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Pfaffenspiegel

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trachteten. Das Bild des Priesters Samuel schwebte ihnen beständig vor Augen. Ein Betrüger schmiedete falsche Schriften, welche<br />

er den Aposteln zuschrieb und welche unter dem Namen der apostolischen Konstitutionen bekannt sind. Ihr Zweck ist es, das<br />

Ansehen und die Gewalt der Bischöfe zu erhöhen, und sie enthalten das Verrückteste, was man bisher zur Ehre der Bischöfe gesagt<br />

hatte. Diese werden darin irdische Götter, Väter der Gläubigen; Richter an Christi Statt und Mittler zwischen Gott und den<br />

Menschen genannt. In demselben Sinne sprachen von ihnen viele der angesehensten Kirchenväter.<br />

Als die römischen Kaiser zum Christentum übertraten, behaupteten sie zwar selbst ihre Würde als pontifices maximi (Oberpriester);<br />

aber sie förderten das Ansehen der Bischöfe ihren Gemeinden gegenüber. Ja, manche der Kaiser waren so einfältig, ihre Kinder<br />

diesen Bischöfen zur Erziehung anzuvertrauen, was denn die natürliche Folge hatte, daß diese erzogen wurden «in der Furcht<br />

Gottes», das heißt in der Demut gegen die Pfaffen.<br />

Die Kaiser warfen sich bald so weit weg, daß sie diesen gleisnerischen Pfaffen die Hände leckten, und so war es denn kein<br />

Wunder, wenn diese in ihrer Aufgeblasenheit<br />

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gar bald verlangten, daß die Majestäten ihnen auch den Pantoffel leckten. So forderte schon der Bischof Leontius von Tripolis, daß<br />

die Kaiserin Eusebia, Gemahlin des Kaisers Konstanz, vor ihm aufstehen und sich verneigen solle, um seinen Segen zu empfangen!<br />

-<br />

Die protestantischen Bischöfe der neueren Zeit hätten es gern auch so weit gebracht. Als der vorige König von Preußen einst in<br />

Magdeburg aus dem Wagen stieg und sich dabei bückte, erhob schon der Bischof D ... seine Hände und seine Stimme - um ihm den<br />

Segen zu erteilen. Zum großen Verdruß des heiligen Bischofs schob ihn aber der sonst so fromme König beiseite und sagte sehr<br />

ärgerlich: «Dumm' Zeug! - So was nicht leiden!»<br />

Das Hauptstreben der Bischöfe war darauf gerichtet, die Einmischung der «weltlichen» Macht in die Kirchenangelegenheiten zu<br />

beseitigen, ja, wo möglich, die Kaiser sich unterzuordnen. Der Bischof Ambrosius von Mailand machte damit gleich auf sehr<br />

freche Weise den Anfang. Er nahm es sich heraus, den Kaiser Theodosius zu exkommunizieren, das heißt, von der<br />

Kirchengemeinschaft auszuschließen.<br />

Manche Kaiser, denen die Pfaffen mit der Hölle die Hölle heiß machten, waren schwach genug, zu der pfaffischen Anmaßung zu<br />

schweigen, und wenn nun das Volk sah, wie ihre gefürchteten Oberherren sich so demütig gegen die Bischöfe betrugen, dann<br />

mußte es natürlich auf den Gedanken kommen, daß diese übermenschliche Wesen wären. Ja, an einigen Orten wurden die Bischöfe<br />

von den Christen mit dem evangelischen Hosianna empfangen! So schwoll den Pfaffen immer mehr der Kamm. Schon 341, auf der<br />

Synode von Antiochien, wurde es den Geistlichen verboten, sich in kirchlichen Angelegenheiten ohne Erlaubnis der Bischöfe an<br />

den Kaiser zu wenden. Die<br />

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niedere Geistlichkeit wurde überhaupt immer mehr unterdrückt, und die Landesbischöfe, welche über ihre Gemeinden dasselbe<br />

Recht gehabt hatten wie die Stadtbischöfe, wurden 360 durch Beschluß der Synode von Laodicäa ganz abgeschafft.<br />

Das gewöhnliche Sprichwort sagt: Eine Krähe hackt der andern kein Auge aus; aber die Pfaffen waren schlechter als die Krähen,<br />

sie hackten sich nicht allein die Augen aus, sondern die Köpfe ab, wenn sie konnten. Wegen der lächerlichen theologischen<br />

Streitigkeiten lagen sie sich fortwährend in den Haaren und erfüllten deshalb die Welt mit Unruhe und Mord.<br />

Einen bedeutenden Einfluß auf diese theologischen Streitigkeiten hatten die zahllosen Mönche, welche ihre Meinungen nicht allein<br />

mit den geistlichen Waffen, sondern weit wirksamer mit höchst irdischen Knüttel verfochten.<br />

Sie bildeten förmliche Freikorps, welche von den fanatischen Bischöfen benutzt wurden und oft die gräßlichsten Exzesse begingen.<br />

Ein römischer Feldherr, Vitalianus, mußte 314 mit 60.000 Mann in Konstantinopel einrücken, um die Stadt vor den wütenden<br />

Mönchen zu schützen.<br />

Die zweite Kirchenversammlung zu Ephesus 449 n. Chr. erhielt den Namen der Mörderversammlung, weil hier die tollen Mönche<br />

mit dem Degen in der Faust die Annahme der Glaubenssätze erzwangen, welche sie für gut hielten. Einer der größten Fanatiker<br />

war der Bischof Cyrillus von Alexandrien. Sein Haß traf die in dieser Stadt seit 700 Jahren wohnenden Juden. Er hetzte den Pöbel<br />

und die Mönche gegen sie auf, ließ ihre Synagogen niederreißen und jeden Juden niederhauen, der ihnen in die Hände fiel. So<br />

verlor Alexandrien 40.000 seiner fleißigsten Bürger.<br />

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Der römische Präfekt Orestes wollte dem Unfug Einhalt tun, aber er verlor darüber fast sein Leben; ein wütender Mönch schlug<br />

ihm mit einem Steine den Kopf entzwei. Und die römische Regierung schwieg, so sehr waren die Pfaffen schon gefürchtet!<br />

Die schändlichste Grausamkeit verübten aber diese Mönche an der Geliebten dieses Präfekten, die Tochter des Mathematikers<br />

Theon, die liebenswürdige Philosophin Hypatia. Zur Fastenzeit rissen die Mönche dies herrliche Weib aus ihrem Wagen, zogen sie<br />

nackend aus und schleppten sie wie ein Opferlamm in die Kirche. Hier ermordete man sie auf die grausamste Weise. Kannibalische

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