Das Magazin 03/10 - Mwk-koeln.de
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Andreas Scholl Philippe Herreweghe Thomas Zehetmair<br />
Musik unter einem guten Stern – auch ohne Frack<br />
<strong>Das</strong> Abo „Baroque ... Classique“ mit Etabliertem und Wie<strong>de</strong>rent<strong>de</strong>cktem<br />
„Wir machen Musik, weil wir über unsere Lebenszeit<br />
hinauswachsen wollen – weil wir<br />
versuchen, etwas Unendliches entstehen zu<br />
lassen.“ Unvergängliche Musik aus <strong>de</strong>m Dunkel<br />
<strong>de</strong>r Jahrhun<strong>de</strong>rte wie<strong>de</strong>r ans Licht <strong>de</strong>r Gegenwart<br />
zu holen und ihr neue Existenzkraft zu<br />
geben, das ist Jordi Savalls Lebensprojekt. Man<br />
könnte ihn als Kosmopoliten unter <strong>de</strong>n Alte-<br />
Musik-Spezialisten bezeichnen. Bei seinen Ent<strong>de</strong>ckungsreisen<br />
in unbekannte Hör-Regionen<br />
lässt sich <strong>de</strong>r Katalane von Hesperos leiten, <strong>de</strong>m<br />
Abendstern am westlichen Rand <strong>de</strong>s antiken<br />
Universums.<br />
Nach seinem Studium am „Conservatori Superior<br />
<strong>de</strong> Música <strong>de</strong> Barcelona“ 1968 führte Savalls<br />
Weg nach Basel, wo er 1973 die Leitung<br />
<strong>de</strong>r Schola Cantorum Basiliensis übernahm.<br />
Schon bald trieb es <strong>de</strong>n Musikwissenschaftler<br />
und Gambisten in die Bibliotheken Europas<br />
– immer auf <strong>de</strong>r Suche nach vergessener Musik<br />
<strong>de</strong>s Mittelalters, <strong>de</strong>r Renaissance und <strong>de</strong>s<br />
Barock. Dort grub er Komponisten wie Marin<br />
Marais, Tomás Luis <strong>de</strong> Victoria und Christóbal<br />
<strong>de</strong> Morales sowie Kompositionen wie die sephardischen<br />
Romanzen und <strong>de</strong>n „Cancionero<br />
<strong>de</strong> Palacio“ aus. Auf Gran Canaria spürte er gar<br />
unbekannte Lie<strong>de</strong>r von Seefahrern und mitreisen<strong>de</strong>n<br />
Mönchen um Kolumbus auf. So bil<strong>de</strong>te<br />
die Musiktradition <strong>de</strong>s spanischen Mittelalters<br />
<strong>de</strong>n Ausgangspunkt bei <strong>de</strong>r Gründung seines<br />
Ensembles Hespèrion XX im Jahr 1974.<br />
Neben diesem (heute heißt es Hespèrion XXI)<br />
grün<strong>de</strong>te er die Formationen Le Concert <strong>de</strong>s<br />
Nations und La Capella Reial <strong>de</strong> Catalunya (die<br />
sich mittelalterlicher geistlicher Musik widmet)<br />
– und mit Alia Vox sein eigenes Label. Doch<br />
dann sollte Gérard Depardieu in „Tous les matins<br />
du mon<strong>de</strong>“ („Die siebente Saite“) die Viola da<br />
Gamba auf <strong>de</strong>r Kinoleinwand spielen. Da aber<br />
Depardieu ebenso wenig die Gambe bedienen<br />
kann, wie Savall die Schauspielerei, musste ein<br />
„Ghostplayer“ her: Jordi Savall, <strong>de</strong>r – obwohl<br />
es eigentlich vorher schon zu seinem Markenzeichen<br />
gewor<strong>de</strong>n war – seit<strong>de</strong>m auch einer<br />
breiteren Masse als Wie<strong>de</strong>rent<strong>de</strong>cker dieses<br />
Instruments gilt. Als innovativer Musiker, <strong>de</strong>r<br />
mit seinen drei Ensembles (insbeson<strong>de</strong>re in<br />
familiärer Teamarbeit: Neben seiner Frau<br />
Montserrat Figueras singen auch seine bei<strong>de</strong>n<br />
Kin<strong>de</strong>r, Tochter Arianna spielt zu<strong>de</strong>m Harfe,<br />
Sohn Ferran Theorbe) und <strong>de</strong>m Percussionisten<br />
Pedro Estevan mit ungewöhnlichen Interpretationen<br />
vor allem alte Musik immer wie<strong>de</strong>r aufs<br />
Neue offenlegt.<br />
Immer wie<strong>de</strong>r greift er in seinen Programmen<br />
kulturhistorische Begebenheiten und philosophische<br />
Gedanken auf. Und je weiter Savall in<br />
seiner musikwissenschaftlichen Forschung zurückging,<br />
<strong>de</strong>sto mehr wur<strong>de</strong> bei Aufführungen<br />
und <strong>de</strong>r Interpretation improvisiert. Vielleicht<br />
resultiert ja gera<strong>de</strong> daraus jene große Lebendigkeit<br />
in seinen Aufführungen und Konzerten.<br />
In <strong>de</strong>r Kölner Philharmonie widmen sich Savall<br />
und Le Concert <strong>de</strong>s Nations mit <strong>de</strong>m Projekt<br />
„L‘Orchestre <strong>de</strong> Louis XV“ ausschließlich Suiten<br />
von Jean-Philippe Rameau. Dabei wird <strong>de</strong>r<br />
Tanz respektive das Ballett – im 17. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
noch untrennbar verbun<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Suite und<br />
<strong>de</strong>r Oper – im Mittelpunkt stehen (Ludwig XV.<br />
selbst tanzte damals bei Balletten in <strong>de</strong>n Tuilerien<br />
von Paris mit). So bil<strong>de</strong>n die einzelnen Sätze<br />
<strong>de</strong>r barocken Suite – ursprünglich Alleman<strong>de</strong>,<br />
Courante, Saraban<strong>de</strong> und Gigue – in <strong>de</strong>r Regel<br />
echte o<strong>de</strong>r stilisierte Tänze.<br />
Als mit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Barockzeitalters um 1750<br />
die Suite aus <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> kam, trat an ihre Stelle<br />
vor allem die Gattung <strong>de</strong>r Sinfonie. Mit dieser<br />
und <strong>de</strong>m Instrumentalkonzert setzen Philippe<br />
Herreweghes (selbst Pianist) klassisch-romantisch<br />
ausgerichtetes Orchestre <strong>de</strong>s Champs-Élysées<br />
und Andreas Staier (Hammerflügel) sowie<br />
Thomas Zehetmair (Violine) und das „Orchester<br />
<strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong>de</strong>rts“ unter Frans Brüggen in<br />
<strong>de</strong>r Abo-Reihe „Baroque … Classique“ ihren<br />
Fokus; Wilke te Brummelstroete leiht letzterem<br />
Beitrag für Einlegearien von Haydn ihre Mezzosopran-Stimme.<br />
Die Oper und Arien <strong>de</strong>r Klassik<br />
wie<strong>de</strong>rum stehen im Mittelpunkt <strong>de</strong>s Konzerts<br />
von Ivor Bolton und Concerto Köln. Zwischen<br />
Bolton und Mozart besteht seit Herbst 2004<br />
eine beson<strong>de</strong>re Verbindung: Damals wur<strong>de</strong> er<br />
nämlich Chefdirigent <strong>de</strong>s Mozarteum Orchesters<br />
Salzburg.<br />
Einen „literarischen“ Kontrapunkt setzt das Konzert<br />
von Andreas Scholl und <strong>de</strong>r Acca<strong>de</strong>mia<br />
Bizantina unter Stefano Montanari, die einen<br />
Blick auf William Shakespeares Verhältnis zum<br />
Thema Liebe werfen, mit Musik von Henry Purcell.<br />
Da lässt es Countertenor Scholl (<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r<br />
Schola Cantorum Basiliensis hervorging) auch<br />
gerne mal etwas lockerer und kommunikativer<br />
zugehen (das Konzert als öffentliches „Ritual“<br />
ist schließlich eine Erfindung <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts).<br />
So wird <strong>de</strong>r Frack vermutlich im Schrank<br />
bleiben, <strong>de</strong>r Fa<strong>de</strong>n zum Publikum unmittelbarer<br />
gesponnen und die Musik mehr <strong>de</strong>nn sonst<br />
im Blickpunkt stehen. Eben unter einem guten<br />
Stern. Christoph Guddorf<br />
Konzerttermine<br />
05.<strong>10</strong>.20<strong>10</strong> Dienstag 20:00<br />
Andreas Staier Hammerklavier<br />
Orchestre <strong>de</strong>s Champs-Élysées<br />
Philippe Herreweghe Dirigent<br />
Joseph Haydn Sinfonie g-Moll Hob. I:83<br />
„La Poule (Die Henne)“<br />
Wolfgang Ama<strong>de</strong>us Mozart<br />
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 25 C-Dur KV 5<strong>03</strong><br />
Sinfonie Nr. 38 D-Dur KV 504 „Prager“<br />
07.11.20<strong>10</strong> Sonntag 20:00<br />
Elena Tsallagova Sopran (Madame Herz)<br />
Sophie Bevan Sopran (Ma<strong>de</strong>moiselle Silberklang)<br />
Jeremy Oven<strong>de</strong>n Tenor (Monsieur Vogelsang)<br />
Harald Schmidt Sprecher, Gesang (Monsieur Buff )<br />
Concerto Köln<br />
Ivor Bolton Dirigent<br />
Wolfgang Ama<strong>de</strong>us Mozart Ouvertüre aus:<br />
Le nozze di Figaro KV 492<br />
Der Schauspieldirektor KV 486<br />
Henri Reber Sinfonie Es-Dur<br />
16.12.20<strong>10</strong> Donnerstag 20:00<br />
N.N. Tanz<br />
Le Concert <strong>de</strong>s Nations<br />
Jordi Savall Leitung<br />
„ L‘Orchestre <strong>de</strong> Louis XV“<br />
Jean-Philippe Rameau<br />
Suite aus „Les In<strong>de</strong>s galantes“,<br />
„Dardanus“ und „Zoroastre“<br />
18.02.2011 Freitag 20:00<br />
Andreas Scholl Countertenor<br />
Acca<strong>de</strong>mia Bizantina<br />
Stefano Montanari Violine und Leitung<br />
If Music be the Food of Love<br />
28.04.2011 Donnerstag 20:00<br />
Wilke te Brummelstroete Mezzosopran<br />
Thomas Zehetmair Violine<br />
Orchester <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
Frans Brüggen Dirigent<br />
Johann Sebastian Bach<br />
Ouvertüre D-Dur BWV <strong>10</strong>68<br />
Konzert für Violine, Streicher und Basso continuo<br />
E-Dur BWV <strong>10</strong>42<br />
Joseph Haydn „Il meglio mio carattere“ Hob. XXIVb:17<br />
Einlegearie <strong>de</strong>r Merlina zu Domenico Cimarosas<br />
„L‘impresario in angustie“<br />
Sono Alcina“ Hob. XXIVb:9 Cavatine <strong>de</strong>r Alcina zu<br />
Giuseppe Gazzanigas „L‘isola di Alcina“<br />
„La moglie quando è buona“ Hob. XXIVb:18<br />
Einlegearie <strong>de</strong>r Giannina zu Domenico Cimarosas<br />
„Giannina e Bernadone“<br />
Sinfonie D-Dur Hob. I:<strong>10</strong>1 „Die Uhr“<br />
€ 75,– <strong>10</strong>0,– 130,– 155,– 175,–<br />
–,– Chorempore (Z)<br />
„Baroque ... Classique“<br />
Seite 40<br />
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