KnallFrosch 2009 - Das grosse Fasnachts-Programm für Stadt und Land

KULTUR
6. Jahrgang 2009 19
Château Gütsch: Russen
verehren Herrgottskanoniere
Einmal im Jahr dürfen ernstfallmässig die
Herrgottskanoniere ran. Die heissen so, weil
sie in der Nacht zum Fronleichnamstag meistens
kanonenvoll sind und donnern. Kanonendonner
ist – für Laien und bildungsmässig
Zurückgebliebene präzisiert – seit der Erfindung
des Schiesspulvers bekanntlich ein
Zeichen der Freude. Dafür sei dem russischen
Besitzer unser Dank ausgesprochen.
Zur individuellen (Geruchs-)Fahne verfügen
die Herrgottskanoniere auch über ein textiles
Bruderschaftsfeldzeichen. Diese und andere
Fahnen weisen den Kanonieren und ihren
schwer geprüften Rössern den Weg auf den
Gütsch und zurück in die Stadt.
Mit der Übernahme des Château
Gütsch soll die Verbindung zwischen
der Schweiz und Russland
gefördert werden. Die umgerüstete
Bar hat jetzt statt eines Steinhägers
(« … und wieder ist ein Steinhäger
von uns gegangen») einen Wodka
Putinka auf der Theke stehen.
Russisches Seele macht Durst
«Gütsch» bedeutet so etwas wie eine Dreckansammlung
zu einem nicht ganz unansehnlichen
Hügel. Sprachwissenschaftler sprechen
von einer kleinen rundlichen Erhebung,
von einem Felskopf, Gipfel oder einer Anhöhe.
Wichtiger noch: Der «Gütsch» bleibt. Damit
auch ein Stück Luzern. Allerdings wacht jetzt
das russische Auge über unserer Stadt. Multimilliardär
Schwan investiert viel Geld und
lässt das Château deshalb auf einen vier- statt
dreigeschossigen Sockel stellen, weil er sich
dadurch einen prozentual höheren städtischen
Sockelbetrag erhofft.
«Nur dank dieser von mir entwickelten Sokkellösung
kann Geld gespart und das Bild
vom Schloss erhalten werden», bringt Iwan
der Schreckliche und Architekt mit Überzeugung
zum Ausdruck. Sein Projektpartner
könnte sich allerdings noch ein paar farbige,
russisch-mediterrane Zwiebelkuppeln als
äusseres markantes Zeichen der neuen Bruderschaft
vorstellen. Was heisst, dass die symbolisierten
Schiessscharten sinnvollerweise
einem unbedenklich umweltfreundlichen Gemüse
aus der Familie des Lauchs zum Opfer
fallen, je nach Börsenlage vergoldet oder farbig
leuchtend bemalt.
Wir sind ein einzig Volk von
Brüdern!
Im überarbeiteten Projekt erhalten die Herrgottskanoniere
eine eigene, den spezifischen
Bedürfnissen angepasste Terrasse, damit sie
ihren jährlichen Brauch ausüben können.
In mehreren Sitzungen jährlich wird der
Ernstfall sogenannt «trocken» geübt. Ihrer
anstrengenden und edlen Aufgabe entsprechend
wurde den Herrgottskanonieren zu
Ehren seinerzeit auch eine Strasse auf der
Strecke zum «Gütsch» benannt: die Kanonenstrasse.
Was ist da noch historisch
Die mitgeführten «alten» Kanonen sind seit
1966 7,5 cm Feldgeschütze der Firma Krupp
mit Baujahr 1903. Sie entsprechen also auch
nicht mehr jenem antiken Standard, welcher
den klerikalen Altkriegsmaterialladen dereinst
auszeichnete.
Historisch an der ganzen Sache bleiben also
nur noch die Uniformen sowie die Herrgottskanoniere
selbst. Die Geschützrohre weisen
eine Länge von 2.25 m, d.h. 30 Kaliber, auf.
Charakteristisch ist der technisch sauber ausgedrückte
progressive Rechtsdrall, was in Anbetracht
der unglaublichen Feuerkraft (15
Schuss pro Minute) für Stadtbewohner und
Knallfrösche aller Art durchaus beruhigend
wirkt.
Welche Leuchten
in der Leuchtenstadt leuchten,
interessiert den Bürger
letztlich einen feuchten