutgesinnter Bischöfe, ihn bestätigte.<br />

Dieser Grobschmiedssohn Hildebrand schmiedete die Kette, unter welcher die Welt seit achthundert Jahren seufzt. Er ist der<br />

eigentliche Begründer des Papsttums. Unablässig trachtete er danach, seine Idee einer Universalmonarchie zu verwirklichen, und<br />

seinem echt pfaffischen Genie, welchem kein Mittel zu schlecht war, gelang es auch.

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