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GEntlEMan’S<br />
alManaC – Part 1<br />
Beau Brummell und die Apotheose ästhetischer Dominanz<br />
Die Attribute und Neigungen eines Dandys werden vor allem durch ein Wesenmerkmal<br />
bezeichnet: Er ist ein nach Originalität strebender Individualist,<br />
der seine Geisteshaltung und Lebensauffassung vor allem mittels der Art und<br />
Weise, wie er sich kleidet, deutlich zur Geltung bringt. Gerade durch seinen<br />
signifikanten, aber nicht überzogen auffälligen Kleidungsstil möchte er sich<br />
in der Gesellschaft abheben.<br />
Als Sinnbild und Ausdrucksträger des klassischen Dandys par excellence sowie<br />
Meister der Selbstdarstellung aus der Regency-Zeit gilt der Brite George<br />
Bryan Brummell (1778–1840), auch unter dem Namen Beau Brummell<br />
bekannt.<br />
Brummell definierte sich als souveräne männliche Gestalt, deren Überlegenheit<br />
nicht mehr rein von seiner Herkunft – dem erblichen Adel<br />
– abhängig war. In Einklang mit der hohen Schneiderkunst fungierte<br />
er als vollendeter Flaneur im Geiste aristokratischer Vornehmheit, wobei<br />
Brummell in seinem Kleidungsstil vordergründige Effekte oder schrille Aspekte<br />
vermied, die seine Ausstrahlung in das Bizarre umzulenken vermochten.<br />
Die Grundintention galt primär einer perfektionierten Eleganz, um sich<br />
in seiner Erscheinung im feinsten Gesellschaftsgefüge klar abzuheben und<br />
mittels dezent figurierter modischer Attribute zu glänzen. Brummell folgte<br />
nicht irgendeiner bestehenden Mode, sondern definierte ein neues Modell,<br />
das sich als klassenübergreifend auszeichnete.<br />
Sein Erscheinungsbild statuierte den gehobenen Geschmack der englischen<br />
und europäischen Herrenmode des frühen 19. Jahrhunderts. Brummells<br />
Einfluss determinierte in der Herrenmode die Prägnanz von Schlichtheit und<br />
Raffinesse im Detail. Hierzu zählte auch die stundenlange Prozedur des morgendlichen<br />
Ankleidens sowie Zurechtmachens.<br />
Das gesamte Erscheinungsbild des Dandys trug in erster Linie ein wesentliches<br />
Wirkungsmoment in sich: den Menschen vor der drohenden Nivellierung<br />
zu retten und gegen die Gleichmachung der Gesellschaft im Zuge der<br />
Industrialisierung und Demokratisierung einzutreten.<br />
Foto: © Chanel<br />
Karl Lagerfelds monochromischer Habitus à la Brummell<br />
Mit seiner Belle-Brummell-Kollektion schuf Karl Lagerfeld eine temperamentvolle<br />
Interaktion zwischen Person und Kleidung. Durch eine graziöse Stilistik legt der Mann<br />
eine überlegende Nonchalance an den Tag. Seine maskuline Sprachgewandheit<br />
in der modischen Stilistik wirkt als Transformation des Brummell’schen Duktus, der<br />
durch eine perfekt sitzende Kleidung und die Artikulationskraft feinster Halstücher die<br />
Haltung und Bewegung in den Vordergrund rücken lässt. So wurde mit der Sorgfalt<br />
eines Bildhauers die erlesene Halsbinde um Hals und Kinn gefaltet, um die Balance<br />
zwischen Kopf und Schulterpartie prägnanter hervorzuheben und heroisch zu betonen.<br />
Karl Lagerfeld zitiert diese besondere Detailebene, indem er den Hals durch die<br />
virtuose Umspielung mit Stoff einschliesst, um dadurch Brust und Schultern eine<br />
signifikante Gewichtung zu geben. Er giesst die männliche Figur in eine neue Form,<br />
die mit der Ornatio aristokratischer Anmut spielt. Sie ist die Reminiszenz einer<br />
neuen städtischen Dandymode, die die Aussagekraft der männlichen<br />
Gestalt nur auf eine Wirkung hin kanalisiert: ganz und gar er selbst<br />
zu sein.<br />
I think it is better to be<br />
beautiful than to be good<br />
lord Henry Wotton in „the Picture of Dorian Gray“<br />
Männlicher Ästhetizismus als Mass des Lebens<br />
Eine eigentümliche Haltung des Dandys ist dessen mondäne Strahlkraft,<br />
die ein Ausdruck seiner Gesellschaftsexistenz ist, welche mit dem Habitus<br />
des Vornehmen, der Musse sowie der kontemplativen Distanz einhergeht. Es zählt<br />
zum besonderen plaisir eines Dandys, wenn seine modische Stilvorstellung von<br />
den Couturiers thematisiert und popularisiert wird. Dementsprechend führt er die<br />
Couture als ein besonderes Signum seiner Ausnahmestellung vor. Gelangweilt von<br />
der Trivialität des Lebens wird der Ästhetizismus – allem voran der der Kleidung<br />
Karl Lagerfeld: aus der Belle-Brummell Kollektion George Bryan Brummell (1778-1840)<br />
Couture & Accessories<br />
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