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Kolorektale Karzinome - Klinik für Hämatologie und Onkologie ...

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<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Häufigkeit, Histologie<br />

Häufigkeit, Inzidenz<br />

Nach den Daten des Robert-Koch-Instituts 2005 ist das kolorektale Karzinom (KRK) in Deutschland nach dem<br />

Mammakarzinom das zweithäufigste Malignom der Frau <strong>und</strong> nach dem Bronchial- <strong>und</strong> dem Prostatakarzinom<br />

der dritthäufigste maligne Tumor beim Mann. Die weltweite Inzidenz wird auf 1 Mio/Jahr geschätzt. Die<br />

höchsten Inzidenzraten werden in Europa <strong>und</strong> Nordamerika, die niedrigsten in unterentwickelten afrikanischen<br />

<strong>und</strong> asiatischen Ländern beschrieben. In Deutschland beträgt die Inzidenz je etwa 81/100.000 pro Jahr bei<br />

Frauen <strong>und</strong> Männern. Die Mortalität nimmt allerdings stetig ab <strong>und</strong> liegt bei 34,0 für die Männer <strong>und</strong> 36,4 für<br />

die Frauen pro 100.000 Einwohner. Insgesamt werden jährlich etwa 63.000 Neuerkrankungen in Deutschland<br />

gezählt. Das Lebenszeitrisiko, ein KRK zu entwickeln, liegt für die Normalbevölkerung bei 6%. Insgesamt<br />

sterben an dieser Erkrankung in Deutschland etwas 30.000 Menschen pro Jahr.<br />

Alters- <strong>und</strong> Geschlechtsverteilung<br />

Weniger als 10% der Patienten sind zum Zeitpunkt der Diagnose jünger als 50 Jahre. 70% der Erkrankungen<br />

werden im Alter zwischen 50-80 Jahren diagnostiziert. Das mittlere Erkrankungsalter liegt für Männer bei 67<br />

Jahren, für Frauen bei 72 Jahren. Männer haben ein höheres Risiko als Frauen. Das betrifft vor allem das<br />

Rektumkarzinom.<br />

Ätiologie<br />

Molekularbiologische Untersuchungen untermauern die seit langem aus der Histologie bekannte<br />

Adenom-Karzinom-Sequenz<br />

Die Vorstufe des KRK ist das Adenom der Dickdarmschleimhaut, der sogenannte „Dickdarmpolyp“. Das<br />

Adenom stellt eine epitheliale Proliferation dar, die mit dem Verlust der zellspezifischen Differenzierung <strong>und</strong><br />

Strukturveränderungen der Drüsen einhergeht <strong>und</strong> meist exophytisch in das Darmlumen wächst (tubuläres,<br />

villöses Adenom). Seltener liegt ein flaches Adenom vor. Die Zeit von der Entdeckung eines Adenoms bis zum<br />

Auftreten des Karzinoms kann bis zu 20 Jahre betragen. Bei belassenen kolorektalen Polypen ist mit einer<br />

<strong>Karzinome</strong>ntstehung im Bereich der primär<br />

diagnostizierten Polypen zu rechnen.<br />

Resektionspräparate. Links: Adenom<br />

Rechts: Adenom mit bereits eingetretener karzinomatöser Transformation.<br />

<strong>Karzinome</strong> in gestielten <strong>und</strong> flachen Adenomen<br />

Bei Polypen > 1 cm beträgt das<br />

kumulative Karzinomrisiko<br />

nach 5 Jahren 4%<br />

nach 10 Jahren 14 %<br />

nach 20 Jahren 35 %<br />

Invasionszonen des Karzinoms in<br />

einem gestielten <strong>und</strong> in einem<br />

flachen Adenom. <strong>Karzinome</strong> in<br />

flachen Adenomen invadieren<br />

vergleichsweise frühzeitig die<br />

Submukosa. Demgegenüber ist bei<br />

einem gestielten Adenom eine<br />

längere Strecke des<br />

Tumorwachstums nötig, um die<br />

Submukosa zu erreichen. Jeder<br />

Tumor, der die Muscularis mucosae<br />

penetriert, kann potentiell<br />

Metastasen setzen.<br />

179


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Polypen, intraepitheliale Neoplasien<br />

Polyp beschreibt einen makroskopisch sich über das Schleimhautniveau vorwölbenden Bef<strong>und</strong>, ohne dass damit<br />

eine Stellung zur Dignität des Polypen genommen wird.<br />

Man unterscheidet neoplastische <strong>und</strong> nichtneoplastische Polypen.<br />

Neoplastische Polypen<br />

Adenom<br />

nach dem Wachstumsmuster: tubulär, villös,<br />

tubulovillös, flach, depressed, serrated, aberranter<br />

Kryptfokus<br />

nach der Ausdehnung: diminutive, advanced<br />

Polypöses Karzinom<br />

Polypoider endokriner Tumor<br />

Nichtepitheliale Tumoren<br />

(Lipom,Leiomyom,Hämangiom, Lymphangiom, GIST)<br />

Nicht-neoplastische, tumorähnliche Polypen<br />

Hyperplasie (z.B. Hyperplastischer Polyp)<br />

Hamartom (z.B. Peutz-Jeghers-Polyp, Juveniler Polyp,<br />

Ganglioneurom)<br />

Inflammatorischer Polyp (z.B. inflammatorischer<br />

fibroider Polyp, benigner lymphoider Polyp,<br />

inflammatorischer kloakogener Polyp)<br />

Heterotopie (z.B. Pankreasheterotopie,<br />

Corpusheterotopie)<br />

Weitere (z.B. Lipohyperplasie der Ileozökalklappe,<br />

überzählige Schleimhautfalte, Malakoplakie)<br />

Neoplastische Polypen<br />

Unter die neoplastischen Polypen fallen auch die Polypen, die bisher Adenome genannte wurden, die aber nach<br />

der neuen WHO-Klassifikation als intraepitheliale Neoplasien bezeichnet werden. Von klinisch prognostisch<br />

entscheidender Bedeutung bei der Unterscheidung der einzelnen Neoplasien ist die Intaktheit der Lamina<br />

muscularis mucosae, einer dünnen Muskelschicht, die Mucosa <strong>und</strong> Submucosa trennt. Unabhängig, ob eine<br />

schwere Dysplasie, ein fokales Karzinom, ein Carcinoma in situ oder ein intramukosales Karzinom usw.<br />

lumenseitig dieser Grenzlinie vorliegen, kommt es mangels transportierender Lymphgefäße zu keiner<br />

Metastasierung. Deshalb werden diese Neoplasien nach der WHO/Wien-Klassifikation auch nicht als<br />

<strong>Karzinome</strong>, sondern als hochgradig intraepitheliale Neoplasie bezeichnet. Eine lymphogene Metastasierung ist<br />

erst möglich, wenn das Karzinom oder das Karzinom im Adenom die Muscularis mucosae durchbricht <strong>und</strong> in<br />

der Submucosa Lymphgefässe infiltriert.<br />

WHO/Wien-Klassifikation: Einteilung <strong>und</strong> Terminologie der kolorektalen intraepithelialen<br />

Neoplasien<br />

Kategorie 1 Keine Neoplasie<br />

Kategorie 2 „indefinite“ für Neoplasie<br />

Kategorie 3 Geringgradige Neoplasie der Schleimhaut<br />

Mucosal low grade intraepithelial neoplasia (LGIN)<br />

Kategorie 4 Hochgradige Neoplasie der Schleimhaut<br />

Hochgradige intraepitheliale Neoplasie (HGIN)<br />

Intraepithelial: Adenom mit schwerer Dysplasie, Carcinoma in situ<br />

Intramucosal: intramucosales Karzinom, V.a. invasives Karzinom<br />

Kategorie 5 Submukosales invasives Karzinom (Frühkarzinom T1, fortgeschrittene <strong>Karzinome</strong> >T1)<br />

Nicht neoplastische Polypen<br />

Verschiedene Typen siehe Tabelle oben. Die hyperplastischen Polypen (meist < 5 mm) sind die häufigsten nicht<br />

neoplastischen Kolonpolypen. Hyperplastische Polypen können in eine intraepitheliale Neoplasie, die dann<br />

„serrated adenoma“ genannt wird, <strong>und</strong> nachfolgend in ein Karzinom übergehen. Von einem „serrated adenoma“<br />

spricht man, wenn histologisch sägeblattartige Krypten mit Dysplasien des Oberflächenepithels <strong>und</strong> vermehrten<br />

Mitosen vorliegen.<br />

180


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Adenom-Karzinom-Sequenz, Molekulare Pathogenese<br />

Nachdem bereits vor 30 Jahren der Begriff „Adenom-Karzinom-Sequenz“ geprägt wurde, der die Entwicklung des<br />

invasiven Karzinoms über adenomatöse Zwischenstadien über Jahre hinweg beschreibt, sind heute auch die<br />

molekularen Mechanismen bekannt, die dabei eine entscheidende Rolle spielen. Es werden zwei molekular definierte<br />

Gruppen kolorektaler <strong>Karzinome</strong> postuliert:<br />

Chromosomale Instabilität (CIN)-Gruppe, mikrosatellitenstabil, LOH-positiv<br />

Der wesentliche Schritt zur Kanzerisierung ist eine somatische Mutation <strong>und</strong>/oder der Verlust der Heterozygotie<br />

(Loss of heterozygosity, LOH) auf Chromosom 5 im Bereich des APC-Gens, das hierdurch inaktiviert wird.<br />

Die Ursache für die Mutation können epigenetische Ereignisse infolge von Karzinogenen sein wie Rauchen,<br />

heterozyklische Amine sowie Folsäuremangel, niedrige Methioninzufuhr sowie hoher Alkoholkonsum mit<br />

veränderter Methylierung.<br />

Durch klonale Akkumulation weiterer genetischer Veränderungen, wie Aktivierung der Proto-Onkogene c-myc <strong>und</strong><br />

k-ras (Chromosom 12q) sowie Inaktivierung weiterer Tumorsuppressorgene schreitet die Tumorgenese fort. Zu den<br />

Genen, die bei diesem Prozess inaktiviert werden, gehören Gene auf Chromosom 18 (DCC, DPC4, JV18, SMAD2).<br />

Der Übergang vom späten Adenom in das manifeste Karzinom wird wahrscheinlich erst möglich durch eine weitere<br />

Mutation, nämlich LOH von Chromosom 17p <strong>und</strong> eine Mutation von p53. Das mutierte p53-Protein kann seine<br />

Regulationsaufgaben für andere Gene nicht mehr wahrnehmen. Dieser molekulare Mechanismus der chromosomalen<br />

Instabilität (CIN) mit Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen findet sich bei 80-85% aller KRK.<br />

Mikrosatelliteninstabilitätsgruppe MSI-positiv<br />

Die zweite Gruppe, die Mikrosatelliteninstabilität-positive Gruppe genannt wird, ist charakterisiert durch genetische<br />

Instabilität an den Mikrosatellitenloci. Die Mikrosatelliten-DNA ist eine kurze Nukleotidsequenz, die an einem<br />

bestimmten Locus auf einem individuellen Chromosom normalerweise in umschriebener Zahl vorkommt. Die MSI<br />

wird durch einen DNA-Mismatch-Reparatur-Gen-Defekt verursacht. Diese Reparaturgene erkennen normalerweise<br />

während der DNA-Replikationen falsch in den neuen Strang eingebaute Nukleotide, deren Basen sich nicht mit denen<br />

des alten Strangs paaren können („mismatch“), <strong>und</strong> ersetzen diese. Bei Ausfall dieses Reparatursystems kommt es im<br />

Verlauf weiterer Zellteilungen zur Anhäufung von Mutationen in den Tochterzellen. Sind Tumorsuppressor-Gene<br />

davon betroffen, kann die maligne Entartung der Tochterzelle die Folge sein. MSI-positive <strong>Karzinome</strong> sind<br />

charakteristisch für das HNPCC (hereditary non polyposis colorectal cancer), aber auch 15-20% der sporadischen<br />

<strong>Karzinome</strong> sind MSI-positiv. Sie sind diploid <strong>und</strong> zeigen keine Allelverluste auf Chromosom 17 oder 18.<br />

Multistep-Karzinogenese des kolorektalen Karzinoms aus Siegenthaler et al. Klinische Pathophysiologie 2006<br />

181


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Erbliche CRC/Molekulargenetik<br />

Mehr als ein Viertel aller Patienten mit kolorektalen <strong>Karzinome</strong>n (KRK) haben nahe Verwandte mit der gleichen<br />

Tumorerkrankung.<br />

Auf einer autosomal-dominant erblichen Disposition beruhen etwa 5-10% aller KRK. Zu diesen genetisch bedingten KRK<br />

gehören die im folgenden aufgeführten Krankheitsbilder, die durch ein frühes Manifestationsalter <strong>und</strong> gehäuft multiples<br />

Auftreten gekennzeichnet sind:<br />

• Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)<br />

• HNPCC (hereditary non-polyposis colorectal cancer)<br />

• Hamartoma-Polyposis-Syndrome (HPS)<br />

Ungefähr 15-20 % der Patienten mit KRK haben<br />

eine Familienanamnese mit Dickdarmkrebs, ohne<br />

dass oben genannte Syndrome vorliegen.<br />

Ätiologisch spielen in diesen Fällen wahrscheinlich<br />

sowohl genetische als auch Ernährungs- <strong>und</strong><br />

Umweltfaktoren eine Rolle.<br />

Ätiologie des kolorektalen Karzinoms<br />

Erbliche Disposition<br />

Zwei-Treffer-Hypothese von Knudson<br />

Nach Knudson (Proc Natl Acad Sci USA 68:920-923,1971)<br />

entstehen Tumore durch einen Funktionsverlust von<br />

Tumorsuppressorgenen. Dieser Funktionsverlust<br />

entsteht durch eine Mutation der entsprechenden<br />

Gensequenz. Alle autosomal kodierenden Gene liegen<br />

jedoch in zwei Kopien (Allelen) vor. Deshalb ist trotz<br />

Ausfall des einen Allels in der Regel die Funktion der<br />

Zelle intakt. Erst der Funktionsverlust des zweiten<br />

Allels in derselben Zelle („2 Treffer“) führt zum<br />

Ausfall der gesamten Genfunktion. Dies führt zu<br />

unkontrollierter Zellproliferation <strong>und</strong> maligner<br />

Entartung.<br />

In der allgemeinen Bevölkerung ist die Wahrscheinlichkeit<br />

relativ gering, dass eine Mutation in beiden<br />

Allelen derselben Zelle auftritt.<br />

Patienten mit erblicher Tumordisposition haben aber<br />

bereits von Geburt an in allen Zellen ein durch eine<br />

sogenannte Keimbahnmutation verändertes Allel. Das<br />

Risiko, dass es durch eine Mutation des intakten Allels<br />

zu einem Funktionsverlust des Gens kommt, ist<br />

deshalb in dieser Gruppe wesentlich erhöht.<br />

Der Eisberg der Gene, die mutiert zum KRK disponieren.<br />

Bezeichnungen der bekannten mutierten Gene (nach Müller<br />

HJ et al.: Chir Gastroenterol 2000;16:207).<br />

182


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

FAP – Hamartomatöse Polyposis<br />

Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)<br />

Bei der klassischen FAP treten h<strong>und</strong>erte bis tausende<br />

adenomatöser Polypen der Kolonschleimhaut auf. Der<br />

Erbgang der Erkrankung ist autosomal dominant mit nahezu<br />

100% Penetranz. Erste Symptome treten in der Regel am<br />

Ende der 2. Lebensdekade auf, bei fehlender Behandlung<br />

kommt es ca. im Alter von 35 Jahren zu einer malignen<br />

Entartung der Adenome. Deshalb ist die Behandlung der<br />

Wahl eine prophylaktische Proktokolektomie.<br />

Ca. 70% der Patienten mit FAP weisen eine diagnostisch<br />

verwertbare kongenitale Hypertrophie des retinalen<br />

Pigmentepithels (CHRPE) auf. Polypen können auch im<br />

Duodenum auftreten. Adenome werden auch in Kombination<br />

mit anderen extrakolonischen Manifestationen beobachtet.<br />

Diese werden eigenständig benannt:<br />

Gardner-Syndrom: Kolonpolyposis, Osteome des Kiefers<br />

<strong>und</strong> der langen Röhrenknochen, Epidermoidzysten/kutane<br />

Fibrome.<br />

Turcot-Syndrom: Zusätzlich Hirntumoren wie Medullo- oder Glioblastom.<br />

Attenuierte FAP (AAPC, hereditary flat adenoma syndrome):<br />

mildere Verlaufsform, die sich durch eine geringere Polypenzahl <strong>und</strong> ein späteres Auftreten auszeichnet, jedoch<br />

auch ein sehr hohes KRK-Risiko hat.<br />

Genetische Gr<strong>und</strong>lagen der FAP<br />

Keimbahnmutationen im Tumor-Suppressorgen APC (adenomatous polyposis coli) auf dem Chromosom 5q 21<br />

führen zu einem inaktiven Genprodukt.<br />

Bisher wurden über 800 verschiedene Mutationen im APC-Gen identifiziert. Fast jede Familie hat ihre eigene<br />

Mutation. Derzeit lassen sich bei 65% der Familien mit FAP Keimbahnmutationen identifizieren. Die Zahl der<br />

Adenome <strong>und</strong> das Manifestationsalter sind von der Lage der Mutation im APC-Gen abhängig. Es besteht jedoch<br />

innerhalb der Familie eine große Variabilität, so dass auch zusätzliche Einflüsse, wie weitere modifizierende<br />

Gene <strong>und</strong> Umweltfaktoren wahrscheinlich eine Rolle spielen.<br />

Die Diagnose einer klassischen FAP erfolgt aufgr<strong>und</strong> des klinischen <strong>und</strong> histopathologischen Bef<strong>und</strong>es. Die<br />

Identifizierung der Keimbahnmutation ist vor allem für Grenzfälle, zum Beispiel bei attenuierter FAP, <strong>und</strong> für<br />

die prädiktive Testung von Risikopersonen von Bedeutung.<br />

(Siehe auch „Früherkennung bei erhöhtem Risiko“).<br />

Hamartomatöse Polyposis<br />

Familiäre juvenile Polyposis (FJP)<br />

Dieser Typ liegt vor, wenn mindestens fünf „juvenile“ Polypen“ oder ein juveniler Polyp bei positiver<br />

Familienanamnese vorhanden sind. Juvenile Polypen weisen charakteristische pathomorphologische Merkmale<br />

auf. Das Risiko, bis zum 60. Lebensjahr an einem KRK zu erkranken liegt bei 20-60%.<br />

Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS)<br />

Hamartomatöse Polypen finden sich im Gastrointestinaltrakt, meist im Dünndarm <strong>und</strong> Magen, seltener im<br />

Kolon. Hamartomatöse Polypen haben ein geringeres Entartungsrisiko als Adenome. Anlageträger haben aber<br />

ein erhöhtes Risiko für kolorektale <strong>Karzinome</strong> <strong>und</strong> auch für andere intestinale <strong>und</strong> extraintestinale Tumore<br />

(Magen, Mamma, Pankreas u.a.). Eine Hamartom-Karzinomsequenz ist in Diskussion. Ursächlich ist eine<br />

autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die durch eine Keimbahnmutation des STKL/LKB1-Gens verursacht<br />

wird. Die bisher nachgewiesenen Keimbahnmutationen sind über das gesamte Gen verteilt <strong>und</strong> bei fast jeder<br />

Familie anders. Die klinische Diagnose ist gesichert bei Auftreten von typischen Pigmentflecken um die Lippen<br />

sowie der M<strong>und</strong>schleimhaut <strong>und</strong> gleichzeitigem Vorliegen von Hamartomen.<br />

Cowden-Syndrom<br />

Beim autosomal vererbten Cowden-Syndrom finden sich multiple Hamartome in vielen Geweben<br />

einschliesslich des Darmes. Das Risiko ist insbesondere für Mamma- <strong>und</strong> Schilddrüsenkarzinome erhöht. Es<br />

liegen Keimbahnmutationen des PTEN-Gens vor.<br />

183<br />

Typische adenomatöse Polyposis coli. Aus: G.Rosenbusch, JWA<br />

Reeders, Klinische Radiologie, Endoskopie. Thieme-Verlag


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

HNPCC<br />

Hereditäres nichtpolypöses KRK (HNPCC, Lynch-Syndrom)<br />

Das HNPCC ist die häufigste erbliche Form des kolorektalen Karzinoms (KRK). Die Diagnose lässt sich nicht<br />

eindeutig anhand des Phänotyps stellen, weshalb es nur Schätzwerte zur Prävalenz im Bereich von 2-10% gibt.<br />

Das HNPCC folgt ebenfalls einem autosomal dominanten Erbgang mit einer Penetranz von maximal 80% bis<br />

zum 75. Lebensjahr. Treten im Rahmen eines HNPCC ausschließlich KRK auf, so wird dies als Lynch-<br />

Syndrom I bezeichnet. Bei HNPCC-Patienten besteht jedoch auch eine hohe Wahrscheinlichkeit, Malignome<br />

außerhalb des Kolons zu entwickeln. Bei KRK <strong>und</strong> extrakolonischem Karzinom spricht man von einem Lynch-<br />

Syndrom II.<br />

Das HNPCC ist charakterisiert durch ein frühes Manifestationsalter (durchschnittlich 45 Jahre) <strong>und</strong> eine<br />

Neigung zur Manifestation im proximalen Kolon. Die Tumore sind weniger differenziert <strong>und</strong> produzieren<br />

häufig exzessive Massen von Schleim (muzinöse KRK). Die klinische Diagnose HNPCC kann gestellt werden,<br />

wenn in der Familie der Betroffenen die sogenannten Amsterdam-Kriterien erfüllt sind (siehe folgende Seite).<br />

Neuere Studien zeigen jedoch, dass mit den strengen Amsterdam-Kriterien ein nicht unerheblicher Anteil der<br />

Mutationsträger nicht erkannt wird. Eine Studie aus Finnland fand heraus, dass bei Berücksichtigung aller<br />

Angehörigen mit Mutationsnachweis <strong>und</strong> nicht nur der Indexpatienten mit CRC aus bekannten<br />

Amsterdamfamilien das Erkrankungsalter mit knapp 61 Jahren deutlich höher lag (Hampel H et al., Gastroenterology<br />

2005;129:415-21). Die weiter gefassten <strong>und</strong> vor kurzem überarbeiteten Bethesda-Kriterien (siehe folgende Seite)<br />

sind derzeit die beste Filtermethode für HNPCC.<br />

Mikrosatelliten-Instabilität<br />

Tumoren von Patienten, bei denen die Amsterdam Kriterien vorliegen, zeigen in ca. 80-90% der Fälle eine<br />

sogenannte Mikrosatelliteninstabilität (MSI). Dieses Phänomen ist jedoch auch bei 15% der sporadischen CRC<br />

nachweisbar. Die Mikrosatelliten-DNA ist eine kurze Nukleotidsequenz, die an einem bestimmten Locus auf<br />

einem individuellen Chromosom normalerweise in umschriebener Zahl vorkommt. Die MSI wird durch eine<br />

Mutation in einem DNA-Mismatch-Reparatur-Gen verursacht. Diese Reparaturgene erkennen normalerweise<br />

während der DNA-Replikationen falsch in den neuen Strang eingebaute Nukleotide, deren Basen sich nicht mit<br />

denen des alten Strangs paaren können („mismatch“), <strong>und</strong> ersetzen diese.<br />

Bisher sind 9 humane Mismatch-Reparatur-Gene bekannt, die in der Pathogenese des HNPCC eine Rolle<br />

spielen (hMSH2, hMLH1, hMSH6, hPMS1, hPMS2, hMSH5, hMSH3, hMSH4, hMLH3). Beim HNPCC liegen<br />

in ca. 70% Mutationen im hMSH2-Gen (Chromosom 2p21) oder hMLH1-Gen (3p21-23) vor.<br />

Diagnostik-Algorithmus<br />

AC/Bethesda-Kriterien<br />

unauffällig<br />

Derzeit ∅ weitere<br />

Gendiagnostik<br />

sinnvoll<br />

unauffällig<br />

MSI<br />

auffällig<br />

IHC<br />

Prädiktive Testung möglich<br />

auffällig<br />

Keimbahnmutationssuche<br />

positiv<br />

negativ<br />

Engel C. et al. Int J Cancer 2006<br />

Aufgr<strong>und</strong> dieser Erkenntnisse ist es möglich<br />

geworden, das HNPCC-Syndrom<br />

molekulargenetisch zu diagnostizieren. Ein<br />

Problem dabei ist, dass die molekulargenetische<br />

Analyse der Mismatch-Reparaturgene durch<br />

Sequenzierung relativ aufwendig <strong>und</strong> kostspielig<br />

ist. Außerdem wird nicht bei allen Familien, die<br />

die klinischen Kriterien erfüllen, auch eine<br />

Mutation in den oben angeführten Genen<br />

gef<strong>und</strong>en.<br />

Deshalb wird stufenweise vorgegangen. Anhand<br />

der Bethesda-Kriterien werden Patienten<br />

identifiziert, deren Tumorgewebe auf eine MSI<br />

untersucht werden soll. Die MSI-Analyse sollte<br />

mindestens 5 definierte Marker umfassen, von<br />

denen 2 oder mehr (>40%) eine Instabilität<br />

zeigen sollten. Die immunhistochemische (IHC)<br />

Analyse, die auf jeden Fall als Panel Antikörper<br />

gegen MSH2 <strong>und</strong> MLH1 umfassen soll, kann bei<br />

hoher Übereinstimmung mit dem MSI-Bef<strong>und</strong><br />

auch dem MSI-Test vorgeschaltet werden. Bei<br />

positivem Ausfall der Immunhistochemie oder der MSI-Analyse erfolgt eine Mutationsanalyse im Blut.<br />

Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss eine eingehende humangenetische Beratung erfolgen.<br />

184


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

HNPCC-Amsterdam-/ Bethesda-Kriterien<br />

Für eine einheitliche Erfassung von Patienten mit hereditärem nicht-polypösem Kolonkarzinom<br />

(HNPCC) aufgr<strong>und</strong> klinischer Daten wurden 1991 die Amsterdam-Kriterien festgelegt. Die<br />

Amsterdam-II-Kriterien berücksichtigen auch weitere, häufig auftretende Tumoren aus dem<br />

HNPCC-typischen Spektrum. Die 1996 definierten Bethesda-Kriterien sind weiter gefasst, um die<br />

Gefahr einer Nichterkennung von Risikopersonen zu verringern. Sie wurden 2004 überarbeitet<br />

aufgr<strong>und</strong> der Kenntnis, dass HNPCC auch in höherem Alter auftreten können als bisher angenommen.<br />

Amsterdam-Kriterien I (klassische Amsterdam-Kriterien)<br />

In der Familie müssen mindestens 3 Personen an einem kolorektalen Karzinom erkrankt sein, wobei alle<br />

folgenden Kriterien erfüllt sein müssen:<br />

1. Einer der drei Patienten ist ein Verwandter ersten Grades der beiden anderen Erkrankten.<br />

2. Mindestens zwei aufeinanderfolgende Generationen sind betroffen.<br />

3. Mindestens ein kolorektales Karzinom wurde vor dem 50.Lebensjahr diagnostiziert.<br />

4. Eine familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) ist ausgeschlossen.<br />

5. Die Tumoren sind histopathologisch verifiziert.<br />

Amsterdam-Kriterien II (erweiterte Kriterien 1998)<br />

In der Familie müssen mindestens 3 Personen an einem HNPCC-assoziierten Tumor erkrankt sein, wobei alle<br />

folgenden Kriterien erfüllt sein müssen:<br />

1. Einer der drei Patienten ist ein Verwandter ersten Grades derbeiden anderen Erkrankten.<br />

2. Mindestens zwei aufeinanderfolgende Generationen sind betroffen.<br />

3. Mindestens ein kolorektales Karzinom wurde vor dem 50. Lebensjahr diagnostiziert.<br />

4. FAP ist bei den CRC-Patienten ausgeschlossen.<br />

5. Die Tumoren sind histopathologisch verifiziert.<br />

Überarbeitete Bethesda-Kriterien (Umar A. et al. J Natl Cancer Inst 2004; 261-268)<br />

Tumoren von Patienten, die eines der folgenden Kriterien erfüllen, sollen auf eine<br />

Mikrosatelliteninstabilität untersucht werden<br />

1. Diagnose eines KRK vor dem 50. Lebensjahr<br />

2. Diagnose von syn- oder metachronen kolorektalen oder anderen HNPCC-assoziierten Tumoren (Kolon,<br />

Rektum, Endometrium, Magen, Ovar, Pankreas, Ureter, Nierenbecken, biliäres System, Gehirn, v.a.<br />

Glioblastom, Haut, Dünndarm unabhängig vom Alter bei Diagnose.<br />

3. Diagnose eines KRK vor dem 60. Lebensjahr mit typischer Histologie eines MSI-H-Tumors (Tumorinfiltrierende<br />

Lymphozyten, Crohn´s like Lesions, muzinöses oder siegelringzellige Differenzierung,<br />

medulläres Karzinom)<br />

4. Diagnose eines KRK bei mindestens einem erstgradig Verwandten mit einem HNPCC-assoziiertem Tumor,<br />

davon Diagnose mindestens eines Tumors vor dem 50. Lebensjahr.<br />

5. Diagnose eines KRK bei zwei oder mehr erstgradig Verwandten mit einem HNPCC-assoziierten Tumor,<br />

unabhängig vom Alter.<br />

Lebenszeitrisiko HNPCC-assoziierte (Chung DC. Ann Intern Med 2003;138:560-70)<br />

Tumorlokalisation HNPCC (%) Normalbevölkerung (%)<br />

Kolorektum 80-82 5-6<br />

Endometrium 50-60 2-3<br />

Magen 13 1<br />

Ovar 12 1-2<br />

Harnblase 4 1-3<br />

Niere 3 1<br />

Dünndarm 1-4 0,01<br />

Gehirn 4 0,6<br />

Hepatobiliäres System 2 0,6<br />

185


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Prävention, Ernährungsfaktoren, Lebensgewohnheiten<br />

Genetische <strong>und</strong> epidemiologische Studien zeigen, dass ein CRC durch eine komplexe Interaktion zwischen<br />

genetischen Risikofaktoren <strong>und</strong> Umweltfaktoren entsteht. Vermutlich wird die Progression der primär genetisch<br />

determinierten Adenom-Karzinom-Sequenz durch Umweltfaktoren, insbesondere Ernährungsfaktoren bestimmt. Der<br />

World Cancer Research F<strong>und</strong> schätzt, dass bis zu 50% der CRC durch diätetische Massnahmen vermeidbar sind<br />

(Potter J. 1997, World Cancer Research F<strong>und</strong>, London, and American Institute for Cancer Research, Washington). In<br />

den bisher vorliegenden Studien ist es bisher aber noch nicht gelungen, diese Zusammenhänge im Detail zu<br />

charakterisieren <strong>und</strong> präventive Strategien zu entwickeln.<br />

Fett, Fleisch <strong>und</strong> Zubereitungsmethoden<br />

Die karzinogene Wirkung von fett- <strong>und</strong> cholesterinreicher Ernährung beruht zum einen auf einer erhöhten Produktion<br />

<strong>und</strong> hepatischen Ausscheidung von Gallensäuren <strong>und</strong> Cholesterin, zum anderen infolge Abbau durch Darmbakterien<br />

auf einer Konzentrationssteigerung toxischer sek<strong>und</strong>ärer Gallensäuren. Zusammen mit verstärkt synthetisierten<br />

Triglyceriden <strong>und</strong> fäkalen Pentanen besteht ein großes Angebot an Karzinogenen. Die Menge des gesamten<br />

Fleischkonsums spielt keine Rolle, jedoch aber der Anteil an rotem Fleisch (Rind, Schwein, Lamm) <strong>und</strong> ein hoher<br />

Fettanteil. Bei hohen Kochtemperaturen beim Braten <strong>und</strong> Grillen entstehen aus tierischen Proteinen weitere<br />

Karzinogene. Während große geographische <strong>und</strong> internationale Unterschiede für die Inzidenz des KRK in enger<br />

Verbindung mit dem Pro-Kopf-Verbrauch für Fleisch <strong>und</strong> Fett bestehen, kommen zahlreiche große, auch aktuelle,<br />

epidemiologische Studien zu uneinheitlichen Ergebnissen.<br />

Ballaststoffe<br />

Lösliche Ballaststoffe induzieren im Darm infolge von Abbau durch anaerobe Darmbakterien eine gesteigerte<br />

Synthese von kurzkettigen Fettsäuren, denen ein protektiver Effekt zugeschrieben wird. Unlösliche Ballaststoffe<br />

führen über ein erhöhtes Stuhlvolumen zu einer Verdünnung von Karzinogenen im Darmlumen <strong>und</strong> durch eine<br />

Beschleunigung der Darmpassage zu einer verminderten luminalen Karzinogen-Exposition.<br />

Gemüse, Früchte <strong>und</strong> Getreide<br />

Für Gemüse, Früchte <strong>und</strong> Getreide wird in vielen retrospektiven Studien ein protektiver Effekt für Adenome <strong>und</strong><br />

<strong>Karzinome</strong>, allerdings mit eher schwacher Assoziation beschrieben. Eine europäische Studie mit über 500.000<br />

Personen (EPIC-Studie) aus 10 europäischen Ländern zeigte für die ersten 5 Jahre des Follow-up eine signifikante<br />

Reduktion des relativen Risikos für ein kolorektales Karzinom von 0,75 in Abhängigkeit von der täglichen<br />

Ballaststoffzufuhr.<br />

Vitamine, Spurenelemente <strong>und</strong> essentielle Aminosäuren<br />

Die Untersuchungsergebnisse sind uneinheitlich <strong>und</strong> es gibt keine Empfehlung zur Supplementierung. Ein möglicher<br />

Effekt ist für Selen beschrieben, möglicherweise auch für Calcium (mehr als 1250 mg/die), Folsäure <strong>und</strong> Methionin.<br />

Alkohol<br />

Die Studien zur Rolle des Alkohols sind uneinheitlich. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass die entscheidende<br />

Einflussgrösse die absolute Äthanolmenge unabhängig von der Art des alkoholischen Getränks darstellt. In einer<br />

umfassenden Metaanalyse errechnet sich bei einem Alkoholkonsum von 25, 50 <strong>und</strong> 100 g/die ein relatives Risiko von<br />

1,14, 1,21 <strong>und</strong> 1,32. Ein zusätzlicher Folsäure- <strong>und</strong> Methioninmangel erhöht das Karzinomrisiko dabei zusätzlich.<br />

Rauchen, Nikotin<br />

Für die Entwicklung adenomatöser kolorektaler Polypen zeigen zahlreiche Studien übereinstimmend für<br />

Zigarettenraucher ein 2-3fach erhöhtes Risiko. Für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms sind die Daten<br />

uneinheitlich. Eine aktuelle amerikanische Fallkontrollstudie ermittelte eine 50%ige Zunahme für ein KRK bei einem<br />

Konsum von mehr als 20 Zigaretten/die sowie eine 40%ige Risikosteigerung bei mehr als 35 Packungsjahren. Diese<br />

Risikosteigerung ist möglicherweise abhängig von genetischen Polymorphismen für N-Acetyltransferase <strong>und</strong><br />

Cytochrom-P450.<br />

Körperliche Aktivität<br />

Es gibt mehrere Beobachtungsstudien, die einen protektiven Effekt von vermehrter körperlicher Aktivität im Hinblick<br />

auf ein KRK gef<strong>und</strong>en haben (Friedenreich CM et al., Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2001;10:287-301). Die mittlere<br />

relative Risikoreduktion durch vermehrte körperliche Aktivität beträgt zwischen 40-50%.<br />

Eine aktuelle prospektive Beobachtungsstudie (Meyerhardt J. et al., J Clin Oncol 2006; 24:3535-3541) zeigte für Patienten im<br />

Stadium III nach Operation <strong>und</strong> adjuvanter Chemotherapie ebenfalls eine signifikante Verbesserung des<br />

krankheitsfreien <strong>und</strong> des Gesamtüberlebens in derselben Größenordnung bei körperlicher Aktivität, die standardisiert<br />

gemessen wurde.<br />

Evidenz nach Experten-Gremium der WHO <strong>und</strong> der FAO (Food and Agriculture of the UN)<br />

Risikoreduktion: durch körperliche Aktivität überzeugend, durch Ballaststoffe möglich.<br />

Risikoerhöhung: durch Übergewicht überzeugend, durch verarbeitete Fleischwaren wahrscheinlich.<br />

186


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Chemoprävention<br />

Acetylsalicylsäure<br />

Mehrere placebokontrollierte Phase-III-Studien fanden bei Patienten nach Adenomabtragung oder<br />

nach KRK eine signifikant niedrigere Adenom-Inzidenzrate unter Aspirineinnahme bereits nach einem<br />

Jahr Nachbeobachtungszeit. Dabei korrelieren sowohl die Dauer der Aspirineinnahme als auch die<br />

Aspirindosierung mit der bis zu 50%igen Reduktion des relativen Risikos, ein KRK zu entwickeln <strong>und</strong><br />

daran zu versterben.<br />

Auf der DDW 2006 (Digestive Disease Week) wurden die Ergebnisse der uKCAP-Studie vorgestellt,<br />

in der der Effekt von 300 mg ASS auf die Rezidivhäufigkeit kolorektaler Adenome untersucht wurde.<br />

Es zeigte sich bei dieser randomisierten Doppelblindstudie mit 945 Adenomträgern (>0,7 cm) eine<br />

signifikante Senkung der Rezidivrate um 21% (Logan RF et al., DDW 2006, Abstract 438). Diese Studie<br />

unterstreicht die Effektivität von ASS. Zu bedenken sind jedoch die potentiellen Nebenwirkungen der<br />

Therapie.<br />

Sulindac<br />

Durch eine Sulindac-Behandlung konnte bei FAP-Patienten sowohl eine Reduktion der Polypengröße<br />

als auch der Polypenzahl erzielt werden. Inwieweit diese Adenomreduktion den weiteren Verlauf der<br />

FAP <strong>und</strong> die Mortalität beeinflusst, muss in weiteren Studien überprüft werden.<br />

Selektive COX2-Inhibitoren (COXIBE)<br />

Ebenfalls auf der DDW 2006 wurden die Resultate von 2 großen Studien (preSAP, APC) vorgestellt,<br />

in denen die Wirkung des COX2-Hemmers Celecoxib auf die Rezidivrate kolorektaler Adenome<br />

untersucht wurde. Es fand sich eine signifikante dosisabhängige Senkung der Rezidive um 33-45%.<br />

Bereits 2005 war gezeigt worden, dass unter der Medikation mit 25 mg Rofecoxib die Rezidivrate<br />

kolorektaler Adenome um 25% gesenkt werden konnte (APPROVE-Studie). Aufgr<strong>und</strong> der<br />

kardiovaskulären Nebenwirkungen der COX2-Hemmer, die u.a. in der APC <strong>und</strong> der APPROVE-<br />

Studie auftraten <strong>und</strong> zur Marktrücknahme von Rofecoxib geführt haben, werden die Coxibe in der<br />

Prävention von Adenomen wohl eher nicht weiter eingesetzt werden.<br />

Statine<br />

In Tiermodellen zeigen Statine eine Senkung der Entstehung kolorektaler <strong>Karzinome</strong> u.a. durch eine<br />

Apoptoseinduktion. In mehreren großen Fall-Kontrollstudien konnte ein protektiver Effekt auf die<br />

Entstehung eines KRK gezeigt werden. In einer großen Studie aus Israel lag die KRK-Inzidenz für<br />

Patienten mit Einnahme von Statinen 47% unter der einer Kontrollgruppe (Poynter JN et al., NEJM<br />

2005;352:2184-92).<br />

Hormonsubstitution<br />

Eine Östrogen/Progesteronmedikation führte in einer großen Studie mit 16.608 postmenopausalen<br />

Frauen nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 5,6 Jahren zu einer signifikanten Reduktion der<br />

Inzidenz für ein KRK mit einer Hazard-Ratio von 0,65.<br />

Fazit: Aus der aktuellen Datenlage können noch keine Empfehlungen für eine generelle primäre<br />

Chemoprophylaxe abgeleitet werden. Keine Substanz sollte außerhalb von Studien zur<br />

Chemoprävention von kolorektalen <strong>Karzinome</strong>n oder Adenomen in der Allgemeinbevölkerung<br />

(Standardrisiko) eingesetzt werden. Prospektive Therapiestudien sind notwendig, um v.a. für<br />

bestimmte Risikogruppen den Nutzen einer kontinuierlichen langjährigen Chemoprophylaxe in<br />

bezug auf die jeweiligen Nebenwirkungsprofile zu ermitteln.<br />

187


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

S3-Leitlinie 2004 <strong>und</strong> Aktualisierung 2008, I<br />

Das Informationszentrum für Standards in der <strong>Onkologie</strong> der Deutschen Krebsgesellschaft erstellt <strong>und</strong><br />

aktualisiert seit 1996 Leitlinien zu Diagnostik, Therapie, Nachsorge, Rehabilitation <strong>und</strong> Palliation onkologischer<br />

Erkrankungen. Bisher sind über 50 Leitlinien erarbeitet worden. Die Mehrzahl sind S1-Leitlinien. Hinsichtlich<br />

ihrer Qualität <strong>und</strong> praktischen Brauchbarkeit werden Leitlinien in drei Stufen klassifiziert.<br />

Stufe 1: Expertengruppe<br />

repräsentativ zusammengesetzt, erarbeitet im informellen Konsens eine Leitlinie, die vom Vorstand<br />

der entsprechenden wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaft verabschiedet wird.<br />

Stufe 2: Formale Konsensusfindung<br />

Diskussion der Literatur für die Feststellungen <strong>und</strong> Empfehlungen, Verabschiedung in einem<br />

interdisziplinären, formalen Konsensusverfahren.<br />

Stufe 3: Leitlinie mit allen Elementen systematischer Entwicklung<br />

Formale Konsensusfindung, systematische Recherche <strong>und</strong> Bewertung der Literatur sowie<br />

Klassifizierung von Studien <strong>und</strong> Empfehlungen nach den Kriterien der Evidenz-basierten Medizin,<br />

klinische Algorithmen, Outcome-Analyse, Entscheidungsanalyse.<br />

Leitlinien als systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Ärzte <strong>und</strong> Patienten sind ein wichtiges Instrument des<br />

Qualitätsmanagements in der Medizin <strong>und</strong> werden auch von der Ges<strong>und</strong>heitspolitik gefordert (§137e-g SGBV). Die<br />

kontinuierliche Verbesserung der methodischen Qualität von Leitlinien ist daher ein wichtiges medizinisches <strong>und</strong><br />

gesellschaftliches Ziel.<br />

1999 wurde erstmalig von der DGVS. in Zusammenarbeit mit der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) eine S3-<br />

Leitlinie für das KRK erarbeitet, die flächendeckend eine standardisiert hochwertige Patientenversorgung auf dem<br />

Boden evidenzbasierter Medizin erreichen sollte. Um die Empfehlungen auf dem neuesten Stand wissenschaftlicher<br />

Erkenntnis zu halten, wurde die Leitlinie 2004 in enger Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der<br />

wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) aktualisiert.<br />

2008 wurde aufgr<strong>und</strong> der raschen Fortschritte auf dem Gebiet der medikamentösen Tumortherapie <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong><br />

neuer Erkenntnisse zur differenzierten Polypennachsorge zunächst eine Aktualisierung der Themenkomplexe IV<br />

(Polypenmanagement), VI (adjuvante <strong>und</strong> neoadjuvante Therapie) <strong>und</strong> VII (Vorgehen bei Metastasierung <strong>und</strong><br />

palliative Situation) durchgeführt.<br />

Die Ausarbeitung erfolgte unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- <strong>und</strong><br />

Stoffwechselkrankheiten (DGVS.) mit Unterstützung der Deutschen Krebshilfe - in Zusammenarbeit mit der:<br />

• Deutschen Krebsgesellschaft (DKG)<br />

• Deutschen Gesellschaft für Hämatologie <strong>und</strong> <strong>Onkologie</strong> (DGHO)<br />

• Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)<br />

• Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie (DGK)<br />

• Deutschen Gesellschaft für Pathologie (DGP)<br />

• Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO)<br />

• Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie (DGVC)<br />

• Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft <strong>Onkologie</strong> (CAO-V)<br />

• Vereinigung für Stomaträger <strong>und</strong> für Menschen mit Darmkrebs (Deutsche ILCO)<br />

• Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV)<br />

• Deutschen Röntgengesellschaft (DRG)<br />

• Deutschen vereinten Gesellschaft für klinische Chemie <strong>und</strong> Laboratoriumsmedizin (DGKL)<br />

Leitung: W. Schmiegel unter Mitarbeit von A.Reinacher-Schick, C.Pox, I. Kopp<br />

Schmiegel W. et al. S3-Leitlinie „<strong>Kolorektale</strong>s Karzinom“, Z Gastroenterol 2008;46:1-73<br />

www.dgvs.de/media/Leitlinie.pdf<br />

188


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

S3-Leitlinie 2004 <strong>und</strong> Aktualisierung 2008, II<br />

Themenkomplexe der S3-Leitlinie <strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Details siehe www.dgvs.de/media/Leitlinie.pdf<br />

I. Prävention asymptomatische Bevölkerung<br />

II. Screening der asymptomatischen Bevölkerung<br />

III. Risikogruppen<br />

Sporadisches kolorektales Karzinom; Hereditäre kolorektale <strong>Karzinome</strong>; Chronisch entzündliche<br />

Darmerkrankungen<br />

IV. Endoskopie: Durchführug <strong>und</strong> Polypenmanagement (Aktualisierung 2008)<br />

V. Präoperative Diagnostik <strong>und</strong> Chirurgie<br />

VI. Adjuvante <strong>und</strong> Neoadjuvante Therapie des Kolon- <strong>und</strong> Rektumkarzinoms (Aktualisierung 2008)<br />

VII. Therapeutisches Vorgehen bei Metastasierung <strong>und</strong> in der palliativen Situation (Aktualisierung 2008)<br />

VIII. Nachsorge<br />

Die für die Konsensfindung <strong>und</strong> zum Verständnis der Empfehlungen relevante Literatur wurde nach den<br />

Empfehlungen des Centre for Evidence-Based Medicine, Oxford, UK (Quelle: http://www.cebm.net/)<br />

bewertet. Der Klassifizierung der Evidenzgrade wurden neben der Angemessenheit des Studiendesigns auch die<br />

Angemessenheit der Durchführung <strong>und</strong> der Auswertung der Studien zugr<strong>und</strong>e gelegt. In der Regel bestimmt der<br />

Evidenzgrad den Empfehlungsgrad. Bei der Formulierung der Empfehlungen wird zwischen drei Modalitäten<br />

unterschieden ( A = „soll“, B = „sollte“, C = „kann/unklar“). Der in der Aktualisierung der Themenkomplexe<br />

IV, VI <strong>und</strong> VII verwendete Empfehlungsgrad 0 entspricht dem vorher verwendeten Empfehlungsgrad C.<br />

A<br />

Empfehlungsgrad<br />

Evidenzgrad<br />

1-a<br />

1-b<br />

1-c<br />

Typen von Therapiestudien<br />

Systematische Übersicht über randomisierte kontrollierte Studien (RCT)<br />

Eine RCT (mit engem Konfidenzintervall)<br />

Alle-oder-keiner-Prinzip<br />

B<br />

C<br />

2-a<br />

2-b<br />

3-a<br />

3-b<br />

Systematische Übersicht gut geplanter Kohortenstudien<br />

Eine gut geplante Kohortenstudie oder eine RCT minderer Qualität<br />

Systematische Übersicht über Fall-Kontroll-Studien<br />

Eine Fall-Kontroll-Studie<br />

C 4 Fallserien oder Kohorten- <strong>und</strong> Fall-Kontroll-Studien minderer Qualität<br />

C 5<br />

Expertenmeinung ohne explizite Bewertung der Evidenz oder basierend auf<br />

physiologischen Modellen/Laborforschung<br />

Während der Konferenz <strong>und</strong> der nachfolgenden schriftlichen Abstimmungen wurde der prozentuale Anteil der<br />

den Empfehlungen zustimmenden Teilnehmer sowie die absolute Zahl der Zustimmungen ermittelt, um die<br />

Konsensusstärke festzustellen.<br />

Klassifikation der Konsensusstärke<br />

starker Konsens<br />

Konsens<br />

mehrheitliche Zustimmung<br />

kein Konsens<br />

Zustimmung von > 95 % der Teilnehmer<br />

Zustimmung von > 75 – 90 % der Teilnehmer<br />

Zustimmung von > 50 – 75 % der Teilnehmer<br />

Zustimmung von < 50 % der Teilnehmer<br />

189


Lebensgewohnheiten<br />

<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

S3-Leitlinie 2004/2008, Prävention, Ernährung<br />

Empfehlung<br />

Zur Risikoreduktion eines kolorektalen Karzinoms sollten regelmäßig körperliche Aktivitäten<br />

durchgeführt sowie eine Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Personen (BMI > 25 kg/m2) angestrebt<br />

werden.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke 2b, starker Konsens.<br />

Patienten sollten zur Nikotinkarenz angehalten werden.<br />

Empfehlungsgrad A, Evidenzstärke 2b; starker Konsens.<br />

Anmerkungen<br />

Personen mit höherem körperlichen Aktivitätsgrad haben in Querschnittsuntersuchungen weniger Kolonpolypen<br />

(Adenome) <strong>und</strong> ein geringeres Karzinomrisiko. Zwei Kohortenstudien konnten zeigen, dass bereits 30 bis 60<br />

Minuten tägliche moderate körperliche Aktivität mit einem verringerten Karzinomrisiko einhergeht.<br />

Kolonpolypen (Adenome) finden sich häufiger bei Patienten mit höherem BMI. Bei übergewichtigen Personen<br />

war das Risiko für ein Kolonkarzinom bis zu zweifach erhöht, wobei unklar ist, ob die Risikoerhöhung durch<br />

das Übergewicht, die erhöhte Kalorienaufnahme oder durch die fehlende körperliche Aktivität bedingt ist.<br />

Rauchen ist mit einem erhöhten Risiko für Kolonadenome <strong>und</strong> -karzinome assoziiert. Trotz einer Evidenzstärke<br />

2b wurde von den Teilnehmern der Plenumsitzung der Empfehlungsrad auf A hochgestuft, um der nachweislich<br />

durch das Rauchen bedingten erhöhten extrakolischen Morbidität <strong>und</strong> Mortalität Rechnung zu tragen.<br />

Ernährungsempfehlungen<br />

Zur Risikoreduktion eines kolorektalen Karzinoms sollte die Ballaststoffaufnahme erhöht werden. Rotes<br />

bzw. verarbeitetes Fleisch sollte nicht täglich verzehrt werden.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens.<br />

Obst <strong>und</strong> Gemüse sollten vermehrt gegessen werden (5 Portionen am Tag). Eine Limitierung des<br />

Alkoholkonsums wird angeraten.<br />

Empfehlungsrad: B, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.<br />

Anmerkungen<br />

Obwohl es kontroverse Studien gibt, ist die Evidenz ausreichend, um eine ballaststoffreiche Ernährung<br />

(30g/Tag) zu empfehlen. Die alleinige Zufuhr von bestimmten Ballaststoffen scheint nicht ausreichend zu sein.<br />

Insbesondere hat die EPIC-Studie, die Ballaststoffaufnahmen zwischen 12 <strong>und</strong> 35 g/Tag untersucht hat, eine<br />

inverse Beziehung zwischen Ballaststoffzufuhr <strong>und</strong> Karzinomrisiko nachgewiesen. Die negativen Daten der<br />

Nurses Health Study könnten darauf zurück zu führen sein, dass die untersuchte Spannweite lediglich 9,8 bis<br />

24,9 g/Tag betrug.<br />

Eine höhere Zufuhr von Obst <strong>und</strong> Gemüse ist mit einer reduzierten Häufigkeit von<br />

Kolonadenomen/<strong>Karzinome</strong>n assoziiert. Die Evidenz ist für die Aufnahme von Gemüse eindeutiger als für die<br />

Aufnahme von Obst. Unklar ist jedoch, welche Bestandteile (Ballaststoffe, Flavonoide, Anthocyanine) einen<br />

protektiven Effekt haben. Durch mehrere Studien konnte ein moderat erhöhtes Karzinomrisiko bei täglicher<br />

Aufnahme von rotem bzw. verarbeitetem Fleisch gezeigt werden. Hoher Alkoholkonsum ist mit einem erhöhten<br />

Risiko für ein Kolonkarzinom assoziiert, insbesondere bei reduzierter Folsäureeinnahme. Zusätzlich scheint ein<br />

negativ synergistischer Effekt zwischen Rauchen <strong>und</strong> Alkohol zu bestehen. Das Risiko korreliert mit der Menge<br />

des aufgenommenen Alkohols <strong>und</strong> nicht mit der Art des alkoholischen Getränks.<br />

Keine Empfehlungen können zum Fischkonsum (starker Konsens), der Reduktion des Fettverzehrs<br />

(Konsens) oder der Förderung der Aufnahme Vitamin-C-haltiger Nahrung (starker Konsens) gegeben<br />

werden.<br />

Anmerkungen<br />

Mehrere Studien zeigen zwar eine Assoziation zwischen Fischkonsum <strong>und</strong> reduziertem Auftreten von<br />

Kolonpolypen. Die Evidenz reicht jedoch nicht aus, um eine Empfehlung geben zu können. Unter der<br />

Voraussetzung, dass Vitamin-C-haltige Nahrung im wesentlichen Obst <strong>und</strong> Gemüse ist, könnte dies empfohlen<br />

werden. Es liegen aber keine entsprechenden Studien vor. Eine erhöhte Menge von Fett in der Nahrung ist ein<br />

möglicher Risikofaktor für ein kolorektales Karzinom. Der Effekt von Kofaktoren (Fleischzufuhr, Übergewicht)<br />

kann nicht hinreichend abgetrennt werden.<br />

190


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

S3-Leitlinie 2004/2008, Prävention, Medikamente<br />

Ernährungsempfehlung (Fortsetzung)<br />

Zur Karzinomreduktion sollte die Ernährung folsäure- (Empfehlungsgrad B) <strong>und</strong> kalziumreich<br />

(Empfehlungsrad C) sein.<br />

Evidenzstärke 2b, starker Konsens.<br />

Anmerkungen<br />

Folsäurereiche Ernährung war assoziiert mit einem erniedrigten Karzinomrisiko. Ob dieser Effekt auf die<br />

Folsäure oder andere in einer folsäurereichen Ernährung erhaltenen Stoffe zurück zu führen ist, lässt sich nicht<br />

differenzieren. Kalziumreiche Ernährung war ebenfalls mit einem erniedrigten Karzinomrisiko assoziiert. Auch<br />

hier lässt sich nicht eindeutig unterscheiden, ob dieser Effekt auf Kalzium oder andere in einer kalziumreichen<br />

Ernährung enthaltenen Stoffe zurück zu führen ist.<br />

Mikronährstoffe <strong>und</strong> Medikamente<br />

Empfehlung<br />

Es gibt derzeit keine gesicherten Daten zur wirksamen Prävention des kolorektalen Karzinoms durch<br />

Mikronährstoffe <strong>und</strong> Medikamente. Diese Angaben gelten für Kalzium (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke 4).<br />

Magnesium (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke 5), ß-Carotin (Empfehlunsgrad B, Evidenzstärke 3b), Vitamin<br />

A (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke 3b), Vitamin C, Vitamin D, Vitamin E (Empfehlungsgrad C,<br />

Evidenzstärke 4), Folsäure (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke 2b) <strong>und</strong> Selen (Empfehlunsgrad C,<br />

Evidenzstärke 4). Die Einnahme dieser Substanzen im Rahmen der Primärprävention sollte daher derzeit nicht<br />

erfolgen. Zum Einsatz von Sulindac, COX-2-Inhibitoren, 5-ASA, Cholesterinsyntheseinhibitoren oder<br />

Ursodeoxycholsäure existieren keine Daten für die asymptomatische Bevölkerung, so dass diese Substanzen<br />

ebenfalls nicht für diese Indikation gegeben werden sollten. Starker Konsens.<br />

Anmerkungen<br />

Es gibt Hinweise, dass die Einnahme von Folsäure in einem Multivitaminpräparat einen protektiven Effekt auf<br />

die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms hat. Allerdings ist dieser Effekt für die Folsäure allein bisher<br />

nicht eindeutig nachgewiesen worden.<br />

Mehrere epidemiologische Untersuchungen an Personen mit erhöhter Einnahme von Vitamin A konnten eine<br />

Reduktion des Risikos für en kolorektales Karzinom nicht sichern.<br />

Für ß-Carotin fand sich in mehreren Studien kein genereller Effekt, jedoch in zwei Studien eine Reduktion der<br />

kolorektalen <strong>Karzinome</strong> bei Patienten mit erhöhter Alkoholzufuhr. Es ist nicht eindeutig belegt, dass die<br />

Einnahme hoher Dosen von Vitamin C das Risiko für ein kolorektales Karzinom senkt. Für die Vitamine D <strong>und</strong><br />

E ist die Datenlage unzureichend, so dass eine Aussage über mögliche protektive Effekte auf die Entwicklung<br />

eines kolorektalen Karzinoms nicht möglich ist.<br />

Durch Anreicherung der Nahrung mit Selen wurde eine Reduktion des KRK in einer prospektiven Studie<br />

festgestellt. Da in dieser Studie die Häufigkeit des kolorektalen Karzinoms nicht das Hauptzielkriterium war,<br />

reichen diese Daten nicht aus, um eine Empfehlung für Selen zur Reduktion des Risikos des kolorektalen<br />

Karzinoms zu geben.<br />

Empfehlung<br />

Eine Gabe von Acetylsalicylsäure für die Primärprophylaxe kolorektaler Neoplasien sollte nicht erfolgen.<br />

Empfehlungsgrad : A, Evidenzstärke 2a, starker Konsens<br />

Anmerkungen<br />

In einigen Kohorten- <strong>und</strong> Fall-Kontrollstudien wurde eine erniedrigte Inzidenz des KRK bei Einnahme<br />

von Aspirin gesehen. Diese Bef<strong>und</strong>e wurden jedoch in anderen Studien nicht bestätigt. Aufgr<strong>und</strong> der<br />

derzeitigen ungesicherten Datenlage <strong>und</strong> der fehlenden Bewertung der Nutzen-Risiko-Relation sollte<br />

ASS als Primärprävention nicht eingesetzt werden.<br />

Empfehlung:<br />

Eine Hormonersatztherapie zur Risikoreduktion eines KRK bei Frauen sollte nicht gegeben werden.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens<br />

Anmerkungen<br />

Obwohl es Hinweise auf eine Reduktion des KRK gibt, ist der Gesamtnutzen (Mammakarzinomrisiko,<br />

Thromboserisiko) derzeit eher negativ einzuschätzen. Aus diesem Gr<strong>und</strong> erfolgte bei starkem Konsens eine<br />

Höherstufung des Empfehlungsgrades auf A.<br />

191


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Prävention, Lebensgewohnheiten, NCI-Empfehlungen<br />

Evidenzbeurteilung der vorliegenden Studien zur Prävention des CRC durch das NCI (National Cancer<br />

Institute) der USA<br />

Fett, hochkalorische Ernährung<br />

Epidemiologische experimentelle <strong>und</strong> klinische Untersuchungen legen nahe, dass fett-, protein- <strong>und</strong><br />

kalorienreiche Ernährung, Alkoholkonsum, Fleischverzehr (sowohl rotes als auch weißes Fleisch) <strong>und</strong> eine<br />

Kalzium- <strong>und</strong> Folinsäure-arme Ernährung mit einer erhöhten Inzidenz des KRK assoziiert sind.<br />

Evidenzlevel 3 <strong>und</strong> 4.<br />

Ballaststoffe, Früchte <strong>und</strong> Gemüse<br />

Ballaststoffsupplementierung <strong>und</strong> Diäten, die fettarm, aber reich an Früchten <strong>und</strong> Gemüsen sind, reduzieren<br />

nicht die Rate der Rekurrenz von Adenomen über einen 3-4-jährigen Zeitraum.<br />

Evidenzlevel 1 <strong>und</strong> 3.<br />

Nichtsteroidale antiinflammatorische Medikamente<br />

Medikamente wie Piroxicam, Sulindac <strong>und</strong> Aspirin können Adenome verhindern oder zu einer Regression<br />

adenomatöser Polypen bei der familiären adenomatösen Polyposis führen.<br />

Evidenzlevel 1 <strong>und</strong> 3.<br />

Rauchen von Zigaretten<br />

Rauchen von Zigaretten ist assoziiert mit einer erhöhten Tendenz, Adenome auszubilden <strong>und</strong> ein CRC zu<br />

entwickeln.<br />

Evidenzlevel 3.<br />

Postmenopausaler Hormonersatz<br />

Postmenopausaler Ersatz weiblicher Hormone ist mit einer Verminderung des Risikos für ein Kolon-, aber nicht<br />

für ein Rektumkarzinom assoziiert.<br />

Evidenzlevel 3.<br />

Koloskopie<br />

Die Koloskopie mit Entfernung von adenomatösen Polypen kann das Risiko eines KRK reduzieren.<br />

Evidenzlevel 3.<br />

Empfehlung der American Cancer Society zur Ernährung <strong>und</strong> körperlichen<br />

Aktivität<br />

Ratschläge für eine ges<strong>und</strong>e Lebensweise<br />

♦Essen Sie eine Vielfalt ges<strong>und</strong>er Nahrungsmittel mit einem Schwergewicht auf pflanzlichen Erzeugnissen.<br />

- Essen Sie 5 mal am Tag Gemüse oder Obst.<br />

- Bevorzugen Sie Vollkorngetreide.<br />

- Begrenzen Sie den Verzehr von rotem Fleisch, insbesondere solchem mit hohem Fettgehalt.<br />

♦Legen Sie sich einen körperlich aktiven Lebensstil zu.<br />

- Wenigstens mäßige Aktivität für 30 Minuten an 5 oder mehr Tagen der Woche.<br />

♦Halten Sie ein normales Gewicht während der gesamten Lebenszeit.<br />

- Gleichen Sie Kalorienaufnahme mit körperlicher Aktivität aus.<br />

- Reduzieren Sie Ihr Gewicht, falls Sie übergewichtig sind.<br />

♦Wenn Sie Alkohol trinken, reduzieren Sie den Konsum auf geringe Mengen.<br />

"5 am Tag"<br />

In Anlehnung an die seit 1991 laufende amerikanische Kampagne "5 a day for better health" wurde im Mai<br />

2000 eine deutsche Aktion "5 am Tag" gegründet. Es wird empfohlen, 3 Portionen Gemüse (ca. 375 g) <strong>und</strong> 2<br />

Portionen Obst (ca. 250 g) pro Tag zu verzehren.<br />

Als einfache Richtlinie bei unterschiedlichen Portionsgrößen gilt die Regel<br />

"5 mal eine Handvoll",<br />

so dass sich auch für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche durch die Größe der Hände eine adäquate Portionsgrösse ergibt.<br />

Insbesondere beim Gemüsekonsum nimmt Deutschland bisher in der europäischen Vergleichsstatistik einen<br />

hinteren Platz ein (ca. 240g/die).<br />

192


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Früherkennung, Screening<br />

Früherkennung<br />

Das KRK ist einer Früherkennung gut zugänglich. Durch Screeninguntersuchungen kann die Erkrankung nicht<br />

nur in einem frühen, heilbaren Stadium erkannt, sondern auch bei Entdeckung <strong>und</strong> Entfernung von Polypen<br />

verhindert werden. So kann eine deutliche Reduktion von Inzidenz <strong>und</strong> Mortalität erzielt werden.<br />

Koloskopiescreening<br />

Die Koloskopie ist das sensitivs.te Verfahren zur Entdeckung von Polypen <strong>und</strong> kolorektalen <strong>Karzinome</strong>n.<br />

Eine longitudinale Verlaufsbeobachtung aus den USA von<br />

1980-1999 zeigte eine Senkung der Inzidenz von KRK<br />

durch Polypektomie von Adenomen bis zu 90%. Auf der<br />

DDW 2007 wurden Mortalitätsdaten der Kohortenstudie<br />

vorgestellt. Es zeigte sich eine Senkung der KRKbedingten<br />

Mortalität um 90% im Vergleich zu einer<br />

Adenomgruppe ohne Polypektomie <strong>und</strong> eine Senkung um<br />

50% im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (Zauber AG et<br />

al., DDW 2007, Abstract 268).<br />

Senkung der KRK-Inzidenz durch Polypektomie<br />

Ein Ziel der Vorsorgekoloskopie ist es, kolorektale <strong>Karzinome</strong> in einem frühen Stadium mit entsprechend guter<br />

Prognose zu diagnostizieren. Die Patienten, deren <strong>Karzinome</strong> im Rahmen des Screenings entdeckt werden,<br />

haben ein günstigeres Tumorstadium <strong>und</strong> damit eine günstigere Prognose (Gupta AK et al., Clin Gastroenterol Hepatol<br />

2005; 3: 150-8). Dies zeigen auch die Ergebnisse der Vorsorgekoloskopie in Deutschland (siehe folgende Seite).<br />

In den aktuellen Empfehlungen ist keine Altersbegrenzung für eine Vorsorgekoloskopie vorgesehen. In einer<br />

Untersuchung an 1244 Personen, die eine Vorsorgekoloskopie erhalten hatten, zeigte sich, dass die Inzidenz der<br />

gef<strong>und</strong>enen Neoplasien mit dem Alter zunimmt, die Zunahme an Lebensgewinn durch die Koloskopie bei über<br />

80 jährigen jedoch deutlich abnimmt. Die Autoren schließen daraus, dass bei älteren Patienten eine<br />

Vorsorgekoloskopie nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen sollte (Lin O. et al., JAMA<br />

2006;295:2357-65).<br />

Koloskopie – Untersuchungsintervall<br />

Eine deutsche Fall-Kontrollstudie untersuchte an 380 Patienten <strong>und</strong> 485 Kontrollen, wie lange der protektive<br />

Effekt einer unauffälligen Koloskopie anhält. Personen mit einer unauffälligen Koloskopie hatten ein 74%<br />

niedrigeres Risiko für ein KRK als Personen ohne frühere Koloskopie (adjusted Odds ratio = 0,26). Dieses<br />

niedrige Risiko bestand auch, wenn die Koloskopie bis zu 20 <strong>und</strong> mehr Jahre zurücklag. Die Autoren werfen die<br />

Frage auf, ob eine unauffällige Koloskopie jemals wiederholt werden muss (Brenner H. et al., Gut 2006;55:1145-50).<br />

Bevor aber das Untersuchungsintervall von 10 Jahren verlängert wird, sind sicherlich weitere Studien<br />

erforderlich.<br />

Neue/übersehene <strong>Karzinome</strong> nach Koloskopie (Bressler B. et al., Gastroenterology 2007;132:96-102)<br />

Studien zeigen, dass 4-6% aller <strong>Karzinome</strong> sowie bis 12% aller<br />

Polypen ≥10 mm übersehen werden.<br />

Eine Studie aus Kanada untersuchte die Rate <strong>und</strong> Riskofaktoren<br />

für neue oder übersehene <strong>Karzinome</strong> nach Koloskopie. In einer<br />

retrospektiven Analyse von 12487 Patienten mit neu<br />

diagnostiziertem KRK waren 5,9% bei einer vorangegangenen<br />

Koloskopie nicht entdeckt worden. Die Rate für ein übersehenes<br />

Karzinom war im rechten Kolon sowie im Transversum deutlich<br />

höher als im linken Kolon oder im Sigma/Rektum.<br />

Risikofaktoren waren höheres Patientenalter, eine Divertikulose,<br />

die Durchführung der Koloskopie von einem Internisten/<br />

Hausarzt versus Gastroenterologen sowie die Durchführung in der Praxis versus im Krankenhaus.<br />

Ein Teil der <strong>Karzinome</strong>, die im Verlauf nach einer Koloskopie entdeckt werden, ist möglicherweise auch durch<br />

rasch progrediente mikrosatelliteninstabile (MSI) Tumore bedingt. Weitere Ursachen für Intervallkarzinome<br />

sind inkomplette Untersuchungen, inkomplette Polypektomie <strong>und</strong> mangelhafte Darmvorbereitung.<br />

193<br />

Übersehene/neue <strong>Karzinome</strong>, Risikofaktoren


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Früherkennung, Koloskopiescreening<br />

Vorgehen zur Früherkennung bei der asymptomatischen Bevölkerung<br />

Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- <strong>und</strong> Stoffwechselkrankheiten <strong>und</strong> der<br />

Arbeitsgemeinschft für Gastroenterologische <strong>Onkologie</strong><br />

(Schmiegel W. et al. Z Gastroenterol 2004;42:1129-77):<br />

ab dem 50. Lebensjahr ● Koloskopie alle 10 Jahre (spätestens ab dem 55. Lebensjahr, obere<br />

Altersgrenze abhängig von Begleiterkrankungen), FOBT entfällt<br />

bei Ablehnung:<br />

ab dem 50. Lebensjahr<br />

bei Ablehnung:<br />

ab dem 50. Lebensjahr<br />

● Sigmoidoskopie alle 5 Jahre <strong>und</strong><br />

● jährlich Untersuchung des Stuhls auf okkultes Blut<br />

● jährlich Untersuchung des Stuhls auf okkultes Blut (siehe unten)<br />

Es wird die jährliche Durchführung einer FOBT aus 3 Testbriefchen, für drei aufeinander folgende Stuhlgänge,<br />

mit je zwei Proben pro Stuhl auf zwei Testfelder empfohlen. Bei einmalig positivem Testergebnis ist eine<br />

komplette endoskopische Darstellung des Dickdarms (Koloskopie bis zur Bauhinschen Klappe) nach digitaler<br />

rektaler Austastung erforderlich. Die Rehydrierung wird nicht empfohlen.<br />

Die Kassenärztliche B<strong>und</strong>esvereinigung hat die sogenannte "Vorsorge-Koloskopie" vom 56. Lebensjahr an<br />

als Früherkennungsleistung ab dem 1.10.2002 in das Programm aufgenommen. Sie sollte nach 10 Jahren<br />

einmal wiederholt werden. Zwischen 50 <strong>und</strong> 54 Jahren sollte jährlich ein FOBT durchgeführt werden. Wird<br />

die Koloskopie abgelehnt, steht der FOBT auch ab 55 Jahren zur Verfügung. Die Durchführung ist aber nur<br />

noch alle 2 Jahre vorgesehen.<br />

Vorsorgekoloskopie in Deutschland<br />

Seit Einführung der Vorsorgekoloskopie 2002 sind mehr als 2 Millionen Untersuchungen durchgeführt worden.<br />

Bis Ende 2005 hatten sich in der Zielgruppe der 55- bis 75jährigen 10,2% der anspruchsberechtigten Frauen <strong>und</strong><br />

8,8% der Männer einer Vorsorgekoloskopie unterzogen.<br />

Ein Ziel der Vorsorgekoloskopie ist es, kolorektale <strong>Karzinome</strong> in einem frühern Stadium mit entsprechend guter<br />

Prognose zu diagnostizieren. 2005 wurden 3829 <strong>Karzinome</strong> im Rahmen der Vorsorgekoloskopie diagnostiziert.<br />

Für 2556 liegen die Daten für eine Stadieneinteilung vor. 69% wurden in den prognostisch günstigen Stadien I<br />

<strong>und</strong> II entdeckt <strong>und</strong> damit deutlich früher als in einer Kontrollgruppe.<br />

Bei über 33.300 Personen (6,6%) wurde bei der Vorsorgekoloskopie ein fortgeschrittenes Adenom (≥ 10 mm,<br />

villöse Histologie oder höhergradige intraepitheliale Neoplasie) mit erhöhtem Progressionsrisiko in ein<br />

Karzinom entdeckt.<br />

Die Nebenwirkungsrate der Koloskopie ist gering <strong>und</strong> beträgt durchschnittlich 0,27%. Sie erhöht sich in<br />

Abhängigkeit vom Alter (bei > 79 Jahren 0,5%).<br />

194


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Screeningmethoden – FOBT<br />

Für die Darmkrebsfrüherkennung stehen folgende Untersuchungsverfahren zur Verfügung:<br />

- FOBT - Immunologische/Genanalytische Stuhltests<br />

- Sigmoidoskopie - Koloskopie<br />

- CT/ MRT-Kolonographie<br />

Fäkale okkulte Bluttestung (FOBT)<br />

Der Guajac- basierte Stuhltest auf okkultes Blut stellt ein geeignetes Screening für ein KRK dar. Dieser Test ist mit<br />

dem geringsten finanziellen, personellen <strong>und</strong> apparativen Aufwand verb<strong>und</strong>en. Die FOBT ist das einzige<br />

Screeningverfahren bisher, dessen Wirksamkeit hinsichtlich der Mortalitätssenkung belegt ist.<br />

Die Minnesota Studie zeigte eine Reduktion der Mortalität an KRK durch die jährliche FOBT von 8.8 auf 5,9/1000,<br />

was einer relativen Reduktion von 33% entspricht (Mandel JS et al., NEJM 1993; 328:1365-71). Eine Testung alle 2 Jahre<br />

führte zu einer relativen Mortalitätsreduktion von 21% (Mandel JS et al., Journal of National Cancer Institute 1999; 91:434-37).<br />

Nach 18 Jahren Follow-up zeigte sich die Inzidenz des KRK bei jährlicher Untersuchung um 20%, bei einer Testung<br />

alle 2 Jahre um 17% vermindert (Mandel JS et al.. NEJM 2000;343:1603-7). Die jährliche Untersuchung war also der<br />

Testung alle 2 Jahre hinsichtlich der Reduktion der Mortalität überlegen.<br />

Signifikanter Überlebensvorteil der<br />

Patienten mit regelmäßigem jährlichen<br />

Screening mit fäkalem Okkultbluttest<br />

(aus Mandel JS et al. NEJM 1993;<br />

328:1365)<br />

Metaanalysenergebnisse<br />

Metaanalyse von 4 randomisierten <strong>und</strong> 2 nicht randomisierten Studien mit insgesamt 442.000 Pat.<br />

Eine regelmäßige Testung, meist alle 2 Jahre, ergab eine Senkung der Mortalität um 23% (Towler B. et al.: BMJ 1998,<br />

317: 559-65). In allen Studien hatten ca. 1-5% der unselektioniert getesteten Personen ein positives Testresultat. Von<br />

den Personen mit positivem Test hatten 2-10% Krebs, 20-30% hatten Adenome. Wenn 10.000 Personen ähnlichen<br />

Alters <strong>und</strong> Risikos in den Studien ein Test alle zwei Jahre angeboten wurde <strong>und</strong> zwei Drittel wenigstens einen FOBT<br />

durchführten, konnten 8,5 Todesfälle an KRK in 10 Jahren verhindert werden.<br />

Nachteil des FOBT ist seine geringe Sensitivität, die für ein KRK etwa 30-50% <strong>und</strong> für Adenome nur etwa 15%<br />

beträgt. Deswegen ist die Aussagefähigkeit eines einmalig negativen FOBT gering. Bei einem einmalig positiven<br />

Testergebnis ist nach rektal-digitaler Untersuchung die Durchführung einer kompletten Koloskopie zwingend<br />

notwendig. Die Wiederholung eines einmalig positiven FOBT ist nicht sinnvoll. Die niedrige Sensitivität verbietet<br />

auch den Einsatz des FOBT bei der Abklärung symptomatischer Patienten oder im Screening von<br />

Hochrisikogruppen.<br />

Immunologische <strong>und</strong> genanalytische Stuhltests<br />

Neben den Guajak- Tests gibt es neuere, auf immunologischen Verfahren basierende Tests auf Hämoglobin. Mehrere<br />

Studien konnten zeigen, dass die Sensitivität im Hinblick auf die Detektion von <strong>Karzinome</strong>n oder fortgeschrittenen<br />

Adenomen höher ist als für Guajac- Tests (Guittet L. et al, Gut 2007;56:210-214). Ungeklärt ist der optimale Cut-off-Wert<br />

für einen positiven Test sowie die notwendige Anzahl von Stuhlproben. Die Untersuchung von 2 Stuhlproben steigert<br />

die Sensitivität deutlich. Leider sind auch die Tests verschiedener Anbieter nicht vergleichbar.<br />

Da der Tumor Zellen ins Darmlumen abgibt, können Genmutationen durch neue analytische Techniken in Faeces<br />

nachgewiesen werden. In einer großen randomisierten Screening-Studie war der genetische Stuhltest zwar dem<br />

Guajac- FOBT hinsichtlich der Sensitivität für <strong>Karzinome</strong> überlegen. Die Sensitivität von 52% war jedoch nur<br />

mässig <strong>und</strong> die für fortgeschrittene Adenome mit 15% niedrig (Imperiale TF et al., NEJM 2004;35:2704-14). Der Preis für<br />

genetische Stuhltests von mehreren h<strong>und</strong>ert Dollar ist hoch <strong>und</strong> die Testdurchführung ist umständlich, sodass zum<br />

gegenwärtigen Zeitpunkt der Einsatz als primäre Screeningmaßnahme außerhalb von Studien noch nicht sinnvoll<br />

erscheint.<br />

195


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Früherkennung, Sigmoido-, Koloskopie<br />

Sigmoidoskopie<br />

Die flexible Sigmoidoskopie wurde 1969 eingeführt. Sie erlaubt die komplette Untersuchung des distalen Kolons <strong>und</strong><br />

verlangt beim Auffinden von Polypen nach einer kompletten Koloskopie. Allerdings konnte eine aktuelle Studie<br />

zeigen, dass 50% aller Patienten mit fortgeschrittenen proximalen Adenomen keine distalen „Markerpolypen“<br />

aufwiesen (s.u. bei Koloskopie). Alle Screening-Studien haben eine proportionale Vermehrung der frühen Stadien<br />

<strong>und</strong> eine Verbesserung des Überlebens für die gescreenten im Vergleich zu den nicht gescreenten Personen gezeigt.<br />

Die meisten dieser Studien haben jedoch keine entsprechende Vergleichsgruppe <strong>und</strong> ihre Interpretation ist aufgr<strong>und</strong><br />

des Screening-Bias unklar. Zwei Fall-Kontrollstudien (Selby JV et al. NEJM 1992; 326:653-7 <strong>und</strong> Newcomb PA et al. J Nat<br />

Cancer Inst 1992; 84:1572-75,1992) fanden ein signifikant vermindertes Risiko (70-90%) für ein CRC im distalen Kolon<br />

bei Personen, die mindestens eine Sigmoidoskopie durchführen ließen, im Vergleich zu nicht gescreenten Personen.<br />

Die Sigmoidoskopie wird nur als optionales Screeningverfahren, wenn andere Verfahren nicht zur Verfügung stehen,<br />

eingesetzt werden.<br />

Digitale rektale Untersuchung<br />

Eine Fall-Kontroll-Studie ergab, dass die Digitale rektale Untersuchung nicht mit einer statistisch signifikanten<br />

Reduktion der Mortalität an einem distalen Rektumkarzinom assoziiert ist (Herrington LJ et al., American Journal of<br />

Epidemiology 1995; 142:961-4). Trotzdem erscheint eine rektale Untersuchung im Rahmen z.B. einer Sigmoidoskopie<br />

<strong>und</strong> Koloskopie sinnvoll.<br />

Barium-Kolon-Kontrasteinlauf<br />

Als Teil der amerikanischen "National Polyp Study" wurden Patienten<br />

nach Polypektomie im Überwachungsprogramm koloskopiert <strong>und</strong><br />

geröngt (Winawer SJ et al., NEJM 2000; 342:1766-72). Die Sensitivität war<br />

abhängig von der Polypengröße <strong>und</strong> war statistisch signifikant höher für<br />

die Koloskopie. In der aktualisierten Leitlinie der DGVS. wird die<br />

Untersuchung nicht empfohlen.<br />

Koloskopie<br />

Die komplette Ileo-Koloskopie besitzt die höchste Sensitivität (95%)<br />

<strong>und</strong> Spezifität (100%) für die Erkennung eines KRK bzw. Adenoms <strong>und</strong><br />

bietet als einziges Verfahren die Möglichkeit der Diagnose <strong>und</strong><br />

endoskopischen Therapie von präneoplastischen Läsionen im gesamten<br />

Kolon. 2 Studien zeigen, dass die Koloskopie eine relevante Zahl an<br />

präkanzerösen Polypen detektiert, die der Sigmoidoskopie entgangen<br />

wären.<br />

In der Studie von 13 Veterans Affairs Medical Centers (Lieberman DA et<br />

al., NEJM 2000; 343:162-8) mit 3121 Personen fanden sich bei 128<br />

Stenosierendes Kolonkarzinom. KE<br />

Patienten im rechten Kolon fortgeschrittene Polypen. 52% dieser Pat. hatten keine Polypen im linken Kolon, so dass<br />

das Karzinom bei einer ausschließlichen Sigmoidoskopie nicht entdeckt worden wäre.<br />

Die andere Studie (Imperiale TF et al., NEJM 2000; 343:169-174) schloss knapp 2000 Personen ein. Das Ergebnis war<br />

ähnlich: die Hälfte der 50 Fälle von fortgeschrittenen Polypen im rechten Kolon wäre bei einer Sigmoidoskopie nicht<br />

entdeckt worden, da das linke Kolon frei von Polypen war.<br />

Virtuelle Koloskopie – CT/MR-Kolographie<br />

Die virtuelle Koloskopie kann sowohl CT-basiert als auch ohne Strahlenexposition mit MRT durchgeführt werden.<br />

Die aktuellen Studien zeigen eine sehr unterschiedliche Sensitivität für die Polypendetektion, z.T. eine sehr hohe mit<br />

einer Detektion von Polypen > 6 mm von 88,7 %, zum anderen eine sehr niedrige mit einer Sensitivität von 59% bei<br />

Polypen > 10 mm, ohne dass die Faktoren, die zu diesen differenten Ergebnissen beitragen, näher definiert sind.<br />

Sicher sind die Ergebnisse Untersucher- <strong>und</strong> softwareabhängig. Auf jeden Fall ist eine komplette Darmvorbereitung<br />

erforderlich. Auch die mit der Untersuchung verb<strong>und</strong>ene Strahlenexposition ist zu berücksichtigen. Das Vorgehen bei<br />

kleinen Polypen (bis 5 mm) ist unklar, insbesondere stellt sich die Frage, ab welcher Größe koloskopiert werden soll.<br />

Es muss die Möglichkeit geben, einen Patienten mit positivem virtuellen Bef<strong>und</strong> unmittelbar zu koloskopieren.<br />

Auch gibt es keine Studien, die das optimale Untersuchungsintervall untersucht haben. Solange keine Standards <strong>und</strong><br />

Qualitätskriterien für die Durchführung definiert sind, darf diese Methode nicht als ein Routineverfahren zum<br />

Polypenscreening außerhalb von Studien eingesetzt werden.<br />

Die Koloskopie ist nach wie vor der Goldstandard für das Screening. Der Guaiac- FOBT ist die Alternative<br />

für Personen, die eine Koloskopie ablehnen. Es ist zu erwarten, dass der immunologische FOBT in Zukunft in<br />

die Empfehlungen aufgenommen wird.<br />

196


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Screeninguntersuchungen I, FOBT, S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Screening asymptomatische Bevölkerung (keine Risikogruppen)<br />

Maßnahmen zur Früherkennung von Darmkrebs sollten bei Personen mit durchschnittlichem Risiko (leere<br />

Familienanamnese für KRK bzw. Polypen/Adenome) ab dem Alter von 50 Jahren durchgeführt werden.<br />

Eine ärztliche Beratung über die Screeningmethoden ist unerlässlich.<br />

Standardverfahren ist die Koloskopie. Sie ist der Sigmoidoskopie überlegen.<br />

Um die Sicherheit der Untersuchten zu gewährleisten, müssen die Qualitätsrichtlinien beachtet werden.<br />

Bei Personen, die am Koloskopie-Screening entsprechend dieser Richtlinie teilnehmen, erübrigt sich das FOBT-<br />

Screeningverfahren.<br />

Bei Personen, die eine Früherkennungskoloskopie ablehnen, sollte eine Sigmoidoskopie alle 5 Jahre sowie<br />

jährlich ein FOBT (Guaiak- Verfahren) durchgeführt werden.<br />

Bei Personen, die jegliches endoskopische Screeningverfahren ablehnen, sollten jährlich ein FOBT durchgeführt<br />

werden.<br />

Ein positiver FOBT sollte nicht kontrolliert werden, sondern erfordert in jedem Fall eine Koloskopie.<br />

Andere Verfahren als Koloskopie, Sigmoidoskopie <strong>und</strong> FOBT können derzeit nicht empfohlen werden.<br />

Eine hohe Akzeptanz des Screening-Programms ist Voraussetzung für eine Senkung von Inzidenz <strong>und</strong><br />

Mortalität des Darmkrebses <strong>und</strong> Steigerung der Kosteneffektivität.<br />

Screening-Alter<br />

Empfehlung<br />

Mit der Darmkrebsvorsorge sollte ab dem Alter von 50 Jahren begonnen werden. Eine obere Altersbegrenzung<br />

kann bei steigender Lebenserwartung nicht gegeben werden. Hier erscheint eine individuelle Entscheidung unter<br />

Berücksichtigung der Begleiterkrankungen angezeigt.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 4, starker Konsens<br />

Anmerkungen<br />

Die KRK-Inzidenz steigt ab einem Alter von 50 Jahren deutlich an. In einer prospektiven Koloskopiestudie<br />

zeigte sich eine deutlich niedrigere Nachweisrate fortgeschrittener Adenome bei 40- bis 49-Jährigen (3,5%), so<br />

dass ein Screeningbeginn vor 50 Jahren für die Allgemeinbevölkerung wenig sinnvoll erscheint. Von großer<br />

Bedeutung ist die Identifikation von Personen mit erhöhtem KRK-Risiko, für die gesonderte Empfehlungen<br />

gelten.<br />

Zur Altersbegrenzung der Darmkrebsvorsorge existieren keine prospektiven Studien. Die Inzidenz<br />

fortgeschrittener Neoplasien nimmt mit dem Alter zu. Endoskopische Untersuchungen scheinen auch bei älteren<br />

Patienten sicher durchführbar zu sein. In einer Studie war die relative 5-Jahres-Überlebensrate nach kurativer<br />

Operation eines kolorektalen Karzinoms für Patienten über 74 Jahre vergleichbar mit der von Patienten<br />

zwischen 50 <strong>und</strong> 74 Jahren. Die Festlegung der Altersbegrenzung sollte daher individuell in Abhängigkeit des<br />

„biologischen Alters“ sowie vorhandener Begleiterkrankungen erfolgen. Zum Nutzen-Risiko-Verhältnis des<br />

Darmkrebsscreenings in verschiedenen Altersgruppen existiert keine ausreichende Datenlage.<br />

FOBT (Guaiak- Test)<br />

Empfehlung<br />

Bei Personen mit durchschnittlichem Darmkrebsrisiko, die keine Koloskopie wünschen, sollte ein FOBT –<br />

bestehend aus 3 Testbriefchen (mit je 2 Auftragefeldern) für drei konsekutive Stühle – jährlich durchgeführt<br />

werden. Hierdurch wird die Sterblichkeit an Darmkrebs signifikant gesenkt. Ein positives Testergebnis macht<br />

die endoskopische Untersuchung des gesamten Dickdarms erforderlich. Der jährliche FOBT ist der<br />

zweijährlichen Untersuchung überlegen. Bei Personen, die am Koloskopie-Screening teilnehmen, erübrigen sich<br />

FOBT <strong>und</strong> andere Maßnahmen.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.<br />

197


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Screeninguntersuchungen II, Stuhltestverfahren, S3-Leitlinie<br />

FOBT (Guaiak- Test): siehe vorherige Seite<br />

Anmerkungen<br />

Gr<strong>und</strong>lage für die Stuhltestung auf okkultes Blut ist die Tatsache, dass kolorektale <strong>Karzinome</strong> häufiger bluten als die<br />

normale Darmmukosa. Herkömmliche FOBT verwenden mit Guaiakharz imprägniertes Filterpapier, das sich in<br />

Anwesenheit von im Stuhl enthaltenem Hämoglobin nach Zugabe von Wasserstoffperoxyd blau färbt. Da viele<br />

<strong>Karzinome</strong> intermittierend bluten, führt die wiederholte Testung zu einer zuverlässigeren Erkennung von KRK. Das<br />

in den Studien eingesetzte Verfahren beinhaltet, aus drei aufeinander folgenden Stuhlgängen je zwei Proben pro Stuhl<br />

auf zwei Testfelder aufzutragen <strong>und</strong> auf okkultes Blut zu testen.<br />

Zur Effektivität des FOBT als Screeningmethode für ein kolorektales Karzinom liegen die Ergebnisse von 3 großen<br />

randomisierten Studien vor. In ihnen konnte eine Senkung der KRK-bedingten Mortalität von 15-33% gezeigt<br />

werden. Eine Metaanalyse der Studien ergab eine durchschnittliche Senkung der KRK-Mortalität um 23%. Diese<br />

Mortalitätssenkung bestätigte sich auch nach längerem Follow-up der Studien. Die jährliche Testung war der<br />

zweijährigen Testung in Bezug auf die Reduktion der Mortalität in einer Studie eindeutig überlegen.<br />

Die Sensitivität des Tests hängt entscheidend von der Art der Testdurchführung <strong>und</strong> der Patienteninstruktion ab. Eine<br />

Rehydrierung der Testbriefchen vor Entwicklung steigert die Sensitivität des Screenings, verringert jedoch die<br />

Spezifität deutlich (in einer Studie von 97,6 auf 90,2%, in einer weiteren von 97 auf 85,4%) <strong>und</strong> wird daher nicht<br />

empfohlen. Es gibt Hinweise dafür, dass die Instruktion des Patienten vor der Testdurchführung in Bezug auf<br />

Ernährung <strong>und</strong> interferierende Medikamente die Zahl der falsch positiven Testergebnisse <strong>und</strong> somit auch die Zahl der<br />

erforderlichen Koloskopien reduzieren kann. Es erscheint daher sinnvoll, den Patienten über Faktoren, die das<br />

Testergebnis beeinflussen könnten, aufzuklären. Der Einfluss von Pflanzenperoxidasen kann alternativ durch eine<br />

Testentwicklung 3d nach Durchführung vermieden werden. Die Notwendigkeit einer Ernährungsempfehlung für den<br />

Hämoccult® wird allerdings durch eine Metaanalyse infrage gestellt.<br />

Bereits bei positivem Testergebnis auf okkultes fäkales Blut von einem der sechs Testfelder ist keine Kontrolle,<br />

sondern eine komplette endoskopische Darstellung des Dickdarms nach digitaler rektaler Untersuchung erforderlich.<br />

Dies beinhaltet auch den sicheren Ausschluss eines Anal- oder distalen Rektumkarzinoms mittels Proktoskopie. Eine<br />

Kolonkontrastuntersuchung sollte nur bei technisch unvollständiger Koloskopie erfolgen.<br />

Der Effekt der FOBT beruht auf einer Diagnose kolorektaler <strong>Karzinome</strong> in einem früheren prognosegünstigeren<br />

Stadium. Vorteile des FOBT sind die leichte Durchführbarkeit sowie die geringen Kosten. Nachteilig ist eine mäßige<br />

Sensitivität für <strong>Karzinome</strong> <strong>und</strong> eine geringe Sensitivität für Adenome. In einer der randomisierten Studien konnte<br />

zwar eine Senkung der Inzidenz kolorektaler <strong>Karzinome</strong> gezeigt werden, es muss jedoch beachtet werden, dass im<br />

Rahmen dieser Studie über 30% der Teilnehmer koloskopiert wurden.<br />

Immunologische Stuhltestverfahren, Empfehlung<br />

Immunologische Verfahren stellen derzeit keine Alternative zu den Guaiak- Verfahren in der Screening-Anwendung<br />

dar. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, Konsens.<br />

Anmerkungen<br />

Immunologische Tests auf Hämoglobin oder Hämoglobin/Haptoglobin im Stuhl besitzen eine höhere Sensitivität als<br />

der Hämoccult®-Test. Die Datenlage zur Spezifität ist uneinheitlich. Zu bedenken ist jedoch, dass für den Einsatz der<br />

immunologischen FOBT weniger Daten als für das Guaiak- Verfahren vorliegen <strong>und</strong> die Tests kostenintensiver <strong>und</strong><br />

zum Teil komplizierter in der Durchführung sind. Während der Testdurchführung ist keine Änderung der Ernährung<br />

erforderlich.<br />

Immunologische Stuhltests auf Albumin oder Calprotectin sind für das Screening nicht geeignet. Ebenso reicht die<br />

Datenlage zur M2-PK-Bestimmung im Stuhl nicht aus, um einen Einsatz außerhalb von Studien zu rechtfertigen.<br />

Molekulare Screeningverfahren, Empfehlung<br />

Stuhluntersuchungen auf DNA-Veränderungen als KRK-Screeningmaßnahme können derzeit aufgr<strong>und</strong> der<br />

unzureichenden Datenlage außerhalb von Studien nicht empfohlen werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4,<br />

starker Konsens.<br />

Anmerkungen<br />

Die Entstehung kolorektaler <strong>Karzinome</strong> über die Zwischenstufe der Adenome geht in vielen Fällen mit<br />

charakteristischen genetischen Veränderungen einher. Eine Isolierung <strong>und</strong> Untersuchung von DNA aus<br />

Kolonepithelzellen im Stuhl ist mittlerweile möglich. In einer Studie wurde der Stuhl von 46 Patienten mit bekannten<br />

<strong>Karzinome</strong>n oder Adenomen auf APC-Mutationen untersucht. Die Sensitivität für Karzinom betrug 61%, für<br />

Adenome 50%. In weiteren Studien mit ebenfalls kleinen Fallzahlen an Patienten mit bekannten Neoplasien wurden<br />

mehrere Marker im Stuhl untersucht. In diesen Untersuchungen wurde eine Sensitivität für <strong>Karzinome</strong> von 63 bis<br />

91%, für fortgeschrittene Adenome von 57 bis 82% gef<strong>und</strong>en. Aufgr<strong>und</strong> fehlender Daten aus der asymptomatischen<br />

Bevölkerung sowie des hohen Aufwands <strong>und</strong> der Kosten sollten diese Verfahren derzeit nur im Rahmen von Studien<br />

evaluiert werden.<br />

198


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Screening, endoskopische Verfahen, S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Endoskopische Verfahren<br />

Von allen Maßnahmen zur Früherkennung kolorektaler Neoplasien besitzt die Koloskopie die höchste<br />

Sensitivität <strong>und</strong> Spezifität (Goldstandard). Endoskopische Maßnahmen sind als einzige diagnostisch <strong>und</strong><br />

therapeutisch <strong>und</strong> haben den Vorteil, dass durch sie auch nicht blutende <strong>Karzinome</strong> <strong>und</strong> Adenome mit hoher<br />

Sensitivität nachgewiesen werden können. Durch die Abtragung von Adenomen kann zudem die Entstehung<br />

von <strong>Karzinome</strong>n effektiv verhindert werden (Unterbrechung der Adenom-Karzinom-Sequenz).<br />

Sigmoidoskopie-Empfehlung<br />

Die Effektivität der Sigmoidoskopie als Screening-Methode für das KRK ist gesichert. Es ist jedoch zu<br />

bedenken, dass nicht alle Darmabschnitte eingesehen werden können <strong>und</strong> somit eine komplette Koloskopie der<br />

Sigmoidoskopie überlegen ist. Sie ist Personen, die die Koloskopie ablehnen, anzubieten <strong>und</strong> alle 5 Jahre zu<br />

wiederholen. Zur möglichen Detektion proximaler <strong>Karzinome</strong> sollte zusätzlich zur Sigmoidoskopie eine<br />

jährliche FOBT-Durchführung erfolgen. Die Effektivität der Kombination ist jedoch nicht abschließend geklärt.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.<br />

Anmerkungen<br />

In Fall-Kontroll-Studien konnte für die Sigmoidoskopie eine Senkung der Mortalität von <strong>Karzinome</strong>n des Rektosigmoids um<br />

etwa 60 bis 80% gezeigt werden. Prospektive randomisierte Studien laufen derzeit in den USA, Großbritannien <strong>und</strong> Italien. In<br />

einer prospektiven Studie in Norwegen, bestehend aus Sigmoidoskopie gefolgt von einer Koloskopie bei Patienten mit<br />

Polypennachweis in der Sigmoidoskopie, konnte eine Senkung der KRK-Inzidenz gezeigt werden.<br />

Verglichen mit der okkulten fäkalen Bluttestung besitzt die Sigmoidoskopie eine höhere Sensitivität für kolorektale Neoplasien.<br />

In drei randomisierten Studien, in denen die Kombination aus einmaligem FOBT <strong>und</strong> Sigmoidoskopie mit einem alleinigen<br />

FOBT verglichen wurde, wurden signifikant mehr Neoplasien durch die Kombination gef<strong>und</strong>en.<br />

Koloskopie-Empfehlung<br />

Die komplette Koloskopie besitzt die höchste Sensitivität <strong>und</strong> Spezifität für das Auffinden eines KRK <strong>und</strong> von<br />

Adenomen <strong>und</strong> sollte daher als Standardverfahren empfohlen werden. Bei unauffälligem Bef<strong>und</strong> sollte die<br />

Koloskopie nach 10 Jahren wiederholt werden. Zur Durchführung wird auf die Krebsfrüherkennungsrichtlinie<br />

verwiesen, die digitale rektale Untersuchung ist hierbei obligat. Bei Personen, die am Koloskopie-Screening<br />

entsprechend dieser Richtlinie teilnehmen, erübrigt sich das FOBT-Screeningverfahren.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke; 3b, starker Konsens.<br />

Anmerkungen<br />

In zwei Fall-Kontroll-Studien wurde gezeigt, dass die Inzidenz von Darmkrebs durch Polypektomie im Rahmen einer Koloskopie<br />

um 66-90% gesenkt wird. Zwar gibt es keine randomisierte Studie, die richtlinienkonform durchgeführte Untersuchung wird<br />

jedoch aufgr<strong>und</strong> der hohen Sensitivität <strong>und</strong> Spezifität <strong>und</strong> der Möglichkeit der Polypektomie von fast allen Konsensusteilnehmern<br />

als die bevorzugte Vorsorgemethode für kolorektale <strong>Karzinome</strong> angesehen. Sie besitzt eine nachgewiesene hohe Sensitivität für<br />

<strong>Karzinome</strong> <strong>und</strong> Adenome des gesamten Kolons <strong>und</strong> erlaubt insbesondere eine Detektion proximaler Neoplasien. 46% - 52% der<br />

Patienten mit proximalen Neoplasien wiesen in Studien keine zusätzlichen distalen Adenome auf. Bei diesen Patienten wäre eine<br />

Diagnose der Neoplasien mittels Sigmoidoskopie unmöglich.<br />

Die Ergebnisse der Fall-Kontroll-Studie der Sigmoidoskopie sollten auf die Koloskopie übertragbar sein. Auch der protektive<br />

Effekt der FOBT-Studien beruht letztendlich auf der Abklärung positiver Tests mittels Koloskopie. Zusätzlich konnte in einer<br />

Fall-Kontroll-Studie ein protektiver Effekt der Koloskopie gezeigt werden. Die Komplikationsrate der Untersuchung in<br />

Deutschland war in einer Studie auf freiwilliger Basis sehr gering. Tandemuntersuchungen haben gezeigt, dass größere Adenome<br />

nur selten übersehen werden.<br />

Es wird davon ausgegangen, dass eine unauffällige Koloskopie nach 10 Jahren wiederholt werden sollte. So fanden sich 5,5 Jahre<br />

nach einer unauffälligen Koloskopie keine <strong>Karzinome</strong> <strong>und</strong> weniger als 1% fortgeschrittene Neoplasien. In einer Fallkontrollstudie<br />

hielt der protektive Effekt einer Koloskopie mindestens 10 Jahre an.<br />

Radiologische Verfahren-Empfehlungen<br />

Weder die CT-Kolonographie noch die MRT-Kolonographie können derzeit außerhalb von Studien für das<br />

Screening in der asymptomatischen Bevölkerung empfohlen werden.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.<br />

Anmerkungen<br />

Für den Einsatz der MRT-Kolonographie existieren keine Studien (Flächen-/Feldversuche) in der asymptomatischen<br />

Bevölkerung. Nur wenige Studien befassen sich mit der Untersuchung asymptomatischer Personen mittels CT-Kolonographie.<br />

Die vorliegenden Daten zeigen für beide Untersuchungen eine niedrigere Sensitivität für kleine (


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Risikogruppen, S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Risikogruppen<br />

Personen, die aufgr<strong>und</strong> einer besonderen Prädisposition ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines<br />

kolorektalen Karzinoms im Vergleich mit der Normalbevölkerung aufweisen, gehören in der Regel zu<br />

einer von drei definierten Risikogruppen:<br />

1. Personen mit einem familiär gesteigerten (genetische Gr<strong>und</strong>lage z. Zt. noch nicht bekannt) Risiko<br />

für ein kolorektales Karzinom<br />

2. nachgewiesene oder mögliche Anlageträger für ein hereditäres kolorektales Karzinom<br />

3. Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung<br />

Sporadisches kolorektales Karzinom<br />

Verwandte von Patienten mit kolorektalem Karzinom<br />

Verwandte ersten Grades von Patienten mit einem kolorektalen Karzinom haben ein erhöhtes Risiko,<br />

ebenfalls an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Evidenzstärke 2a.<br />

Verwandte zweiten Grades haben ein nur gering erhöhtes Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu<br />

erkranken. Evidenzstärke 2b.<br />

Anmerkungen<br />

Für Verwandte ersten Grades (Eltern, Geschwister, Kinder) ist das mittlere Risiko zwei- bis dreifach<br />

erhöht. Eine weitere, 3- bis 4-fache Risikosteigerung besteht, wenn bei dem Indexpatienten das<br />

kolorektale Karzinom vor dem 45. Lebensjahr aufgetreten <strong>und</strong>/oder mehr als ein Verwandter ersten<br />

Grades von einem KRK betroffen ist. In der Altersgruppe


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Risikogruppen, Untersuchungen, S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Patienten mit kolorektalen Adenomen<br />

Jedes histologisch nachgewiesene Adenom stellt ein erhöhtes Risiko für ein kolorektales Karzinom dar<br />

(Evidenz 2b). Dies gilt insbesondere für<br />

- multiple (>3) Adenome<br />

- große (>1 cm) Adenome<br />

Anmerkungen<br />

Generell führt die Abtragung kleiner, singulärer Adenome im Vergleich zur Normalbevölkerung zu einem um<br />

bis zu 90% verminderten Risiko, ein metachrones kolorektales Karzinom zu entwickeln. Dies reflektiert den<br />

Vorsorgewert der Koloskopie im Rahmen der Adenom-Karzinom-Sequenz. Kontrolluntersuchungen dienen<br />

insbesondere der Entdeckung übersehener oder metachron auftretender Adenome.<br />

Adenome >1 cm sind mit einem etwa 4fach erhöhten Karzinomrisiko assoziiert. Auch bei multiplen Adenomen<br />

ist das Risiko, ein metachrones Karzinom zu entwickeln, deutlich (4- bis 6fach) gesteigert. Hierbei dürfte das<br />

erhöhte Risiko einerseits auf einer stärkeren individuellen Disposition, andererseits auf einer höheren Prävalenz<br />

übersehener Polypen bei der initialen Koloskopie beruhen. Beim koloskopischen Nachweis von >3 Polypen<br />

besteht eine signifikant größere Wahrscheinlichkeit, dass weitere Polypen übersehen wurden.<br />

Ob hyperplastische Polypen als präkanzeröse Läsionen angesehen werden können, ist derzeit nicht abschließend<br />

beurteilbar.<br />

Empfehlung zur Primärprävention<br />

Eine gesonderte Empfehlung zur Primärprävention (diätetische Maßnahmen, Chemoprävention) im Vergleich<br />

zur Normalbevölkerung kann aufgr<strong>und</strong> der widersprüchlichen Datenlage für die genannten Risikogruppen<br />

derzeit nicht gegeben werden.<br />

Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.<br />

Anmerkungen<br />

Generell können die für die Normalpopulation genannten Empfehlungen auch für die Angehörigen der<br />

Risikogruppen übernommen werden. Für spezielle Maßnahmen fehlen weiterhin gesicherte Daten.<br />

Vorsorgeuntersuchungen<br />

Verwandte ersten Grades von Patienten mit kolorektalem Karzinom Empfehlung<br />

a. Verwandte ersten Grades von Patienten mit kolorektalem Karzinom sollten in einem Lebensalter, das 10<br />

Jahre vor dem Alterszeitpunkt des Auftretens des Karzinoms beim Indexpatienten liegt, erstmal komplett<br />

koloskopiert werden, spätestens im Alter von 50 Jahren. Empfehlungsgrad: b, Evidenzstärke 4, starker<br />

Konsens.<br />

b. Die Koloskopie sollte mindestens alle 10 Jahre wiederholt werden. Empfehlunsgrad: b, Evidenzstärke 4,<br />

starker Konsens.<br />

Anmerkungen<br />

a. Das Risiko eines Verwandten ersten Grades eines Patienten mit kolorektalem Karzinom, ebenfalls an einem<br />

kolorektalen Karzinom zu erkranken, ist, insbesondere bei einem Manifestationsalter unter 50 Jahren beim<br />

Indexpatienten erhöht.<br />

Bei jungen Indexpatienten in der Verwandtschaft sollte die Diagnose eines HNPCC-Syndroms in Erwägung<br />

gezogen werden <strong>und</strong> eine Mikrosatellitenanalyse <strong>und</strong>/oder immunhistochemische Untersuchung der<br />

Mismatch-Reparatur-Proteine durchgeführt werden. Ist dies nicht möglich, sollte die Vorsorge intensiviert<br />

werden.<br />

b. Die Frage des maximalen Untersuchungsintervall ist bis jetzt nicht eindeutig geklärt. Es gilt derzeit aber als<br />

wahrscheinlich, dass ein Intervall von 10 Jahren in der Regel ausreichen dürfte, dieses aber nicht<br />

überschritten werden sollte.<br />

Verwandte von Patienten mit kolorektalen Adenomen<br />

Empfehlung<br />

Verwandte ersten Grades von Indexpatienten, bei denen Adenome vor dem 50. Lebensjahr nachgewiesen<br />

wurden, sollten 10 Jahre vor dem Lebensalter zum Zeitpunkt des Nachweises des Adenoms koloskopiert<br />

werden. Die Koloskopie sollte mindestens alle 10 Jahre wiederholt werden.<br />

Empfehlunsgrad: C, Evidenzstärke 5, starker Konsens.<br />

201


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Früherkennung, FAP, S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Vorsorge-familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)<br />

Empfehlung zur humangenetischen Beratung <strong>und</strong> Vorsorgeendoskopie<br />

Verwandte eines FAP-Patienten, die aufgr<strong>und</strong> des Stammbaums als Mutationsträger in Betracht kommen,<br />

werden als Risikopersonen bezeichnet. Bei diesen sollte ab dem 10. Lebensjahr im Anschluss an eine<br />

humangenetische Beratung der Familie eine prädiktive molekulargenetische Diagnostik durchgeführt werden.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />

Wurde die Mutation bei Risikopersonen (Kinder von einem Elternteil mit FAP oder Geschwister von FAP-<br />

Patienten) ausgeschlossen, ist eine spezifische gesonderte Vorsorge nicht mehr notwendig.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens.<br />

Risikopersonen, bei denen die Mutation bestätigt oder nicht ausgeschlossen werden konnte, sollten spätestens ab<br />

dem 10. Lebensjahr jährlich rekto-sigmoidoskopiert werden. Bei Nachweis von Adenomen muss eine komplette<br />

Koloskopie erfolgen <strong>und</strong> bis zur Proktokolektomie jährlich wiederholt werden.<br />

Empfehlungsgrad:A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />

Anmerkungen<br />

Die humangenetische Beratung erfolgt bei Minderjährigen gemeinsam mit den Erziehungsberechtigten. Die<br />

Einleitung der humangenetischen Diagnostik vor dem 10. Lebensjahr ist selten notwendig, da kolorektale<br />

<strong>Karzinome</strong> bei FAP-Anlageträgern vor dem 15. Lebensjahr sehr selten sind. Die molekulargenetische<br />

Untersuchung kann mittels direkter (Mutationsnachweis im APC-Gen) oder indirekter (Nachweis der Vererbung<br />

ursächlichen Mutation durch Kopplungsanalyse) Genotypisierung erfolgen. Eine prädiktive Testung kann nur<br />

bei zuvor identifizierter pathogener Keimbahnmutation bei einem betroffenen Familienmitglied erfolgen <strong>und</strong><br />

muss in eine humangenetische Beratung eingebettet sein. Ein Mutationsnachweis gelingt bei 70% der Patienten.<br />

Bei Vorhandensein von mindestens zwei Betroffenen in der Familie kann die Vererbung des für die FAP<br />

verantwortlichen Gen-Defekts indirekt über die Vererbung benachbarter polymorpher Marker nachgewiesen<br />

werden (Kopplungsanalyse). Mit beiden Methoden zusammen genommen gelingt die molekulargenetische<br />

Diagnostik bei über 90% der Betroffenen. Als weitere Methode zur Identifizierung von Genträgern kann in<br />

vielen Familien eine Augenhintergr<strong>und</strong>spiegelung durchgeführt werden. Die Augenhintergr<strong>und</strong>spiegelung dient<br />

zur Identifizierung einer kongenitalen Hypertrophie des retinalen Pigmentepithels, hat durch die prädiktive<br />

DNA-Testung jedoch an Bedeutung verloren.<br />

Bei der klassischen FAP werden immer auch Polypen im Rektum <strong>und</strong> Sigma beobachtet. Sind Rektumpolypen<br />

nachgewiesen worden, so können proximal weitere Adenome oder sogar <strong>Karzinome</strong> vorhanden sein. In diesem<br />

Falle schließt sich kurzfristig eine komplette Koloskopie an, die, je nach Bef<strong>und</strong>, in mindestens jährlichen<br />

Abständen wiederholt werden sollte. In Familien, in denen eine genetische Testung nicht durchgeführt wurde<br />

oder nicht aussagekräftig war, ist allen Risikopersonen die endoskopische Vorsorge ab dem 10. Lebensjahr zu<br />

empfehlen. Im Einzelfall ist bei bestimmten Mutationen, früher Karzinommanifestation in der Familie oder<br />

assoziierten Symptomen, der Beginn der Vorsorge bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Erwägung zu ziehen.<br />

Empfehlung zur Proktokolektomie<br />

Patienten mit klassischer FAP sollten prophylaktisch – wann immer möglich kontinenzerhaltend –<br />

proktokolektomiert werden, wenn vertretbar erst nach Abschluss der Pubertät.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens.<br />

Nach einer Operation ist eine Pouchoskopie jährlich, bei Patienten mit erhaltenem Rektumstumpf eine<br />

Rektoskopie alle 4 Monate erforderlich.<br />

Empfehlungsgrad: 1, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens.<br />

Empfehlung zur Untersuchung möglicher extrakolischer Manifestationen<br />

Eine ÖGD mit besonderer Inspektion der Papillenregion sollte spätestens ab dem 30. Lebensjahr alle 3 Jahre<br />

durchgeführt werden. Das Intervall sollte in Abhängigkeit vom Schweregrad vorhandener Adenome auf bis zu 1<br />

Jahr verkürzt werden.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke 4, starker Konsens.<br />

Weitere extrakolische Manifestationen müssen bei der Vorsorge beachtet werden. Es sollte daher eine jährliche<br />

Sonographie des Abdomens <strong>und</strong> der Schilddrüse ab dem 10. Lebensjahr erfolgen.<br />

Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke 4, starker Konsens.<br />

Empfehlung<br />

Eine allgemeingültige Empfehlung zur Behandlung von Adenomen im oberen Gastrointestinaltrakt kann derzeit<br />

nicht gegeben werden. Dies gilt auch für die Gabe von Cox-2-Hemmern.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />

202


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Früherkennung, HNPCC, S3-Leitlinie 2004/08<br />

Hereditäres Nicht-Polyposis-Coli-Kolonkarzinom (HNPCC)<br />

Empfehlung zur genetischen Beratung<br />

Risikopersonen ist ab dem 18. Lebensjahr eine genetische Beratung zu empfehlen. Sobald die<br />

krankheitsverursachende Mutation in der betreffenden Familie bekannt ist, sollte diese bei den Risikopersonen<br />

untersucht werden.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens<br />

Wenn die krankheitsverursachende Mutation bei einer Risikoperson ausgeschlossen wurde, gelten die allgemeinen<br />

Krebsvorsorgemaßnahmen.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens<br />

Empfehlung zur Koloskopie<br />

Risikopersonen für ein HNPCC sollten ab dem 25. Lebensjahr jährlich komplett koloskopiert werden<br />

(Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2a, Konsens), in jedem Fall 5 Jahre vor dem niedrigsten Erkrankungsalter in<br />

der Familie. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, Konsens<br />

Anmerkung<br />

Eine prospektive Studie konnte eine signifikante Reduktion der Mortalität <strong>und</strong> auch der Inzidenz von KRK um mehr<br />

als jeweils 60% bei dreijährlichen Untersuchungsintervallen nachweisen. Aufgr<strong>und</strong> einer beschleunigten<br />

Tumorprogression mit Intervallkarzinomen bei etwa 4% aller Patienten bei zwei- bis dreijährlichen<br />

Untersuchungsabständen wird ein jährliches Intervall empfohlen. Die Stadienverteilung <strong>und</strong> damit auch Prognose<br />

HNPCC-assoziierter kolorektaler <strong>Karzinome</strong>, die im Rahmen eines Vorsorgeprogramms entdeckt werden, ist<br />

signifikant günstiger als die symptomatischer Patienten. Daten zu einer medikamentösen Chemoprävention des KRK-<br />

Risikos bei HNPCC liegen bisher nicht vor. Eine medikamentöse Chemoprävention außerhalb von Studien kann<br />

daher derzeit nicht empfohlen werden.<br />

Empfehlung zur Untersuchung assoziierter <strong>Karzinome</strong><br />

Bei weiblichen Risikopersonen <strong>und</strong> Mutationsträgerinnen sollte ab dem 25. Lebensjahr zusätzlich zur jährlichen<br />

gynäkologischen Untersuchung ein transvaginaler Ultraschall im Hinblick auf Endometrium- <strong>und</strong> Ovarialkarzinome<br />

durchgeführt werden.<br />

Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 4, starker Konsens<br />

Wenn in der Familie ein Magenkarzinom aufgetreten ist, sollte ab dem 25. Lebensjahr jährlich eine ÖGD<br />

vorgenommen werden.<br />

Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 4, starker Konsens<br />

Bei allen Risikopersonen <strong>und</strong> Mutationsträgern sollte ab dem 25. Lebensjahr zusätzlich eine jährliche<br />

Oberbauchsonographie durchgeführt werden.<br />

Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, starker Konsens<br />

Anmerkungen<br />

Da durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen <strong>Karzinome</strong> bei fast allen Patienten im Stadium UICC I/II oder<br />

sogar als prämaligne Adenome entdeckt werden <strong>und</strong> die Penetranz unvollständig ist, kann eine prophylaktische<br />

Kolektomie bzw. Proktokolektomie derzeit nicht empfohlen werden.<br />

Hamartomatöse Polyposis<br />

Empfehlung<br />

Generelle Überwachungsempfehlungen können wegen der spärlichen Datenlage nicht gegeben werden. Die<br />

Überwachung der Patienten <strong>und</strong> Risikopersonen sollte in Zusammenarbeit mit einem ausgewiesenen Zentrum<br />

durchgeführt werden.<br />

Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, starker Konsens.<br />

Anmerkungen<br />

Die meisten Studien sind retrospektiv <strong>und</strong> umfassen kleine Fallzahlen. Nach diesen Studien ist das relative Risiko<br />

eines Patienten mit Peutz-Jeghers-Syndrom zur Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms deutlich gegenüber der<br />

Allgemeinbevölkerung erhöht. Darüber hinaus ist das Risiko für eine Reihe von weiteren Tumoren signifikant erhöht.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Seltenheit des Krankheitsbildes sollten diese Patienten in enger Abstimmung mit erfahrenen Zentren<br />

behandelt werden. Neben der intestinalen <strong>und</strong> extraintestinalen Karzinomfrüherkennung stehen jedoch auch<br />

insbesondere die Vermeidung <strong>und</strong> rechtzeitige Erkennung benigner intestinaler Komplikationen wie Blutung,<br />

Anämie, Obstruktion <strong>und</strong> Invagination von Polypen bereits in jungen Jahren im Vordergr<strong>und</strong>. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e<br />

sollte eine bildgebende Diagnostik des gesamten Gastrointestinaltraktes bereits ab dem etwa 10. Lebensjahr erfolgen.<br />

Auch bei Patienten mit einer juvenilen Polyposis sollte wegen des erhöhten Risikos für KRK <strong>und</strong> Magenkarzinome<br />

<strong>und</strong> zur Vermeidung <strong>und</strong> Früherkennung benigner Komplikationen bereits frühzeitig eine bildgebende Diagnostik des<br />

gesamten Gastrointestinaltraktes erfolgen.<br />

203


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Früherkennung, Colitis ulc., S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Der Beginn der Vorsorgeuntersuchungen bei Patienten mit chronischer Colitis ulcerosa richtet sich nach den<br />

Empfehlungen der WHO (Levin et al. 1991) nach der Ausdehnung der entzündlichen Veränderungen. Bei<br />

ausgedehnter, über die Flexura lienalis hinausgehender oder totaler Kolitis soll ab dem 8.-10. Erkrankungsjahr, bei<br />

ausschließlich linksseitiger bis maximal zur Flexura lienalis reichender Entzündung ab dem 12.-15. Jahr begonnen<br />

werden. Nach neueren Untersuchungen ist eine zusätzlich vorhandene primär sklerosierende Cholangitis ein weiterer<br />

unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten von Dysplasien <strong>und</strong> <strong>Karzinome</strong>n. Während der Koloskopie sind multiple<br />

Biopsien zu entnehmen, <strong>und</strong> zwar:<br />

von allen makroskopisch auffälligen Läsionen (Plaques, knotig verdickte oder zottige Areale, ungewöhnliche<br />

Polypen, Stenosen) <strong>und</strong> von makroskopisch unauffälliger (flacher) Schleimhaut alle 10-12 cm.<br />

Die Biopsien müssen getrennt <strong>und</strong> mit detaillierter Angabe der Herkunft zur histologischen Untersuchung eingesandt<br />

werden.<br />

Nach dem Ergebnis der Histologie <strong>und</strong> nach dem makroskopischen Bef<strong>und</strong> richtet sich das weitere Vorgehen<br />

entsprechend dem nachstehenden Schema (Empfehlung der WHO nach Hohenberger, Regensburg):<br />

Überwachungsstrategie bei Colitis ulcerosa nach dem Dysplasiegrad der Mukosa<br />

LGD = low grade Dysplasie<br />

HGD = high grade Dyspalsie<br />

S3-Leitlinie<br />

Bei Patienten mit Pancolitis ulcerosa, die >8 Jahre besteht, oder linksseitiger Colitis, die >15 Jahre besteht, soll eine<br />

komplette Koloskopie mit Stufenbiopsien (mindestens 4 Biopsien alle 10 cm) jährlich erfolgen.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, Konsens<br />

Primärprävention Empfehlung<br />

Aminosalicylate können zur Prophylaxe des kolorektalen Karzinoms bei Colitis ulcerosa eingesetzt werden.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, Konsens.<br />

Anmerkungen<br />

Prospektive Studien zum Einsatz von Aminosalicylaten zur Karzinomprophylaxe liegen nicht vor. In mehreren<br />

Fallkontrollstudien ging eine 5-ASA-Therapie mit einer gesenkten <strong>Karzinome</strong>ntstehung einher. In einer<br />

Kohortenstudie war das Risiko, ein KRK zu entwickeln, für Patienten mit langjähriger Aminosalicylat-Therapie<br />

signifikant verringert. Eine Dauergabe von Aminosalicylaten scheint demnach das KRK-Risiko zu senken. Eine<br />

Fortführung der Aminosalicylat-Therapie zur Karzinomprophylaxe sollte mit dem Patienten individuell anhand<br />

vorliegender Risikofaktoren besprochen werden. Sie ersetzt nicht die Notwendigkeit einer regelmäßigen<br />

endoskopischen Überwachung.<br />

Bei Colitis ulcerosa-Patienten mit zusätzlich vorliegender PSC scheint eine Ursodeoxycholsäure-Therapie (UDCA)<br />

einen protektiven Effekt auf die kolorektale Neoplasieentstehung zu besitzen. Folsäure besitzt möglicherweise einen<br />

protektiven Effekt bei Patienten mit CU, weitere Studien sind jedoch erforderlich.<br />

Empfehlung<br />

Bei eindeutiger <strong>und</strong> durch einen unabhängigen zweiten Pathologenbef<strong>und</strong>ung bestätigte hochgradige intraepitheliale<br />

Neoplasie in flacher, nicht entzündeter Schleimhaut, ist dem Patienten die elektive, kontinenzerhaltende<br />

Proktokolektomie zu empfehlen.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.<br />

Morbus Crohn<br />

Beim Morbus Crohn ist ebenfalls von einem erhöhten kolorektalen Karzinom-Risiko auszugehen, dieses ist jedoch im<br />

Vergleich zur Colitis ulcerosa noch unzureichend charakterisiert, möglicherweise aber geringer. Es besteht ein<br />

erhöhtes Dünndarmkarzinomrisiko.<br />

204


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Endoskopie, Durchführung, S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Stellenwert der Endoskopie in der Diagnostik von Polypen <strong>und</strong> KRK<br />

Empfehlung<br />

Die komplette Koloskopie stellt das Standardverfahren zur Detektion kolorektaler Polypen <strong>und</strong> <strong>Karzinome</strong> dar. Sie<br />

besitzt die höchste Sensitivität <strong>und</strong> Spezifität für das Auffinden eines KRKs <strong>und</strong> von kolorektalen Polypen. Die<br />

Effektivität der Koloskopie hängt entscheidend von der Qualität der Untersuchung ab. Diese ist technik- <strong>und</strong><br />

untersucherabhängig.<br />

Evidenzstärke: 1b, starker Konsens<br />

Bei inkompletter Koloskopie aufgr<strong>und</strong> eines stenosierenden Tumors kann präoperativ zusätzlich eine CT- oder MR-<br />

Kolonografie erfolgen. Postoperativ soll eine komplette Koloskopie erfolgen.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

Wichtige Qualitätsmerkmale der Koloskopie beinhalten die Spiegelung bis zum Coecum, die optimale<br />

Darmvorbereitung mit wenig oder keinen verbliebenen Stuhlresten sowie die sorgfältige Inspektion der<br />

Darmschleimhaut beim Rückzug. So konnte gezeigt werden, dass die Polypendetektionsrate mit der Rückzugszeit<br />

nach Erreichen des Coecums korreliert. Die Rückzugszeit sollte mindestens 6 Minuten betragen. Weitere<br />

Qualitätsmerkmale sind die primäre Erkennung von Polypen bei 20-50% sowie übersehene Polypen bei weniger als<br />

10% der Untersuchten.<br />

Bei pathologischen Bef<strong>und</strong>en im Rahmen der Koloskopie ist eine Zuordnung nach endoskopisch-anatomischen<br />

Strukturen <strong>und</strong> nach Diaphanoskopie ungenügend. Eine Angabe in cm Gerätelänge ab ano sollte nur im Rektum <strong>und</strong><br />

unteren Sigma erfolgen. Bei unklarem oder OP-würdigen Bef<strong>und</strong> sollte eine Markierung mittels Clip (nur bei<br />

zeitnaher OP) oder Tusche erfolgen, um eine Wiederauffindung zu ermöglichen.<br />

Chromoendoskopie<br />

Empfehlung<br />

Eine Chromoendoskopie kann bei Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung <strong>und</strong> HNPCC zur<br />

besseren Erkennung von neoplastischen Läsionen eingesetzt werden. Sie kann darüber hinaus zur besseren<br />

Abgrenzung flacher <strong>und</strong> eingesenkter Läsionen vor endoskopischer Therapie verwendet werden.<br />

Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

Bei Patienten mit CED oder HNPCC kann eine höhere Detektionsrate neoplastischer Läsionen durch<br />

Chromoendoskopie als gesichert gelten. Durch den Einsatz der Chromoendoskopie mit Indigokarmin oder<br />

Methylenblau gelingt eine bessere Abgrenzung flacher <strong>und</strong> eingesenkter Läsionen von der umgebenden ges<strong>und</strong>en<br />

Schleimhaut. Die Chromoendoskopie kann daher vor der endoskopischen Abtragung flacher Adenome eingesetzt<br />

werden.<br />

Zoomendoskopie<br />

Empfehlung<br />

Die Durchführung der Zoomendoskopie zur Klassifikation des „Pit-Pattern“-Musters ist derzeit kein<br />

Standardverfahren.<br />

Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

Ziel der Zoomendoskopie ist es anhand der „Pit-Pattern“-Klassifikation zwischen hyperplastischen <strong>und</strong><br />

neoplastischen Läsionen zu unterscheiden, um ohne Histologie festzustellen, welche Läsionen endoskopisch<br />

abgetragen werden müssen. In einzelnen Studien war dies mit hoher Sensitivität möglich. Die Spezifität war jedoch<br />

in anderen Studien mit 75% nicht ausreichend. Die Zoomendoskopie ersetzt derzeit nicht die Endoskopie.<br />

Sigmoidoskopie versus Koloskopie<br />

Empfehlung<br />

Bei positivem FOBT-Test, bei Tumorverdacht oder simoidoskopischem Nachweis eines neoplastischen Polypen soll<br />

eine vollständige Koloskopie durchgeführt werden.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.<br />

205


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Polypektomiedurchführung, S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Schlingenektomie versus Zangenektomie<br />

Empfehlung<br />

Polypen sollen unter Angabe der Lokalisation entfernt <strong>und</strong> geborgen werden.<br />

Die Polypektomie kann bei multiplen Polypen ggf. mehrzeitig erfolgen.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens.<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

Um eine Zuordnung zu ermöglichen, sollen Polypen einzeln unter Angabe der Lokalisation für eine histologische<br />

Aufarbeitung geborgen werden. Bei mehreren Polypen in einem Segment ist eine gemeinsame Bergung dieser<br />

Polypen vertretbar. Hierbei müssen aber die onkologischen Resektionsgrenzen beachtet werden; eine Markierung des<br />

polypektomierten Kolonsegments ist sinnvoll.<br />

Folgende Endoskopische Verfahren stehen zur Verfügung:<br />

• Polypektomie mit der Schlinge<br />

• Endoskopische Mucosaresektion (EMR)<br />

Alternative Verfahren der Polypenentfernung sind im Einzelfall in Erwägung zu ziehen.<br />

Abgetragene flache <strong>und</strong> sessile Polypen sollten zur Identifikation durch Aufspießen mit einer Stecknadel oder durch<br />

Farbstoff markiert werden. Die Fixierung auf einer Korkplatte hat sich ebenfalls bewährt.<br />

Voraussetzung <strong>und</strong> Limitierung für die endoskopische Schlingenektomie großer Polypen sind die realistische Option<br />

einer kompletten Abtragung mit einem niedrigen Blutungs- <strong>und</strong> Perforationsrisiko. Die Erfahrung des Untersuchers<br />

<strong>und</strong> die Lage des Polypen können ebenfalls limitierende Faktoren darstellen.<br />

• Flache Läsionen können durch eine EMR entfernt werden.<br />

• Ausschließlich eingesenkte flache Läsionen (IIc) sollten in der Regel primär chirurgisch <strong>und</strong> nicht endoskopisch<br />

behandelt werden, da es sich hierbei meistens nicht mehr um sogenannte frühinvasive T1-<strong>Karzinome</strong> handelt <strong>und</strong> die<br />

komplette endoskopische Entfernung (R0) nur selten möglich ist.<br />

• Die Polypektomie kann auch unter Thrombozytenaggregationshemmung durchgeführt werden, die Kombination<br />

von ASS <strong>und</strong> Clopidrogel erhöht jedoch das Blutungsrisiko <strong>und</strong> sollte vermieden werden.<br />

• Die vollständige Entfernung eines Polypen ist immer zu fordern, denn in einem verbliebenen Polypenrest können<br />

noch eine hochgradige intraepitheliale Neoplasie oder ein Karzinom nachweisbar sein. Die Größe des entfernten<br />

Polypen, der histologische Adenomtyp <strong>und</strong> der Schweregrad der intraepithelialen Neoplasie bestimmen die Höhe des<br />

Risikos für Lokalrezidive <strong>und</strong> metachroner Polypen. Bei Polypen > 2 cm beträgt die Lokalrezidivrate 8-20%.<br />

Empfehlung<br />

Um eine repräsentative histologische Aussage zu erhalten <strong>und</strong> zur definitiven Therapie, sollen<br />

• Polypen > 5 mm vollständig durch Schlingenektomie entfernt werden.<br />

• Polypen ≤ 5 mm sollten generell mit der Zange komplett entfernt werden.<br />

• Gr<strong>und</strong>sätzlich sollen diagnostische Koloskopien nur dann durchgeführt werden, wenn in gleicher Sitzung die<br />

Möglichkeit zur Schlingenektomie besteht.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

Eine Zangenbiopsie von Polypen ist nicht sinnvoll, wenn eine Abtragung technisch möglich ist. Sie ist außerdem<br />

unzuverlässig. Darüber hinaus können ausgiebige Biopsien durch nachfolgende Vernarbung die komplette<br />

endoskopische Abtragung beim Zweiteingriff erschweren.<br />

Bei eindeutigen Malignitätskriterien mit primärer OP-Indikation sind Biopsieentnahmen obligat. Bei Polypen ≤ 5 mm<br />

sind Adenome mit invasivem Karzinom äußerst selten, bei Polypen ≤ 1 cm beträgt die Rate < 1%.<br />

Ziel einer Koloskopie muss das Erreichen eines polypenfreien Darms (clean-colon) sein.<br />

Bei Polypen ≤ 5 mm ist deshalb eine komplette Zangenektomie erforderlich, um die Läsion histologisch zu<br />

typisieren. Kleine (≤ 5 mm), häufig multipel auftretende typische hyperplastische Polypen im Rektum können<br />

belassen werden.<br />

In den letzten Jahren mehren sich die Hinweise, dass neben der Adenom-Karzinom-Sequenz auch der weitere Weg<br />

über den sogenannten „serrated pathway“ zu einem kolorektalen Karzinom führen kann.<br />

Hyperplastische Polyposis<br />

Beim Vorliegen einer sogenannten hyperplastischen Polyposis ist das mutmaßlich erhöhte Risiko eines KRK bei der<br />

Terminierung von Kontroll-Intervallen zu berücksichtigen.<br />

Die hyperplastische Polyposis ist definiert durch (WHO):<br />

• mindestens 5 hyperplastische Polypen proximal des Sigmas, wobei zwei größer als 1 cm sein sollen.<br />

• Das Auftreten von hyperplastischen Polypen proximal des Sigmas unabhängig von Zahl <strong>und</strong> Größe, wenn<br />

ein erstgradig Verwandter (Eltern, Kinder, Geschwister) von einer hyperplastischen Polyposis betroffen ist.<br />

• Wenn mehr als 30 hyperplastische Polypen – egal welcher Grösse-proximal des Sigmas auftreten.<br />

206


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Histologische Untersuchung, S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Histologische Untersuchung, Empfehlung S3-Leitlinie 2008<br />

Die histologische Untersuchung jedes Polypen ist obligat. Die histologische Bef<strong>und</strong>ung der Polypen erfolgt<br />

entsprechend der WHO-Kriterien mit einer Aussage zur Vollständigkeit der Abtragung. Konventionelle<br />

Adenome werden klassifiziert nach histologischem Wachstumstyp (tubulär, tubulovillös <strong>und</strong> villös) <strong>und</strong> dem<br />

Grad der intraepithelialen Neoplasie (niedrig- <strong>und</strong> hochgradige intraepitheliale Neoplasie); serratierte Läsionen<br />

werden unterteilt in hyperplastische Polypen, sessile serratierte Adenome, gemischte Polypen (mit Angabe des<br />

IEN-Grades) <strong>und</strong> traditionelle serratierte Adenome (mit Angabe des IEN-Grades).<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

Etwa 8% der bisher als hyperplastisch klassifizierten Polypen sind nach neuen Erkenntnissen sessile serratierte<br />

Adenome (SSA), die ein Progressionspotenzial zum Karzinom besitzen, vor allem bei einer Größe von mehr als<br />

1 cm <strong>und</strong> rechtsseitiger Lokalisation. Außerdem kommen gemischte Schleimhautpolypen (mixed polyps) vor.<br />

Weiterhin sind 2% aller kolorektalen Polypen traditionelle serratierte Adenome (TSA). Alle diese Varianten<br />

weisen einen gemeinsamen molekularen Kanzerogeneseweg auf.<br />

Empfehlung Histologie bei Karzinomnachweis<br />

Bei Karzinomnachweis soll der histologische Bef<strong>und</strong> folgende Merkmale enthalten:<br />

• Das Ausmaß der Tiefeninfiltration (pT-Kategorie), bei sessilen Polypen die sm-Invasionsmessung in μm.<br />

• Den histologischen Differenzierungsgrad (Grading)<br />

• Vorhandensein oder Fehlen von Lymphgefäßinvasion (L-Klassifikation) <strong>und</strong><br />

• Die Beurteilung der Resektionsränder (R-Klassifikation) im Hinblick auf die lokale Entfernung im Ges<strong>und</strong>en<br />

(zur Tiefe <strong>und</strong> zur Seite).<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.<br />

Empfehlung Klassifikation pT1-Karzinom<br />

Im Hinblick auf weitere therapeutische Konsequenzen bei komplett entfernten pT1-<strong>Karzinome</strong>n soll eine<br />

zusammenfassende Klassifikation erfolgen in<br />

• Low-risk = G1 oder G2 <strong>und</strong> keine Lymphgefäßeinbrüche (L0)<br />

• High risk = G3 oder G4 <strong>und</strong> /oder Lymphgefäßeinbrüche (L1)<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.<br />

Die Notwendigkeit einer Angabe über den Abstand der Entfernung im Ges<strong>und</strong>en bei pT1-<strong>Karzinome</strong>n ist<br />

strittig.<br />

WHO/Wien-Klassifikation: Einteilung <strong>und</strong> Terminologie der kolorektalen intraepithelialen<br />

Neoplasien<br />

Kategorie 1 Keine Neoplasie<br />

Kategorie 2 „indefinite“ für Neoplasie<br />

Kategorie 3 Geringgradige Neoplasie der Schleimhaut<br />

Mucosal low grade intraepithelial neoplasia (LGIN)<br />

Kategorie 4 Hochgradige Neoplasie der Schleimhaut<br />

Hochgradige intraepitheliale Neoplasie (HGIN)<br />

Intraepithelial: Adenom mit schwerer Dysplasie, Carcinoma in situ<br />

Intramucosal: intramucosales Karzinom, V.a. invasives Karzinom<br />

Kategorie 5 Submucosales invasives Karzinom (Frühkarzinom T1, fortgeschrittene <strong>Karzinome</strong> >T1)<br />

Nicht neoplastische Polypen<br />

Verschiedene Typen siehe Seite „Polypen“. Die hyperplastischen Polypen (meist


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Polypektomie, Karzinomnachweis, S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Vorgehen bei pT1-<strong>Karzinome</strong>n Empfehlung<br />

Ergibt die histologische Untersuchung eines endoskopisch R0-entfernten Polypen ein pT1-Karzinom, soll auf<br />

eine onkologische Nachresektion verzichtet werden, wenn es sich um eine Low-Risk-Situation bei histologisch<br />

karzinomfreier Polypenbasis (R0) handelt.<br />

In der High-Risk-Situation ist die radikale chirurgische Behandlung erforderlich, auch wenn die Läsion<br />

komplett entfernt wurde.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, Konsens.<br />

Bei inkompletter Abtragung eines Low-Risk-pT1-Karzinoms soll eine komplette endoskopische oder lokale<br />

chirurgische Entfernung erfolgen. Wenn eine R0-Situation nicht erreichbar ist oder Zweifel am Vorliegen einer<br />

pT1-Situation besteht, so ist die onkologisch-chirurgische Resektion erforderlich.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, starker Konsens<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

pT1-<strong>Karzinome</strong> unterscheiden sich je nach Situation erheblich in ihrer Prognose. Dreh- <strong>und</strong> Angelpunkt einer<br />

Risikostratiefizierung stellt die Wahrscheinlichkeit der Lymphknotenmetastasierung dar. Die Gesamtgruppe der<br />

T1-<strong>Karzinome</strong> hat eine Lymphknotenmetastasierungsrate (N+) von 0-20%. Qualitative Prognosekriterien:<br />

Grading <strong>und</strong> L-Klassifikation des Polypen. Quantitative Messung der Submucosainvasion am Operations- bzw.<br />

Polypektomiepräparat. Einteilung der Submucosaschicht in drei Drittel. Am Präparat eines sessilen Polypen ist<br />

die Messung der Submucosinvasionsstrecke in μm sinnvoller. Die sogenannten frühinvasiven Formen (sm1,<br />

sm2 bzw. Submucosainvasion ≤ 1000 μm) haben mit 0-6% ein geringes N+-Risiko. Bei sm3-<strong>Karzinome</strong>n<br />

beträgt das Lymphknotenmetastasierungsrisiko etwa 20%. Cave: Messung der Submucosadicke nicht am<br />

gestielten Polypen in μm, weil die Submucosadicke von der Stiellänge abhängig ist, das heißt der Stiel ist immer<br />

sm1-Niveau. Der Nachweis einer Veneninvasion (V-Klassifikation) sollte erwähnt werden, der Stellenwert für<br />

eine lokale Therapie ist jedoch nicht sicher belegt.<br />

Vorsicht ist geboten, wenn bei sessilen Läsionen prätherapeutisch bereits eine Karzinomdiagnose bioptisch<br />

gesichert wurde. Häufig handelt es sich dann schon nicht mehr um eine endoskopisch therapierbare Situation.<br />

Die Absicherung einer R0-Situation ist obligat, kontrovers wird ein Sicherheitsabstand von 1 mm zur Basis<br />

diskutiert. Eine endoskopische Entfernung als en-bloc-Resektion ist optimal. Eine Entfernung in Piece-meal-<br />

Technik erscheint ausreichend.<br />

Empfehlung Nachsorge pT1-Karzinom<br />

Die endoskopische lokale Nachsorge bei<br />

kompletter Entfernung (R0) von Low-Risk (pT1, low-grade G1, G2, L0) <strong>Karzinome</strong>n<br />

nach einem halben Jahr <strong>und</strong> nach zwei Jahren.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />

Empfehlung Medikamentöse Sek<strong>und</strong>ärprävention bei Adenomen<br />

Eine medikamentöse Sek<strong>und</strong>ärprophylaxe nach Polypektomie sollte derzeit außerhalb von Studien nicht<br />

erfolgen.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke:1b, starker Konsens.<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

Obwohl in mehreren prospektiven randomisierten Untersuchungen mit hoher Evidenzstärke (1b) ein geringer<br />

präventiver Effekt nach niedrigdosiertem ASS gef<strong>und</strong>en wurde, kann aufgr<strong>und</strong> des geringen Effekts (Senkung<br />

der Rezidivadenomrate um max. 35%) <strong>und</strong> der medikamentös bedingten Risiken derzeit eine Einnahme zur<br />

Senkung des Rezidivrisikos nicht empfohlen werden.<br />

Gleiches gilt für die COX-2-Hemmer, für die eine Senkung der Adenomrezidivrate um 24-45% erreicht wurde,<br />

die jedoch mit einer signifikant erhöhten Rate kardiovaskulärer Nebenwirkungen einhergingen, die den<br />

potentiellen Nutzen aufwiegen.<br />

Auch die Senkung der Adenomrezidivrate um 12% durch Kalzium erscheint zu gering, um die längerfristige<br />

Einnahme für diese Indikation rechtfertigen zu können.<br />

208


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Polypenmanagement, Nachsorge, S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Eine wesentliche Neuerung der überarbeiteten Leitlinie ist die Betonung der Bedeutung einer hochqualitativen<br />

Koloskopie mit hoher Neoplasiedetektions- <strong>und</strong> geringer Nebenwirkungsrate. Aufgr<strong>und</strong> des geringen<br />

Neoplasierisikos von Patienten, bei denen ein oder zwei tubuläre Adenome < 10mm entfernt wurden, wurde das<br />

Nachsorgeintervall für diese Patientengruppe auf 5 Jahre verlängert. Diese Empfehlung wird durch eine<br />

randomisierte US-Studie unterstützt, in der die Rate an fortgeschrittenen Neoplasien zwischen Patienten, die<br />

innerhalb der ersten 3 Jahre <strong>und</strong> zwischen 3 <strong>und</strong> 5,5 Jahren nach Abtragung von ein oder zwei tubulären<br />

Adenomen kontrolliert wurden, nicht signifikant unterschiedlich war (Liebermann et al. Gastroenterol 2007;133:1077-<br />

85).<br />

Empfehlung<br />

Nach Abtragung kleiner einzelner, nicht neoplastischer Polypen besteht keine Notwendigkeit einer<br />

endoskopischen Nachsorge.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

Bei Patienten mit kleinen (


Kolonkarzinom<br />

Präoperative Diagnostik<br />

Die Therapie kolorektaler <strong>Karzinome</strong> sollte gr<strong>und</strong>sätzlich auf der Basis einer histologischen<br />

Untersuchung geplant werden.<br />

Präoperative Stagingdiagnostik beim Kolonkarzinom<br />

Nach histologischer Diagnosesicherung <strong>und</strong> vor Durchführung der Operation:<br />

• Anamnese mit besonderer Berücksichtigung einer familiären Häufung<br />

• Körperliche Untersuchung mit digital-rektaler Untersuchung<br />

• Laborroutine + CEA, Blutgruppe<br />

• Rö.-Thorax in zwei Ebenen, EKG<br />

• Vollständige Koloskopie, sofern nicht bereits erfolgt<br />

• Im Falle einer nicht passierbaren Stenose Koloskopie 3-6 Monate postoperativ<br />

• Abdominelle Sonographie<br />

• CT/MRT Abdomen bei unklarem sonographischen Bef<strong>und</strong> oder unzureichender Beurteilbarkeit<br />

• Optional sind CT-Thorax, endoluminale Sonographie, Zystoskopie bei Verdacht auf<br />

Harnblaseninfiltration, gynäkologische Untersuchung bei Verdacht auf Infiltration von Uterus<br />

<strong>und</strong>/oder Adnexen.<br />

Spezielle Diagnostik beim Rektumkarzinom siehe dort<br />

Die ESMO-Empfehlungen 2008 (siehe dort) <strong>und</strong> die NCCN-Guidelines 2008 sehen in der<br />

Stagingdiagnostik ein Abdomen-CT vor !<br />

S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Vor der Therapie eines Patienten mit einem KRK muss eine Koloskopie mit Biopsie vorliegen.<br />

Da in bis zu 5% der kolorektalen <strong>Karzinome</strong> synchrone Tumoren zu erwarten sind, die der<br />

intraoperativen Beurteilung entgehen könnten, ist eine Koloskopie des gesamten Kolons vorzunehmen.<br />

Ist aus technischen Gründen eine komplette Koloskopie nicht möglich, sollte ein alternatives<br />

radiologisches Verfahren eingesetzt werden. Die virtuelle Kolonographie stellt hierfür eine viel<br />

versprechende Alternative zum Kolonkontrasteinlauf dar mit hoher Sensitivität in einer Fallserie.<br />

Ist eine komplette Koloskopie aufgr<strong>und</strong> eines stenosierenden Prozesses nicht möglich, sollte eine<br />

Koloskopie ca. 3 bis 6 Monate nach Resektion erfolgen. Ein präoperativer Kolonkontrasteinlauf ist<br />

von der Wertigkeit her eingeschränkt <strong>und</strong> bei Stenosen mit der Gefahr einer Ileusinduktion verb<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> wird daher nicht empfohlen. Zum Stellenwert der virtuellen Kolonographie für diese<br />

Fragestellungen liegen bisher keine Daten vor.<br />

Das PET hat in der Primärdiagnostik des kolorektalen Karzinoms keinen Stellenwert. Eine<br />

Mikrometastasendiagnostik ist bisher ohne therapeutische Konsequenz <strong>und</strong> kein unabhängiger<br />

prognostischer Parameter.<br />

Definition von Kolon- <strong>und</strong> Rektumkarzinom<br />

Die Grenze zwischen Kolon <strong>und</strong> Rektum wird unterschiedlich definiert. Die intraoperative Beurteilung<br />

anhand des Endes der Taeniae oder der peritonealen Umschlagsfalte ist individuell unterschiedlich <strong>und</strong><br />

von Alter, Geschlecht <strong>und</strong> anderen Faktoren abhängig. Die präoperative Messung der Höhenangabe<br />

des Tumors mit dem flexiblen Endoskop ist unzuverlässig. Zuverlässiger sind die Höhenangaben mit<br />

dem starren Rektoskop. Die Anokutanlinie dient als distaler Messpunkt.<br />

Nach dem internationalen Dokumentationssystem gelten als Rektumkarzinome Tumoren, deren<br />

aboraler Rand bei der Messung mit dem starren Rektoskop 16 cm oder weniger von der Anocutanlinie<br />

entfernt ist.<br />

Demgegenüber gelten in den USA als Kolonkarzinome Tumoren, die mehr als 12 cm <strong>und</strong> als<br />

Rektumkarzinome Tumoren, die 12 cm <strong>und</strong> weniger von der Linea anocutanea entfernt sind.<br />

Begründet wird dies mit der deutlich höheren Lokalrezidivrate bei Tumoren unterhalb von 12 cm.<br />

210


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Histologie<br />

Histologie<br />

Adenokarzinome: In 85-90 % handelt es sich um<br />

Adenokarzinome, die sich durch ein invasives Wachstum<br />

durch die Lamina muscularis mucosae in die Submucosa oder<br />

tiefere Darmwandschichten definieren. Tumoren mit<br />

morphologischen Charakteristika eines Adenokarzinoms, die<br />

nur das Epithel betreffen oder eine Invasion in die Lamina<br />

propria, aber keine Invasion in die Lamina muscularis<br />

mucosae aufweisen, haben praktisch kein<br />

Metastasierungsrisiko. Sie werden deshalb besser mit dem<br />

Begriff „high-grade intraepitheliale Neoplasie“ anstelle eines<br />

Adenocarcinoma in situ oder eines intramucosalen<br />

Adenokarzinoms bezeichnet.<br />

Muzinöses Adenokarzinom (5-10%): Das Karzinom besteht<br />

zu mehr als 50% aus Muzin. In diesem Falle geben die<br />

Tumorzellen Schleim in die Drüsenlumina ab, d.h. es tritt eine extrazelluläre Verschleimung auf. Viele<br />

<strong>Karzinome</strong> mit hochgradiger Instabilität in der Mikrosatelliten-Instabilitäts-Analyse (MSI-High)<br />

entsprechen histopathologisch dieser Variante.<br />

Siegelringzellkarzinome: 1 % sind Siegelring-Ca. Für diese Tumoren ist eine intrazelluläre<br />

Verschleimung charakteristisch. Einige <strong>Karzinome</strong> mit MSI-H entsprechen dieser Variante.<br />

Medulläre <strong>Karzinome</strong>: Seltene Variante, die nahezu ausschließlich mit MSI-H assoziiert ist <strong>und</strong> im<br />

Vergleich mit anderen schlecht differenzierten CRC eine bessere Prognose aufweisen.<br />

Ausgesprochen selten sind Plattenepithel-<strong>Karzinome</strong>, adenosquamöse <strong>Karzinome</strong>, kleinzellige <strong>und</strong><br />

<strong>und</strong>ifferenzierte <strong>Karzinome</strong> sowie Karzinoide <strong>und</strong> maligne Lymphome.<br />

Histopathologisches Grading<br />

In klassischer Weise erfolgt das Grading in einem vierstufigen Schema.<br />

Gx<br />

G1<br />

G2<br />

G3<br />

G4<br />

Differenzierungsgrad kann nicht bestimmt werden<br />

gut differenziert. Karzinom mit histologischen <strong>und</strong> zellulären Merkmalen normalen Epithels<br />

mäßig differenziert. Differenzierungsmuster des Karzinoms zwischen G1 <strong>und</strong> G3<br />

einzuordnen<br />

schlecht differenziert. Karzinom mit histologischen <strong>und</strong> zellulären Merkmalen, die<br />

normalem Epithel kaum ähneln (mindestens Drüsenformation oder Schleimbildung)<br />

<strong>und</strong>ifferenziert. Es lassen sich keine glandulären oder Plattenepithel-typischen<br />

Differenzierungen erkennen.<br />

Kolonkarzinom im endoskopischen Bild im<br />

Colon ascendens<br />

Nach neueren Erkenntnissen ist jedoch ein zweistufiges Grading ausreichend, da das histologische<br />

Grading untersucherabhängigen Schwankungen unterliegt <strong>und</strong> ein zweistufiges Grading prognostisch<br />

ausreichend ist. Grading 1 <strong>und</strong> 2 gelten als „low-grade“ mit einer lymphogenen Metastasierungsrate<br />

von bis zu 25 %, Grading 3 + 4 gelten als „high-grade“. Die lymphogene Metastasierungsrate beträgt<br />

für diese Subgruppe 80 %.<br />

Siegelringzellkarzinome gelten per definitionem als schlecht differenziert (G3). Medulläre <strong>Karzinome</strong><br />

mit MSI-H erscheinen <strong>und</strong>ifferenziert (G4). Da aber MSI-H-<strong>Karzinome</strong> eher eine bessere<br />

Überlebenswahrscheinlichkeit haben, sind weitere Untersuchungen zur Korrelation zwischen Grading<br />

<strong>und</strong> molekularen Subtypen erforderlich.<br />

211


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Pathohistologische Diagnostik, S3-Leitlinie<br />

Anforderungen an die pathohistologische Diagnostik (S3-Leitlinie)<br />

Makroskopische Beurteilung<br />

Ausmaß der Resektion a. limitierte Resektion (z.B. Segmentresektion, tubuläre Resektion)<br />

b. radikale Standardresektion (z.B. Hemikolektomie, Sigmaresektion)<br />

c. erweiterte radikale Resektion (z.B. erweiterte Hemokolektomie)<br />

Anzahl der Resektate a. en-bloc-Resektion<br />

b. mehrere Teile<br />

Tumorperforation a. spontan<br />

b. iatrogen<br />

• Länge des Darmresektates, Resektion von Nachbarorganen<br />

• Schnitt durch den Tumor, Tumorobstruktion<br />

• Makroskopischer Tumor an Resektionsrändern (insbesondere an den circumferentiellen Rändern)<br />

• Größe <strong>und</strong> Lage des Tumors innerhalb des Resektats (Abstand von oralem <strong>und</strong> aboralem Resektionsrand)<br />

• Weitere Veränderungen im Präparat (z.B. Polypen, Divertikel)<br />

Mikroskopische Beurteilung<br />

• Histologischer Tumortyp nach WHO<br />

• Tumorinvasionstiefe (pT-Kategorie)<br />

• Lymphknotenstatus (pN-Kategorie), Anzahl untersuchter <strong>und</strong> befallener Lymphknoten<br />

• Ggf. histologische Verifikation von Fernmetastasen (M-Kategorie)<br />

• Lymphgefäßinvasion (L-Kategorie), Veneninvasion (V-Kategorie)<br />

• Perineuralinvasion (Pn-Kategorie)<br />

• Radikalität (R-Kategorie)<br />

Grading<br />

a. low Grade<br />

b. high Grade<br />

Resektionsränder<br />

(Kolonkarzinom)<br />

Rektumkarzinom siehe dort<br />

a. oral <strong>und</strong> aboral, wenn Abstand zum Tumor < 5cm (aufgespannt)<br />

b. zirkumferentiell (mesokolisch/retroperitoneal), wenn pT3/4<br />

c. makroskopisch verdächtige Bereiche<br />

Histologisches Regressionsgrading nach neoadjuvanter Therapie<br />

Der Regressionsgrad nach Chemo-/Radiotherapie des Primärtumors wird nach verschiedenen Skalen<br />

klassifiziert. Am gebräuchlichsten sind die Einteilungen nach Dworak (s.u.) <strong>und</strong> nach Ryan sowie das<br />

Regressionsgrading der TU-München nach Werner <strong>und</strong> Höfler (siehe auch Rektumkarzinom,<br />

Regressionsgrading nach neoadjuvanter Therapie)<br />

Grad 0<br />

Grad 1<br />

Grad 2<br />

Grad 3<br />

Grad 4<br />

Keine Regression<br />

Überwiegend Tumor mit deutlicher Fibrose <strong>und</strong> /oder Vaskulopathie<br />

Überwiegend Fibrose mit wenigen Tumorzellen (leicht histologisch zu erkennen)<br />

Sehr wenige (schwierig histologisch nachzuweisende) Tumorzellen innerhalb Fibrose mit oder<br />

ohne Schleimseen<br />

Keine vitalen Tumorzellen nachweisbar<br />

Residualtumorklassifikation<br />

Rx<br />

R0<br />

R1<br />

R2<br />

Vorhandensein von Residualtumor kann nicht beurteilt werden<br />

Kein Residualtumor<br />

mikroskopischer Residualtumor<br />

makroskopischer Residualtumor<br />

212


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

TNM-Klassifikation (UICC 2002)<br />

T – Primärtumor<br />

Tx<br />

Tis<br />

T1<br />

T2<br />

T3<br />

T4<br />

Primärtumor kann nicht beurteilt werden.<br />

Carcinoma in situ<br />

Tumor infiltriert Submucosa<br />

Tumor infiltriert Muscularis propria<br />

Tumor infiltriert durch die Muscularis propria in die Subserosa oder in nicht peritonealisiertes<br />

perikolisches oder perirektales Gewebe<br />

Tumor perforiert das viszerale Peritoneum oder infiltriert in andere Organe oder Strukturen<br />

Anmerkung<br />

Tis liegt vor, wenn Tumorzellen innerhalb der Basalmembran der Drüsen (intraepithelial) oder in der Lamina propria<br />

(intramukös) nachweisbar sind, ohne dass eine Ausbreitung durch die Muscularis mucosae in die Submucosa<br />

feststellbar ist.<br />

Direkte Ausbreitung in T4 schließt auch die Infiltration mehrerer Segmente des Kolorektums auf dem Weg über die<br />

Serosa ein, z.B. die Infiltration des Sigma durch ein Zökumkarzinom.<br />

Ein Tumor, der makroskopisch an anderen Organen adhärent ist, wird als T4 klassifiziert. Ist bei der histologischen<br />

Untersuchung in den Adhäsionen kein Tumorgewebe nachweisbar, soll der Tumor als pT3 klassifiziert werden.<br />

N – Regionäre Lymphknoten<br />

Nx Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden.<br />

N0 keine regionären Lymphknotenmetastasen.<br />

N1 Metastasen in 1-3 perikolischen bzw. perirektalen Lymphknoten.<br />

N2 Metastasen in 4 oder mehr perikolischen bzw. perirektalen Lymphknoten.<br />

pN0 Regionäre Lymphadenektomie <strong>und</strong> histologische Untersuchung üblicherweise von 12 oder<br />

mehr Lymphknoten. Wenn die untersuchten Lymphknoten tumorfrei sind, aber die geforderte<br />

Richtzahl nicht erreicht wird, soll der Bef<strong>und</strong> dennoch als pN0 klassifiziert werden.<br />

Anmerkung<br />

Ein Tumorknötchen im perikolischen oder perirektalen Fettgewebe ohne histologischen Anhalt für Reste eines<br />

Lymphknotens wird in der pN-Kategorie als regionäre Lymphknotenmetastase klassifiziert, wenn die Form <strong>und</strong> glatte<br />

Kontur eines Lymphknotens vorliegen. Wenn das Tumorknötchen eine irreguläre Kontur aufweist, soll es in der pT-<br />

Kategorie beurteilt <strong>und</strong> auch als V1 (mikroskopische Veneninvasion) oder, falls es makroskopisch erkennbar ist, als<br />

V2 eingestuft werden, weil es dann sehr wahrscheinlich ist, dass es sich um eine Veneninvasion handelt.<br />

M – Fernmetastasen<br />

Mx<br />

Mo<br />

M1<br />

Das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden.<br />

Keine Fernmetastasen.<br />

Fernmetastasen.<br />

Präfix vor dem TNM-System<br />

p Pathologisches Stadium<br />

c Klinisches Stadium<br />

r Rezidiv<br />

u Ultraschalldiagnostik<br />

y Klassifikation nach neoadjuvanter Therapie<br />

213


R-Klassifikation (Residualtumor)<br />

Sicht des Pathologen<br />

Die Anwendung einer Klassifikation von Residualtumor nach einer chirurgischen Therapie primärer<br />

maligner Tumoren ist 1978 vom American Joint Committee on Cancer (AJCC) empfohlen worden. Der<br />

Ansatz dieser extrem prognoserelevanten Bewertung stellte eine notwendige <strong>und</strong> wertvolle Ergänzung der<br />

Konzepte des TNM <strong>und</strong> pTNM dar, bei denen das mögliche Verbleiben von Tumorgewebe in situ nicht<br />

abgebildet wird.<br />

Auf der Gr<strong>und</strong>lage dieser ersten R-Klassifikation erfolgte durch die UICC 1987 eine Weiterentwicklung<br />

dahingehend, dass sowohl der maligne Primärtumor als auch dessen mögliche Metastasen<br />

Berücksichtigung fanden. In diesem Konzept etablierte man die R-Klassifikation als eine<br />

prognoserelevante Größe, die in vier einfachen Kategorien das posttherapeutische Staging umfassend,<br />

bezogen auf den Patienten als Ganzes, abbilden sollte 1) Diesem erweiterten Konzept (R = Residualtumor<br />

im gesamten Körper), dass chirurgische <strong>und</strong> nicht chirurgische Therapiemodalitäten abbildet, stimmte<br />

nachfolgend das AJCC zu.<br />

Das Besondere an der R-Klassifikation ist somit die ganzheitliche Betrachtung des posttherapeutischen<br />

Tumorpatienten mit Berücksichtigung aller „durch die derzeit verfügbaren <strong>und</strong> allgemein akzeptierten<br />

Kategorien des posttherapeutischen R - Status<br />

R0 = kein Residualtumor im Patienten<br />

R1 = mikroskopischer Nachweis von Residualtumor<br />

R2 = makroskopischer Nachweis von Residualtumor<br />

Rx = Vorhandensein von Residualtumor kann nicht beurteilt werden<br />

diagnostischen Methoden“ erkennbaren Tumormanifestationen im gesamten Organismus. Dieses Vorhaben<br />

kann nur interdisziplinär verwirklicht werden <strong>und</strong> ist nicht, wie vereinfachend angenommen wird, die<br />

alleinige Aufgabe der Pathologie. Eine pR-Klassifikation ist nicht etabliert. Um den korrekten R-Status<br />

eines Tumorpatienten zu ermitteln, müssen neben der histologischen Beurteilung der Präparateränder, der<br />

Operationssitus (beurteilt durch den Chirurgen), das Staging in der Bildgebung (beurteilt durch den<br />

Radiologen) <strong>und</strong> ggf. andere klinische Gegebenheiten (z.B. Tumorrezidiv, Modalitäten vorangegangener<br />

Tumor- bzw. Metastasenbehandlung) berücksichtigt werden, d.h. die Pathologie kann nur einen Baustein<br />

zur R-Klassifikation liefern. Dieser Beitrag ist zwar wesentlich, jedoch nicht allein gültig. Insofern ist zu<br />

betonen, dass besonders der den Patienten klinisch behandelnde Arzt den prognoserelevanten R-Status in<br />

der ganzheitlichen Zusammenschau der verschiedenen Einzelbef<strong>und</strong>e von Pathologie, Radiologie <strong>und</strong><br />

<strong>Klinik</strong> bewerten kann. In Fällen, wo die Tumorbehandlung ausschließlich durch Radio- <strong>und</strong>/oder Radio-<br />

/Chemotherapie erfolgt, ergibt sich die R-Klassifikation ohne Mitbeteiligung der Pathologie allein aus den<br />

klinischen Untersuchungsergebnissen.<br />

Streng genommen kann durch die Pathologie am Operationspräparat bei Untersuchung der<br />

Resektionsränder aber ohne Kenntnis der klinischen Situation (z.B. Tumorabsiedlungen, Nachresektionen<br />

etc.) nur ein Rx–Status mit dem Zusatz vergeben werden, dass die Resektionsränder z.B. tumorfrei sind.<br />

Dagegen steht ein in der Praxis etabliertes, aber nicht unproblematisches Verfahren. Es geschieht<br />

vergleichsweise häufig, daß ohne Kenntnis der klinischen Situation eine lokale R-Klassifikation von der<br />

Pathologie angegeben wird, die dann kritiklos vom <strong>Klinik</strong>er übernommen <strong>und</strong> nicht durch die ganzheitliche<br />

Sicht auf den Tumorpatienten modifiziert wird. In dieser eingeschränkten Sichtweise wird der R-Status nur<br />

als ein Kriterium zur Beurteilung der Radikalität bzw. des aktuellen Erfolgs der lokalen chirurgischen<br />

Therapie verwendet. Das „R“ der R-Klassifikation wird in dieser vereinfachenden Sichtweise als „Rand<br />

des Präparates“ <strong>und</strong> nicht als „Residuum des Tumors im Patienten“ verstanden. Die prognostische<br />

Aussagekraft der R-Klassifikation wird durch diese Verfahrensweise in hohem Maße eingeschränkt.<br />

Ein Beispiel mag diesen komplexen Sachverhalt illustrieren. Es wird ein Kolonkarzinom lokal erfolgreich<br />

operiert, die Resektionsränder sind makroskopisch <strong>und</strong> mikroskopisch sämtlich tumorfrei. Entsprechend<br />

dieser Gegebenheiten besteht, bezogen auf das Operationspräparat, lokal eine R0–Situation. Gleichzeitig<br />

hat der Patient aber noch Lebermetastasen, die in der Bildgebung nachweisbar sind <strong>und</strong> im Rahmen der<br />

Operation nicht beseitigt oder anderweitig therapeutisch angegangen werden. In der ganzheitlichen Sicht<br />

des Tumorpatienten besteht somit ein Zustand von makroskopisch nachweisbaren Tumormanifestationen,<br />

also eine R2 – Situation. Insofern ist es durchaus möglich, dass trotz lokal radikalen chirurgischen<br />

Vorgehens ein R2–Status vorliegen kann.<br />

1) Wittekind C, Chirurg, 2007, 78:785-791, Wittekind C, <strong>Onkologie</strong>, 2006, 12:803-814<br />

214


R-Klassifikation (Residualtumor)<br />

Sicht des <strong>Klinik</strong>ers<br />

Praktische Beispiele<br />

Für die Festlegung der R-Situation in ganzheitlicher Sicht durch die Pathologie haben sich bestimmte<br />

Algorithmen entwickelt.<br />

Rx sollte vergeben werden, wenn die Resektionsränder nicht ermittelbar sind (z.B. fragmentierte<br />

Tumorabtragung ohne topographische Zuordnung), wenn durch Nichtpathologen Gewebe,<br />

insbesondere von den Präparaterändern, z.B. für Gewebebanken entnommen wurde <strong>und</strong>/oder die<br />

klinischen Daten zum Staging fehlen.<br />

Eine R0–Situation kann nur dann durch den Pathologen diagnostiziert werden, wenn die<br />

Resektionsränder des Operationspräparates tumorfrei sind <strong>und</strong> dem Untersucher klinische Daten<br />

vorliegen, dass mit keinem der standardisierten diagnostischen Verfahren Tumor im Körper des<br />

Patienten mehr nachweisbar ist.<br />

Eine R1–Situation besteht dann, wenn mikroskopisch, insbesondere an den Resektionsrändern von<br />

Operationspräparaten des Primärtumors <strong>und</strong>/oder seiner Metastasen, Tumor nachweisbar ist <strong>und</strong><br />

klinische Angaben dahingehend vorliegen, dass keine weiteren Tumormanifestationen im Organismus<br />

bestehen.<br />

Die R2 – Situation ergibt sich bei makroskopisch erkennbaren Tumorresiduen im Patienten, das kann<br />

die Resektionsränder aber auch unabhängig davon andere Lokalisationen betreffen (Metastasen)<br />

Fazit für die R-Klassifikation ist, dass sie die ganzheitliche Sicht des Tumorpatienten<br />

erfordert <strong>und</strong> sich aus der interdisziplinären Zusammenarbeit von klinischen <strong>und</strong> nicht<br />

klinischen Fächern ergibt.<br />

Sicht des <strong>Klinik</strong>ers<br />

Die obige Darstellung entspricht den Vorgaben der UICC-Klassifikation <strong>und</strong> ist wissenschaftlich<br />

damit ausreichend begründet. Das Problem besteht jedoch darin, dass <strong>Klinik</strong>er <strong>und</strong> hier besonderes<br />

Chirurgen <strong>und</strong> internistische Onkologen das R-Kriterium als qualitative Beurteilung der<br />

Resektionsränder verstehen. Die vom Primärtumor ferner metastatische Absiedlung wird für klinisch<br />

tätige Ärzte über die M-Kategorie der TNM-Klassifikation charakterisiert.<br />

Nach dieser Form der Interpretation würde beispielsweise ein Kolonkarzinom mit freien<br />

Resektionsrändern nach der Tumorexstirpation <strong>und</strong> gleichzeitig nachweisbaren Lebermetastasen wie<br />

folgt eingestuft: T3, N1 (1/15), M1 (Leber), R0. Bei präziser Anwendung der UICC-Kriterien müsste<br />

im angegebenen Fall die R-Klassifikation jedoch lauten R2.<br />

Hier herrscht eine babylonische Sprachverwirrung. Die Lösung des Problems kann nur darin bestehen,<br />

dass <strong>Klinik</strong>er <strong>und</strong> Pathologen sich auf ein einheitliches Vorgehen verständigen <strong>und</strong> eine Sprache<br />

benutzen, in der die verwendeten Begriffe gleichen Inhalts sind.<br />

Es gibt durchaus Argumente, die Sichtweise der Pathologie zu übernehmen. Dies würde voraussetzen,<br />

dass der <strong>Klinik</strong>er den Pathologen mit vollständigen <strong>und</strong> verlässlichen Daten ausstattet, damit dieser<br />

zum Residualstatus des Tumors im ganzen Körper des Patienten korrekt Stellung nehmen kann.<br />

Anderenfalls <strong>und</strong> dies ist wahrscheinlich praktikabler, sollte sich der Pathologe auf die Beurteilung der<br />

Resektionsränder beschränken, zum Beispiel in der Weise dass er schreibt: R0 am Resektionspräparat.<br />

Das R-Kriterium als gesamtkörperliche Beurteilung sollte durch den Onkologen des Patienten, der<br />

über alle Bef<strong>und</strong>e verfügt, erfolgen. Auf das obige Beispiel angewendet würde die klinischpathologische<br />

Bewertung lauten: T3, N1 (1/15), Mx, R0 am Resektionpräparat.<br />

Da bei den meisten <strong>Klinik</strong>ern das R-Kriterium nicht als Begriff für die Residualkrankheit im<br />

Gesamtkörper, sondern als Kennzeichnung der Resektionsränder verstanden wird, sollte der<br />

Pathologe in seinem Bericht bezüglich einer Residualkrankheit nur das Resektionspräparat<br />

berücksichtigen <strong>und</strong> dies entsprechend eingeschränkt in seinem Gutachten zum Ausdruck bringen,<br />

indem er bei tumorfreien Resektionsrändern beispielsweise schreibt: R0 am Resektionspräparat. Eine<br />

solche Formulierung wäre ein tragbarer Kompromiss für die <strong>Klinik</strong> <strong>und</strong> die Pathologie.<br />

215


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Lokalisation, Lymphknoten<br />

Lokalisation<br />

Die häufigsten Lokalisationen befinden sich auf der linken<br />

Seite des Kolonrahmens. Die prozentuale Verteilung geht<br />

aus der nebenstehenden Abbildung hervor.<br />

Lokalisationen des Primärtumors<br />

Kolon<br />

Appendix<br />

Coecum<br />

Colon ascendens<br />

Flexura hepatica<br />

Colon transversum<br />

Flexura lienalis<br />

Colon descendens<br />

Colon sigmoideum<br />

Rektosigmoidaler Übergang<br />

Rektum<br />

Regionäre Lymphknoten, Definition<br />

Für die verschiedenen anatomischen Bezirke <strong>und</strong><br />

Unterbezirke sind die regionären Lymphknoten<br />

nachstehend aufgelistet:<br />

• Appendix: Ileokolische Lymphknoten<br />

• Zökum: Ileokolische <strong>und</strong> rechte kolische Lymphknoten<br />

• Colon ascendens: Ileokolische, rechte <strong>und</strong> mittlere kolische Lymphknoten<br />

• Flexura hepatica: Rechte <strong>und</strong> mittlere kolische Lymphknoten<br />

• Colon transversum: Rechte, mittlere <strong>und</strong> linke kolische Lymphknoten <strong>und</strong> Lymphknoten an A. mesenterica<br />

inferior<br />

• Flexura lienalis: Mittlere <strong>und</strong> linke kolische Lymphknoten <strong>und</strong> Lymphknoten an A. mesenterica inferior<br />

• Colon descendens: Linke kolische Lymphknoten <strong>und</strong> Lymphknoten an A. mesenterica inferior<br />

• Colon sigmoideum: Linke kolische <strong>und</strong> Sigmalymphknoten, Lymphknoten an A. rectalis superior <strong>und</strong> an<br />

A.mesenterica inferior sowie rektosigmoidale Lymphknoten<br />

• Rektum: Lymphknoten an Aa. rectalis superior, media <strong>und</strong> inferior, mesenterica inferior, iliaca interna,<br />

mesorektale (paraproktale), laterale sakrale <strong>und</strong> präsakrale Lymphknoten sowie sakrale Lymphknoten am<br />

Promontorium (Gerota)<br />

Metastasen in anderen als den angeführen Lymphknoten werden als Fernmetastasen<br />

klassifiziert.<br />

Lymphknotenentfernung<br />

Evidenzbasierte Leitlinien fordern die operative Entfernung <strong>und</strong> Untersuchung von mindestens 12<br />

Lymphknoten bei der kurativen Therapie kolorektaler <strong>Karzinome</strong>.<br />

Auf dem ASCO 2007 wurde die Benchmark der Lymphknotenentfernung (≥12 LK) in zwei Arbeiten<br />

untersucht:<br />

In einem Vergleich der spezialisierten Zentren (NCCN-Zentren, 345 Pat.) <strong>und</strong> der SEER (Surveillance<br />

Epidemiology and end results)-Datenbank mit 14.019 Patienten zeigte sich, dass in den NCCN-Zentren bei 89%<br />

der Patienten mit Kolon- <strong>und</strong> Rektumkarzinom in den Stadien I-III 12 <strong>und</strong> mehr Lymphknoten entfernt wurden,<br />

während dies an nicht spezialisierten Zentren nur bei 45% der Patienten der Fall war (Raipur A. er al., ASCO 2007,<br />

Abstr. # 4015).<br />

In einer weiteren Arbeit wurden die Daten von 299.242 Patienten aus der amerikanischen SEER-Datenbank für<br />

den Zeitraum 1990-2003 analysiert. Die Autoren schlussfolgern, dass der Anteil der Patienten mit 12 <strong>und</strong> mehr<br />

untersuchten Lymphknoten nach wie vor zu niedrig ist. Bei der Untersuchung von 12 oder mehr Lymphknoten<br />

steigt die Wahrscheinlichkeit als ein Stadium III gegenüber einem Stadium II klassifiziert zu werden, um das<br />

1,3fache (Cai Q et al.,ASCO 2007, Abstr. #4016).<br />

216<br />

Lokalisation der kolorektalen<br />

<strong>Karzinome</strong> -Verteilung


UICC Dukes<br />

Kolonkarzinom<br />

Stadieneinteilung UICC 2002, Dukes-Klassifikation<br />

TNM<br />

Dukes mod. n.<br />

Astler-Coller<br />

0 A Tis A<br />

I<br />

A<br />

T 1<br />

T 2 B 1<br />

A<br />

5-Jahres-<br />

Überlebensraten<br />

Kolonkarzinom*<br />

93,2%<br />

II A T 3 N 0<br />

B 2 84,7%<br />

B<br />

M 0<br />

II B<br />

T 4<br />

B 3 72,2%<br />

III A T 1 , T 2 N 1 C 1 83,4%<br />

III B C T 3/4 N 1<br />

III C<br />

C 2 64,1%<br />

Jedes T N 2 C 3 44,3%<br />

IV D jedes T jedes N M 1 D 8,1%<br />

*O´Connell et al. JNat Cancer Inst 2004; 96:1420-25<br />

Beachte<br />

UICC II setzt sich zusammen aus einer Gruppe mit besserer (T 3 , N o , M o ) <strong>und</strong> mit schlechterer (T 4 , N o , M o ) Prognose.<br />

Ebenso ist das Stad. III prognostisch nicht einheitlich.<br />

Dukes-Klassifkation<br />

Die früher übliche Dukes-Einteilung in der Modifikation nach Astler <strong>und</strong> Coller wird in den gängigen Lehrbüchern<br />

sehr unterschiedlich zitiert (Definition der Stadien B 3 – C 3) <strong>und</strong> sollte deshalb keine Verwendung finden.<br />

Modifiziert nach<br />

Cancer Principle and<br />

Practice of<br />

Oncology. De Vita<br />

et al. 6 th edition,<br />

Lippincott-Raven,<br />

2001. Graphik: Fa.<br />

sanofi Aventis.<br />

217


Kolonkarzinom<br />

Operative Therapie<br />

Standardoperation<br />

Voraussetzung für eine Kuration ist eine R0-Resektion. Diese verlangt die Entfernung des tumortragenden<br />

Darmabschnittes mit den regionären Lnn. Die Operationsletalität liegt


Kolonkarzinom<br />

Gefäßversorgung, Lymphdrainage<br />

Standard des operativen Vorgehens ist die onkologisch radikale Tumorresektion unter Mitnahme der<br />

lokoregionären Lymphknoten entsprechend der Gefäßversorgung des Kolons.<br />

219


Kolonkarzinom<br />

Operationsverfahren<br />

Hemikolektomie<br />

Das operative Vorgehen beim Kolonkarzinom orientiert sich an der Gefäßversorgung <strong>und</strong> den Lymphabflusswegen.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong>e ist es erforderlich, bei einer Tumorlokalisation im Kolonrahmen entweder eine links- oder eine<br />

rechtsseitige Hemikolektomie durchzuführen. Das Prinzip der Resektion <strong>und</strong> das Ergebnis nach der Anastomosierung<br />

geht aus den nachfolgenden schematischen Zeichnungen hervor.<br />

Abb. 1 zeigt eine Hemikolektomie rechts, Abb. 2 eine linksseitige Hemikolektomie.<br />

Die Bilder der zweiten Reihe stellen die Resektion <strong>und</strong> das Operationsergebnis für eine Tumorlokalisation im<br />

Querkolon <strong>und</strong> im Sigma dar. Als Rektumkarzinome gelten Tumoren, deren aboraler Rand bei der Messung mit dem<br />

starren Rektoskop 16 cm oder weniger von der Anokutanlinie entfernt ist. Das Rektumkarzinom wird im folgenden<br />

gesondert behandelt (siehe dort).<br />

1 2<br />

3<br />

4<br />

Wolmark, N., Rockette H. et al. J Clin Oncol 1990; 8:1466-75<br />

Im Einzelfall hängt das genaue Resektionsausmaß vor allen Dingen bei den Transversum- <strong>und</strong><br />

Descendenskarzinomen von der Lagebeziehung des Tumors zur individuellen Gefäßversorgung wie auch der Größe<br />

des Tumors ab.<br />

Multiviszerale Resektion<br />

In etwa 10% finden sich vor allem beim Kolonkarzinom Tumorkonglomerate unter Einbeziehung von<br />

Nachbarorganen. Nur in etwa 50% der Fälle handelt es sich um tatsächliche, histologisch nachweisbare Infiltrationen,<br />

in den übrigen Fällen um entzündlich bedingte Adhäsionen. Trotzdem bedingt dies in beiden Fällen multiviscerale<br />

En-bloc-Resektionen unter Einbeziehung aller betroffenen Strukturen mit dem Ziel einer R0-Resektion unter<br />

gleichzeitiger Berücksichtigung der Lymphabflussstraßen. Biopsien <strong>und</strong> Schnellschnittuntersuchungen sollten strikt<br />

vermieden werden, da hierbei die Gefahr einer örtlichen Tumorzelldissemination besteht, was mit einer signifikanten<br />

Verrringerung der Überlebenschancen einhergeht.<br />

Synchrone Fernmetastasen<br />

Synchrone Fernmetastasen können sowohl synchron als auch metachron reseziert werden. Verschiedene<br />

Gesichtspunkte können für eine zweizeitige Operation sprechen, wie Umlagerung, Schnittführungen, OP-Dauer,<br />

positive Effekte einer neoadjuvanten Chemotherapie.<br />

220


Kolonkarzinom<br />

Laparoskopische Chirurgie<br />

Von der laparoskopischen Chirurgie beim Kolonkarzinom erhofft man sich Vorteile im postoperativen Verlauf<br />

bei gleichwertiger onkologischer Radikalität <strong>und</strong> Morbidität. Mehrere randomisierte Studien zum Vergleich der<br />

laparoskopischen Chirurgie versus offene Chirurgie liegen vor.<br />

Technische Durchführbarkeit – Konversionsrate<br />

Konversionsrate<br />

Die Konversionsraten beim Kolonkarzinom liegen in den großen Studien COST (Clinical Outcomes of surgical<br />

therapy study group, NEJM 2004;350:2050-59) <strong>und</strong> CLASICC (Guillou PJ, Lancet 2005;365:1718-26) mit<br />

jeweils 435 <strong>und</strong> 246 Patienten bei 21% <strong>und</strong> 25%; das bedeutet, wegen technischer Schwierigkeiten oder<br />

intraoperativer Komplikationen konnte bei über 20% eine minimal invasiv begonnene Operation mit dieser<br />

Technik nicht zu Ende geführt, sondern musste in konventioneller Technik beendet werden.<br />

Operationsdauer<br />

Auch die neuen Studien von 2004 <strong>und</strong> 2005 wie COST <strong>und</strong> CLASICC belegen, dass minimal invasive<br />

Operationstechniken eine um 25% bis 50% längere Operationszeit erfordern.<br />

Postoperative Erholung<br />

Bei 4 von 5 Studien, die postoperative Schmerzen am ersten postoperativen Tag bei den beiden chirurgischen<br />

Verfahren verglichen, ergab sich kein signifikanter Unterschied. Die postoperative Darmtätigkeit kam bei<br />

Patienten in 3 von 6 randomisierten Studien hochsignifikant früher in Gang im minimal invasiven Arm. Der<br />

Zeitvorteil betrug 14 bis 22 St<strong>und</strong>en. Der postoperative Kostaufbau ergab in den Studien, die dieses Kriterium<br />

verglichen, einen geringen Vorteil für die minimal invasive Gruppe.<br />

Chirurgische Komplikationen<br />

Die W<strong>und</strong>infektionsrate war in keiner von 11 randomisierten Studien signifikant unterschiedlich. Es zeigte sich<br />

keine Reduktion der W<strong>und</strong>infektionsrate bei der minimal invasiven Gruppe.<br />

Die Notwendigkeit zur Reoperation war in den Studien für beide Therapieverfahren nicht signifikant<br />

unterschiedlich. Doch waren bei den minimal invasiven Eingriffen Nachoperationen etwas häufiger, was<br />

meistens auf unbemerkte Darmverletzungen durch Instrumente oder thermische Schäden (Koagulationsstrom)<br />

als methodenspezifische Ursachen zurückzuführen ist.<br />

Der postoperative Krankenhausaufenthalt war bei der COST-Studie im konventionellen Arm mit 6 Tagen<br />

signifikant länger versus 5 Tage im laparoskopischen Arm, bei der CLASICC-Studie lag die Zeit bei 9 Tagen in<br />

beiden Armen.<br />

Zwischen den einzelnen Studien wurden regelmäßig größere Unterschiede beobachtet als beim direkten<br />

Vergleich der beiden Techniken, so dass es denkbar erscheint, dass andere Faktoren die Ergebnisse maßgeblich<br />

bestimmen <strong>und</strong> dass der Operationstechnik nicht die allein entscheidende Bedeutung zukommt.<br />

Laparoskopische Chirurgie, S3-Leitlinien 2004/2008<br />

Die Ergebnisse der laparoskopischen Tumorresektion sind derzeit wegen fehlender onkologischer<br />

Langzeitergebnisse nicht abschließend zu beurteilen, so dass dieses Verfahren nur im Rahmen von qualifizierten<br />

Studien mit langfristiger Verlaufsbeobachtung zur Anwendung kommen sollte.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2a, mehrheitliche Zustimmung.<br />

Auch bezüglich der Vorteile der Lebensqualität nach laparoskopischen Resektionen sind keine überzeugenden<br />

Vorteile erkennbar.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, mehrheitliche Zustimmung.<br />

Anmerkung<br />

Im Rahmen des Einsatzes in der Therapie von Rektumkarzinomen liegt lediglich eine randomisierte Studie zu<br />

postoperativen Funktionsstörungen im Vergleich zur konventionellen chirurgischen Therapie vor mit einer<br />

höheren Rate urogenitaler Funktionsstörungen im laparoskopischen Arm. Onkologische Langzeitergebnisse<br />

sind auf Beobachtungsstudien begrenzt <strong>und</strong> erlauben keine abschließende Bewertung.<br />

Aktuelle Metaanalysen gelangen zu dem Ergebnis, dass das laparoskopische Vorgehen im postoperativen<br />

Verlauf Vorteile besitzt <strong>und</strong> onkologisch als gleichwertig anzusehen ist. Voraussetzung ist allerdings die<br />

entsprechende Erfahrung <strong>und</strong> Expertise des Operateurs <strong>und</strong> des Zentrums. Ist diese nicht ausreichend<br />

vorhanden, ist eine offene Operation immer vorzuziehen (Bonjer et al. Arch Surg 2007; 142:298-303, Kuhry et al.<br />

Cochrane Database Syst Rev. 2008;16).<br />

Die laparoskopische Operation wird deshalb weiterhin im Regelfall nur im Rahmen von Studien empfohlen.<br />

221


Kolonkarzinom<br />

Fast-Track-Operation<br />

Das Gr<strong>und</strong>prinzip von Fast-Track-Chirurgie (FTCh)<br />

Der Entwickler der Fast-Track-Operation, der dänische Arzt Henrik Kehlet, erarbeitete seine Methode an Patienten, bei denen<br />

Teile des Darms entfernt wurden. Er warf traditionelle Vorgehensweisen über Bord: Seine Pat. durften bis kurz vor der Operation<br />

noch Flüssigkeit zu sich nehmen. Nach der OP wurden sie so bald wie möglich auf natürlichem Wege (M<strong>und</strong>-Magen-Darm)<br />

ernährt. Sie sollen so schnell wie möglich wieder aufstehen <strong>und</strong> sich bewegen. Außerdem stehen im Mittelpunkt der FTCh die<br />

Schmerztherapie <strong>und</strong> optimierte Narkose-Methoden.<br />

Hauptziel von FTCh: Komplikationen vermindern<br />

Das Ziel von FTCh ist es, dass sich der Pat. nach einer OP rasch wieder erholt <strong>und</strong> vom Eingriff möglichst wenig beeinträchtigt<br />

wird. Um das zu erreichen, müssen vor allem die allgemeinen OP-Komplikationen vermieden werden, d.h. Komplikationen, die<br />

nach einem Eingriff nicht im OP-Bereich, sondern an lebenswichtigen Organen auftraten. Gerade bei älteren Patienten,<br />

insbesondere wenn eine Komorbidität wie Diabetes, Hypertonie, Adipositas oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht, ist das<br />

Risiko nicht-chirurgischer Komplikationen erhöht. Bis zu einem Drittel aller Pat. mit einer Kolon-OP haben allgemeine<br />

Komplikationen. Fast-Track wurde entwickelt, um diese Rate zu senken. Vordringliches Ziel der FTCh ist ausdrücklich nicht eine<br />

Senkung der Liegedauer <strong>und</strong> damit frühe Entlassung des Patienten, wie heute häufig fälschlicherweise gemeint wird, sondern die<br />

Verbesserung des Patientenkomforts <strong>und</strong> die Senkung der Komplikationsrate. Die kurze Liegedauer ist allenfalls ein sich<br />

wirtschaftlich positiv auswirkender Nebeneffekt.<br />

Nach der OP schneller entlassbar <strong>und</strong> schneller fit<br />

Ein Nebeneffekt von FTCh ist, dass die Pat. viel früher aus dem Krankenhaus entlassen werden können. Die übliche<br />

Verweildauer in der <strong>Klinik</strong> nach einer Kolon-OP liegt bei knapp zwei Wochen. Meist fühlen sich Pat. nach dem Eingriff<br />

mehrere Wochen lang nicht gut. Nach der FTCh sind die Pat. demgegenüber bereits ab dem 5. Tag nach der OP entlassungsfähig.<br />

Auch vier Wochen nach der OP hatten FTCh-Pat. einen höheren Aktivitätsgrad <strong>und</strong> ein geringeres Maß an Erschöpfung als<br />

konventionell behandelte Pat. Bei 10-15% der Pat. treten nach einer Dickdarm-OP lokale Komplikationen, wie W<strong>und</strong>infektion,<br />

Nahtinsuffizienz mit Peritonitis u.a. auf. Diese Rate verbessert sich unter FTCh nicht.<br />

Patientenselektion<br />

Prinzipiell eignen sich alle Patienten, die sich einem elektiven kolorektalen Eingriff unterziehen, für das FTCh-Konzept. Bislang<br />

liegen keine absoluten Kontraindikationen vor. Eckpfeiler der „Fast-track“-Konzepte zusammengefasst von der europäischen<br />

„ERAS“-Arbeitsgruppe (Fearon KC et al.; Clin Nutr 2005; 24: 466-77).<br />

Präoperative Maßnahmen<br />

Ein ausführliches präoperatives Gespräch mit dem Pat. hat das Ziel, Angst abzubauen <strong>und</strong> ihn zur aktiven Mitarbeit zu<br />

motivieren. Eine positiv-motivierende Aufklärung über die Operation <strong>und</strong> die perioperativen Maßnahmen dient der<br />

Patientenschulung <strong>und</strong> -konditionierung. Das immer noch weit verbreitete Nüchternheitsgebot von 8-12 St<strong>und</strong>en vor einem<br />

abdominalchirurgischen Eingriff ist wissenschaftlich nicht begründet. In einer Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass eine<br />

präoperative Nüchternheit für klare Flüssigkeiten von 2 St<strong>und</strong>en ausreicht (Am Soc Anesthes 1999; 90: 896-905). Daraus ergibt<br />

sich die Konsequenz, die präoperative Nüchternheitsphase auf dieses Zeitintervall zu verkürzen. Die traditionelle orthograde<br />

Darmspülung steht aufgr<strong>und</strong> einer neueren Metaanalyse mit sieben randomisierten Studien an 1454 Patienten im Verdacht,<br />

einherzugehen mit einer höheren Inzidenz von Anastomoseninsuffizienzen (Slim K et al., Br J Surg 2004; 91:1125-30). Im<br />

Rahmen der „Fast- track“-Konzepte wird daher auf eine solche Darmvorbereitung verzichtet, da hierdurch in Kombination mit<br />

Nüchternheit offenbar eine relevante Hypovolämie erzeugt wird.<br />

Intraoperative Maßnahmen<br />

Konzepte der minimal-invasiven Chirurgie sind ein ganz wesentlicher Bestandteil der „Fast- track“-Rehabilitation. Sind solche<br />

Konzepte nicht möglich, sind queren Inzisionen gegenüber vertikalen Zugängen der Vorzug zu geben. Sonden (Nasogastralsonde,<br />

Drainagen) beeinträchtigen die Pat. in erheblichem Maße. Ihre regelhafte Anwendung geht mit einer höheren Inzidenz von<br />

Fieber, Atelektasen <strong>und</strong> Pneumonien einher. Sie haben keinen Einfluss auf die klinische oder radiologische Insuffizienzrate,<br />

verlängern aber die gastrointestinale Atoniedauer. Ein wesentlicher Bestandteil der „Fast-track“-Rehabilitation ist die<br />

Optimierung der Allgemeinanästhesie (Opioid-reduzierte Anästhesie <strong>und</strong> Analgesie), eine adäquate Volumentherapie <strong>und</strong> eine<br />

effektive Schmerztherapie. Die rasche Erholung nach einer Allgemeinanästhesie <strong>und</strong> eine Verkürzung der Verweildauer im<br />

Aufwachraum sind durch den Einsatz volatiler <strong>und</strong> intravenöser Anästhetika möglich. Dringend zu beachten ist der Erhalt der<br />

Normothermie durch aktiv wärmende konvektive Maßnahmen. Die Inzidenz allgemeiner <strong>und</strong> vor allem kardialer Komplikationen<br />

lassen sich dadurch deutlich reduzieren. Wenn auch zu der Frage der perioperativen Volumentherapie nur kleinere, randomisierte<br />

Studien vorliegen, so weisen sie doch darauf hin, dass eine zurückhaltende Volumentherapie gegenüber einem „liberalen“<br />

Flüssigkeitsregime einen positiven Einfluss auf den postoperativen Verlauf haben könnte. Eine peri- <strong>und</strong> intraoperative<br />

Normovolämie ist daher unbedingt anzustreben. Restriktive Volumentherapie heißt, dass dem Pat. vom Tag der OP bis zum 2.<br />

postoperativen Tag 6,5 l kristalloider Infusionen zugeführt werden.<br />

PostoperativeMaßnahmen<br />

Ziel der postoperativen Maßnahmen ist es, die nachfolgende Katabolie, die inflammatorische Reaktion, das Krankheitsgefühl mit<br />

Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen, die Fatigue sowie Hyperthermie <strong>und</strong> Immunsuppression zu vermeiden. Hier steht die effektive<br />

postoperative Schmerztherapie im Zentrum des Interesses. Im Mittelpunkt steht eine multimodale, systemische Nicht-Opioid-<br />

Analgesie. Dies hilft auch, die postoperative gastrointestinale Atonie zu vermeiden. Eine suffiziente thorakale<br />

Periduralkatheteranalgesie (bis Th 5) mit Lokalanästhetikum <strong>und</strong> niedrig dosiertem Opioid (analgetischer Goldstandard) hat eine<br />

herausragende Bedeutung bei der Stressmodifikation <strong>und</strong> der intestinalen Stressabschirmung. Neben der deutlich besseren<br />

postoperativen Analgesie trägt die damit einhergehende Sympathikolyse auch zu einer effizienten Darmfunktion bei. Die<br />

genannten Maßnahmen unterstützen die forcierte <strong>und</strong> frühzeitige Mobilisation des Patienten sowie den frühzeitigen oralen<br />

Kostaufbau bereits am OP-Tag.<br />

222


Kolonkarzinom<br />

Prognosefaktoren, Prädiktive Faktoren I<br />

Etablierte Prognosefaktoren<br />

Prognosefaktoren haben einen Einfluss auf die Prognose unabhängig von der Therapie, während prädiktive Faktoren<br />

den Verlauf einer Erkrankung unter einer bestimmten Therapie vorhersagen, vor allem, in welchem Maße mit einem<br />

Ansprechen auf eine bestimmte Therapie gerechnet werden kann.<br />

Die Prognose des KRK wird durch verschiedene Faktoren bestimmt, von denen der wichtigste derzeit das<br />

pathologische Tumorstadium darstellt, das charakterisiert ist durch die:<br />

• Eindringtiefe, den Lymphknotenbefall sowie das Vorhandensein von Fernmetastasen.<br />

Weitere ungünstige Prognosefaktoren sind:<br />

• Lymphangiosis oder Hämangiosis carcinomatosa des Tumorgewebes<br />

• Siegelring- oder wenig differenzierter Tumor<br />

• Tumorperforation in die freie Bauchhöhle<br />

• Operation unter Notfallbedingungen (z.B. Ileus)<br />

• Entfernung von weniger als 12 Lymphknoten<br />

Zahl der resezierten Lymphknoten<br />

In der Intergroup-Studie INT-0089 zeigte sich, dass die Anzahl der untersuchten Lymphknoten ein entscheidender<br />

Parameter für die Prognose ist. Unabhängig davon, ob es nodal positive oder negative Stadien sind, war die Prognose<br />

von Patienten mit vielen untersuchten Lymphknoten besser (Le Voyer et al. J Clin Oncol 2003;21:2912-19).<br />

Weitere Arbeiten weisen die Zahl der resezierten Lymphknoten als unabhängigen Prognosefaktor in einer<br />

multivarianten Analyse aus: Chen et al. (Ann Surg 2006) fanden bei 82.896 Patienten eine Reduktion der Mortalität um<br />

20,6% bei mehr als 15 resezierten Lymphknoten versus 1-7 resezierten Lymphknoten. In der Arbeit von George et al<br />

(Br J Cancer 2006) korreliert bei 3592 Patienten die Anzahl der resezierten Lymphknoten (0-4, 5-10, > 10) mit dem<br />

Überleben.<br />

Molekulare Marker<br />

Das TNM-System differenziert zuverlässig zwischen Patienten im Frühstadium der Erkrankung <strong>und</strong> Patienten mit<br />

weit fortgeschrittenen Tumoren; im mittleren Tumorstadium ist die Prognose weniger gut damit abzuschätzen.<br />

Eine adjuvante Chemotherapie wird bei Patienten im Stadium II nicht regelhaft empfohlen. Trotzdem rezidivieren 20-<br />

30% der Patienten. Aus diesem Gr<strong>und</strong> werden genetische Marker untersucht, die Hochrisikopersonen identifizieren<br />

<strong>und</strong> als prädiktive Marker ein Ansprechen auf die Behandlung mit einer Chemotherapie vorhersagen.<br />

Mikrosatelliteninstabilität (MSI)<br />

In großen Metaanalysen konnte gezeigt werden, dass Patienten mit Mikrosatelliten-instabilen Tumoren (MSI-H) eine<br />

niedrigere Metastasenhäufigkeit <strong>und</strong> eine verbesserte Prognose aufweisen als Patienten mit stabilen Tumoren (MSS).<br />

Außerdem weisen die vorliegenden Daten darauf hin, dass Patienten, deren <strong>Karzinome</strong> eine MSI-H aufweisen, nicht<br />

von einer adjuvanten Therapie mit 5-FU profitieren (Popat S. et al. J Clin Oncol 2005; 23:609).<br />

Auch eine Analyse von Ribic CM (NEJM 2003;349:247-57) zeigte, dass Patienten mit Mikrosatelliten-stabilen<br />

Tumoren oder Tumoren mit geringer MSI ein signifikant schlechteres 5-Jahres-DFS aufweisen im Vergleich zu<br />

Patienten mit hochgradiger MSI. Allerdings war das 5-Jahres-Überleben der Patienten mit hochgradiger MSI<br />

geringer, wenn sie eine adjuvante Chemotherapie mit 5-FU erhielten.<br />

Sargent wertete in einer Sammelanalyse mehrere Studien retrospektiv im Hinblick auf den Einfluss eines defekten<br />

Mismatch-Repair-Systems (definiert als hochgradige MSI oder Verlust von MLH1 oder MSH 2) auf das DFS nach<br />

einer adjuvanten Therapie im Stadium II aus (Sargent et al, ASCO 2008, Abstr. 4008). Hierbei zeigte sich, dass das 5-<br />

Jahres-DFS bei Pat. mit defektem MMR geringer war, wenn sie adjuvant 5-FU erhielten (unbehandelt 87% versus<br />

behandelt 79%).<br />

Im Rahmen der PETACC-3-Studie wurden an 1564 Gewebeproben prospektiv immunhistochemische <strong>und</strong> molekulare<br />

Analysen durchgeführt. 9 Marker wurden eingesetzt, die potentiell die Fähigkeit besitzen, die Effektivität oder die<br />

Toxizität einer Therapie vorauszusagen. Eine hohe MSI (Mikrosatelliteninstabilität) bei 12% der Proben zeigte<br />

gegenüber einer stabilen oder niedrigen MSI ein statistisch signifikant besseres 3-Jahres-DFS von 74 vs. 65%. Bei<br />

einer SMAD-4-Expression (15%) ist das 3-Jahres-DFS mit 68% signifikant höher als bei fehlender SMAD-4-<br />

Expression mit 53% (Roth AD et al., ASCO 2007, Abstract #4022).<br />

Bei Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium II, bei denen eine adjuvante Therapie mit 5-FU diskutiert wird, sollte<br />

der MMR-Status vor Therapiebeginn untersucht werden <strong>und</strong> bei defektem MMR-System im Tumor keine adjuvante<br />

Chemotherapie mit 5-FU durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind nicht auf FOLFOX übertragbar.<br />

Ein defektes Mismatch-Repair-System (MMR) ist ein prognostischer <strong>und</strong> prädiktiver Marker beim KRK.<br />

223


Kolonkarzinom<br />

Prognosefaktoren, Prädiktive Faktoren II<br />

DCC/18q<br />

Der Verlust der Heterozygotie im Bereich des langen Armes am Chromosom 18 (18q-) führt zu einer<br />

schlechteren Prognose. Der Verlust von chromosomalem Material an 18q <strong>und</strong> 8p soll sowohl<br />

prognostisch als auch prädiktiv von Bedeutung sein. Die Kombination der beiden Marker 18q <strong>und</strong> 8p<br />

ergab eine eindrucksvolle Differenzierung zwischen einer 5-Jahres-Überlebensrate von 100% <strong>und</strong><br />

weniger als 60% bei Patienten im Stadium II (Zhou et al., Lancet 2002;359:219-25).<br />

Die ECOG-Studie E5202 evaluiert die Marker 18q- <strong>und</strong> MSI als Prognoseparameter. Es sollen 3000<br />

Patienten im Stadium II mit entweder günstiger Prognose (MSI, 18q normal) nicht adjuvant therapiert<br />

werden oder mit schlechter Prognose (MSS, 18q-) randomisiert werden für eine adjuvante Therapie<br />

mit FOLFOX +/- Bevazicumab.<br />

Thymidilatsynthase (TS)<br />

Die TS, ein Zielenzym für 5-FU, konnte in einer großen Metaanalyse als unabhängiger<br />

Prognoseparameter bei Patienten im Stadium III identifiziert werden. In insgesamt 11 Studien mit über<br />

1300 Patienten korrelierte eine niedrige TS-Expression mit einem signifikant schlechteren Überleben<br />

<strong>und</strong> mit einem besseren Ansprechen auf eine 5-FU-haltige Therapie (Johnston et al., ASCO 2005, # 3510).<br />

Widersprüchliche Ergebnisse ergab eine aktuelle Studie. Hier war die TS-Expression kein Prädiktor<br />

für das FFS (Failure free survival) <strong>und</strong> eine hohe Expression war mit hohen Ansprechraten verb<strong>und</strong>en<br />

(Richman S. et al., ASCO 2006, #10011).<br />

Topoisomerase I<br />

Im Rahmen der FOCUS-Studie wurde an 823 Proben die Expression der Topoisomerase bestimmt.<br />

Dabei profitierten Patienten mit einer niedrigen Topoisomerase nicht von einer Zugabe von Irinotecan<br />

oder Oxaliplatin zu 5-FU/LV, sodass die Topoisomerase I einen negativen prädiktiven Marker für eine<br />

Irinotecan- <strong>und</strong> Oxaliplatinhaltige Chemotherapie darstellte (Braun M. et al. ASCO 2006, #10009).<br />

Ansprechen auf neoadjuvante Therapie bei Rektumkarzinom<br />

Es konnte bei der CAO/ARO/AIO-94 Rektumkarzinomstudie im Stadium II/III gezeigt werden, dass<br />

das Ansprechen auf die neoadjuvante Radio-/Chemotherapie einen prognostischen Faktor für das<br />

krankheitsfreie Überleben darstellt (Rödel C. et al. J Clin Oncol 2005; 23:8688). Im Vergleich von<br />

Respondern <strong>und</strong> Non-Respondern konnten 54 differentiell exprimierte Gene gef<strong>und</strong>en werden. Somit<br />

ließ sich eine Prädiktion hinsichtlich des Ansprechens zeigen. Das aktuelle Follow-up zeigte, dass alle<br />

Patienten, die eine Fernmetastasierung entwickelt haben, zur Gruppe der non-Responder gehört haben.<br />

Zwischen den Respondern <strong>und</strong> den non-Respondern ergab sich ein signifikanter Unterschied im<br />

krankheitsfreien Überleben. Die Daten weisen auch darauf hin, dass eine Prädiktion der Wirkung einer<br />

neoadjuvanten Radio-/Chemotherapie anhand der Genexpressionsprofile möglich ist (Liersch T. et al., GI-<br />

ASCO 2006, # 221).<br />

Prädiktion Targeted-Therapie<br />

In der CONFIRM-2-Studie, einer Phase-III-Studie beim metastasierten CRC, wurde FOLFOX4 +/- PTK/ZK<br />

evaluiert. Es zeigte sich, dass die kombinierte Therapie mit PTK/ZK in der gesamten Gruppe zu einer<br />

Verbesserung im progressionsfreien (PFS), aber nicht des Gesamtüberlebens führte. Dabei profitierten<br />

besonders Patienten mit hoher LDH signifikant in Bezug auf das PFS (Koehne C. et al. ASCO 2006, #3508).<br />

Eine prospektive Validierung all dieser potentiellen Prädiktoren ist Voraussetzung für eine spätere<br />

klinische Anwendung.<br />

224


Kolonkarzinom<br />

Prädiktive Faktoren KRAS, EGFR, VEGF<br />

KRAS-Status (siehe auch metastasiertes KRK, KRAS, Cetuximab ff.)<br />

Mit dem KRAS-Status steht erstmals ein prädiktiver Biomarker für Patienten mit metastasiertem KRK<br />

zur Verfügung, der eine zielgerichtete <strong>und</strong> somit individualisierte Therapie bezüglich des Einsatzes<br />

von Antikörpern (Cetuximab bzw. Panitumumab) gegen den EGF-Rezeptor ermöglicht. Nachträgliche<br />

Analysen des Onkogens bei Patienten der prospektiv randomisierten CRYSTAL- <strong>und</strong> der OPUS–<br />

Studie zeigten einen signifikanten Vorteil für die Behandlung mit Cetuximab nur für die Patienten, die<br />

einen KRAS-Wildtyp aufwiesen. Patienten mit mutiertem KRAS-Gen profitierten nicht von der<br />

Antikörperbehandlung.<br />

EGF-Rezeptor<br />

Der EGFR ist ein transmembranärer Tyrosinkinasenrezeptor, dessen Expression in der Regel mit einer<br />

schlechten Progrnose assoziiert ist. Da der Rezeptor das Zielantigen der EGF-Rezeptorantikörper<br />

Cetuximab <strong>und</strong> Panitumumab ist, ist er Einschlusskriterium aller Studien. Allerdings zeigen die<br />

Studien bisher nicht, dass der EGFR-Nachweis mittels Immunhistochemie (IHC) ein sinnvoller<br />

prädiktiver Marker für die Wirksamkeit einer Therapie ist. Weder die Färbeintensität noch die Zahl der<br />

EGFR-positiven Zellen korreliert mit dem Therapieansprechen. Dies liegt wohl am ehesten am<br />

insuffizienten Nachweisverfahren. Es gibt mittlerweile Hinweise, dass die mit FISH nachgewiesene<br />

Zahl der EGFR-Genkopien mit dem Ansprechen auf EGFR-Antikörper korreliert. Im Widerspruch zu<br />

diesen Betrachtungen steht der Zulassungstext der EGFR-Antikörper, der einen Nachweis des EGF-<br />

Rezeptors per IHC fordert.<br />

Vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor <strong>und</strong> -rezeptor<br />

VEGF ist der stärkste Faktor der vom Tumor initiierten Neubildung von Gefäßen <strong>und</strong> bewirkt durch<br />

Bindung an den VEGF-Rezeptor der Endothelzellen sowohl eine Proliferation als auch Veränderungen<br />

in der Gefäßarchitektur <strong>und</strong> -Permeabilität.<br />

Derzeit zeigen aber Studien keine Korrelation zwischen der Effektivität der Therapie <strong>und</strong> der Höhe<br />

von angiogenen Faktoren.<br />

Die Effektivität einer Therapie mit VEGF-blockierenden Antikörpern wie Bevacizumab ist<br />

unabhängig vom KRAS-Status.<br />

Genexpressionsprofile<br />

Aus frisch gefrorenem Tumormaterial sind bereits Expressionsprofile erstellt worden, die als<br />

Prognosefaktoren dienen können. Die Verwendung von frisch gefrorenem Material ist dabei sehr<br />

aufwendig. Zwei Arbeiten wurden auf dem ASCO 2006 vorgestellt, bei denen Analysen aus Paraffin-<br />

Material durchgeführt wurden. Auf der Basis einer Gensignatur von 48 Kolonkarzinom-spezifischen<br />

Genen konnte bei Kolonkarzinompatienten im Stadium II eine sehr genaue Vorhersage eines Rezidives<br />

gemacht werden (Johnston P. et al., ASCO 2006, #3519). Bei der anderen Arbeit erfolgte eine Analyse von<br />

757 Genen bei Patienten im Stadium II <strong>und</strong> III. 148 Gene zeigten eine signifikante Assoziation mit<br />

dem krankheitsfreien Überleben (O’Connell M et al. ASCO 2006‚ #3518).<br />

Durch Microarray-Analysen der Tumor-RNA ermittelte eine internationale Arbeitsgruppe (Simon I. et<br />

al., <strong>Onkologie</strong> 2008;31:OP131) bei 128 KRK-Patienten ein Subset von 320 Genen, mit dessen Hilfe die<br />

Rezidivwahrscheinlichkeit bei KRK der Stadien II <strong>und</strong> III besser abschätzbar ist. Dieses Genset wurde<br />

bei 58 Patienten mit KRK validiert. In einer Multivarianzanalyse, die neben dem Genprofil die Zahl<br />

der untersuchten Lymphknoten <strong>und</strong> das Stadium beinhaltete, erwies sich das Genprofil als der stärkste<br />

unabhängige Prognosefaktor. Der Test soll weiter validiert werden.<br />

225


Kolonkarzinom<br />

Adjuvante Therapie, ESMO-Empfehlungen 2008<br />

ESMO Clinical Recommendations for diagnosis, adjuvant treatment and follow-up (Ann Oncol 2008;19 (Suppl 2):ii29-<br />

ii30). Koordinierender Autor: E.J.D. van Cutsem, Leuven, Belgien.<br />

Inzidenz<br />

2006 gab es 412 900 Neuerkrankungen an KRK in Europa. Das sind 12,9% aller Krebserkrankungen. Das KRK war<br />

2006 für 217 400 Todesfälle in Europa verantwortlich. Dies repräsentiert 12,2% aller Krebstodesfälle.<br />

Diagnose<br />

Die Diagnose eines Kolonkarzinoms erfordert eine histopathologische Bestätigung. Risikofaktoren, die Lokalisation<br />

<strong>und</strong> die histologische Untersuchung von Dickdarmtumoren sollten dokumentiert werden.<br />

Staging <strong>und</strong> Risikobewertung<br />

Die Staginguntersuchungen liefern prognostische Informationen, die für die Wahl der adäquaten Therapie relevant<br />

sind. Sie sollten auch Patienten mit resektablen Fernmetastasen identifizieren.<br />

Das präoperative Staging besteht aus klinischer Untersuchung, Blutbild, Leber- <strong>und</strong> Nierenfunktionstest, CEA,<br />

Rö.-Thorax oder CT-Thorax, Abdomen-CT <strong>und</strong> kompletter Koloskopie <strong>und</strong>, falls präoperativ keine komplette<br />

Koloskopie möglich war, erneuter Koloskopie postoperativ.<br />

TNM Stad. Ausdehnung 5-Jahres-Überleben<br />

Tis N0 M0 0 Carcinoma in situ Meist fast normal<br />

T1 N0 M0 I Mucosa oder submucosa > 90%<br />

T2 N0 M0 I Muscularis propria > 85%<br />

T3 N0 M0 IIa Subserosa/perikolisches Gewebe > 80%<br />

T4 N0 M0 IIb Perforation ins viscerale Peritoneum<br />

72%<br />

oder Invasion in andere Organe<br />

T1-2 N1 M0 IIIa 60%-83%<br />

T3-4 N1 M0 IIIb 42%-64%<br />

T1-4 N2 M0 IIIc 27%-44%<br />

Jedes T,<br />

jedes N, M1<br />

IV Fernmetastasen


Kolonkarzinom<br />

Adjuvante Chemotherapie, S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Indikation zur adjuvanten Behandlung bei Kolonkarzinomen<br />

Voraussetzung für eine adjuvante Therapie ist die R0-Resektion des Primärtumors. Gr<strong>und</strong>lage für die Indikation<br />

zur adjuvanten Therapie nach Tumorresektion ist die pathohistologische Stadienbestimmung, insbesondere die<br />

Bestimmung des Lymphknoten-Status (pN). Zur Festlegung von pNO sollen 12 oder mehr regionäre<br />

Lymphknoten untersucht werden (UICC 2002). Immunzytologische Bef<strong>und</strong>e von isolierten Tumorzellen in<br />

Knochenmarkbiopsien oder Lymphknoten sowie zytologische Tumorzellbef<strong>und</strong>e in Peritonealspülungen sind<br />

keine Indikation zur adjuvanten Therapie außerhalb von Studien.<br />

Für Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium I ist eine adjuvante Therapie nicht<br />

indiziert. Patienten des UICC-Stadiums II <strong>und</strong> III sollten möglichst in kontrollierte Studien eingebracht werden,<br />

um Aufschluss über die Indikationsstellung <strong>und</strong> die optimale adjuvante Therapie zu erhalten. Der Verlauf von<br />

Patienten, die außerhalb klinischer Studien behandelt werden, ist im Rahmen der Qualitätssicherung hinsichtlich<br />

des Auftretens von Rezidiven, der Überlebensrate <strong>und</strong> von Nebenwirkungen zu dokumentieren. Die<br />

Durchführung der adjuvanten Chemotherapie erfordert einschlägige Erfahrung <strong>und</strong> insbesondere die Kenntnis<br />

der entsprechenden Dosisreduktionsschemata, die bei auftretender Toxizität eingehalten werden müssen.<br />

Kontraindikationen der adjuvanten Chemotherapie bei Kolonkarzinomen<br />

• Allgemeinzustand > 2 (WHO)<br />

• Unkontrollierte Infektion<br />

• Leberzirrhose Child B <strong>und</strong> C<br />

• Schwere koronare Herzkrankheit; Herzinsuffizienz (NYHA III <strong>und</strong> IV)<br />

• Präterminale <strong>und</strong> terminale Niereninsuffizienz<br />

• Eingeschränkte Knochenmarkfunktion<br />

• Andere, die Lebenserwartung bestimmende Komorbiditäten<br />

• Unvermögen, an regelmäßigen Kontrolluntersuchungen teilzunehmen<br />

Empfehlung Stadium III<br />

Bei Patienten mit einem R0 resezierten Kolonkarzinom im Stadium III ist eine adjuvante Chemotherapie<br />

indiziert.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.<br />

Eine Altersbeschränkung für die Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie existiert nicht, allgemeine<br />

Kontraindikationen sind zu berücksichtigen.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.<br />

Empfehlung Stadium II<br />

Bei Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium II kann eine adjuvante Chemotherapie<br />

durchgeführt werden. Der absolute Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie im Stadium II liegt zwischen<br />

2 <strong>und</strong> 5%.<br />

Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens<br />

Empfehlung UICC Stadium II mit Risikofaktoren<br />

Im Stadium II sollte in ausgewählten Risikosituationen (T4, Tumorperforation/-einriss, Operation unter<br />

Notfallbedingungen, Anzahl untersuchter Lymphknoten zu gering) eine adjuvante Chemotherapie erwogen<br />

werden.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens<br />

Zusätzliche Parameter (z.B. CEA, Differenzierungsgrad, 18q-Verlust, isolierte Tumorzellen in Lymphknoten<br />

oder im Knochenmark, Mikrosatelliten-Status, DNA-Ploidie <strong>und</strong> TS/p53-Expression, Lymph- <strong>und</strong><br />

Blutgefäßinvasion) sollen momentan nicht zur Indikationsstellung für eine adjuvante Chemotherapie benutzt<br />

werden.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens<br />

227


Kolonkarzinom<br />

Adjuvante Chemotherapieprotokolle, S3-Leitlinie2004/2008<br />

Empfehlung Chemotherapieprotokolle im Stadium III<br />

Oxaliplatin in Kombination mit 5-FU/Folinsäure (FS)<br />

Für die adjuvante Chemotherapie des Kolonkarzinoms im Stadium III soll eine Oxaliplatin-haltige<br />

Chemotherapie eingesetzt werden.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1, starker Konsens<br />

► FOLFOX (LV5FU2 + Oxaliplatin)<br />

z.B. FOLFOX 4: Folinsäure (FS) (200 mg/m2 als 2 h-Infusion Tag 1 <strong>und</strong> 2) plus 5-FU (400 mg/m2 als<br />

Bolus, danach 600 mg/m2 als 22-h-Infusion; Tag 1 <strong>und</strong> 2) in Kombination mit Oxaliplatin (85 mg/m2 als 2h<br />

Infusion; Tag 1), Wiederholung Tag 15. 1 Zyklus umfasst 2 Wochen, insgesamt 12 Zyklen.<br />

Monotherapie mit Fluoropyrimidinen<br />

Bei Kontraindikationen gegen Oxaliplatin-haltige Regime soll eine Monotherapie mit Fluoropyrimidinen<br />

durchgeführt werden. Dabei werden orale Fluoropyrimidine den infusionalen Schemata vorgezogen. Bolusregime<br />

sollen wegen der höheren Toxizität nicht mehr verwendet werden.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1, starker Konsens<br />

► Orale 5-FU-Prodrug<br />

z.B. Capecitabin 2 x 1250 mg/m 2 Körperoberfläche p.o. Tag 1-14, alle 3 Wochen für 8 Zyklen.<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

In der X-ACT-Studie wurde das primäre Studienziel mit dem Nachweis, dass Capecitabin im krankheitsfreien<br />

Überleben mindestens gleichwertig zum MAYO-Schema ist, erreicht. Die Analyse zeigte einen Trend<br />

zugunsten eines überlegenen krankheitsfreien Überlebens mit Capecitabin. Auch das Gesamtüberleben<br />

unterschied sich nicht signifikant, mit einem Trend zur Überlegenheit von Capecitabin.<br />

Auch wenn in einer randomisierten Studie UFT + Folinsäure versus 5-FU/FS kein Unterschied im<br />

Gesamtüberleben <strong>und</strong> im krankheitsfreien Überleben bestand <strong>und</strong> in einer japanischen Metaanalyse von drei<br />

Studien sogar ein signifikanter Vorteil für Gesamtüberleben uns DFS erreicht werden konnte, wird UFT +<br />

Folinsäure aktuell nicht empfohlen, da es keine Zulassung zur adjuvanten Chemotherapie des Kolonkarzinoms<br />

in Deutschland besitzt.<br />

► Infusionales 5-FU/Folinsäure<br />

• LV5FU2<br />

z.B. Folinsäure (FS) (200 mg/m 2 als 2 h-Infusion Tag 1 <strong>und</strong> 2) plus 5-FU (400 mg/m 2 als<br />

Bolus, danach 600 mg/m 2 als 22-h-Infusion; Tag 1 <strong>und</strong> 2).<br />

1 Zyklus umfasst 2 Wochen, insgesamt 12 Zyklen<br />

• 5-FU/Folinsäure-Schema<br />

z.B. Folinsäure (FS) (500 mg/m 2 als 1-2-h-Infusion) plus 5-FU (2600 mg/m 2 als 24-h-Infusion) 1x pro<br />

Woche über 6 Wochen (Tag 1, 8, 15, 22, 29, 36). Erneuter Beginn der Therapie in Woche 8 (Tag 50).<br />

Insgesamt 3 Zyklen<br />

• Venöse 5-FU-Dauerinfusion über insgesamt 12 Wochen (300 mg/m 2 /Tag)<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

Im Vergleich zu den Bolusschemata zeigen mehrere Therapiestudien mit unterschiedlicher infusionaler<br />

Applikationsform keinen Unterschied zu der Bolusgabe von 5-FU/FS bezüglich des krankheitsfreien Überlebens<br />

<strong>und</strong> des Gesamtüberlebens. Das deutlich bessere Toxizitätsprofil spricht jedoch eindeutig für die infusionale<br />

Applikation. Ein Vergleich von 12 Wochen Therapie mit der „protracted venous infusion“ (PVI) von 5-FU (300<br />

mg/m 2 pro Tag) gegen ein 6-monatiges MAYO-Schema zeigte keinen signifikanten Unterschied im<br />

rezidivfreien Überleben (RFS) <strong>und</strong> im Gesamtüberleben bei geringerer Toxizität von PVI 5-FU. Der Beginn der<br />

adjuvanten Chemotherapie innerhalb eines Zeitraums von 8 Wochen nach Operation zeigte einen signifikanten<br />

Überlebensvorteil. Die optimale Dauer der Chemotherapie beträgt 6 Monate.<br />

Empfehlung Chemotherapieprotokoll im Stadium II<br />

Sollte bei Patienten mit Stadium-II-Tumoren eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden, können<br />

Fluoropyrimidine als Monotherapie eingesetzt werden.<br />

Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1, starker Konsens<br />

228


Kolonkarzinom<br />

Adjuvante Chemotherapie, Entwicklung der Therapiestandards<br />

Die Studien der letzten 10-15 Jahre konnten zeigen, dass durch eine adjuvante Therapie mit 5-Fluorouracil 8-12%<br />

der Behandelten zusätzlich geheilt werden können. Die 5-FU-basierte Chemotherapie hat dabei verschiedene<br />

Veränderungen erfahren.<br />

5-FU/Levamisol 12 Monate<br />

1990 wurde erstmals der Nutzen einer postoperativen Chemotherapie auf 5-FU-Basis durch die Intergroup-Studie<br />

INT-0035 belegt (Moertel CG et al. NEJM 1990;32:235-8). Die Endergebnisse nach einem medianen Follow-up von 6,5<br />

Jahren zeigten, dass beim Kolonkarzinom im Stadium III 5-FU/Levamisol über 12 Monate die relative Rezidivrate<br />

um 40% <strong>und</strong> die Mortalität um 33% signifikant gegenüber der nicht behandelten Kontrollgruppe senkt.<br />

5-FU/Levamisol wurde damit zum Standard in der adjuvanten Therapie <strong>und</strong> wurde als Kontrollarm für nachfolgende<br />

Studien verwendet.<br />

5-FU/Folinsäure 6 Monate<br />

Als sich herausstellte, dass mit Folinsäure (FS) moduliertes 5-FU beim fortgeschrittenen KRK wirksamer ist als 5-FU<br />

allein, wurde eine Reihe von adjuvanten Therapiestudien mit verschiedenen 5-FU/FS-Kombinationen auf den Weg<br />

gebracht.<br />

Die größte Studie mit 3759 Patienten im Stadium II <strong>und</strong> III, die Intergroup Studie 0089 (Haller DG et al. Proc ASCO<br />

1998:A 982), prüfte im Standardarm eine 12-monatige Behandlung mit 5-FU/Levamisol gegen eine 6-monatige<br />

Behandlung mit 5-FU in Kombination mit einer niedrigen Folinsäuredosis (Mayo-Clinic-Schema) oder einer hohen<br />

Folinsäuredosis (Wolmark oder NSABP-Schema). In einem vierten Studienarm erhielten die Patienten zusätzlich zu<br />

5-FU/FS noch Levamisol. Die 5-Jahre-Überleben sdaten ergaben, dass eine 6-monatige Behandlung mit 5-FU in<br />

Kombination mit niedrig oder hoch dosierter Folinsäuredosis genauso wirksam ist wie eine 12-monatige Behandlung<br />

mit 5-FU/Levamisol. Die Wirkung von 5-FU/FS konnte durch die zusätzliche Gabe von Levamisol nicht verbessert<br />

werden.<br />

Aus diesen Ergebnissen ergab sich der Konsens, Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium III über 6 Monate mit 5-<br />

FU/FS Schemata (Mayo-Clinic-Schema, alternativ NSABP-Schema) zu behandeln.<br />

FOLFOX-4<br />

Aufgr<strong>und</strong> der gesteigerten Ansprechraten der Kombinationen aus 5-FU/FS <strong>und</strong> Oxaliplatin oder Irinotecan in der<br />

palliativen Therapie des KRK wurden diese Kombinationen auch in Phase-III-Studien in der adjuvanten Therapie<br />

eingesetzt. In der MOSAIC-Studie (Andre T. et al., NEJM 2004; 350: 2343-51) wurden 2248 Patienten mit KRK im<br />

Stadium II <strong>und</strong> III nach R0-Resektion entweder (aktuelle Daten 2007 siehe Seite „MOSAIC-Studie“) mit dem<br />

de-Gramont-Schema (5-FU/FS) oder dem FOLFOX-4 (5-FU/FS/Oxaliplatin)-Schema behandelt. Nach 3 Jahren war<br />

die Wahrscheinlichkeit des krankheitsfreien Überlebens (DFS) im FOLFOX-4-Arm um knapp 5% höher (77,8 vs.<br />

72,9%). Für Patienten im Stadium III war die Differenz mit 71,8 vs. 65,5% noch deutlicher. Für Patienten im Stadium<br />

II war die Differenz von 86,6% vs. 83,9% nicht signifikant (aktuelle Daten 2007 siehe Seite „MOSAIC-Studie“).<br />

Diese Daten wurden durch die NSABP C-07 Studie bestätigt (Wolmark N. et al. ASCO 2005, A 3500). Ähnlich gute<br />

Ergebnisse ließen sich mit einer Irinotecan-haltigen Kombination nicht erreichen.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Ergebnisse der MOSAIC-Studie gilt FOLOX-4 als Standard zur adjuvanten<br />

Chemotherapie kolorektaler <strong>Karzinome</strong> im Stadium III.<br />

Xeloda ®<br />

In der X-ACT-Studie (Twelves C. et al.,NEJM 2005;352:2696-704), die bei mehr als 2000 Patienten im Stadium III<br />

Capecitabine oral mit dem Mayo-Protokoll verglichen hat, zeigt sich eine bessere Verträglichkeit der adjuvanten<br />

Therapie mit Capecitabine <strong>und</strong> ein Trend zu einer besseren Wirksamkeit. Das DFS nach 3 Jahren lag bei 65,5% für<br />

Capecitabine vs. 61,9% für das Mayo-Protokoll (siehe Seite X-ACT-Studie).<br />

Aufgr<strong>und</strong> dieser Daten kann bei Kontraindikationen zu FOLFOX-4 das orale Capecitabine eingesetzt<br />

werden. Das Mayo-Schema sollte nicht mehr zur Anwendung kommen.<br />

Korrelation 3-Jahres-DFS mit 5-Jahres-OS<br />

Eine Analyse von 18 randomisierten, kontrollierten Studien mit über 20.000 Patienten (Sargent DJ et al., J Clin Oncol<br />

2005; 23:8664-70) zeigt, dass das 3-Jahres-krankheitsfreie Überleben (DFS) signifikant mit dem 5-Jahres-Overallsurvival<br />

(OS) korreliert. Die aktuelle Analyse dieser Daten der ACCENT (Adjuvant Colon Cancer Endpoints)<br />

Gruppe bestätigt dies: ein signifikanter Benefit für die adjuvante Chemotherapie wurde vor allem für die ersten 2<br />

Jahre nach Initiierung der Therapie nachgewiesen. Zwei Jahre nach Initiierung der Behandlung zeigte die Rate für das<br />

DFS keinen wesentlichen Unterschied mehr (Sargent DJ et al., ASCO 2007, Abstr. # 4008). Aufgr<strong>und</strong> dieser Daten ist das<br />

DFS als valider Endpunkt für die adjuvante Therapie bestätigt, das eine raschere Beantwortung der von den Studien<br />

gestellten Fragen erlaubt.<br />

229


Kolonkarzinom<br />

Adjuvante Chemotherapie, weitere Entwicklungen<br />

6 Monate versus 3 Monate (Chau I. et al. Ann Oncol 2005, 16:549-557)<br />

Eine britische Multicenterstudie verglich bei 801 Patienten das Standard-5-FU-Bolus/Folinsäure-Schema (MAYO-<br />

Clinic-Schema) über 6 Monate mit einer kontinuierlichen intravenösen Infusion (PVI) von 5-FU (300 mg/m2/die)<br />

über 12 Wochen. Es gab keine signifikante Differenz hinsichtlich des 5-Jahres-Überlebens zwischen den beiden<br />

Armen. Die Therapie mit der kontinuierlichen Infusion über 12 Wochen war tendenziell besser im Hinblick auf das<br />

5-Jahre-rezidivfreie Überleben (73,3% vs. 66,7%) sowie das 5-Jahres-Überleben (75,7% vs. 71,5%). Die Toxizität<br />

der kontinuierlichen Infusion war signifikant geringer. Die Autoren regen weitere Studien mit Verkürzung der<br />

adjuvanten Therapiedauer an. Kritikpunkte an der Arbeit sind die geringe Patientenzahl sowie der Einschluss von<br />

Rektumkarzinompatienten, so dass diese Therapie derzeit nicht empfohlen wird.<br />

Bolus versus infusional-5-FU (Köhne C. et al., ASCO 2006, Abstract 3563)<br />

Die PETACC-2-Studie verglich das traditionelle Bolus-Regime nach dem MAYO-Clinic-Schema mit 3 anderen 5-<br />

FU-Infusionsprotokollen (AIO, de-Gramont <strong>und</strong> das spanische wöchentliche Hochdosisprotokoll, siehe auch Seite<br />

„PETACC-2-Studie“) in der adjuvanten Chemotherapie des Kolonkarzinoms beim Stadium III. Das Primärziel der<br />

Studie war der Beweis einer Überlegenheit der Infusionsprotokolle mit einer Differenz des 5-Jahre-Überleben s von<br />

7%. Bei insgesamt 1601 Patienten ergab sich kein signifikanter Unterschied, weder im 5-Jahres-rezidivfreien<br />

Überleben (57% vs. 56%) noch im 5-Jahres-Gesamtüberleben (71% vs. 72%). Das Bolus-Regime war jedoch<br />

toxischer im Hinblick auf Leukopenie, Stomatitis <strong>und</strong> Diarrhoe. Das Hand-Fuß-Syndrom war häufiger im<br />

experimentellen Arm.<br />

Oxaliplatin/Bolus 5-FU, NSABP C-07-Studie (Kuebler J.P.. et al., J Clin Oncol 2007; 25:2198-2204)<br />

2407 Patienten im Stadium II <strong>und</strong> III erhielten entweder das wöchentliche Wolmark- bzw. NSABP-Bolus-Schema<br />

(FULV) über 24 Wochen oder dasselbe Regime unter Zugabe von 85 mg/m2 Oxaliplatin (FLOX) in Woche 1, 3 <strong>und</strong><br />

5 eines jeden 8-Wochen-Zyklus. Das DFS nach 3 Jahren beträgt 76,5 % im FLOX-Arm vs. 71,6 % im FULV-Arm<br />

<strong>und</strong> ist statistisch signifikant. Unter dem FLOX-Regime trat Diarrhoe wesentlich häufiger als relevante<br />

Nebenwirkung auf. Es ereigneten sich unter der Therapie immerhin 14 (1,1%) Todesfälle in der FULV- <strong>und</strong> 15<br />

(1,2%) in der FLOX-Gruppe.<br />

Fazit: Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit den Ergebnissen der MOSAIC-Studie. Beim FLOX-Regime kommen<br />

aber nur 75% der Oxaliplatin-Dosis aus der MOSAIC-Studie zum Einsatz, was 2005 auf dem ASCO-Kongress zur<br />

Diskussion über die tatsächlich nötige Oxaliplatin-Dosis führte. Das Bolus-Regime sollte wegen der erhöhten<br />

Toxizität nicht zum Einsatz kommen.<br />

XELOX versus Bolus 5-FU/LV (Schmoll HJ. et al., J Clin Oncol 2007, 25:102-109 )<br />

1884 Patienten im Stadium III erhielten XELOX (Capecitabine 1000 mg/m2 bid d1-14 + Oxaliplatin 130 mg/m2 d1,<br />

q3w x 8) oder ein i.v. Bolus 5-FU/LV-Schema (Mayo-Clinic- oder Roswell-Park-Schema).<br />

Die Rate an Grad-3/4-Toxizitäten lag bei 55% im XELOX-Arm <strong>und</strong> bei 47% im 5-FU/LV-Arm. XELOX verursacht<br />

weniger Neutropenie (9% vs. 16%) sowie Stomatitis (


Kolonkarzinom<br />

Adj. Chemotherapie, NSABP-, MAYO-Clinic-Schema<br />

Moertel CG et. al. hatten 1990 als Erste den statistisch signifikanten Vorteil einer postoperativen adjuvanten<br />

Behandlung des Kolon-Ca mit 5-FU + Levamisol im Vergleich zu einer nichtbehandelten Kontrollgruppe für das<br />

Stadium Dukes C veröffentlicht. Für das Rektumkarzinom war der therapeutische Gewinn bereits zu diesem<br />

Zeitpunkt auch für das Stadium Dukes B2 (T3, N0, M0) nachgewiesen worden.<br />

NSABP-Schema (Roswell-Park-Schema)<br />

Auf dem ASCO-Meeting 1993 teilten zwei internationale Therapiegruppen eine signifikante Reduktion des<br />

Rezidivrisikos <strong>und</strong> der Mortalitätsrate um etwa ein Drittel nun auch für das Stadium Dukes B2 des Kolonkarzinoms<br />

mit. Die Behandlung erfolgte mit 5-FU + Folinsäure.<br />

Roswell Park-Schema, auch bekannt als NSABP-Schema Wolmark, N. et. al Proc. ASCO 1993; 12: Abstr. 578<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22, 29, 36<br />

5-FU 500<br />

Woche 7 Therapiepause. Wiederholung Tag 50.<br />

i.v. Bolus 1 Std. nach Beginn der<br />

Folinsäure-Infusion 1, 8, 15, 22, 29, 36<br />

Therapiedauer in dieser Studie: 6 Zyklen (48 Wochen).<br />

Anmerkung: in adjuvanter Intention kann bei fehlender oder geringer Toxizität auch schon am Tag 43 der nächste<br />

Zyklus beginnen.<br />

Die Dauer von 6 Monaten für eine adjuvante Therapie wird als ausreichend erachtet.<br />

Therapiedaten<br />

Patientengut: 1081 kurativ resezierte Pat. mit Kolon-Ca Stad. Dukes C <strong>und</strong> B2.<br />

Ergebnisse: 3 Jahre krankheitsfreies Überleben : 73 % vs. 63 %<br />

3 Jahres-Gesamtüberleben : 84 % vs. 77 %<br />

Die Ergebnisse waren im randomisierten Vergleich denen der Kombination mit MOF (Methyl-CCNU, Vincristin, 5-<br />

FU) überlegen (p=0.0004). Bei Verwendung der Kombination von Leucovorin <strong>und</strong> 5-FU bestand kein Unterschied<br />

zwischen den Stadien Dukes B2 <strong>und</strong> C beim Kolonkarzinom. Demnach profitierten in dieser Studie auch die Pat. mit<br />

dem Stadium Dukes B2 von dieser Behandlung.<br />

Mayo-Clinic-Schema<br />

Auf dem gleichen ASCO-Meeting 1993 stellten O’Connel et al. das Ergebnis einer kleineren Intergroup-Studie mit<br />

niedrig dosierter Folinsäure vor. Dieses Therapieschema ist deshalb interessant, da hierdurch die Arzneimittelkosten<br />

signifikant gesenkt werden. Auch in dieser Studie wurden Patienten der Stadien B <strong>und</strong> C nach Dukes behandelt.<br />

O´Connel et al. (Mayo-Clinic-Schema)<br />

Proc. ASCO 12, 1993, Abstr.552<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Folinsäure 20 i.v. Bolus 1 - 5<br />

5-FU 425 i.v. Bolus (< 5 Min.) 1 - 5<br />

Wiederholung Tag 29-33 Therapiedauer: 6 Zyklen<br />

Therapiedaten<br />

Patientengut: 309 kurativ resezierte Pat. mit Kolon-Ca Stad. Dukes C <strong>und</strong> B2.<br />

Ergebnisse: 3,5 Jahre krankheitsfreies Überleben : 77 % vs. 64 % (Kontrollgruppe)<br />

3,5 Jahres-Gesamtüberleben : 75 % vs. 71 %<br />

Die Ergebnisse waren im randomisierten Vergleich denen der unbehandelten Kontrollgruppe bezüglich des<br />

krankheitsfreien Überlebens signifikant überlegen. Das Gesamtüberleben unterschied sich allerdings nicht signifikant<br />

zwischen beiden Gruppen.<br />

Nachdem das Mayo-Clinic-Schema lange als Standard der adjuvanten Therapie des kolorektalen Karzinoms galt,<br />

werden Bolus-Regime wegen der höheren Toxizität im Vergleich zu oralen Fluoropyrimidinen nicht mehr<br />

empfohlen. Bei Kontraindikationen gegen Oxaliplatin-haltige Regime ist Capecitabin (Xeloda®) der Standard in<br />

der adjuvanten Therapie des KRK.<br />

231


Kolonkarzinom<br />

PETACC2-Studie, Adjuvante Chemotherapie Stadium III<br />

Die PETACC2-Studie zur Adjuvansbehandlung lief in Deutschland auch unter dem Namen „AIO-Studie“. Sie<br />

ist identisch mit der EORTC-Studie 40963 bzw. mit einem Arm des PETACC2-Trials. Die Abkürzung<br />

PETACC steht für „Pan European Trial in Adjuvant Colon Cancer“.<br />

Hier werden jedoch im europäischen Verb<strong>und</strong> die landesspezifischen „Eigenheiten“ in der Wahl des Schemas<br />

für die 5-FU-Dauerinfusion berücksichtigt. Die Wahl des Schemas war der teilnehmenden Institution<br />

freigestellt, es musste jedoch immer das gleiche verwendet werden.<br />

In Deutschland wird das AIO-Schema angewandt, in Frankreich hauptsächlich das „De-Gramont-Schema“, in<br />

Spanien 5-FU als Monosubstanz über 48h.<br />

Als Standardarm kam einheitlich das „Mayo-Clinic-Schema“ zum Einsatz<br />

AIO-Schema (Deutschland)<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

5-FU 2600 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

Wiederholung: Tag 50 Therapiedauer: 3 Zyklen (=21 Wochen)<br />

HD-5-FU Mono-48 St<strong>und</strong>en (Spanien)<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

5-FU 3500 48-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36,43<br />

Wiederholung: Tag 57 Therapiedauer: 3 Zyklen (=24 Wochen)<br />

De-Gramont-Schema (LV5FU2, Frankreich)<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2<br />

5-FU 400 i.v. Bolus (5 min) 1, 2<br />

5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2<br />

Wiederholung: Tag 15 Therapiedauer: 12 Zyklen (=24 Wochen)<br />

Ergebnisse (Köhne C. et al., ASCO 2006, Abstract 3563)<br />

Bei insgesamt 1601 Patienten ergab sich kein signifikanter Unterschied weder im 5-Jahres-Rezidiv-freien<br />

Überleben (57% vs. 56%) noch im 5-Jahres-Gesamtüberleben (71 vs. 72%). Das Bolus-Regime war jedoch<br />

toxischer im Hinblick auf Grad-3/4-Leukopenien (7,1% versus 2,0%), Stomatitis Grad-3/4 (9,8% vs 3,3%) <strong>und</strong><br />

Diarrhoe Grad-3/4 (16% vs. 15%). Das Hand-Fuß-Syndrom war häufiger im experimentellen Arm (4,4% versus<br />

0,4%).<br />

PETACC1<br />

Die PETACC1-Studie, die in gleicher Situation 5-FU/Folinsäure mit der Substanz Raltitrexet verglich,<br />

wurde in einer umstrittenen Entscheidung nach der Interimsanalyse im Juli 1999 durch die Firma Astra<br />

Zeneca beendet. Der Gr<strong>und</strong> war eine mit 17 vs. 7 erhöhte Anzahl an Substanz-assoziierten Todesfällen<br />

in der Tomudex-Gruppe (allerdings gab es hier relevante Abweichungen von den Studienvorschriften<br />

wie z.B. fehlende Kreatininkontrollen). Es waren bereits 1838 Patienten eingeschlossen, es lagen nur<br />

Sicherheits-, aber noch keine Effektivitätsdaten vor.<br />

232


Kolonkarzinom<br />

PETACC3-Studie, Adjuvante Chemotherapie<br />

In dieser inzwischen geschlossenen Studie wurde in Deutschland zumeist das AIO-Schema verwendet. Im<br />

adjuvanten Setting wurden verglichen infusional 5-FU/Folinsäure ± Irinotecan.<br />

In der Gruppe A bekamen die Pat. entweder das um Irinotecan erweiterte AIO-Schema mit auf<br />

2000 mg/m² reduzierter 5-FU-Dosis oder das „De-Gramont-Schema“ + Irinotecan.<br />

Standardtherapie (Gruppe B)<br />

AIO-Schema<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

5-FU 2600 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

Wiederholung: Tag 50<br />

De-Gramont-Schema (LV5FU2)<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2<br />

5-FU 400 i.v. Bolus (5 min) 1, 2<br />

5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2<br />

Wiederholung: Tag 14<br />

Prüfarm (Gruppe A)<br />

AIO-Schema + Irinotecan<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

5-FU 2000 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

Irinotecan 80 ½-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

Wiederholung: Tag 50<br />

De-Gramont-Schema (LV5FU2) + Irinotecan<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2<br />

5-FU 400 i.v. Bolus (5 min) 1, 2<br />

5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2<br />

Irinotecan 180 60-min.-Infusion 1<br />

Wiederholung: Tag 15<br />

Therapiedauer: jeweils 6 Monate.<br />

Ergebnisse (van Cutsem E. et al.,ASCO 2005, Abstract LBA8)<br />

3278 Patienten im Stadium II (945) <strong>und</strong> III (2333) wurden randomisiert. Nach 3 Jahren wurde durch die Zugabe<br />

des Irinotecan das krankheitsfreie Überleben (DFS) für Patienten im Stadium-III von 59,9% auf 62,9%<br />

verbessert, was statistisch nicht signifikant war. Bei der gepoolten Analyse von allen Patienten (Stadium-II <strong>und</strong><br />

III) zeigte sich eine signifikante Verbesserung durch die Zugabe von Irinotecan. Die 60-Tage-Mortalität lag bei<br />

der Irinotecan-Kombination bei 0,4% versus 0,2% im 5-FU/Folinsäure-Arm.<br />

Fazit: Irinotecan-haltige Schemata haben aktuell keinen Stellenwert in der adjuvanten Therapie.<br />

Immunhistochemische <strong>und</strong> molekulare Analysen (Roth AD et al.,ASCO 2007, Abstract #4022)<br />

Im Rahmen der PETACC3-Studie wurden an 1564 Gewebeproben prospektiv immunhistochemische <strong>und</strong><br />

molekulare Analysen durchgeführt. 9 Marker wurden eingesetzt, die potentiell die Fähigkeit besitzen, die<br />

Effektivität oder die Toxizität einer Therapie vorauszusagen. Eine hohe MSI (Mikrosatelliteninstabilität) bei<br />

12% der Proben zeigte gegenüber einer stabilen oder niedrigen MSI ein statistisch signifikant besseres 3-Jahres<br />

DFS von 74 vs. 65%. Bei einer SMAD-4-Expression (15%) ist das 3 Jahres-DFS mit 68% signifikant höher als<br />

bei fehlender SMAD-4-Expression mit 53%.<br />

233


Kolonkarzinom<br />

MOSAIC-Studie, Teil I, Adjuvante Chemotherapie<br />

Nahezu die Hälfte aller potentiell kurativ operierten Patienten mit kolorektalen <strong>Karzinome</strong>n erleiden Rezidive <strong>und</strong><br />

versterben als Folge einer späteren Metastasierung.<br />

Nachdem sich Oxaliplatin in der Therapie des metastasierten Kolonkarzinoms bewährt hatte, vornehmlich nach den<br />

Daten der FOLFOX-Kombination der französischen Arbeitsgruppe um de Gramont, wurde die Substanz auch in der<br />

adjuvanten Indikation eingesetzt.<br />

Die Ergebnisse der internationalen, multizentrischen MOSAIC-Studie (Multicenter International Study of<br />

Oxaliplatin/5-Fluorouracil/Leucovorin in the Adjuvant Treatment of Colon Cancer) ergeben sich neue Perspektiven in<br />

der Adjuvansbehandlung kolorektaler <strong>Karzinome</strong> (Andre T et al., NEJM 2004;350:23433-51). In die Studie wurden<br />

insgesamt 2246 Pat. mit Stad. II <strong>und</strong> III eingeschlossen <strong>und</strong> im prospektiv randomisierten Vergleich mit einer jeweils<br />

sechsmonatigen Therapie mit Bolus plus infusional 5-FU/FA ± Oxaliplatin behandelt.<br />

Studiendesign<br />

Einsschlusskriterien<br />

R0-resezierte Patienten mit Kolonkarzinom im Stad. II <strong>und</strong> III<br />

Behandlungsbeginn innerhalb von 7 Wochen nach der Tumorexstirpation<br />

Keine vorangegangene Chemo-, Immuno- oder Radiotherapie<br />

WHO PS ≤2<br />

Alter 18-75 Jahre<br />

Zielkriterien, primär: Krankheitsfreies Überleben, sek<strong>und</strong>är: Toxizität, Gesamtüberleben<br />

LV5FU2 + Oxaliplatin<br />

Folinsäure 200 mg/m 2 / 2h-Inf. d1+2<br />

5-FU 400 mg/m 2 Bolus +<br />

5-FU 600 mg/m 2 22h-Inf. d1+2<br />

Oxaliplatin 85 mg/m 2 2h-Inf d1<br />

alle 14 Tage, 12 Zyklen<br />

LV5FU2<br />

Folinsäure 200 mg/m 2 / 2h-Inf. d1+2<br />

5-FU 400 mg/m 2 Bolus +<br />

5-FU 600 mg/m 2 22h-Inf. d1+2<br />

alle 14 Tage, 12 Zyklen<br />

Toxizität<br />

Eine wesentliche Bedeutung kommt in einer Tumortherapiestudie der Toxizität zu. Die therapieassoziierte Mortalität<br />

war in beiden Gruppen gleich niedrig (0,5%). Haupttoxizitäten waren Diarrhoe, Neutropenie <strong>und</strong> Erbrechen, wobei<br />

Grad-3-4 Neutropenie mit 41,1% bei der oxaliplatinhaltigen Therapie gegenüber 4,7% im Kontrollarm deutlich<br />

häufiger auftrat, jedoch lediglich in 1,8% vs. 0,2% zu Fieber/Infektionen führte.<br />

Ein relevantes Problem stellt die Neurotoxizität dar. 92,1% der Pat. im Oxaliplatin-Arm erlitten eine periphere<br />

Neuropathie, jedoch nur 12,4% Grad-3 oder höher. Die Symptomatik war meist reversibel. Bei 1,1% zeigte sich ein<br />

Fortbestehen einer Grad-3-Toxizität nach 12 <strong>und</strong> bei 0,5% nach 18 Monaten.<br />

Häufigkeit <strong>und</strong> Verlauf der neurosensorischen Symptome in<br />

der Oxaliplatin-haltigen Gruppe<br />

234


Kolonkarzinom<br />

MOSAIC-Studie, 3-Jahres-DFS, Adjuvante Chemotherapie<br />

Nach durchschnittlich 37,9 Monaten Nachbeobachtung ergab sich ein krankheitsfreies Überleben von<br />

78,2% im Oxaliplatinarm gegenüber 72,9% für die LV-5FU-Gruppe (p=0,01). Das bedeutet eine<br />

4-6%ige Verbesserung im krankheitsfreien Überleben. Somit stellt die 5-FU/Folinsäure mit<br />

Oxaliplatin auch in der adjuvanten Situation eine Therapiebereicherung dar. Das krankheitsfreie<br />

Überleben nach 3 Jahren wurde bewusst gewählt, da zum einen die meisten Rezidive in den ersten<br />

3 Jahren auftreten, zum anderen sollte eine zeitnahe Übertragung der Ergebnisse in die praktische<br />

onkologische Arbeit ermöglicht werden.<br />

Der Therapievorteil der Oxaliplatingruppe zeigte sich sowohl für das Gesamtkollektiv als auch in der<br />

Subgruppenanalyse.<br />

André et al, NEJM 350;23<br />

FL + Oxali.<br />

n=1123<br />

FL<br />

n=1123<br />

Follow-up<br />

Median [Monate] 37,9 37,8<br />

3-J-DFS 78,2 72,9<br />

Ereignisse 237 (21,1%) 293 (26,1%)<br />

Rezidive 208 (18,5%) 279 (24,8%)<br />

Metastasen 169 (15,0%) 229 (20,4%)<br />

Zweit-Kolorekt.-Ca. 6 (0,5 %) 9 (0,8%)<br />

Lokalrezidiv 38 (3,4%) 51 (4,5%)<br />

Tod ohne Rezidiv 29 (2,6%) 14 (1,2%)<br />

André et al, N Engl J Med 350;23<br />

MOSAIC-Studie. Signifikant besseres krankheitsfreies Überleben der Oxaliplatin-behandelten Pat.<br />

gegenüber Folinsäure/5-FU allein. Besonders im nodalpositiven Stad. III profitieren die Patienten. Aber<br />

auch für Pat. im Stad. II ließ sich ein Benefit für den Oxaliplatin-Arm nachweisen, wie die Graphik<br />

unten verdeutlicht. Der Unterschied war jedoch nicht signifikant, da die Studie dafür statistisch auch<br />

nicht kalkuliert war.<br />

Aufgr<strong>und</strong> dieser Daten ist FOLFOX-4 der Standard der adjuvanten Therapie des<br />

Kolonkarzinoms im Stadium III<br />

Auf dem ASCO 2007 wurden ein Update nach 5 Jahren sowie erstmals auch Überlebensdaten<br />

präsentiert. Siehe dazu folgende Seite.<br />

235


Kolonkarzinom<br />

MOSAIC-Studie, 5-Jahres-Update, Adjuvante Chemotherapie<br />

MOSAIC: DFS<br />

FOLFOX4<br />

5 Jahre (Juni 2006)<br />

(n=1123)<br />

LV5-FU2<br />

(n=1123)<br />

Med. Follow-up (Mon.) 73,5 73,4<br />

Ereignisse (%) 27,1 32,1<br />

DFS (%) 73,3 67,4<br />

HR/Delta absolut (%) 0,80/ 5,9%<br />

p-Wert 0,003<br />

Die Ergebnisse am primären Endpunkt der<br />

Studie, dem 3-Jahres-erkrankungsfreien<br />

Überleben (DFS), hatten einen signifikanten<br />

Benefit für die mit FOLFOX-4 behandelten<br />

Patienten gezeigt.<br />

Das Update der Studie, das beim ASCO 2007<br />

vorgestellt wurde (de Gramont A. et al., ASCO 2007<br />

Abstr.# 4007), bestätigte den signifikanten<br />

Unterschied für das DFS auch nach 5 Jahren<br />

zugunsten von FOLFOX gegenüber der<br />

Therapie mit 5-FU/Folinsäure.<br />

Im Stadium II wurde wie erwartet kein signifikanter Unterschied für DFS <strong>und</strong> OS (Overall survival)<br />

gef<strong>und</strong>en, da die Studie dafür statistisch nicht ausgerichtet war. Für Patienten im Stadium II mit<br />

Risikofaktoren, nämlich T4-Tumor, Tumor-Perforation, Ileus, G3/4-Histologie, Venöse Infiltration<br />

<strong>und</strong> weniger als 10 entfernten Lymphknoten, betrug der absolute Benefit jedoch 7,2% für das DFS<br />

zugunsten der FOLFOX-Therapie.<br />

MOSAIC: DFS Stadium II <strong>und</strong> III<br />

Erstmalig wurde jetzt ein signifikanter Vorteil für FOLFOX im Gesamtüberleben (OS) für Patienten<br />

im UICC-Stadium III nachgewiesen (Risikoreduktion 20%).<br />

3,5% der Patienten haben eine Grad 2 oder 3 sensorische Neurotoxizität im Follow-up.<br />

MOSAIC: OS Stadium II <strong>und</strong> III<br />

MOSAIC: Langzeittoxizität<br />

Fazit: Der Vorteil der Oxaliplatin-basierten Kombinationstherapie in der adjuvanten Situation für<br />

das Kolonkarzinom im Stadium III ist bestätigt.<br />

236


Adjuvante Therapie<br />

X-ACT-Studie, Adjuvante Chemotherapie<br />

Die X-ACT-Studie ist eine multizentrische, randomisierte Phase-III-Studie, in der das orale Prodrug Capecitabin<br />

(Xeloda®) bei nodal-positiven, R0-resezierten Kolonkarzinomen im Vergleich zum intravenös gegebenen Mayo-<br />

Clinic-Schema untersucht wurde. Capecitabin wird in der Leber nach enteraler Resorption in 5-Deoxy-<br />

Fluorozytidin umgewandelt, das in Tumorzellen stärker als in ges<strong>und</strong>en Zellen angereichert wird.<br />

Im Zeitraum 11/1998 bis 11/2001 wurden insgesamt 1987 Patienten mit R0-reseziertem Dukes-C-<br />

Kolonkarzinom randomisiert auf einen Standardarm mit einer Therapie nach dem Mayo-Clinic-Protokoll über 24<br />

Wochen, im Vergleich zum experimentellen Arm mit Capecitabin 2 x 1250 mg/m 2 über 14 Tage. Wiederholung<br />

alle 3 Wochen (Cassidy J et al. Proc. ASCO 2004; 22:3509A)<br />

Studiendesign, Patientenverteilung<br />

Ergebnisse<br />

Im Ergebnis zeigte sich eine mindestens gleichgute Wirksamkeit mit tendenziellen Vorteilen für Capecitabin<br />

(signifikant für das rezidivfreie Überleben). Die Toxizität war mit Ausnahme des Hand-Fuß-Syndroms für<br />

Capecitabin günstiger. Notwendige Dosisreduktionen waren in beiden Armen vergleichbar (42 vs. 44%), ebenso<br />

die Therapieabbrüche (16 vs. 12%)<br />

Kolonkarzinome, Stad. III. Adjuvante Therapie Mayo-Clinic-Schema vs. Capecitabin<br />

Krankheitsfreies Überleben<br />

[A]<br />

[B<br />

]<br />

Wahrscheinlichkeit einer Grad 3/4-Toxizität<br />

[B]<br />

[A]<br />

[B]<br />

[A]<br />

[B]<br />

[A]<br />

Cassidy J et al. Proc. ASCO 2004; 22: 3509<br />

Fazit:<br />

- Verlängertes krankheitsfreies Überleben (RFS)<br />

- Signifikante 14% Risikoreduktion (p=0.0407)<br />

- 4% absolute Verbesserung des RFS nach 3 Jahren<br />

- Trend zu einem höheren Gesamtüberleben<br />

Capecitabin ist in der adjuvanten Therapie des nodal-positiven Kolonkarzinoms wirksamer <strong>und</strong> weniger toxisch als<br />

das Mayo-Clinic-Schema <strong>und</strong> kann wie das FOLFOX-4-Schema als eine Behandlungsoption in dieser Indikation<br />

angesehen werden. Xeloda ® ist zugelassen für die adjuvante Chemotherapie des KRK.<br />

237


Adjuvante Therapie<br />

X-ACT-Studie, Update 2008, Adjuvante Chemotherapie<br />

Update, 5-Jahres-Daten (ECCO September 2007)<br />

• Gesamtüberleben: bei Nachfolgeuntersuchungen über die durchschnittliche Zeit von sieben Jahren betrug die<br />

5-Jahres-Gesamtüberlebenszeit 71,4% in der Capecitabin- <strong>und</strong> 68,4% in der 5-FU/FS-Gruppe.<br />

• Krankheitsfreies Überleben: bei Nachfolgeuntersuchungen über die durchschnittliche Zeit von 3,8 Jahren war<br />

das krankheitsfreie Überleben in der Capecitabin-Gruppe mindestens äquivalent zur 5-FU/FS-Gruppe<br />

(p


Adjuvante Chemotherapie, prospektive Bewertung<br />

Adjuvantonline.org<br />

Adjuvant!Online ist ein Kalkulationsprogramm zur Abschätzung der Prognose <strong>und</strong> des Benefits durch<br />

eine adjuvante Chemotherapie für Patienten mit einer Krebserkrankung in einem frühen Stadium nach<br />

kompletter chirurgischer Resektion. Dieses Programm existiert für Patienten mit Mammakarzinom,<br />

Kolonkarzinom <strong>und</strong> neuerdings für Pat. mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom. Die Abschätzung<br />

der Prognose für das Kolonkarziom basiert auf den Daten des amerikanischen Tumorregisters SEER<br />

(surveillance epidemiology and end results) zwischen 1988 <strong>und</strong> 1997. Die Daten für den Benefit durch<br />

eine adjuvante Therapie werden regelmäßig aktualisiert.<br />

Abschätzung der Prognose, Relaps- <strong>und</strong> Mortalitätsrisiko (www.adjuvantonline.org)<br />

Wie unten dargestellt, werden die individuellen Patienten- <strong>und</strong> Tumordaten wie Alter, Geschlecht,<br />

Komorbidität, Infiltrationstiefe des Tumors, Zahl der positiven Lymphknoten, untersuchte<br />

Lymphknoten <strong>und</strong> das Grading eingegeben. Unter „Calculate“ kann man die statistische „Mortalität“,<br />

aber auch das „Relapse“-Risiko für diesen Patienten berechnen.<br />

Im dargestellten Fall beträgt das 5-Jahres-Risiko, ohne weitere Therapie am Tumor zu sterben, 59%;<br />

das heißt, wie im Diagramm daneben dargestellt, nach 5 Jahren leben von 100 Patienten mit dieser<br />

Konstellation statistisch noch 40,2 Pat. 58,7 Patienten sterben am Krebs <strong>und</strong> 1,1 Patient stirbt aus<br />

anderen Gründen <strong>und</strong> nicht am Krebs.<br />

Benefit durch adjuvante Chemotherapie<br />

Unter „Chemo“ wird das adjuvante Chemotherapieregime, das entweder in gar keiner Therapie, einer 5-<br />

FU-basierten Therapie oder in FOLFOX oder FLOX bestehen kann, eingefügt. Durch eine FOLFOX-<br />

Therapie werden nach dem Diagramm mit „additional therapy“ zusätzlich 22,8 Patienten geheilt, sodass<br />

nach 5 Jahren 40,2 + 22,8 = 63 Patienten von h<strong>und</strong>ert leben. „Nur“ 35,7 Patienten sterben nach<br />

adjuvanter Chemotherapie mit FOLFOX nach 5 Jahren an Krebs anstelle von 58,7 ohne<br />

Chemotherapie. 1,3 Patienten sterben aus anderen Gründen. Die betroffene Patientin mit einer<br />

Hochrisikokonstellation, die keine Komorbidität aufweist („perfect health“), profitiert also in<br />

besonderem Masse von einer adjuvanten Chemotherapie mit FOLFOX.<br />

Unter „Access Help and Clinical evidence” findet man die Daten, auf denen die statistischen<br />

Berechnungen basieren, sowie nützliche Links zu Standards <strong>und</strong> Guidelines.<br />

Adjuvant! Online ist eine geeignete Basis für die Diskussion des klinischen Onkologen mit dem Patienten über<br />

Benefit <strong>und</strong> Risiken einer adjuvanten Chemotherapie. www.adjuvantonline.org<br />

239


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Adjuvante Chemotherapie, Stadium II<br />

Für das Kolonkarzinom im Stadium II ist bisher kein Therapiestandard definiert. In mehreren Studien, die einen<br />

Benefit für die 5-FU-basierte adjuvante Chemotherapie zeigten, waren neben Pat. im Stad. III auch Pat. im Stad. II<br />

eingeschlossen. Während die Höhe des Benefits für das Stadium-III aufgr<strong>und</strong> der adäquaten Patientenzahl geklärt ist,<br />

ist der Vorteil für das Stad. II unklar. Dass sich für das Stadium-II (außer in der QUASAR-Studie, s.u.) kein statistisch<br />

relevanter Vorteil zeigt, hängt auch mit der relativ guten Prognose der Pat. im Stad. II nach alleiniger Chirurgie<br />

zusammen. Daraus ergibt sich die Erforderlichkeit, Tausende von Patienten zu randomisieren, um eine Verbesserung<br />

des Gesamtüberlebens zu zeigen. Offensichtlich profitiert jedoch eine Subgruppe mit Hochrisikoprofil im Stadium II<br />

von einer adjuvanten Therapie.<br />

NSABP C-01, C-02, C-03 <strong>und</strong> C-04<br />

Eine gepoolte Analyse dieser Studien kam zu dem Schluss, dass Pat. mit Kolonkarzinom im Stad. II einen ähnlichen<br />

Benefit von einer adjuvanten Chemotherapie haben, wie Pat. im Stad. III. Allerdings war die Patientenzahl im Stad. II<br />

in diesen Studien sehr niedrig.<br />

IMPACT-B2-Studie (Benson et al. J Clin Oncol 2004)<br />

In dieser Studie wurden die Ergebnisse von 5 Studien, die 1006 Pat. mit Kolonkarzinom im Stad. II enthielten, gepoolt<br />

<strong>und</strong> ergaben keinen Vorteil für eine adjuvante Chemotherapie. Diese Studie zeigte keinen Unterschied im 5-Jahres-<br />

Überleben (80% in der Kontrollgruppe <strong>und</strong> 82% in der 5-FU/Folinatgruppe) <strong>und</strong> im ereignisfreien Überleben (73% in<br />

der Kontrollgruppe versus 76% in der 5-FU/Folinatgruppe).<br />

NACCP-Studie (Taal BG et al., Br J Cancer 2001; 85:1437-43)<br />

In dieser niederländischen Studie wird über einen Benefit durch eine adjuvante Chemotherapie im Stad. II berichtet.<br />

468 Pat. im Stadium II wurden randomisiert zwischen 5-FU/Levamisol für 12 Monate <strong>und</strong> Beobachtung. Diese Studie<br />

zeigte eine Verbesserung des Overall survivals im Stad. II von 70 auf 78%.<br />

MOSAIC-Studie (de Gramont et al., ASCO 2007, Abstr. 4007)<br />

In dieser Studie erhielten Patienten im Stadium II <strong>und</strong> III entweder FOLFOX oder 5-FU/Folinsäure (de Gramont-<br />

Schema). Im Stad. II wurde nach 5 Jahren kein signifikanter Unterschied für DFS <strong>und</strong> OS (Overall survival)<br />

gef<strong>und</strong>en, da die Studie dafür statistisch nicht ausgerichtet war. Für Patienten im Stad. II mit Risikofaktoren, nämlich<br />

T4-Tumor, Perforation, Ileus, G3/4-Histologie, Venöse Infiltration <strong>und</strong> weniger als 10 entfernten Lymphknoten,<br />

betrug der absolute Benefit nach 5 Jahren jedoch 7,2% für das DFS zugunsten der FOLFOX-Therapie. Zu beachten<br />

ist, dass die Kontrollgruppe ein aktives Chemotherapieregime erhielt <strong>und</strong> nicht nur ein Beobachtungsarm war.<br />

QUASAR-Studie (Gray RG et al., ASCO 2004, Abstr. 3501)<br />

3238 Pat. im Stad. Dukes B erhielten nach kurativer Chirurgie entweder<br />

keine Behandlung oder eine 5-FU-basierte adjuvante Chemotherapie. Der<br />

Einschluss erfolgte nach der vom Behandelnden eingeschätzten<br />

Therapienotwendigkeit. Somit dürften die meisten Patienten eine<br />

Hochrisiko-Situation aufweisen. Nach einem medianen Follow-up von<br />

4,2 Jahren war das Sterberisiko im Chemotherapiearm gegenüber der<br />

Kontrollgruppe 0.88 (95%CI 0,75-1.05; p=0.15) <strong>und</strong> das Rezidivrisiko<br />

0.82 (0.70-0.97; p=0.002). Die 5-Jahres Rezidivrate (22,3 vs. 26,2%)<br />

sowie die das 5-Jahres-Überleben (80,3 vs. 77,4%) favorisierte den<br />

Chemotherapiearm signifikant.<br />

MSI <strong>und</strong> adjuvante Therapie mit 5-FU (Sargent et al, ASCO 2008, Abstr. 4008)<br />

Sargent wertete in einer Sammelanalyse mehrere Studien retrospektiv im Hinblick auf den Einfluss eines defekten<br />

Mismatch Repair-Systems (MMR, definiert als hochgradige MSI oder Verlust von MLH1 oder MSH 2) auf das DFS<br />

nach einer adjuvanten Therapie im Stadium II aus. Hierbei zeigte sich,<br />

dass das 5-Jahres-DFS bei Pat. mit defektem MMR geringer war, wenn<br />

sie adjuvant 5-FU erhielten (unbehandelt 87% versus behandelt 79%).<br />

Die 5-Jahres-Überlebensdaten von Sargent wurden mit den Daten von<br />

Ribic (NEJM 2003;349:247-57) gepoolt, der auch den Einfluss einer<br />

adjuvanten 5-FU-Chemotherapie bei defektem MMR untersucht hatte.<br />

Hier zeigte sich ein signifikanter Unterschied im 5-Jahres Überleben<br />

bei Patienten mit defektem MMR-System zwischen der unbehandelten<br />

(93%) <strong>und</strong> der mit 5-FU behandelten Gruppe (75%).<br />

OS mit <strong>und</strong> ohne adjuvante 5-FU Therapie<br />

im Std. II bei defektem MMR<br />

Fazit:Untersuchung des MMR im Stad. II ! Bei defektem MMR kein<br />

5-FU adjuvant ! Ergebnisse nicht auf FOLFOX übertragbar !<br />

240


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Adjuvante Chemotherapie, Std. II, Empfehlungen<br />

S3-Leitlinie Adjuvante Chemotherapie<br />

Empfehlung Stadium II<br />

Bei Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium II kann eine adjuvante Chemotherapie<br />

durchgeführt werden. Der absolute Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie im Stadium II liegt zwischen<br />

2 <strong>und</strong>5%.<br />

Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens<br />

Empfehlung UICC Stadium II mit Risikofaktoren<br />

Im Stadium II sollte in ausgewählten Risikosituationen (T4, Tumorperforation/-einriss, Operation unter<br />

Notfallbedingungen, Anzahl untersuchter Lymphknoten zu gering) eine adjuvante Chemotherapie erwogen<br />

werden.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens<br />

Zusätzliche Parameter (z.B. CEA, Differenzierungsgrad, 18q-Verlust, isolierte Tumorzellen in Lymphknoten<br />

oder im Knochenmark, Mikrosatelliten-Status, DNA-Ploidie <strong>und</strong> TS/p53-Expression, Lymph- <strong>und</strong><br />

Blutgefäßinvasion) sollen momentan nicht zur Indikationsstellung für eine adjuvante Chemotherapie benutzt<br />

werden.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens<br />

S3-Leitlinie Empfehlung Chemotherapieprotokoll im Stadium II<br />

Sollte bei Patienten mit Stadium-II-Tumoren eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden, können<br />

Fluoropyrimidine als Monotherapie eingesetzt werden.<br />

Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1, starker Konsens<br />

NCCN guidelines 2/2008 zur adjuvanten Chemotherapie im Stadium II (www.nccn.org)<br />

Einige Hochrisikopatienten können von einer adjuvanten Chemotherapie im Stadium II profitieren.<br />

• T4-Tumore<br />

• Schlecht differenzierte Tumore (G3/G4-Histologie)<br />

• Lymphovaskuläre Infiltration<br />

• Obstruktion, Perforation<br />

• Unklare oder positive Resektionsränder<br />

• Inadäquate Zahl entfernter Lymphknoten (< 12)<br />

Der Benefit einer adjuvanten Chemotherapie für das Überleben beträgt nicht mehr als 5 Prozent !<br />

Aktuelle Empfehlungen zur adjuvanten Therapie im Stadium II: Übersicht<br />

ASCO<br />

Benson 2004<br />

(siehe folgende Seite)<br />

Europa<br />

Van Cutsem 2008<br />

NCCN 2008<br />

(National Cancer Comprehensive<br />

Network)<br />

S3-Leitlinie 2008<br />

Std. II low risk<br />

Std. II high risk<br />

Std. II low risk<br />

Std. II high risk<br />

Std. I<br />

Std. II low risk<br />

Std. II high risk<br />

Std. II low risk<br />

Std. II high risk<br />

Nicht empfohlen<br />

Bei T4,


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Adjuvante Chemotherapie, Stadium II, ASCO Guidelines<br />

ASCO-Guidelines zur adjuvanten Chemotherapie des Kolonkarzinom im Stad. II<br />

(Benson A. et al., J Clin Oncol 2004; 16: 3408-3419)<br />

Eine routinemäßige Anwendung einer adjuvanten Chemotherapie im Stad. II wird nicht empfohlen.<br />

Bei einzelnen Subgruppen kann die Behandlung in Erwägung gezogen werden. Das sind:<br />

Unzureichende Lymphknotensammlung (


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Adjuvante Chemotherapie, Std. II, Prognosefaktoren, Studien<br />

Ein Gr<strong>und</strong>, warum viele Tumore mit ähnlicher histopathologischer Erscheinung einen sehr unterschiedlichen Verlauf<br />

zeigen, ist die Existenz prognostischer Faktoren, die die individuelle Risikosituation <strong>und</strong> die Wahrscheinlichkeit des<br />

Benefits von einer adjuvanten Behandlung beschreiben. Diese Risikofaktoren schließen T4-Tumore, Obstruktion,<br />

Perforation, geringe Differenzierung lymphovaskuläre Infiltration, unklare oder R1-Resektionsränder <strong>und</strong> eine<br />

unzureichende Lymphknotenentfernung ein.<br />

Überleben in Abhängigkeit von der Zahl der entfernten Lymphknoten bei T3 N0<br />

Kolonkarzinom (Swanson RS et al.Ann Surg Oncol 2003;10:65-71)<br />

In einer Analyse von 35.787 Fällen der USA National Cancer Database mit T3 N0 Kolonkarzinomen wurden<br />

Patienten nach der Zahl der histologisch untersuchten Lymphknoten (LK) stratiefiziert. Die 5-Jahres-Überlebensrate<br />

für 1-7 untersuchte LK war 49,8%, für 8-12 LK 56,2% <strong>und</strong> für mehr als 13 LK 63,4% (p 13 LK 63,4%<br />

ECOG 5202 Studie<br />

Zusätzlich zu den klinischen <strong>und</strong><br />

histopathologischen Faktoren, die einen<br />

Patienten mit einem hohen Risiko im Stadium<br />

II charakterisieren, weisen neuere Daten<br />

darauf hin, dass molekulare Marker eine<br />

prognostische <strong>und</strong> prädiktive Rolle spielen.<br />

Derzeit sind die vielversprechendsten <strong>und</strong> am<br />

meisten untersuchten Marker die<br />

chromosomale Instabilität mit Deletion des<br />

Chromosoms 18q (18q LOH=loss of<br />

heterocygocity) <strong>und</strong> die<br />

Mikrosatelliteninstabilität (MSI). Mit der<br />

Intention, den prognostischen Wert als<br />

molekulare Marker zu bestimmen, wurde eine<br />

grosse prospektive klinische Studie der Eastern<br />

Cooperative Oncology Group initiiert, die die Patienten im Stadium II auf der Basis ihres 18q- <strong>und</strong> MSI-Status<br />

randomisiert.<br />

Studien mit zielgerichteten Substanzen beim Kolonkarzinom Stad. II/III<br />

Phase-III-Studien mit Bevacizumab<br />

Studie N Kollektiv Therapie Stand 8/2008<br />

AVANT 3450 High risk Stad. II<br />

Stad. III<br />

FOLFOX 4 vs.<br />

FOLFOX + Bevacizumab<br />

Rekrutierung<br />

abgeschlossen<br />

XELOX + Bevacizumab<br />

NSABP C-08 2710 Stad. II/III FOLFOX 6 +/- Bevacizumab Closed*<br />

QUASAR 2 2240 High risk Stad. II/Stad. III Capecitabine +/-Bevacizumab 1077 Pat. rekrutiert<br />

ECOG 5202 3438 High risk Stad. II<br />

Prognostischer Wert molekularer<br />

Marker (MSI/18q)<br />

243<br />

FOLFOX<br />

vs.<br />

FOLFOX + Bevacizumab<br />

* Toxizitätsdaten akzeptabel, Effektivitätsdaten stehen noch aus (Allegra C et al., ASCO 2008, Abstract 4006)<br />

ongoing<br />

Phase-III-Studien mit Cetuximab<br />

Studie n Kollektiv Therapie Stand 8/2008<br />

PETACC 8 2000 Stad. III FOLFOX 4 +/- Cetuximab Geschlossen<br />

(siehe folg. Seiten)<br />

NCCTG NO147 2300 Stad. III FOLFOX 6 +/- Cetuximab ongoing


Kolonkarzinom<br />

PETACC 4, adjuvante Therapie, Stad. II, EORTC 40012<br />

Studientitel<br />

Adjuvante Chemotherapie des Kolonkarzinoms im Stad. II. Randomisierte multizentrische Phase-III-<br />

Studie des R0-resezierten Kolonkarzinoms. Infusional 5-FU CPT 11 + Folinsäure vs. Beobachtung.<br />

Studienkoordinator<br />

Prof. Dr. JF Seitz, Marseilles, Tel. 0033-4-9138-6038.<br />

Einschlusskriterien<br />

Stadium II (pT3, N0; pT4, N0). Kolonkarzinom, R0-Resektion.<br />

Distale Resektionsgrenze oberhalb der peritonealen Umschlagfalte.<br />

Mindestens 12 Lymphknoten im Resektat <strong>und</strong> histopathologisch untersucht.<br />

Ausschluss von Fernmetastasen.<br />

Alter über 18 Jahre, unter 75 Jahre.<br />

Allgemeinbefinden: 0/1 WHO.<br />

Studiendesign<br />

R<br />

Alleinige Operation<br />

Operation + adjuvante Chemotherapie<br />

Randomisation: Innerhalb 56 Tagen nach der kurativen Resektion.<br />

Chemotherapie: 4 Zyklen (6 Monate)<br />

Irinotecan 80 mg/m 2 500 ml NaCl 0,9%/30 min. Tag 1,8,15,22,29,36<br />

Folinsäure 500 mg/m 2 500 ml NaCl 0,9%/2h Tag 1,8,15,22,29,36<br />

5-FU 2.000 mg/m 2 24h-Inf. Tag 1,8,15,22,29,36<br />

Wiederholung: Tag 50 (Tag 1 des nächsten Sechs-Wochen-Zyklus)<br />

Stratifizierung nach prädiktiven <strong>und</strong> responsiven Faktoren<br />

Institution<br />

pT3 vs. pT4,<br />

initiale Komplikation: Ileus, Perforation vs. keine,<br />

Grading G1, G2, G3, Geschlecht,<br />

Mikrosatelliteninstabilität positiv vs. negativ vs. unbekannt.<br />

Studienziel<br />

Verbesserung des DFS in der Therapiegruppe<br />

Sek<strong>und</strong>är: Bewertung von prognostischen Faktoren zur Frage der Korrelation von Überleben <strong>und</strong><br />

Rezidiv nach adjuvanter Chemotherapie: Zahl der untersuchten Lnn, Grading, T-Stadium, CEA-<br />

Spiegel, DCC-Alteration, bcl-2, Matrix Metalloproteinasen, Mikrosatelliteninstabilität.<br />

Studie seit 31.08.2006 geschlossen!<br />

244


Kolonkarzinom<br />

PETACC 8-Studie, Adjuvante Chemotherapie<br />

Studientitel<br />

Adjuvante Behandlung des komplett resezierten Kolonkarzinoms Stad. III mit FOLFOX-4 plus Cetuximab versus<br />

FOLFOX-4. Randomisierte kontrollierte multinationale multizentrische Phase-III-Studie.<br />

Studienziel<br />

Primäres Studienziel ist das krankheitsfreie Überleben (DFS). Sek<strong>und</strong>äre Ziele sind krankheitsfreies Überleben nach<br />

3 Jahren, Gesamtüberleben, 5-Jahres-Gesamtüberleben, Verträglichkeit <strong>und</strong> Sicherheit der Therapie, Evaluation von<br />

prädiktiven biologischen Markern für Rezidiv <strong>und</strong>/ oder Therapieerfolg. Start der Studie: 11/05.<br />

Studienunterlagen<br />

AIO-Studienzentrale, Herr René Siewczynski<br />

Martin-Luther-Universität Halle, <strong>Klinik</strong> für Innere Medizin IV, Ernst-Grube-Straße 40, 06120 Halle<br />

Tel.: 0345-557-5752, Fax: 0345-557-3283, E-mail: siewczynski@aio-portal.de, Internet: www.aio-portal.de<br />

Studiendesign<br />

R<br />

FOLFOX-4 + Cetuximab (Arm A)<br />

FOLFOX-4 (Arm B)<br />

Therapiedauer<br />

12 Zyklen = 24 Wochen<br />

Einschlusskriterien<br />

Alter ≥ 18 <strong>und</strong> < 75 Jahre<br />

Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Kolons Stadium III, unabhängig vom EGFR-Status<br />

Kurative R0-Resektion nicht weniger als 28 <strong>und</strong> nicht länger als 56 Tage vor Randomisation<br />

Keine Metastasen bei Studienaufnahme<br />

Keine vorangegangene Chemotherapie, keine vorangegangene Bestrahlung von Abdomen oder Becken<br />

WHO-Performance Status 0-1<br />

Schriftliche Einverständniserklärung des Patienten<br />

Wirksame Kontrazeption, falls die Möglichkeit einer Schwangerschaft/Zeugung besteht<br />

Ausschlusskriterien<br />

Fernmetastasen<br />

Studie geschlossen 2008<br />

Chronisch entzündliche Darmerkrankung<br />

Rektumkarzinom innerhalb 15 cm ab Anokutanlinie (endoskopisch) oder oberhalb der<br />

peritonealen Umschlagsfalte (chirurgisch) oder präoperative Strahlentherapie<br />

Schwangere oder stillende Frauen<br />

Neuropathie<br />

Bekannte Hypersensitivität gegenüber einer der Komponenten der Studientherapie<br />

Therapiedurchführung<br />

Die Behandlung erfolgt postoperativ über 12 Zyklen (6 Monate).<br />

FOLFOX-4 + Cetuximab (Arm A)<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Cetuximab-Erstgabe 400 2-Std.-Infusion 1<br />

Cetuximab 250 1-Std.-Infusion (1), 8<br />

Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion 1<br />

Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2<br />

5-FU 400 Bolus 1, 2<br />

5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2<br />

Wiederholung Tag 15<br />

FOLFOX-4 (Arm B)<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion 1<br />

Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2<br />

5-FU 400 Bolus 1, 2<br />

5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2<br />

Wiederholung Tag 15<br />

245


Rektumkarzinom<br />

ESMO-Empfehlungen 2008; Diagnostik, Therapie I<br />

ESMO Clinical Recommendations for diagnosis, treatment and follow-up (Ann Oncol 2008; 19(Suppl2): ii 31-ii32).<br />

Inzidenz<br />

Die Inzidenz des rektalen Karzinoms in der Bevölkerung der Europäischen Union beläuft sich auf ca. 35% der<br />

kolorektalen <strong>Karzinome</strong>, also ca. 15-20/100.000 Einwohner/Jahr erkranken. Die Sterblichkeit beträgt 4-10/100.000<br />

Einwohner/Jahr, wobei sie bei Frauen niedriger ist als bei Männern.<br />

Diagnose<br />

Die Diagnosestellung basiert auf der rektal-digitalen Untersuchung einschließlich starrer Rektoskopie mit<br />

histopathologischer Sicherung. Als Rektumkarzinome gelten Tumore, deren aboraler Rand bei der Messung mit dem<br />

starren Rektoskop 15 cm oder weniger von der Anokutanlinie entfernt ist.<br />

Staging <strong>und</strong> Risikoeinschätzung<br />

• Anamnese <strong>und</strong> körperliche Untersuchung des Patienten, aktuelle Laborwerte (insbesondere Leber- <strong>und</strong><br />

Nierenwerte), CEA-Bestimmung, Röntgen-Thorax (alternativ CT) <strong>und</strong> CT oder MRT oder Ultraschall der Leber<br />

müssen durchgeführt werden.<br />

• Endosonographie für die frühen Tumore<br />

(cT1-T2) oder ein rektales MRT des Rektums<br />

für alle anderen sind gefordert, um Patienten für<br />

eine präoperative Therapie zu selektionieren.<br />

Notwendig ist die prä- oder postoperative hohe<br />

Koloskopie.<br />

• Die histopathologische Untersuchung<br />

sollte die proximalen, distalen <strong>und</strong><br />

circumferentiellen Ränder sowie die Lymphknoten<br />

einschließen (mindestens 12 sollten<br />

untersucht werden).<br />

• Die TNM-Klassifikation 2002 liegt stets<br />

zugr<strong>und</strong>e.<br />

TNM Stad. Ausdehnung<br />

Tis N0 M0 0 Carcinoma in situ<br />

T1 N0 M0 I Submucosa<br />

T2 N0 M0 I Muscularis propria<br />

T3 N0 M0 IIA Subserosa/perikorektales Gewebe<br />

T4 N0 M0 IIB<br />

Perforation ins perirektale Gewebe oder<br />

Invasion in andere Organe<br />

T1-2 N1 M0 IIIA 1-3 regionale Lymphknoten betroffen<br />

T3-4 N1 M0 IIIB 1-3 regionale Lymphknoten betroffen<br />

T1-4 N2 M0 IIIC ≥4 regionale Lymphknoten betroffen<br />

T1-4 N1-2, M1 IV Fernmetastasen<br />

Behandlung<br />

Lokal begrenzte Erkrankung<br />

Gesamtstrategie<br />

Ein wichtiges Ziel ist ein sehr niedriges Rezidivrisiko (vorzugsweise kleiner als 5% bei den Patienten, bei denen eine<br />

kurative Behandlung angestrebt wird) sowie gleichzeitig eine möglichst niedrige Akut- <strong>und</strong> Spätmorbidität. Dies sollte<br />

bei allen Patienten möglich sein außer in den wenigen (≤10 %) Fällen, die einen fixierten Tumor mit Infiltration in ein<br />

nicht ohne weiteres resezierbares Organ aufweisen.<br />

Ein weiteres Ziel ist die Erhaltung einer guten Sphinkterfunktion bei so vielen Patienten wie möglich.<br />

Notwendigkeit der Qualitätssicherung <strong>und</strong> Kontrolle<br />

Die Behandlung des Rektumkarzinoms ist anspruchsvoll <strong>und</strong> erfordert große Fachkenntnis im gesamten<br />

multidisziplinären Team. Eine gute Pathologie <strong>und</strong> eine komplette Langzeit-Nachbeobachtung, die auch funktionelle<br />

Aspekte berücksichtigt, sind wichtig für die Qualitätskontrolle.<br />

Risikoadaptierte Behandlung<br />

• In den frühesten, prognostisch günstigsten Fällen (T1-2, manche frühe T3, N0) alleinige Chirurgie, entweder als<br />

lokale Maßnahme z.B. in Form einer transanalen endoskopischen Mikrodissektionstechnik in ganz ausgewählten<br />

Fällen (T1, N0 [III,A]) oder als scharfe radikale Dissektion in TME (totale mesorektale Exzision)-Technik [II,A].<br />

• In mehr lokal fortgeschrittenen Fällen (meist T3, einige T4, N+) wird eine präoperative Radiotherapie empfohlen,<br />

gefolgt von einer TME, da dieses Vorgehen die Lokalrezidivrate senkt [I,A]. Eine Behandlung mit 25 Gy, 5<br />

Gy/Fraktion, gefolgt von einer sofortigen Operation ist ein einfaches <strong>und</strong> wenig toxisches Vorgehen [I,A].<br />

Anspruchsvollere aber nicht effektivere Alternativen [II,A] sind Konzepte mit 46-50 Gy, 1,8-2 Gy/Fraktion ohne oder<br />

mit 5-FU (Bolus, kontinuierliche Infusion oder peroral) [III,A]. Wenn immer möglich sollte die präoperative<br />

Behandlung bevorzugt werden, da sie effektiver <strong>und</strong> weniger toxisch als die postoperative Behandlung ist [I,A].<br />

• In den lokal fortgeschrittenen, häufig nicht resektablen Fällen (viele T4, einige T3) sollte eine präoperative Radio-<br />

/Chemotherapie mit 50,4 Gy, 1,8 Gy/Fraktion, mit begleitender 5-FU-basierter Therapie gewählt werden [II,A],<br />

gefolgt von einer radikalen Operation 6-8 Wochen später.<br />

246


Behandlung<br />

Rektumkarzinom<br />

ESMO-Empfehlungen 2008, Therapie II, Nachsorge<br />

Postoperative Therapie<br />

Eine postoperative Radio-/Chemotherapie (z.B. 50 Gy, 1,8-2 Gy/Fraktion) mit begleitender 5-FU-basierter<br />

Chemotherapie wird nicht mehr empfohlen außer bei Patienten mit positiven circumferentiellen Rändern,<br />

Perforation in der Tumorregion oder in anderen Fällen mit hohem Lokalrezidivrisiko, wenn eine präoperative<br />

Therapie nicht erfolgte [I, A].<br />

Ähnlich zu der Situation beim Kolonkarzinom im Stadium III (<strong>und</strong> Hochrisiko-Stadium II) kann eine adjuvante<br />

Chemotherapie in Betracht gezogen werden, auch wenn die Datenlage für einen ausreichenden Effekt gering ist<br />

[II, A].<br />

Lokalrezidiv<br />

Patienten mit Rezidiv sollten eine präoperative Radio-/Chemotherapie erhalten, falls eine Bestrahlung in der<br />

Primärbehandlung nicht erfolgt ist [II, A]. Bei vorbestrahlten Patienten können Maßnahmen mit Applikation<br />

einer zusätzlichen Strahlendosis entweder als externe oder als intraoperative Bestrahlung versucht werden [IV,<br />

D].<br />

Der Versuch einer radikalen Operation sollte 6-8 Wochen nach Bestrahlung erfolgen [II, A].<br />

Bei vorbestrahlten Patienten, für die eine Salvageoperation nicht in Betracht kommt, sollte eine systemische<br />

Chemotherapie erwogen werden.<br />

Disseminierte Erkrankung<br />

Ob Patienten mit primär disseminierter Erkrankung (synchrone Metastasen) zuerst eine lokoregionäre <strong>und</strong> dann<br />

eine systemische Behandlung erhalten sollten oder umgekehrt, kann in einigen Fällen offensichtlich sein, ist aber<br />

ansonsten nicht bekannt [IV,D]. Alter, Komorbidität, Patientenpräferenz, Ausdehnung des Primärtumors <strong>und</strong> der<br />

Metastasierung müssen berücksichtigt werden.<br />

In ausgewählten Fällen kann die Behandlung die Operation von resektablen Leber- <strong>und</strong> Lungenmetastasen<br />

[III,A] beinhalten. Andere operative Maßnahmen oder Einlegen von Stents [III,A] sowie eine Bestrahlung sollten<br />

als palliative Maßnahmen betrachtet werden [II,A].<br />

Eine palliative Erstlinien-Chemotherapie sollte früh in Erwägung gezogen werden <strong>und</strong> besteht aus 5-<br />

FU/Leukovorin in verschiedenen Kombinationen <strong>und</strong> Schedules mit Oxaliplatin oder Irinotecan mit oder ohne<br />

Bevacizumab [I,A].<br />

Eine Zweitlinien-Therapie sollte für Patienten mit anhaltend gutem Performance-Status in Betracht gezogen<br />

werden [I,A] <strong>und</strong> eine Drittlinientherapie für ausgewählte Patienten, die sich ebenfalls in gutem<br />

Allgemeinzustand befinden [II,A].<br />

Nachsorge<br />

Die Nachsorgeuntersuchungen dienen der Identifikation derjenigen Patienten, die eine chirurgische<br />

Salvage-Therapie oder eine palliative Behandlung benötigen, sowie der Verhinderung eines zweiten kolorektalen<br />

Karzinoms.<br />

Es gibt keinen Beweis dafür, dass regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen nach erfolgreich durchgeführter<br />

Behandlung zu einem besseren outcome von Patienten mit rektalem Karzinom führen.<br />

Eine vorläufige Empfehlung ist:<br />

Anamnese-Erhebung <strong>und</strong> Rektosigmoidoskopie (wenn möglich) alle 6 Monate für insgesamt 2 Jahre [V, D]. Eine<br />

komplette Koloskopie sollte innerhalb des ersten Jahres durchgeführt werden, sofern sie nicht im Rahmen der<br />

Primärdiagnostik erfolgt ist (z. B. bei Obstruktion).<br />

Anamnese-Erhebung <strong>und</strong> Koloskopie mit Entfernung von Kolonpolypen alle 5 Jahre [I, B].<br />

Klinische, laborchemische <strong>und</strong> radiologische Untersuchungen sind von nicht bewiesenem Benefit <strong>und</strong> sollten nur<br />

bei Patienten mit suspekten Symptomen eingesetzt werden [A].<br />

Anmerkung<br />

Die Angaben bezüglich Level of Evidenz [I-V] <strong>und</strong> Grade of Recommendation [A-D] stimmen mit den<br />

Empfehlungen der American Society of Clinical Oncology überein. Andere Angaben beziehen sich auf klinisch<br />

geprüfte Expertenmeinungen <strong>und</strong> die ESMO.<br />

(Ann Oncol 2008; 19(Suppl2): ii 31-ii32).<br />

247


Rektumkarzinom<br />

Präoperative Diagnostik, S3-Leitlinien 2004/2008<br />

Als Rektumkarzinom gelten Tumore, deren makroskopisch erkennbarer aboraler Rand bei der Messung mit dem<br />

starren Rektoskop 16 cm oder weniger von der Anokutanlinie entfernt ist. Nach UICC 2003 werden die<br />

Rektumkarzinome entsprechend ihrem Abstand von der Anokutanlinie (starres Rektoskop) in Tumore des oberen<br />

Drittels (12-16 cm), des mittleren Drittels (6- 1mm) mit hoher Genauigkeit<br />

vorherzusagen. Einzelne Studiengruppen <strong>und</strong> Zentren schränken die Indikation zu einer präoperativen Radiotherapie<br />

oder Radio-/Chemotherapie auf Patienten mit Tumoren ein, die auf Gr<strong>und</strong>lage der MRT mehr als 5 mm ins perirektale<br />

Fettgewebe oder bis 1mm an den circumferentiellen Resektionsrand heranreichen. Dieses selektive Vorgehen muss in<br />

weiteren Studien geprüft werden. Die MRT-Untersuchung ist für die weitere Therapieentscheidung zielführend, wenn<br />

zwischen einer präoperativen Kurzzeitbestrahlung <strong>und</strong> einer Radio-/Chemotherapie bei Tumoren mit Ausbreitung bis<br />

nahe des circumferentiellen Resektionsrands gewählt werden soll.<br />

248


Rektumkarzinom<br />

Diagnostik, Untersuchungsverfahren<br />

Digitale rektale Untersuchung<br />

Bei dieser Untersuchung ist die individuelle Erfahrung des Untersuchers von entscheidender Bedeutung. Laut einer<br />

Studie konnten Erfahrene das T-Stadium mit einer Genauigkeit von 67-83% korrekt beurteilen, unerfahrene<br />

Untersucher trafen nur in 44-78% eine richtige Beurteilung (Nicholls R J et al., Br J Surg 1982;69:1345-61).<br />

Starre Rektoskopie<br />

Nur mit dem starren Rektoskop ist die genaue Messung des Abstandes vom Tumor zur Linea dentata möglich.<br />

Gleichzeitig kann bei der Untersuchung eine Gewebeprobe zur histologischen Untersuchung gewonnen werden. Auch<br />

die Bestimmung der Tumorausdehnung intraluminal ist zuverlässig möglich.<br />

Endorektaler Ultraschall (ERUS)<br />

Der ERUS erlaubt eine sehr genaue Einschätzung der Tiefeninfiltration<br />

durch die Rektumwand. Hierin ist die ERUS allen anderen bildgebenden<br />

Verfahren überlegen (siehe Tabelle unten). Eine Metaanalyse von 90<br />

Arbeiten (Bipat et al, Radiology 2004;232:773-83) fand eine Spezifität der<br />

Endosonographie für die Erkennung der Muscularis propria-Infiltration<br />

(T2) zwischen 80-90%, die damit signifikant höher lag als die der MRT<br />

(52-82%). Das Problem der Methode liegt jedoch im Overstaging von<br />

T2-Tumoren, das durch eine peritumorale Entzündungsreaktion bedingt<br />

ist. Die Infiltration des Sphinkterapparates kann mit großer Sicherheit<br />

beurteilt werden. Eingeschränkt wird die Methode durch stenosierende<br />

Tumoren, die eine Passage der Sonde nicht zulassen.<br />

Computertomographie (CT)<br />

In den bisher vorliegenden Studien ist die CT der ERUS <strong>und</strong> der MRT<br />

bei der Beurteilung der Wandinfiltration deutlich unterlegen. Das liegt<br />

daran, dass mit der CT die einzelnen Schichten des Rektums nicht<br />

dargestellt werden können. Auch die mesorektele Faszie lässt sich nicht<br />

darstellen. Bei der Beurteilung der Lymphknoten bleibt die Sensitivität<br />

der CT hinter den anderen beiden bildgebenden Verfahren zurück.<br />

Deshalb spielt diese Methode vor allem bei fortgeschrittenen Tumoren<br />

<strong>und</strong> zur Detektion von Fernmetastasen eine Rolle. Inwiefern moderne Multislice-CT-Scanner mit der Möglichkeir der<br />

multiplanaren Rekonstruktion in der Lage sind, diese Schwächen auszugleichen, ist Gegenstand von Untersuchungen.<br />

MRT<br />

Die Untersuchung wird entweder mit einer Körperspule, die eng am Körper des Patienten liegt (Body-array-Spule)<br />

oder einer endorektalen Spule durchgeführt. Die endorektale Spule erlaubt, wie der ERUS, die Darstellung der<br />

Wandschichtung des Rektums <strong>und</strong> ist deshalb sehr gut zur Beurteilung der Tiefeninfiltration geeignet. Sie hat sich<br />

jedoch wegen des hohen technischen Aufwandes <strong>und</strong> der eingeschränkten Verfügbarkeit nicht als Routineverfahren<br />

durchgesetzt. Die Beziehung des Tumors zur mesorektalen Faszie ist mit der hochauflösenden Dünnschicht-MRT mit<br />

90%iger Sicherheit darstellbar (Brown G et al., Br J Surg 2003;90:355-64). Somit ist die MRT insbesondere bei der Planung<br />

der neoadjuvanten Therapie von wesentlicher Bedeutung.<br />

Bei der Beurteilung des Nodalstatus (nach Kriterien der grösse, Form, Kontur <strong>und</strong> Sigmalverhalten) ist keine der oben<br />

angeführten Stagingmethoden ausreichend verlässlich, was auch durch die hohe Rate von Mikrometastasen in normal<br />

großen Lymphknoten beim Rektumkarzinom bedingt ist.<br />

Vergleichende Metaanalyse der Staging-Untersuchungen beim Rektumkarzinom<br />

(Kwok H et al., Int J Colorectal Dis 2000;15:9-20)<br />

CT ERUS MRT<br />

MRT mit endorektaler<br />

Spule<br />

Tiefeninfiltration der Rektumwand<br />

Sensitivität 78% 93% 86% 89%<br />

Spezifität 63% 78% 77% 79%<br />

Genauigkeit 73% 87% 82% 84%<br />

Lymphknotenbeteiligung<br />

Sensitivität 52% 71% 65% 82%<br />

Spezifität 78% 76% 80% 83%<br />

Genauigkeit 66% 74% 74% 82%<br />

249<br />

Endosonographie des Rektums. Großes, die<br />

Darmwand zwischen 11 <strong>und</strong> 13 Uhr<br />

vollständig infiltrierendes Karzinom.<br />

Foto: PD Dr. U. Klinge, RWTH-Aachen


Rektumkarzinom<br />

Stadieneinteilung<br />

Klinische Stadieneinteilung nach Mason<br />

Bei der digitalen rektalen Untersuchung kann neben der Höhenlokalisation <strong>und</strong> der intraluminalen<br />

Tumorausdehnung auch die relative Beweglichkeit des Tumors als indirektes Maß für die Infiltrationstiefe erfasst<br />

werden. Die klinische Einteilung des rektalen Palpationsbef<strong>und</strong>es in vier Stadien erfolgte durch A. Mason 1975.<br />

Sie korreliert mit der Tiefenausdehnung des Tumors (T-Kategorie des TNM-Systems) <strong>und</strong> sollte präoperativ<br />

erfasst <strong>und</strong> dokumentiert werden.<br />

Mason I<br />

Mason II<br />

Mason III<br />

Mason IV<br />

Tumor gegenüber der Darmwand verschieblich<br />

Tumor an Darmwand fixiert, aber mit Darmwand beweglich<br />

Tumor- <strong>und</strong> Darmbeweglichkeit durch partielle Fixierung eingeschränkt<br />

Tumor <strong>und</strong> Darmwand vollständig fixiert<br />

TNM-Klassifikation (UICC 2002) <strong>und</strong> 5-Jahres-Überlebensraten<br />

Bezüglich der T- <strong>und</strong> N-Kriterien siehe auch Kolonkarzinom, TNM-Klassifikation.<br />

5-Jahres-Überlebensraten<br />

UICC Dukes<br />

TNM<br />

Rektumkarzinom*<br />

Männer % Frauen %<br />

0 A Tis<br />

I A<br />

T 1<br />

Lokalisiert (Stadien I <strong>und</strong> II)<br />

T 2<br />

II A T 3 N 0<br />

85,6 87,4<br />

B<br />

M 0<br />

II B<br />

T 4<br />

III A T 1 , T 2 N 1<br />

III B C T 3/4 N 1<br />

57,2 56,4<br />

III C<br />

Jedes T N 2<br />

IV D Jedes T jedes N M 1 6,1 7,5<br />

* Ries LAG et al., SEER Cancer Statistics Review 1973-1997, NCI. Bethesda , MD 2000.<br />

5-Jahres-Überlebenskurven von 2128<br />

Patienten mit Rektumkarzinom in den<br />

UICC-Stadien I-IV, die im<br />

Tumorregister München dokumentiert<br />

wurden (Manual des Tumorzentrums<br />

München, Gastrointestinale Tumoren.<br />

Zuckschwerdt Verlag München, 2006)<br />

250


Rektumkarzinom<br />

Diagnostik & Therapie, Algorithmus<br />

Klinische <strong>und</strong> digitale Untersuchungen<br />

Rektoskopie <strong>und</strong> Biopsie; Endosonographie, Koloskopie,<br />

Sonographie, CT oder MRT<br />

Keine Fernmetastasen<br />

uT1, G1-2, cN0<br />

uT1, G3/4, uT2, cN0<br />

od. cT1/2 N+<br />

cT3 Nx<br />

cT4 <strong>und</strong>/oder<br />

Downsizing angestrebt<br />

Lokale Exzision<br />

Anteriore Rektumresektion<br />

mit TME<br />

Ja<br />

Oberes Rektumdrittel <strong>und</strong><br />

cN0 <br />

Nein<br />

Bei: >pT1, R1, G3/4, L1, V1<br />

Radikale Nachop.<br />

Falls pN+<br />

adjuvante RTX/CTX oder bei<br />

Tumor im ob. Rektumdrittel<br />

nur adjuvante CTX<br />

analog Kolonkarzinom<br />

Neoadjuvante<br />

Radiochemotherapie<br />

oder<br />

5x5 Gy Kurzzeitbestrahlung<br />

Neoadjuvante<br />

Radiochemotherapie<br />

Anteriore Rektumresektion<br />

oder Rektumexstirpation mit<br />

TME<br />

Adjuvante Chemotherapie<br />

• Bei cT1/2 mit fraglichem LK-Befall ist die primäre Op. neben der neoadjuvanten Therapie eine Behandlungsoption<br />

• Stellenwert der Strahlentherapie (RTX) im oberen Drittel kontrovers: entweder neoadjuvante RTX/CTX oder primäre Op. <strong>und</strong><br />

anschließende adjuvante Chemotherapie (CTX) analog Kolonkarzinom<br />

• Nach 5x5 Kurzzeit-RTX existieren keine Studien zur adjuvanten CTX. Empfehlung: adjuvante CTX wie beim Kolonkarzinom<br />

Algorithmus zu Diagnostik <strong>und</strong> Therapie des Rektumkarzinoms ohne Fernmetastasierung basierend auf den Empfehlungen<br />

der S3-Leitlinie 2008<br />

Empfehlung Stadium IV S3-Leitlinie 2008<br />

Beim synchron metastasierten Rektumkarzinom gibt es keine Standardempfehlung zum therapeutischen Vorgehen.<br />

Die Prognose der Erkrankung wird im Regelfall durch die systemische Metastasierung bestimmt. Daher sollte bei<br />

irresektablen Fernmetastasen primär eine systemische Kombinationstherapie eingesetzt werden, sofern nicht<br />

Symptome durch den Primärtumor zu einem anderen Vorgehen zwingen. Falls eine primäre Radio-/Chemotherapie<br />

durchgeführt wird, sollte vor dem Hintergr<strong>und</strong> der systemischen Metastasierung eine intensivierte<br />

Kombinationstherapie eingesetzt werden.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 5, starker Konsens<br />

251


Rektumkarzinom<br />

Perioperative Therapie, S3-Leitlinie 2008<br />

Perioperative Therapie – Indikationen<br />

Stadium I<br />

Im Stadium I ist eine perioperative Therapie nicht indiziert.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 5, starker Konsens.<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

Rektumkarzinome im UICC-Stadium I (T1/T2 N0) haben bei alleiniger radikaler Operation mit En-Bloc-<br />

Lymphknotendissektion <strong>und</strong> totaler mesorektaler Exzision (TME) für Tumoren im unteren Drittel (bis 6 cm ab<br />

Anokutanlinie) <strong>und</strong> mittlerem Rektumdrittel (> 6-12 cm) sowie partieller mesorektaler Exzision (PME) für<br />

Tumoren im oberen Rektumdrittel (>12-16 cm) niedrige Lokalrezidiv- <strong>und</strong> Fernmetastasierungsraten. In den<br />

frühen amerikanischen Serien zum Stellenwert der beoadjuvanten Radio-/Chemotherapie wurde dieses<br />

Tumorstadium daher ebenso ausgeschlossen wie in den modernen Studien zur neoadjuvanten Radio-<br />

/Chemotherapie.<br />

Die schwedischen <strong>und</strong> holländischen Studien zur präoperativen Kurzzeit-Vorbestrahlung mit 5x5 Gy versus<br />

alleinige Operation haben das Tumorstadium I gleichwohl eingeschlossen. Die jüngere holländische Studie<br />

zeigte in einer Subgruppenanalyse keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Lokalrezidivrate zwischen<br />

alleiniger TME <strong>und</strong> zusätzlicher Radiotherapie für Tumoren im UICC-Stadium I. In der älteren schwedischen<br />

Studie konnte ein signifikanter Vorteil der zusätzlichen Bestrahlung für das Stadium I gezeigt werden, allerdings<br />

war hier das Konzept der TME noch nicht umgesetzt worden.<br />

Der Stellenwert einer Radio(chemo)therapie vor oder nach lokaler Exzision eines T1-High-Risk-Karzinoms<br />

(G3/4, L1, V1, Durchmesser grösser als 3 cm, R1-Resektion) ist nicht gesichert. Bei inkompletter Resektion (R1)<br />

oder Risikokonstellation (siehe oben) soll eine radikale Tumorentfernung mit Lymphknotenentfernung innerhalb<br />

von 4 Wochen durchgeführt werden. Für Patienten mit tiefsitzenden T1-High-Risk-<strong>Karzinome</strong>n oder<br />

T2-N0-Tumoren im UICC-Stadium I, die eine Exstirpation ablehnen, ist die präoperative Radio(chemo)therapie,<br />

gefolgt von lokaler Exzision, eine Option. Dies ist jedoch ein nicht gesichertes Vorgehen.<br />

Stadium II/III<br />

Im UICC-Stadium II <strong>und</strong> III ist die neoadjuvante Radio- oder Radio-/Chemotherapie indiziert. Eine<br />

Sondersituation besteht bei cT1/2-<strong>Karzinome</strong>n mit fraglichem Lymphknotenbefall; hier ist auch die primäre<br />

Operation (mit ggf. adjuvanter Radio-/Chemotherapie bei pN+) eine mögliche Behandlungsoption.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

Metaanalysen zeigen eine verbesserte Wirksamkeit der präoperativen im Vergleich zur postoperativen<br />

Bestrahlung. Eine frühe randomisierte Studie zur prä- versus postoperativen alleinigen Radiotherapie hatte eine<br />

signifikant reduzierte Lokalrezidivrate impräoperativen Arm gezeigt. Die deutsche Studie zur adjuvanten <strong>und</strong><br />

neoadjuvanten Radio-/Chemotherapie (RCT) des Rektumkarzinoms im Stadium II <strong>und</strong> III (CAO/ARO/AIO-94)<br />

wies ebenfalls eine signifikante Reduzierung der Lokalrezidivrate im neoadjuvanten Arm auf. Die Rate<br />

postoperativer Komplikationen war nach präoperativer RCT im Vergleich zur sofortigen Operation nicht erhöht,<br />

die akute <strong>und</strong> chronische Toxizität im präoperativen RCT-Arm insgesamt signifikant niedriger. Bei tief sitzenden<br />

Tumoren, die der Chirurg vor Randomisation als exstirpationspflichtig eingeschätzt hatte. Konnte die Rate<br />

sphinktererhaltender Operationsverfahren durch die Vorbehandlung im Vergleich zur sofortigen Operation<br />

verdoppelt werden.<br />

Als Problem der neoadjuvanten Therapie muss das potenzielle „Overstaging“ <strong>und</strong> die daraus resultierende<br />

„Überbehandlung“ von Patienten gewertet werden, bei denen fälschlicherweise ein wanddurchsetzender (T3)<br />

oder lymphknotenpositiver Tumor (N+) diagnostiziert wurde. Da insbesondere die Sensitivität <strong>und</strong> Spezifität der<br />

Beurteilung des Lymphknotenbefalls limitiert ist, wird bei T1/2-Tumoren mit bildgebend fraglichen N+ als<br />

Option auch die primäre Operation als sinnvoll erachtet. Als weitere Selektionskriterien für die primäre<br />

Operation werden von einigen Zentren <strong>und</strong> Studiengruppen – auch im Hinblick auf die mit der Radiotherapie<br />

assoziierten chronischen Nebenwirkungen – T3-Tumoren mit einem Abstand zur mesorektalen Resektionslinie<br />

von mehr als 1 mm (MRT-Diagnostik obligat) genannt. Diese Selektionskriterien müssen in Studien weiter<br />

geprüft werden.<br />

252


Rektumkarzinom<br />

Perioperative Therapie II, S3-Leitlinie 2008<br />

Stadium II/III, Oberes Drittel<br />

Der Stellenwert der Strahlentherapie des Rektumkarzinoms im oberen Drittel wird kontrovers diskutiert. Es kann<br />

eine adjuvante Therapie wie beim Kolonkarzinom oder eine perioperative Radio(chemo)therapie wie beim<br />

Rektumkarzinom durchgeführt werden.<br />

Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 3a, starker Konsens<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

Folgende Argumente sprechen dafür, das obere Rektumdrittel (>12-16 cm ab Anokutanlinie, gemessen mit einem<br />

starren Rektoskop) wie ein Kolonkarzinom zu behandeln:<br />

Die Daten der amerikanischen Adjuvanzstudien. Die die Radio-/Chemotherapie bei der Behandlung des<br />

Rektumkarzinoms etabliert hatten, bezogen sich ausschließlich auf Rektumtumoren mit einem Abstand des distalen<br />

Tumorpols von der Anokutanlinie bis 12 cm.<br />

In der holländischen TME-Studie konnte bei Tumoren im oberen Rektumdrittel (hier definiert als 10-15 cm ab<br />

Anokutanlinie) keine signifikante Verbesserung der Lokalrezidivrate durch die zusätzliche Radiotherapie<br />

nachgewiesen werden.<br />

Folgende Argumente sprechen dafür, das obere Rektumdrittel wie ein Rektumkarzinom zu behandeln:<br />

Bei der Analyse der holländischen TME-Studie handelt es sich um eine explorative Subgruppenanalyse. Daher wurde<br />

von den Autoren konsequenterweise nicht gefolgert, dass Patienten mit Tumoren im oberen Rektumdrittel keiner<br />

Radiotherapie bedürfen.<br />

In der bislang nur als Astract publizierten britischen MRC-CR07-Studie war der Vorteil der generellen präoperativen<br />

Kurzzeit-Radiotherapie versus selektiver postoperativer Radio-/Chemotherapie nur bei befallenem<br />

circumferenziellem Resektionsrand für alle Rektumdrittel signifikant.<br />

Eine aktuelle Subgruppenanalyse der deutschen CAO/ARO/AIO-Studie-94 zeigte keinen signifikanten Unterschied<br />

der Lokalrezidivraten zwischen Tumoren im mittleren <strong>und</strong> unteren Rektumdrittel.<br />

Im Gegensatz zu der holländischen TME-Studie werden in Deutschland Tumoren im oberen Rektumdrittel mittels<br />

partieller mesorektaler Exzision (PME) behandelt. Dieses Verfahren ist u.U. mit einer höheren Lokalrezidivrate<br />

verb<strong>und</strong>en. Die GAST-05-Studie wird unter Federführung von Prof. Becker/Dr. Liersch die Frage prüfen, ob<br />

Tumoren im oberen Rektumdrittel eine TME benötigen.<br />

Kurzzeitradiatio versus Langzeitradiatio<br />

In Situationen, in denen ein Downsizing angestrebt wird (T4-Tumore, nicht ausreichender Sicherheitsabstand im<br />

Dünnschicht-MRT zur mesorektalen Faszie – Abstand 1mm oder weniger – oder erwünschter Sphinktererhalt bei<br />

Tumoren im unteren Drittel) soll der präoperativen Radio-/Chemotherapie der Vorzug vor einer Kurzzeitadiotherapie<br />

gegeben werden. Bei cT3-Tumoren oder cN+-Tumoren, bei denen kein Downsizing angestrebt wird,<br />

kann die präoperative Therapie entweder als Radio-/Chemotherapie oder als Kurzzeitbestrahlung erfolgen.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

Zur präoperativen Radiotherapie stehen prinzipiell zwei Fraktionierungsschemata zur Verfügung: die<br />

Kurzzeitbestrahlung mit 25 Gy in Einzeldosen von 5 Gy an 5 aufeinanderfolgenden Tagen, unmittelbar gefolgt von<br />

der Operation, <strong>und</strong> die konventionell fraktionierte Bestrahlung bis zur Gesamtreferenzdosis von 45-50,4 Gy in 25-28<br />

Fraktionen, gefolgt von der Operation nach 4-6 Wochen. Eine randomisierte polnische Studie hatte nach<br />

neoadjuvanter konventionell fraktionierter Radio-/Chemotherapie ein signifikant überlegenes Ergebnis hinsichtlich<br />

Downsizing <strong>und</strong> Downstaging sowie eine signifikant niedrigere Rate an R1-Resektionen im Vergleich zur<br />

Kurzzeitbestrahlung ergeben. Allerdings waren die Rate an sphinktererhaltenden Operationsverfahren (primärer<br />

Endpunkt) sowie die lokale Kontrolle (sek<strong>und</strong>ärer Endpunkt) in beiden Armen nicht signifikant unterschiedlich. Zur<br />

Maximierung der Tumorschrumpfung vor Operation sollte bei den oben genannten Indikationen der konventionell<br />

fraktionierten Radio-/Chemotherapie der Vorzug vor der Kurzzeitbestrahlung gegeben werden. Bei letzerer tritt durch<br />

die kurze Behandlungszeit <strong>und</strong> die sich unmittelbar anschließende Operation nämlich keine relevante<br />

Tumorschrumpfung ein.<br />

Chemotherapie bei neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie<br />

Die neoadjuvante Radio-/Chemotherapie soll eine 5-Fluorouracil-Monotherapie mit oder ohne Folinsäure<br />

beinhalten.<br />

Empfehlungsgrad : A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens<br />

253


Rektumkarzinom<br />

Chirurgie, S3-Leitlinie 2004<br />

Radikale chirurgische Therapie des Rektumkarzinoms<br />

Die kurative Therapie des Rektumkarzinoms erfordert in der Regel neben der Resektion des Primärtumors im<br />

Ges<strong>und</strong>en die partielle oder totale Entfernung des Mesorektums <strong>und</strong> damit des regionären Lymphabflussgebiets (sog.<br />

radikale Resektion nach internationalem Dokumentationssystem für das kolorektale Karzinom). Nur in streng<br />

selektionierten Fällen ist eine kurative Resektion durch lokale Maßnahmen möglich.<br />

Folgende Operationsverfahren sind bei Einhaltung der Kriterien der onkologischen Chirurgie als gleichwertig<br />

anzusehen, wobei die Indikationsstellung von der Tumorlokalisation, insbesondere der Beziehung zur Linea dentata<br />

<strong>und</strong> dem Levatorschenkel, der Tiefeninfiltration <strong>und</strong> der Sphinkterfunktion abhängig ist.<br />

Die (tiefe) anteriore Rektumresektion<br />

Die abdomino-perineale Rektumexstirpation<br />

Die intersphinktäre Rektumresektion (auch als abdomino-peranale Rektumresektion bezeichnet). Diese Operation<br />

setzt besondere Erfahrungen voraus.<br />

Nach Möglichkeit sind kontinenzerhaltende Verfahren unter Abwägung der zu erwartenden späteren Lebensqualität<br />

zu bevorzugen. Bei schlechter Sphinkterfunktion sollte an Stelle einer tiefen Resektion der Rektumexstirpation mit<br />

permanenter Kolostomie der Vorzug gegeben werden<br />

Radikale Tumorentfernung<br />

Algorithmus<br />

Interdisziplinäre S3-Leitlinie <strong>Kolorektale</strong>s Karzinom, Herausgeber: Prof. Th. Junginger, Stand 15.03.2004. (wwwklinik.uni-mainz.de/Allgemchir/Leitlinienmanuskript.pdf).<br />

254


Rektumkarzinom<br />

Operatives Vorgehen, S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Onkologische Gr<strong>und</strong>sätze<br />

Die Operation sollte folgende Gr<strong>und</strong>sätze berücksichtigen:<br />

• Die Entfernung des regionären Lymphabflussgebietes mit Absetzung der A. mesenterica inferior zumindest<br />

distal des Abgangs der A. colica sinistra. Die Unterbindung der A. mesenterica inferior abgangsnah hat<br />

keine prognostische Bedeutung, sie kann aus operationstechnischen Gründen zur ausreichenden<br />

Mobilistion des linken Hemikolons zur Rekonstruktion erforderlich werden. Der Wert einer Dissektion der<br />

Lymphknoten am Stamm der A. mesenterica inferior proximal des Abgangs der A. colica sinistra ist nicht<br />

gesichert.<br />

Evidenzlevel 2:, Empfehlungsgrad: C<br />

• Die komplette Entfernung des Mesorektums (TME) bei <strong>Karzinome</strong>n der unteren zwei Rektumdrittel <strong>und</strong> die<br />

partielle Mesorektumexzision bei <strong>Karzinome</strong>n des oberen Drittels durch scharfe Dissektion entlang<br />

anatomischer Strukturen zwischen Fascia pelvis visceralis <strong>und</strong> parietalis („total anatomic dissection“)<br />

• Die Einhaltung eines angemessenen Sicherheitsabstandes,<br />

• Die En-bloc-Resektion von tumoradhärenten Organen (multiviszerale Resektion) zur Vermeidung einer<br />

örtlichen Tumorzelldissemination<br />

• Die Schonung der autonomen Beckennerven (Plexus hypogastricus, Plexus pudendus)<br />

Vorgehen bei Tumoren des oberen Rektumdrittels<br />

Bei Tumoren des oberen Rektumdrittels erfolgt die partielle Mesorektumexzision 5 cm distal des makroskopischen<br />

Tumorrandes, gemessen in vivo. Das Mesorektum sollte horizontal durchtrennt werden, um eine vollständige<br />

Entfernung sicherzustellen (kein Coning). Die Begründung dieses Vorgehens liegt darin, dass bei T3- <strong>und</strong> T4-<br />

Tumoren in seltenen Fällen Satellitenknoten oder Lymphknotenmetastasen in bis zu 4 cm distal des Tumorrandes,<br />

gemessen am histologischen Schnitt nach Fixation des nicht ausgespannten Präparates, vorkommen können.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b<br />

Vorgehen bei Tumoren des mittleren <strong>und</strong> unteren Rektumdrittels<br />

Bei Tumoren des mittleren <strong>und</strong> unteren Rektumdrittels erfolgt die totale Mesorektumexzision (TME) bis zum<br />

Beckenboden unter Schonung des Plexus hypogastricus, der Nn hypogastrici <strong>und</strong> der Plexus hypogastrici inferiores.<br />

Evidenzlevel: 2++, Empfehlungsgrad: A<br />

Bei Low-grade-Tumoren guter oder mäßiger Differenzierung des unteren Rektumdrittels ist ein Sicherheitsabstand<br />

von 2 cm in situ ausreichend. Als minimaler Abstand am frischen, nicht ausgespannten Präparat kann 1 cm gelten,<br />

um eine kontinenzerhaltende Resektion zu ermöglichen. Bei High-grade-Tumoren (G3/4) ist ein größerer<br />

Sicherheitsabstand anzustreben.<br />

Empfehlungsgrad: B Evidenzlevel: 2b<br />

Bei <strong>Karzinome</strong>n des unteren Drittels kann als Alternative zu der ansonsten erforderlichen Rektumexstirpation die<br />

intersphinktäre Rektumresektion (auch als abdomino-peranale Rektumresektion bezeichnet) durchgeführt werden,<br />

wenn – unter Wahrung der oben genannten Sicherheitsabstände – die puborektale Schlinge nicht infiltriert ist. Diese<br />

Operation setzt besondere Erfahrung voraus.<br />

Nach totaler mesorektaler Resektion mit nachfolgender sphinkternaher Anastomose ist potentiell mit u.U. erheblichen<br />

funktionellen Störungen zu rechnen. Diese sind am stärksten ausgeprägt nach geraden Anastomosen. Sie können<br />

durch verschiedene alternative Rekonstruktionsverfahren partiell verringert werden.<br />

Als Möglichkeiten stehen zur Verfügung:<br />

Der Kolon-J-Pouch, die transverse Koloplastik, die Seit-zu-End-Anastomose.<br />

Am besten belegt sind die Vorteile für den Kolon-Pouch. Im Falle einer Schenkellänge von mehr als 6 cm ist<br />

allerdings mit Evakuationsproblemen zu rechnen. Außerdem ist er bei einem sehr fettreichen Mesokolon nicht immer<br />

technisch durchführbar. Alternativen sind die Seit-zu-End-Anastomosen <strong>und</strong> die transverse Koloplastik, deren<br />

endgültiger Stellenwert allerdings aufgr<strong>und</strong> kleiner Fallzahlen bzw. widersprüchlicher Resultate noch nicht endgültig<br />

beurteilt werden kann.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b –3b<br />

Nach totaler mesorektaler Exzision empfiehlt sich die Anlage eines protektiven Stomas. Dadurch lässt sich die Rate<br />

von Insuffizienzen nicht sicher senken, jedoch deutlich die dadurch bedingte postoperative Morbidität. Ileostoma <strong>und</strong><br />

Kolostoma sind gleichwertig.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b<br />

255


Rektumkarzinom<br />

Operationsmethoden<br />

Durch eine optimale chirurgische Behandlung ist in Abhängigkeit vom Stadium bei bis zu 80% der Patienten eine<br />

kurative Resektion möglich. Gleichzeitig können 85% dieser Patienten kontinenzerhaltend operiert werden, ohne dass<br />

der Anspruch auf lokale Sanierung kompromittiert wird. Aufgabe des Chirurgen ist es, Radikalität <strong>und</strong><br />

Funktionserhaltung zu vereinbaren. Da in systematischen Studien gezeigt wurde, dass die distale intramurale<br />

Tumorausbreitung bei <strong>Karzinome</strong>n der unteren zwei Drittel des Rektums nur selten 1 cm überschreitet, ist es<br />

vertretbar, von dem lange geltenden 5 cm-Resektionsabstand nach distal abzurücken <strong>und</strong> den Sicherheitsabstand auf 1<br />

cm am gestreckten Operationspräparat zu verkürzen. Entscheidend ist die Tumorfreiheit des distalen Resektionsrandes<br />

im intraoperativen Schnellschnitt (Rullier et al. 2006). Kann diese erzielt werden, ist insbesondere bei Patienten nach<br />

neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie ein kontinenzerhaltendes Verfahren gerechtfertigt.<br />

S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Operation in kurativer Absicht<br />

Die chirurgische Therapie von Rektumkarzinomen sollte, nur durch Chirurgen mit spezieller Ausbildung <strong>und</strong><br />

Erfahrung auf diesem Gebiet, insbesondere mit der TME erfolgen. Dies gilt ganz besonders für die Behandlung der<br />

<strong>Karzinome</strong> des mittleren <strong>und</strong> unteren Drittels.<br />

Evidenzlevel: 2++, Empfehlungsgrad: B<br />

Eine kurative Therapie erfordert in der Regel die Resektion des tumortragenden Rektums im Ges<strong>und</strong>en <strong>und</strong> die<br />

partielle oder totale En-bloc-Entfernung des Mesorektums sowie des regionären Lymphabflussgebietes. Nur in streng<br />

selektionierten Fällen ist eine kurative Behandlung auch durch lokale endoskopische mikro-chirurgische oder<br />

chirurgische Tumorexzision (Vollwandresektion) möglich.<br />

Lokale Operationsverfahren<br />

In selektionierten Fällen ist eine kurative<br />

Behandlung durch lokale endoskopische,<br />

mikrochirurgische oder konventionell<br />

chirurgische Tumorexzision möglich.<br />

Eine lokale chirurgische Tumorexzision bei<br />

Rektumkarzinom (Vollwandexzision) ist als<br />

alleinige therapeutische Maßnahme unter<br />

kurativer Zielsetzung angezeigt bei<br />

- pT1 mit einem Durchmesser bis zu 3 cm,<br />

- guter od. mäßiger Differenzierung<br />

(G1,2),<br />

- ohne Lymphgefäßinvasion (Low-risk-<br />

Histologie),<br />

- sofern die Entfernung komplett erfolgt<br />

ist (R0)<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b,<br />

starker Konsens<br />

Bei T1 high-risk-<strong>Karzinome</strong>n (G3/4 u./o.<br />

Lymphgefäßinvasion) <strong>und</strong> bei T2-<br />

<strong>Karzinome</strong>n liegt das Auftreten von<br />

Lymphknotenmetastasen bei 10-20%, so<br />

dass die alleinige lokale Exzision nicht<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich empfohlen werden kann.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3b,<br />

starker Konsens<br />

Vorgehen nach lokaler Therapie (Endoskop. Polypektomie,<br />

Mucosektomie, chirurgische Tumorexzision)<br />

(Interdisziplinäre S3 Leitlinie <strong>Kolorektale</strong>s Karzinom, Herausgeber: Prof.<br />

Th. Junginger, Stand 15.03.2004. www-klinik.unimainz.de/Allgemchir/Leitlinienmanuskript.pdf)<br />

Laparoskopische Chirurgie<br />

Empfehlung<br />

Die Ergebnisse der laparoskopischen Tumorresektion sind derzeit wegen fehlender onkologischer Langzeitergebnisse<br />

nicht abschließend zu beurteilen, so dass dieses Verfahren nur im Rahmen von qualifizierten Studien mit langfristiger<br />

Verlaufsbeobachtung zur Anwendung kommen sollte.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, mehrheitliche Zustimmung<br />

Auch bezüglich der Vorteile der Lebensqualität nach laparoskopischen Resektionen sind keine überzeugenden<br />

Vorteile erkennbar.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, mehrheitliche Zustimmung<br />

256


Rektumkarzinom<br />

Operation, totale mesorektale Exzision<br />

Rektumkarzinome breiten sich intramural entlang der Submucosa, der Muscularis propria <strong>und</strong> extramural im Mesorektum<br />

aus. Das intramurale Wachstum nach distal erfolgt in der Regel nur wenige Millimeter jenseits des makroskopisch<br />

erkennbaren Tumorrandes. Dagegen finden sich relativ häufig zirkumferentiell im Mesorektum mikroskopisch<br />

nachweisbare Tumorabsiedlungen vor allem bei pT3/4-Tumoren auch auf eine weitere Distanz sowohl nach dorsal <strong>und</strong><br />

lateral als auch distal des Tumors. Dies ist die Begründung für die Notwendigkeit einer kompletten Entfernung des<br />

Mesorektums bei der Operation eines Rektumkarzinoms.<br />

TME<br />

Die totale Mesorektumexzision (TME) ist eine Technik, die auf Heald (Lancet 1993; 341:457-60) zurückgeht. Mit dieser<br />

Technik konnte die Lokalrezidivrate signifikant von ca. 20% auf ca. 5-7% gesenkt werden (Dahlberg et al.,Br J Surg 1999;<br />

86:379-84). Der technische Unterschied zwischen TME <strong>und</strong> der<br />

konventionellen Chirurgie beruht auf der scharfen Präparation unter<br />

direkter Sicht in einer klar definierten Ebene zwischen viszeraler <strong>und</strong><br />

parietaler Schicht der Beckenfaszie. Die dorsale Grenzlamelle<br />

umschließt den retrorektalen Fettkörper mit den Lymphknoten <strong>und</strong><br />

dementsprechend die lokoregionäre Hauptmetastasenstraße des<br />

Rektumkarzinoms. Durch die genaue Identifikation der topographischanatomischen<br />

Schichten kann eine umfassende Resektion der regionären<br />

Lymphknoten, bzw. der lymphatischen Drainage en-bloc, unter<br />

bestmöglicher Schonung der für die Kontinenz <strong>und</strong> Sexualfunktion<br />

wichtigen autonomen Innervation erfolgen.<br />

Da das Mesorektum am muskulären Beckenboden endet, ist der<br />

mesorektale Sicherheitsabstand für <strong>Karzinome</strong> des mittleren <strong>und</strong> unteren<br />

Drittels gleichbedeutend mit einer totalen mesorektalen Exzision.<br />

Tumore des oberen Rektumdrittels können mit einer partiellen<br />

Sagittalschnitt durch das Becken mit Darstellung der<br />

Hüllfaszien des Rektums. 1 = Resektionslinien der TME<br />

(aus: Simon D, Klin Onkol 2000;1:227)<br />

(Nagtegaal, ID et al. J Clin Oncol 2002;20:1729-1734)<br />

mesorektalen Exzision ausreichend behandelt werden, sofern der distale<br />

Sicherheitsabstand von 5 cm am Mesorektum eingehalten wird.<br />

Das „Mesorektum“ definiert den Bindegewebsfettkörper, in dem sich<br />

alle Lymphknoten befinden, die das Rektum drainieren. Die perirektale<br />

(extraluminäre) Tumorausbreitung erfolgt entlang der Lymphspalten des Mesorektums unter Respektierung der rektalen<br />

Hüllfaszien. Das Mesorektum wird durch scharfe Dissektion unter direkter Sicht exakt entlang der Faszia pelvina visceralis<br />

aus dem Becken gelöst. Dabei ist es erforderlich, dass die äußere Umhüllung des Mesorektums unversehrt bleibt. Eine<br />

Beschädigung hat einen direkten negativen Einfluss auf die Prognose mit einer erhöhten Rate an Lokalrezidiven.<br />

Eine erweiterte laterale Lymphadenektomie zeigt in Studien keinen Vorteil bezüglich der onkologischen Ergebnisse, aber<br />

eine deutlich erhöhte Morbidität (Kusunoki et al. Dig Surg 2007;24:115-119).<br />

Der Sentinel-node-Technik wird im Rahmen der operativen Therapie des Rektumkarzinomes aktuell keine Bedeutung<br />

beigemessen (Bembenek J Surg Oncol 2007).<br />

Die TME kann heute durch einen erfahrenen Operateur auch laparoskopisch erfolgen. Generell gilt jedoch weiterhin die<br />

Empfehlung, Rektumkarzinome nur im Rahmen von Studien <strong>und</strong> in erfahrenen Zentren laparoskopisch zu operieren<br />

(Laurent et al. Br J Surg 2007).<br />

Illustration zur Definition von Resektionspräparaten hinsichtlich der Resektionsqualität<br />

A, B: Komplettes Meso-Rektum ohne Defekte, kein Coning; Glatte zirkumferentielle Resektionsgrenzen<br />

C: Inkomplettes Meso-Rektum mit tiefen Defekten D: Sehr irregulärer Zirkumferenz-Resektionsrand<br />

257<br />

Bewertung der Resektionsqualität des Meso-<br />

Rektums durch den Pathologen<br />

Intaktes Meso-Rektum mit nur geringen Irregularitäten<br />

auf einer glatten mesorektalen Oberfläche. Kein<br />

Defekt ist tiefer als 5 mm. Es besteht kein Coning zu<br />

dem distalen Resektionsrand des Präparates. Auch dort<br />

findet sich eine glatte zirkumferentielle<br />

Resektionsgrenze (Abb. 1A <strong>und</strong> 1B).<br />

Fast komplett<br />

Irregularität der mesorektalen Oberfläche. Mäßiges<br />

Coning des Präparates. An keiner Stelle ist jedoch die<br />

Muscularis propria sichtbar mit Ausnahme der<br />

Insertionsstelle des M. levator.<br />

Inkomplett<br />

Rektumresektat mit Defekten bis zur Muscularis<br />

propria reichend <strong>und</strong>/oder sehr irreguläre<br />

Resektionsränder der Zirkumferenz (Abb.1C, 1D).


Rektumkarzinom<br />

Mesorektumexzision, Pathologie<br />

Ausmaß <strong>und</strong> Qualität der Mesorektumexzision (MRE) sind ein wesentlicher Bestandteil der pathologischen<br />

Aufarbeitung eines Operationspräparates beim Rektumkarzinom. Nagtegaal et al (Am J Surg Pathol 2002;26:350-7)<br />

zeigten in einer holländischen Studie, dass die Prognose besonders hinsichtlich eines späteren Lokalrezidivs. von der<br />

Qualität des vollständig (total) zu entfernenden Mesorektums abhängig ist. Hierbei waren sowohl der<br />

makroskopische Eindruck des Chirurgen (Rezidivrate 35,6 vs. 21,5%, p=0,01), als auch die histopathologische<br />

Bewertung (≥1mm in sano, p=0,03) signifikant für das rezidivfreie Überleben.<br />

Bei <strong>Karzinome</strong>n des mittleren <strong>und</strong> unteren Rektumdrittels wird eine totale Mesorektumexzision (TME) durchgeführt,<br />

bei Tumoren des oberen Drittels eine partielle MRE mit mindestens 3 cm Abstand zum Tumorrand. Eine konusartige<br />

Abtrennung (Coning) des Mesorektums vom distalen Resektionsrand soll vermieden werden.<br />

Nach einer neuen Klassifikation (M.E.R.C.U.R.Y.-Kriterien 2002) wird die Qualität der TME in drei<br />

Kategorien wie folgt definiert:<br />

Qualität Einteilung / Bewertung Definition<br />

Grad 1<br />

Grad 2<br />

Grad 3<br />

Gut<br />

Komplette Mesorektumexzision<br />

Mäßig<br />

Nahezu komplette Mesorektumexzision<br />

Schlecht<br />

inkomplette Mesorektumexzision<br />

Intaktes Mesorektum mit nur geringen<br />

Unregelmäßigkeiten der glatten Mesorektumoberfläche,<br />

kein Defekt größer als 5mm, kein Coning. Bei querer<br />

Lamellierung glatter zirkumferentieller Resektionsrand<br />

Mesorektum mit unregelmäßiger Oberfläche, aber an<br />

keiner Stelle Muscularis propria sichtbar (abgesehen von<br />

der Ansatzstelle der Levatormuskulatur), mäßiges Coning<br />

erlaubt, bei querer Lamellierung mäßiggradige<br />

Unregelmäßigkeiten des circumferentiellen<br />

Resektionsrandes<br />

Geringe Mengen von Mesorektum, an der Oberfläche<br />

Defekte bis zur Muscularis propria, bei querer<br />

Lamellierung sehr unregelmäßiger zirkumferentieller<br />

Resektionsrand oder ausgeprägtes Coning<br />

Beurteilung der Qualität der Rektumexstirpation bezüglich des Levator-Analkanalgebietes nach der<br />

MERCURY-Studie 2002 <strong>und</strong> der CORE Studie (Quirke et al. 2003)<br />

Klinische Bedeutung des Pathologen in der Qualitätskontrolle<br />

In einer Arbeit von Nagtegaal I.D. et al. (JCO 2002; 20: 1729-34) konnte gezeigt werden, dass bei 24% von 180<br />

Rektumkarzinom-Patienten das Mesorektum inkomplentfernt war <strong>und</strong> dass dies zu einem erhöhten Rezidivrisiko<br />

führte. In der Gruppe der Patienten mit negativen circumferentiellen Rändern gab es eine Überlebensdifferenz nach 2<br />

Jahren zugunsten der Patienten mit komplettem Mesorektum versus derer mit inkomplettem Mesorektum von 90,5%<br />

versus 76,9%. Das bedeutet, dass die Qualität der Mesorektumentfernung eine zusätzliche Bedeutung über die<br />

negativen circumferentiellen Ränder hinaus besitzt.<br />

258


Rektumkarzinom<br />

Postop. Pathohist. Diagnostik, Zirkumferentielle Ränder<br />

Für die prognostische Einschätzung <strong>und</strong> die weitere Therapieplanung sind Aussagen über das Ausmaß <strong>und</strong> die<br />

Qualität der TME von erheblicher Bedeutung. Darüber hinaus ist der zirkumferentielle Resektionsrand<br />

(CRM=circumferential resection margin) ein entscheidender Prognosefaktor. Der CRM ist definiert als nicht<br />

peritonealisierte Oberfläche des Rektums (bei optimierter Chirurgie= Fascia mesorectalis). CRM positiv bedeutet,<br />

dass der CRM direkt infiltriert oder der Tumor weniger als 0,1 cm vom CRM entfernt ist.<br />

CRM als Prognosefaktor<br />

Nach einer holländischen Studie (Nagtegaal ID et al.Am J Surg Pathol. 2002;26:350-7) ist der wichtigste Prognosefaktor für<br />

ein Lokalrezidiv (LR) der zirkumferentielle Resektionrand (CRM). Ein tumorfreier Rand ≤2 mm ist mit einer<br />

signifikant höheren LR-Rate assoziiert (16% vs. 5,8% p


Rektumkarzinom<br />

TME <strong>und</strong> Radiotherapie/Radio-/Chemotherapie<br />

Radiatio vor/nach TME nötig<br />

Durch die Einführung der totalen mesorektalen Exzision (TME) kann zumindest an spezialisierten Zentren (high<br />

volume centers) die Lokalrezidivrate im Stadium II <strong>und</strong> III auf


Rektumkarzinom<br />

Neoadjuvante vs. postop. Therapie – CAO/ARO/AIO-94-Studie<br />

Präoperative versus postoperative Strahlen-/Chemotherapie<br />

Die Frage, ob die neoadjuvante der postoperativen adjuvanten Radio-/Chemotherapie überlegen ist, wurde in<br />

einer großen deutschen Multicenterstudie, der AIO/CAO/ARO-94-Studie, geklärt. Mit dem präoperativen<br />

Vorgehen wurde das lokoregionäre Rezidivrisiko von 13 auf 6% reduziert <strong>und</strong> es konnten in der neoadjuvanten<br />

Gruppe signifikant mehr Patienten Sphinkter erhaltend operiert werden. Die akute sowie die Langzeittoxizität<br />

im Bestrahlungsbereich waren unter der präoperativen Bestrahlung geringer. Das Gesamtüberleben unterschied<br />

sich nicht in den beiden Armen. Ausführliche Ergebnisse siehe folgende Seiten.<br />

Vorteile einer präoperativen Therapie<br />

• Tumorverkleinerung mit potentiell verbesserter Resektabilität (R0-Resektion)<br />

• Möglichkeit der Sphinktererhaltung bei tiefsitzendem Karzinom<br />

• Verringerung der Gefahr einer intraoperativen Tumorzellverschleppung<br />

• Erhöhte Radiosensitivität infolge besserer Tumoroxygenierung bei noch intakter Vaskularisierung<br />

• Gefährdete Strukturen (z.B. Dünndarm) können besser aus dem Strahlenfeld gehalten werden<br />

• Keine Bestrahlung der Anastomose<br />

Mögliche Nachteile einer präoperativen Therapie<br />

• Kein pathohistologisches Tumorstadium, Gefahr einer Übertherapie.<br />

• Operation wird verzögert.<br />

Die präoperative Strahlen-/Chemotherapie gilt neben der präoperativen Kurzzeitstrahlentherapie<br />

(5 x 5 Gy) als Therapie der Wahl auch für potentiell R0-resektable Tumoren.<br />

Für potentiell nicht R0-resektable Tumoren <strong>und</strong> Tumoren, bei denen ein Downsizing angestrebt wird, ist<br />

die Strahlen-/Chemotherapie die einzige Standardbehandlung, da die Kurzzeitbestrahlung nicht in der<br />

Lage ist, ein adäquates Downsizing zu erreichen.<br />

CAO/ARO/AIO-94-Studie<br />

Studientitel<br />

Adjuvante vs. neoadjuvante Radio-/Chemotherapie des fortgeschrittenen Rektumkarzinoms im UICC-Stadium<br />

II <strong>und</strong> III. Eine Phase-III-Studie der CAO/ARO/AIO.<br />

Studiendesign<br />

Geprüft wurde eine<br />

neoadjuvante Radio-<br />

OP<br />

/Chemotherapie gefolgt<br />

von einer postoperativen<br />

Chemotherapie<br />

gegen eine<br />

gleichintensive postoperative<br />

Radiochemo<strong>und</strong><br />

Chemotherapie.<br />

Hierzu wurden<br />

Patienten mit endo-<br />

OP<br />

sonographisch/CT-<br />

morphologisch nodalpositiven<br />

T3- /T4-<br />

Tumoren eingeschlossen.<br />

Wochen 0 12 24<br />

Sie erhielten<br />

randomisiert entweder<br />

eine neoadjuvante Radio-/Chemotherapie mit Infusional 5-FU in Woche 1 <strong>und</strong> 5 der Radiatio, gefolgt von Bolus<br />

5-FU postoperativ (Arm II), oder ein in Medikamenten, Applikationsformen <strong>und</strong> Dosierungen identisches rein<br />

adjuvantes Regime. Die Operation erfolgte 6 Wochen nach Abschluss der neoadjuvanten Behandlung, die<br />

Adjuvanzbehandlung begann 4 Wochen postoperativ.<br />

261


Rektumkarzinom<br />

CAO/ARO/AIO-94-Studie, Ergebnisse<br />

Studienergebnisse<br />

(Sauer et al., N Engl J Med 2004; 351:1731-9)<br />

Rekrutiert wurden von Februar 1995 bis September 2002 Patienten mit resektablem Rektumkarzinom mit einem<br />

Tumor innerhalb 16cm ab Anokutanlinie. Bei insgesamt 402 auf die zwei Arme randomisierten Pat. mit<br />

ausbalancierten Tumormerkmalen ließ sich kein signifikanter Unterschied in Bezug auf Gesamtüberleben oder<br />

krankheitsfreies Überleben nachweisen, siehe nachstehende Graphiken.<br />

In Bezug auf die Häufigkeit eines Lokalrezidivs. zeigte sich ein signifikanter Vorteil für die neoadjuvante<br />

Therapie, von 6% vs. 13% ebenso für die therapieassoziierte Langzeittoxizität (14 vs. 24%, p=0.01).<br />

Zudem ergab sich eine höhere Rate an sphinktererhaltenden Operationen nach neoadjuvanter<br />

Radio-/Chemotherapie bei tiefsitzenden Rektumkarzinomen (39% vs. 19%, p=0,004).<br />

Gesamtüberleben (A) <strong>und</strong> krankheitsfreies Überleben (B).<br />

Vergleich präop. vs postop. Chemo-/Radiotherapie. n = 799<br />

Lokalrezidive (A) <strong>und</strong> Fernmetastasen (B). Vergleich präoperative<br />

vs postoperative Chemo-/Radiotherapie. n = 799<br />

Prognosefaktor Tumorregression nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie<br />

Es konnte bei der CAO/ARO/AIO-94<br />

Rektumkarzinomstudie im Stadium II/III<br />

gezeigt werden, dass das Ansprechen auf die<br />

neoadjuvante Radio-/Chemotherapie einen<br />

prognostischen Faktor für das<br />

krankheitsfreie Überleben darstellt (Rödel C.<br />

et al. J Clin Oncol 2005; 23:8688). Das<br />

krankheitsfreie Überleben nach 5 Jahren<br />

nach kombinierter Radio-/Chemotherapie<br />

<strong>und</strong> kurativer Resektion betrug 86% für den<br />

Tumorregressionsgrad (TRG) 4, 75% für<br />

TRG 2 + 3, <strong>und</strong> 63% für TRG 0+1.<br />

262


Rektumkarzinom<br />

Neoadjuvante Therapie, Therapiestudien<br />

Präoperative Radiotherapie vs. kombinierte Radio-/Chemotherapie,<br />

EORTC 22921<br />

Bis vor kurzem galt die alleinige Strahlentherapie mit 45-55 Gy in vielen europäischen Ländern als<br />

Standardtherapie.<br />

Die EORTC 22921-Studie (Studiendesign<br />

links) (Bosset JF et al.,NEJM 2006;355:1114)<br />

<strong>und</strong> die FFCD 9203-Studie (Gerard J et al.,<br />

ASCO 2005, Abstr. 3504) untersuchten beide<br />

die alleinige präoperative konventionell<br />

fraktionierte Strahlentherapie versus eine<br />

kombinierte Radio-/Chemotherapie mit 5-<br />

FU/Folinsäure, wobei die EORTC-Studie<br />

noch in 2 zusätzlichen Armen eine<br />

adjuvante Chemotherapie mit 5-<br />

CTX:5-FU 350, Folinsäure 20<br />

mg/m 2 /d d1-5<br />

in der 1. u. 5. Woche RTX<br />

FU/Folinsäure testete. Nicht nur die Rate an<br />

Komplettremissionen war höher, auch die<br />

Lokalrezidivrate war signifikant geringer,<br />

wenn 5-FU als systemische Therapie zur<br />

präoperativen Strahlentherapie hinzugegeben wird. Sogar die Patienten, die die Chemotherapie nur postoperativ<br />

erhielten, hatten ein vermindertes Lokalrezidivrisiko.<br />

FFCD 9203 EORTC 22921<br />

RTX CTX-RTX RTX CTX-RTX<br />

RTX + CTX-RTX+<br />

adjuv. Chemoth. adjuv. Chemoth.<br />

Patienten 363 370 252 253 253 253<br />

pCR 3% 10% 5% 14%<br />

Lokalrezidiv 16,5% 8% 17,1% 8,7% 9,6% 7,6%<br />

p-Wert < 0,05 0,0016<br />

Einfluss auf Überleben Nein 5-J-OS 63,2% 5-J-OS 67,2% (kein sign. Unterschied)<br />

Ein signifikanter Überlebensvorteil ergab sich<br />

nicht (67,2 vs. 63,2%). Allerdings erhielten<br />

weniger als 50% der Patienten eine postoperative<br />

Chemotherapie nach Protokoll. Die DFS- <strong>und</strong><br />

Überlebens-Kurven der Patienten, die eine<br />

adjuvante Chemotherapie erhielten, <strong>und</strong> derer, die<br />

keine erhielten, gehen allerdings nach 2 (DFS)<br />

<strong>und</strong> 4 (OS)Jahren auseinander. Ein längeres<br />

Follow-up bleibt abzuwarten.<br />

Eine Subgruppenanalyse dieser Studie zeigte, dass<br />

Patienten, die ein T-Downsizing zeigten, von der<br />

Fortsetzung der 5-FU-Therapie profitierten,<br />

während Patienten mit ypT3 oder ypT4, von der<br />

Fortsetzung der Chemotherapie keinen Benefit<br />

hatten (Colette et al., J Clin Oncol 2007;25:4379-<br />

4386). Eine weitere Analyse der Daten zeigte<br />

aber, dass sich der Benefit auf Patienten bezog,<br />

die neoadjuvant nicht chemotherapiert worden<br />

waren, <strong>und</strong> dass Patienten nach neoadjuvanter<br />

Radio-/Chemotherapie bei Vorliegen eines pN0-<br />

Status von der Fortsetzung der Chemotherapie<br />

nicht profitierten (Colette et al. J Clin Oncol<br />

2008;26:508).<br />

263


Rektumkarzinom<br />

Neoadjuvante Therapie – Kurzzeitbestrahlung, Therapiestudien<br />

Die Effektivität der präoperativen Kurzzeit-Bestrahlung hinsichtlich der Verhinderung von Lokalrezidiven ist in<br />

mehreren Studien belegt. Eine große schwedische Studie konnte sogar einen signifikanten Überlebensgewinn<br />

nachweisen. Auch unter Anwendung der TME konnte durch eine präoperative Kurzzeitstrahlentherapie das<br />

lokoregionäre Rezidivrisiko signifikant gesenkt werden. Vorteile der Kurzzeitbestrahlung sind die rasche<br />

Durchführung der Behandlung von Montag bis Freitag, gefolgt von der Resektion eine Woche später. Der kurze<br />

Abstand zwischen Operation <strong>und</strong> Bestrahlung führt jedoch zu keiner signifikanten Tumorverkleinerung in<br />

fortgeschrittenen Stadien, sodass eine Erhöhung der R0-Resektionsrate oder eine kontinenzerhaltende Chirurgie<br />

für diese Subgruppe von Patienten nicht möglich ist.<br />

Swedish Rectal Cancer Trial<br />

(N Engl J Med 1997; 336:980-7).<br />

In dieser Studie wurden 1168 Patienten entweder präoperativ mit 25 Gy in 5 Fraktionen bestrahlt oder<br />

ausschließlich einem operativen Eingriff unterzogen. Nach 75 Monaten betrug die Lokalrezidivrate 12 versus<br />

27%. Die 5-Jahres-Überlebensrate war mit präoperativer Strahlentherapie signifikant besser (58% versus 48%).<br />

Das Intervall zwischen Operation <strong>und</strong> Bestrahlungsende betrug eine Woche. Somit konnte für die neoadjuvante<br />

Bestrahlung erstmals nicht nur eine Reduktion der Lokalrezidive, sondern auch ein signifikanter<br />

Überlebensgewinn nachgewiesen werden.<br />

Ein Update der Studie ergab nach einem medianen Follow-up von 13 Jahren ein Overall Survival in der<br />

bestrahlten Gruppe von 38% versus 30% in der nicht bestrahlten Gruppe. Das tumorspezifische Überleben in<br />

der bestrahlten Gruppe war 72% versus 62% in der nicht bestrahlten, die Lokalrezidivrate betrug 9% versus<br />

26% (Folkesson J et al., J Clin Oncol 2005; 23:5644-50).<br />

Holländische Multicenter-Studie<br />

(Peters et al. Ann Surg 2007; 246:693-700)<br />

1861 Patienten mit resektablem Rektumkarzinom erhielten entweder eine präoperative Bestrahlung (RT) mit 5 x<br />

5 Gy oder eine ausschließliche Operation. In beiden Therapiearmen war eine TME obligat. Nach einem<br />

medianen Follow-up von 6,1 Jahren lag die Lokalrezidivrate im 5x5 Gy Arm bei 5,6% versus 10,9% im Arm<br />

mit alleiniger Chirurgie. Der Unterschied war signifikant. Das 5-Jahre-Überleben war jedoch mit 63 <strong>und</strong> 64%<br />

in beiden Armen gleich. (siehe auch vorherige Seiten)<br />

Polnische Studie – Neoadjuvante Radio-/Chemotherapie versus Kurzzeit-Radiatio<br />

(Bujko K. et al. Radiother Oncol 2004;72:15-24 <strong>und</strong> Br J Surg 2006;93:1215-23)<br />

Insgesamt 312 Patienten mit T3/T4-Tumoren (tastbare Tumore im unteren Rektumdrittel) erhielten entweder<br />

präoperativ eine Kurzzeit-Radiatio mit 5x5 Gy <strong>und</strong> anschließend eine TME innerhalb von 7 Tagen oder eine<br />

kombinierte Radio-/Chemotherapie (50,4 Gy <strong>und</strong> Bolus 5-FU/Folinsäure), gefolgt von einer TME nach 4-6<br />

Wochen. Die primäre Frage war, ob durch die kombinierte, konventionelle Radio-/Chemotherapie eine erhöhte<br />

Sphinktererhaltungsrate im Vergleich zur Kurzzeitradiatio möglich ist.<br />

Unter der Radio-/Chemotherapie kam es zu einem höheren Downsizing <strong>und</strong> Downstaging sowie zu einer<br />

niedrigeren R1-Resektionsrate. Die Rate an Sphinktererhalt war jedoch in beiden Armen gleich <strong>und</strong> die<br />

Überlebensraten waren identisch.<br />

Diese Studie ist die einzige publizierte Studie zu dieser Fragestellung. Sie bezieht sich nur auf Tumoren im<br />

unteren Rektumdrittel <strong>und</strong> weist etliche Schwächen in Bezug auf das Staging <strong>und</strong> die Applikation der<br />

Chemotherapie auf.<br />

Die Frage neoadjuvante Radio-/Chemotherapie versus 5 x 5 Gy Kurzzeitbestrahlung soll in der sogenannten<br />

Berliner Studie beantwortet werden (siehe hinten „Berliner Studie“).<br />

S3-Leitlinie 2008: In Situationen, in denen ein Downsizing angestrebt wird (T4-Tumore, nicht<br />

ausreichender Sicherheitsabstand im Dünnschicht-MRT zur mesorektalen Faszie – Abstand 1mm oder<br />

weniger – oder erwünschter Sphinktererhalt bei Tumoren im unteren Drittel), soll der präoperativen<br />

Radio-/Chemotherapie der Vorzug vor einer Kurzzeit-Radiotherapie gegeben werden.<br />

Somit stellt die konventionell fraktionierte präoperative Strahlen-/Chemotherapie für lokal<br />

fortgeschrittene Tumoren die Standardtherapie dar.<br />

264


Rektumkarzinom<br />

Neoadjuvante Therapie – Chemotherapie, Therapiestudien<br />

Chemotherapie im Rahmen der (neo)adjuvanten Radio-/Chemotherapie<br />

Aufgr<strong>und</strong> der EORTC-Studie 22921 <strong>und</strong> der FFCD 9203-Studie ist die Kombination einer präoperativen<br />

Chemotherapie mit 5-FU mit der Bestrahlung als Standard etabliert, da sie übereinstimmend zu einer Reduktion der<br />

Lokalrezidivrate führte. In Phase-II-Studien ist eine Intensivierung der Chemotherapie im Rahmen der neoadjuvanten<br />

Radio-/Chemotherapie untersucht worden.<br />

Durch die Intensivierung kann die Wirkung der Strahlentherapie weiter erhöht <strong>und</strong> dadurch auch die Rate an<br />

pathohistologischen Remissionen gesteigert werden. Patienten mit guter pathohistologischer Remission haben nicht<br />

nur geringere Lokalrezidivraten, sondern wahrscheinlich auch ein längeres Langzeitüberleben, sodass man sich von<br />

einer Chemotherapieintensivierung eine Prognoseverbesserung erhofft. Dies ist derzeit Gegenstand von Phase-III-<br />

Studien (PETACC-6 <strong>und</strong> CAO/AIO/ARO-05).<br />

Kontinuierliche 5-FU-Gabe vs. Bolus 5-FU<br />

Die kontinuierliche 5-FU-Gabe während der allerdings postoperativen Strahlentherapie war einer 5-FU-Bolusgabe<br />

überlegen im Hinblick auf krankheitsfreies <strong>und</strong> Gesamtüberleben in der adjuvanten Situation (O´Connell MJ et al. N<br />

Engl J Med 1994; 331:502-71). Diese Daten wurden in der INT-0144, in der 5-FU mit Folinsäure/Levamisol<br />

kombiniert wurde, nicht bestätigt. Die 5-FU-Bolus-Applikation war der 5-FU-Dauerinfusion nicht unterlegen<br />

(Smalley et al. J Clin Oncol 2006;24:3542-47).<br />

Capecitabin vs. Bolus 5-FU<br />

Capecitabin ahmt die Pharmakokinetik von kontinuierlichem 5-FU nach, ohne die Nachteile eines zentralvenösen<br />

Zugangs <strong>und</strong> der erschwerten Applikation. In mehreren Phase-II-Studien wurde Capecitabin in der präoperativen<br />

Radio-/Chemotherapie evaluiert. Die Toxizität bestand vorwiegend in Diarrhoe <strong>und</strong> Hand-Fuß-Syndrom. Die<br />

pathologisch kompletten Remissionen betrugen 4-25%.<br />

Eine retrospektive Analyse, die in der neoadjuvanten Situation eine kontinuierliche 5-FU-Gabe mit einer oralen<br />

Capecitabin-Therapie verglich, wurde kürzlich veröffentlicht (Saif M.W. et al Int J Colo Dis 2008;23:139-145). Bei<br />

insgesamt 345 Patienten im Capecitabin-Arm versus 197 Patienten im 5-FU-Arm war die komplette Remissionsrate<br />

für Capecitabin mit 25 versus 13% signifikant höher bei vertretbarer Toxizität. Die Autoren schlussfolgern, dass eine<br />

Kombination von Capecitabin mit der Radiatio berechtigt ist.<br />

Prognostischer Wert einer pCR nach RCT (Capirci C et al. Int J Radiot Oncol Biol Phys 2008;72:99-107)<br />

Aktuell wurden Langzeitergebnisse von 566 Patienten publiziert, die bei lokal fortgeschrittenem<br />

Rektumkarzinom nach Radio-/Chemotherapie (RCT) eine pathologisch komplette Remission erreicht hatten.<br />

Bei einem medianen Follow-up von 47 Monaten zeigten diese Patienten ein 5-Jahres-DFS von 85% <strong>und</strong> ein<br />

5-Jahres Gesamtüberleben von 90%. Lokalrezidive wurden nur bei 1,6%, Metastasen nur bei 8,9%<br />

nachgewiesen.<br />

Neoadjuvante Radio-/Chemotherapie mit 2er Chemotherapie-Kombinationen<br />

Eine große Zahl von Phase-II-Studien mit Capecitabin + Oxaliplatin oder Capecitabin + Irinotecan zeigte<br />

pathologische Komplettremissionen in einer Größenordnung von 20%, aber auch eine erhöhte Akuttoxizität.<br />

Phase-II-Studie der AIO/CAO/ARO-04 (Rödel C. et al., J Clin Oncol 2007; 25:110-117)<br />

Multizentrische Studie für fortgeschrittene Rektumkarzinome (T3/T4 oder N+), die eine präoperative Radio-<br />

/Chemotherapie mit Capecitabine <strong>und</strong> Oxaliplatin (Capecitabin 1650 mg/m2 d1-14 <strong>und</strong> d22-35, Oxaliplatin 50<br />

mg/m2 d1,8,22 <strong>und</strong> 29) plus 4 adjuvante Chemotherapiezyklen mit XELOX (Capecitabin 1000 mg/m2, 2x tgl. d1-14,<br />

Oxaliplatin 130 mg/m2 d1, WH d 22) evaluierte. Nach XELOX-RT wurden 103 von 104 Patienten operiert. Eine<br />

komplette pathologische Remission (pCR) erreichten 17 Patienten (16%), ein Patient zeigte eine ypT0N1-Remission,<br />

53 Patienten zeigten eine mehr als 50%ige Tumorregression. Bei 95% konnte eine R0-Resektion <strong>und</strong> bei 77% ein<br />

Sphinktererhalt erreicht werden. Die präoperative Therapie konnte bei 96% der Patienten ohne Dosisreduktion<br />

appliziert werden. Die Grad-3/4-Diarrhoe betrug 12% präoperativ. 60% der Patienten erhielten alle 4 XELOX-<br />

Zyklen. Haupt-Toxizitäten bestanden in einer Grad-3/4-Neuropathie mit 18% <strong>und</strong> Grad-3/4-Durchfall mit 12%.<br />

Aufgr<strong>und</strong> dieser Daten wurde die neue Phase-III-Studie AIO/CAO/ARO-04 initiiert.<br />

EXPERT-Studie (Chau I et al., J Clin Oncol 2006; 24: 668-74)<br />

XELOX → RT/Xeloda Nach CT (n = 68) Nach RCT(n = 70)<br />

Komplette Remission 3 (4%) 14 (20%)<br />

Partielle Remission 57(84% 54 (77%)<br />

No Change 8(12%) 2(3%)<br />

Progression - -<br />

In dieser Phase-II-Studie wurde eine<br />

neoadjuvante Chemotherapie (CT) mit 4<br />

Zyklen XELOX noch vor der präoperativen<br />

Radio-/Chemotherapie (RCT) mit Xeloda<br />

platziert. Dieses Vorgehen wurde mit einer<br />

mangelhaften Chemotherapie Compliance im<br />

postoperativen Ansatz begründet.<br />

265


Rektumkarzinom<br />

Neoadjuvante Therapie – Adjuvante Chemotherapie<br />

Neoadjuvante Radio-/Chemotherapie mit 3er Chemotherapie-Kombination<br />

Die Lyon R-02-01-Studie zu einer 3er Chemotherapie-Kombination, nämlich CAPIRINOX (Capecitabin, Oxaliplatin,<br />

Irinotecan) zur Bestrahlung hinzu musste wegen erhöhter Toxizität abgebrochen werden. Die Kombination von<br />

Capecitabin <strong>und</strong> Irinotecan war mit einer tolerablen Toxizität durchführbar. Die Hinzunahme von Oxaliplatin erhöhte<br />

die Grad-3/4-Toxizität auf zwei Drittel (Heudel et al. Clin Coll Radiol 2008).<br />

Neoadjuvante Radio-/Chemotherapie mit Biologicals <strong>und</strong> Chemotherapie<br />

Die meisten Daten zur Kombination von Biologicals mit einer Chemotherapie liegen für Cetuximab-Kombinationen<br />

vor. Die bisher publizierten Komplettremissionsraten lagen nur in einer Größenordnung von 10% <strong>und</strong> damit eher<br />

niedriger als bei dem identischen Regime ohne Cetuximab. Dies wirft viele Fragen auf, die in weiteren Studien<br />

geklärt werden müssen.<br />

In der Studie von Willet (ASCO 2007, Abstr. 4041) mit Bevacizumab <strong>und</strong> 5-FU kam es zu einer Reduktion der<br />

Tumorgröße präop. von 4,7 cm auf 2,4 cm postoperativ. Die 22 Patienten wurden mit MRT gestaget. Die Operation<br />

wurde 7-9 Wochen nach RCT durchgeführt. Bei 6 Patienten kam es postoperativ zu adverse events mit<br />

Lungenembolie, Blutung <strong>und</strong> Perforation. Die pCR-Rate lag bei 20%. Auch hier sind weitere Studien erforderlich.<br />

Autor n Antikörper Chemoth. RT (Gy) Diarrhoe (Grd. 3) pCR (n)<br />

Machiels 2006 20 Cetuximab Capecitabin 45 15% 2/19<br />

Chung 2006 20 Cetuximab 5-FU 50,4 10% 2/17<br />

Rödel 2007 58 Cetuximab CapOx 50,4 19% 4/45<br />

Czito 2006 13 Bevacizumab CapOx 50,4 27% 2/11<br />

Willet 2007 22 Bevacizumab 5-FU 50,4 ca. 20% 5/22<br />

Hong 2007 40 Cetuximab Capiri 50,4 5% 9/39<br />

Hofheinz 2008 63 Cetuximab Capiri 50,4 30% 7/63<br />

Adjuvante Chemotherapie nach neoadjuvanter Therapie<br />

Als Folge der verbesserten Chirurgie <strong>und</strong> Bestrahlung betragen die Lokalrezidivraten nicht mehr als 6-12%. Die<br />

Verbesserung der lokalen Kontrolle hat bisher jedoch nicht zu einer Verbesserung des Gesamtüberlebens geführt. Es<br />

liegt nach 5 Jahren nach wie vor bei nur 65-67%. Diese Ergebnisse sind unbefriedigend. Trotzdem ist der Wert der<br />

adjuvanten Chemotherapie beim Rektumkarzinom noch nicht eindeutig belegt. Das Bolus-5-FU-Schema in der<br />

AIO/CAO/ARO-94-Studie stammt aus der Ära der postoperativen Strahlentherapie <strong>und</strong> ist somit nicht evidenzbasiert.<br />

Die EORTC-Studie 22921 (siehe vorhergehende Seiten) hat als einzige Studie den Einfluss einer adjuvanten 5-<br />

FU/Folinsäure Therapie auf das Überleben untersucht. Es fand sich<br />

kein signifikanter Vorteil hinsichtlich des 5-Jahres-Überlebens (67,2<br />

vs. 63,2%), wobei sich die Kaplan-Meier-Kurven nach diesem<br />

Zeitintervall trennen <strong>und</strong> der Benefit immerhin 4% beträgt.<br />

Eine Subgruppenanalyse dieser Studie zeigte, dass Patienten, die ein<br />

T-Downsizing zeigten, von der Fortsetzung der 5-FU-Therapie<br />

profitierten, während Patienten mit ypT3 oder ypT4, von der<br />

Fortsetzung der Chemotherapie keinen Benefit hatten (Colette et al., J<br />

Clin Oncol 2007;25:4379-4386). Eine weitere Analyse der Daten<br />

zeigte aber, dass sich der Benefit auf Patienten bezog, die neoadjuvant nicht chemotherapiert worden waren, <strong>und</strong><br />

dass Patienten nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie bei Vorliegen eines pN0-Status von der Fortsetzung<br />

der Chemotherapie nicht profitierten (Colette et al. J Clin Oncol 2008;26:508).<br />

Nach Kurzzeit-Radiatio mit 5x5 Gy existieren keine Daten über den Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der unbefriedigenden Überlebensdaten wird man auf eine adjuvante Chemotherapie auf 5-FU-Basis<br />

schwerlich verzichten, auch wenn die Evidenz sehr dürftig ist. Es ist nach wie vor jedoch unklar, welche Patienten<br />

von dieser Therapie profitieren. Die derzeit laufenden Phase-III-Studien prüfen den Einsatz von Oxaliplatin in<br />

Kombination mit dem oralen Fluoropyrimidin Capecitabin, mit den Substanzen also, die sich beim Kolonkarzinom<br />

bereits als adjuvante Chemotherapie etabliert haben.<br />

Die neoadjuvante Radio-/Chemotherapie sollte im Regelfall mit (oralem) 5-FU durchgeführt werden. Zum Einsatz<br />

von 2er-Kombinationen fehlen randomisierte Daten. Biologicals sollten außerhalb von Studien nicht eingesetzt<br />

werden. Nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie sollte laut S3-Leitlinie eine adjuvante Chemotherapie mit 5-<br />

FU unabhängig vom postoperativen Tumorstadium erfolgen. Nach 5-FU-Kurzzeit-Bestrahlung gibt die S3-Leitlinie<br />

keine Empfehlung. Analogschlüsse <strong>und</strong> Expertenmeinung legen eine adjuvante Chemotherapie analog dem<br />

Kolonkarzinom nahe.<br />

266


Rektumkarzinom<br />

Adjuvante Therapie, S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Adjuvante Therapie bei primärer Operation (ohne neoadjuvante Therapie)<br />

Stadium I<br />

Im Stadium I ist nach R0-Resektion eine adjuvante Therapie nicht indiziert.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

In allen randomisierten Studien zur adjuvanten Therapie waren Patienten mit Stadium UICC I wegen insgesamt<br />

niedriger Lokalrezidiv- <strong>und</strong> Fernmetastasierungsraten ausgeschlossen worden.<br />

Stadium II<br />

Bei Patienten im UICC-Stadium II <strong>und</strong> III, die keine neoadjuvante Radio-/Chemotherapie oder Kurzzeit-<br />

Radiotherapie erhalten haben, soll eine adjuvante Radio-/Chemotherapie erfolgen.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

Durch Hinzunahme der Chemotherapie zu einer postoperativen Bestrahlung konnten sowohl die Lokalrezidivrate<br />

gesenkt als auch das Gesamtüberleben im Vergleich zur alleinigen (konventionellen) Operation verbessert<br />

werden. Daten zum Nutzen einer adjuvanten Radio-/Chemotherapie nach pathologisch bestätigter adäquater<br />

Mesorektumexzision <strong>und</strong> einem Abstand des Tumors zum circumferentiellen Resektionsrand von mehr als 1 mm<br />

liegen bislang nicht vor. Die Lokalrezidivraten werden hier auch ohne zusätzliche adjuvante Therapie mit global<br />

unter 10% angegeben, können aber für Subgruppen, z.B. im unteren Rektumdrittel, auch höher liegen. Patienten<br />

mit Tumoren im UICC-Stadium II <strong>und</strong> III sollten in randomisierte Studien eingebracht werden. Dabei wäre zu<br />

klären, ob es nach qualitätsgesicherter Chirurgie Subgruppen von Patienten gibt (z.B. pT3N0-Tumoren mit<br />

geringer Infiltration ins perirektale Fettgewebe oder pT1/2-N+-Tumoren), die ein dem UICC-Stadium I<br />

vergleichbares Rezidivrisiko haben <strong>und</strong> daher von einer adjuvanten Radio- <strong>und</strong> Chemotherapie nicht profitieren.<br />

In der bislang nur als Abstract publizierten britischen MRC-CR07-Studie hat sich gezeigt, dass ein<br />

risikoadaptiertes Vorgehen (postoperative Radio-/Chemotherapie nur bei Patienten mit positivem<br />

circumferentiellen Resektionsrand nach TME) im Vergleich zu einer generellen präoperativen Radiotherapie mit<br />

5x5 Gy für alle Rektumkarzinome hisichtlich der lokalen Kontrolle <strong>und</strong> dem krankheitsfreien Überleben<br />

signifikant unterlegen ist.<br />

Additive Therapie nach R1-Resektion<br />

Nach R1-Resektion oder intraoperativem Tumoreinriss sollte postoperativ Radio-/Chemotherapiert werden,<br />

falls keine neoadjuvante Radio(chemo)therapie vorangegangen ist.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 4, starker Konsens<br />

Ablauf der adjuvanten Therapie<br />

Die adjuvante Therapie sollte 4-6 Wochen nach Operation beginnen.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3a, starker Konsens<br />

Die Strahlentherapie kann zeitgleich zum 1. <strong>und</strong> 2. Chemotherapiezyklus oder zum 3. <strong>und</strong> 4. Zyklus erfolgen.<br />

Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens<br />

Die Strahlentherapie soll mit einer 5-FU-Monochemotherapie kombiniert werden.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.<br />

Standard für die adjuvante Therapie des Rektumkarzinoms ist die kombinierte Radio-/Chemotherapie. Eine<br />

Indikation für eine alleinige (adjuvante) Chemo- oder Radiotherapie beim Rektumkarzinom besteht nicht.<br />

Eine Ausnahme stellt nur die Kontraindikation gegen eine der beiden Therapieformen dar.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.<br />

267


Rektumkarzinom<br />

Adjuvante Th. nach neoadjuvanter Th., S3-Leitlinie 2004/08<br />

Adjuvante Therapie nach neoadjuvanter Radiotherapie oder Radio-<br />

/Chemotherapie<br />

Nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie ist eine adjuvante Chemotherapie unabhängig vom<br />

postoperativen Tumorstadium (also auch bei kompletter Remission oder UICC-Stadium I <strong>und</strong> II)<br />

indiziert.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>lage dieser Empfehlung ist, dass die adjuvante Chemotherapie obligater Bestandteil der<br />

CAO/ARO/AIO-94-Studie sowie der FFCD-9203-Studie nach erfolgter präoperativer Radio-<br />

/Chemotherapie war. Die EORTC (22921) randomisierte in einer vierarmigen Studie <strong>und</strong> einem<br />

„two-by-two factorial design“ zwischen einer postoperativen Chemotherapie <strong>und</strong> keiner<br />

postoperativen Chemotherapie nach präoperativer Radiotherapie oder Radio-/Chemotherapie. Die<br />

postoperative Chemotherapie führte zwar nicht zu einer statistisch signifikanten<br />

Überlebensverbesserung. Der Überlebensbenefit betrug jedoch 6% absolut für das progressionsfreie<br />

<strong>und</strong> 4% für das Gesamtüberleben <strong>und</strong> wurde mit einer vergleichsweise wenig toxischen Therapie<br />

erzielt. Subgruppenanalysen zeigen, dass die adjuvante Chemotherapie insbesondere für diejenige<br />

Patientengruppe einen signifikanten Überlebensvorteil ergab, die nach präoperativer Therapie eine<br />

histopathologische ypT0/1/2-Kategorie aufwiesen. In den Studien zur präoperativen Kurzzeit-<br />

Radiotherapie mit 5x5 Gy wurde generell keine adjuvante Chemotherapie appliziert. Eine aktuelle<br />

holländische Phase-III-Studie randomisiert derzeit nach 5 x 5 Gy <strong>und</strong> Operation zwischen einer<br />

adjuvanten Chemotherapie mit Capecitabin <strong>und</strong> Beobachtung.<br />

Die adjuvante Chemotherapie sollte entweder als 5-FU-Monotherapie oder als Kombination aus 5-<br />

FU/Folinsäure durchgeführt werden.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

In der CAO/ARO/AIO-94-Studie wurden 4 Zyklen adjuvanter Chemotherapie mit 5-FU in einer<br />

Dosierung von 500 mg/m2 als i.v. Bolus über 5 Tage alle 4 Wochen verabreicht. In der EORTC-<br />

22921- <strong>und</strong> FFCD-9203-Studie erhielten die Patienten 4 Zyklen einer adjuvanten Chemotherapie mit<br />

5-FU in einer Dosierung von 350 mg/m2/Tag <strong>und</strong> Folinsäure in einer Dosierung von 20 mg/m2/Tag<br />

über jeweils 5 Tage alle 4 Wochen.<br />

Anmerkung<br />

Die Leitlinie gibt keinerlei Empfehlung für eine adjuvante Therapie nach Kurzzeit-Radiatio.<br />

Siehe auch Therapiealgorithmus Rektumkarzinom.<br />

Empfehlung Stadium IV S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Beim synchron metastasierten Rektumkarzinom gibt es keine Standardempfehlung zum<br />

therapeutischen Vorgehen. Die Prognose der Erkrankung wird im Regelfall durch die systemische<br />

Metastasierung bestimmt. Daher sollte bei irresektablen Fernmetastasen primär eine systemische<br />

Kombinationstherapie eingesetzt werden, sofern nicht Symptome durch den Primärtumor zu einem<br />

anderen Vorgehen zwingen. Falls eine primäre Radio-/Chemotherapie durchgeführt wird, sollte vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> der systemischen Metastasierung eine intensivierte Kombinationstherapie<br />

eingesetzt werden.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 5, starker Konsens<br />

268


Rektumkarzinom<br />

Postoperative Radio-/Chemotherapie, Studienergebnisse<br />

Die in den 80er Jahren verfügbaren Daten zeigten bei Rektumkarzinomen mit Ausbreitung über die Darmwand<br />

hinaus oder mit Lymphknotenmetastasierung (T3-T4/N+) hohe Tumorrezidivraten mit ungünstigen<br />

Überlebensraten nach alleiniger Operation. Nachdem in amerikanischen Studien in den 80er Jahren zunächst<br />

eine effektive Reduktion der Rate an pelvinen Tumorrezidiven durch eine postoperative Strahlentherapie <strong>und</strong><br />

später dann durch eine kombinierte Radio-/Chemotherapie eine Verbesserung des Gesamtüberlebens<br />

nachgewiesen werden konnte, war die postoperative adjuvante Radio-/Chemotherapie bis vor kurzem die<br />

Standardbehandlung nach der Tumorexstirpation bei lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom. Jetzt besteht die<br />

Standardbehandlung in einer präoperativen neoadjuvanten Radiotherapie bzw. Radio-/Chemotherapie (siehe<br />

vorangehende Seiten).<br />

Ziele der adjuvanten Therapie des Rektumkarzinoms<br />

1. die Senkung der lokoregionären Rezidivrate <strong>und</strong><br />

2. die Verhinderung einer Fernmetastasierung.<br />

In den Stadien UICC II <strong>und</strong> III liegt die Lokalrezidivrate zwischen 10-35%. Ein Lokalrezidiv geht mit einer<br />

erheblichen Morbidität <strong>und</strong> Letalität einher. Eine postoperative Bestrahlung senkt die Lokalrezidivrate. Die<br />

systemische Chemotherapie ist für die Reduktion der Metastasierung von wesentlicher Bedeutung.<br />

Studienergebnisse<br />

Die randomisierten Studien der GITSG (GITCG, N Engl J Med 1985;312:1465-72,) <strong>und</strong> der Mayo/NCCTG (Krook JE et<br />

al. N Engl J Med 1991;324:709-15) zeigten erstmals, dass eine Kombination von postoperativer Chemo- <strong>und</strong><br />

Strahlentherapie bei Patienten im UICC-Stadium II <strong>und</strong> III nicht nur die Lokalrezidivrate senkt, sondern auch<br />

Studie<br />

Lokalrezidivrate<br />

(%)<br />

5-Jahres-<br />

Überleben (%)<br />

GITSG 7175 (n=104)<br />

OP 24 44<br />

OP + RT 20 52<br />

OP + CHT 27 50<br />

OP + RT/CHT 11 59<br />

NCCTG 794751 (n=204)<br />

OP + RT 25 48<br />

OP + RT/CHT 13 57<br />

O´Connel et al. (n=606)<br />

OP + RT/CHT (5-FU kontin.) 8 70<br />

OP + RT/CHT (5-FU-Bolus) 12 60<br />

das Gesamtüberleben signifikant verbessert.<br />

In beiden Studien wurde postoperativ eine<br />

Chemotherapie mit 5-FU <strong>und</strong> Methyl-<br />

CCNU eingesetzt. Parallel zur<br />

Strahlentherapie erfolgte eine 5-FU-Bolus-<br />

Chemotherapie. Gegenüber der<br />

Kontrollgruppe konnten das relative Risiko<br />

für ein Lokalrezidiv halbiert <strong>und</strong> die<br />

Gesamtüberlebensrate um 10-15%<br />

gesteigert werden.<br />

Nachfolgestudien zeigten, dass Methyl-<br />

CCNU keine Verbesserung der Wirkung im<br />

Vergleich zu 5-FU alleine erbringt.<br />

Durch die Gabe von 5-FU als<br />

kontinuierliche Infusion während der<br />

postoperativen Strahlentherapie konnte im<br />

Vergleich mit der 5-FU-Bolusinjektion die<br />

4-Jahresüberlebensrate signifikant gesteigert werden (O´Connell MJ et al. N Engl J Med 1994; 331:502-71).<br />

Alleinige Chemotherapie versus kombinierte Radio-/Chemotherapie<br />

Die NSABP-R02-Studie verglich eine postoperative Radio-/Chemotherapie mit einer adjuvanten Chemotherapie<br />

ohne Bestrahlung bei Patienten im Stadium II <strong>und</strong> III. Die Radio-/Chemotherapie konnte gegenüber der<br />

alleinigen Chemotherapie die Lokalrezidivrate nach 5 Jahren zwar signifikant von 13 auf 8% senken, trotzdem<br />

reichte dieser Gewinn an lokaler Tumorkontrolle nicht aus, um einen Überlebensvorteil nachzuweisen (62%<br />

Gesamtüberleben in beiden Armen). Leukovorin in Kombination mit 5-FU <strong>und</strong> Bestrahlung erhöht die<br />

Toxizität, ohne nach den vorläufigen Daten die Wirksamkeit zu erhöhen.<br />

Koreanische Studie zum frühzeitigen Beginn der adjuvanten Radiotherapie<br />

(Lee J.H. et al., JCO 2002;20:1751-58).<br />

Diese Studie zeigte initial, dass bei ansonsten völlig identischer Behandlung allein durch den frühzeitigen<br />

Beginn der Radiotherapie zeitgleich mit den ersten beiden postoperativen Chemotherapiekursen ein signifikant<br />

verbessertes krankheitsfreies Überleben erreicht wird. Ein Update der Studie konnte diese Daten jedoch nicht<br />

bestätigen (Kim et al. ASCO 2007, Abstr. 4050).<br />

Tumor- <strong>und</strong> strahlenbiologische Gründe sprechen trotzdem für ein eher enges zeitliches Intervall zwischen<br />

Operation <strong>und</strong> adjuvanter Radiatio.<br />

269


Rektumkarzinom<br />

Adjuvante, postoperative Therapie, Durchführung<br />

Indikation<br />

UICC-Stadium II,III (T 3 , T 4 , N 1-3 , M o ) mit erhöhtem Lokalrezidivrisiko.<br />

Therapiebeginn innerhalb von 4-6 Wochen<br />

Voraussetzung<br />

R0-Resektion, guter Allgemeinzustand (WHO 0-1), Ausschluss von Metastasen (Rö-Thorax, abdominelle<br />

Sonographie). Adäquate Patientenaufklärung.<br />

Durchführung<br />

Nach den S3-Leitlinien stehen drei Therapieschemata alternativ zur Auswahl.<br />

1. O’Connell-Schema mit kontinuierlicher 5-FU-Infusion während der Strahlentherapie<br />

2. CAO/ARO/AIO-Studien-94-Protokoll (Sauer et al.)<br />

3. NCI-Protokoll mit 5-FU ausschließlich als Bolusinjektionen<br />

5-FU-kontinuierliche Infusion/Strahlentherapie (O’Connel et al. N Engl J Med 1994; 331:502–7)<br />

Woche 1 + 5 5-FU 500 mg/m²/d i.v. Bolus (< 5 min) d 1 – 5<br />

Woche 9-13<br />

Strahlentherapie<br />

Chemotherapie<br />

Parallel zur RT<br />

Woche 18 + 22<br />

(4 Wochen nach RT)<br />

5-FU<br />

45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett<br />

225 mg/m²/d<br />

Kontinuierliche Infusion während der<br />

Bestrahlung (an allen Tagen)<br />

5-FU 450 mg/m² i.v. Bolus d 1 – 5<br />

CAO/ARO/AIO-Studie-94<br />

Woche 1 - 6<br />

Strahlentherapie<br />

50,4 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett<br />

(Erlanger-Protokoll, R.Sauer et al.)<br />

Woche 1+ 5<br />

Chemotherapie<br />

Woche 10, 14, 18, 22<br />

(4 Wochen nach RT)<br />

5-FU<br />

1000 mg/m²/d<br />

Kontinuierliche Infusion über 120 Std.<br />

(Tag 1-5 <strong>und</strong> Tag 29-33 der Bestrahlung)<br />

5-FU 500 mg/m²/d i.v. Bolus d 1 – 5<br />

5-FU-Bolus/Strahlentherapie<br />

(NCI-Protokoll)<br />

Woche 1 + 5 5-FU 500 mg/m²/d i.v. Bolus d 1 – 5<br />

Woche 9- 13<br />

Strahlentherapie<br />

Woche 9 + 13<br />

(Woche 1 + 5 der RT)<br />

Woche 18 + 22<br />

(Woche 4 + 8 nach RT)<br />

45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett<br />

5-FU 500 mg/m²/d i.v. Bolus D 1 - 3<br />

5-FU 450 mg/m² i.v. Bolus d 1 – 5<br />

Für das CAO/ARO/AIO-Protokoll sprechen das zeitlich enge Intervall zwischen Operation <strong>und</strong><br />

Strahlentherapie, das tumor- <strong>und</strong> strahlenbiologisch sinnvoll ist, sowie die Praktikabilität der Durchführung.<br />

Beachte: Für die Dauerinfusion besteht die Notwendigkeit eines zentralvenösen Zugangs (meist Port) mit einem<br />

Pumpsystem. Hauptnebenwirkungen der Dauerinfusion sind Diarrhoen. Unter der Bolus-5-FU-Therapie treten<br />

häufiger Leukopenien <strong>und</strong> Stomatitis auf.<br />

270


Rektumkarzinom<br />

CAO/AIO/ARO-04, Gemeinschaftsstudie I<br />

Studientitel<br />

Präoperative Radio-/Chemotherapie <strong>und</strong> adjuvante Chemotherapie mit Capecitabin plus Oxaliplatin im Vergleich zu<br />

einer präoperativen Radio-/Chemotherapie <strong>und</strong> adjuvanten Chemotherapie mit 5-Fluorouracil beim lokal<br />

fortgeschrittenen Rektumkarzinom im UICC-Stadium II <strong>und</strong> III. Eine prospektiv randomisierte, multizentrische<br />

Phase-III-Studie der chirurgischen, internistischen <strong>und</strong> radiotherapeutischen Arbeitsgemeinschaften<br />

(CAO/AIO/ARO). Die CAO/ARO/AIO-Studiengruppe <strong>und</strong> die FOGT-Studiengruppe schließen sich zur German<br />

Rectal Cancer Study Group zusammen.<br />

Studienziele<br />

Primärer Endpunkt ist das Disease-free-Survival nach 3 Jahren. Sek<strong>und</strong>äre Ziele sind: R0-Resektionsrate, Rate an<br />

sphinktererhaltenden Operationen, Tumorregression nach neoadjuvanter Therapie, Inzidenz an Lokalrezidiven <strong>und</strong><br />

Fernmetastasen, Gesamtüberleben nach 5 J., Akut- <strong>und</strong> Spättoxizität der Radio- <strong>und</strong> Chemotherapie.<br />

Status der Studie: gestartet 19.07.2006<br />

Studienleitung <strong>und</strong> Studienzentrale<br />

Prof. Dr. R. Sauer<br />

Priv.-Doz. Dr. C. Rödel<br />

<strong>Klinik</strong> <strong>und</strong> Poliklinik für Strahlentherapie<br />

<strong>Klinik</strong> <strong>und</strong> Poliklinik für Strahlentherapie<br />

Friedrich-Alexander-Univeristät Erlangen-Nürnberg Univeristät Erlangen-Nürnberg<br />

Universitätsstr. 27 Universitätsstr. 27<br />

91054 Erlangen 91054 Erlangen<br />

Tel. 09131/8533405, Fax: 09131/8539335<br />

Telefon <strong>und</strong> Fax wie Studienleitung<br />

Email: sekretariat@strahlen.med.uni-erlangen.de<br />

claus.roedel@strahlen.med.uni-erlangen.de<br />

Einschlusskriterien<br />

Alter mindestens 18 Jahre, keine obere Altersgrenze<br />

Histologisch gesichertes, fortgeschrittenes primäres Rektumkarzinom bis 16 cm von der Anokutanlinie (gemessen<br />

mit einem starren Rektoskop), endosonographisch uT3-4 oder uN+, oder klinische Einteilung nach Mason III/IV<br />

ohne synchrone Fernmetastasen<br />

Keine Vorbehandlung außer primärer Anus praeter-Anlage (z.B. wegen drohendem Ileus)<br />

ECOG-Status ≤ 2<br />

Ausreichende Knochenmarkfunktion (Leuko > 3,5 G/l, Neutro > 1,5 G/l, Thrombo > 100 G/l, Hb > 10 g/dl)<br />

Ausreichende Leberfunktion: Bilirubin < 2,0 mg/dl; GOT, GPT, AP, GGT < 3 x oberer Normwert (ONW)<br />

Serumkreatinin < 1,5 mg/dl, Kreatinin-Clearance > 50 ml/min<br />

Patienten, die die Inhalte des Protokolls verstanden u. schriftlich ihr Teilnahmeeinverständnis erklärt haben<br />

Ausschlusskriterien<br />

Schwangere oder stillende Frauen sowie gebär- bzw. zeugungsfähige Menschen, die nicht zu konsequenten<br />

Verhütungsmaßnahmen während der Therapie willens oder in der Lage sind<br />

Zurückliegender oder andauernder Drogen-, Medikamenten- oder Alkoholmissbrauch<br />

Frühere Chemotherapie oder Radiotherapie des Beckens<br />

Gleichzeitige oder innerhalb von 4 Wochen liegende Teilnahme an einer anderen Studie mit einem oder mehreren in<br />

Erprobung befindlichen Medikamenten<br />

Gleichzeitige Therapie mit anderen Antitumormitteln<br />

Patienten, die nicht in der Lage sind, sich protokollgerecht behandeln sowie nachuntersuchen zu lassen<br />

Patienten mit unkontrollierten schwerwiegenden, körperlichen oder geistigen Erkrankungen, z.B.:<br />

Instabile kardiale Erkrankung trotz medikamentöser Behandlung, Myokardinfarkt innerhalb von 6 Monaten vor<br />

Studienbeginn<br />

Neurologische oder psychiatrische Störungen, incl. Demenz <strong>und</strong> Anfallsleiden, Polyneuropathie Grad ≥ 2<br />

Aktive, nicht-kontrollierbare Infektion oder Sepsis, aktive disseminierte intravasale Gerinnungsstörung<br />

Patienten mit Zweitmalignomen mit Ausnahme des Basalzellkarzinoms der Haut oder des Carcinoma in situ der<br />

Zervix, die erfolgreich behandelt wurden<br />

Der Einschluss von Patienten mit anderen Tumoren, die erfolgreich behandelt wurden <strong>und</strong> innerhalb der letzten<br />

5 Jahre nicht wieder aufgetreten sind, muss mit dem LKP diskutiert werden<br />

Chronische Diarrhoe (> NCI CTC-Grad 1)<br />

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder andere Störungen, die die Medikamentenresorption beeinträchtigen.<br />

Dazu zählen das Dumping-Syndrom, Hinweise auf beschleunigte Dünndarmpassage, Hinweise auf<br />

Resorptionsstörungen nach Magen- oder Darmoperationen<br />

Überempfindlichkeit gegenüber Oxaliplatin<br />

Gleichzeitige Behandlung mit Sorivudin <strong>und</strong> Analoga<br />

Bekannte Defizienz der Dehydropyrimidindehydrogenase (DPD)<br />

271


Rektumkarzinom<br />

CAO/AIO/ARO-04, Gemeinschaftsstudie II<br />

Studienschema<br />

Es sollen 600 Patienten je Arm eingeschlossen werden. Die Chemotherapie beginnt in beiden Armen am Tag 1<br />

der Radiatio <strong>und</strong> wird auf maximal 2 m 2 Körperoberfläche limitiert.<br />

Therapieplan<br />

d29-33<br />

Verlaufsuntersuchungen<br />

Untersuchung<br />

Einwilligung<br />

Anamnese incl.<br />

Medikation,<br />

Endosonographie<br />

Starre<br />

Rektoskopie mit<br />

Biopsie<br />

Koloskopie<br />

Rö-Thorax<br />

Sonographie<br />

Vor<br />

Therapie<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

Während Radio-<br />

/Chemotherapie,<br />

wöchentlich<br />

Tag 1,<br />

29<br />

272<br />

Tag 2,<br />

22, Ende<br />

Radiatio<br />

(X)<br />

Während<br />

adjuvanter<br />

Therapie<br />

Präoperativ<br />

Abschlussuntersuchung<br />

CT-Becken X X<br />

Untersuchung<br />

incl ECOG<br />

X X X X X X<br />

Neurologie X X X X<br />

EKG X X<br />

Labor 1) X X X X X<br />

Toxizität X X X X<br />

1) Blutbild mit Diff-BB, Natrium, Kalium, Kalzium, Kreatinin, Harnstoff, Bilirubin, Gesamteiweiß, Albumin, GOT, GPT, LDH, AP,<br />

initial Schwangerschaftstest (Serum oder Urin) bei Frauen im gebärfähigen Alter.<br />

Die Nachsorge erfolgt entsprechend den Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft für kolorektale <strong>Karzinome</strong>.


Rektumkarzinom<br />

PETACC6-Studie<br />

Die PETACC 6-Studie ist eine internationale multizentrische randomisierte Phase-III-Studie im<br />

Rahmen der PETACC in Kooperation mit der EORTC. Die AIO ist die „Leading Group“ der Studie<br />

für Deutschland.<br />

Studientitel<br />

Präoperative Radio-/Chemotherapie <strong>und</strong> postoperative Chemotherapie mit Capecitabin <strong>und</strong> Oxaliplatin<br />

vs. Capecitabin beim lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom<br />

Studienziele<br />

Primärer Endpunkt: Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens durch die zusätzliche Gabe von<br />

Oxaliplatin prä- <strong>und</strong> postoperativ (um absolut 7% nach 3 Jahren)<br />

Sek<strong>und</strong>äre Endpunkte: Verbesserung der Lokalrezidivrate, des Gesamtüberlebens <strong>und</strong> der Rate der<br />

Sphinktererhaltung; R0-Resektionsrate, pathologische Remissionsrate (ypT0-T2N0), perioperative<br />

Komplikationsrate, Fernmetastasierungsrate, Toxizität <strong>und</strong> Lebensqualität.<br />

Therapieplan<br />

Capecitabin <strong>und</strong> Oxaliplatin werden als Studienware kostenfrei zur Verfügung gestellt<br />

Haupteinschlusskriterien<br />

• Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Rektum (Tumor ≤ 12 cm ab ano, d.h. unteres <strong>und</strong><br />

mittleres Drittel<br />

• T3/4 oder N+, keine Fernmetastasen, keine Zweitmalignome (außer Basaliom, Zervixkarzinom,<br />

Rezidivfreiheit > 5 Jahre)<br />

• Tumorstaging durch High-Resolution-MRT, falls nicht vorhanden: CT <strong>und</strong> Endosonographie<br />

• Keine vorherige Chemotherapie oder Bestrahlung des Rektumkarzinoms, keine vorherige<br />

Bestrahlung des Beckens<br />

• Alter ≥ 18 Jahre, ECOG PS ≤ 2<br />

Kontaktadresse<br />

AIO-Studienzentrale<br />

Leiter: Dr. Dirk Arnold<br />

Strasse des 17. Juni 106-108<br />

10623 Berlin<br />

Tel.: 030 / 3229329-33<br />

FAX: 030 / 3229329-43<br />

Email: studienzentrale@aio-portal.de<br />

273


Rektumkarzinom<br />

Mannheimer Studie, Ein-, Ausschlusskriterien<br />

Studientitel<br />

5-Fluorouracil versus Capecitabin in Kombination mit lokaler Strahlentherapie zur neoadjuvanten <strong>und</strong><br />

adjuvanten Therapie des Rektumkarzinoms im Stadium II <strong>und</strong> III. Amendment 1 vom 15.03.2005 mit<br />

Einführung eines neuen Stratums mit neoadjuvantem Vergleich von 5-FU <strong>und</strong> Capecitabin.<br />

Studienrationale <strong>und</strong> Studienziele<br />

Die 2002 begonnene Studie untersuchte initial eine adjuvante Radio-/Chemotherapie, wobei eine<br />

Bolus-5-FU-basierte Behandlung mit einer Capecitabin-haltigen Behandlung verglichen wurde.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Ergebnisse der deutschen Rektumkarzinomstudie (CAO/ARO/AIO-94), die eine Reduktion der<br />

Lokalrezidivrate von 13 auf 6% bei besserer Verträglichkeit zeigte, entschied die Konsensuskonferenz der<br />

Deutschen Krebshilfe/Krebsgesellschaft trotz fehlenden Nachweises eines Überlebensvorteils für eine<br />

prinzipielle Empfehlung der neoadjuvanten Behandlung in den Stadien II <strong>und</strong> III.<br />

Deswegen wurde ein additiver Arm hinzugefügt, der einen neoadjuvanten Vergleich anbietet, gefolgt von einer<br />

postoperativen, adjuvanten Therapie. Der ursprüngliche Arm bleibt gleichwertig parallel bestehen, das jeweilige<br />

Behandlungszentrum kann sich patientenbezogen im Einzelfall entscheiden.<br />

Primäres Studienziel bleibt das Gesamtüberleben nach 3 bzw. 5 Jahren, sek<strong>und</strong>äre Studienziele sind Toxizität<br />

der oralen Therapie, Rezidivraten <strong>und</strong> krankheitsfreies Intervall nach 3 bzw.5 Jahren.<br />

Studienleitung <strong>und</strong> Randomisation<br />

Prof. Dr. A. Hochhaus, Dr. R. Hofheinz Tel: 0621-383 2855<br />

Onkologisches Zentrum Fax: 0621-383 3833<br />

III. Medizinische <strong>Klinik</strong><br />

Universitätsklinikum Mannheim<br />

Theodor-Kutzer-Ufer Tel.: 06221-42-2231 (A. Hellmann)<br />

68167 Mannheim Fax: 06221-42-2397<br />

Einschlusskriterien<br />

Randomisation: Biostatistik DKFZ Heidelberg<br />

• Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Rektums im Tumorstadium UICC II oder III, entsprechend einem TNM-<br />

Stadium T3-4 NO MO bzw. T1-4 N1-2 MO bzw. einem Stadium B 2-3 bzw. C nach der von Astler-Coller modifizierten<br />

Dukes-Klassifikation.<br />

• Als Rektumkarzinome werden alle Dickdarmkarzinome definiert, deren unterer Rand unterhalb der peritonealen<br />

Umschlagfalte bzw. max. 16 cm von der Linea dentata entfernt lokalisiert sind.<br />

• Komplette Tumorresektion (R0) gemäß den Kriterien der totalen mesorektalen Resektion (TME).<br />

• Kein Nachweis von Fernmetastasen, unabhängig davon, ob diese komplett reseziert wurden.<br />

• Intervall zwischen Operation <strong>und</strong> Therapiebeginn nicht größer als sechs Wochen.<br />

• Allgemeinzustand WHO 0-1.<br />

• Alter > 18 Jahre.<br />

• Ausreichende Knochenmarkreserve, definiert als: Leukozyten > 3.500/μl, Thrombozyten > 100.000/μl, Hämoglobin > 10<br />

g/dl.<br />

• Ausreichende Leber- <strong>und</strong> Nierenfunktion, definiert als: Gesamtbilirubin < 2 g/dl, Serumkreatinin < 2 mg/dl<br />

• Schriftliche Einverständniserklärung <strong>und</strong> Compliance des Patienten<br />

• Effektive Kontrazeption<br />

• Keine gleichzeitige Teilnahme an weiteren Studien.<br />

Ausschlusskriterien<br />

• Schwere psychiatrische oder internistische Begleiterkrankung, insbesondere klinisch relevante kardiale Vorschädigung.<br />

• Andere maligne Erkrankungen innerhalb der letzten fünf Jahre mit Ausnahme von Basaliomen <strong>und</strong> erfolgreich<br />

behandelten in-situ-<strong>Karzinome</strong>n der Cervix uteri.<br />

• Schwangerschaft oder Stillzeit, insuffiziente Kontrazeption.<br />

• Gesamtbilirubin > 2g/dl, Serumkreatinin > 2 mg/dl.<br />

• Mangelnde Kooperationsfähigkeit des Patienten.<br />

• Vorausgegangene Immun-, Chemotherapie oder Radiotherapie (des Beckens).<br />

274


Rektumkarzinom<br />

Mannheimer Studie, Ablaufpläne<br />

Behandlungsplan<br />

Die deutsche Krebsgesellschaft empfiehlt aufgr<strong>und</strong> der Ergebnisse der deutschen Rektumkarzinomstudie ein neoadjuvantes Konzept bei<br />

der Behandlung des lokal begrenzten Rektumkarzinoms mit einer postoperativen Therapiefortführung. Dieses Konzept ist jedoch nicht<br />

für jeden Fall anwendbar, da zum einen klinische Situationen eine primäre Operation erforderlich machen (drohender oder kompletter<br />

Ileus, nicht stillbare, relevante Blutungen), zum anderen Patienten erst postoperativ dem Onkologen vorgestellt werden. Capecitabin wird<br />

im Studienrahmen kostenfrei zur Verfügung gestellt.<br />

In der Mannheimer Studie gibt es aus diesem Gr<strong>und</strong> ein adaptiertes Vorgehen, je nach Situation kann das einzelne Zentrum über ein<br />

neoadjuvantes oder adjuvantes Vorgehen selbst entscheiden. Hierzu wird in der Studie stratifiziert:<br />

Stratum 1: Adjuvante Therapie<br />

Adjuvante Behandlung ab 4-8 Wochen postoperativ,<br />

randomisiert mit Bolus-5FU oder Capecitabin mit einer<br />

Arm A<br />

kombinierten Radio-/Chemotherapie nach 2 Zyklen (Infusional-<br />

5-FU oder Capecitabin über die gesamte Bestrahlungsdauer).<br />

Bei Bolus-5-FU folgen nach Radiatio noch zwei weitere Zyklen,<br />

im Capecitabin-Arm 3 weitere Zyklen, um eine vergleichbare<br />

Zeitdauer <strong>und</strong> Dosisintensität zu erreichen.<br />

Capecitabin (Studienware) wird auf die nächstniedrigere Dosis,<br />

Arm B<br />

die aus den Tabletten (150/500mg) kombinierbar ist,<br />

abger<strong>und</strong>et, die höhere Dosis sollte morgens genommen werden.<br />

AdjuvanteTherapie (Stratum 1) Arm A (O’Connel-Schema)<br />

Woche 1 + 5 5-FU 500 mg/m²/d i.v. Bolus (< 5 min) d 1 – 5<br />

Woche 9-13<br />

Strahlentherapie<br />

Chemotherapie<br />

Parallel zur RT<br />

Woche 18 + 22<br />

(4 Wochen nach RT)<br />

5-FU<br />

45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett<br />

225 mg/m²/d<br />

275<br />

Kontinuierliche Infusion während der Bestrahlung (an<br />

allen Tagen)<br />

5-FU 450 mg/m²/d i.v. Bolus d 1 – 5<br />

AdjuvanteTherapie (Stratum 1) Arm B (experimenteller Xeloda-Arm)<br />

Woche 1 + 4 Xeloda (150/500mg) 2 x 1250 mg/m²/d p.o. (morgens u. abends) d 1 – 14<br />

Woche 9-13<br />

Strahlentherapie<br />

Chemotherapie<br />

Parallel zur RT<br />

Woche 18 + 21 + 24<br />

(4 Wochen nach RT)<br />

Stratum 2: Neoadjuvante Therapie<br />

Arm B<br />

45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett<br />

Xeloda (150/500) 2 x 825 mg/m²/d während der Bestrahlung (an allen Tagen)<br />

Xeloda (150/500) 2 x 1250 mg/m²/d p.o. d 1 – 14<br />

W och en 1 5 9 13 17 21<br />

Arm A<br />

S2<br />

Radiotherapie 50,4<br />

5-FU (120 h )<br />

5000mg/m 2<br />

Radiotherapie 50,4 Gy<br />

Capecitabin 2500mg/m 2 /d (während Radiatio 1650mg/m 2 )<br />

OP<br />

Pause<br />

4-6<br />

Wochen<br />

OP<br />

Pause<br />

4-6<br />

Wochen<br />

Neoadjuvante Therapie mit einer kombinierten Radio-<br />

Chemotherapie, randomisiert mit Infusional-5-FU oder<br />

Capecitabin. Hierbei wird im Arm A Infusional-5-FU über<br />

jeweils 120h in den Wochen 1 <strong>und</strong> 5 der Radiatio gegeben<br />

(alternativ nach Rücksprache durchgehend 225 mg/m 2 /d),<br />

Capecitabin wird im experimentellen Arm B durchgehend in<br />

reduzierter Dosis verabreicht. 4-6 Wochen postoperativ folgt je<br />

nach Randomisationsarm eine Adjuvans-Behandlung aus 4<br />

vierwöchigen Zyklen Bolus-5-FU oder 5 dreiwöchigen Zyklen<br />

Capecitabin. Capecitabin wird dosiert, wie unter Stratum 1<br />

ausgeführt. (Dosis auf Tbl. 500/150mg abr<strong>und</strong>en).<br />

Neoadjuvante Therapie (Stratum 2) Arm A (Erlanger Protokoll)<br />

Woche 1 - 5<br />

45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett<br />

Strahlentherapie<br />

Woche 1+ 5<br />

Kontinuierliche Infusion über 120 Std. (Tag 1-5 <strong>und</strong><br />

5-FU<br />

1000 mg/m²/d<br />

Chemotherapie<br />

Tag 29-33 der Bestrahlung)<br />

Woche 10, 14, 18, 22<br />

5-FU 500 mg/m²/d i.v. Bolus d 1 – 5<br />

(4 –(6) Wochen nach OP)<br />

Neoadjuvante Therapie (Stratum 2) Arm B (experimenteller Xeloda-Arm)<br />

Woche 1 - 5<br />

45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett<br />

Strahlentherapie<br />

Woche 1 - 5<br />

Xeloda (150/500) 2 x 825 mg/m²/d Täglich an 7 Tagen der Woche während Radiatio<br />

Chemotherapie<br />

Woche 10, 13, 16, 19, 22<br />

Xeloda (150/500) 2 x 1250 mg/m²/d p.o. d 1 – 14<br />

(4 -(6) Wochen nach OP)


Zeitpunkt 0<br />

Rektumkarzinom<br />

Mannheimer Studie, Verlaufsuntersuchungen<br />

Radiotherapie<br />

(jede W.)<br />

Zyklus<br />

1§<br />

Zyklus<br />

2§<br />

Zyklus<br />

3<br />

Zyklus<br />

4<br />

Zyklus<br />

5***<br />

Zyklus 6<br />

(gilt nur f.<br />

Arm B)<br />

Einwilligung<br />

Ein-/Ausschlusskriterien<br />

X<br />

Anamnese X X X X X X X X<br />

Allgemeinzustand (WHO) X X X X X X X X<br />

Körperliche Untersuchung X X X<br />

Rö-Thorax X X<br />

Oberbauch-Sonographie X X X<br />

Elektrokardiogramm X<br />

Differentialblutbild X<br />

Blutbild X X X X X X X X X<br />

BKS<br />

X<br />

Klinische Chemie I* X X X<br />

Klinische Chemie II** X X X X X X<br />

Tumormarker<br />

(CEA/CA19-9)<br />

X X X<br />

Chemotherapie X X X X X X<br />

Safety X X X X X X X<br />

Rektoskopie <strong>und</strong> Rektum-<br />

Endosonographie****<br />

X<br />

Koloskopie ‡‡<br />

X<br />

CT des Beckens ‡‡‡ X X<br />

* Kalium, Natrium, Kreatinin, Bilirubin, ALAT, ASAT, AP, GGT, LDH, Gesamteiweiß,<br />

Albumin, Quick, PTT, INR<br />

** Natrium, Kalium, Kreatinin, AP, GGT, LDH, ALAT, ASAT, Bilirubin<br />

*** Zyklus 5 wird gleichzeitig als 3-Monats-Nachsorge verstanden<br />

**** Rektoskopie bei Rektumresektion mit Endosonographie, im 1. <strong>und</strong> 2. Jahr im 6-Monatstakt, danach 1mal pro Jahr.<br />

‡‡<br />

Im ersten Jahr postoperativ, danach im Ermessen des Arztes.<br />

‡‡‡<br />

Im 3., 12. <strong>und</strong> 24. postoperativen Monat.<br />

§ Zyklus 1 <strong>und</strong> 2 werden im Arm A während der Radiotherapie verabreicht. Im Arm B entfällt die Handlungsanweisung<br />

für Zyklus 2, da durchgehend mit Capecitabin behandelt wird. Der erste Zyklus nach Abschluss der Radio-/Chemotherapie<br />

in Arm B wird somit als Zyklus 2 verstanden<br />

Dosismodifikation<br />

Übersicht über Dosisreduktion <strong>und</strong> Therapieverzögerung für Capecitabin <strong>und</strong> 5-FU während der Zeit der alleinigen Chemotherapie<br />

Grad 2 Grad 3 Grad 4<br />

1. Auftreten<br />

2. Auftreten<br />

Unterbrechung bis Erreichen<br />

Grad-0-1-Toxizität, dann weiter<br />

mit 75%<br />

Unterbrechung bis Erreichen<br />

Grad-0-1-Toxizität, dann weiter<br />

mit 50%<br />

Unterbrechung bis Erreichen<br />

Grad-0-1-Toxizität, dann weiter<br />

mit 75%<br />

Unterbrechung bis Erreichen<br />

Grad-0-1-Toxizität, dann weiter<br />

mit 50%<br />

Follow<br />

-up<br />

Unterbrechung bis Erreichen<br />

Grad-0-1-Toxizität; dann weiter<br />

mit 50%<br />

Abbruch der Chemotherapie<br />

3. Auftreten Abbruch der Chemotherapie Abbruch der Chemotherapie Abbruch der Chemotherapie<br />

Übersicht über Dosisreduktion <strong>und</strong> Therapieverzögerung für Cape. <strong>und</strong> 5-FU während der komb. Radio-Chemotherapie<br />

1. Auftreten<br />

2. Auftreten<br />

3. Auftreten<br />

Grad 2 Grad 3 Grad 4<br />

Unterbrechung bis Erreichen<br />

Grad-0-Toxizität, dann weiter<br />

mit 75%<br />

Unterbrechung bis Erreichen<br />

Grad-0-1-Toxizität, dann weiter<br />

mit 50%<br />

Abbruch der Chemotherapie<br />

(während der Radiatio)<br />

Unterbrechung bis Erreichen<br />

Grad-0-Toxizität, dann weiter<br />

mit 50%<br />

Abbruch der Chemotherapie<br />

(während der Radiatio)<br />

Unterbrechung bis Erreichen<br />

Grad-0-Toxizität, dann weiter<br />

mit 50%<br />

Abbruch der Chemotherapie<br />

(während der Radiatio)<br />

- -<br />

276


Rektumkarzinom<br />

Neoadjuvante Therapie, Berliner Studie<br />

Prospektiv randomisierte Vergleichstudie zur präoperativen Kurzzeit-Radiotherapie versus Langzeit-Radio-<br />

/Chemotherapie beim uT2-3-Rektumkarzinom<br />

Studienleiter: Prof. Dr. P.M. Schlag <strong>und</strong> Prof. Dr. V. Budach, Charité Berlin<br />

Fragestellung<br />

Ziel der Studie ist es festzustellen, inwieweit sich die Ergebnisse nach Kurzzeit- bzw. Langzeitvorbestrahlung<br />

bei Patienten mit fortgeschrittenem, aber resektablem Rektumkarzinom im Hinblick auf die Lokalrezidivfrequenz,<br />

aber auch die Gesamtüberlebenszeit, die postoperative Morbidität <strong>und</strong> die Lebensqualität<br />

unterscheiden.<br />

Es soll eine Therapieoptimierungsprüfung durchgeführt werden, die multizentrisch, prospektiv randomisiert,<br />

offen im Paralleldesign geplant die Kurzzeitbestrahlung (Arm A) mit einer neoadjuvanten Radio-<br />

/Chemotherapie (Arm B) beim cT2 N+ M0 oder cT3 N0 M0-Rektumkarzinom vergleicht.<br />

Studiendesign<br />

Arm A<br />

Kurzzeit-<br />

Vorbestrahlung<br />

5x5 Gy<br />

OP<br />

R0-Resektion<br />

Adjuvante Chemotherapie<br />

5-FU (300 mg/m 2 /d) über<br />

12 Wochen<br />

uT2 N+<br />

uT3 N+<br />

uT3 N-<br />

R<br />

A<br />

N<br />

D<br />

O<br />

M<br />

Nachsorge<br />

(3, 6, 12, 18, 24, 36, 48, 60<br />

Monate nach OP)<br />

Arm B<br />

Neoadj. Radio-/Chemoth.<br />

ED 1,8 Gy, GD 50,4 Gy<br />

5FU-Dauerinf. (225mg/m 2 /d)<br />

OP<br />

R0-Resektion<br />

Adjuvante Chemotherapie<br />

5-FU (300 mg/m 2 /d) über<br />

12 Wochen<br />

Einschlusskriterien<br />

• Rektumkarzinom (oberer Tumorrand max. 12 cm von der Linea dentata, gemessen mit dem starren<br />

Rektoskop<br />

• Adenokarzinom oder muzinöses Adenokarzinom (nicht <strong>und</strong>ifferenziertes Karzinom, kloakogenes Karzinom)<br />

• Karzinom nicht auf dem Boden einer CED oder familiären Tumorerkrankung (FAP, HNPCC)<br />

• Endosonographisch oder durch CT/MRT diagnostizierbarer T2 N+ - oder T3 N0 bzw. T3 N+ Tumor (kein<br />

T1- oder T4-Tumor)<br />

• Chirurgische Therapie durch anteriore Resektion, intersphinktere rekto-anale Resektion oder<br />

Rektumexstirpation geplant <strong>und</strong> kurative Resektion (R0) wahrscheinlich (nicht Patienten mit geplanter<br />

lokaler chirurgischer Exzision oder endoskopischer totaler Polypektomie)<br />

• Ausschluss juxtaregionaler Lymphknotenmetastasen (z.B. Leiste, paracaval) sowie von Fernmetastasen<br />

Studienleiter<br />

Prof. Dr. Peter Schlag<br />

Charité Campus Berlin-Buch, Lindenberger Weg 80, 13125 Berlin<br />

Tel.: 030-94171400 od. 030-94171403 FAX 030-94171404<br />

Email: pmschlag@charité.de<br />

277


Rektumkarzinom<br />

Strahlentherapie adj./neoadjuvant, Therapieempfehlung<br />

Das Zielvolumen der Strahlentherapie erfasst die (ehemalige) Tumorregion <strong>und</strong> die pelvinen<br />

Lymphabflusswege, d.h. die dorsale Beckenhälfte, <strong>und</strong> reicht vom Beckeneingang bis zum Beckenboden, nach<br />

erfolgter abdomino-perinealer Amputation wird das Perineum miterfasst. Obligat sind maximale Bemühungen<br />

zur Reduktion des mitbestrahlten Dünndarm- <strong>und</strong> Harnblasenvolumens, d.h. Bestrahlung in Bauchlage auf<br />

einem sogenannten Lochbrett in einer computeroptimierten individuell kollimierten 3- oder 4-Feldertechnik.<br />

Alle Felder werden täglich bestrahlt.<br />

Konventionelle Therapie<br />

Je nach miterfasstem Dünndarmvolumen 45 bis 50,4 Gy auf das o.g. Zielvolumen, anschließend Boost auf die<br />

(ehemalige) Tumorregion bis zu einer Gesamtdosis von 50,4 Gy bei präoperativer Therapie bzw. postoperativ<br />

54-55,8 Gy .<br />

Kurzzeit-Vorbestrahlung<br />

Die Tagesdosis beträgt 5,0 Gy <strong>und</strong> die Gesamtdosis 25 Gy bei präoperativer Therapie. Die Kurzzeit-Bestrahlung<br />

muss innerhalb einer Woche abgeschlossen sein <strong>und</strong> sollte daher an einem Montag beginnen. Innerhalb von 3<br />

Tagen nach Ende der Therapie sollte die Operation erfolgen, da sonst die postoperative Komplikationsrate<br />

ansteigt.<br />

Voraussetzung für die postoperative Strahlentherapie<br />

R0-Resektion nach Möglichkeit mit einem Verschluss der Sakralhöhle mit einer Prävention für das Eindringen<br />

des Dünndarms in das kleine Becken. Damit kann die Gefahr einer Strahlenenteritis reduziert werden.<br />

Technik der postoperativen adjuvanten Strahlentherapie<br />

Bestrahlungsvolumen: Hintere Beckenhälfte von Deckplatte LWK 5 bis Beckenboden, 1 cm lateral<br />

der Linea terminalis. Nach Rektumexstirpation Einschluss des Perineums.<br />

Bestrahlungstechnik:<br />

Bestrahlungsdosis:<br />

4-Felder-Box, individuell kollimierte Felder. Bestrahlung aller Felder täglich.<br />

Einzeldosis 1,8 Gy/Referenzpunkt, 5 x wöchentlich bis 50 Gy/Referenzpunkt.<br />

(Dosismaximum < 55 Gy). Die 90%-Isodose umschließt das Zielvolumen.<br />

Kleinvolumige Aufsättigung (boost) im Gebiet des größten Rezidivrisikos bis 56<br />

Gy nach Resektion, evtl. bis 59,4 Gy nach Exstirpation. Dosismaximum < 65 Gy.<br />

Bestrahlungsfelder bei Rektumkarzinom<br />

ap/pa-Bestrahlungsfelder. Die gestrichelte Linie<br />

unten gilt für Patienten mit abdomino-perinealer<br />

Exstirpation (einschl. Perineum).<br />

Laterale Bestrahlunsfelder. Die untere gestrichelte<br />

Linie gilt bei Patienten mit abdominoperinealer<br />

Exstirpation (einschl. Perineum).<br />

278


Histologisches Regressionsgrading<br />

nach neoadjuvanter Therapie<br />

Die neoadjuvanten Therapieverfahren können zu unterschiedlich ausgeprägten regressiven Veränderungen eines<br />

Tumors führen. Beim Regressionsgrading wird nicht die Differenzierung des Tumors beurteilt, sondern die<br />

Auswirkung der Therapie auf das Tumorgewebe.<br />

In der 6. Auflage der TNM-Klassifikation 2002 wurde festgelegt, dass allein vitale Tumoranteile für das<br />

Regressionsgrading herangezogen werden, um eine bessere Reproduzierbarkeit zu erreichen. Entzündliche<br />

Veränderungen oder Schleimseen ohne vitale Zellen sollen nicht berücksichtigt werden.<br />

Die Bestimmung des vitalen Tumoranteils erfolgt in den allermeisten Fällen bereits am routinemässig angefärbten<br />

HE-Schnitt. Immunhistologische Zusatzuntersuchungen (z.B. Zytokeratine) oder Stufenschnitte sind nur in<br />

Ausnahmefällen erforderlich <strong>und</strong> werden dann eingesetzt, wenn es um die Frage geht, ob eine komplette<br />

Tumorregression vorliegt. Sie sollen einzelne Tumorzellen zeigen, die im HE-Schnitt nicht sicher zu erkennen sind.<br />

Am Resektat werden das gesamte Tumorbett histologisch untersucht <strong>und</strong> der Prozentsatz vitaler Tumorzellen am<br />

Gesamtvolumen bestimmt bzw. das Verhältnis vitaler Tumor zu Fibrose ermittelt. Für die sichere Bestimmung einer<br />

kompletten Tumorregression, d.h. keine vitalen Tumorzellen, ist eine vollständige histologische Untersuchung des<br />

Tumorgebietes erforderlich<br />

Es existieren mehrere Systeme zur Graduierung dieser Veränderungen im pathohistologisch untersuchten<br />

Tumorgewebe des Tumorresektates insbesondere für unterschiedliche Lokalisationen im Gastrointestinaltrakt <strong>und</strong><br />

unterschiedliche histologische Tumortypen. Bisher gibt es kein national oder international anerkanntes einheitliches<br />

Regressionsgradig. Von einigen Autoren wird vorgeschlagen, das Regressionsgrading der TU München nach Werner<br />

<strong>und</strong> Höfler (In: Roder et al. Therapie gastrointestinaler Tumoren. Springer 2000, S. 45-53) auf alle gastrointestinalen<br />

Tumore anzuwenden.<br />

Regressionsgrading nach Dvorak (Int J Colorectal Dis 1997;12:19-23)<br />

Grad 0<br />

Grad 1<br />

Grad 2<br />

Grad 3<br />

Grad 4<br />

Keine Regression<br />

Überwiegend Tumor mit deutlicher Fibrose <strong>und</strong> /oder Vaskulopathie<br />

Überwiegend Fibrose mit wenigen Tumorzellen (leicht histologisch zu erkennen)<br />

Sehr wenig (schwierig histol. nachzuweisende) Tumorzellen innerhalb Fibrose mit od. ohne Schleimseen.<br />

Keine vitalen Tumorzellen nachweisbar<br />

Regressionsgrading der TU München nach Werner u. Höfler 2000<br />

Grad Bedeutung Kriterien<br />

1a Komplette Response (CR) Keine Tumorzellen nachweisbar<br />

1b Subtotale Response (SR) 50% vitale Tumorzellen<br />

Keine histologischen Regressionszeichen<br />

Dieses System wurde ursprünglich für Adenokarzinome des Magens entwickelt, ist aber auch auf alle anderen Tumoren<br />

im Gastrointestinaltrakt anwendbar<br />

Response <strong>und</strong> Prognose<br />

Die Tumorregression nach neoadjuvanter Therapie ist ein unabhängiger Prognosefaktor. Dies betrifft jedoch nur<br />

Tumoren mit kompletter oder hochgradiger Regression (keine oder < 10% vitale Tumorzellen). Signifikante<br />

Unterschiede im Überleben konnten bei mehr als 10 % vitalem Tumoranteil nicht nachgewiesen werden (Wittekind C<br />

et al., Pathologe 2003;24:61-5).<br />

Tumorausbreitung <strong>und</strong> TNM-Klassifikation<br />

Findet man nach neoadjuvanter Therapie vitale Tumorzellen in der Kolonwand, aber Schleimseen ohne vitale<br />

Tumorzellen z.B. im perikolischen Fettgewebe, kann man von einer Karzinominfiltration des Fettgewebes vor der<br />

Therapie ausgehen. Die Vorbehandlung hätte dann zu einem „Downstaging“ (niedrigere T-Kategorie) geführt. Ein<br />

echtes Downstaging wird selten beobachtet. Ursache ist die gleichmässige Verteilung der regressiven Veränderungen<br />

im Tumor nach neoadjuvanter Therapie, da der vitale Tumoranteil nicht vom Rand zum Zentrum hin schrumpft.<br />

Selbst wenn eine hochgradige Regression mit vitalem Tumoranteil unter 10% vorliegt, aber noch einzelne vitale<br />

Tumorzellen in der gleichen T-Kategorie wie beim initialen Staging vorhanden sind, handelt es sich deshalb um kein<br />

Downstaging. Ein echtes Downstaging findet sich deshalb fast nur bei der kompletten Regression. Allerdings führt<br />

die neoadjuvante Therapie zur Verkleinerung <strong>und</strong> Fibrosierung des Tumors, also zu einem „Downsizing“ mit der<br />

Folge einer besseren Operabilität <strong>und</strong> häufigeren R0-Resektionen.


Nachsorgeempfehlungen<br />

S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Tumorstadium UICC I<br />

Eine regelmäßige Nachsorge bei Patienten mit kolorektalem Karzinom <strong>und</strong> frühem Tumorstadium (UICC I) ist nach<br />

R0-Resektion in Anbetracht der geringen Rezidivrate <strong>und</strong> der günstigen Prognose nicht zu empfehlen.<br />

Abweichend hiervon kann im Einzelfall bei Annahme eines hohen lokalen Rezidivrisikos aufgr<strong>und</strong> des<br />

endoskopischen <strong>und</strong> intraoperativen Bef<strong>und</strong>es, z. B. nach intraoperativer Tumoreröffnung, oder aufgr<strong>und</strong> eines<br />

histopathologischen Bef<strong>und</strong>es, z. B. G3/4-Tumore <strong>und</strong>/oder Venen- <strong>und</strong> Lymphgefäßinvasion, pT2-Tumoren, eine<br />

engmaschige Nachsorge angezeigt sein.<br />

Tumorstadium UICC II <strong>und</strong> III<br />

Nach Resektion von kolorektalen <strong>Karzinome</strong>n im UICC-Stadium II <strong>und</strong> III sind regelmäßige<br />

Nachsorgeuntersuchungen indiziert.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens<br />

Diese sollten jedoch nur durchgeführt werden, wenn bei einem Rezidiv therapeutische Konsequenzen zu erwarten<br />

sind. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 5, starker Konsens<br />

Nach palliativer Tumorresektion sollte die Nachbetreuung symptomorientiert erfolgen. Tumoren, die nicht eindeutig<br />

dem Rektum oder Sigma zuzuordnen sind, werden in der Nachsorge wie Rektumkarzinome behandelt.<br />

Wenn präoperativ eine Abklärung des gesamten Kolons nicht möglich war, sollte 3 Monate postoperativ eine<br />

Koloskopie erfolgen.<br />

Nachsorgeempfehlung beim <strong>Kolorektale</strong>n Karzinom UICC-Stadium II <strong>und</strong> III<br />

Untersuchung 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr 5. Jahr<br />

Monat 6 12 18 24 36 48 60<br />

Anamnese <strong>und</strong> körperliche<br />

Untersuchung, CEA<br />

X X X X X X X<br />

Hohe Koloskopie X 1 X 2<br />

Sonographie 3 X X X X X X X<br />

Sigmoidoskopie<br />

4 (Rektoskopie)<br />

X X X X<br />

Spiral-CT 5<br />

3 Monate nach Abschluss der tumorspezifischen Therapie als Ausgangsbef<strong>und</strong><br />

Rö.-Thorax (kein Konsens)<br />

1 wenn keine vollständige Koloskopie präoperativ erfolgt ist<br />

2 bei unauffälligem Bef<strong>und</strong> (kein Adenom, kein Karzinom) nächste Koloskopie nach 5 Jahren<br />

3 Eine Metaanalyse ergab einen Vorteil für die bildgebenden Verfahren zum Nachweis von<br />

Lebermetastasen in der Nachsorge. Aus diesem Gr<strong>und</strong> entschied sich die Expertenkomission, das einfachste <strong>und</strong><br />

kostengünstigste Verfahren anzuwenden.<br />

4 nur beim Rektumkarzinom ohne neoadjuvante oder adjuvante Radio-/Chemotherapie<br />

5 nur beim Rektumkarzinom<br />

CEA-Bestimmung<br />

Die Bestimmung des karzinoembryonalen Antigens (CEA) wird alle 6 Monate für mindestens 2 Jahre empfohlen. Ein<br />

erhöhter CEA-Wert erfordert eine weitere Diagnostik, berechtigt aber nicht zum Beginn einer systemischen<br />

Chemotherapie bei Verdacht auf ein metastasiertes Tumorstadium.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />

Anmerkungen:<br />

CEA erwies sich in der Nachsorge bei der frühzeitigen Entdeckung von Lebermetastasen besser als Koloskopie,<br />

Computertomographie <strong>und</strong> Sonographie. Eine Metaanalyse von 7 nicht randomisierten Studien zeigte einen<br />

Überlebensvorteil von 9% für Patienten, bei denen im Nachsorgeprogramm CEA enthalten war. Andere Studien<br />

führten zu keinem oder nur einem minimalen Nutzen. CEA wird in der Nachsorge in einer Literaturübersicht nicht<br />

empfohlen. Amerikanische (ASCO) <strong>und</strong> Europäische (EGTM, European Group on Tumour Markers) Leitlinien zur<br />

Nachsorge enthalten jedoch das CEA, wobei die Bestimmung alle 2-3 Monate in den ersten 2 Jahren empfohlen wird<br />

für Patienten, die willens <strong>und</strong> in der Lage sind, sich einer Leberresektion bei Auftreten von Metastasen zu<br />

unterziehen.<br />

Siehe dagegen die 2005 aktualisierten ASCO-Nachsorgeempfehlungen (folgende Seite)<br />

280


Nachsorgeempfehlungen<br />

ASCO Guidelines 2005<br />

Ziele der Nachsorge nach kurativer Resektion beim Kolonkarzinom sind:<br />

Entdeckung eines Lokalrezidivs. sowie von resektablen Metastasen mit kurativem Potential<br />

frühzeitige Erkennung von primär nicht resektablen Metastasen, die ein Downsizing durch eine Chemotherapie erfahren<br />

könnten <strong>und</strong> dann sek<strong>und</strong>är resektabel würden<br />

Erkennung von Toxizitäten der vorangegangenen Behandlung.<br />

Die medikamentöse <strong>und</strong> chirurgische Behandlung bei Tumorrezidiv bzw. Metastasierung hat sich kontinuierlich weiter<br />

entwickelt <strong>und</strong> das Langzeit-Überleben für Patienten mit Leber- <strong>und</strong> Lungenmetastasen verbessert sich weiter.<br />

Studien<br />

ASCO Panel 2005: „Die Qualität der Literatur zur Tumornachsorge ist dürftig“.<br />

2002 wurden die Ergebnisse von 5 randomisierten Studien in 2 unabhängig voneinander publizierte Metaanalysen<br />

zusammengefasst, die ähnliche Schlussfolgerungen zeigten: intensives Follow-up nach primärer Operation ist mit einer<br />

annähernd 20%igen Verbesserung der hazard ratio im Hinblick auf den Tod vergesellschaftet. In absoluten Zahlen bedeutet<br />

dies, dass die gepoolte 5-Jahres-Mortalität für intensiv nachgesorgte Patienten 30% betrug gegenüber 37% bei den nicht<br />

intensiv nachgesorgten Patienten (Renehan AG et al., BMJ 2002; 234:1-8 <strong>und</strong> Jeffrey GM et al., The Cochrane Library<br />

Issue 1, 2002, Oxford, CD002200). Dieser Benefit war klarer in den vier Studien, die CT <strong>und</strong>/oder häufige CEA-<br />

Messungen benutzten. Die Studie von Chau et al. (J Clin Oncol 2004;22:1420-1429) bekräftigt dies. Bei 530 Patienten im<br />

Stadium II <strong>und</strong> III wurden 45 Rezidive per CEA <strong>und</strong> 49 Rezidive per CT entdeckt. 14 Rezidive wurden durch beide<br />

Untersuchungen entdeckt. Verglichen mit den Patienten, deren Rezidiv aufgr<strong>und</strong> von Symptomen entdeckt wurde, hatte<br />

die CT-Gruppe ein signifikant besseres Gesamt-Überleben. Während die größte Zahl an Rezidiven per Abdomen-CT<br />

gef<strong>und</strong>en wurde, wurde die größte Anzahl von resektablen Rezidiven im Thorax-CT gef<strong>und</strong>en.<br />

ASCO Guidelines Colorectal Cancer Surveillance 2005<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> eines Überlebensbenefits bei intensiver Nachsorge hat die American Society of Clinical Oncology<br />

(ASCO) 2005 ihre Practice guidelines für die Kolonkarzinom-Nachsorge geändert.<br />

Anamnese <strong>und</strong> klinische Untersuchung<br />

- Häufigkeit, Dauer <strong>und</strong> Benefit wurden bisher niemals formal untersucht.<br />

- alle 3-6 Monate in den ersten 3 Jahren, danach halbjährlich für weitere 2 Jahre.<br />

CEA<br />

- alle 3 Monate bei Patienten im Stadium II oder III für mindestens 3 Jahre nach Diagnose,<br />

wenn der Patient ein Kandidat für eine Operation oder eine systemische Therapie ist.<br />

Bildgebende Verfahren<br />

- CT-Thorax <strong>und</strong> Abdomen jährlich für 3 Jahre<br />

- CT-Becken jährlich bei Rektumkarzinom,<br />

wenn der Patient ein hohes Rezidivrisiko hat <strong>und</strong> fähig zu einer kurativen Operation ist<br />

Endoskopische Untersuchungen<br />

- Koloskopie nach 3 Jahren <strong>und</strong> wenn unauffällig<br />

- 5 Jahre später<br />

- bei genetischen Syndromen gelten spezielle Empfehlungen<br />

- Sigmoidoskopie alle 6 Monate für 5 Jahre bei Patienten mit Rektumkarzinom ohne Radiatio.<br />

Das Panel betont, dass es im Gegensatz zum Leber-CT wenig Evidenz für das Thorax-CT gibt. Ein Gr<strong>und</strong> für die<br />

Empfehlung in der Nachsorge waren die Erkenntnisse von Chau (siehe oben), ein weiterer die Tatsache, dass pulmonale<br />

Rez. seltener CEA-Erhöhungen machen. Zum anderen waren die Lungenmetastasen bei Rektumkarzinompatienten genauso<br />

häufig wie Leberrezidive <strong>und</strong> repräsentierten den größten Anteil resezierter Metastasen in der Intergroup 0114-Studie.<br />

Eigene Empfehlung für Patienten, die Kandidaten für eine kurative Operation sind<br />

Untersuchung 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr 5. Jahr<br />

Monat 3 6 9 12 15 18 21 24 30 36 48 60<br />

Anamnese <strong>und</strong> körperliche<br />

Untersuchung, CEA<br />

X X X X X X X X X X X X<br />

Hohe Koloskopie X 1) X 2)<br />

Abdominelle Sonographie 3) X X X X X X X X X X X X<br />

Sigmoidoskopie<br />

(Rektoskopie) 4) X X X X X<br />

CT Abdomen (+ Becken 5) ) X X X X<br />

CT-Thorax 6) X X X<br />

1) wenn keine vollständige Koloskopie präoperativ erfolgt ist. 2) bei unauffälligem Bef<strong>und</strong> (kein Adenom, kein Karzinom) nächste Koloskopie<br />

nach 3 Jahren. 3) eine Metaanalyse ergab einen Vorteil für die bildgebenden Verfahren zum Nachweis von Lebermetastasen in der Nachsorge<br />

4) beim Rektumkarzinom 5) nur beim Rektumkarzinom. 6) besonders beim Rektumkarzinom.<br />

281


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong>, fortgeschrittene Stadien<br />

ESMO-Empfehlungen 2008, Diagnostik, Therapie<br />

Van Cutsem E.J.D. & Oliveira J. Ann Oncol 2008;19 Suppl 2:33-34<br />

Inzidenz<br />

2006 gab es 412 900 Neuerkrankungen an kolorektalem Karzinom in Europa. Dies sind 12,9% aller<br />

Krebserkrankungen. Das KRK ist im Jahre 2006 für 217 400 Todesfälle in Europa verantwortlich. Das entspricht<br />

12,2% aller Todesfälle an Krebs.<br />

Diagnose<br />

Der klinische Verdacht auf eine Metastasierung sollte immer durch entsprechende radiologische Bildgebung<br />

(normalerweise in Form eines CTs) <strong>und</strong>/oder eine szintigraphische Untersuchung bestätigt werden. Eine<br />

histopathologische oder zytologische Sicherung sollte immer dann angestrebt werden, wenn eine atypische oder sehr<br />

späte Manifestation nach der Primärtumorerkrankung vorliegt. Resektable Metastasen müssen nicht histologisch oder<br />

zytologisch vor einer Resektion gesichert werden. Die Evaluation der Gesamtsituation, Begleiterkrankungen <strong>und</strong> die<br />

Organfunktionen bestimmen die therapeutische Strategie.<br />

Staging<br />

In Hinblick auf die Identifizierung der Patienten mit potentiell kurativem chirurgischem Therapieansatz sollte das<br />

Staging die körperliche Untersuchung des Patienten, Blutbildwerte, Leber- <strong>und</strong> Nierenfunktionstests, CEA-<br />

Bestimmung, Röntgen- Thorax <strong>und</strong> eine CT des Abdomens beinhalten. Der Allgemeinzustand <strong>und</strong> der LDH-Spiegel<br />

sind die stärksten individuellen Prognosefaktoren.<br />

Ein CT der Thoraxorgane <strong>und</strong> weitere klinisch erforderliche Untersuchungen sind vor einem größeren abdominellen<br />

chirurgischen Eingriff mit kurativer Zielsetzung notwendig. Ein FDG-PET kann zusätzliche Informationen über<br />

weitere eindeutige Läsionen vor Resektion bei einer metastasierten Erkrankung vermitteln oder neue Läsionen im<br />

Falle einer geplanten Metastasenresektion identifizieren.<br />

Das Vorgehen sollte aus einer multidisziplinären Perspektive diskutiert werden.<br />

Behandlung<br />

Eine chirurgische Intervention sollte bei solitären oder begrenzten Leber- oder Lungenmetastasen in Erwägung<br />

gezogen werden. Langzeitüberleben kann in erfahrenen Händen erzielt werden.<br />

Bei Patienten mit resektablen Lebermetastasen verbessert eine perioperative Kombinationschemotherapie mit 5-<br />

FU/Leukovorin/Oxaliplatin das Ergebnis (verbessertes progressionsfreies Überleben). Initial nicht resektable<br />

Lebermetastasen können nach Downsizing durch Chemotherapie resektabel werden.<br />

Eine palliative First-line-Chemotherapie sollte frühzeitig in Erwägung gezogen werden <strong>und</strong><br />

5-Fluorouracil (i.v. 5-FU oder orale Fluoropyrimidine) in verschiedenen Kombinationen <strong>und</strong> Schedules beinhalten.<br />

Die Gabe als Infusion ist generell weniger toxisch als Bolus-Regime. Das orale Fluoropyrimidin Capecitabine <strong>und</strong><br />

UFT/LV sind Alternativen zu Bolus-5-FU/Folinsäure als Monotherapie<br />

Eine kombinierte Chemotherapie mit 5-FU/LV/Oxaliplatin (FOLFOX-Regime) oder 5-FU/LV/Irinotecan (FOLFIRI-<br />

Regime) zeigt bessere Überlebensraten als 5-FU/LV. FOLFOX <strong>und</strong> FOLFIRI haben eine ähnliche Aktivität, aber ein<br />

unterschiedliches Toxizitätsprofil. Die Kombination von Capecitabine/Irinotecan ist etwas toxischer als 5-<br />

FU/Folinsäure/Irinotecan.<br />

Die Dauer der Chemotherapie beim metastasierten KRK bleibt kontrovers. Behandlungsunterbrechungen der<br />

Kombinationschemotherapie können erwogen werden, insbesondere dann, wenn es zu einer kumulativen Toxizität<br />

kommt <strong>und</strong> wenn die Krankheitskontrolle erreicht ist.<br />

Eine Erhaltungstherapie mit Fluoropyrimidinen kann erwogen werden, wenn eine Unterbrechung der<br />

Kombinationschemotherapie geplant ist. Eine Reinduktion der Kombinationschemotherapie ist normalerweise im<br />

Falle der Progression indiziert.<br />

Eine Second-line-Chemotherapie sollte bei Patienten mit gutem Allgemeinzustand eingesetzt werden. Bei Patienten,<br />

die auf FOLFOX refraktär sind, kann ein Irinotecan-basiertes Regime in der second-line Behandlung zum Einsatz<br />

kommen. Patienten, die refraktär auf FOLFIRI sind, kann FOLFOX als second-lins-behandlung angeboten werden.<br />

Der Einsatz monoklonaler Antikörper gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) <strong>und</strong> den<br />

epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) in Kombination mit einer Chemotherapie sollte bei ausgewählten<br />

Patienten mit metastasiertem KRK erwogen werden.<br />

Bevacizumab erhöht das Gesamtüberleben <strong>und</strong> das progressionsfreie Überleben in der Erstlinien-Behandlung in<br />

Kombination mit einem Irinotecan-haltigen Regime <strong>und</strong> das progressionsfreie Überleben in der Kombination mit<br />

Fluoropyrimidin <strong>und</strong> Oxaliplatin. Cetuximab <strong>und</strong> Panitumumab sind als Monosubstanzen bei<br />

chemotherapierefraktärem KRK aktiv. Die Kombination von Cetuximab mit Irinotecan ist aktiver als eine<br />

Cetuximab-Monotherapie.<br />

Die Antikörper gegen VEGF <strong>und</strong> EGFR haben ein spezifisches Nebenwirkungsprofil.<br />

Evaluation des Ansprechens<br />

Anamnese, körperliche Untersuchung, CEA, wenn initial erhöht, <strong>und</strong> ein CT der betroffenen Region werden 2-3<br />

Monate nach Beginn der palliativen Chemotherapie empfohlen.<br />

282<br />

Stand 2/2008 ! Keine Berücksichtigung KRAS!


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Therapeutisches Vorgehen I, S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Definition von Subgruppen nach klinischen Situationen/Therapiezielen<br />

I. Patienten mit primär resektablen Leber- <strong>und</strong>/oder Lungenmetastasen<br />

II. Patienten mit einer Indikation für eine intensivierte systemische Therapie<br />

1. Patienten mit Leber- <strong>und</strong>/oder Lungenmetastasen, potenziell resektabel nach Ansprechen auf neoadjuvante<br />

Therapie <strong>und</strong> klinisch operable Patienten<br />

2. Patienten mit tumorbedingten Symptomen, Organkomplikationen oder rascher Progress<br />

III. Patienten mit der Möglichkeit für eine weniger intensive Therapie<br />

1. Patienten mit multiplen Metastasen ohne Option für Resektion nach Metastasenrückbildung, ohne<br />

tumorbezogene Symptome oder Organkomplikationen <strong>und</strong>/oder schwerer Komorbidität.<br />

Starker Konsens.<br />

Patienten mit primär resektablen Leber- <strong>und</strong>/oder Lungenmetastasen<br />

Primär resektable Lungenmetastasen<br />

Resektable Lungenmetastasen sollen reseziert werden.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, starker Konsens<br />

Primär resektable Lebermetastasen<br />

Definition: Resektable Lebermetastasen liegen vor, wenn<br />

• Eine nicht resektable extrahepatische Tumormanifestation ausgeschlossen ist,<br />

• Weniger als 70% des Parenchyms befallen sind,<br />

• Weniger als 3 Lebervenen <strong>und</strong> weniger als 7 Segmente betroffen sind<br />

• Keine Leberinsuffizienz oder Child-B- oder -C-Zirrhose vorhanden ist,<br />

• Keine schwerwiegenden Begleiterkrankungen vorliegen.<br />

Auf die Leber beschränkte R0-resektable Metastasen sollen reseziert werden.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.<br />

Die Resektabilität von Metastasen soll durch einen in der Metastasenchirurgie erfahrenen Chirurgen beurteilt werden.<br />

Starker Konsens.<br />

Präoperative Bildgebung<br />

Bei Patienten mit Lebermetastasen <strong>und</strong> einem Fong-Score >2 sollte präoperativ ein FDG-PET-CT durchgeführt<br />

werden, da dies in etwa 25% der Patienten, bedingt durch den Nachweis weiterer Metastasen, eine Änderung der<br />

therapeutischen Strategie zur Folge hat.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens.<br />

Perioperative Therapie primär resektabler Lebermetastasen<br />

Eine neoadjuvante systemische Therapie resektabler Lebermetastasen kann in begründeten Ausnahmefällen erwogen<br />

werden.<br />

Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 3, starker Konsens.<br />

Adjuvante Therapie resektabler Lebermetastasen<br />

Nach R0-Resektion synchroner oder metachroner Lebermetastasen kann eine adjuvante Chemotherapie erwogen<br />

werden.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2, starker Konsens.<br />

Klinische Gruppen II <strong>und</strong> III<br />

Indikation für eine systemische Therapie – Allgemeine Empfehlungen<br />

Eine medikamentöse Tumortherapie ist gr<strong>und</strong>sätzlich indiziert, da ein Überlebensvorteil nachgewiesen ist.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.<br />

Besteht die Indikation zu einer medikamentösen Tumortherapie, so soll diese zum Zeitpunkt des Nachweises der<br />

Metastasen unabhängig von metastasenbezogenen Symptomen eingeleitet werden. Bei der Indikationsstellung sind<br />

mögliche Kontraindikationen zu berücksichtigen. Alter per se stellt keine Kontraindikation dar.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.<br />

Bei Indikation zur systemischen Therapie (z. B. inoperable Leber-/Lungenfiliae) kann der Primärtumor belassen<br />

werden. Ausnahmen können ein symptomatisch stenosierendes Tumorwachstum <strong>und</strong>/oder eine Hb-relevante Blutung<br />

sein.<br />

Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich sollen die Patienten im Laufe ihrer Therapie Zugang zu allen verfügbaren Medikamenten haben.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 5.<br />

283


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Therapeutisches Vorgehen II, S3-Leitlinie 2004/2008<br />

Patienten mit einer Indikation für eine intensivierte systemische Therapie<br />

Vorgehen bei isolierten primär irresektablen Lungenmetastasen<br />

Bei primärer Irresektabilität soll eine systemische Chemotherapie erfolgen.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />

Vorgehen bei isolierten primär irresektablen Lebermetastasen<br />

Systemische neoadjuvante Therapie<br />

Bei primär irresektablen Lebermetastasen soll eine systemische Therapie begonnen werden. Wichtig ist die<br />

regelmässige Evaluation einer möglichen sek<strong>und</strong>ären Resektabilität nach Remissionsinduktion. Ist das Therapieziel<br />

die Remissionsinduktion mit sek<strong>und</strong>ärer Metastasenresektion, dann soll primär die effektivs.te jeweils verfügbare<br />

systemische Kombinationstherapie angewandt werden (intensivierte Therapie).<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />

Chemotherapiefolgen auf das ges<strong>und</strong>e Lebergewebe <strong>und</strong> Metastasenlokalisation<br />

Die Hepatotoxizität verschiedener Protokolle, z.B. „Blue liver“/Chemotherapie-assoziierte Steatohepatitis (CASH),<br />

sollte dabei in die differenzialtherapeutische Entscheidung <strong>und</strong> OP-Planung miteinbezogen werden.<br />

Empfehlungsgrad : B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens.<br />

Intraoperativ sollte eine Exploration der Leber anhand der Metastasenlokalisation in der Ausgangsbildgebung<br />

erfolgen. Es sollte eine chirurgische Therapie aller Ausgangsläsionen angestrebt werden.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.<br />

Lokoregionäre Therapieverfahren<br />

Der Nutzen einer lokalen Behandlung (z.B. Lasertherapie, Radiofrequenzablation <strong>und</strong> stereotaktische Radiotherapie)<br />

bezogen auf das Überleben ist nicht erwiesen.<br />

Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 4, Konsens.<br />

Für den Einsatz von SIRT (selektive internal radiation therapy) <strong>und</strong> HAI (hepatic arterial infusion) besteht außerhalb<br />

von Studien keine Indikation.<br />

Konsens.<br />

Patienten mit einer Indikation für eine intensivierte palliative Therapie<br />

Patienten mit tumorbedingten Symptomen, Organkomplikationen oder raschem Progress sollten unter<br />

Berücksichtigung des Allgemeinzustands des Patienten eine möglichst effektive Kombinationstherapie erhalten<br />

(intensivierte Therapie).<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 5, starker Konsens.<br />

Patienten mit der Möglichkeit für eine weniger intensive Therapie<br />

Bei Patienten mit multiplen Metastasen ohne Option für Resektion nach Metastasenrückbildung ohne tumorbezogene<br />

Symptome oder Organkomplikationen <strong>und</strong>/oder schwerer Komorbidität kann eine Monotherapie als<br />

Erstlinientherapie eingesetzt werden.<br />

Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1, starker Konsens.<br />

Für den Fall, dass eine Fluoropyrmidin-Monotherapie gegeben wird, sollte eine orale der intravenösen 5-FU-Gabe<br />

vorgezogen werden.<br />

Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens.<br />

Chemotherapieprotokolle in der Zweit- <strong>und</strong> Drittlinientherapie<br />

Aufgr<strong>und</strong> unzureichender Evidenz soll mit Ausnahme der Fluoropyrimidine oder der Gabe von Irinotecan in<br />

Kombination mit Cetuximab nach Versagen einer irinotecanhaltigen Therapie keines der oben beschriebenen<br />

Therapeutika nach dokumentiertem Progress unter Therapie weiter appliziert werden. Dies gilt auch für Cetuximab<br />

<strong>und</strong> Bevacizumab.<br />

Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2, starker Konsens.<br />

Nicht hepatische oder nicht pulmonale Fernmetastasen<br />

Peritonektomie <strong>und</strong> hypertherme abdominale Perfusion können bei nicht ausreichender Studienlage derzeit nicht<br />

empfohlen werden<br />

Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />

284


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Therapiestrategie, Chemotherapie<br />

Die zunehmende Zahl an neuen Substanzen in der Therapie des metastasierten <strong>Kolorektale</strong>n Karzinoms (KRK)<br />

erhöht die Möglichkeiten für Kombinations- <strong>und</strong> sequentielle Therapien. Durch die Integration von Oxaliplatin,<br />

Irinotecan <strong>und</strong> der oralen Fluoropyrimidine als konventionelle Chemotherapie sowie die Verfügbarkeit der neuen<br />

molekularen Substanzen Bevacizumab <strong>und</strong> Cetuximab hat sich die Prognose der Patienten bedeutend verbessert. In<br />

der metastasierten Situation beträgt die Ansprechrate auf eine Primärtherapie um 50%, die Zeit bis zur Progression 9<br />

Monate <strong>und</strong> mehr, <strong>und</strong> das Gesamtüberleben häufig mehr als 2 Jahre.<br />

Definition des Therapieziels<br />

Durch die Resektion von Lungen- <strong>und</strong>/oder Lebermetastasen ist bei ca. 30% der Operierten ein Langzeitüberleben<br />

möglich <strong>und</strong> zwar unabhängig davon, ob diese Resektion primär oder erst nach „Downsizing“ durch eine<br />

Chemotherapie erfolgt ist. Somit vollzieht sich ein Wandel der Behandlung von einer palliativen zu einer potentiell<br />

kurativen Therapie (siehe auch Therapiestrategie Lebermetastasen).<br />

Die Intensität der Primärtherapie hängt ab vom Therapieziel <strong>und</strong> individuellen Kriterien, insbesondere<br />

Komorbiditäten.<br />

Therapieziele können sein:<br />

• Kuration bei sek<strong>und</strong>ärer Metastasenresektion<br />

• Rasche maximale Remission bei tumorbedingten Symptomen <strong>und</strong> drohenden Organkomplikationen<br />

• gute Lebensqualität <strong>und</strong> möglichst lange Überlebenszeit.<br />

Therapiestrategie<br />

Metastasiertes KRK<br />

R0-resektabel,<br />

guter Prognosescore<br />

siehe auch Therapiestrategie<br />

Lebermetastasen<br />

Sek<strong>und</strong>äre Resektion möglich<br />

Klinische Operabilität<br />

Tumorbedingte Symptome<br />

Rascher Progress, hohe Tumorlast<br />

Drohende Organkomplikationen<br />

Multiple Metastasen<br />

Keine Resektion möglich<br />

Langsamer Tumorprogress<br />

Schwere Komorbidität<br />

Hohes biologisches Alter<br />

Primäre Resektion<br />

Intensive Primärtherapie<br />

Sek<strong>und</strong>äre Resektion wenn möglich<br />

Sequentielle eskalierende<br />

Therapie möglich<br />

Therapieziel: Maximale rasche Remission, sek<strong>und</strong>äre Metastasenresektion<br />

Bei Patienten mit potenziell kurativem Ansatz durch eine Metastasenresektion sollte auf jeden Fall eine maximal<br />

remissionsinduzierende, aktive Therapie gewählt werden (siehe auch Therapiestrategie Lebermetastasen). Mit einer<br />

intensiven Primärtherapie sollte auch bei Patienten mit tumorbedingten Symptomen, hoher Tumorlast, raschem<br />

Progress sowie drohenden Organkomplikationen begonnen werden.<br />

Hochaktive Therapieprotokolle sind derzeit:<br />

• FOLFOXIRI (FOLFIRI + Oxaliplatin, Falcone 2007)<br />

• FOLFOX/XELOX oder FOLFIRI/XELIRI (Dosisreduktion) + Bevacizumab<br />

• FOLFIRI oder FOLFOX + Cetuximab (nur bei KRAS-Wildtyp)<br />

Alle Kombinationen sind aktiv <strong>und</strong> mittlerweile für die First-line-Behandlung zugelassen, wobei Cetuximab nur<br />

Wirksamkeit <strong>und</strong> Zulassung beim KRAS-Wildtyp besitzt.<br />

Die Kombinationen unterscheiden sich bezüglich des Ansprechens, der Toxizität <strong>und</strong> der Kosten.<br />

• 3er-Chemotherapiekombination: Hohe Remissionsraten von 60%, hohe Rate an sek<strong>und</strong>ären Leberresektionen,<br />

erhöhte, aber tolerable Toxizität, kleine Datenbasis, eher kostengünstig.<br />

• Bevacizumab-Kombinationen: größte Datenbasis in Phase-III-Studien, konstantes progressionsfreies Überleben<br />

von 10 Monaten <strong>und</strong> mehr, Responseraten „nur“ bei 40-50% (Ausnahme Hurwitz-Studie bei KRAS-Wildtyp 60%),<br />

Wirksamkeit der Therapie unabhängig vom KRAS-Status, Abnahme von viablen Tumorzellen bei Resektion, keine<br />

symptomatische Toxizität.<br />

• Cetuximab-Kombinationen: Hohe Responseraten, bevorzugter Einsatz, wenn eine Tumorgrößenabnahme<br />

erforderlich ist (Metastasengrößenreduktion, symptomatischer Patient), Wirksamkeit nur bei KRAS-Wildtyp,<br />

symptomatische Toxizität (Hauttoxizität).<br />

285


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Palliative Chemotherapie, Therapiesequenz<br />

Intensive Primärtherapie<br />

Patienten, bei denen eine sek<strong>und</strong>äre Resektion möglich erscheint <strong>und</strong> die einen potentiell kurativen Ansatz haben,<br />

sollten die aktivs.te zur Verfügung stehende Therapie derzeit bestehend aus 3 aktiven Substanzen erhalten (siehe<br />

vorherige Seite <strong>und</strong> Therapiestrategie Lebermetastasen).<br />

Mit einer intensiven Primärtherapie sollte auch bei Patienten mit tumorbedingten Symptomen, hoher Tumorlast,<br />

raschem Progress sowie drohenden Organkomplikationen begonnen werden. Auch bei Patienten mit tumorbedingt<br />

schlechtem Allgemeinzustand sollte eine intensive Kombination verwendet werden, da gerade diese Patienten<br />

überproportional von einer aktiven Chemotherapie profitieren.<br />

Für die Wahl der Therapie <strong>und</strong> der möglichen Sequenzen ist die Kenntnis des KRAS-Status entscheidend, da die<br />

EGFR-Antikörper Cetuximab <strong>und</strong> Panitumumab bei einer KRAS-Mutation nicht wirksam sind <strong>und</strong> nicht zum Einsatz<br />

kommen dürfen.<br />

Capecitabine (Xeloda®) ist mit allen gängigen Chemotherapien <strong>und</strong> mit Bevacizumab in der Therapie des<br />

metastasierten KRK zugelassen <strong>und</strong> entspricht in der Wirksamkeit den 5-FU-Infusionsschemata. In Kombination mit<br />

Irinotecan muss wegen erhöhter Toxizität die Capecitabindosis um 20% reduziert werden. 5-FU-Bolusschemata sind<br />

wegen höherer Toxizität obsolet.<br />

Bevacizumab sollte derzeit aufgr<strong>und</strong> noch unzureichender Evidenz nicht über den Progress hinaus weitergeführt<br />

werden. Zur Klärung dieser wichtigen Frage können die Patienten in die AIO-Studie KRK 0504 eingebracht werden.<br />

Folgende mögliche Therapiesequenzen entsprechen dem Zulassungsstatus der einzelnen Substanzen.<br />

KRAS-Wildtyp - Intensive Therapie - Mögliche Therapiesequenz<br />

Erstlinientherapie<br />

FOLFIRI/XELIRI<br />

+ Bevacizumab<br />

FOLFOX/XELOX<br />

+ Bevacizumab<br />

FOLFIRI<br />

+ Cetuximab<br />

FOLFOX<br />

+ Cetuximab<br />

Zweitlinientherapie<br />

FOLFOX/<br />

XELOX<br />

oder Irinotecan<br />

+ Cetuximab<br />

FOLFIRI/<br />

XELIRI<br />

FOLFOX +<br />

Bevacizumab<br />

FOLFIRI +<br />

Bevacizumab<br />

Drittlinientherapie<br />

Cetux+Iri od.<br />

Panitumumab<br />

mono<br />

FOLFOX<br />

Cetux + Iri od.<br />

Panitumumab<br />

mono<br />

Viertlinientherapie<br />

Mitomycin ± 5-FU/Folinsäure<br />

Bei Patienten mit wenigen lokalisierten Metastasen immer Metastasenresektion oder ein ablatives Verfahren in<br />

Erwägung ziehen, da hierdurch Verlängerung des therapiefreien Intervalls möglich.<br />

KRAS-Mutation - Intensive Therapie - Mögliche Therapiesequenz<br />

Erstlinientherapie<br />

FOLFIRI/XELIRI<br />

+ Bevacizumab<br />

FOLFOX/XELOX<br />

+ Bevacizumab<br />

FOLFOXIRI*<br />

Zweitlinientherapie<br />

FOLFOX/<br />

XELOX<br />

FOLFIRI/<br />

XELIRI<br />

Capectabin/5-FU<br />

+ Bevacizumab<br />

Drittlinientherapie<br />

Mitomycin ± 5-FU/Folinsäure<br />

286<br />

*Einsatz vor potentieller Metastasenresektion<br />

Bei Patienten mit wenigen lokalisierten Metastasen immer Metastasenresektion oder ein ablatives Verfahren in<br />

Erwägung ziehen, da hierdurch Verlängerung des therapiefreien Intervalls möglich.


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Palliative Chemotherapie, Therapiesequenz<br />

Wenig intensive Primärtherapie, eskalierende Therapiesequenz<br />

Für Patienten, bei denen multiple Metastasen bestehen, die auch bei sehr guter Remission sicher nicht für eine<br />

sek<strong>und</strong>äre Resektion in Frage kommen, die nicht symptomatisch sind <strong>und</strong> keine hohe Tumorlast haben, schwere<br />

Komorbiditäten aufweisen oder ein hohes biologisches Alter haben, kann auch eine wenig intensive Primärtherapie<br />

gewählt werden.<br />

Mehrere Untersuchungen zeigen, dass auch der Beginn mit einer Monotherapie gefolgt von einem eskalierenden<br />

Vorgehen, eine Therapieoption darstellt. Für die Kombination von Bevacizumab mit 5-FU/Folinsäure bzw.<br />

Capecitabin ergeben sich zwar keine hohen Ansprechraten, jedoch ein progressionsfreies Intervall von immerhin 9<br />

Monaten bei symptomatisch sehr geringer Toxizität.<br />

Die Focus-Studie mit 2100 Patienten konnte zeigen, dass eine primär intensivere Therapie gegenüber einem<br />

sequentiellen Vorgehen keinen Vorteil im Hinblick auf das Gesamtüberleben bringt. Eine Meta-Analyse von<br />

verschiedenen Phase-3-Studien erbrachte, dass das mediane Überleben in klinischen Studien davon abhängt, welcher<br />

Anteil von Patienten im Verlaufe der Behandlung alle aktiven Chemotherapie-Medikamente erhalten hat (Grothey A. et<br />

al., J Clin Oncol 2004; 22:1209-1214). Eine Präferenz für ein bestimmtes Schema lässt sich nicht ableiten; wichtig ist nur,<br />

dass die Patienten irgendwann alle Medikamente erhalten.<br />

Wenig intensive Primärtherapie. Mögliche Therapiesequenz<br />

Erstlinientherapie<br />

Capecitabin od. 5FU-LV-inf.<br />

+ Bevacizumab<br />

Zweitlinientherapie<br />

FOLFIRI/<br />

XELIRI<br />

od.<br />

FOLFOX/<br />

XELOX<br />

Drittlinientherapie<br />

Cetuximab<br />

+ Irinotecan *<br />

od.<br />

FOLFOX/<br />

XELOX<br />

FOLFIRI/<br />

XELIRI<br />

Viertlinientherapie<br />

FOLFOX/<br />

XELOX<br />

Nur bei KRAS-Wildtyp:<br />

Cetuximab + Irinotecan oder Panitumumab mono<br />

Fünftlinientherapie<br />

Mitomycin C ± 5-FU/Folinsäure<br />

* nur bei KRAS-Wildtyp<br />

Bei Patienten mit wenigen lokalisierten Metastasen immer Metastasenresektion oder ein ablatives Verfahren<br />

in Erwägung ziehen, da hierdurch Verlängerung des therapiefreien Intervalls möglich.<br />

Intensive versus wenig intensive sequentielle Therapie<br />

Für eine primär intensive Kombinationstherapie mit den neuen molekularen Substanzen Bevacizumab <strong>und</strong><br />

Cetuximab sprechen trotz der Möglichkeit einer sequentiellen, eskalierenden Therapie mehrere Gründe:<br />

- Oft ist primär nicht zu entscheiden, ob eventuell doch eine sek<strong>und</strong>äre Resektion möglich ist.<br />

- In allen Studien zur Therapieintensivierung war das progressionsfreie Überleben signifikant länger <strong>und</strong> das<br />

Gesamtüberleben tendenziell besser.<br />

- Unter einer primär intensiven Therapie erhalten in der Regel mehr Patienten alle verfügbaren Substanzen <strong>und</strong><br />

haben deshalb eine bessere Prognose als unter einer sequentiellen Therapie.<br />

- Bei rascher Progression mit hoher 60 Tage-Mortalität ist eine Zweit- <strong>und</strong> Drittlinientherapie nicht mehr möglich.<br />

- Patienten mit tumorbedingt schlechtem Allgemeinzustand profitieren von einer intensiven<br />

Chemotherapiekombination überproportional.<br />

Unklar ist bisher, ob die Targeted Therapie auch über den Progress hinaus weitergeführt werden sollte. Die Frage<br />

„Treatment Beyond Progression“ wird derzeit von der AIO-Studie KRK 0504 untersucht. Außerhalb von Studien<br />

sollte keine Behandlung über den Progress hinaus erfolgen.<br />

287


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Palliative Chemotherapie, Therapiedauer, Therapiepause<br />

Bisher war es bei der Therapie des metastasierenden KRK üblich, eine Therapie bis zur Progression fortzuführen. Mit<br />

der Einführung insbesondere der molekularen Substanzen sind die Zeiten bis zur Progression häufig so lange, dass es<br />

vorher zu einer limitierenden Toxizität, z.B. Neuropathie unter Oxaliplatin, kommt. In allen Phase-III-Studien der<br />

letzten Jahre haben mehr als 50% aller Patienten die Therapie aus anderen Gründen als wegen Tumorprogression,<br />

nämlich wegen Toxizität oder geplanter Therapiedeeskalation, unterbrochen.<br />

Die Verlängerung des progressionsfreien Überlebens <strong>und</strong> damit verlängerte Therapiezeiten erfordern neue Strategien.<br />

Pause toxische Substanz<br />

Die OPTIMOX1-Studie konnte zeigen, dass es bei Oxaliplatin-haltigen Kombinationen möglich ist, die toxische<br />

Substanz, nämlich Oxaliplatin, geplant nach 3 Monaten abzusetzen <strong>und</strong> eine Erhaltungstherapie mit 5-FU/Folinsäure<br />

weiterzuführen. Bei Progression wurde Oxaliplatin reinduziert <strong>und</strong> führte bei der Mehrzahl der Patienten zu einem<br />

erneuten Ansprechen. Das progressionsfreie Gesamtüberleben war nicht signifikant unterschiedlich bei der „STOPand-GO“-Strategie<br />

gegenüber der konventionellen Strategie.<br />

Die CONcePT-Studie (Grothey ASCO 2008) ist bisher die einzige Studie, die eine Targeted Therapie, nämlich<br />

Bevacizumab, in eine Deeskalationsstrategie integrierte. Aufbauend auf den OPTIMOX-Studien konnte sie zeigen,<br />

dass Patienten, die eine Oxaliplatin/5-FU/Bevacizumab-Therapie erhalten, von der diskontinuierlichen Gabe von<br />

Oxaliplatin profitieren. Die Patienten, bei denen Oxaliplatin ausgesetzt <strong>und</strong> nur 5-FU/Bevacizumab als<br />

„Erhaltungstherapie“ weitergeführt wurde, hatten nicht nur weniger Polyneuropathie, sondern auch eine längere Zeit<br />

bis zum Therapieversagen bzw. ein längeres progressionsfreies Intervall.<br />

Komplette Therapiepause<br />

Die Frage nach einer kompletten Therapiepause für eine Oxaliplatin-haltige Chemotherapie wurde in der<br />

OPTIMOX2-Studie untersucht. Nachdem sich zunächst zeigte, dass die Dauer der Krankheitskontrolle (siehe Seite<br />

OPTIMOX1 <strong>und</strong> 2) nicht signifikant unterschiedlich war zwischen dem Arm mit der kompletten Pause (OPTIMOX2-<br />

Arm) <strong>und</strong> dem OPTIMOX1-Arm mit einer Pause nur für die toxische Substanz, erbrachten die auf dem ASCO 2007<br />

vorgestellten Überlebensdaten einen erheblichen Unterschied. Das mediane Überleben war im OPTIMOX1-Arm mit<br />

26 versus 19 Monaten um 7 Monate länger als im OPTIMOX2-Arm mit komplettem Chemotherapiestop. Auch wenn<br />

für die Patienten eine chemotherapiefreie Zeit von 4 Monaten resultierte, kann angesichts des erheblich schlechteren<br />

Gesamtüberlebens eine komplette Therapiepause für Oxaliplatin-haltige Protokolle nicht generell empfohlen werden.<br />

Eine aktuelle retrospektive Analyse aller Patienten in den beiden OPTIMOX-Studien (Perez-Staub ASCO 2008)<br />

zeigte jedoch, dass, wenn ein komplett chemotherapiefreies Intervall angestrebt wird, die optimale<br />

Chemotherapiedauer vor der Pause mindestens 6 Monate betragen sollte.<br />

Für Irinotecan-haltige Kombinationstherapien, die kein so großes Problem mit der kumulativen Toxizität wie<br />

Oxaliplatin besitzen, wurde die Frage nach einer geplanten Therapiepause von der italienischen GISCAD-<br />

Studiengruppe untersucht. Der Wechsel zwischen 2 Monaten FOLFIRI-Therapie, 2 Monaten Pause, 2 Monate<br />

FOLFIRI usw. führte zu einem nicht unterschiedlichen progressionsfreien sowie Gesamt-Überleben im Vergleich zu<br />

der kontinuierlichen Gabe. Der Vorteil dieses Vorgehens ist eine echte chemotherapiefreie Zeit für die Patienten.<br />

Geplante Studie zur Frage Erhaltungstherapie<br />

Die Frage der Wertigkeit einer deeskalierten Erhaltungstherapie soll in der geplanten AIO-Studie KRK 02/07 geklärt<br />

werden. Nach einer Induktionstherapie mit FOLFOX oder XELOX plus Bevacizumab über 24 Wochen, wobei bei<br />

Toxizität Oxaliplatin eventuell auch früher ausgesetzt werden muss, erfolgt eine Randomisierung zwischen einer<br />

kompletten Chemotherapiepause <strong>und</strong> der Fortführung einer deeskalierten Erhaltungstherapie mit 5-FU/Capecitabin<br />

plus Bevacizumab oder Bevacizumab alleine. Bei Progression ist die Reinduktion der kompletten Induktionstherapie<br />

wieder vorgesehen.<br />

Vorgehen außerhalb von Studien<br />

Letztendlich ist die Frage der optimalen Chemotherapiedauer <strong>und</strong> der Erhaltungstherapie bisher nicht geklärt.<br />

Außerhalb von Studien kann nach Induktion durch eine intensive Kombination <strong>und</strong> gutem Ansprechen insbesondere<br />

bei Toxizität nach ca. 3 Monaten eine Deeskalation mit Aussetzen der toxischen Substanz erfolgen. Es sollte dann<br />

aber eine „Erhaltungstherapie“ auf Fluoropyrimidinbasis mit oder ohne Bevacizumab fortgeführt werden. Erfolgt eine<br />

intensive Induktionstherapie über 6 Monate, so kann auf der Basis der OPTIMPOX-Daten auch eine komplette<br />

Therapiepause erfolgen.<br />

Bei Progression in der Therapiepause oder unter der Erhaltungstherapie ist eine Reinduktion d.h. die<br />

Wiederaufnahme der kompletten Chemotherapiekombination, die zuvor zur Remission geführt hat, sinnvoll.<br />

Bei Patienten mit wenigen lokalisierten Metastasen sollte immer erwogen werden, eine Metastasenresektion oder ein<br />

ablatives Verfahren einzusetzen, da hierdurch das therapiefreie Intervall verlängert werden kann.<br />

288


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Therapiestudien, AIO, Übersicht<br />

Die Chemotherapie kolorektaler Karzinom sollte vorzugsweise im Rahmen klinischer Studie erfolgen<br />

AIO-Studien Stand 9/2008 (AIO- KRK-Newsletter September 2008) (www.aio-portal.de)<br />

Metastasiertes kolorektales Karzinom, First line-Therapie<br />

AIO KRK 0204 (1st line): Phase I/II Studie: Capecitabin <strong>und</strong> Oxaliplatin (Xelox) in Kombination mit Cetuximab<br />

<strong>und</strong> Bevacizumab (Doppeltargeting) in der Erstlinientherapie von Patienten mit fortgeschrittenem, kolorektalem<br />

Karzinom Cetuximab ab 05.06.2006 ausgesetzt, Studie geschlossen ab 30.6.2008<br />

Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, studienzentrale@aio-portal.de<br />

AIO KRK 0105 Phase-II-Studie: Capecitabin + Bevacizumab als first-line-Therapie beim metastasierten<br />

kolorektalen Karzinom Rekrutierung abgeschlossen<br />

Ansprechpartner: Frau K. Hillgart / Frau S. Micheel HELIOS-<strong>Klinik</strong>um Berlin-Buch,<br />

Tel. 030 9417-1205 /1313, studienzentrale@aio-portal.de<br />

AIO KRK 0306 Phase-II-Studie: FOLFIRI/Cetuximab vs. FOLFIRI/Bevacizumab. Primäres Studienziel:<br />

Vergleich der Ansprechrate beim metastasierten KRK<br />

Ansprechpartner: Prof. Heinemann, München, Tel. 089- 7095-2208 bzw. Studienzentrale der AIO, Tel. 030-<br />

3229329-33, studienzentrale@aio-portal.de<br />

AIO KRK 0207 Optimale Sequenztherapie : Randomisierte 3-armige Phase-III-Studie mit Induktion FOLFOX<br />

oder XELOX jeweils mit Bevacizumab für 24 Wochen gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Bevacizumab <strong>und</strong> 5-<br />

FU/Folinsäure oder Capecitabine vs. Bevacizumab allein vs. keine Erhaltungstherapie <strong>und</strong> Reinduktion im Falle der<br />

Progression bei unbehandelten Patienten mit metastasiertem KRK<br />

Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, studienzentrale@aio-portal.de<br />

OPAL-Studie AIO/Roche Joint Trial: Offene einarmige Phase-II-Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit<br />

<strong>und</strong> Anwendbarkeit von Bevacizumab im Rahmen einer FOLFOXIRI-Chemotherapie bis zum Fortschreiten der<br />

Erkrankung bei unbehandeltem metastasierten KRK. Studienleiter: Prof. C. Bokemeyer, Hamburg.<br />

Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, studienzentrale@aio-portal.de<br />

Metastasiertes KRK, Second line-Therapie<br />

AIO KRK 0504 – Rand. Phase-III-Studie zur Zweitlinien Therapie AIO-IRI / FOLFIRI / CAPIRI / XELIRI +/-<br />

Bevacizumab bzw. FUFOX / FOLFOX / CAPOX / XELOX +/- Bevacizumab bei Patienten mit metastasiertem<br />

kolorektalen Karzinom nach Progress unter Erstlinientherapie mit Fluoropyrimidin/Oxaliplatin-Bevacizumab bzw.<br />

Fluoropyrimidin/Irinotecan-Bevacizumab<br />

Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 0345-557-5752, studienzentrale@aio-portal.de<br />

AIO KRK 0107 – Randomisierte Phase-II-Studie zur Zweitlinientherapie XELOX +/- Panitumumab nach<br />

Vortherapie mit 5-FU/Irinotecan +/- Bevacizumab. Studienleiter: PD Dr. Grunewald Frankfurt a.M.<br />

Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, studienzentrale@aio-portal.de<br />

Adjuvante <strong>und</strong> neoadjuvante Therapie<br />

PETACC 8: Adjuvant treatment of fully resected stage III colon cancer with FOLFOX-4 + Cetuximab vs.<br />

FOLFOX-4<br />

Geschlossen<br />

Ansprechpartner: Dr. Gunnar Folprecht, Universitätsklinikum Gustav Carus, Onkologische Tagesklinik <strong>und</strong><br />

Ambulanz, Fetscherstraße 74, 01307 Dresden, Tel.:+49 – 0351 - 458-4794, Fax: +49 – 0351 - 458-5312,<br />

gunnar.folprecht@uniklinikum-dresden.de<br />

PETACC 6 (= AIO KRK 0506): Perioperative Therapie des lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinoms T3 oder T4<br />

<strong>und</strong>/oder N+ mit Capecitabin/Oxaliplatin + RTx versus Oxaliplatin + RTx<br />

Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, petacc-6@aio-portal.de<br />

Rektumkarzinom-Studie der Deutschen-Rektumkarzinom Studiengruppe (CAO/ARO/AIO): Perioperative<br />

Therapie des fortgeschrittenen Rektumkarzinoms mit 5-FU + RTx versus 5-FU/Oxaliplatin +RTx<br />

Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, studienzentrale@aio-portal.de<br />

Kolonkarzinom – Erfassung der klinischen Behandlungsrealität<br />

Kolonkarzinom Registry „REAL LIFE“<br />

Kolonkarzinom Registry COFIT – Prospektive Erfassung der Bedeutung von sportlicher <strong>und</strong> körperlicher Aktivität<br />

auf die Rezidivwahrscheinlichkeit nach Kolonkarzinom OP. (adjuvante Situation) – ein Teilprojekt der<br />

Kolonkarzinom Registry<br />

Kolonkarzinom Registry CONUT – Prospektive Erfassung der Bedeutung der Ernährung auf die Rezidivwahrscheinlichkeit<br />

nach Kolonkarzinom OP (adjuvante Situation) – ein Teilprojekt der Kolonkarzinom Registry<br />

Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, studienzentrale@aio-portal.de<br />

289


5-FU-Wirkmechanismus<br />

Pharmakokinetik<br />

5-Fluorouracil wurde bereits 1957 entwickelt. Es ist als fluoriniertes Uracil-Analogon ein Prodrug, das erst<br />

intrazellulär zu seinen aktiven Formen, dem 5-Fluorouridintriphosphat (FUTP) <strong>und</strong> 5-Fluorodesoxyuridinmonophosphat<br />

(FdUMP) metabolisiert wird. FdUMP hemmt das Enzym Thymidinsynthase, das wichtig ist für die<br />

DNA-Synthese. FUTP wirkt über einen anderen Mechanismus zytostatisch, indem es einen falschen Einbau von 5-<br />

FUTP in die DNA bewirkt <strong>und</strong> damit einen Transkriptionsfehler verursacht.<br />

Somit hat 5-FU drei verschiedene Wirkungen<br />

1. Hemmung der Thymidylat-Synthase durch 5-FdUMP. Dadurch Erzeugung eines thymidinlosen Zustandes mit<br />

Hemmung der DNA-Synthese.<br />

2. Fehlerhafter Einbau in die RNA als FUTP.<br />

3. Einbau in die DNA als FdUMP bzw. FdUTP<br />

Metabolische Aktivierung<br />

5-FU-Wirkung in Abhängigkeit von der Applikationsart<br />

Die Wirkung des 5-FU wird in starkem Maße von der Applikationsart beeinflusst.<br />

i.v.Bolus<br />

(i.v.-Injektion in weniger als 5 min): bewirkt ein rasches Anfluten der Substanz. Es kommt überwiegend zur Bildung<br />

von FUTP, die eine Hemmung der RNA bewirkt.<br />

i.v.-Langzeitinfusion (24h)<br />

überwiegend Bildung von FdUMP <strong>und</strong> FDUTP.<br />

Beachte<br />

Eine Applikation von mehr als 15 min. Dauer bis zu 2 St<strong>und</strong>en führt zur “Verwässerung” der 5-FU-Konzentration<br />

<strong>und</strong> ist mit einem erheblichen Wirkungsverlust verb<strong>und</strong>en. Durch in vitro Versuche konnte gezeigt werden, dass 5-<br />

FU bei Kolonkarzinomzellen, die gegen eine kurzzeitige 5-FU-Exposition resistent waren, bei einer längeren<br />

Einwirkzeit noch eine zytostatische Wirkung besitzt. Aufgr<strong>und</strong> dieser Ergebnisse wurden verschiedene<br />

Therapieschemata mit einer kontinuierlichen Langzeitapplikation ( 24 Std. bis mehrere Wochen ) von 5-FU als<br />

Monotherapie oder in Kombination mit Leucovorin entwickelt.<br />

Skippingmutation im DPD-Gen<br />

Ein sehr kleiner Teil von Patienten reagiert nach 5-FU mit einer exzessiven, oft tödlich verlaufenden Toxizität.<br />

Verantwortlich dafür ist eine angeborene Exon-14-Skipping-Mutation. Vielfach wird die DPD-Bestimmung als<br />

prätherapeutisches Screening empfohlen. Mit den derzeit verfügbaren Tests wird jedoch nur ein kleiner Teil der<br />

betroffenen Patienten erfasst. Der Test ist insgesamt nur bei ca. < 0,5-1,0% der Patienten als positiv zu erwarten.<br />

Wegen der Unsicherheit der Tests in Bezug auf Prädiktion <strong>und</strong> therapeutische Relevanz wird derzeit ein DPD-<br />

Screening außerhalb von Studien nicht als Standard empfohlen. Sollte es aber zu einer inadäquaten Toxizität unter<br />

der 5-FU-Behandlung kommen, sollte eine DPD-Diagnostik durchgeführt werden. Diese kann mit einer PCRgestützten<br />

Routinediagnostik aus EDTA-Blut nachgewiesen werden.<br />

290


Capecitabin<br />

Wirkung, Dosierung<br />

Xeloda® ist in Deutschland zur adjuvanten Behandlung des Kolonkarzinoms im Stadium III sowie zur<br />

Behandlung des metastasierten KRK zugelassen. Außerdem besteht eine Zulassung für die first-line-Therapie<br />

des fortgeschrittenen Magenkarzinoms in Kombination mit einem platinhaltigen Schema. Darüber hinaus<br />

besteht eine Zulassung für Xeloda ® als Monosubstanz zur Behandlung des Mammakarzinoms nach<br />

Anthrazyklin- <strong>und</strong> Taxanversagen sowie in Kombination mit Docetaxel zur Behandlung des lokal<br />

fortgeschrittenen oder metastasierenden Mammakarzinom nach Versagen einer zytotoxischen Chemotherapie<br />

bzw. wenn eine weitere Anthrazyklinhaltige Therapie nicht angezeigt ist.<br />

Pharmakokinetik<br />

Capecitabin ist ein orales Fluoropyrimidin, ein Prodrug, aus dem letztendlich 5-FU freigesetzt wird.<br />

Nach oraler Einnahme wird Capecitabin über einen Drei-Schritt-Mechanismus in aktives 5-FU überführt. Der<br />

letzte Aktivierungsschritt erfolgt über das Enzym Thymidinphosphorylase. Diese wird vor allem im<br />

Tumorgewebe exprimiert, so dass vermutlich eine selektive Aktivierung von 5-FU in Tumoren erfolgt.<br />

Toxizität<br />

Dosislimitierende Toxizitäten sind das Hand-Fuß-Syndrom (Schmerzen, Rötung <strong>und</strong> Schwellungen an Händen<br />

<strong>und</strong>/oder Füssen) sowie die Diarrhoe. Übelkeit, Erbrechen sowie die Hämatotoxizität sind eher gering<br />

ausgeprägt. Eine Kreatinin-Clearance < 30 ml/min stellt eine Kontraindikation dar. Bei einer Kreatinin-<br />

Clearance zwischen 30-50 ml wird eine Dosisreduktion auf 75% empfohlen, da sonst mit erheblich verstärkten<br />

Nebenwirkungen zu rechnen ist.<br />

Die Patienten sollten angewiesen werden, die Einnahme bei folgenden Symptomen zu unterbrechen <strong>und</strong> den<br />

behandelnden Onkologen aufzusuchen:<br />

‣ Durchfall mehr als 4 mal am Tag<br />

‣ Erbrechen mehr als 1mal am Tag<br />

‣ Fieber über 38°C<br />

‣ Schmerzen, Rötungen <strong>und</strong> Schwellungen an Händen oder Füssen<br />

‣ M<strong>und</strong>schleimhautentzündung.<br />

Dosierung<br />

Tagesdosis:<br />

2500 mg/m² p.o. verteilt auf 2 Gaben von je 1250 mg/m² im Abstand 12 St<strong>und</strong>en.<br />

Einnahme der Tabletten innerhalb von 30 Minuten nach einer Mahlzeit mit Wasser.<br />

Therapiedauer: Tag 1 -14, dann 7-tägige Therapiepause <strong>und</strong> Wiederholung ab Tag 22.<br />

Studienergebnisse<br />

In zwei großen multizentrischen Phase-III-Studien erhielten insgesamt 1207 Patienten als first-line-Therapie bei<br />

metastasierendem CRC entweder Capecitabin oral (2500 mg/m²/d über 14 Tage mit anschließend einer Woche<br />

Pause) oder das Mayo-Clinic-Schema i.v. Die gepoolten Daten zeigten ein signifikant besseres Ansprechen für<br />

Capecitabin (ORR = 25,7% vs. 16,7%) Die Zeit bis zur Progression <strong>und</strong> das mediane Überleben unterschieden<br />

sich nicht signifikant (TTP 4,6 vs. 4,7 Monate). Auch erwies sich Capecitabin als besser verträglich. Grad-3/4-<br />

Mukositiden <strong>und</strong> -Leukopenien traten deutlich seltener auf (C. Twelves et al., European Journal of Cancer 38:15-20, 2002).<br />

Die charakteristische Nebenwirkung des Capecitabin, das Hand-Fuß-Syndrom, wurde in ausgeprägter Form bei<br />

17% der Patienten beobachtet.<br />

Diese Studien führten zur Zulassung von Xeloda sowohl in den USA als auch in Europa.<br />

Bei einer europäischen Phase-II-Studie mit 109 Patienten waren zuvor 3 verschiedene Capecitabin-Dosierungen<br />

(2510 mg/m²/d intermittierend, 1331 mg/m²/d kontinuierlich <strong>und</strong> 1657 mg/m²/d + 60 mg Folinsäure p.o.<br />

intermittierend) verglichen worden. Die intermittierende Gabe von 2510 mg/m²/d hatte die längste Zeit bis zur<br />

Progression (TTP 230 Tage), die Folinsäure erhöhte die Toxizität, ohne das Ansprechen zu verbessern (Van<br />

Cutsem et al., JCO 2000:18,1037-45).<br />

Siehe auch X-ACT-Studie adjuvante Chemotherapie<br />

291


UFT/Folinsäure<br />

Pharmakokinetik<br />

UFT® ist als orale Chemotherapie seit 2002 zur First-line-Therapie des metastasierten CRC in<br />

Kombination mit Calciumfolinat zugelassen.<br />

UFT ist eine Kombination aus dem 5-FU-Prodrug Tegafur <strong>und</strong> Uracil in einem molaren Verhältnis von<br />

1:4. Die Zugabe von Calciumfolinat führt zu einer Verstärkung der Wirksamkeit.<br />

Pharmakokinetik<br />

Nach oraler Applikation erfolgt die Umwandlung von Tegafur in der Leber. Durch Uracil wird der<br />

Abbau von 5-FU gehemmt. Die Bioverfügbarkeit ist 100% nach oraler Gabe. Die Abbauprodukte<br />

werden vorwiegend als CO 2 abgeatmet, zu einem geringen Anteil wird Tegafur unverändert im Harn<br />

ausgeschieden. Die Halbwertszeit beträgt dosisabhängig ca. 9 St<strong>und</strong>en. Therapeutische Spiegel von 5-<br />

FU gelten für 8-12 St<strong>und</strong>en als gesichert. Durch Calciumfolinat kommt es zu einer verstärkten<br />

Hemmung der Thymidilatsynthetase <strong>und</strong> damit zur Hemmung der DNA-Synthese.<br />

Dosierung<br />

Tegafur 300mg/m 2 /Tag d 1-28<br />

Calciumfolinat 90 mg/Tag d 1-28<br />

Wiederholung Tag 36<br />

Tägliche Anzahl der Kapseln bezogen auf die Körperoberfläche (KO)<br />

KO (m2) UFT ® -Kps pro Tag Verschreibung Tägliches Einnahmeschema<br />

morgens nachmittags abends<br />

1,17 -1,49 4 UFT ® 4 2 1 1<br />

1,50 -1,83 5 UFT ® 5 2 2 1<br />

>1,83 6 UFT ® 6 2 2 2<br />

Zusätzlich je zwei Tabletten Calciumfolinat à 15 mg (insgesamt 90 mg/Tag)<br />

Generell Calciumfolinat-Tbl./Tag: 6 2 2 2<br />

Die Tagesdosis sollte mit einem Abstand von mindestens einer St<strong>und</strong>e vor oder nach einer Mahlzeit<br />

eingenommen werden.<br />

Studienergebnisse<br />

Zwei randomisierte Phase-III-Studien verglichen UFT + Folinsäure (UFT/FS) mit dem Mayo-Clinic-<br />

Schema beim metastasiertem KRK (Douillard JY et al. JCO 2002; 20:3605-16 <strong>und</strong> Carmicheal J. et al. JCO 2002; 20:3617-<br />

27). UFT/Calciumfolinat zeigte gegenüber dem Mayo-Clinic-Schema keine signifikanten Unterschiede<br />

in der Remissionsrate, dem progressionsfreien Intervall (TTP) <strong>und</strong> der Überlebenszeit (ÜLZ) der<br />

Patienten. Die Ansprechraten für UFT/FS waren mit 11,7 <strong>und</strong> 10,5% recht niedrig. Zu berücksichtigen<br />

ist auch, dass UFT in der Carmicheal-Studie mit einem 5-wöchentlichen 5-FU/FS-Schema, also einem<br />

modifizierten Mayo-Clinic-Schema mit geringerer Dosisdichte, verglichen wurde. Die Verträglichkeit<br />

der oralen UFT/FS-Kombination war signifikant besser als die i.v. 5-FU/FS-Therapie. Diarrhoe <strong>und</strong><br />

Übelkeit/Erbrechen waren unter beiden Regimen ähnlich. Mucositis, Leukopenie <strong>und</strong> febrile<br />

Neutropenie waren im UFT-Arm jedoch geringer. Ein Hand-Fuß-Syndrom Grad III trat unter UFT<br />

nicht auf.<br />

Studie Ansprechrate TTP ÜLZ<br />

Douillard 2002; n = 816 (UFT/FS vs. Mayo-Regime)<br />

A: UFT 300 mg/m 2 p.o./Tag + FS 75 od. 90 mg/Tag, T1-28, q5w<br />

B: 5-FU 425 mg/m 2 + FS 20 mg/m 2 i.v. T1-5, q4w<br />

Carmicheal 2002; n = 380 (UFT/FS vs. Mayo-Regime)<br />

A: UFT 300 mg/m 2 p.o./Tag + FS 90 mg/Tag, T1-28, q5w<br />

B: 5-FU 425 mg/m 2 + FS 20 mg/m 2 i.v. T1-5, q5w<br />

11,7%<br />

14,5%<br />

10,5 %<br />

9 %<br />

3,8 Mon.<br />

3,5 Mon<br />

3,4 Mon.<br />

3,3 Mon.<br />

12,4 Mon.<br />

13,4 Mon.<br />

12,2 Mon.<br />

10,3 Mon.<br />

292


Aktivitätssteigerung der 5-FU-Wirkung<br />

Folinsäure<br />

l- <strong>und</strong> d, l-Folinsäure<br />

ist möglich durch eine Vermehrung des intrazellulären Pools von reduziertem Folat. Folinsäure erhöht<br />

das intrazelluläre Folatpotential durch eine Stabilisierung des Komplexes zwischen FdUMP der<br />

Thymidylatsynthase <strong>und</strong> 5,10-Methylentetrahydrofolsäure. Bei genügend hoher Konzentration von<br />

FdUMP <strong>und</strong> Tetrahydrofolsäure wird die Thymidilatsynthetase vollständig gehemmt.<br />

Da die Bindung von FdUMP an die Thymidilatsynthetase proportional der Konzentration von CH 2 -<br />

Tetrahydrofolsäure (<strong>und</strong> damit CH 3 -Tetrahydrofolsäure) ist, wird die zytostatische Wirkung von 5-FU<br />

umso stärker sein, je mehr reduziertes Folat in der Zelle zur Verfügung steht.<br />

l-Folinsäure; d, l-Folinsäure<br />

Der Wirkstoff Folinsäure liegt normalerweise als Racemat vor, d.h. als Gemisch der<br />

Spiegelbildisomeren, seiner rechtsdrehenden d- <strong>und</strong> der linksdrehenden l-Form. Nur die l-Form ist<br />

biologisch aktiv. Die d-Form wird nicht metabolisiert <strong>und</strong> langsam über die Nieren ausgeschieden.<br />

Alle in Deutschland vertriebenen Präparate der Folinsäure wie z.B. Leucovorin®, Ribofolin® etc.<br />

liegen als racemisches Gemisch vor.<br />

Zulassungssituation<br />

In internationalen Studien taucht verschiedentlich die l-Folinsäure als mögliches Präparat bei<br />

Chemotherapiekombinationen auf. In einigen europäischen Ländern wie Österreich, Frankreich oder<br />

Italien ist diese Substanz im Gegensatz zu Deutschland zugelassen <strong>und</strong> auf dem Markt. Handelsnamen<br />

in der EU sind Elvorine®, Isovorin/e®, Isofolin® (Österreich) oder Levofolene®.<br />

Unterschiede d, l – zu l-Folinsäure<br />

Da nur das l-Isomer eine Biomodulation des 5-FU bewirkt, kann die chemisch reine l-Form in 50%<br />

Dosierung, bei gleicher Wirksamkeit wie die Volldosis des üblicherweise verwandten Racemates,<br />

verabreicht werden.<br />

Das B<strong>und</strong>esamt für Arzneimittel hatte von den Herstellerfirmen eine Bioäquivalenzstudie verlangt, in<br />

der nachgewiesen werden sollte, dass "halbdosiertes" l-Leucovorin bioäquivalent zu<br />

"normaldosiertem" d,l-Leucovorin ist, also z.B. 250 mg l-Leucovorin je m² die gleiche Wirksamkeit<br />

hat wie 500 mg/m² d,l-Folinsäure.<br />

Der Zulassungsantrag wurde in Deutschland von den Herstellern nicht gestellt, da Ihnen der Aufwand<br />

nicht gerechtfertigt erschien, zumal offiziell auch die d,l-Folinsäure für die Indikation<br />

"Kombinationstherapie mit 5-FU" von Amts wegen nicht zugelassen ist.<br />

293


Folinsäure<br />

Natrium-/Calcium-Folinat<br />

Die Modulation von 5-FU mit Folinsäure steigert die Antitumoraktivität sowohl in vitro als auch in<br />

vivo. 5-FU in Kombination mit Calcium-Folinat, insbesondere als Infusionsregime, ist eine etablierte<br />

Therapie beim kolorektalen Karzinom.<br />

Ardalan, der Erstbeschreiber des seinen Namen tragenden Schemas, hatte in einer Pumpe 5-FU <strong>und</strong><br />

Calcium-Folinat als eine 24-h-Infusion gemischt. Er musste aber bald zwei Pumpen benutzen, da es<br />

zur Ausfällung von Calciumsalzen <strong>und</strong> zur Katheterobstruktion kam.<br />

Dies führte dazu, dass das Ardalan-Schema, das eine Responserate in der First-line-Therapie von 58%<br />

erreicht hatte, von anderen Gruppen modifiziert wurde. Mit der Applikation von Calciumfolinat über 2<br />

St<strong>und</strong>en, gefolgt von einer 24-h-Infusion von 5-FU, konnte jedoch diese hohe Remissionsrate nicht<br />

erreicht werden. Die Ansprechraten für diese Schemata liegen zwischen 23 <strong>und</strong> 44%.<br />

Natrium-Folinat (Oncofolic ® )<br />

Natrium-Folinat ist eine Präparation der Folinsäure, die bei simultaner Gabe in einer Infusionspumpe<br />

nicht zur Ausfällung von Natriumsalzen führt.<br />

Die Fachinformation von Mai 2002 wurde aufgr<strong>und</strong> der unten angeführten Studie geändert <strong>und</strong> lautet:<br />

"Nach Mischen mit 5-FU oder Verdünnen mit 0,9%iger Natriumchloridlösung: Die chemische <strong>und</strong><br />

physikalische Stabilität der gebrauchsfertigen Zubereitung wurde für 72 St<strong>und</strong>en bei 20-25 o C<br />

nachgewiesen."<br />

"Oncofolic® ist kompatibel mit 5-FU."<br />

Studienergebnisse Phase-II-Studie zu Natriumfolinat (Hartung G. et al. <strong>Onkologie</strong> 2001;24:457-62)<br />

51 nicht vorbehandelte Patienten mit metastasierendem KRK erhielten das Original-Ardalan-Schema<br />

mit 5 FU 2600mg/m 2 gemischt in einer Pumpe mit 500 mg/m 2 Natriumfolinat über 24 St<strong>und</strong>en<br />

1x/Woche über 6 Wochen. Der Behandlungszyklus wurde nach 2 Wochen Pause wiederholt.<br />

Die objektive Remissionsrate betrug 37,2%, die mediane Zeit bis zur Tumorprogression lag bei 8,5<br />

Monaten. In 197 Behandlungszyklen wurden keine Katheterkomplikationen beobachtet.<br />

Leucovorin ®<br />

Auch die Fachinformation des Folinsäurepräparates Leucovorin ® wurde nach einer<br />

Kompatibilitätsstudie geändert:<br />

Aus der Kompatibilitätsuntersuchung: "...zwar ergibt sich beim Mischen von Leucovorin mit 5-FU <strong>und</strong><br />

physiologischer NaCl-Lösung eine leichte Gelbfärbung, doch kann innerhalb des Prüfzeitraums<br />

hinsichtlich der visuellen Prüfung <strong>und</strong> des pH-Wertes keine Veränderung mehr festgestellt werden."<br />

Aus der Fachinformation: "Eine Mischung von 1000 mg Leucovorin (100 ml Leucovorin 10mg/ml)<br />

mit 5000 mg 5-FU (100 ml zu 50 mg/ml) <strong>und</strong> 40 ml physiologischer Kochsalzlösung erwies sich in<br />

Plastik-Infusoren <strong>und</strong> Glas unter Raumbedingungen über 48 Std. stabil. Zu anderen Mischungen liegen<br />

derzeit keine Werte vor."<br />

Vor dem Mischen von Leucovorin mit 5-FU wird dringend gewarnt. Bei der praktischen<br />

Anwendung kam es mehrfach zu Ausfällungen <strong>und</strong> zu Portverstopfungen, die zu entsprechenden<br />

Warnhinweisen veranlasste.<br />

Für ambulante Patienten bedeutet die Verwendung eines mit 5-FU mischbaren Folinsäurepräparates<br />

durch die Zeitersparnis von 2 St<strong>und</strong>en einen Gewinn an Lebensqualität. Diese Applikation ist<br />

mindestens gleich effektiv <strong>und</strong> gleichzeitig auch kostengünstiger.<br />

294


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong>, Therapie<br />

MACHOVER-Schema, Mayo-Clinic-Schema<br />

Indikation<br />

Metastasiertes Stadium, dokumentierte Tumorprogression, tumorspezifische Symptomatik, patientenseitiger<br />

Therapiewunsch.<br />

Voraussetzung<br />

Messbare Tumorparameter. Prätherapeutisch Festlegen der Referenzläsion, gegebenenfalls kann das CEA zur<br />

Beurteilung des Therapieverlaufes dienen.<br />

Therapie Machover et al., J.Clin. Oncol 1986; 4: 685 - 96<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Folinsäure 200 i.v. Bolus 1 – 5<br />

5-FU 370 i.v. Bolus 1 – 5<br />

Wiederholung: Tag 22-29<br />

Kontrolle des Therapieergebnisses monatlich. Möglichst Eintrag <strong>und</strong> Bewertung auf einem Therapiemonitoringblatt.<br />

Ergebnisse : Ansprechrate 31 %, 39% für unvorbehandelte, 22% für vorbehandelte Patienten.<br />

Vergleiche dazu low dose Leucovorin<br />

Toxizität : Stomatitis, Neutropenie, Diarrhoe<br />

Mayo-Clinic-Schema (Poon, M.A., et al. J. Clin Onco 1991; 9:1967 - 72)<br />

Lange Zeit war die Behandlung mit Low-dose Leucovorin <strong>und</strong> Bolus-5 FU der Standard für die first-line-<br />

Therapie des metastasierenden CRC. Der Stellenwert dieser Behandlung hat sich seit der Einführung neuer<br />

Substanzen geändert. Insbesondere die vergleichbare Wirksamkeit der oralen 5-FU-Prodrugs <strong>und</strong> deren<br />

Zulassung zur First-line-Therapie reduzieren die Indikation in der palliativen Situation zu diesem i.v. Schema<br />

erheblich.<br />

Therapie<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Folinsäure 20 i.v. Bolus 1 – 5<br />

5-FU 425 i.v. Bolus* 1 – 5<br />

* Bolus bedeutet: Intravenöse Injektion in weniger als 5 Minuten<br />

Wiederholung alle 4 Wochen bis zur Tumorprogression oder für 6-12 Monate.<br />

Ergebnisse randomisierter Studien zur 5-FU-Therapie<br />

Eine Kontrolle des Therapieergebnisses ist vor jedem Therapiezyklus zur Beurteilung der Wirksamkeit der<br />

Behandlung vorzunehmen. Zweckmäßig ist das Anlegen eines Therapieverlaufsbogens (Monitoringblatt).<br />

Autor<br />

n<br />

Anspre-<br />

chen [%]<br />

Med. Über-<br />

leben [Mo]<br />

De Gramont (Proc ASCO 1995, 194, Abstr 455) 147 17 14,3<br />

Petrelli (J Clin Oncol 7(10), 1989: 1419-26) 112 19 13,8<br />

Buroker (J Clin Oncol 12(1), 1994: 14-20) 183 35 9,3<br />

Die Therapie ist sowohl anwendbar<br />

für eine intravenöse Applikation als<br />

auch für eine Leberperfusion über<br />

einen Port. Bei Verwendung eines<br />

Ports ist abschließend ein Heparin-<br />

Lock erforderlich. Dafür werden 5 ml<br />

einer sterilen Heparin-Kochsalzlösung<br />

(100 E Heparin/ 1ml NaCl) in die<br />

Kammer injiziert.<br />

Poon (J Clin Oncol 7(10), 1989: 1407-8) 70 43 12<br />

Gesamt 512 23 12,4<br />

Toxizität: 30-50% der Pat. haben eine<br />

relevante Stomatitis/Mucositis <strong>und</strong><br />

Neutropenie.<br />

Bolus-5-FU-Regime sollten wegen der im Vergleich zu Infusionsregimen geringeren<br />

Remissionsraten <strong>und</strong> der höheren Toxizität nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen.<br />

295


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Langzeitapplikation von 5-FU +/- Folinsäure<br />

Indikation<br />

Da inzwischen in mehreren Studien eine Symptomverbesserung, eine Verbesserung der Lebensqualität <strong>und</strong> auch<br />

eine Lebensverlängerung bei Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom durch eine Chemotherapie<br />

nachgewiesen worden sind, ist generell im neu diagnostizierten metastasierten Stadium bzw. bei einem Rezidiv<br />

eine Chemotherapie indiziert, wenn keine relevanten Kriterien dagegen sprechen.<br />

Auswahl des Therapieschemas siehe "Palliative Chemotherapie, Therapiestrategie".<br />

Voraussetzungen<br />

Therapiefähigkeit. Messbare Tumorparameter. Prätherapeutisch Festlegen der Referenzläsion.<br />

Autor Substanz Dosis [mg/m²] Applikationsart Therapietage<br />

Weh / Köhne =<br />

„AIO-Schema“<br />

Löffler<br />

Stoffregen<br />

Ergebnisse<br />

Leucovorin<br />

5-FU<br />

Leucovorin<br />

5-FU<br />

Leucovorin<br />

5-FU<br />

500<br />

2600<br />

500<br />

2000<br />

200<br />

2000<br />

2 Std. Infusion<br />

24h-Infusion<br />

2h-Infusion<br />

22h-Infusion<br />

i.v. Bolus<br />

24h-Infusion<br />

1,8,15,22,29,36<br />

Pause Woche 7 + 8<br />

1,8,15,22,29,36<br />

Pause Woche 7,8,9<br />

1,8,15,22,29,36<br />

Pause Woche 7 + 8<br />

Autor Patientenkollektiv CR [%] PR [%] NC [%] N<br />

Weh<br />

Unvorbehandelt<br />

Vorbehandelt<br />

Köhne Unvorbehandelt 44 n.a. 91<br />

Löffler<br />

Stoffregen<br />

Unvorbehandelt<br />

Vorbehandelt<br />

Unvorbehandelt<br />

Vorbehandelt<br />

Inzwischen ist das von Weh/Köhne entwickelte Schema unter dem Namen „AIO-Schema“ (für<br />

„Arbeitsgemeinschaft internistische <strong>Onkologie</strong>“) in Deutschland das am weitesten verbreitete <strong>und</strong> akzeptierte<br />

Schema für die Hochdosis-5-FU-Behandlung („infusional-5-FU“). Im französischen Sprachraum gilt dies für<br />

das auf der folgenden Seite beschriebene „De-Gramont-Schema“.<br />

0<br />

0<br />

11<br />

4<br />

7<br />

0<br />

38<br />

9<br />

64<br />

19<br />

30<br />

0<br />

38<br />

56<br />

21<br />

54<br />

45<br />

50<br />

21<br />

57<br />

54<br />

44<br />

25<br />

AIO-Studie (Schmoll HJ, Köhne CH et. al. ProcAmSocClinOncol 2000,19:241°, Abstract # 935)<br />

In der AIO-Studie bzw. EORTC-Studie 40952 wurde das MAYO-Clinic-Schema mit der wöchentlich<br />

hochdosierten 5-FU-Dauerinfusion über 24 h mit <strong>und</strong> ohne Folinsäure verglichen. Insgesamt erhielten 497<br />

Patienten mit metastasiertem CRC das Mayo-Clinic-Schema oder 2600 mg/ m² 5-FU mit oder ohne Folinsäure<br />

(500 mg/ m² als 2h-Infusion vor 5-FU) wöchentlich x 6 <strong>und</strong> Wiederholung am Tag 50).<br />

Schema Remissionsrate Med. Überleben (Mon.) Medianes PFS (Mon.)<br />

HD-5-FU/Folinsäure 20% 12 6,4<br />

Mayo-Clinic<br />

HD-5-FU<br />

11%<br />

9%<br />

Im HD-5-FU/Folinsäure-Arm zeigte sich eine nicht signifikante Steigerung der Remissionsrate sowie eine<br />

mäßige aber statistisch signifikante Erhöhung des progressionsfreien Überlebens (PFS).<br />

12,5<br />

13,2<br />

4,1<br />

4,4<br />

296


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Hochdosis - 5-FU + Folinsäure (Ardalan)<br />

Die Antitumoraktivität von 5-FU kann substantiell gesteigert werden, wenn der intrazelluläre Pool von<br />

reduziertem Folat erhöht wird. Folinsäure hat sich als der praktikabelste Biomodulator im Sinne einer<br />

Wirkungsverstärkung für 5-FU erwiesen. Folinsäure ist ein guter Kombinationspartner, die optimale<br />

Dosis sowie die Applikationsart <strong>und</strong> -dauer sind derzeit nicht bekannt. Eine kontinuierliche<br />

Applikation scheint die Wirksamkeit zu verbessern.<br />

Voraussetzung: Für die Durchführung der Therapie sind ein venöses Portsystem <strong>und</strong> geeignete<br />

Langzeitpumpen erforderlich.<br />

Therapie Ardalan, B., L. Chua et al. J.Clin.Oncol 1991; 9:625-630<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Folinsäure 500 24-Std.-Infusion 1, 8, 15 ff<br />

5-FU 2600 24-Std.-Infusion 1, 8, 15 ff<br />

Wiederholung wöchentlich<br />

Dosis-Modifikation<br />

Nach einer inadäquaten Toxizität sind eine Dosisreduktion des 5-FU z.B. auf 2.000 mg/m 2 oder auch<br />

auf 1.600 mg/m 2 <strong>und</strong> eine Intervallverlängerung auf 14 Tage möglich.<br />

Kommentar<br />

Diese Therapie ist in der Originalform schlecht praktikabel, da gleichzeitig zwei unabhängige<br />

Pumpensysteme gebraucht werden. Besser handhabbar sind die verschiedenen Modifikationen<br />

besonders das AIO-Schema. Siehe dort. Allerdings ist jetzt das Natriumfolinat zugelassen, das mit 5 -<br />

FU gemischt <strong>und</strong> als 24-h-Infusion appliziert werden kann.<br />

Handhabung<br />

Punktion des Ports unter sterilen Kautelen. Für jede der beiden Substanzen wird eine separate portable Injektionspumpe<br />

gebraucht. Beide Substanzen dürfen nicht gemischt werden, da Calciumfolinat in Gegenwart von 5-FU zu Kalksalzen<br />

ausfallen <strong>und</strong> den Injektionsschlauch verstopfen kann. Die beiden Pumpsysteme werden über ein Y-Stück an die<br />

Portkanüle geführt. Siehe aber oben <strong>und</strong> Seite „Folinsäure“.<br />

Ergebnisse: 22 Pat., davon 10 vorbehandelt.<br />

Patienten N CR PR RR<br />

Medianes<br />

Überleben<br />

unvorbehandelt 12 3 / 12 4 / 12 58 % 22 Monate<br />

vorbehandelt 10 0 / 10 3 / 10 30% 10 Monate<br />

Gesamtansprechrate : 45%<br />

Zeitdauer bis zum bestmöglichen Response 6 - 8 Wochen.<br />

Toxizität Grad 1 Grad 2 Grad 3<br />

Stomatitis 6 2 1<br />

Diarrhoe 4 3 2<br />

Übelkeit 7 0 0<br />

Erbrechen 3 0 0<br />

Schwäche 3 0 0<br />

Hand-Fuß-Syndrom 6 2 1<br />

297


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

5-FU (Bolus + Langzeit) + Folinsäure (De Gramont)<br />

5-FU entfaltet den zytostatischen Effekt in Abhängigkeit von der Applikationsart auf unterschiedliche<br />

Weise.<br />

5-FU-Applikation<br />

i.v. Bolusgabe bewirkt eine Hemmung der RNA<br />

i.v. Langzeitinfusion führt zu einer Inhibition der DNA.<br />

Eine französische Studie hat prospektiv randomisiert die Wirksamkeit der Kombination von Bolus<strong>und</strong><br />

Langzeitinfusion geprüft. (De Gramont,A., J.F. Bosset et al. Proc. ASCO 1995, Abstr. 455).<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2<br />

5-FU 400 i.v. Bolus (5 min) 1, 2<br />

5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2<br />

Wiederholung 14 tägig bis zur Tumorprogression.<br />

Ergebnisse<br />

Randomisierter Vergleich mit einer Standardtherapie nach dem Mayo-Clinic-Schema: N = 306,<br />

Ansprechrate 34 % (Hochdosistherapie) vs. 17 % (Standardtherapie) (p = 0.002). 41 Pat. ( 21,5% ) der<br />

Pat. im Standardtherapiearm hatten eine Toxizität Grad-3-4, demgegenüber erlitten 9,2% der Pat. im<br />

Bolus/Langzeit-Arm ein Grad-3-4-Toxizität.<br />

Schlussfolgerung der Autoren: Die zweiwöchentliche Gabe von 5-FU-Bolus +<br />

Langzeitinfusion mit hochdosierter Folinsäure ist signifikant wirksamer <strong>und</strong> geht mit weniger<br />

Toxizität einher als die monatliche 5-FU + low-dose Folinsäure-Standardtherapie.<br />

Modifikation<br />

Dieselbe Arbeitsgruppe stellte ein modifiziertes Schema einer Kombination von Bolus- <strong>und</strong><br />

Langzeitgabe von 5-FU vor. (Tournigand , de Gramont A et al. Proc ASCO 1998, Abstr. 1052):<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1<br />

5-FU 400 i.v. Bolus (5 min) 1<br />

5-FU 2400 - 3600 48-Std.-Infusion 1<br />

Wiederholung 14 tägig bis zur Tumorprogression. Beginn der 5-FU-Dosis mit 2,4 g, Steigerung um<br />

jeweils 0,6 g nach 2 Zyklen bis maximal 3,6 g, falls Toxizität < NCI-Grad 2.<br />

Ergebnisse: N = 59, Ansprechrate 37%, 34% stabile Erkrankung, mediane progressionsfreie Zeit<br />

8,6 Monate, keine Angabe zur Überlebenszeit. Toxizität Grad 3 bei Dosislevel 3: 16% (Hand-Fuß-<br />

Syndrom 5%, Mukositis, Diarrhoe, Anämie, Neutropenie, Alopezie, kardiale Toxizität je 2%).<br />

298


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Oxaliplatin (Eloxatin ® )<br />

Oxaliplatin ist ein neues Platinderivat, das seit Mitte 1997 in Frankreich <strong>und</strong> seit 8/1999 auch in<br />

Deutschland für die first-line-Behandlung des metastasierenden CRC in Kombination mit 5-FU <strong>und</strong><br />

Folinsäure zugelassen ist.<br />

Im Gegensatz zu Cisplatin ist Oxaliplatin nicht nephrotoxisch <strong>und</strong> kann auch bei Patienten mit<br />

eingeschränkter Nierenfunktion gegeben werden (Kreatinin-Clearance muss aber > 30 ml/min sein).<br />

Eine begeleitende Hyperhydratation ist nicht erforderlich.<br />

Wirkmechanismus<br />

Ähnlich wie Cisplatin bindet sich Oxaliplatin vor allem an guaninhaltige Nukleotide der DNA. Es<br />

werden Quervernetzungen der DNA induziert. Die wesentlichen Unterschiede zu Cisplatin betreffen<br />

die Kinetik dieser Vorgänge.<br />

Anwendung<br />

Die Substanz darf weder beim Lösen, noch bei der Infusion mit Kochsalz in Berührung kommen.<br />

Oxaliplatin wird daher in 500 ml Glukose 5% verabreicht. Auch darf Oxaliplatin nicht benutzt werden<br />

in Verbindung mit anderen chloridhaltigen <strong>und</strong> alkalischen Arzneimitteln oder Lösungen, wie 5-<br />

Fluorouracil <strong>und</strong> Trometamol (ein Tris-Puffer, der in manchen Folinsäurepräparaten enthalten ist,<br />

nicht aber z.B. in Leucovorin ® ). Generell darf die Substanz nicht mit anderen Arzneimitteln über<br />

denselben Zugang gemischt oder gleichzeitig verabreicht werden. Aluminiumhaltige<br />

Injektionsmaterialien dürfen nicht verwendet werden, da Oxaliplatin bei Kontakt mit Aluminium<br />

abgebaut wird.<br />

Dosierung<br />

Die empfohlene Dosis in der First-line-Therapie beträgt in Kombination mit 5-FU/Folinsäure<br />

85 mg/ m²/KOF intravenös alle 2 Wochen<br />

Die Dosierung muss der Verträglichkeit angepasst werden. Die Substanz wird in 250 oder 500 ml<br />

Glucose 5% über 2 (- 6) St<strong>und</strong>en inf<strong>und</strong>iert <strong>und</strong> soll immer vor Fluoropyrimidinen gegeben werden.<br />

Toxizität<br />

Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen erfordern den Einsatz von 5-HT-3-Antagonisten. Es besteht keine<br />

Nephrotoxizität, eine klinisch relevante Ototoxizität trat bei weniger als 1% der Patienten auf. Die<br />

hämatologische Toxizität ist gering, kann aber in der Kombinationstherapie ausgeprägter sein.<br />

Die wichtigsten dosislimitierenden Nebenwirkungen sind akute <strong>und</strong> kumulative neuropathische<br />

Symptome. Akut können, wenige St<strong>und</strong>en bis Tage nach der Infusion, Parästhesien an den<br />

Extremitäten <strong>und</strong> perioral, häufig ausgelöst durch Kälteexposition, auftreten. In der Regel sind diese<br />

Symptome selbstlimitierend.<br />

Zu einer persistierenden peripheren Neuropathie mit funktioneller Einschränkung kommt es mit<br />

zunehmender kumulativer Oxaliplatindosis. Diese Ausprägung der Neuropathie betrifft etwa 10-15%<br />

der Patienten mit einer kumulativen Dosis von ca. 800 mg/m 2 . Bei Einschränkungen der Feinmotorik<br />

muss deshalb die Dosis reduziert oder die Behandlung abgebrochen werden. Die Neuropathie ist bei<br />

ca. 80% der Patienten nach Abbruch der Behandlung innerhalb von mehreren Monaten reversibel.<br />

Studienergebnisse Monotherapie<br />

Oxaliplatin ist als Monosubstanz (130 mg/m 2 ) beim CRC sowohl primär als auch nach Versagen einer<br />

auf 5-FU basierenden Therapie wirksam (Diaz-Rubio E. et al.: AnnOncol 1998; 9:105-8 <strong>und</strong> Machover D. et al.: AnnOncol<br />

1996;7:95-98). Die Ansprechrate in der Primärtherapie beträgt 23%, in der Sek<strong>und</strong>ärtherapie 10%.<br />

Aufgr<strong>und</strong> des ausgeprägten Synergismus in der Kombination mit 5-FU wurden schon zu Beginn des<br />

klinischen Einsatzes der Substanz vorwiegend Kombinationsprotokolle untersucht (siehe<br />

entsprechende Seiten).<br />

299


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

FOLFOX-Therapieschemata, Übersicht<br />

Nachdem die Gabe von 5FU als Dauerinfusion, statt der bis dahin üblichen Bolusapplikation, zu einer Verbesserung<br />

der Ansprechraten bei gleichzeitiger Reduktion der Toxizität, nicht aber zu einem Überlebensvorteil geführt hatte,<br />

erarbeitete die GERCOR (Groupe d’Etude et de Récherche en Cancérologie Onco-Radiothérapie) unter de Gramont<br />

ein Hybridschema aus Bolus- <strong>und</strong> Infusions-5FU. Diese Kombination erreichte verbesserte Ansprechraten bei einem<br />

akzeptablen Toxizitätsprofil.<br />

FOLFOX-Schemata<br />

Levi et al. kombinierten Infusional-5FU mit Oxaliplatin in einem dosismodulierten Schema. Diese Kombination war<br />

die Basis für eine ganze Generation von Therapieschemata, FOLFOX (Folinsäure/5-FU/Oxaliplatin) genannt <strong>und</strong> zur<br />

Unterscheidbarkeit nummeriert. Eine Ausdehnung der 5-FU-Applikation über 2 Tage erlaubte eine Dosiseskalation<br />

(FOLFOX1). Wegen dosislimitierender Toxizität (Neurotox.) wiesen die Folgeprotokolle eine reduzierte<br />

Oxaliplatindosis auf (FOLFOX 2, 3). FOLFOX4 kombinierte erstmals Bolus- <strong>und</strong> Infusionsschema <strong>und</strong> zeigte<br />

geringere Toxizität bei höherer Effektivität einschließlich des Gesamtüberlebens. FOLFOX6 <strong>und</strong> 7 hatten eine<br />

Vereinfachung des Schemas bei Maximierung der Dosisintensität zum Ziel.<br />

FOLFOX 1 (de Gramont et al, Proc Am Soc Clin Oncol 1994; 13:220)<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Oxaliplatin 130 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 1<br />

Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,2<br />

5-FU 1500-2000 22-Std.-Infusion 1,2<br />

FOLFOX 2 (de Gramont et al, Eur J Cancer 1997; 33:214-9)<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Oxaliplatin 100 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 1<br />

Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,2<br />

5-FU 1500-2000 22-Std.-Infusion 1,2<br />

FOLFOX 3 (Andre et al, Ann Oncol 1998; 9: 1251-3)<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 1<br />

Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,2<br />

5-FU 1500-2000 22-Std.-Infusion 1,2<br />

FOLFOX 4 (Andre et al, J Clin Oncol 1999; 17:3560-8)<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 1<br />

Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1,2<br />

5-FU 400 i.v. Bolus 1,2<br />

5-FU 600 22-Std.-Infusion 1,2<br />

FOLFOX 6 (Maindrault-Goebel et al, Eur J Cancer 1999; 35:1338-42)<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Oxaliplatin 100 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 1<br />

Folinsäure 400 2-Std.-Infusion 1<br />

5-FU 400 i.v. Bolus 1<br />

5-FU 2400-3000 46-Std.-Infusion 1-2<br />

FOLFOX 7 (Maindrault-Goebel et al, Eur J Cancer 2001; 37:1000-5)<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Oxaliplatin 130 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 1<br />

Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1<br />

5-FU 400 i.v. Bolus 1<br />

5-FU 2400 46-Std.-Infusion 1-2<br />

Wiederholung aller Schemata Tag 15<br />

300


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Oxaliplatin-Kombinationstherapie<br />

Oxaliplatin ist in der Lage, eine klinische Resistenz gegen Fluorouracil teilweise aufzuheben. Nach Progression unter<br />

Fluorouracil ist durch die Kombination von Oxaliplatin mit 5-FU ein Ansprechen zu erzielen. Die meisten Daten zu<br />

Oxaliplatinkombinationen stammen aus Frankreich von den Arbeitsgruppen um Lévi <strong>und</strong> De Gramont.<br />

Es existieren 2 große randomisierte-Phase-III-Studien.<br />

In beiden Studien wurde Fluorouracil als Infusion über 5 Tage chronomoduliert (Giacchetti et al.) oder über 48<br />

St<strong>und</strong>en (De Gramont) gegeben <strong>und</strong> im experimentellen Arm Oxaliplatin hinzugefügt.<br />

Kombinationstherapie (FOLFOX 4)<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 1<br />

De Gramont A et al. Proc Am Soc Cli Oncol 1998;17:257a<br />

Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1,2<br />

5-FU 400 i.v. Bolus 1,2<br />

5-FU 600 22-Std.-Infusion 1,2<br />

Wiederholung alle 2 Wochen<br />

Studienergebnisse<br />

Schema Pat. (n) RR<br />

Med. Überleben<br />

(Mon.)<br />

Med. PFS<br />

(Mon.)<br />

5-FU/Folinsäure chronomoduliert 100 16% 20 6,1<br />

Oxaliplatin/5-FU/Folinsäure chronomod. 100 53% 19 8,7<br />

(Giacchetti S. et al. J Clin Oncol 2000 ;18:136-147)<br />

5-FU/Folinsäure (de Gramont) 210 23% 15 6,2<br />

Oxaliplatin/5-FU/Folinsäure (FOLFOX 4) 210 51% 16 9,0<br />

(De Gramont A et al. J Clin Oncol 2000;18:2938-47)<br />

Es zeigte sich in beiden Studien ein signifikanter Unterschied in der Remissionsrate (RR) sowie ein längeres<br />

progressionsfreies Überleben (PFS) zugunsten des Oxaliplatinarms. Allerdings war die Toxizität mit Oxaliplatin auch<br />

deutlich höher (v.a. Neuropathien). Ein signifikanter Unterschied in der Überlebenszeit konnte wegen des Crossover-Designs<br />

<strong>und</strong> Second- <strong>und</strong> Third-line-Therapien nicht gezeigt werden.<br />

Mayo-Clinic-Schema vs. Hochdosis-5-FU/Folinsäure+Oxaliplatin (FUFOX)<br />

(Grothey A. et al., ProcAmSocClinOncol 2002;21:512)<br />

Arm B Prüfarm (FUFOX)<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Oxaliplatin 50 2 Std. Infusion in Glucose 5% 1,8,15,22<br />

Folinsäure 500 2 Std. Infusion vor FU 1,8,15,22<br />

5-FU 2000 24 Std. Infusion 1,8,15,22<br />

Wiederholung Tag 36, dann alle 5 Wochen.<br />

Schema Pat. (n) Ansprechen<br />

Medianes Überleben Medianes PFS<br />

(Mon.)<br />

(Mon.)<br />

FUFOX 118 48,3% 20,4 7,9<br />

Mayo-Clinic 124 22,6% 16,1 5,3<br />

Die Oxaliplatin-Kombinationstherapie ist signifikant wirksamer als das Mayo-Clinic-Schema <strong>und</strong> auch weniger<br />

toxisch (Im Mayo-Schema 3 = 2,4% toxische Todesfälle vs. 1 = 0,8% bei FUFOX). Das lange mediane<br />

Überleben resultiert aus Oxaliplatin- <strong>und</strong> Irinotecan-haltigen Salvage-Therapien.<br />

301


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Capecitabin/Irinotecan vs. Capecitabin/Oxaliplatin<br />

In einer randomisierten Phase-II-Studie wurde die Kombination des oralen 5-FU-Prodrug Capecitabin mit<br />

Irinotecan gegen Capecitabin plus Oxaliplatin als First-line-Therapie bei fortgeschrittenem CRC evaluiert.<br />

Hauptzielkriterium ist die Ansprechrate, Nebenzielkriterien sind die Zeit bis zur Progression, die<br />

Überlebenszeit, die Toxizität <strong>und</strong> die Lebensqualität.<br />

Studienleiter: Prof. H.-J. Schmoll, Halle<br />

Studiensekretariat: Tel. 0345/557-2849 / 2924 Fax 0345/557-2950<br />

Ein- <strong>und</strong> Ausschlusskriterien<br />

Histologisch nachgewiesenes Adenokarzinom des Kolons oder Rektums<br />

Inoperable <strong>und</strong>/oder metastasierte Erkrankung (mindestens eine evaluierbare Metastase muss außerhalb<br />

eines evtl. vorbestehenden Strahlenfeldes liegen).<br />

Keine vorangegangene Chemotherapie für metastasierte Erkrankung (Immuntherapie zählt nicht als<br />

Chemotherapie): adjuvante Chemotherapie erlaubt, falls sie mindestens 6 Monate zurückliegt.<br />

Mindestens eine ausmessbare Referenzmetastase von mindestens 20 x 20 mm Größe<br />

Alter zwischen 18 <strong>und</strong> 75 Jahren <strong>und</strong> Performance-Status nach ECOG (WHO): 0,1,2<br />

Lebenserwartung über 3 Monate<br />

Bilirubin < 2x Norm; AP < 3x Norm; Kreatinin< 2x Norm<br />

Möglichkeit der regelmäßigen längerfristigen Nachsorge<br />

Initiale Evaluation 4 Wochen oder weniger vor Studienaufnahme<br />

Keine ZNS-Metastasen<br />

Kein Zweitmalignom außer Cervix-Ca. in situ o. nicht-Melanom-Hautkrebs<br />

Keine schwerwiegenden internistischen Begleiterkrankungen, die eine zytostatische Therapie ausschließen,<br />

insbesondere keine KHK trotz adäquater Therapie<br />

Keine vorbestehende schwere Polyneuropathie<br />

Behandlungsplan<br />

Arm A<br />

Capecitabin<br />

2000 mg/m 2 oral Tag 1 -14 mit Aufteilung der täglichen Gesamtdosis in 2 Gaben (morgens<br />

<strong>und</strong> abends jeweils 30 min. nach dem Essen);<br />

Irinotecan 100 mg/m 2 in 500 ml NaCl als 90 Minuten-Infusion Tag 1 <strong>und</strong> 8<br />

Cave: zur Prophylaxe des akut-cholinergen Syndroms Applikation von 0,5 mg Atropin s.c.<br />

30 min vor Irinotecan obligat (cave Glaukom)<br />

Wiederholung Tag 22<br />

Arm B<br />

Capecitabin<br />

2000 mg/m 2 oral wie oben<br />

Oxaliplatin 70 mg/m 2 in 500 ml Glucose 5% i.v. als 120 min.-Infusion Tag 1 <strong>und</strong> 8<br />

Wiederholung Tag 22<br />

Fortsetzung der Th. bis zur Progression od. Auftreten einer schweren Toxizität, bei CR max. ein Jahr.<br />

Bei Progress wird ein Cross-over empfohlen, ist aber optional.<br />

Ergebnisse (A.Grothey et al., ASCO 2004, Abstr. 3534)<br />

Insgesamt 161 Patienten, davon erhielten 68 Pat. CapOx oder CapIri als second-line-Therapie nach Cross-over.<br />

Toxizität: Eine schwere Diarrhoe als Grad-3/4-Toxizität trat häufiger im second-line CapIri auf (10,8% vs. 0%),<br />

die Oxaliplatin-induzierte Neurotoxizität nach first-line CapOx war reversibel unter second-line CapIri.<br />

Effektivität (CapIri vs. CapOx): Responseraten 20,6% vs. 12,7%, Stable disease 50 vs. 48,4%, Progressive<br />

disease 29,4% vs. 38,7%. Progressionsfreies Überleben 5,1 vs. 4,3 Monate. Overall survival 9,6 vs. 10,6<br />

Monate. Das Gesamtüberleben für Patienten mit first- <strong>und</strong> second-line-Therapie war fast identisch: CapOx →<br />

CapIri 17,8 Monate, CapIri → CapOx 17,7 Monate. CapIri <strong>und</strong> CapOx sind beide effektive <strong>und</strong> tolerable<br />

Regime. Es ergibt sich kein Vorteil für eine bestimmte Behandlungssequenz.<br />

302


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Oxaliplatin/5-FU-24h/FA vs. Oxaliplatin/Capecitabin<br />

Diese Studie vergleicht in der palliativen Situation als first-line-Behandlung zwei Chemotherapien, die beide<br />

eine „Neue Substanz“ enthalten <strong>und</strong> mit einem 5-FU-Infusionsregime bzw. einem oralen 5-FU-Prodrug<br />

kombiniert werden:<br />

Hochdosis-5-FU/Folinsäure + Oxaliplatin (FUFOX)<br />

versus<br />

Capecitabin + Oxaliplatin (CAPOX)<br />

Studienziele<br />

Hauptzielkriterium: Vergleich der progressionsfreien Überlebenszeiten von Patienten mit fortgeschrittenem<br />

kolorektalen Karzinom unter der palliativen Chemotherapie<br />

Nebenzielkriterien: Remissionsraten<br />

Gesamtüberlebenszeiten<br />

Dokumentation der Toxizitäten in beiden Chemotherapiearmen<br />

Beurteilung der Lebensqualität<br />

Einschlusskriterien<br />

Patienten mit inoperablen Metastasen eines histologisch gesicherten kolorektalen Karzinoms<br />

Messbare Tumorparameter entsprechend den RECIST-Kriterien<br />

Leukozyten >3000/µl, Thrombozyten >100.000/µl<br />

Serumkreatinin < 1,25 x Normwert, Serumbilirubin < 1,25 x Normwert; bei Vorliegen von Lebermetastasen<br />

Serumbilirubin < 1,5 x Normwert, GOT/GPT < 2,5 x Normwert.<br />

Kreatinin-Clearance > 30ml/min (Dosismodifikation für Kreatinin-Clearance von 30-50 ml/min)<br />

Schriftliche Einverständniserklärung des Patienten<br />

Eine vorausgegangene adjuvante Chemotherapie oder Radio-/Chemotherapie muss mindestens sechs<br />

Monate zuvor abgeschlossen sein<br />

Alter > 18 Jahre<br />

Allgemeinzustand < 2 (ECOG)<br />

Geschätzte Lebenserwartung über 3 Monate<br />

Evaluation der Tumormanifestation 4 Wochen oder weniger vor Aufnahme in die Studie<br />

Ausschlusskriterien<br />

Zweitmalignome innerhalb der letzten 5 Jahre mit Ausnahme eines Basalioms oder eines erfolgreich<br />

behandelten in-situ-Karzinoms der Cervix.<br />

Hochgradige internistische Erkrankungen (z.B. dekompensierte Herzinsuffizienz, schwere KHK,<br />

Myokardinfarkt innerhalb von 6 Monaten vor Aufnahme in die Studie)<br />

Metastasen im ZNS<br />

Vorbestehende schwere Polyneuropathie<br />

Schwangerschaft, stillende Frauen<br />

Bekannte Allergie gegenüber einem der eingesetzten Medikamente oder deren Inhaltsstoffen<br />

Bekannter DPD-Mangel<br />

Gleichzeitige Therapie mit dem Virostatikum Sorivudin oder dessen chemischen Verwandten<br />

Bestrahlung der Indikatorläsion<br />

Vorangegangene palliative Chemotherapie<br />

Studienleitung:<br />

Prof. Dr. med. R. Porschen, <strong>Klinik</strong> für Innere Medizin, Zentralkrankenhaus Bremen Ost, Züricher Strasse 40,<br />

28235 Bremen, porsch@zkhost.bremen.de<br />

Studiensekretariat:<br />

Dr.med. H.-T. Arkenau, <strong>Klinik</strong> für Innere Medizin, Zentralkrankenhaus Bremen Ost, Züricher Strasse 40, 28325<br />

Bremen<br />

Tel.: 0421/408-2534 Fax: 0421/408-2235 harkenau@zkhost.bremen.de<br />

Die Studie ist beendet. Ergebnisse siehe folgende Seite!<br />

303


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Oxali./5-FU-24h/FA vs. Oxali./Capecitabin –Therapieprotokoll<br />

ARM A<br />

Oxaliplatin:<br />

Folinsäure:<br />

5-FU:<br />

Tag 1, 8, 15, 22<br />

50 mg/m 2 (2-Std.-Infusion)<br />

anschließend 500 mg/m 2 als 2-Std.-Infusion,<br />

anschließend: 2000 mg/m 2 5-FU-Hochdosis-22-Std.-Infusion.<br />

Wiederholung an Tag 36. 1 Zyklus umfasst somit 5 Wochen.<br />

ARM B<br />

Oxaliplatin 70 mg/m 2 (2-Std.-Infusion) an Tag 1 <strong>und</strong> 5, Wiederholung an Tag 22<br />

Capecitabin 2 x 1000 mg/m 2 /Tag oral für 2 Wochen, 1 Woche Pause.<br />

1 Zyklus umfasst somit 3 Wochen. Nach jeweils 3 Zyklen 2 Wochen Pause<br />

Um die kumulative Oxaliplatindosis in beiden Armen vergleichbar zu halten, wird in Arm B die Pause<br />

nach jeweils 3 Zyklen von 1 auf 2 Wochen verlängert.<br />

Antiemese<br />

Wegen der Gabe von Oxaliplatin sollten generell HT 3 -Rezeptorantagonisten eingesetzt werden. Eine<br />

prophylaktische antiemetische Therapie mit 4x50 Tropfen Metoclopramid am Tag der Chemotherapie <strong>und</strong> an<br />

beiden Tagen danach sollte durchgeführt werden. Diese Therapie kann durch 2x4 mg Fortecortin p.o. ergänzt<br />

werden.<br />

Hand-Fuß-Syndrom:<br />

Bei Auftreten einer Rötung der Handflächen oder der Fußsohlen sollte unter Gabe von Capecitabin die<br />

Behandlung unterbrochen werden.<br />

Diarrhoe<br />

Bei ausgeprägter therapiepflichtiger Diarrhoe ist der zeitgerechte Einsatz von Loperamid oder Octreotid zu<br />

empfehlen (Sandostatin; 3x50 bis 3x100 µg pro Tag). Auf einen Ersatz der Flüssigkeitsverluste ist dabei<br />

besonders zu achten.<br />

Bei neutropener Diarrhoe oder Fieber plus Diarrhoe ist eine adäquate antibiotische Therapie obligat, z.B.<br />

Metronidazol oral plus breite systemische Antibiose i.v. (z.B. β-Lactam-Antibiotika plus Aminoglykosid).<br />

Kardiotoxizität<br />

Sofort die Infusionstherapie unterbrechen. Bei 5-FU <strong>und</strong> Capecitabin bedingter Kardiotoxizität darf mit 5-FU<br />

<strong>und</strong> Capecitabin nicht mehr behandelt werden.<br />

Interim-Safety-Analyse<br />

Nach Einbringen von 420 Patienten zwischen August 2002 <strong>und</strong> Mai 2004 ist die Studie jetzt geschlossen. Die<br />

Interim-safety-Analyse (Arkenau HT et al., Abstract #3546, ASCO 2004) ergab folgende Toxizitätsdaten:<br />

Häufigkeit <strong>und</strong> Schweregrad der gastrointestinalen Nebenwirkungen <strong>und</strong> des Hand-Fuß-Syndroms sind ähnlich<br />

in beiden Gruppen. Patienten im FUFOX-Arm erleiden häufiger Grad-3/4 Neuropathien (25% im FUFOX- vs.<br />

16% im CAPOX-Arm).<br />

Die hämatologische Toxizität ist gering bis auf ca. 10% Grad-3/4 Neutropenien, die häufiger im FUFOX-Arm<br />

vorkommen.<br />

Schlussfolgerung: CAPOX ist mindestens gleich gut verträglich wie FUFOX in der First-line Therapie des<br />

metastasierten CRC.<br />

CAPOX FUFOX<br />

n= 167 n=155<br />

p-Wert<br />

PFS 7,0 Mon. 8,0 Mon. 0,11<br />

CR 3% 5% 1,0<br />

PR 39% 40% 1,0<br />

SD 32% 23% 1,0<br />

PD 26% 32% 1,0<br />

Überleben (PFS) war im FUFOX-Arm besser (8 versus 7 Monate).<br />

Studienergebnisse (Arkenau H. et<br />

al., ASCO 2005,#3507)<br />

Die Toxizitätsprofile <strong>und</strong><br />

Responseraten in beiden<br />

Kombinationstherapien sind<br />

vergleichbar. Das progressionsfreie<br />

304


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Irinotecan (Campto ® )<br />

Irinotecan gehört zur Gruppe der Topoisomerase-I-Inhibitoren. Campto ® ist für die First-line-Therapie<br />

des metastasierten CRC zugelassen<br />

- in Kombination mit 5-FU <strong>und</strong> Folinsäure bei erwachsenen Patienten ohne vorausgegangene<br />

Chemotherapie im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung,<br />

- als Monotherapie bei erwachsenen Patienten, die auf eine Vorbehandlung mit einem 5-FU<br />

enthaltenden Regime nicht angesprochen haben.<br />

Wirkmechanismus<br />

Topoisomerase I ist ein nukleäres Enzym, das kovalent am 3‘-Ende der DNA-Doppelhelix bindet. Dessen Aufgabe besteht<br />

in der passageren Spaltung eines Stranges, um die Replikation zu ermöglichen. Durch Bindung eines Inhibitors (Irinotecan)<br />

am Enzym werden irreversible Strangabbrüche induziert <strong>und</strong> so die DNA-Replikation <strong>und</strong> die Bildung von mRNA gestört.<br />

Dosierung<br />

Monotherapie<br />

Substanz Dosis (mg/m²/d) Applikationsform Therapietage<br />

Irinotecan 350 60 – 90 min Infusion 1, WH Tag 22<br />

Cunningham D. et al.: Lancet 1998;352:1413-18<br />

Monotherapie „weekly“<br />

Substanz Dosis (mg/m²/d) Applikationsform Therapietage<br />

Irinotecan 100-125 60 – 90 min Infusion 1,8,15,22 WH Tag 43<br />

Rothenberg M.L. et al.:Cancer 1999;85:786-795<br />

Toxizität<br />

Unmittelbar nach Infusion tritt häufig ein akutes cholinerges Syndrom mit Durchfall, Bauchkrämpfen<br />

<strong>und</strong> Speichelfluss auf. Deshalb erfolgt eine prophylaktische Gabe von Atropin 0,25 mg s.c.. Akute<br />

<strong>und</strong> verzögerte Übelkeit können auftreten.<br />

Neben einer akuten Diarrhoe wird bei bis zu 30 % der Patienten eine nach durchschnittlich 5 Tagen<br />

einsetzende verzögert auftretende Diarrhoe beobachtet, die ohne adäquate Behandlung<br />

lebensbedrohlich sein kann: Hochdosierte Gabe von Loperamid obligat (initial 4 mg, dann 2 mg alle 2<br />

St<strong>und</strong>en bis 12 St<strong>und</strong>en nach dem letzten flüssigen Stuhl, jedoch nicht länger als 48 St<strong>und</strong>en in dieser<br />

Dosierung). Das Auftreten von Diarrhoen in der Phase der Neutropenie (Grad 3 - 4 in ca. 40%) birgt<br />

eine Gefahr für das Entstehen einer Sepsis in sich. Bei Neutropenie <strong>und</strong> Diarrhoe soll deshalb eine<br />

prophylaktische Antibiotikatherapie mit Ciprofloxacin erfolgen. Dauert die Diarrhoe mehr als 24<br />

St<strong>und</strong>en, bestehen zusätzlich Erbrechen oder Fieber, ist zwingend die stationäre Aufnahme des<br />

Patienten erforderlich. Der Patient <strong>und</strong> der Hausarzt sind ausführlich über das Verhalten bei Durchfall<br />

<strong>und</strong> Fieber aufzuklären. Loperamid soll prophylaktisch verordnet, aber nur bei Auftreten von Durchfall<br />

wie oben angegeben eingenommen werden.<br />

Durch wöchentliche Applikation kann das Auftreten schwerer Diarrhoen deutlich reduziert werden.<br />

Studienergebnisse Monotherapie<br />

In einer randomisierten Studie wurden Pat. nach Versagen einer konventionellen 5-FU-Therapie<br />

entweder mit Irinotecan 300-350 mg/m² alle 3 Wochen oder mit einer 5-FU-Infusionstherapie<br />

behandelt (Rougier P. et al. Lancet 1998;352:1407-12). Durch Irinotecan konnte die Zeit bis zur Progression (2,9<br />

vs. 4,2 Monate) <strong>und</strong> die Überlebenszeit (8,5 vs. 10,8 Monate) signifikant verlängert werden.<br />

Eine weitere Studie verglich Irinotecan mit Best supportive Care bei Pat. mit Therapieversagen nach<br />

zwei <strong>und</strong> mehr 5-FU-haltigen Vortherapien (Cunningham D. et al. Lancet 1998;352:1413-18). Auch in dieser<br />

Studie war Irinotecan sowohl im Hinblick auf die Zeit bis zur Progression als auch die Überlebenszeit<br />

(9,2 versus 6,5 Monate) überlegen. Gleichzeitig hatten die Pat. mit Chemotherapie eine durchweg<br />

bessere Lebensqualität als die ausschließlich symptomatisch behandelten Patienten.<br />

305


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Irinotecan, 5-FU <strong>und</strong> Folinsäure, Douillard-Studie<br />

Douillard-Studie (Lancet 2000;355:1041-47)<br />

De-Gramont-Schema<br />

Irinotecan 180 mg/m 2<br />

+<br />

5-FU 400mg/ m 2 Bolus<br />

5-FU 22h 600mg/m 2<br />

FA 200 mg/m 2<br />

Tag 1 + 2, WH Tag 15<br />

VS<br />

5-FU 400mg/ m 2 Bolus<br />

5-FU 22h 600mg/m 2<br />

FA 200 mg/m 2<br />

Tag 1 + 2, WH Tag 15<br />

AIO-Schema<br />

Irinotecan 80 mg/m 2<br />

+<br />

5-FU 24h 2300mg/m 2<br />

FA 500 mg/m 2<br />

wöchentlich x 6, WH Tag 50<br />

VS<br />

5-FU 24h 2600mg/m 2<br />

FA 500 mg/m 2<br />

wöchentlich x 6, WH Tag 50<br />

In der europäischen Studie<br />

V-303 geleitet, von<br />

Douillard, wurde bei 387<br />

unvorbehandelten Patienten<br />

ein 5-FU-Infusionsprotokoll<br />

als Standardarm, entweder<br />

das de-Gramont- oder das<br />

AIO-Schema, mit der<br />

jeweiligen Kombination mit<br />

Irinotecan verglichen.<br />

Die Kombination mit Irinotecan<br />

zeigte eine signifikante<br />

Überlegenheit in der Ansprechrate<br />

(49 vs. 31%), der<br />

Zeit bis zur Progression (6,7<br />

vs. 4,4 Monate) <strong>und</strong> der<br />

Überlebenszeit (17,4 vs.14,1<br />

Monate). Außerdem verzögerte sich die Verschlechterung des Ges<strong>und</strong>heitszustandes unter der<br />

Irinotecan-Kombination.<br />

Ergebnisse: siehe auch übernächste Seite.<br />

EORTC-Studie Nr. 40986<br />

Die multizentrische EORTC-Studie Nr. 40986, die 1999 initiiert wurde, hatte den gleichen Ansatz. Sie wollte auch<br />

herausfinden, welche Patientengruppen von einer frühzeitigen intensiven Kombinations-Chemotherapie profitieren.<br />

Ergebnisse siehe Seite EORTC Studie 40986.<br />

Arm A = Referenz-Arm<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

5-FU 2600 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

WH Tag 50<br />

Arm B = Experimenteller Arm<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

5-FU 2000* 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

Irinotecan 80 ½-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

WH Tag 50<br />

* Die ursprüngliche 5-FU-Dosis wurde nach einem Amendment der Arbeitsgruppe internistische<br />

<strong>Onkologie</strong> aus Toxizitätsgründen von 2300 auf 2000 mg/24-St<strong>und</strong>en reduziert.<br />

306


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Irinotecan, 5-FU <strong>und</strong> Folinsäure/Toxizität, Saltz-Studie<br />

Die Studie von Saltz (L. B. Saltz et al. NEJM 2000; 343: 905-14) zeigte eine signifikante Überlegenheit der<br />

Kombinationschemotherapie mit Irinotecan, 5-FU <strong>und</strong> Folinsäure gegenüber Irinotecan als<br />

wöchentliche Monotherapie <strong>und</strong> gegenüber 5-FU/Folinsäure (NCI-Protokoll) sowohl im Hinblick auf<br />

das progressionsfreie als auch das Gesamtüberleben beim metastasierenden kolorektalen Karzinom.<br />

Therapieschema<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Irinotecan 125 90 min-Infusion 1, 8, 15, 22<br />

Folinsäure 20 i.v.-Bolus 1, 8, 15, 22<br />

5-FU 500 i.v.-Bolus 1, 8, 15, 22<br />

Wiederholung Tag 36<br />

Die Toxizität war mit einer therapieassoziierten Mortalität von knapp 1% allerdings hoch.<br />

Überprüfung der Ergebnisse in den beiden folgenden Studien<br />

NCI-Trial N9741 (metastasierte Stadien) <strong>und</strong> C89803 (Adjuvante Therapie)<br />

• Irinotecan , 5-FU, Folinsäure (Schema nach Saltz)<br />

• Hohe Rate an Todesfällen von 4,8% (14 von 289 Pat.) bzw. 2,2% (14 von 635 Pat.) innerhalb<br />

der ersten 60 Tage nach Therapiebeginn<br />

⇒ Stop des weiteren Einschlusses neuer Patienten vom NCI empfohlen<br />

Konsequenz<br />

• Intensives Monitoring bei Einsatz Irinotecan/Bolus 5-FU/Folinsäure<br />

• Alternativ:<br />

“Infusional 5-FU”, z.B. Schema des experimentellen Armes der EORTC-Studie 40986. Im Frühjahr<br />

2001 wurde aus Toxizitätsgründen die initiale 5-FU-Dosis von 2300 mg/m 2 (entspricht dem Schema nach<br />

Douillard: Lancet 2000;355:1041-7) auf 2000 mg/m 2 /24 St<strong>und</strong>en reduziert.<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Irinotecan 80 ½-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

5-FU 2000 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

Wiederholung Tag 50<br />

Die Kombination Oxaliplatin/Irinotecan vs. Irinotecan/5-FU/Folinsäure wurde in einer Phase-III-<br />

Studie geprüft (siehe "FIRE").<br />

307


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

HD-5-FU/FA ± Irinotecan (EORTC Nr. 40986)<br />

Im Herbst 1999 wurde die randomisierte Studie der EORTC aktiviert, bei der überprüft werden sollte, ob die<br />

Einführung einer der „neuen Substanzen“ in der first-line-Therapie metastasierter kolorektaler Tumoren einen<br />

Überlebensvorteil bringt. Inzwischen ist die Studie geschlossen.<br />

Erste Hinweise auf eine Sinnhaftigkeit einer solchen Therapie gibt die randomisierte, multizentrische Studie von<br />

Douillard et al Lancet 2000; 355:1041-47). Hier war bei 387 Patienten das „De-Gramont“-Schema bzw. das sog.<br />

„AIO-Schema“ als HD-5-FU/FA-Regime unter Hinzunahme von wöchentlich 80 mg/m² Irinotecan geprüft<br />

worden. Diese Studie hatte für die Irinotecan-haltige Kombination nicht nur eine höhere Ansprechrate (49 vs.<br />

31%), eine längere Zeit bis zur Progression (6,7 vs. 4,4 Monate), sondern auch ein um 3,3 Monate auf 17,4<br />

Monate signifikant verlängertes medianes Gesamtüberleben erbracht. Die Lebensqualität ergab keine<br />

signifikanten Unterschiede.<br />

Die Studie 40986 verglich das AIO-Schema im Standardarm mit der zusätzlichen Gabe von Irinotecan 80<br />

mg/m² wöchentlich. Während der Studie waren in dem Arm B: AIO-Schema + Irinotecan (AIO 2,3 + IRI) unter<br />

93 Pat. 3 Todesfälle aufgetreten. Daraufhin wurde die 5-FU-Dosis für die nachfolgend rekrutierten Pat. auf 2000<br />

mg/m 2 reduziert (AIO 2,0 + IRI). Die Auswertung der Pat. erfolgte stratifiziert entsprechend der veränderten<br />

Dosierung. Siehe nachstehende Tab.<br />

Im Arm A (AIO-Schema) wurde ein therapiebedingter Todesfall beobachtet. Hier erfolgte keine Änderung der<br />

Dosierung. Die Auswertung wurde ab dem Zeitpunkt der reduzierten Dosis im Arm B auch im Arm A in zwei<br />

Strata vorgenommen, in der Tab. als Periode I <strong>und</strong> Periode II ausgewiesen.<br />

Ergebnisse (Köhne CH et al., ASCO-Meeting, Orlando 2002, Abstract 532 )<br />

Merkmal Arm A (AIO-Schema) Arm B (AIO 2,3 + IRI; AIO 2,0 + IRI)<br />

Pat. (n) 188 179<br />

60-Tage-Mortalität 7/188 (3,7%) 4/179 (2,2%)<br />

Periode I II AIO 2,3 AIO 2,0<br />

Toxizität n=70 n=63 (n=70) (n=56)<br />

Leukopenie 3% 6,4% 7,1% 8,6%<br />

Diarrhoe 20% 12,7% 34,3% 17,3%<br />

Therapieabbruch: TOX 4,2% 14% 19,4% 20,7%<br />

andere Gründe 6,9% 4,7% 18,1% 17,2%<br />

Fazit der Autoren: Die Reduktion der 5-FU-Dosis im IRI-Arm bewirkte eine relevante Verminderung der GI-<br />

Toxizität. Die hämatologische Toxizität war in AIO 2,3 + IRI <strong>und</strong> AIO 2,0 + IRI unverändert. Nach der<br />

Dosisreduktion zu AIO 2,0 + IRI wurde kein therapiebedingter Todesfall mehr beobachtet.<br />

Ergebnisse der AIO-Studie, Studien von Douillard et al. sowie von Saltz et al.<br />

FU Bolus oder Dauerinfusion +/- Irinotecan<br />

Schema N Response TTP/PFS ÜLZ Autor<br />

Douillard/AIO<br />

+ CPT-11<br />

338<br />

23%<br />

35%<br />

4,4<br />

6,7<br />

14,1<br />

17,0<br />

Douillard<br />

Lancet 2000<br />

IFL (Saltz)<br />

+ CPT-11<br />

440<br />

21%<br />

39%<br />

4,3<br />

7,0<br />

12,6<br />

14,8<br />

Saltz<br />

NEJM 2000<br />

AIO<br />

+ CPT-11 430<br />

-<br />

-<br />

6,5<br />

8,5<br />

-<br />

-<br />

EORTC<br />

(Köhne)<br />

ASCO 2002<br />

308


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Metastasiert, EORTC-Studie 40015<br />

Infusional-5-FU/Folinsäure plus Irinotecan versus Capecitabin plus Irinotecan +/- Celecoxib bei<br />

metastasiertem kolorektalen Karzinom bei Pat. mit intermediärem <strong>und</strong> gutem Risiko.<br />

Fragestellung: Kann Infusional-5-FU durch Capecitabin ersetzt werden ohne Nachteil für die Wirksamkeit in<br />

der Kombination mit Irinotecan Ist die Capecitabin-Kombination weniger toxisch als das Infusional-5-FU<br />

Einschlusskriterien<br />

Histologisch nachgewiesenes Adenokarzinom des Kolons oder des Rektums im metastasierten Stadium.<br />

Alter über 18 Jahre, Allgemeinzustand 0-2 WHO.<br />

Keine vorausgegangene Chemotherapie für das metastasierte Stadium.<br />

Messbare oder bewertbare Metastasen.<br />

Vorausgegangene adjuvante Therapie ist erlaubt, wenn sie mindestens 6 Monate vor der Randomisation beendet<br />

wurde.<br />

Initiale Bewertung der Metastasen maximal 2 Wochen vor Beginn der Behandlung.<br />

Leukozyten > 3 G/l, Thrombozyten > 100 G/l, Bilirubin < 2 x normal.<br />

Keine Metastasen.<br />

Keine Zweitneoplasie in der Anamnese oder gegenwärtig.<br />

Ausschluss einer Schwangerschaft.<br />

Keine schwere kardiale oder pulmonale Erkrankung, keine schwergradige Angina pectoris.<br />

Schriftliche Einverständniserklärung, Möglichkeit eines Follow-up.<br />

Definition von Patienten mit intermediärem <strong>und</strong> gutem Risikoprofil<br />

WHO 0 oder 1 <strong>und</strong> ein Metastasierungsort.<br />

WHO 0 oder 1 <strong>und</strong> mehr als ein Ort der Metastasierung <strong>und</strong> alkalische Phosphatase unter 300 U/l.<br />

WHO > 1 <strong>und</strong> Leukozyten < 10 G/l <strong>und</strong> nur ein Metastasierungort.<br />

Studiendesign<br />

5-FU/Folinsäure + CPT 11 +/- Celecoxib 2x 400mg<br />

Capecitabin + CPT 11 +/- Celecoxib 2x 400 mg<br />

Arm A<br />

Irinotecan 80 mg/m 2 500 ml NaCl 0,9% 30 min. Tag 1,8,15,22,29,36<br />

Folinsäure 500 mg/m 2 500 ml NaCl 0,9% 2h Tag 1,8,15,22,29,36<br />

5-FU 2.000 mg/m 2 i.v. 24h-Inf. Tag 1,8,15,22,29,36<br />

Wiederholung Tag 50 (Tag 1 des neuen Zyklus).<br />

Arm B<br />

Irinotecan 70 mg/m 2 500 ml NaCl 0,9% 30 min. Tag 1,8,15,22,29,36<br />

Capecitabin 2 x 1.000 mg/m 2 p.o. Tag 1-14; 22-36<br />

Wiederholung Tag 50 (Tag 1 des neuen Zyklus).<br />

Eine Bewertung der Wirksamkeit der Therapie muss erfolgen nach jedem vollständigen Zyklus, entweder in der<br />

Woche 7 oder vor dem nächsten Zyklus.<br />

Die Studie wurde im April 2004 wegen insgesamt 8 Todesfällen abgebrochen<br />

(Koehne C. et al., ASCO 2005,A 3525)<br />

6 Todesfälle, von denen 5 eindeutig therapiebedingt waren, ereigneten sich im CAPE/IRI-Arm. Die Ursachen<br />

waren in 3 Fällen schwere Diarrhoen, in 2 Fällen thromboembolische Ereignisse. Die Todesfälle hatten<br />

wahrscheinlich nichts mit dem Celecoxib zu tun. 61% der Patienten im CAPE/IRI-Arm benötigten eine<br />

Dosisreduktion wegen Toxizität (39% Diarrhoe ≥Grad 3).<br />

Schlussfolgerung: CAPE/IRI ist in dieser Dosierung <strong>und</strong> diesem Schedule nicht durchführbar. Die EORTC GI<br />

Gruppe plant eine Phase-II-Studie mit 20% Dosis-Reduktion mit CAPE/IRI plus Bevacizumab vs. FOLFIRI.<br />

plus Bevacizumab.<br />

309


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Sequenzen <strong>und</strong> Kombinationen mit Oxaliplatin/Irinotecan<br />

Therapiesequenz: FOLFIRI ⇒ FOLFOX oder FOLFOX ⇒ FOLFIRI<br />

(E. Achille, C. Tournigand et al. Eur J Cancer 2001;37:1067 suppl. 6)<br />

Auf dem ECCO 2001 wurden die Ergebnisse einer Studie präsentiert, die die Therapiesequenz der<br />

neuen Substanzen Irinotecan <strong>und</strong> Oxaliplatin in Kombination mit einem 5-FU-Infusionsregime<br />

analysierte.<br />

Therapie-<br />

Sequenz A<br />

Sequenz B<br />

ansprechen FOLFIRI 109 Pat. FOLFOX 81 Pat. FOLFOX 111 Pat. FOLFIRI 69 Pat.<br />

ORR 56% 15% 53% 4%<br />

ORR + SD 79% 67% 80% 39%<br />

ORR=Overall response rate SD=stable disease<br />

Der primäre Endpunkt der Phase-III-Studie war die Zeit bis zur Progression (TTP) jeder Sequenz:<br />

Nach der 1. Chemotherapie war die TTP 8,4 in Sequenz A <strong>und</strong> 8,9 Monate in Sequenz B. Nach 2<br />

Chemotherapien betrug die TTP 14,5 Monate für Sequenz A versus 11,9 Monate für Sequenz B. Der<br />

Oxaliplatin-Arm war in der second-line-Therapie wirksamer. Dies könnte für den primären Einsatz<br />

eines Irinotecan-Regimes sprechen. Allerdings konnten in Sequenz B bei 13 Patienten, die also primär<br />

eine Oxaliplatin-Kombination erhielten, Metastasen R0-reseziert werden im Vergleich zu nur 7<br />

Patienten im Irinotecan-Arm.<br />

Oxaliplatin + Irinotecan vs. Oxaliplatin oder Irinotecan + 5-FU/Leucovorin<br />

(Goldberg R.M. et al. ProcAmSocClinOncol 2002;21:511)<br />

In der auf dem ASCO 2002 vorgestellten Intergroup study N 9741 wurde die Kombination Oxaliplatin<br />

85mg/m² + Irinotecan (CPT-11) 200mg/ m² mit dem Original Saltz-Regime (Irinotecan + Bolus/5-FU<br />

weekly) <strong>und</strong> der Oxaliplatin/5-FU/Folinsäure-Kombination nach de Gramont (FOLFOX 4) verglichen.<br />

Schema<br />

Pat. (n)<br />

60 Tage-<br />

Mortalität<br />

Progressionfreie Zeit<br />

(Monate)<br />

Überleben<br />

(Monate)<br />

Remiss.<br />

-raten<br />

CPT-11 +<br />

5FU/LV (Original Saltz)<br />

Oxaliplatin +<br />

5-FU/LV (FOLFOX 4)<br />

264 4,5 % 6,9 14,1 29%<br />

267 1,8 % 8,8 18,6 38%<br />

Oxaliplatin + CPT-11 (Wasserman) 264 1,8% 6,7 16,5 28%<br />

Die hohe Rate an frühen Todesfällen im Saltz-Regime-Arm (siehe auch entsprechende Seite) führte<br />

zum zeitweiligen Abbruch der Studie <strong>und</strong> dann zu einer Fortsetzung mit einer reduzierten Irinotecan-<br />

Dosis (125 ⇒ 100 mg/ m²).<br />

FOLFOX 4 ist sowohl in Bezug auf die Zeit bis zur Progression, das Überleben <strong>und</strong> die Ansprechraten<br />

den beiden anderen Regimen überlegen. Auch war das Toxizitätsprofil von Oxaliplatin/5-<br />

FU/Folinsäure das akzeptabelste.<br />

Diese Ergebnisse führten dazu, dass auf dem ASCO 2002 FOLFOX 4 zur damaligen Standardtherapie<br />

in der First-line-Therapie des metastasierenden CRC erhoben wurde.<br />

310


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Sequentielle Therapie, FOLFOX6/FOLFIRI<br />

Studientitel<br />

FOLFIRI gefolgt von FOLFOX6 oder in der umgekehrten Sequenz beim fortgeschrittenen kolorektalen Karzinom. Eine<br />

randomisierte GERCOR Studie, Phase III (C.Tournigand et al. JCO, 2004; 22:229-237).<br />

Fragestellung<br />

Randomisierter Vergleich von FOLFIRI <strong>und</strong> FOLFOX6 in der Erstlinientherapie <strong>und</strong> Bewertung des Therapieerfolges der<br />

unterschiedlichen Sequenzen in der Erst-/Zweitlinienbehandlung, FOLFIRI gefolgt von FOLFOX6 <strong>und</strong> FOLFOX6 gefolgt<br />

von FOLFIRI<br />

Patienten <strong>und</strong> Methoden<br />

226 Pat. mit metastasiertem kolorektalen Karzinom, nicht resezierbaren, zweidimensional >2cm messbaren Läsionen oder<br />

nicht quantifizierbarer Resterkrankung zwischen 18 <strong>und</strong> 75 Jahren, einem WHO-Performance Status von 0-2 <strong>und</strong><br />

adäquaten Organfunktionen wurden zwischen Dez. 1997 <strong>und</strong> Sept. 2000 eingeschlossen.<br />

5-FU/FA mg/m² Applikationsform Therapie<br />

l-Leucovorin<br />

200<br />

2 h Inf. d1<br />

oder dl-Leucovorin<br />

400<br />

5-FU 400 i.v. Bolus d1<br />

5-FU Kurs 1 u. 2 2400 48 h Inf. d1<br />

5-FU ab Kurs 3 3000 48 h Inf. d1<br />

FOLFIRI<br />

plus Irinotecan 180 90’ Inf. 500ml G5% d1<br />

FOLFOX6<br />

plus Oxaliplatin 100 2 h Inf. in 500ml G5% d1<br />

Ergebnisse<br />

First-Line-Therapie<br />

In der Erstlinientherapie waren für FOLFIRI 3 (2,8%) CR<br />

vs. 5 (4,5%) für FOLFOX6 zu verzeichnen. Die<br />

Responsraten waren 56% für FOLFIRI vs. 54% für<br />

FOLFOX. Die medinane Zeit bis zum Ansprechen wurde<br />

mit 2,1 Monaten (Arm A) vs. 1,8 Monaten (Arm B)<br />

bestimmt. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 11<br />

Monate für FOLFIRI gegenüber 10,6 Monate für FOLFOX.<br />

Eine PR wurde in 53% unter FOLFIRI, in 49% unter<br />

FOLFOX erreicht, ein Progress musste in 14% (Arm A) vs.<br />

13% (Arm B) diagnostiziert werden. Keine Aussage wurde<br />

für jeweils 7% der Pat. getroffen. Einer Operation wurden<br />

10 Pat. in Arm A <strong>und</strong> 24 Pat. in Arm B zugeführt. Das<br />

mittlere Überleben für in zweiter Linie operierte Pat. betrug<br />

47 Monate.<br />

Second-Line-Therapie<br />

Die RR waren 15% mit FOLFOX6 second-line vs. 4% mit<br />

FOLFIRI. Darunter keine CR. Eine stabile Erkrankung<br />

konnte in 48% durch FOLFOX vs. 30% durch FOLFIRI<br />

erreicht werden. Progressionen wurden in 35% unter<br />

FOLFOX <strong>und</strong> in 51% unter FOLFIRI in der<br />

Zweitlinientherapie gesehen.<br />

Gesamtüberleben (OS)<br />

Das mediane OS war 21,5 Monate für Arm A (range, 16,9<br />

bis 25,2) <strong>und</strong> für Arm B 20,6 Monate (range, 17,7 bis 24,6).<br />

Unabhängige Prognosefaktoren waren ein guter<br />

Performance-Status, niedrige LDH, Fehlen einer<br />

Für Arm A randomisierte Pat.<br />

erhielten FOLFIRI bis zur<br />

Tumorprogression oder<br />

gravierender Toxizität <strong>und</strong><br />

wurden dann mit FOLFOX6<br />

weiter behandelt.<br />

Für Arm B randomisierte Pat.<br />

erhielten zunächst FOLFOX6,<br />

um bei Progress oder nicht<br />

tolerierbarer Toxizität auf<br />

FOLFIRI umgestellt zu werden.<br />

Proggressionsfreies Überleben, (A) First-line-Therapie,<br />

(B) second-line-Therapie<br />

vorausgegangenen Chemotherapie, niedrige AP, Metastasen auf die Leber begrenzt, CEA <strong>und</strong> weibliches Geschlecht.<br />

Zusammenfassung<br />

Ein statistisch signifikanter Unterschied für die Remissionsraten, das progressionsfreie Überleben nach Erst- <strong>und</strong><br />

Zweitlinientherapie sowie für das Gesamtüberleben konnte für die beiden Therapiearme FOLFIRI/FOLFOX6 <strong>und</strong><br />

FOLFOX6/FOLFIRI nicht nachgewiesen werden. In beiden Therapiearmen konnte ein OS um 20 Monate erreicht werden.<br />

Signifikant mehr Pat. erreichten jedoch eine Resektabilität unter der Primärtherapie mit FOLFOX gegenüber FOLIRI.<br />

311


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

FIRE-Studie<br />

Die sogenannte „FIRE-Studie“ (Flourouracil, Irinotecan, Eloxatine) wird durch die Ludwig-Maximilians-Universität<br />

in München koordiniert. Hier sollen in der first-line-Therapie die beiden wichtigsten neuen Substanzen Irinotecan<br />

<strong>und</strong> Oxaliplatin angewendet werden.<br />

Ansprechpartner: PD Dr. V. Heinemann, III.Med. <strong>Klinik</strong>, <strong>Klinik</strong>um Großhadern.<br />

Ein- <strong>und</strong> Ausschlusskriterien<br />

Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Kolons oder Rektums<br />

Metastasierte Erkrankung mit zweidimensional messbaren Läsionen (CT o. MR ≥2cm, Rö-Thor. ≥1cm)<br />

Messbare Läsionen außerhalb des Bestrahlungsfeldes bei zuvor bestrahlten Patienten<br />

Keine vorangegangene Chemotherapie im Rahmen der Metastasierung<br />

Alter zwischen 18 <strong>und</strong> 75 Jahren <strong>und</strong> Performance-Status mit Karnofski ≥70%<br />

Adjuvante Therapie mindestens 6 Monate vor Randomisation beendet <strong>und</strong> ohne Topoisomerase-1-Inhibitoren <strong>und</strong><br />

Platinanaloga<br />

Leukos. ≥3000, Thrombos ≥100000/µl, Kreatinin ≤1,25 x Norm, Bili. ≤1,25x Norm <strong>und</strong> OT/PT ≤3x Norm in<br />

Abwesenheit von bzw. ≤1,5 <strong>und</strong> 5x Normwert bei Anwesenheit von Lebermetastasen<br />

Keine chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, kein Ileus<br />

Kein klinischer Hinweis auf Hirnmetastasen<br />

Kein Zweitmalignom außer Cervix-Ca. in situ o. Nicht-Melanom-Hautkrebs<br />

Keine schwerwiegenden internistischen Begleiterkrankungen, die eine zytostatische Therapie ausschließen<br />

Chemotherapie<br />

Der Standardarm entspricht dem experimentellen Arm der EORTC-Studie 40986.<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

5-FU 2000 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

Irinotecan 80 ½-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

Wdh. Tag 50<br />

Für die Therapie im experimentellen Arm ist keine Portimplantation nötig, wird aber empfohlen.<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Irinotecan 80 ½-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />

Oxaliplatin 85 120-min.-Infusion 1,15,29<br />

Wdh. Tag 50<br />

Die Behandlungsdauer ist bis zum Auftreten einer Progression oder einer inakzeptablen Toxizität geplant. Bei<br />

Progression sollte ein Cross-over der Therapieregime erfolgen.<br />

Falls nach 2 Zyklen eine Resektabilität von vormals nicht resektablen Lebermetastasen erreicht wird, ist eine<br />

Operation vorgesehen.<br />

Die Ergebnisse der Studie wurden auf dem ASCO 2005 vorgestellt (Schalhorn A. et al., #3516)<br />

FIRE-Studie n = 299 FOLFIRI IROX<br />

CR 8% 8%<br />

PR 38% 42%<br />

SD 47% 33%<br />

PFS 8,7 Monate 7,3 Monate<br />

OS 21,1 Monate 18,6 Monate<br />

Therapiestop wg. Toxizität 8,5% 16,5%<br />

Schlussfolgerung der Autoren: FOLFIRI <strong>und</strong> IROX sind vergleichbar effektiv. Die Toxizität ist ähnlich akzeptabel<br />

in beiden Armen.<br />

312


Metastasierte <strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Capecitabin/Oxaliplatin-Kombinationstherapie<br />

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass das orale Fluoropyrmidine Capecitabin (Xeloda®) in der Monotherapie 5-<br />

FU ersetzen kann. Dass ein Ersatz von 5-FU durch Capecitabin auch in der Kombinationstherapie mit Oxaliplatin<br />

möglich ist, haben mehrere Studien gezeigt:<br />

In den Studien der AIO ( Porschen et al., J Clin Oncol 2007) der spanischen TTD (Diaz-Rubio et al.,J Clin Oncol 2007)<br />

<strong>und</strong> einer französischen Studie (Ducreux et al. ASCO 2007) bestand kein statistisch signifikanter Unterschied für die<br />

verschiedenen untersuchten Capecitabin/Oxaliplatin Kombinationen gegenüber den 5-FU/Oxaliplatin-Kombinationen<br />

im progressionsfreien Überleben (PFS). Auch die Ansprechraten (RR) waren nicht signifikant unterschiedlich.<br />

Auf dem ASCO 2008 wurde eine kombinierte Analyse von Phase II/III-Studien, die auch oben genannte Studien<br />

einschloss, vorgestellt, die eine vergleichbare Effektivität von Capecitabin/Oxaliplatin mit Oxaliplatin-basierten<br />

infusionalen 5-FU-Regimen zeigten (Arkenau H. et al., ASCO 2008, Abstract 342)<br />

Cape/Ox vs. 5-FU/Ox n RR% PFS (Mon.) OS (Mon.)<br />

AIO<br />

CAPOX<br />

FUFOX<br />

242<br />

234<br />

48<br />

52<br />

7,1<br />

8,8<br />

18,8<br />

18,8<br />

TTD<br />

XELOX<br />

FUOX<br />

171<br />

171<br />

37<br />

46<br />

8,9<br />

9,5<br />

18,1<br />

20,8<br />

France<br />

XELOX<br />

FOLFOX-6<br />

144<br />

140<br />

42<br />

46<br />

9,3<br />

9,7<br />

19,9<br />

18,4<br />

NO16966<br />

XELOX<br />

FOLFOX-4<br />

317<br />

315<br />

NA<br />

NA<br />

7,3<br />

7,7<br />

17,1<br />

17,5<br />

Italian GOAM<br />

XELOX<br />

PVIFOX<br />

52<br />

56<br />

43<br />

48<br />

9,0<br />

7,0<br />

NA<br />

NA<br />

Capecitabin <strong>und</strong> Oxaliplatin, gepoolte<br />

Analyse randomisierter Phase-II-/III-<br />

Studien (Porschen R. et al., ASCO 2008, Abstr. 4055)<br />

Eine Metaanalyse von 5 randomisierten Phase-II/III-<br />

Studien, die die Rolle von Oxaliplatin in Kombination<br />

entweder mit 5-FU oder mit Capecitabine in der firstline-Therapie<br />

evaluierten, wurde erstellt. Bei insgesamt<br />

2575 Patienten (5-FU: 1278 Pat., Capecitabine: 1297<br />

Pat.) wurde die Response Rate (RR), das<br />

progressionsfreie <strong>und</strong> das Gesamtüberleben (PFS, OS)<br />

analysiert.<br />

Ergebnis: Es zeigte sich eine etwas erhöhte RR für 5-<br />

FU. Das PFS <strong>und</strong> OS waren jedoch für beide Regime vergleichbar.<br />

Capecitabine versus 5-FU in<br />

Kombination mit Oxaliplatin,<br />

Metaanalyse von randomisierten<br />

klinischen Studien (Cuppone F. et al, ASCO<br />

2008, Abstract 4056)<br />

6 randomisierte klinische Studien mit insgesamt 3405<br />

Patienten in der Erstlinientherapie des metastasierten<br />

KRK, die CAPOX (Capecitabine + Oxaliplatin) mit FU-<br />

OX (FU + Oxaliplatin) verglichen, wurden evaluiert.<br />

Ergebnisse: CAPOX <strong>und</strong> FUOX sind gleich effektiv.<br />

Die komplette Remissionsrate war etwas höher für 5-<br />

FU. Ein signifikanter Unterschied zugunsten von<br />

CAPOX fand sich für die Neutropenie <strong>und</strong> die febrile<br />

Neutropenie. Eine signifikant höhere Rate an Hand-Fuß-Syndrom fand sich mit CAPOX.<br />

313


Metastasierte <strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Capecitabin/Oxaliplatin-Kombinationstherapie (II)<br />

NO 16966-Studie (Cassidy J. et al., ASCO 2007, Abstr. # 270)<br />

Diese Phase-III-Studie war ursprünglich als Vergleich FOLFOX versus XELOX geplant, wurde dann aber mit<br />

der Fragestellung des Werts von Bevacizumab in ein 2x2 faktorielles Design umgewandelt.<br />

XELOX<br />

N = 317<br />

FOLFOX 4<br />

N = 317<br />

XELOX + Placebo<br />

N = 350<br />

FOLFOX4 + Placeb<br />

N = 351<br />

XELOX +<br />

Bevacizumab<br />

N = 350<br />

FOLFOX4 +<br />

Bevacizumab<br />

N = 350<br />

Initial 2 armige<br />

randomisierte Studie<br />

Protokoll geändert in ein 2x2 Placebo-kontrolliertes Design nach Vorlage von<br />

Phase-III-Daten für Bevacizumab<br />

In der Gesamtauswertung von über 2000 Patienten zeigte sich zwischen FOLFOX <strong>und</strong> XELOX mit oder ohne<br />

Bevacizumab bzw. Placebo im Hinblick auf das progressionsfreie Überleben (PFS) mit 8,5 versus 8,0 Monaten<br />

kein signifikanter Unterschied. Auch im ursprünglich geplanten zweiarmigen Vergleich (vor der<br />

Randomisierung mit Bevacizumab) ergab sich mit 7,7 vs. 7,3 Monaten PFS kein signifikanter Unterschied<br />

zwischen FOLFOX <strong>und</strong> XELOX.<br />

Im FOLFOX-Arm fand sich eine höhere Rate an Neutropenien <strong>und</strong> febrilen Neutropenien, während das Hand-<br />

Fuß-Syndrom <strong>und</strong> Grad-3/4-Diarrhoen im XELOX-Arm häufiger waren. Somit ist die Nicht-Unterlegenheit von<br />

XELOX gegenüber FOLFOX4 erwiesen – auch dann, wenn die Patienten zusätzlich Bevacizumab erhalten.<br />

PFS<br />

PFS<br />

XELOX vs. FOLFOX in der Second-line-Therapie<br />

(Rothenberg ML et al., ASCO 2007 Abstr. #4031)<br />

PFS<br />

In dieser Studie wurde bei Patienten, die zuvor schon ein<br />

Irinotecan/5-FU-Regime erhalten hatten, die Behandlung mit<br />

XELOX versus FOLFOX evaluiert. Bei 627 eingeschlossenen<br />

Patienten war das PFS in beiden Armen mit 4,7 Monaten im<br />

XELOX-Arm versus 4,8 Monaten im FOLFOX4-Arm nicht<br />

signifikant verschieden. Somit bestätigte sich auch die Nicht-<br />

Unterlegenheit von XELOX gegenüber FOLFOX4 in der secondline-Therapie.<br />

Fazit: XELOX = FOLFOX in First- <strong>und</strong> second-line-Therapie des KRK<br />

314


Metastasierte <strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Capecitabin/Irinotecan/Bevacizumab-Kombinationstherapie<br />

Während in der Oxaliplatin-Kombinationstherapie 5-FU durch Capecitabin ersetzt werden kann, zeigen einige<br />

internationale Studien für eine Kombination von Irinotecan mit Capecitabin ein ungünstiges Toxizitätsprofil.<br />

Dem stehen Erfahrungen der deutschen AIO-Gruppe gegenüber, die mit einem allerdings dosisreduzierten<br />

Capecitabin/Irinotecan-Schema eine gut akzeptable Toxizität dokumentieren konnte.<br />

AIO-Studie KRK 0604 (Schmiegel W.H. et al.,ASCO 2007, Abstr.# 4034)<br />

Randomisierte Phase-II-Studie zum Einsatz von Bevacizumab in Kombination mit Capecitabin/Irinotecan oder<br />

Capecitabin/Oxaliplatin in der Erstlinientherapie von Patienten mit fortgeschrittenem kolorektalem Karzinom.<br />

CAPOX + Bevacizumab (Arm A)<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Capecitabin 2000 p.o. 1 – 14<br />

Bevacizumab 7,5 mg/kg 30-90 Min.-Infusion 1<br />

Oxaliplatin 130 2-Std.-Infusion 1<br />

Wiederholung Tag 22<br />

CAPIRI + Bevacizumab (Arm B)<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Capecitabin 1600 p.o. 1 – 14<br />

Bevacizumab 7,5 mg/kg 30-90 Min.-Infusion 1<br />

Irinotecan 200 30-90 Min.-Infusion 1<br />

Wiederholung Tag 22<br />

Die Dosierungen von Capecitabin <strong>und</strong> Irinotecan im Arm B waren um 20% reduziert im Vergleich zu früheren<br />

Studien, die eine inakzeptable Toxizität gezeigt hatten (siehe auch EORTC 40015-Studie, Koehne C. et al., ASCO<br />

2005,A 3525).<br />

KRK 0604<br />

Arm A<br />

N= 118<br />

Arm B<br />

N = 112<br />

CR 5 % 4 %<br />

PR 40 % 43 %<br />

SD 28 % 23 %<br />

PD/n.e. 4/23 % 7/23 %<br />

PFS-Rate/6 Mo. 74 % 80 %<br />

Ergebnisse: Beide Regime wurden sehr gut<br />

toleriert ohne Unterschiede in der Toxizität, bis auf<br />

die erhöhte Neuropathie im Oxaliplatin-Arm.<br />

Interessanterweise ergab sich trotz Protokolldefinierter<br />

Dosisreduktion von XELIRI kein<br />

Unterschied in der Effektivität beider Protokolle<br />

gemessen als Remissionsraten <strong>und</strong> PFS<br />

(progressionsfreies Überleben) nach 6 Monaten.<br />

Update AIO-Studie KRK 0604 (Reinacher-Schick A.C. et al., ASCO 2008 Abstr. 4030)<br />

Die Ansprechraten ( CR+PR) unterschieden sich mit 54%<br />

<strong>und</strong> 55% nicht. Mit 10,4 Monaten für XELOX-Beva sowie<br />

12,1 Monate für XELIRI-Beva war das progressionsfreie<br />

Überleben sehr lang <strong>und</strong> nicht signifikant unterschiedlich.<br />

Die Differenz zugunsten des XELIRI-Beva-Armes ist<br />

durch die längere Therapiedauer aufgr<strong>und</strong> der geringeren<br />

Toxizität in diesem Arm bedingt.<br />

Schlussfolgerung: Beide Regime sind sehr aktiv <strong>und</strong><br />

sicher. Das günstigere Nebenwirkungsprofil mit fehlender<br />

Neuropathie favorisiert die XELIRI/Beva Kombination<br />

315


Bevacizumab (Avastin®)<br />

VEGF <strong>und</strong> Angiogenese<br />

Der monoklonale Antikörper Bevacizumab (Avastin®) ist gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor<br />

(VEGF) gerichtet. Er ist in Deutschland in Kombination mit einer Chemotherapie auf Fluoropyrimidin-Basis zur<br />

Behandlung des metastasierenden KRK zugelassen.<br />

Es besteht außerdem eine Zulassung für die First-line-Therapie des metastasierten Mammakarzinoms in Verbindung<br />

mit Paclitaxel. Seit kurzem ist Avastin zusätzlich zu einer platinhaltigen Chemotherapie für die Erstlinientherapie des<br />

fortgeschrittenen inoperablen, metastasierten oder rezidivierten nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms mit<br />

Ausnahme des Plattenepithelkarzinoms zugelassen. Beim fortgeschrittenen <strong>und</strong>/oder metastasierten<br />

Nierenzellkarzinom wird Avastin in der First-line zusammen mit Interferon alpha 2a angewendet.<br />

Tumor- versus physiologische Angiogenese<br />

Unter physiologischen Bedingungen kommt eine Neubildung von Blutgefäßen (Angiogenese) nur selten vor, z.B. bei<br />

der W<strong>und</strong>heilung. Diese Angiogenese läuft unter kontrollierten Bedingungen ab. Sie wird reguliert von endogenen<br />

Angiogenestimulatoren <strong>und</strong> Angiogeneseinhibitoren, die ein Gleichgewicht halten. Die neugebildeten Gefäße reifen<br />

rasch <strong>und</strong> werden stabil. Im Tumor – beschrieben als „die W<strong>und</strong>e, die niemals heilt“ –ist diese Situation anders. Die<br />

Kontrolle über das Gleichgewicht geht verloren. Ab einer gewissen Größe ist der Tumor auf die Neubildung<br />

tumoreigener Gefäße angewiesen, wenn nämlich die Sauerstoff- <strong>und</strong> Nährstoffversorgung des Tumors über die<br />

Diffusion alleine nicht mehr geleistet werden kann. Wachstum, Progression <strong>und</strong> Metastasierung maligner Tumoren<br />

sind deshalb abhängig von der Angiogenese. Tumorzellen bilden ihr eigenes Gefäß-System dadurch, dass sie das<br />

Gleichgewicht in Richtung Angiogenesestimulation verschieben.<br />

Als mögliche stimulierende Faktoren werden die Hypoxie im Tumor, die Tumormasse oder der Zellzerfall diskutiert.<br />

Das Umschalten auf die Angiogenese wird als „angiogenetischer Switch“ bezeichnet.<br />

VEGF <strong>und</strong> Angiogenese<br />

VEGF wurde als einer der wichtigsten Regulatoren der<br />

Angiogenese identifiziert. VEGF ist ein vaskulärer<br />

Wachstumsfaktor <strong>und</strong> ein vaskulärer Permeabilitätsfaktor.<br />

Seine Expression ist in vielen Tumoren wie Kolon-, Mamma<strong>und</strong><br />

Bronchialkarzinom hochreguliert. Es ist möglich, die<br />

Wirkung von VEGF über verschiedene Wege zu<br />

unterdrücken. Einer davon ist die Bindung des VEGF durch<br />

Antikörper.<br />

Bevacizumab ist ein humanisierter monoklonaler Maus-<br />

Antikörper, der menschlichen VEGF im Blutstrom<br />

neutralisiert. Er erkennt zielgerichtet VEGF <strong>und</strong> bindet mit<br />

hoher Affinität an den Wachstumsfaktor. Dies hat zur Folge,<br />

dass VEGF nicht an seinen Rezeptor binden kann, wodurch<br />

die Stimulation der Angiogenese verhindert wird.<br />

Präklinische Studien zeigten, dass die Bindung von VEGF<br />

durch Becizumab zu einer Veränderung <strong>und</strong> letztlich einer<br />

Verminderung der tumoralen Blutgefässversorgung führt.<br />

Klinische Studien mit Bevacizumab<br />

Metastasiertes Nierenzellkarzinom<br />

(Yang J et al., NEJM 2003; 349:427-434)<br />

Eine randomisierte, doppelt blinde, placebo-kontrollierte<br />

Phase-II-Studie setzte Bevacizumab als Monotherapie beim<br />

metastasierenden Nierenzellkarzinom ein, das unter der<br />

Behandlung mit hochdosiertem IL-2 progredient war. Bevacizumab wurde in einer Dosierung von 3 <strong>und</strong> 10 mg/kg<br />

KG alle 14 Tage gegeben. Es fand sich eine signifikante Verlängerung der Zeit bis zur Progression (TTP) in der<br />

hochdosierten Antikörpergruppe verglichen mit Placebo (2,5 vs. 4,8 Monate). Die Toxizität in Form von Hypertonie<br />

<strong>und</strong> asymptomatischer Proteinurie war gering.<br />

<strong>Kolorektale</strong>s Karzinom Phase-II-Studie (Kabbinavar F. et al., JCO 2003; 21: 60-65,)<br />

Eine randomisierte Phase-II-Studie evaluierte die Effektivität <strong>und</strong> Toxizität von Bevacizumab in Kombination mit 5-<br />

FU/Leukovorin bei unvorbehandelten Patienten mit metastasiertem KRK. Venöse Thromembolien waren die<br />

bedeutendsten unerwünschten Ereignisse, zusätzlich auch Hypertonie, Proteinurie <strong>und</strong> Epistaxis. Die Responseraten<br />

sowie die TTP waren interessanterweise in der niedrig dosierten Bevacizumab-Gruppe (5 mg/kg/alle 2 Wochen)<br />

besser (ORR 40% vs. 24%, TTP 9 vs. 7,2 Monate) als in der höher dosierten (10 mg/kg/alle 2 Wochen).<br />

Phase-III-Studie IFL + Bevacizumab siehe nächste Seite<br />

316<br />

Bevacizumab fängt den vaskulären endothelialen<br />

Wachstumsfaktor VEGF ab <strong>und</strong> verhindert so dessen<br />

Bindung an seinen Rezeptor <strong>und</strong> die darauf folgende<br />

Stimulation der Angiogenese.<br />

Quelle: Medizin Forum aktuell nr. 323/2004


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Bevacizumab, Hurwitz-Studie<br />

Bevacizumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen vascular endothelial growth factor (VEGF). In einer Phase-III-<br />

Studie wurden nicht vorbehandelte Patienten mit metastasiertem CRC zunächst in drei Arme randomisiert.<br />

Studiendesign<br />

IFL + Placebo vs. IFL + Bevacizumab vs. 5-FU/Leucovorin + Bevacizumab<br />

Irinotecan 125 mg/m 2 einmal/Woche für 4 Wochen, WH Woche 7<br />

Fluorouracil 500 mg/m 2<br />

Leucovorin 20 mg/m 2<br />

Placebo<br />

alle 2 Wochen<br />

Irinotecan 125 mg/m2 einmal/Woche für 4 Wochen, WH Woche 7<br />

Fluorouracil 500 mg/m 2<br />

Leucovorin 20 mg/m 2<br />

Bevacizumab 5 mg/kgKG alle 2 Wochen<br />

Fluorouracil 500 mg/m 2 einmal/Woche für 6 Wochen, WH Woche 9<br />

Leucovorin 500 mg/m 2<br />

Bevacizumab 5 mg/kgKG alle 2 Wochen<br />

Die Behandlung mit 5-FU<br />

/Leucovorin/Bevacizumab wurde<br />

beendet, nachdem nach 300<br />

Patienten die Sicherheit der<br />

Kombination IFL + Bevacizumab<br />

gewährleistet war. Danach wurden<br />

die Patienten nur noch in die<br />

beiden anderen Arme IFL +<br />

Placebo oder IFL + Bevacizumab<br />

randomisiert. Die Patienten, deren<br />

Erkrankung progredient war,<br />

konnten eine second-line-Therapie<br />

erhalten. Die Patienten in einem Bevacizumab-haltigen Arm konnten Bevacizumab während der second-line-<br />

Behandlung fortsetzen. Bei Patienten mit IFL + Placebo war ein Cross-over nicht erlaubt. Patienten in einem<br />

Bevacizumab-Arm, die am Ende der Studie nach 96 Wochen keine Progredienz zeigten, konnten Bevacizumab in<br />

einer separaten Erweiterungsstudie fortführen. Patienten in einer Bevacizumab-Gruppe mit kompletter Remission<br />

oder inakzeptabler Toxizität durch die Chemotherapie konnten Bevacizumab alleine ohne Chemotherapie fortsetzen.<br />

Ergebnisse (Hurwitz et al., N Engl J Med 2004;350:2335-42)<br />

Die Intention to treat-Analyse mit dem Endpunkt-overall Survival schloss 411 Patienten, die IFL + Placebo, <strong>und</strong> 402<br />

Patienten, die IFL + Bevacizumab erhielten, ein (gesamt 813 Pat.).<br />

Effektivitätsanalyse<br />

Endpunkt IFL + Placebo IFL + Bevacizumab p-Wert<br />

Median survival (Mon.) 15,5 20,3


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Bevacizumab, Hurwitz-Studie, KRAS-Status<br />

Mutationen im EGFR-Signaltransduktionsweg<br />

In der Phase-III-Zulassungsstudie von Hurwitz wurden prospektiv Tumorproben gesammelt. Es waren 230<br />

Tumorproben der insgesamt 812 eingeschlossenen Patienten verfügbar. Die Proben wurden dahingehend<br />

untersucht, ob Kras-Mutationen oder Mutationen in Genen für andere Biomarker den klinischen Benefit einer<br />

Bevacizumab-basierten Therapie vorhersagen können.<br />

Die Ergebnisse der Biomarker-Analysen zeigten, dass die Wirksamkeit von Avastin unabhängig vom KRas-<br />

Mutationsstatus ist (Ince er al., J Natl Cancer Inst. 2005;97:981-989).<br />

Auf dem WCGIC 2008 in Barcelona stellte Hurwitz außerdem die Ansprechraten abhängig vom Kras-<br />

Mutationsstatus vor (Hurwitz et al. WCGIC 2008, O-035)<br />

Wildtyp K-ras Mutation K-ras Gesamtpopulation<br />

IFL+<br />

placebo<br />

IFL +<br />

Bev<br />

IFL +<br />

placebo<br />

IFL +<br />

Bev<br />

IFL +<br />

placebo<br />

ORR % 37,3 60,0 41,2 43,2 38,6 54,3<br />

CR 3,0 3,5 0,0 6,8 2,0 4,7<br />

PR 34,3 56,5 41,2 36,4 36,6 49,6<br />

p-Wert 0,006 0,86 0,02<br />

IFL +<br />

Bev<br />

Dabei zeigte sich eine hohe Gesamtansprechrate von respektive 60% für die Wildtyp Kras-Gruppe in der<br />

Kombination von IFL plus Bevacizumab, während in der mutierten Kras Gruppe kein signifikanter Unterschied<br />

beobachtet wurde.<br />

Der klinische Benefit einer Bevacizumab-Therapie beim metastasierten KRK besteht somit sowohl für den<br />

mutierten als auch für den Kras- Wildtyp. Eine Kras-Bestimmung vor einer Bevacizumab-Therapie ist nicht<br />

erforderlich.<br />

318


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Bevacizumab, (XELOX / FOLFOX4), NO 16966-Studie<br />

XELOX-1/NO16966 (Saltz L. et al., ASCO 2007, Abstr. # 4028 <strong>und</strong> JCO 2008; 26:2013-19)<br />

Diese Phase-III-Studie war ursprünglich als Vergleich FOLFOX versus XELOX geplant, wurde dann aber mit<br />

der Fragestellung des Werts von Bevacizumab in ein 2x2 faktorielles Design umgewandelt (siehe auch Seite<br />

Capecitabin-Oxaliplatin-Kombinationen).<br />

1401 Patienten erhielten<br />

XELOX<br />

N = 317<br />

FOLFOX 4<br />

N = 317<br />

Initial 2-armige<br />

randomisierte<br />

Studie<br />

XELOX + Placebo<br />

N = 350<br />

FOLFOX4 + Placebo<br />

N = 351<br />

XELOX +<br />

Bevacizumab<br />

N = 350<br />

FOLFOX4 +<br />

Bevacizumab<br />

N = 350<br />

Protokoll geändert in ein 2x2 Placebo-kontrolliertes<br />

Design nach Vorlage von Phase-III-Daten für<br />

Bevacizumab<br />

entweder FOLFOX oder<br />

XELOX (Oxaliplatin<br />

130 mg/m2 iv d1,<br />

Capecitabin 1000<br />

mg/m2 bid p.o. d1-14,<br />

q3w) plus Bevacizumab<br />

(5 mg/kg alle 2 Wochen<br />

bei FOLFOX, 7,5 mg/kg<br />

alle 3 Wochen für<br />

XELOX) oder Placebo.<br />

Progressionsfreies Überleben XELOX/FOLFOX +/- Bevacizumab<br />

PFS<br />

Separierung der Kurven nach 6 Monaten im Bevacizumab-haltigen Arm<br />

zwischen „allgemeiner“ versus bis zum Progress fortgesetzter Therapie<br />

(„on treatment“)<br />

Ergebnisse: Die Zugabe von Bevacizumab<br />

zu der Oxaliplatin-basierten Chemotherapie<br />

zeigte einen signifikanten Vorteil bezüglich<br />

des progressionsfreien Überlebens von 9,4<br />

Monaten in den Bevacizumab-Armen versus<br />

8,0 in den Placebo-Armen.<br />

Allerdings wurden die meisten Patienten im<br />

Rahmen der Studie nur 6 Monate lang<br />

behandelt. Danach wurde sowohl die<br />

Chemotherapie als auch das Bevacizumab<br />

abgesetzt. Die Gründe für den<br />

Therapieabbruch lagen zum einen in der<br />

Tumorprogression (mehr im Placebo-Arm<br />

als im Bevacizumab-Arm) oder waren<br />

toxizitätsbedingt oder aber, weil eine<br />

Therapiedauer von über 6 Monaten als zu<br />

lange erschien. Die meisten<br />

Therapieabbrüche ereigneten sich infolge<br />

von chemotherapiebedingten Nebenwirkungen<br />

(Neurotoxizität).<br />

In einer Subgruppenanalyse wurden<br />

Patienten analysiert, bei denen Bevacizumab<br />

nicht schon vorzeitig abgebrochen sondern<br />

bis zum Progress weitergegeben wurde (on<br />

treatment). Diese zeigten ein PFS von 10,4<br />

Monaten versus 7,9 Monate in der<br />

„general“-Gruppe, in der die Therapie nach<br />

6 Monate abgesetzt wurde. Somit scheint<br />

durch Verlängerung der Bevacizumab-Gabe<br />

eine Verlängerung der Zeit der<br />

Krankheitskontrolle erreichbar zu sein.<br />

319


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Bevacizumab, Studienergebnisse, Oxaliplatinkombinationen<br />

ECOG-Studie E 3200. FOLFOX-4 +/-Beva second line (Giantonio B.J. et al., ASCO 2005, Abstr. 2)<br />

Phase-III-Studie mit hoch dosiertem Bevacizumab (10mg/kg i.v./alle 14 Tage) entweder alleine oder in<br />

Kombination mit FOLFOX-4-Regime im Vergleich zu FOLFOX-4 alleine bei Patienten mit<br />

vorbehandeltem KRK. Die Vorbehandlung musste mit einem Fluoropyrimidin- <strong>und</strong> einem Irinotecanbasierten<br />

Regime erfolgt sein.<br />

ECOG-Studie<br />

E3200<br />

FOLFOX-4 + BEV<br />

N = 290<br />

FOLFOX-4<br />

N = 289<br />

BEV<br />

N = 243<br />

Medianes OS 12,5 Monate 10,7 Monate 10,2 Monate<br />

Medianes PFS 7,4 Monate 5,5 Monate 3,5 Monate<br />

Ergebnisse: Der Kombinationsarm FOLFOX-4 + Bevacizumab war der alleinigen Chemotherapie<br />

hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens <strong>und</strong> des Gesamtüberlebens signifikant überlegen. Der<br />

Arm mit der Bevacizumab-Monotherapie wurde vorzeitig geschlossen. Darmperforationen waren<br />

selten (1,1%), kamen aber nur unter Bevacizumab vor.<br />

Fazit: Nach Vorbehandlung mit 5-FU/Irinotecan (ohne Bevacizumab) besteht bei sequentieller<br />

Therapie mit FOLFOX/Bevacizumab, also als Zweitlinientherapie, ein Überlebensvorteil gegenüber<br />

FOLFOX alleine.<br />

TREE-1-<strong>und</strong>-2-Studie (Hochster H.S. et al., ASCO 2005, Abstract 3515)<br />

Die Studie untersuchte die Sicherheit <strong>und</strong> Durchführbarkeit von drei Oxaliplatin/Fluoropyrimidin-<br />

Kombinationen, nämlich Bolus-, Infusions- oder orales Regime, allein (TREE 1) <strong>und</strong> jeweils mit<br />

Bevacizumab (TREE 2) bei unvorbehandelten Patienten mit metastasiertem KRK. Die Therapieregime<br />

bestanden in FOLFOX6, einer Bolus 5-FU Gabe + Oxaliplatin (bFOL, Oxaliplatin 85 mg/m 2 Tag 1 +<br />

15, Folinsäure 20 mg/m 2 , 5-FU 500 mg/m 2 Bolus Tag 1,8,15, WH Woche 4) <strong>und</strong> CAPOX (Oxaliplatin<br />

130 mg/m 2 Tag 1, Capecitabin 1000 mg/m 2 bid, bei TREE 2 Reduktion auf 850 mg/m 2 ). Bevacizumab<br />

wurde mit 5 mg/kg alle 2 Wochen oder 7,5 mg/kg alle 3 Wochen zu jedem Regime in der TREE 2-<br />

Studie hinzugefügt.<br />

Ergebnisse: FOLFOX zeigte die beste Balance zwischen Ansprechen <strong>und</strong> Toxizität. CAPOX wurde<br />

nach Dosisreduktion wegen 27% Grad-3/4 Diarrhoe besser toleriert. Bevacizumab verbesserte das<br />

Ansprechen auf die Therapie in allen 3 Armen signifikant.<br />

TREE-1/2-Studie, Ergebnisse (Hochster H.S., ASCO 2006, Abstract 3510)<br />

Studiendesign s.o.. Die Zugabe von Bevacizumab zu Oxaliplatin-Fluoropyrimidin-Regimen steigert<br />

die Remissionsrate (RR), die Zeit bis zur Progression (TTP) sowie das Gesamtüberleben (OS). Die<br />

Toxizität wurde in allen drei Armen durch Bevacizumab gesteigert: Grad-3-4 Hypertonie in 7-15%,<br />

W<strong>und</strong>heilungsstörungen 1,4–5,6 %, gastrointestinale Perforationen 2,8-4,2%. Sie lag aber in einem<br />

tolerablen, erwarteten Bereich. Die Toxizität von FOLFOX6 <strong>und</strong> CAPOX war nach Reduktion des<br />

Capecitabine auf 850 mg/m 2 bid vergleichbar.<br />

TREE 1 FOLFOX bFOL CAPOX<br />

TREE 2 - Beva (n=49) + Beva<br />

(n=71)<br />

- Beva (n=50) + Beva<br />

(n=70)<br />

- Beva (n=48) + Beva<br />

(n=72)<br />

RR 43% 53% 22% 41% 35% 48%<br />

TTP (Mon.) 8,7 9,9 6,9 8,3 5,9 10,3<br />

OS (Mon.) 19,2 26,0 17,9 20,7 17,2 27,0<br />

320


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Bevacizumab, BICC-C-, BEAT-Studien, Ergebnisse<br />

BICC-C-Studie (Fuchs C. et al.,ASCO 2006 <strong>und</strong> update ASCO 2007, Abstr.#4027)<br />

Die Phase-III-Studie sollte drei Irinotecan-haltige Regime, FOLFIRI, ein modifiziertes IFL (Bolus) <strong>und</strong> CAPIRI<br />

(Capecitabin) in der First-line-Therapie vergleichen. Nach Zulassung von Bevacizumab erfolgte eine zweite<br />

Rekrutierungsperiode.<br />

Ergebnisse: FOLFIRI ist dem Bolus-IFL sowie CAPIRI überlegen im Hinblick auf Effektivität <strong>und</strong> Tolerabilität. Die<br />

Zugabe von Bevacizumab steigert die Effektivität ohne klinisch relevante Zunahme der Toxizität. Bolus-IFL sollte<br />

wegen der intolerabel hohen Rate an frühen Todesfällen nicht länger angewendet werden. Anm.: Das 3-wöchentliche<br />

CAPIRI-Regime benutzte eine hohe Dosis von Capecitabin (1000 mg/m2 bid, Tag 1-14) <strong>und</strong> Irinotecan (250 mg/m2<br />

d1), was zu einer inakzeptablen Toxizität mit 50% Grad-3/4 Diarrhoen <strong>und</strong> möglicherweise auch zu der verminderten<br />

Effektivität führte.<br />

BICC-C Periode 1 ohne Bevacizumab Periode 2 plus Bevacizumab<br />

Studie FOLFIRI (n= 144) mIFL (n=141) CAPIRI (n= 145) FOLFIRI (n=57 mIFL (n=60)<br />

RR 47% 43% 39% 54,4% 53,3%<br />

PFS (Monate) 7,6 5,9 5,8 11,2 8,3<br />

OS (Monate) 23,1 17,6 18,9 nicht erreicht 19,2<br />

60 Tage Mortal. 2,9 5,8 3,5 1,8 6,8<br />

First-BEAT-Studie (Berry S.R. et al., ASCO 2006, Abstract 3534)<br />

Die First-BEAT Studie wurde im Juni 2004 gestartet, um die Sicherheit von Bevacizumab zu evaluieren <strong>und</strong> um zu<br />

sehen, ob die Studiendaten auf die klinische Praxis zu übertragen sind. Sie schloss 1927 Patienten aus 41 Ländern<br />

weltweit ein, die Bevacizumab 5 mg/kg q2w oder 7,5 mg/m2 q3w in Kombination FOLFOX, FOLFIRI, CAPOX<br />

oder Xeloda erhielten.<br />

Serious adverse events alle SAE n (%) Avastin-bedingte SAE n (%) Schwere unerwünschte Nebenwirkungen,<br />

serious adverse<br />

Patienten 479 (27) 159 (9)<br />

events (SAE), wurden bei 27%<br />

Ereignisse 781 189<br />

der Studienpopulation berichtet,<br />

wobei 9% in Verbindung<br />

Febrile Neutropenie 17 (1,0) 1 (0,1)<br />

Tiefe Beinvenenthrombose 25 (1,4) 22 (1,2)<br />

mit Bevacizumab gesehen<br />

wurden. Sie schlossen gastrointestinale<br />

Perforationen<br />

Lungenembolie 22 (1,2) 20 (1,1)<br />

Arterielle Thrombembolien 13 (0,7) 11 (0,6)<br />

(1,2%), Blutungen (1,3%) <strong>und</strong><br />

Blutung 23 (1,3) 17 (1,0)<br />

arterielle thrombembolische<br />

Gastrointestinale<br />

Ereignisse (0,7%) ein. Das<br />

21 (1,2) 12 (0,7)<br />

Perforation<br />

Sicherheitsprofil in der klinischen<br />

Praxis scheint somit mit<br />

Hypertonie 8 (0,4) 8 (0,4)<br />

den prospektiven klinischen<br />

W<strong>und</strong>heilungsstörung 7 (0,4) 3 (0,2)<br />

Studien übereinzustimmen.<br />

Ergebnisse (Berry SR. Et al., ASCO 2008 Abstr. 4025)<br />

Die Endergebnisse wurden auf dem ASCO 2008<br />

präsentiert. Das progressionsfreie Überleben (PFS)<br />

betrug durchschnittlich für alle<br />

Fluoropyrimidinbasierten Chemotherapien +<br />

Bevacizumab 10,8 Monate, das Gesamtüberleben (OS)<br />

22,7 Monate.<br />

Somit entspricht die Sicherheit <strong>und</strong> Effektivität der<br />

Bevacizumabkombinationen in der Erstlinientherapie<br />

des KRK in der klinischen Praxis den Erfahrungen aus<br />

den randomisierten Phase-III-Studien.<br />

Weitere Ergebnisse der First-BEAT-Studie zu Leberresektionen nach Bevacizumab siehe<br />

Lebermetastasen, Neoadjuvante Chemotherapie.<br />

321


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

Bevacizumab, BriTE-Beobachtungsstudie<br />

BriTE-Studie (Kozloff M. et al, ASCO 2006, Abstract 3537)<br />

Die BriTE-Studie ist das amerikanische Pendant zur First-BEAT-Studie, eine große Beobachtungsuntersuchung<br />

von nicht selektionierten Patienten aus 248 amerikanischen Zentren, die Bevacizumab plus eine Chemotherapie<br />

in der First-line-Therapie bei metastasiertem CRC erhielten. Die Chemotherapie bestand in FOLFOX (55,8%),<br />

FOLFIRI (14,1%), <strong>und</strong> IFL (9,7%). Nach Auswertung von 1.968 Patienten war das mediane progressionsfreie<br />

Überleben (PFS) mit 10,2 Monaten vergleichbar mit den Daten der Zulassungsstudie von Hurwitz. Das PFS war<br />

ähnlich für alle Chemotherapien, die mit Bevacizumab kombiniert wurden.<br />

BriTE-Studie, Risikofaktoren für eine gastrointestinale Perforation (GIP)<br />

(Sugrue M. et al. ASCO 2006, Abstract 3535)<br />

Im Rahmen der Brite-Studie wurden bei 34 von 1968 Patienten eine Gastrointestinale Perforation, entsprechend<br />

1,7% gesehen. Die mediane Zeit bis zu dem Ereignis betrug 2,1 Monate. Der Großteil der Perforationen war<br />

nicht letal <strong>und</strong> ereignete sich in den ersten 3 Monaten nach Beginn der Therapie mit Bevacizumab. Obwohl es<br />

keine signifikanten Patientencharakteristika gab, war die Zahl der gastrointestinalen Perforationen bei Patienten<br />

mit verbliebenem Primärtumor höher (2,6%) als bei Patienten mit reseziertem Primärtumor (1,6%). Die<br />

Einnahme von Aspirin oder NSAID sowie eine Ulcus- oder Diverticulitisanamnese waren nicht mit einem<br />

höheren Risiko assoziiert.<br />

Chirurgisch-pathologische Bef<strong>und</strong>e bei Patienten mit GIP Patienten (n= 33)<br />

Wenigstens 1 assoziierter Bef<strong>und</strong> 22<br />

Tumor an der Stelle der Perforation 11<br />

Gastrointestinale Obstruktion 6<br />

Peritonealkarzinose 3<br />

Intraabdomineller Abszess 3<br />

Akute Divertikulitis 2<br />

Kein Bef<strong>und</strong> (unklar) 11<br />

Schlussfolgerung: Die Inzidenz von GIP ist in dieser großen Beobachtungsstudie mit 1,7% ähnlich wie in den<br />

Phase-III-Studien mit Bevacizumab. Es wurde keine Korrelation zwischen spezifischen Patientencharakteristika<br />

<strong>und</strong> der Inzidenz von GIP gef<strong>und</strong>en. Patienten mit einem verbliebenen Primärtumor, einer kürzlich erfolgten<br />

Endoskopie oder einer früheren adjuvanten Bestrahlung haben ein leicht erhöhtes Risiko für eine GIP unter der<br />

Behandlung mit Bevacizumab.<br />

BriTE, Bevacizumab beyond Progression (BBP) (Grothey A. et al.,ASCO 2007, Abstr. #4036)<br />

Bisher gibt es keine Daten zur Anwendung von Bevacizumab über den Zeitpunkt der ersten Progression hinaus.<br />

Es wurden die Daten einer großen Population mit Bevacizumab behandelter Patienten untersucht. Von initial<br />

1953 Patienten, die Bevacizumab in der First-line erhielten, waren 1445 progredient, von diesen erhielten 642 in<br />

der second line weiter Bevacizumab. Es gab keine Vorgaben zur Art der Chemotherapie oder zur Dosis oder zur<br />

Anwendungsdauer von Bevacizumab. Dies blieb dem<br />

behandelnden Arzt überlassen. Analysiert wurden nur die<br />

Patienten, die tatsächlich Bevacizumab erhalten haben.<br />

OS abhängig von Therapie nach 1. Progression<br />

Ergebnisse: Die Patienten, die Bevacizumab zusätzlich zu<br />

einer Chemotherapie auch in der Zweitlinienbehandlung (BBP)<br />

erhielten, hatten ein deutlich längeres medianes<br />

Gesamtüberleben von 31,8 Monaten gegenüber den Patienten,<br />

die eine Chemotherapie ohne Bevacizumab (No BBP) erhielten<br />

(19,9 Monate), <strong>und</strong> gegenüber denjenigen, die gar keine<br />

Zweitlinientherapie bekamen (12,6 Monate).<br />

Fazit: Diese Ergebnisse rechtfertigen weitere randomisierte<br />

Studien zum Einsatz von Bevacizumab nach erster Progression.<br />

322


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

FOLFOXIRI , Bevacizumab<br />

FOLFOXIRI versus FOLFIRI (Falcone A. et al. ASCO 2006, Abstract 3513 <strong>und</strong> ASCO 2007, Abstract 4026)<br />

Studiendesign: In dieser Phase-III-Studie wurde der FOLFIRI-Kontrollarm (A) mit einer Dreierkombination<br />

aus Irinotecan, Oxaliplatin, Leucovorin <strong>und</strong> Infusional-5-FU (Arm B) verglichen. Bei Progression unter<br />

FOLFIRI wurde eine FOLFOX-Kombination empfohlen. Toxizität: Diarrhoe, Erbrechen, Neurotoxizität <strong>und</strong><br />

Neutropenie waren im FOLFOXIRI-Arm vermehrt, aber tolerabel. Es gab in keinem Arm einen toxischen<br />

Todesfall.<br />

Stratifikation<br />

- Zentrum<br />

- PS 0/1-2<br />

- Adjuvante ChT<br />

R<br />

A<br />

N<br />

D<br />

O<br />

M<br />

FOLFIRI<br />

IRI 180 mg/m2 1-h d.1<br />

L-LV 100 mg/m2 2-h d.1,2<br />

5FU 400 mg/m2 bolus d.1,2<br />

5FU 600 mg/m2 22-h d.1,2<br />

alle 2 Wochen x 12 Zyklen<br />

FOLFOXIRI<br />

IRI 165 mg/m2 1-h d.1<br />

OXALI 85 mg/m2 2-h d.1<br />

L-LV 200 mg/m2 2-h d.1<br />

5FU 3200 mg/m2 48-h c.i. d.1<br />

alle 2 Wochen x 12 Zyklen<br />

Pat. mit Progression unter FOLFIRI erhalten als Zweitlinientherapie eine Oxaliplatinhaltige<br />

Behandlung z.B. mit FOLFOX.<br />

Ergebnisse<br />

244 Patienten wurden eingeschlossen. Die Responserate war 60% im FOLFOXIRI-Arm versus 34% im<br />

FOLFIRI-Arm (p= 0,0001). Diese hohe Ansprechrate erlaubte eine radikale sek<strong>und</strong>äre Resektion von<br />

Metastasen im FOLFOXIRI-Arm von 14% versus 6%. Bei 39 Patienten, die nur Lebermetastasen aufwiesen,<br />

konnten 36% R0-reseziert werden (im FOLFIRI-Arm nur 12% von 42 Patienten). Diese Differenz war<br />

statistisch signifikant. Das mediane progressionsfreie Überleben mit 9,8 versus 6,9 Monaten sowie das<br />

Gesamtüberleben mit 22,6 versus 17,7 Monaten waren im FOLFOXIRI-Arm ebenfalls signifikant besser.<br />

Diese Daten konnten auf dem ASCO 2007 bestätigt werden. Das mittlere PFS betrug 9,8 Monate für<br />

FOLFOXIRI versus 6,9 Monate für FOLFIRI. Das mediane Gesamtüberleben war ebenfalls zugunsten von<br />

FOLFOXIRI auf 23,6 versus 16,7 Monate erhöht.<br />

FOLFOXIRI + Bevacizumab (Falcone A. et al, ASCO 2008, Abstr. 4031)<br />

In dieser Phase-II-Studie wurde von der GONO-Gruppe das<br />

FOLFOXIRI-Regime mit Bevacizumab evaluiert.<br />

Ergebnisse: Die Toxizität bei insgesamt 57 Patienten war gut<br />

beherrschbar <strong>und</strong> bewegte sich im für die Substanzen<br />

erwarteten Bereich. Die Ansprechraten (CR <strong>und</strong> PR) sind mit<br />

75% sehr vielversprechend. Die Tumorkontrollrate liegt bei<br />

100%. Das PFS liegt nach 10 Monaten bei 73%.<br />

8 Patienten (16%) konnten sich einer sek<strong>und</strong>ären Resektion von<br />

Lebermetastasen unterziehen (7 R0, 1 R1-Resektion). 2<br />

Patienten<br />

erreichten eine<br />

pathologisch<br />

komplette Remission.<br />

PFS <strong>und</strong> OS-<br />

Daten sind noch<br />

unreif.<br />

323


Cetuximab (Erbitux®)<br />

EGF-Rezeptor-Antikörper<br />

Erbitux® ist indiziert zur Behandlung des metastasierenden EGFR exprimierendem KRK mit Wildtyp-KRAS-Gen<br />

• in Kombination mit einer Chemotherapie<br />

• als Monotherapie bei Patienten, bei denen eine Therapie mit Irinotecan <strong>und</strong> Oxaliplatin versagt hat <strong>und</strong> die<br />

Irinotecan nicht vertragen.<br />

Erbitux® ist in Kombination mit einer Strahlentherapie zur Behandlung von Patienten mit lokal fortgeschrittenem<br />

Plattenepithelkarzinom im Kopf- <strong>und</strong> Halsbereich angezeigt<br />

Cetuximab<br />

EGFR (= epidermal growth factor) ist ein transmembranäres Glykoprotein, welches zur Familie der<br />

Wachstumsfaktoren zählt. Es ist ein Wachstumsfaktor aus der Gruppe der Tyrosinkinasen. Bei vielen Tumoren wird<br />

EGFR überexprimiert (für das Kolorektalkarzinom in 82%, aber auch bei Kopf-Hals-Tumoren, Ösophaguskarzinom,<br />

Pankreaskarzinom). Die Überexpression wurde in präklinischen Untersuchungen als schlechter Prognosefaktor<br />

beschrieben.<br />

EGFR Signaltransduktion. Die Blockade des EGFR bewirkt eine Hemmung der Angiogenese, aber auch eine Inhibition der<br />

Zellproliferation, der Zellteilung <strong>und</strong> der Metastasierung. Quelle: Produktinformation, Fa. Merck<br />

Durch Rezeptorblockade mittels des Antikörpers Cetuximab wird die Signaltransduktion in der Zelle verhindert.<br />

Dadurch wird das Fortschreiten des Zellzyklus gehemmt <strong>und</strong> die Apoptose potenziert.<br />

Außerdem bewirkt Cetuximab, dass die EGFR-exprimierende Zelle zum Target für Killer-Lymphozyten wird.<br />

Die Wirksamkeit von Cetuximab wurde in der BOND-Studie gezeigt mit einem Ansprechen der Mono-Therapie von<br />

10,5% Response sowie Disease-control von 35,1%. In Kombination mit Irinotecan ließ sich die Ansprechrate auf<br />

19,2% (Response) <strong>und</strong> Disease control von 26,7% erhöhen (Saltz et al.2001 <strong>und</strong> 2002).<br />

Die Wahrscheinlichkeit des Anprechens korrelierte nicht mit der Zahl der chemotherapeutischen Vorbehandlungen,<br />

nicht mit Oxaliplatin-Vorbehandlung <strong>und</strong> auch nicht mit dem EGFR-Nachweis auf der Tumorzelle. Eine Korrelation<br />

bestand zur Hauttoxizität. Da eine hohe EGFR-Expression der Haut besteht, ist Hauttoxizität die gravierendste<br />

Nebenwirkung. Sie tritt in der Regel als akneiformes Exanthem der Gesichtshaut <strong>und</strong> des oberen Brustkorbs auf in<br />

etwa 69%. Weniger häufig sind Nausea (24%), Fatigue (30%), Fieber/Schüttelfrost (23%), Diarrhoe (14%),<br />

Mucositis (15%), Nagelveränderungen (8%).<br />

Cetuximab wurde am 30.06.2004 als Erbitux® aufgr<strong>und</strong> der Daten der BOND-Studie zugelassen zur<br />

Kombinationstherapie mit Irinotecan nach Progression einer Irinotecan-haltigen Therapie bei EGFR-exprimierendem<br />

metastasierten Kolorektalkarzinom. Aufgr<strong>und</strong> der Daten der Crystal- <strong>und</strong> OPUS-Studie erfolgte 2008 die<br />

Zulassungserweiterung wie oben beschrieben.<br />

Verabreicht wird Erbitux® als einmal wöchentliche Infusion. Die Startdosis beträgt 400 mg/m 2 in Woche 1 über 2<br />

St<strong>und</strong>en nach Gabe eines Antihistaminikums. Die nachfolgenden Erhaltungsdosen betragen 250 mg/m 2 , verabreicht<br />

als 1-stündige Infusion. Irinotecan wird entsprechend der Standard-Regime verwendet im Anschluss an Cetuximab.<br />

324


<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

BOND-Studie<br />

Die europäische BOND-Studie ist eine Phase-II-Studie, die die Wirksamkeit <strong>und</strong> Verträglichkeit von Cetuximab<br />

alleine oder in der Kombination mit Irinotecan bei Patienten mit EGFR-exprimierendem metastasiertem CRC<br />

untersuchte (Cunningham D. et al., NEJM 2004; 352 337-346).<br />

Einschlusskriterien<br />

Die Patienten mussten mindestens sechs Wochen lang ein Irinotecan-basiertes Chemotherapieregime erhalten haben <strong>und</strong><br />

hierunter oder innerhalb von 3 Monaten danach progredient sein. Zugelassen als Irinotecan-Dosierungen waren: die<br />

wöchentliche Gabe von 125 mg/m 2 in vier aufeinanderfolgenden Wochen gefolgt von 2 Wochen Pause als Monotherapie<br />

oder in Kombination mit 5-FU <strong>und</strong> Leukovorin; Irinotecan mit einer Dosis von 180 mg/m 2 alle 2 Wochen sowie mit 350<br />

mg/m 2 alle 3 Wochen als Monotherapie.<br />

Studiendesign<br />

Es erfolgte eine Randomisierung von 329 Patienten in einem 2:1<br />

Verhältnis zu Cetuximab + Irinotecan oder Cetuximab alleine. Die<br />

Initialdosis von Cetuximab betrug 400mg/m 2 nach Gabe eines<br />

Antihistaminikums gefolgt von einer wöchentlichen Infusion von<br />

250 mg/m 2 . Die Patienten, die in die Kombinationstherapie<br />

randomisiert wurden, bekamen Irinotecan in derselben Dosierung,<br />

wie sie sie in der letzten Prästudien-Therapie erhalten hatten. Im<br />

Falle einer Tumorprogression bei Patienten im Cetuximab-<br />

Monotherapiearm, konnte die Therapie mit Cetuximab unter<br />

Zugabe von Irinotecan in der zuletzt eingesetzten Dosierung<br />

fortgeführt werden.<br />

Ergebnisse<br />

40% der Patienten hatten mindestens 3 Vortherapien <strong>und</strong> >60%<br />

hatten früher eine Oxaliplatin-basierte Chemotherapie erhalten.<br />

Effektivität<br />

BOND-Studie. Krankheitsfreies Überleben.<br />

Kombination<br />

Monotherapie<br />

(n = 218)<br />

(n = 111)<br />

P<br />

RR 23% 11% 0.0074<br />

Disease control 56% 32% 0.0001<br />

Mediane TTP 4,1 Mon. 1,5 Mon. < 0.0001<br />

Medianes Überleben 8,6 Mon. 6,9 Mon. 0.48<br />

Die Intent to treat-Analyse zeigte eine statistisch signifikant höhere Remissionsrate (RR) <strong>und</strong> eine<br />

höhere Rate an Tumorkontrolle sowie eine längere Zeit bis zur Progression (TTP) für die<br />

Cetuximab/Irinotecan-Kombination im Vergleich mit Cetuximab alleine.<br />

Das Mediane Überleben war ebenfalls länger im Kombinationsarm, aber dieser Vorteil war statistisch nicht signifikant. Die<br />

fehlende Signifikanz mag auf den Wechsel von Cetuximab-Mono auf die Kombinationsbehandlung bei<br />

Krankheitsprogression zurückzuführen sein.<br />

Die Effektivität von Cetuximab + Irinotecan war unabhängig von der Zahl der Vortherapien. Auch eine Vorbehandlung mit<br />

Oxaliplatin beeinträchtigte nicht die Effektivität von Cetuximab + Irinotecan oder Cetuximab mono.<br />

Beziehung zwischen Hautreaktion <strong>und</strong> Effektivität<br />

Cetuximab Kombination Monotherapie<br />

RR Survival RR Survival<br />

Pat. ohne Hautreaktionen 6% 3,0 Mon. 0% 2,5 Mon.<br />

Pat. mit Hautreaktionen 26% 9,1 Mon. 13% 8,1 Mon<br />

Das Auftreten eines akneartigen Exanthems scheint positiv korreliert mit der Effektivität der Behandlung im Hinblick auf<br />

Remissionsraten <strong>und</strong> das mittlere Überleben. Die Patienten mit Hautreaktionen hatten höhere Remissionsraten <strong>und</strong> ein<br />

längeres medianes Überleben als die ohne Hautreaktionen.<br />

Die Rate hämatologischer <strong>und</strong> nicht hämatologischer Nebenwirkungen in der Kombination waren bis auf die Hauttoxizität<br />

ähnlich wie die einer alleinigen Irinotecantherapie.<br />

325


Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />

MABEL-Studie, Cetuximab/Irinotecan<br />

Die MABEL-Studie ist eine Phase-II-Studie, welche den EGFR-Rezeptor-Antikörper Cetuximab in<br />

Kombination mit Irinotecan prüft bei unter Irinotecan-Therapie progredienten Patienten mit<br />

metastasiertem kolorektalem Karzinom. Sie ist eine europaweit rekrutierende multizentrische<br />

Nachfolgestudie der BOND-Studie.<br />

Titel: MABEL-EMR62202-501, Monoclonal Antibody Erbitux in a European Pre-License-Study.<br />

Hauptzielkriterium: Prozentsatz progressionsfreier Patienten nach 12 Wochen Therapie mit<br />

Cetuximab/Irinotecan. Nebenzielkriterien sind der Anteil progressionsfreier Patienten 24 Wochen nach<br />

Therapiebeginn sowie Ermittlung der Gesamtüberlebenszeit<br />

Studienleiter (Deutschland): Prof. Dr. med P. Preusser, Münster<br />

Studiensekretariat: Tel. 0251-835-6309 Fax 0251-835-6394<br />

Ein- <strong>und</strong> Ausschlusskriterien<br />

Histologisch nachgewiesenes, metastasiertes Adenokarzinom des Kolons oder Rektums<br />

Vorausgegangene mindestens 6-wöchige Irinotecan-Behandlung mit maximal 2 Dosisreduktionen der<br />

Standardschemata im Zeitintervall von max. 6 Monaten vor Studieneinschluss<br />

Mindestens eine zweidimensional ausmessbare Läsion<br />

Alter >18 Jahre <strong>und</strong> Karnofsky-Index > 80%<br />

Keine relevanten Organfunktionseinschränkungen (z.B. Kreatinin < 1,5x oberer Normwert)<br />

Immunhistochemischer Nachweis der EGFR-Expression am Tumorgewebe (Prescreening)<br />

Keine ZNS-Metastasen<br />

Bei Auftreten von Grad-3-Hauttoxizität ist eine Therapiepause bis zur Rückbildung vorgesehen, falls<br />

die Hauttoxizität für mehr als 3 Wochen andauert, wird die Behandlung abgebrochen. 2<br />

Dosisreduktionsstufen sind vorgesehen (200 <strong>und</strong> 150 mg/m 2 ).<br />

Systemische Steroide sollten nicht verabreicht werden, da hierdurch der Rezeptor blockiert werden<br />

kann. Topische Steroide sollten ebenfalls vermieden werden. Empfohlen werden topische <strong>und</strong><br />

systemische Antibiotika. Bisher ist die Hautreaktion jedoch noch ein ungelöstes Problem, eine<br />

effektive Therapiemaßnahme steht nicht zur Verfügung.<br />

Prognostisch ist diese Nebenwirkung günstig, Ansprechen in der BOND-Studie in der<br />

Kombinationstherapie bei Hauttoxizität (>2) 33,6% im Vergleich zu 6,3% bei Patienten ohne jegliche<br />

Hautreaktion.<br />

Ergebnisse (Wilke H et al. ASCO 2006, Abstract 3549)<br />

Irinotecan<br />

3-Monate PFS<br />

(primärer Endpunkt)<br />

125 mg weekly<br />

n= 93<br />

Cetuximab + Irinotecan<br />

180 mg q 2 wks<br />

n = 670<br />

350 mg q3 wks<br />

n = 356<br />

61% 61% 61%<br />

OS 8,5 Monate 9,2 Monate 10,3 Monate<br />

Die verschiedenen Irinotecan-Regime führten zu einem vergleichbaren progressionsfreien Überleben<br />

(PFS) in den ersten 3 Monaten. In der Gesamtanalyse ergab sich ein Overall Survival (OS) von 9,2<br />

Monaten, das dem der BOND-I-Studie (8,6 Monate) entsprach.<br />

326


KRAS–Onkogen<br />

Die RAS-Forschung begann im Jahre 1964 mit<br />

der Beobachtung von J. Harvey, dass ein<br />

murines Leukämievirus von einer erkrankten<br />

Ratte in anderen Nagetieren Sarkome induzierte<br />

(Harvey JJ. Nature 1964). Jedes virale Onkogen<br />

wird mit einem Drei-Buchstaben-Akronym<br />

charakterisiert. RAS steht für Rat Sarcoma.<br />

RAS ist ein Onkogen, das für ein GTPbindendes<br />

Protein codiert <strong>und</strong> in 3 Isoformen<br />

vorkommt: KRAS, NRAS <strong>und</strong> HRAS. Es<br />

kommt in der ges<strong>und</strong>en wie in der neoplastisch<br />

veränderten Zelle vor <strong>und</strong> spielt eine zentrale<br />

Rolle bei der Regulation von zahlreichen<br />

Signaltransduktionswegen <strong>und</strong> nachfolgend von<br />

zellulären Prozessen wie Wachstum,<br />

Proliferation, Differenzierung, Überleben,<br />

Apoptose, Angiogenese <strong>und</strong> Metastasierung.<br />

KRAS- <strong>und</strong> EGFR-Signalweg<br />

Der EGFR Signalweg wird nach Bindung von<br />

spezifischen Liganden (z.B. TGFα <strong>und</strong> EGF) an<br />

die Rezeptoren der Zelloberfläche aktiviert. Die<br />

dadurch ausgelöste Signalkaskade reguliert<br />

auch Gene, die den Zellzyklus kontrollieren. Zu<br />

Beginn der intrazellulären Signalkaskade<br />

reguliert das KRAS-Protein die<br />

nachgeschalteten Mediatoren, wodurch dem<br />

KRAS-Gen eine zentrale Rolle bei der<br />

Tumorproliferation zukommt.<br />

KRAS-Wildtyp u. Mutation<br />

KRAS-Onkogen<br />

Bedeutung, Molekularbiologie<br />

Signaltransduktion über den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor<br />

(EGFR). Natürliche Liganden am EGFR-Rezeptor sind EGF. <strong>und</strong> der<br />

transformierende Wachstumsfaktor Alpha (TGF-α). Nach dem Andocken<br />

des Wachstumsfaktors wird eine Signalkaskade in Gang gesetzt. Diese führt<br />

zur Stimulation von Zellproliferation, Zellüberleben, Angiogense,<br />

Apoptosehemmung <strong>und</strong> zu einer Begünstigung der Metastasierung durch<br />

Beeinflussung der Zelladhäsion.<br />

Bei einer Mutation des KRAS-Gens erfolgt die Signalübertragung über das<br />

permanent aktivierte KRAS-Protein kontinuierlich <strong>und</strong> unabhängig davon,<br />

ob eine Simulation von extrazellulär erfolgt.<br />

Gesondert markiert (ovaler Ring) sind die wesentlichen Faktoren für die<br />

Wirkung eines Antikörpers gegen EGFR. Aus: Arnold D, A. Musch.<br />

Arzneimitteltherapie, 2008;26:117-23.<br />

Das KRAS-Gen kann in seiner natürlichen Form (Wildtyp) oder mutiert vorliegen. Das Wildtyp-KRAS-Protein ist<br />

nur aktiviert, nachdem der EGFR durch spezifische Liganden stimuliert wurde, wie oben ausgeführt. Bei mutiertem<br />

KRAS-Gen erzeugt ein sterisch verändertes Protein unabhängig von einer extrazellulären Liganden-Bindung eine<br />

Signalweiterleitung im Sinne einer Dauersimulation. Die unregulierten Signale eines mutierten KRAS Proteins<br />

fördern somit die Entstehung <strong>und</strong> das Wachstum von Tumorzellen. Wenn sie vorhanden ist, stellt die KRAS-<br />

Mutation ein frühes Ereignis in der Adenomentstehung beim CRC dar. Bisher sind 12 verschiedene Mutationen<br />

bekannt. (Downward J. Nat Rev Cancer 2003). Eine im Primärtumor nachgewiesene KRAS-Mutation findet sich in<br />

mehr als 95 % der Fälle auch in Metastasen <strong>und</strong> Rezidiven. Der KRAS-Status wird an gefrorenen oder in<br />

Paraffinblöcken eingebetteten Gewebeproben mittels PCR bestimmt. Der KRAS Status eines Tumors ist prädiktiv<br />

für das Ansprechen auf eine Therapie mit EGFR-Antikörpern. Bei KRK zeigen etwa 40 % der Pat. eine KRAS<br />

Mutation.<br />

Cetuximab<br />

Panitumumab<br />

KRAS ist ein in somatischen Zellen physiologisch vorkommendes Regulationsprotein. Die natürliche Form wird Wildtyp genannt. Dieser<br />

benötigt zur Induktion der Signalübertragung auf den Zellkern eine extrazelluläre Simulation. Fehlt diese, wächst die Zelle nicht. Bei einer<br />

Mutation befindet sich das Gen im Zustand einer permanenten Aktivierung. Extrazelluläre Faktoren können den Funktionszustand nicht<br />

beeinflussen. Eine Blockierung des epidermalen Wachstumsfaktors über den EGF-Rezeptor hat deshalb keinen Einfluss auf die Kinetik der<br />

Zelle. Abb. Links: KRAS-Wildtyp, Mitte: KRAS-Mutation. Rechts: Proliferationshemmung durch einen EGFR-Antikörper wie Cetuximab<br />

oder Panitumumab.<br />

327


Cetuximab-Therapien<br />

Crystal-Studie<br />

Crystal-Studie (van Cutsem E. et al.; ASCO 2007 Abstract 4000)<br />

P<br />

In dieser internationalen Phase-III-Studie wurde<br />

FOLFIRI + Cetuximab im Vergleich zu einer<br />

FOLFIRI-Standardtherapie bei unvorbehandelten<br />

Patienten mit EGFR-exprimierendem<br />

metastasiertem KRK untersucht.<br />

Ergebnisse: Das mediane progressionsfreie<br />

Überleben (PFS) war im Cetuximab-Arm<br />

signifikant länger mit 8,9 versus 8 Monate. Auch<br />

das Ansprechen konnte mit Cetuximab auf 47%<br />

versus 39% gesteigert werden. Insbesondere die<br />

Subgruppe der Patienten, die ausschließlich<br />

Lebermetastasen aufwiesen, profitierte von<br />

Cetuximab (PFS 11,4 versus 9,2 Monate). Die<br />

Anzahl an R0-Resektionen war im Cetuximab-<br />

Arm mehr als doppelt so<br />

hoch wie im Kontrollarm<br />

(4,3 versus 2,5%). Unter der<br />

Cetuximab-Behandlung war<br />

PFS, nur<br />

Leber-<br />

die Rate an Grad-3/4-<br />

Diarrhoen von 10 auf 15%<br />

gesteigert, die Mehrzahl der<br />

Patienten (84%) hatte eine<br />

Hauttoxizität mit immerhin<br />

18,7% Grad-3/4-<br />

Ausprägung.<br />

Fazit: Die Erhöhung der<br />

Remissionsrate korreliert mit einer Verbesserung der Resektionsrate. Damit Erhöhung der kurativen Chance.<br />

Crystal-Studie unter Berücksichtigung des KRAS-Status (Van Cutsem E. et al., ASCO 2008<br />

Abstract 2)<br />

Die Crystal-Studie wurde hinsichtlich des Einflusses des Kras-Mutationsstatus auf die Effektivität der Therapie<br />

retrospektiv analysiert. Insgesamt konnte bei 540 Patienten der KRas-Status erhoben werden. Es ergab sich eine<br />

Verteilung von 64,4% KRas Wilttyp zu 35,6% Kras-Mutanten.<br />

Ergebissse: Für die Patienten mit K-ras-Wildtyp ergab sich eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien<br />

Überlebens (PFS) von 8,7 Monaten für FOLFIRI auf 9,9 Monate für die Kombination FOLFIRI + Cetuximab,<br />

während bei den Kras-Mutanten keine Verbesserung erzielt werden konnte.<br />

In Bezug auf das Ansprechen auf die<br />

Chemotherapie ergab sich kein<br />

Unterschied zwischen Kras Wildtyp<br />

<strong>und</strong> Mutanten.<br />

Für den Kras-Wildtyp zeigte sich eine<br />

deutliche Verbesserung der<br />

Ansprechrate von 43 auf 59%,<br />

während bei Kras Mutation keine<br />

Verbesserung erreicht werden konnte.<br />

Fazit: Der Kras-Status ist ein<br />

negativer prädiktiver Marker der<br />

Therapieeffektivität beim Einsatz von<br />

Cetuximab. Der Kras Mutationsstatus<br />

ist aber nicht prädiktiv für die<br />

Effektivität der FOLFIRI-Therapie.<br />

Eine Kras-Mutationsanalyse vor jeder<br />

Anti-EGFR-Therapie ist obligat.<br />

328


Cetuximab-Therapien<br />

OPUS/CAIRO 2-Studie<br />

Opus-Studie (Bokemeyer C. et al.; ASCO 2007, Abst. 4035)<br />

In dieser Phase-II-Studie wurde die Effektivität von Cetuximab in der Kombination mit FOLFOX-4 versus<br />

FOLFOX-4 alleine bei unvorbehandelten EGFR-positiven Patienten untersucht.<br />

Ergebnisse<br />

Die Hinzunahme von Cetuximab erhöhte die Remissionsrate von FOLFOX-4 von 35,7 auf 45,6%. Der<br />

Unterschied war nicht signifikant. Für die Subgruppe der Patienten mit ECOG 0-1-Status ergab sich ein<br />

statistisch signifikant besseres Ansprechen (CR + PR) von 48 vs. 36,8%. Die Toxizität war akzeptabel <strong>und</strong> bis<br />

auf die Hauttoxizität ( Grad-3/4 9,4%) im Cetuximab-Arm nicht erhöht.<br />

Ansprechraten % FOLFOX-4 + Cetuximab FOLFOX-4<br />

Alle<br />

45,6<br />

35,7<br />

(n=169)<br />

(n=168)<br />

ECOG 0-1<br />

49,0<br />

36,8<br />

(n=153)<br />

(n=152)<br />

n.s.<br />

p = 0,032<br />

OPUS-Studie unter Berücksichtigung des Kras-Status<br />

(Bokemeyer C. et al., ASCO 2008, Abstract 4000)<br />

Die OPUS-Studie wurde hinsichtlich des Einflusses des Kras-Mutationsstatus auf die Effektivität der Therapie<br />

retrospektiv analysiert. Insgesamt<br />

konnte bei 233 Patienten der KRas-<br />

Status erhoben werden. Bei 99<br />

Patienten, entsprechend 42%, fand<br />

sich eine Kras-Mutation.<br />

Ergebnisse:<br />

Bei Vorliegen eines Kras-Wildtyps<br />

konnte die Hinzunahme von<br />

Cetuximab zur FOLFOX-<br />

Chemotherapie die Ansprechrate von<br />

37% auf 61% signifikant verbessern.<br />

Ebenso kam es zu einer<br />

Verbesserung des progressionsfreien<br />

Überlebens (PFS). Bei Kras Mutation<br />

führte die Hinzunahme von<br />

Cetuximab sogar zu einer<br />

Verschlechterung des PFS.<br />

CAIRO-2-Studie (Punt et al., ASCO 2008, LBA4011)<br />

In dieser Studie wurde untersucht, ob durch die zusätzliche Gabe von Cetuximab (C) die Effektivität einer<br />

Erstlinien-Therapie mit Capecitabin, Oxaliplatin <strong>und</strong> Bevacizumab verbessert werden kann. Es wurden 305<br />

Patienten mit Kras-Wildtyp <strong>und</strong> 196 Patienten mit Kras-Mutation evaluiert.<br />

Ergebnis: Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS)<br />

<strong>und</strong> das Gesamtüberleben (OS) wurden durch die<br />

Hinzugabe von Cetuximab nicht verbessert. Bei Kras<br />

Mutation war das PFS beim „Doppeltargeting“, also nach<br />

Zugabe von Cetuximab, mit 8,6 versus 12,5 Monaten sogar<br />

schlechter als bei ausschließlicher Bevacizumabgabe. Auch<br />

das mediane Gesamtüberleben (OS) war unter Cetuximab<br />

mit 19,1 Monaten versus 24,9 Monaten deutlich schlechter.<br />

Fazit: Das Doppeltargeting EGFR – VEGF bringt keinen Benefit für Kras-Wildtyptumore. Die Resistenz bei<br />

Kras-Mutation kann durch die VEGF-Therapie nicht durchbrochen werden. Das Doppeltargeting führt zu einem<br />

negativen Effekt bei Kras-Mutation. Es gibt keinen negativen Einfluss des Kras-Status auf die Wirksamkeit der<br />

Anti-VEGF-Therapie.<br />

329


Cetuximab-Therapien<br />

Studienergebnisse<br />

CALGB 80203 – FOLFIRI vs. FOLFOX ± Cetuximab (Venook et al. ASCO 2006, Abstract 3509)<br />

Diese Studie war ursprünglich als Phase-III-Studie in der Erstlinientherapie des metastasierten KRK<br />

geplant, wurde aber nach 238 Patienten abgebrochen <strong>und</strong> neu geplant, nachdem Bevacizumab in der<br />

First-line-Therapie zugelassen war.<br />

Ergebnisse<br />

FOLFIRI FOLFIRI +<br />

Cetuximab<br />

FOLFOX FOLFOX +<br />

Cetuximab<br />

Response rate 36% 44% 40% 60%<br />

Die Responserate aller Patienten ohne Cetuximab (FOLFIRI + FOLFOX) betrug 38% versus 52% mit<br />

Cetuximab (p=0.029). Somit induzierte Cetuximab eine signifikante Steigerung der Responserate.<br />

Nach 16 Monaten Follow-up war die Beurteilung von PFS <strong>und</strong> OS noch nicht möglich.<br />

ACROBAT-Studie (Diaz-Rubio et al., ASCO 2005, Abstr. 3535)<br />

Internationale Phase-II-Studie zur first-line-Therapie mit Cetuximab + FOLFOX-4. 42 Patienten ohne<br />

Vortherapie mit primär nicht resektablem, EGFR-exprimierendem metastasiertem KRK.<br />

ACROBAT-Studie Patientenzahl (n) % der Patienten<br />

CR 4 10<br />

PR 30 71<br />

SD 7 17<br />

PD 1 2<br />

OR (PR + CR) 34 81<br />

PFS nach 12 Monaten 22 52<br />

Ergebnisse: Es zeigte sich eine sehr hohe Ansprechrate von über 80% sowie ein progressionsfreies<br />

Überleben von median 12,3 Monaten. Über die Hälfte der Patienten war nach einem Jahr noch<br />

progressionsfrei. 10 Patienten unterzogen sich einer Metastasenresektion, 9 konnten R0-reseziert<br />

werden.<br />

Cetuximab Monotherapie bei metastasiertem CRC (Lenz H.J. et al., ASCO 2005, Abstr. 3536)<br />

Eingeschlossen in die Studie wurden Patienten (n = 346), die als Vortherapie mindestens schon<br />

Fluoropyrimidin, Oxaliplatin <strong>und</strong> Irinotecan erhalten hatten. Die Patienten erhielten eine Monotherapie<br />

mit Cetuximab mit einer Initialdosis von 400 mg/m 2 <strong>und</strong> einer folgenden wöchentlichen Dosis von 250<br />

mg/m 2 bis zur Krankheitsprogression oder bis eine inakzeptable Toxizität auftrat.<br />

Anzahl der Vortherapien Anzahl der Patienten Ansprechrate %<br />

2 61 5<br />

3 89 12<br />

4 116 12<br />

5-9 80 15<br />

Ergebnisse<br />

Cetuximab zeigt auch bei stark vorbehandelten Patienten (auch nach Oxaliplatin-Versagen) ein<br />

konsistentes Ansprechen unabhängig von der Anzahl der Vortherapien.<br />

330


Cetuximab-Therapie<br />

Hautreaktion, <strong>Klinik</strong><br />

Die medikamentöse Blockade des EGFR-Rezeptors führt zu einer Beeinträchtigung der Hautzellerneuerung,<br />

indem die Apoptose <strong>und</strong> die Differenzierung gesteigert sowie die Proliferation verringert werden. Die Therapie<br />

mit Erbitux® löst eine zeitlich begrenzte Funktionsstörung der Haut bei 80% der behandelten Patienten auf,<br />

wobei eine Grad-3-Toxizität bei weniger als 10% vorkommt. Auch wenn die Hautveränderungen beherrschbar<br />

sind, führen sie doch zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität. Die Hautveränderungen sind<br />

dosisabhängig. Die antitumoröse Wirkung korreliert mit den Hautveränderungen. Nach Beendigung der Therapie<br />

normalisiert sich die Haut wieder. Lediglich bei schwersten Veränderungen können kleine Narben zurückbleiben.<br />

Vergleichbare Veränderungen werden auch bei EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren beobachtet.<br />

Akneiforme Hautveränderungen<br />

• Follikuläre Papeln <strong>und</strong> Pusteln in seborrhoischen Zonen wie Gesicht, Kopfhaut, Nacken, Stamm<br />

• Juckreiz, manchmal Schmerzen<br />

• Nach Abheilung der akuten Veränderungen hyperpigmentierte Makel auf erythematösem Gr<strong>und</strong>, selten<br />

• Atrophe Narben.<br />

• In schweren Fällen konfluierende schmerzhafte Ulzerationen<br />

Die Hautveränderungen laufen in drei Phasen ab <strong>und</strong> sollten stadiengerecht behandelt werden. Sie orientieren<br />

sich außerdem an der Lokalisation <strong>und</strong> der Ausdehnung des Bef<strong>und</strong>es (Empfehlungen nach<br />

PD Dr. med. Thomas Dirschka, Wuppertal).<br />

Akute exsudative akneiforme Phase (Pusteln)<br />

Beginn 1-2 Wochen nach Therapie<br />

Therapie: Austrocknen !<br />

• Gesicht<br />

Gele: z.B. Erydermec ® 2% Gel, Metrogel ® N2<br />

Zinkschüttelmixtur (Rp. Lotio alba aquosa ad 100,0)<br />

Ichtyolhaltige Mischpaste (Rp. Ichthyol 0,3 / Ungt molle /Pasta zinci mollis ad 30,0)<br />

• Kopfhaut: Alkoholische Lösungen z.B Stiemycine-Lösung<br />

• Körper: BPO (Panoxyl ® 5% Gel) Erydermc ® Gel<br />

Bei schwersten exsudativen Veränderungen Grad 3:<br />

Feuchte Kochsalzkompressen, Schwarzteekompressen, lokal-antibiotische Therapie z.B. mit Fucidine ®<br />

Creme. Gegebenenfalls antibiotische Systemtherapie z.B. mit Gyrasehemmer<br />

Übergangsphase (Pusteln beginnen einzutrocknen)<br />

Beginn: nach 2-3 Wochen<br />

Für alle Lokalisationen Lotiones<br />

• erythromycinhaltige Linola Emulsion.<br />

z.B. Rp. Erythromycin 0,3 /Linola ad 30,0 / anstatt Linola auch Basiscreme DAC oder Abtima face, die<br />

fetter sind<br />

z.B. Rp. Metronidazol 0,3 / Linola ad 30,0<br />

Xerotische Phase (Krusten lösen sich, trockene, empfindliche Haut)<br />

Klinische Merkmale<br />

Sehr trockene Haut auf gerötetem Gr<strong>und</strong>, ausgeprägtes Spannungsgefühl, gelegentlich exsudative<br />

Entzündung (Superinfektion), schmerzhafte Fissuren an Fingern <strong>und</strong> Zehen<br />

Therapie<br />

• Gesicht<br />

Cremes: z.B. Bepanthen W<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Heilsalbe 50,0 oder Rp. Ungt leniens 50,0<br />

• Kopfhaut<br />

Lotionen: z.B. Bepanthen Roche Lotio oder Asche Basislotio<br />

• Lichtschutz, Haut besonders sonnenempfindlich !<br />

z.B. Anthelios L 60 (Physikalische Faktoren) oder Daylong 50 (Chemische Faktoren)<br />

• Körper<br />

Harnstoffhaltige Lipolotio: z.B. Excipial U Lipolotio, Eucerin 10% Urea Lotio, Bepanthen Roche Lotio F<br />

• Allgemeine Maßnahmen: eher kühlere Räume, keine Sonne<br />

331


Cetuximab-Therapie<br />

Hautreaktion, Behandlung<br />

Systemtherapie<br />

Durch prophylaktische Antibiotikagabe, die bereits vor Erbitux-Therapie begonnen wird, können die akneiformen<br />

Hautveränderungen in ihrer Intensität um ca. 30% reduziert werden.<br />

Antientzündliche Antibiotika<br />

Tetrazyklin z.B. Tefilin ® 2x250 mg/die oder Minozyklin z.B. Skid ® 1-2x 50 mg/die<br />

Bei starkem Juckreiz können Antihistaminika verordnet werden.<br />

z.B Dimetinden (Fenistil ® 2x1/die) oder z.B. Promethazin (Atosil ® )<br />

Hautreinigung<br />

Waschen der betroffenen Gebiete nur mit lauwarmem Wasser. Handtücher auf jeder Seite nur einmal verwenden,<br />

Waschen der Handtücher bei mindestens 60 o C, um Infektionen zu vermeiden<br />

Akute exsudative Phase: z.B. Dermowas ® Reinigungskonzentrat<br />

Übergangsphase:<br />

Dove ® -Cremeseife<br />

Xerotische Phase:<br />

Duschöle (z.B. Eucerin Duschöl), Badeöle (Balmandol Ölbad)<br />

Weitere Manifestationen<br />

Finger: Rhagaden, Fissuren<br />

• Hände mit kaltem Wasser <strong>und</strong> mit Handwaschölen waschen, z.B. Eucerin-Handwaschöl ®<br />

• Schutzcreme tags, z.B. Excipial Protect ® , nachts Repaircreme, z.B. Excipial Repair ®<br />

• Abkleben der Fissuren mit Hydrokolloidpflaster, z.B. Varihesive extradünn<br />

Nägel: Paronychie<br />

• Auftreten oft erst nach mehrwöchiger Therapie<br />

• Vermeiden von engem Schuhwerk, besser offene Sandalen, Nägel nicht r<strong>und</strong>, sondern gerade abschneiden<br />

• Lauwarme Kernseifebäder<br />

• Ichthyol 20% unter Pflasterokklusion, alternativ Ilonabszess-Salbe<br />

• Fucidine ® Creme oder Fucidine ® Gaze<br />

Keine Therapie ist wirklich effektiv, meistens hilft nur die Nagelextraktion !!!<br />

Haarveränderungen<br />

Die Haare werden fein, brüchig, lockig <strong>und</strong> wachsen langsamer. Der Bartwuchs kann sich verlangsamen <strong>und</strong> es<br />

bilden sich Flaumhaare im Gesicht (Hypertrichose). Die Augebrauen können sich verlängern <strong>und</strong> leicht wellig<br />

wachsen.<br />

Weitere Probleme<br />

Nasal: Bepanthen Augen- <strong>und</strong> Nasensalbe<br />

Oral: Lauwarmer Kamillentee, Dynexangel<br />

Vaginal: Olivenöl, Ungt. Leniens, Linoladiol<br />

Beziehung zwischen Hautreaktion <strong>und</strong> Effektivität,<br />

BOND-Studie (Cunningham D. et al., NEJM 2004; 352 337-346)<br />

Cetuximab Kombination Monotherapie Das Auftreten eines akneartigen<br />

RR Survival RR Survival<br />

Exanthems scheint positiv korreliert<br />

mit der Effektivität der Behandlung<br />

Pat. ohne Hautreaktionen 6% 3,0 Mon. 0% 2,5 Mon.<br />

im Hinblick auf Remissionsraten <strong>und</strong><br />

Pat. mit Hautreaktionen 26% 9,1 Mon. 13% 8,1 Mon das mittlere Überleben. Die<br />

Patienten mit Hautreaktionen hatten höhere Remissionsraten <strong>und</strong> ein längeres medianes Überleben als die ohne<br />

Hautreaktionen.<br />

Everest-Studie (Tejpa S. et al. ASCO 2008, Abstract 4001)<br />

In dieser Studie, bei der Patienten Irinotecan <strong>und</strong> Cetuximab erhielten, wurde untersucht, ob eine Dosiseskalation von<br />

Cetuximab das Ansprechen erhöht. Retrospektiv wurden die Hauttoxizität <strong>und</strong> der Kras-Status evaluiert.<br />

Ergebnis: Eine höhere Hauttoxizität (≥ 2) korreliert mit einer größeren Effektivität der anti-EGFR-Therapie<br />

(positiver Prädiktor). Die Hauttoxizität <strong>und</strong> der Kras-Status sind aber unabhängige Prädiktoren des<br />

Therapieansprechens. Patienten mit Kras mutiertem Tumor können unter Cetuximab eine deutliche Hautreaktion<br />

entwickeln, aber aufgr<strong>und</strong> des mutierten Kras im Tumor trotzdem nicht von der Therapie profitieren.<br />

332


Panitumumab<br />

Studienergebnisse<br />

Panitumumab (Hecht et al. ASCO 2006, Abstract 3547 <strong>und</strong> Berlin et al.,ASCO 2006, Abstract 3548)<br />

Pamitumumab ist ein vollhumanisierter EGFR-1-Antikörper. Er wurde nach Progression unter Irinotecan- <strong>und</strong><br />

Oxaliplatin-Regimen eingesetzt <strong>und</strong> zeigte als Monotherapie in der Dritt- oder Viertlinien-Therapie in einer<br />

Phase-II-Studie eine moderate aber klinisch relevante Aktivität. Dosierung: 6 mg/kg q2 wks. Es fand sich keine<br />

Korrelation des Ansprechens mit der EGFR-Expression.<br />

n ORR (%) SD (%) PFS (Wochen)<br />

≥ 10 EGFR 39 8 21 7,6<br />

1-9% EGFR 12 8 25<br />


CIOX-Studie CRC-02-2004<br />

Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Studientitel<br />

Randomisierte offene multizentrische Phase-II-Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit <strong>und</strong> Sicherheit von<br />

Capecitabin plus Irinotecan plus Cetuximab im Vergleich zu Capecitabin plus Oxaliplatin plus Cetuximab als<br />

Erstlinienbehandlung von Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom.<br />

Studienziel<br />

Primäres Studienziel sind die Ansprechraten (komplette oder partielle Remission (CR/PR) nach RECIST als<br />

bestes Ansprechen (BOR)). Sek<strong>und</strong>äre Ziele sind Zeit bis zur Progression (TTP), Stabilisierungsraten (CR/PR<br />

oder Stabilisierung (SD) nach RECIST als BOR), Verträglichkeit <strong>und</strong> Anteile der Patienten mit<br />

Grad-3/4-Toxizität (nach NCI-CTC, s. Blatt „Common Toxicity Criteria“).<br />

Studienleitung<br />

PD Dr. med. V. Heinemann/ Prof. Dr. med. A. Schalhorn<br />

Medizinische <strong>Klinik</strong> III, <strong>Klinik</strong>um Großhadern, Marchioninistraße 15, 81377 München<br />

Tel.: 089-7095-0/-2208, Fax: 089-7095-5256<br />

Studiendesign<br />

R<br />

CapIri + Cetuximab (Arm A)<br />

CapOx + Cetuximab (Arm B)<br />

Einschlusskriterien<br />

unterzeichnete, schriftliche Einverständniserklärung zur Teilnahme nach erfolgter Aufklärung<br />

histologisch nachgewiesenes, metastasiertes kolorektales Karzinom<br />

Messung der EGFR-Expression (Ergebnis der Analyse muss bei Randomisation nicht vorliegen)<br />

keine vorherige Chemotherapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms<br />

keine Chemotherapie des kolorektalen Karzinoms in den 6 Monaten vor Studienbeginn<br />

keine vorherige Therapie mit Topoisomerase-1-Inhibitoren<br />

keine vorherige den EGF (epidermal growth factor) betreffende Therapie mit monoklonalen Ak, Inhibitoren<br />

der Signalübertragung oder mit anderen auf den EGF abzielenden Therapien<br />

keine chir. Eingriffe (außer diagnostische Biopsien) oder Bestrahlungen in den 4 Wochen vor Studienbeginn<br />

<strong>und</strong> keine bereits beim Screening geplanten chir. Eingriffe oder Bestrahlungen<br />

Vorliegen von mindestens einer messbaren Läsion nach RECIST (längster Durchmesser mindestens 20 mm<br />

(10 mm beim Spiral-CT), Läsion nicht in einem bereits bestrahlten Gebiet)<br />

Ausschlusskriterien<br />

Messung der EGFR-Expression nicht möglich<br />

andere gleichzeitige Behandlung des kolorektalen Karzinoms (außer mit Studienmedikation)<br />

Niereninsuffizienz (Krea-Clearance < 30 ml/min)<br />

bekannter DPD-Mangel, Z.n. Myokardinfarkt, bekanntes Gilbert-Meulengracht-Syndrom<br />

Kontraindikation oder bekannte oder vermutete Unverträglichkeit gegen eine Studienmedikation<br />

bekannte oder vermutete Hirnmetastasen, symptomatische Peritonealkarzinose<br />

chronisch entzündliche Darmerkrankung, akuter oder subakuter Darmverschluss<br />

bekannter Alkohol- oder Drogenmissbrauch<br />

andere Begleiterkrankungen, die eine Teilnahme an der Studie nach Ansicht des Prüfarztes nicht erlauben<br />

Vorläufige Ergebnisse siehe Folgeseite<br />

334


CIOX-Studie CRC-02-2004<br />

Durchführung<br />

Therapiedurchführung<br />

Die Behandlung wird fortgeführt, bis Progression (PD) festgestellt wird, nicht-akzeptable Toxizität beobachtet wird,<br />

bestätigte CR erzielt wird, der Patient den Therapieabbruch wünscht oder es nach Ansicht des Prüfarztes im besten<br />

Interesse des Patienten ist, die Behandlung zu beenden.<br />

XELIRI + Cetuximab (Arm A, ≤ 65 Jahre)<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Capecitabin 1600 p.o. 1 – 14<br />

Cetuximab-Erstgabe 400 2-Std.-Infusion 1<br />

Cetuximab 250 1-Std.-Infusion (1), 8, 15<br />

Irinotecan 200 30-Min.-Infusion 1<br />

Wiederholung Tag 22<br />

XELIRI + Cetuximab (Arm A, > 65 Jahre)<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Capecitabin 1280 p.o. 1 – 14<br />

Cetuximab-Erstgabe 400 2-Std.-Infusion 1<br />

Cetuximab 250 1-Std.-Infusion (1), 8, 15<br />

Irinotecan 160 30-Min.-Infusion 1<br />

Wiederholung Tag 22<br />

XELOX + Cetuximab (Arm B)<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Capecitabin 2000 p.o. 1 – 14<br />

Cetuximab-Erstgabe 400 2-Std.-Infusion 1<br />

Cetuximab 250 1-Std.-Infusion (1), 8, 15<br />

Oxaliplatin 130 2-Std.-Infusion 1<br />

Wiederholung Tag 22<br />

Vorläufige Ergebnisse (Heinemann, V. et al., ESMO 2006)<br />

Caplri +<br />

Cetuximab<br />

(n=33)<br />

n (%)<br />

CapOx +<br />

Cetuximab<br />

(n=29)<br />

n (%)<br />

Komplette Remission (CR) 2 (6,1) 2 (6,9)<br />

Partielle Remission (PR) 12 (36,4) 17 (58,6)<br />

Stable disease (SD) 16 (48,5) 8 (27,6)<br />

Progression 3 (9,1) 2 (6,9)<br />

CR + PR 14 (42,4) 19 (65,5)<br />

CR + PR + SD 24 (90,9) 27 (93,1 )<br />

Bei den bisher evaluierbaren Patienten<br />

lagen die Ansprechraten (CR+PR) im<br />

Irinotecan-haltigen Arm (CapIri +<br />

Cetuximab = CCI)) bei 42,4%, im<br />

Oxaliplatin-haltigen Arm (CapOx +<br />

Cetuximab = CCO) bei 65,5%. Die<br />

Krankheitsstabilisierungsraten (CR+<br />

PR+ SD) waren in beiden Armen<br />

vergleichbar hoch mit 90,9% im CCI-<br />

Arm <strong>und</strong> 93,1% im CCO-Arm.<br />

Update ASCO 2008, Abstract 4033 (Heinemann et al.)<br />

142 Patienten (XELIRI-C vs. XELOX-C: 74 vs. 68) wurden evaluiert. Die Gesamtansprechrate (ORR) betrug<br />

52,7% vs. 61,8% <strong>und</strong> die Krankheitskontrollrate (CR + PR + SD) lag immerhin bei 83,4% bzw. 97,1%. Das<br />

mediane progressionsfreie Überleben betrug 8,4 vs. 9,2 Monate. Das mediane Gesamtüberleben ist noch nicht<br />

erreicht. Die häufigsten Grad-3/4-Toxizitäten bestanden in Diarrhoe (16,3% vs. 20%) <strong>und</strong> Hautexanthem (12,8<br />

vs. 18,8%).<br />

Fazit: Beide Regime sind wirksam <strong>und</strong> tolerabel als Erstlinientherapie beim metastasierten KRK:<br />

335


Therapiesequenzen<br />

FOCUS-, CAIRO-Studie<br />

Bei Patienten mit asymptomatischer, nicht bedrohlicher Metastasierung in gutem Allgemeinzustand,<br />

die keine Kandidaten für eine sek<strong>und</strong>äre Resektion sind (z. B. aufgr<strong>und</strong> von Knochenmetastasen), ist<br />

ein sequentieller Therapieansatz berechtigt, wie unten angeführte große Studien gezeigt haben.<br />

FOCUS-Studie (Seymour M.T. et al., ASCO 2005, A3518)<br />

Die mit 2135 eingeschlossenen Patienten größte Studie beim metastasierten KRK prüft, ob eine<br />

primäre Kombinationstherapie erfolgen muss oder ob ein sequentieller Einsatz von Oxaliplatin- bzw.<br />

Irinotecan-FU-Kombinationen erst nach 5-FU-Versagen möglich ist. (m = modifiziertes Schema)<br />

First-Line Second-Line Third-Line<br />

Sequentiell<br />

Inf. 5-FU/FA Irinotecan CapOX<br />

Inf. 5-FU/FA + Irinotecan (mFOLFIRI) CapOX<br />

Inf. 5-FU/FA + Oxaliplatin (mFOLFOX) CapIRI<br />

Primäre Kombinationstherapie<br />

mFOLFIRI → CapOX<br />

mFOLFOX → CapIRI<br />

Ergebnisse: Ein leicht erhöhtes, statistisch nicht signifikantes Gesamtüberleben zeigte sich unter der<br />

Kombinationschemotherapie, entweder als first- oder als second-line-Therapie gegeben. Eine First-line-<br />

Kombinationschemotherapie verbesserte das Gesamtüberleben jedoch nicht im Vergleich dazu, wenn dieselbe<br />

Kombinationstherapie erst als second-line-Therapie gegeben wurde.<br />

Fazit: Der Vorteil einer intensivierten Primärtherapie setzt sich nicht in einem verbesserten Überleben fort.<br />

Keine Irinotecan-Monotherapie.<br />

CAIRO-Studie (Punt C.J. et al., ASCO 2007, A:4012)<br />

Die niederländische Phase-III-Studie untersuchte die Effektivität <strong>und</strong> Toxizität einer sequentielle<br />

Therapie (beginnend mit Capecitabine) versus einer Kombinations-Chemotherapie (beginnend mit<br />

Capecitabine/Irinotecan) unter Verwendung aller verfügbaren zytotoxischen Substanzen (außer von<br />

Antikörpern).<br />

Ergebnisse: In der First-line gab es signifikante Differenzen in der Grad-3/4-Toxizität für die<br />

Diarrhoe (10% vs. 25%), die febrile Neutropenie (1% vs. 6%) <strong>und</strong> das Hand-Fuß-Syndrom (12% vs.<br />

5%). Die Toxizität für CAPIRI war akzeptabel. Die Kombinationstherapie resultierte nicht in einem<br />

Benefit im Overall Survival im Vergleich zu der sequentiellen Therapie (OS 17,4 vs. 16,3 Monate).<br />

Medianes OS<br />

336


Metastasierte <strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Therapiepause, OPTIMOX 1- <strong>und</strong> OPTIMOX 2-Studie<br />

OPTIMOX 1 (Tournigand C. et al. J Clin Oncol 2006,24: 394-400)<br />

Um das Problem der kumulativen Oxaliplatin-Toxizität zu<br />

umgehen, wurde in dieser Studie erstmals eine STOP and GO-<br />

Strategie für oxaliplatinhaltige Kombinationstherapien<br />

untersucht. Die Standardbehandlung war das FOLFOX4-Regime<br />

(A) mit Behandlung bis zur Progression. Das Kontrollregime<br />

bestand in dem FOLFOX7-Protokoll (B), bei dem nach 6 Zyklen<br />

(12 Wochen) eine Oxaliplatinpause eingelegt wurde, während ein<br />

infusionales 5-FU/Folinsäure-Schema (C) fortgesetzt wurde. Bei nachgewiesenem Progress sollte eine<br />

Wiederaufnahme (Reinduktion) des kompletten FOLFOX7-Regimes für erneut 6 Zyklen erfolgen.<br />

Ergebnisse: 620 Patienten wurden eingeschlossen. Das mediane pogressionsfreie Überleben (PFS) war in Arm A 9,0<br />

vs. 8,7 Monate im Arm B. Das Gesamtüberleben (OS) unterschied sich ebenfalls nicht signifikant mit 19,3 vs. 21,2<br />

Monaten. Eine Grad-3 Neuro-toxizität<br />

wurde bei 17,9% vs. 13,3% der Patienten<br />

im Arm B beobachtet (p = 0,12). Im Arm<br />

B wurde Oxaliplatin nur bei 40% der<br />

Patienten reinduziert. Bei der Mehrzahl<br />

dieser Patienten (69,4%) wurde jedoch<br />

dadurch eine Response oder Stabilisierung<br />

erreicht. Fazit: Die Effektivität beider<br />

Arme war vergleichbar bei niedrigerer<br />

Neurotoxizität. Es kann nach 3-monatiger<br />

Therapie eine Oxaliplatinpause unter<br />

Beibehaltung der 5-FU-haltigen Therapie<br />

eingelegt werden.<br />

OPTIMOX2-Studie (Maindrault-Goebel F. et al.,ASCO 2006, Abstract 3504 <strong>und</strong> ASCO 2007, Abstract 4013)<br />

OPTIMOX 2 Studiendesign<br />

In dieser Studie wurde die<br />

Frage nach einer kompletten<br />

Therapiepause bei einer<br />

oxaliplatinhaltigen Chemotherapie<br />

untersucht. Diese<br />

Studie wurde zunächst als<br />

Phase-III-Studie geplant <strong>und</strong><br />

nach der Bevacizumab-<br />

Zulassung auf einem Phase-<br />

II-Level durchgeführt. Das<br />

primäre Studienziel war die Dauer der Krankheitskontrolle (DDC=duration of disease control). Dieser neue<br />

Studienendpunkt setzt sich zusammen aus dem progressionsfreien Überleben (PFS 1), ergänzt um das PFS nach<br />

erneuter FOLFOX-Reinduktion (PFS 2).<br />

DDC<br />

Ergebnisse: 202 nicht<br />

vorbehandelte Pat. wurden<br />

auf zwei Arme randomisiert:<br />

Pat. im Kontrollarm erhielten<br />

FOLFOX7<br />

als<br />

Induktionstherapie gefolgt<br />

Δ 7 Monate !<br />

von 5-FU/LV als<br />

Erhaltungstherapie bis zur<br />

Baseline-Progression <strong>und</strong><br />

erneuter Reinduktion bei<br />

Progress analog zum OPTIMOX1-Arm. Im experimentellen Arm wurde die Chemotherapie nach 6 Zyklen FOLFOX7<br />

komplett gestoppt <strong>und</strong> erst wieder aufgenommen, wenn der Tumor fast die Ausgangsdimension erreicht hatte.<br />

Ergebnisse: Das progressionsfreie Überleben war mit 8,7 Monaten im OPTIMOX1-Arm signifikant länger als beim<br />

kompletten Stop (OPTIMOX2) mit 6,9 Monaten. Allerdings war die Dauer der Tumorkontrolle (DDC) mit 12,9 versus 11,7<br />

Monaten nicht signifikant unterschiedlich. Die mittlere Dauer des chemotherapiefreien Intervalls im OPTIMOX2-Arm<br />

betrug 4,6 Monate. Die aktuellen Überlebensdaten zeigen jetzt jedoch einen deutlichen Unterschied von 7 Monaten (26<br />

versus 19 Monate) zugunsten des OPTIMOX1 Armes.<br />

Fazit: Damit zeigt die Studie, dass für oxaliplatinhaltige Therapieprotokolle eine komplette Therapiepause aller Substanzen<br />

nicht empfehlenswert ist.<br />

DDC<br />

PFS<br />

Overall survival<br />

337


Metastasierte <strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />

Therapiepause, FOLFIRI<br />

OPTIMOX1/2 Studie. Beste Zeit für Therapie-Stop <br />

(Perez-Staub N. et al., ASCO 2008, Abstr. 4037)<br />

Alle Patienten in den beiden OPTIMOX-Studien wurden im Hinblick auf die Dauer der Chemotherapie bis zum<br />

Chemotherapiefreien Intervall (CFI) untersucht. 184 Patienten waren evaluierbar. Das mediane Overall Survival (OS)<br />

betrug bei 90 Patienten, die die Chemotherapie nach 6 Monaten Behandlung <strong>und</strong> weniger unterbrochen hatten, 24,6<br />

Monate gegenüber einem OS von 39,8 Monaten bei 94 Patienten, die die Behandlung erst nach 6 Monaten gestoppt<br />

hatten. Die durchschnittliche Dauer des chemotherapiefreien Intervalls betrug 6 Monate. Es gab keine Korrelation<br />

zwischen der Dauer der<br />

Was ist die optimale Chemotherapiedauer vor einem chemotherapiefreien Intervall (CFI) > 3 Monate <br />

Optimale Dauer vor CFI ≥ 6 Monate<br />

Monate.<br />

Chemotherapie <strong>und</strong> der<br />

Dauer<br />

des<br />

Chemotherapiefreien<br />

Intervalls. Ein längeres<br />

Chemotherapiefreies<br />

Intervall (> 6 Monate)<br />

war ein prädiktiver<br />

Faktor für ein<br />

verlängertes Überleben.<br />

Fazit: Die optimale<br />

Dauer<br />

einer<br />

Chemotherapie vor<br />

einem komplett<br />

chemotherapiefreien<br />

Intervall beträgt 6<br />

CONcePT-Studie (Grothey A. et al., ASCO 2008 Abstr. 4010)<br />

Diese Studie untersuchte zum einen, ob Patienten von einer diskontinuierlichen Oxalipatingabe bei einer<br />

Kombinationstherapie aus Oxaliplatin/5-FU/Bevacizumab profitieren <strong>und</strong> ob eine zusätzliche Gabe von<br />

Calcium/Magnesium-Infusionen die Polyneuropathie günstig beeinflussen kann. Die intermittierende Oxaliplatingabe<br />

erfolgte wie in der OPTIMOX 1-Studie. 5-FU/Bevacizumab wurde<br />

als eine Art Erhaltungstherapie weitergegeben. Die Studie wurde<br />

vorzeitig beendet, nachdem eine Interimsanalyse einen ungünstigen<br />

Effekt der Ca/Mg-Infusion auf die Effektivität vermuten liess.<br />

Ergebnisse: Das progressionsfreie Überleben (PFS) betrug bei der<br />

kontinuierlichen Gabe 7,3 Monate versus 12,0 Monate bei der<br />

intermittierenden Gabe von Oxaliplatin. Auch die Zeit bis zum<br />

Therapieversagen (TTF) wurde durch die intermittierende Gabe<br />

signifikant verlängert. Die kontinuierliche Oxaliplatingabe führte<br />

häufig zu einem vorzeitigen Studienabbruch. Eine Beeinträchtigung<br />

der Wirksamkeit der Therapie durch die Ca/Mg-Gabe zeigte sich in<br />

der Endanalyse nicht. Es ergab sich ein Trend für die Neuroprotektion<br />

durch die Ca/Mg-Behandlung.<br />

Fazit: Die intermiteriende Oxaliplatingabe ergibt gegenüber der kontinuierliche Gabe nicht nur ein günstigeres<br />

Toxizitätsprofil mit weniger Neuropathie als Abbruchgr<strong>und</strong>, sondern führt auch zu einer längeren Zeit bis zum<br />

Therapieversagen <strong>und</strong> zu einem längeren progressionsfreien Intervall.<br />

FOLFIRI intermittierend vs. kontinuierlich – GISCAD-Studie<br />

(Labianca R. et al. ASCO 2006, Abstract 3505)<br />

Die italienische GISCAD-Arbeitsgruppe untersuchte die<br />

alternierende Therapie mit FOLFIRI: 2 Monate Therapie, 2 Monate Pause, dann wieder 2 Monate Therapie usw. im<br />

Vergleich zu einer kontinuierlichen Gabe von FOLFIRI bis zur Progression.<br />

Ergebnisse: Das progressionsfreie Überleben sowie das Overall Survival unterschieden sich bei den insgesamt 336<br />

Progressionsfreies Überleben<br />

kontinuierlich<br />

intermittierend<br />

Gesamtüberleben<br />

kontinuierlich<br />

intermittierend<br />

7,3 Monate<br />

8,8 Monate n.s<br />

17,6 Monate<br />

16,9 Monate n.s.<br />

Patienten nicht signifikant. Da Irinotecan wenig Probleme mit<br />

der kumulativen Toxizität besitzt, war auch die Toxizität in<br />

beiden Armen vergleichbar. Mit einem alternierenden Schema<br />

kann die gleiche Effektivität erreicht werden wie mit einer<br />

kontinuierlichen Therapie mit dem Vorteil einer<br />

chemotherapiefreien Zeit für den Patienten.<br />

338


AIO-Studie KRK 0504<br />

Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Studientitel<br />

Zweitlinientherapie AIO-IRI / FOLFIRI / CAPIRI / XELIRI +/-Bevacizumab bzw. FUFOX / FOLFOX / CAPOX /<br />

XELOX +/-Bevacizumab bei Patienten mit metastasiertem kolorektalen Karzinom nach Progress unter<br />

Erstlinientherapie mit Fluoropyrimidin/Oxaliplatin-Bevacizumab bzw. Fluoropyrimidin/Irinotecan-Bevacizumab.<br />

Prospektiv randomisierte, multizentrische Phase-III-Studie.<br />

Studienziel<br />

Primäres Studienziel ist der Vergleich der progressionsfreien Zeiten einer Zweitlinientherapie mit einer<br />

Zweitlinientherapie unter zusätzlicher Anwendung des Anti-VEGF-Antikörpers Bevacizumab. Sek<strong>und</strong>äre Ziele sind<br />

Gesamtüberlebenszeiten, Remissionsraten <strong>und</strong> Dokumentation der Toxizitäten.<br />

Studienleitung<br />

PD Dr. med. S. Kubicka<br />

Medizinische Hochschule Hannover, Zentrum Innere Medizin, Abteilung für Gastroenterologie <strong>und</strong> Hepatologie<br />

Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover<br />

Studienkoordination<br />

Dr. med. Christina Englisch-Fritz<br />

<strong>Klinik</strong>um Bremen Ost, <strong>Klinik</strong> für Innere Medizin<br />

Züricher Strasse 40, 28325 Bremen<br />

Tel.: 0421/ 408-0/ -2534, Fax: 0421/ 408-2235<br />

Studiendesign<br />

Randomisation<br />

GSO mbH<br />

Heilwigstr. 30, 20249 Hamburg,<br />

Tel: 040-44195460, Fax: 040-44195478<br />

Stratifizierung<br />

Um eine Gleichverteilung von prognostischen Faktoren in beiden Studienarmen zu erzielen, werden die Patienten<br />

stratifiziert nach (Köhne et al., 2000): ECOG PS, Anzahl der Metastasen, Leukozyten, alkalischer Phosphatase.<br />

Einschlusskriterien<br />

Wie AIO-Studie KRK 0604. Zusätzlich:<br />

Dokumentierter Tumorprogress unter Erstlinientherapie aus entweder Fluoropyrimidin/Oxaliplatin-Bevacizumab<br />

(Stratum A) oder Fluoropyrimidin/Irinotecan-Bevacizumab (Stratum B)<br />

Die Progression darf höchstens 3 Monate nach der letzten Verabreichung von Bevacizumab erfolgt sein.<br />

Patienten, die aus Toxizitätsgründen in der Vortherapie nicht mehr alle Therapiepartner erhalten haben, müssen<br />

bis vor maximal 3 Monaten Bevacizumab erhalten haben.<br />

Ausschlusskriterien<br />

Wie AIO-Studie KRK 0604. Zusätzlich:<br />

Vorangegangene systemische Immun- oder Chemotherapie entfällt<br />

Dokumentierter Tumorprogress während einer Therapiepause länger als 3 Monate nach der Beendigung der<br />

Erstlinientherapie. Hier sollte primär eine Reinduktion der Erstlinientherapie erwogen werden. Ein Einschluss in<br />

diese Studie kann dann nach Progression unter dieser Reinduktionstherapie erfolgen.<br />

339


AIO-Studie KRK 0504<br />

Therapie I<br />

Therapiedurchführung<br />

Die Behandlung wird durchgeführt bis Tumorprogress, Auftreten eines Zweittumors, nicht akzeptable Toxizität<br />

trotz entsprechender Dosisreduktion, Verschlechterung des Allgemeinzustandes nach ECOG > 2, Wunsch des<br />

Patienten nach Therapieende oder Resektion oder Ablation der Referenzläsion.<br />

CAPIRI (Arme A1 + A2)<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Capecitabin 2000 p.o. 1 – 14, 22 - 35<br />

Irinotecan 80 90-Min.-Infusion 1, 8, 22, 29<br />

Wiederholung Tag 43<br />

XELIRI (Arme A1 + A2)<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Capecitabin 1600 p.o. 1 – 14, 22 - 35<br />

Irinotecan 200 90-Min.-Infusion 1, 22<br />

Wiederholung Tag 43<br />

AIO-IRI (Arme A1 + A2)<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Irinotecan 80 2-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22, 29, 36<br />

Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22, 29, 36<br />

5-FU 2000 24-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22, 29, 36<br />

Wiederholung Tag 50<br />

FOLFIRI (Arme A1 + A2)<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Irinotecan 180 2-Std.-Infusion 1, 15<br />

Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2, 15, 16<br />

5-FU 400 Bolus 1, 2, 15, 16<br />

5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2, 15, 16<br />

Wiederholung Tag 29<br />

Simplified FOLFIRI (Arme A1 + A2)<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Irinotecan 180 2-Std.-Infusion 1, 15<br />

Folinsäure 400 2-Std.-Infusion 1, 15<br />

5-FU 400 Bolus 1, 15<br />

5-FU 2400 46-Std.-Infusion 1, 15<br />

Wiederholung Tag 29 Tournigand et al. 2004<br />

CAPOX (Arme B1 + B2)<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Capecitabin 2000 p.o. 1 – 14, 22 - 35<br />

Oxaliplatin 70 2-Std.-Infusion 1, 8, 22, 29<br />

Wiederholung Tag 43<br />

340


AIO-Studie KRK 0504<br />

Therapie II<br />

XELOX (Arme B1 + B2)<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Capecitabin 2000 p.o. 1 – 14, 22 – 35<br />

Oxaliplatin 130 2-Std.-Infusion 1, 22<br />

Wiederholung Tag 43<br />

FUFOX (Arme B1 + B2)<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Oxaliplatin 50 2-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22<br />

Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22<br />

5-FU 2000 22-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22<br />

Wiederholung Tag 36<br />

FOLFOX6 (Arme B1 + B2)<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Oxaliplatin 100 2-Std.-Infusion 1, 15<br />

Folinsäure 400 2-Std.-Infusion 1, 15<br />

5-FU 400 Bolus 1, 15<br />

5-FU 2400 46-Std.-Infusion 1, 15<br />

Wiederholung Tag 29<br />

FOLFOX4 (Arme B1 + B2)<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion 1, 15<br />

Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2, 15, 16<br />

5-FU 400 Bolus 1, 2, 15, 16<br />

5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2, 15, 16<br />

Wiederholung Tag 29<br />

Zusätzlich zu den aufgeführten Therapieprotokollen wird in den Armen A1 <strong>und</strong> B1 Bevacizumab<br />

gegeben:<br />

Bevacizumab (Arme A1 + B1)<br />

Substanz Dosis Applikationsform Therapietage<br />

Bevacizumab 5 mg/kg 30-90-Min.-Infusion 1, 15 Whg. Tag 29<br />

oder<br />

Bevacizumab 7,5 mg/kg 30-90-Min.-Infusion 1, 22 Whg. Tag 43<br />

Kontrolluntersuchungen/ Toxizitäten<br />

Die Kontrolluntersuchungen <strong>und</strong> Dosismodifikationen entsprechen denen der AIO-Studie KRK 0604. Davon<br />

abweichend ist bei CR/PR der Referenzläsion eine Bestätigung der Response mittels Bildgebung nach 4<br />

Wochen erforderlich.<br />

341


Lebermetastasen<br />

Therapiestrategie<br />

Eine primäre operative Entfernung von Lebermetastasen beim kolorektalen Karzinom ist nur bei 10-25% der<br />

Patienten möglich. Dabei stellt die R0-Resektion der Metastasen die einzige kurative Chance dar. Infolge der<br />

inzwischen sehr hohen Ansprechraten auf eine Chemotherapie durch Einführung neuer Substanzen wird<br />

häufiger jedoch eine sek<strong>und</strong>äre Metastasenresektion möglich. Der früher rein palliative Charakter einer<br />

Chemotherapie wandelt sich zu einem wesentlichen Faktor in einem multidisziplinären, potentiell kurativen<br />

Konzept. In neueren Serien liegt das 5-Jahres-Überleben nach Resektion von Lebermetastasen bei bis zu 40%.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich muss bei jedem Patienten mit metastasiertem KRK die Frage gestellt werden, ob die Metastasen<br />

primär resektabel sind <strong>und</strong> wenn nicht, ob bei guter Remission eventuell eine sek<strong>und</strong>äre Metastasenresektion<br />

möglich werden kann. Voraussetzung ist die allgemeine Operabilität des Patienten. Die Patienten müssen immer<br />

primär in einer multidisziplinären Tumorkonferenz vorgestellt werden. Auf keinen Fall darf eine mögliche<br />

kurative Option außer acht gelassen werden.<br />

Therapiestrategie<br />

KRK mit Lebermetastasen, primär resektabel oder potentiell sek<strong>und</strong>är resektabel<br />

R0-resektabel +<br />

FONG-Score ≤2<br />

Nur potentiell R0-resektabel oder<br />

FONG-Score ≥3 od. nicht R0-resektabel<br />

Neoadjuvante Chemotherapie mit möglichst<br />

effektiver Kombination<br />

Primäre Resektion<br />

Sek<strong>und</strong>äre Resektion wenn R0 möglich *<br />

R0<br />

R1/R2<br />

R0<br />

R1/R2<br />

Adjuvante Chemotherapie<br />

(FOLFOX 6 Monate)<br />

Additive/Palliative<br />

Chemotherapie*<br />

Adjuvante Chemotherapie wie präop.<br />

für 3 Monate od. Beobachtung<br />

Additive /Palliative<br />

Chemotherapie<br />

* PET-CT zum Ausschluss<br />

weiterer Manifestationen v.a. extrahepatisch<br />

Lebermetastasen R0-resektabel<br />

Bei Patienten mit R0-resektablen Lebermetastasen soll eine Bewertung des Risiko-Scores (z.B. Fong-Score<br />

siehe folgende Seiten) erfolgen. Bei Fong-Score ≤ 2 kann eine primäre Metastasenresektion erfolgen.<br />

Die Daten der EORTC 40983-Studie, die die Wertigkeit einer neoadjuvanten Chemotherapie bei resektablen<br />

Lebermetastasen untersuchte, ergaben zwar eine Verbesserung des 3-Jahres-krankheitsfreien Überlebens für die<br />

neoadjuvante Therapie um 7,2%. Der Unterschied zu der Gruppe ohne neoadjuvante Therapie war aber<br />

statistisch nicht signifikant. So bleibt die primäre Operation bei niedrigem präoperativem Prognosescore eine<br />

gute Option.<br />

Adjuvante Chemotherapie nach primärer Metastasenresektion<br />

Für die postoperative Therapie nach primärer Lebermetastasenresektion <strong>und</strong> R0-Situation ist kein Standard<br />

definiert, die Datenlage ist limitiert.<br />

Eine aktuelle Studie von Portier (siehe folgende Seiten) erbrachte eine Verbesserung des 5-Jahres-DFS um 7%<br />

durch eine adjuvante 5-FU/Folinsäure-Therapie. Aufgr<strong>und</strong> dieser Daten <strong>und</strong> da keine weitere Studie zu dieser<br />

Fragestellung (adjuvante gegen keine Therapie) zu erwarten ist, sollte die Indikation für eine adjuvante<br />

Chemotherapie analog dem Stadium III des Kolonkarzinoms (FOLFOX) großzügig gestellt werden.<br />

Die NCCN-Guidelines empfehlen mit Hinweis auf die limierte Datenlage nach kompletter Resektion von<br />

Lebermetastasen eine 4-6-monatige adjuvante Chemotherapie.<br />

S3-Leitlinie 2008: Nach R0-Resektion synchroner oder metachroner Lebermetastasen kann eine adjuvante<br />

Chemotherapie erwogen werden.<br />

342


Lebermetastasen<br />

Therapiestrategie II<br />

Lebermetastasen potentiell R0-resektabel, aber schlechter Fong-Score ≥ 3<br />

• Bei möglicher R0-Resektabilität, aber ungünstigem präoperativen Prognosescore sowie nur potentieller<br />

Resektabilität ist eine neoadjuvante Chemotherapie indiziert.<br />

• Die präoperative Chemotherapie soll nur über einen begrenzten Zeitraum erfolgen, um die Toxizität auf das<br />

ges<strong>und</strong>e Lebergewebe zu verringern. Empfohlen werden 3 Monaten Chemotherapie. Bei einer längeren Dauer nimmt<br />

die perioperative Morbidität stark zu. Die Hepatotoxizität des entsprechenden Chemotherapieprotokolls sowie eine<br />

eventuell bestehende Vorschädigung der Leber muss in die therapeutische Entscheidung <strong>und</strong> die OP-Planung mit<br />

einbezogen werden.<br />

• Bei sicherer R0-Resektabilität <strong>und</strong> eher geringem Risikoprofil kann die Chemotherapie mit<br />

- FOLFOX4 6 Zyklen (12 Wochen) präoperativ analog der EORTC-Studie erfolgen.<br />

Alternative Chemotherapieprotokolle sind, besonders bei nur potentieller Resektabilität <strong>und</strong> hohem Risikoprofil:<br />

- FOLFOX oder FOLFIRI + Cetuximab (bei KRAS-Wildtyp)<br />

- FOLFOX/XELOX oder FOLFIRI/XELIRI + Bevacizumab bei KRAS-Mutation <strong>und</strong> KRAS-Wildtyp<br />

- FOLFOXIRI (FOLFIRI + Oxaliplatin, Falcone A. ASCO 2007, #4026)<br />

• Der Effekt der Chemotherapie soll spätestens nach 2-3 Monaten Therapie evaluiert werden. Die Metastasen sollen<br />

vor ihrem Verschwinden reseziert werden, damit der Chirurg sie noch identifizieren kann.<br />

• Präoperativ sollte bei einem FONG-Score ≥3 ein FDG-PET insbesondere zum Ausschluss extrahepatischer<br />

Metastasen durchgeführt werden, da sich bei ca. 25% der Patienten durch das PET die Strategie ändert. Ein<br />

introperativer Ultraschall (IOUS) soll außerdem durchgeführt werden, da sich PET <strong>und</strong> IOUS in ihrer Sensitivität<br />

ergänzen.<br />

• Ist die Lebermetastasenresektion nach neoadjuvanter Chemotherapie erfolgt, kann eine Fortsetzung der gleichen<br />

Chemotherapie für 3 Monate postoperativ oder eine Beobachtung erfolgen (NCCN-Guidelines 2007). Auch für diese<br />

Situation existieren keine ausreichenden Daten. Wenn es zu einem guten Ansprechen der Chemotherapie präoperativ<br />

gekommen ist <strong>und</strong> es die Leberfunktion erlaubt, ist eine Fortsetzung derselben Therapie für weitere 12 Wochen<br />

postoperativ sinnvoll.<br />

Lebermetastasen primär nicht R0-resektabel<br />

• Bei Lebermetastasen, die primär nicht resektabel sind, ist eine möglichst remissionsaktive neoadjuvante<br />

Chemotherapie indiziert.<br />

Maximal remissionsinduzierende Protokolle außerhalb von Studien sind derzeit<br />

- FOLFIRI + Oxaliplatin = FOLFOXIRI (Falcone A. ASCO 2007, #4026)<br />

- FOLFIRI oder FOLFOX + Cetuximab bei KRAS-Wildtyp<br />

- FOLFOX/XELOX oder FOLFIRI/XELIRI + Bevacizumab bei KRAS-Mutation <strong>und</strong> KRAS-Wildtyp<br />

Für FOLFOXIRI liegen nur wenige Daten vor. Die Remissionsraten sind hoch (60%), die Toxizität ist zwar<br />

„manageable“, aber ebenfalls hoch.<br />

Cetuximab in Kombination mit FOLFOX oder FOLFIRI ist nur bei KRAS-Wildtyp einsetzbar <strong>und</strong> zeigt ebenfalls<br />

hohe Remissionsraten um 60%.<br />

Bevacizumab in Kombination mit FOLFOX/XELOX oder FOLFIRI/XELIRI zeigt eher etwas geringere<br />

Remissionsraten als Cetuximab-Kombinationen, allerdings lag die Ansprechrate in der Hurwitz-Studie<br />

(Bevacizumab + IFL) bei KRAS-Wildtyp ebenfalls bei 60%.<br />

• Entscheidend ist, dass die Hepatotoxizität des entsprechenden Chemotherapieprotokolls sowie eine eventuell<br />

bestehende Vorschädigung der Leber in die therapeutische Entscheidung <strong>und</strong> OP-Planung mit einbezogen werden.<br />

Sek<strong>und</strong>äre Resektionen nach Bevacizumab sind sicher ohne Erhöhung der Komplikationsrate durchführbar. Ein<br />

protektiver Effekt von Bevacizumab im Hinblick auf die Hepatotoxizität durch Oxaliplatin wird diskutiert.<br />

• Eine Reevaluation der Operabilität muss alle 2-3 Monate erfolgen.<br />

• Die Lebermetastasen sollen reseziert werden, wenn sie resektabel <strong>und</strong> bevor sie verschw<strong>und</strong>en sind, da sie dann<br />

chirurgisch schwer auffindbar sind <strong>und</strong> die Leberschädigung durch die weitere Chemotherapie erhöht wird. Ziel einer<br />

präoperativen Therapie ist, eine Resektabilität zu erreichen, nicht eine Vollremission.<br />

Vollremissionen, dokumentiert mit bildgebenden Verfahren, bedeuten in der Regel keine Heilung. Die Rezidivrate<br />

liegt bei 85%. Die chirurgische Therapie aller Ausgangsläsionen ist anzustreben.<br />

• Eine postoperative Chemotherapie kann als individuelle Entscheidung in Abhängigkeit vom Ansprechen auf die<br />

Vortherapie, von der Dauer der Vortherapie <strong>und</strong> der Leberfunktion postoperativ erfolgen.<br />

343


Lebermetastasen<br />

Resektabilität, Prognosefaktoren, Fong-Score<br />

Resektabilität von Lebermetastasen<br />

Weitgehender Konsens herrscht im Hinblick auf die Kriterien der Irresektabilität. In dem „ONCOSURGE<br />

Decision Model“ (Haller D.G. et al., GI-ASCO 2005), das als Entscheidungsmodell für das Management von<br />

Lebermetastasen entwickelt wurde, werden als Kontraindikationen zur Leberteilresektion aufgeführt:<br />

- nicht resezierbare extrahepatische Erkrankungen<br />

- ausgedehnte Beteiligung der Leber mit Beteiligung von mehr als sechs Segmenten<br />

- mehr als 70% des Leberparenchyms oder<br />

- Befall aller drei Lebervenen<br />

- Leberparenchyminsuffizienz<br />

- Patient allgemein inoperabel oder lehnt die Operation ab.<br />

Präoperative Prognosefaktoren – FONG-Score<br />

In die Entscheidung über eine Resektion gehen auch Prognosefaktoren, insbesondere die Zahl der<br />

Metastasen ein. Die wichtigsten Prognosefaktoren sind in einem Score zusammengefasst. Der am<br />

häufigsten verwendete Score ist der FONG-Score. Er beinhaltet Informationen, die präoperativ zur<br />

Verfügung stehen. Bei einem FONG-Score ≥ 3 wird von einer Metastasenresektion eher abgeraten.<br />

FONG-Score<br />

• Anzahl der Lebermetastasen (>1)<br />

• Größe der Lebermetastasen (>5 cm)<br />

• Krankheitsfreies Intervall ( 200 μg/l)<br />

Gesamtüberleben (%)<br />

Score 1 Jahr 2 Jahre 3 Jahre 4 Jahre 5 Jahre Median<br />

(Monate)<br />

0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

93<br />

91<br />

89<br />

86<br />

70<br />

71<br />

79<br />

76<br />

73<br />

67<br />

45<br />

45<br />

72<br />

66<br />

60<br />

42<br />

38<br />

27<br />

60<br />

54<br />

51<br />

25<br />

29<br />

14<br />

60<br />

44<br />

40<br />

20<br />

25<br />

14<br />

74<br />

51<br />

47<br />

33<br />

20<br />

22<br />

Jeder Risikofaktor bedeutet<br />

einen Punkt. Daraus ergibt<br />

sich die Überlebenswahrscheinlichkeit,<br />

wie aus der<br />

nebenstehenden Tabelle<br />

hervorgeht<br />

(Fong Y et al. Ann Surg<br />

1999; 230:309-18)<br />

Prognose nach Resektion<br />

Adam analysierte die Daten der Patienten, die sek<strong>und</strong>är nach neoadjuvanter Chemotherapie in seiner <strong>Klinik</strong><br />

Leber-reseziert wurden, in einer Langzeitbeobachtung. Das 5-Jahres-Überleben betrug 33% <strong>und</strong> das 10-Jahres-<br />

Überleben 23% (Adam R. et al., Ann Surg 2004; 240:644-57). Es war damit zwar schlechter als das der primär<br />

resezierten Patienten (48% <strong>und</strong> 30%), belegte aber, dass bei auf die Leber begrenzten Metastasen mit einem<br />

kombinierten Konzept ein Langzeitüberleben möglich ist.<br />

Aus dieser Arbeit entwickelte er auch einen Prognosescore zur Abschätzung der Prognose nach Leberresektion.<br />

Lag keiner der folgenden Risikofaktoren vor, lag das geschätzte 5-Jahres-Überleben bei 60%. Lagen 3 oder<br />

mehr der folgenden Risikofaktoren vor, betrug das 5-Jahres-Überleben < 1%:<br />

o mehr als 2 Lebermetastasen<br />

o Lebermetastasen > 10 cm<br />

o Erhöhter Tumormarker CA 19-9<br />

o R1-Resektion<br />

o Primärtumor im Rektum<br />

o Wiederholte Leberresektionsoperation<br />

Es gibt also Patienten, die trotz technischer Durchführbarkeit kaum von einer Leberresektion profitieren.<br />

344


Lebermetastasen<br />

Prognosescore nach Nordlinger<br />

Die chirurgische Resektion von Lebermetastasen ist inzwischen eine allgemein akzeptierte<br />

therapeutische Maßnahme. Mindestens zwei Drittel der Patienten erleiden ein Rezidiv. Eine nicht<br />

unerhebliche Anzahl von Patienten profitiert letztendlich nicht von der Operation.<br />

Um präoperativ eine Aussage zu treffen, ob eine Resektion für den Patienten sinnvoll ist, wurde ein<br />

einfacher Prognosescore entwickelt.<br />

Dieser wurde retrospektiv anhand der Daten von 1568 Patienten erstellt, die an Lebermetastasen nach<br />

einem kolorektalen Karzinom operiert worden waren (Nordlinger B et al. Cancer 1996; 77: 1254-62).<br />

Aus den Daten wurden folgende prognostische Faktoren entwickelt:<br />

Faktor 0 Punkte 1 Punkt<br />

Alter ≤ 60 Jahre > 60 Jahre<br />

Ausdehnung des Primärtumors auf die<br />

Serosa<br />

nein<br />

ja<br />

Zeit bis zum Auftreten der Lebermetastasen > 2 Jahre ≤ 2 Jahre<br />

Größe der größten Metastase < 5 cm ≥ 5 cm<br />

Anzahl der Metastasen 1-3 ≥ 4<br />

Sicherheitsabstand bei der Resektion ≥ 1 cm < 1 cm<br />

Lymphknotenmetastasen des Primärtumors nicht vorhanden vorhanden<br />

Die Verteilung der Metastasen auf ein oder zwei Leberlappen oder das Ausmaß der Leberresektion<br />

waren nicht mit dem Überleben korreliert.<br />

Falls der Sicherheitsabstand für die Resektion der Lebermetastasen präoperativ nicht ausreichend<br />

sicher bestimmt werden kann, wird der Patient einer Risikogruppe zugeordnet, ohne diesen Punkt zu<br />

berücksichtigen. Hierbei wurden nur ca. 10% der Patienten in eine „falsche“ Gruppe eingeordnet.<br />

Bei dem Anteil von ca. 60% der Patienten, bei denen der präoperative CEA-Wert bekannt war, konnte<br />

dieser die Faktoren „Alter“ <strong>und</strong> „Größe der größten Metastase“ ersetzen. Dabei ergab ein CEA 30 ng/ml 2 Punkte.<br />

Prognosegruppen<br />

Nach dem Nordlinger-Score lassen sich drei Prognosegruppen unterscheiden.<br />

Risikogruppe Punktzahl 2-Jahres-Überlebensrate<br />

Low risk 0-2 Punkte 79%<br />

Intermediate risk 3-4 Punkte 60%<br />

High risk 5-7 Punkte 43%<br />

Der am meisten verwendete Prognosescore ist der FONG-Score<br />

(siehe vorangehende Seite)<br />

345


Lebermetastasen<br />

Adjuvante Chemotherapie nach Metastasenresektion<br />

Obwohl eine Resektion kolorektaler Lebermetastasen das Überleben der betroffenen Patienten erheblich verlängern<br />

kann, rezidivieren viele Patienten sowohl intra- als auch extrahepatisch. Nur wenige prospektive Studien haben sich<br />

mit dem Stellenwert einer adjuvanten Chemotherapie nach Lebermetastasenresektion beschäftigt. Diese verwendeten<br />

ausschließlich 5-FU-haltige Therapien. Eine deutsche Studie, die Capecitabin/Oxaliplatin versus keine Therapie<br />

testete (ADHOC, siehe folgende Seiten), wurde wegen schleppender Rekrutierung vor kurzem gestoppt.<br />

Metaanalyse von 2 randomisierten Studien (Mitry E. et al., ASCO 2006, Abstract 3524)<br />

Zwei Phase-III-Studien (FFCD 9002 <strong>und</strong> EORTC/NCIC/CTG/GIVIO Trials) mit einem ähnlichen Design wurden<br />

wegen schlechter Rekrutierung abgebrochen. Es waren Patienten eingeschlossen, die ein histologisch gesichertes<br />

KRK hatten mit einer R0-Resektion des Primärtumors <strong>und</strong> von weniger als 4 Lungen- oder Lebermetastasen. Es<br />

wurde randomisiert zwischen einer adjuvanten 5-FU/Folinsäure-Bolus-Chemotherapie für 6 Zyklen <strong>und</strong> keiner<br />

adjuvanten Therapie. Die Ergebnisse wurden zunächst auf dem ASCO 2006 vorgestellt.<br />

Ergebnisse<br />

n PFS OS<br />

5-FU/FS 137 27,9 Mon. 62,2 Mon.<br />

Kontrolle 137 18,8 Mon. 47,3 Mon.<br />

Update (Portier G. et al.,J Clin Oncol 2006; 24:476-4982)<br />

Adjuvante Chemotherapie nach Lebermetastasenresektion: verlängertes<br />

krankheitsfreies Überleben, tendenziell längeres Gesamtüberleben.<br />

In der Metaanalyse zeigte sich für die adjuvante<br />

Chemotherapie eine deutliche Verbesserung des<br />

progressionsfreien Überlebens (PFS), die knapp unter dem<br />

Wert für eine statistische Signifikanz (p=0,58) blieb. Das<br />

Gesamtüberleben (OS) war nicht signifikant verbessert.<br />

Aktuell wurde diese Studie als Vollpublikation mit<br />

längerem Verlauf vorgestellt (Portier, JCO 2006 s.o.).<br />

Es zeigte sich erstmals eine signifikante<br />

Verbesserung des 5-Jahres-krankheitsfreien<br />

Überlebens durch die 5-FU/Folinsäure-Bolustherapie<br />

für die Patienten in der Chemotherapiegruppe (33,5%<br />

versus 26,7%). Für das Gesamtüberleben (OS) ergab<br />

sich ein Trend zugunsten der Chemotherapiegruppe,<br />

der jedoch keine statistische Signifikanz erreichte. (5-<br />

Jahres-OS 51,1% versus 41,1%).<br />

Adjuvante Chemotherapie mit Irinotecan/5-FU/FS versus 5-FU/FS<br />

(Ychou M. et al. ASCO 2008 Abstr. LBA4013)<br />

Vergleich einer adjuvanten Chemotherapie mit 5-FU/Folinsäure-Infusionsschema + Irinotecan 180 mg/m2 (alle 14<br />

Tage) versus 5-FU/Folinsäure-Infusionsschema nach R0-Resektion von Lebermetastasen.<br />

Ergebnisse: Die Zugabe von Irinotecan führte nicht zu einer signifikanten Verlängerung des DFS.<br />

Adjuvant regional + systemisch vs. Kontrollarm (Kemeny MM et al., ASCO 1999; Abstract 1012)<br />

In einer Studie der ECOG <strong>und</strong> SWOG wurden 109 Patienten nach hepatischer Metastasenresektion randomisiert,<br />

entweder keine weitere Therapie zu erhalten oder eine Adjuvanzbehandlung mit regionaler <strong>und</strong> systemischer<br />

Chemotherapie. Letztendlich wurden jedoch, z.B. wegen Vorhandensein von mehr als 3 Metastasen oder zusätzlichen<br />

extrahepatischen Metastasen, nur 45 Patienten im Kontrollarm <strong>und</strong> 30 Patienten im Chemotherapiearm verglichen.<br />

Die Chemotherapiegruppe erhielt vier Zyklen einer hepatischen intraarteriellen Therapie (HAI) mit FUDR <strong>und</strong> eine<br />

systemische Chemotherapie mit 12 Gaben einer HD-5-FU-Dauerinfusionsbehandlung.<br />

Ergebnisse: Es ergaben sich keine signifikanten Unterschiede bzgl. des medianen Überlebens, aber signifikante<br />

Unterschiede beim krankheitsfreien Überleben nach 3 Jahren. Hier fand sich für die Chemotherapiegruppe ein Anteil<br />

Überlebender von 58% vs. 34% im Kontrollarm. Die Leber war als Rezidivort in der Chemotherapiegruppe mit 8 mal<br />

vs. 24 mal Befall im Kontrollarm vertreten.<br />

Fazit: Aufgr<strong>und</strong> der Daten von Portier, die mit einem Regime von eher bescheidener Effektivität <strong>und</strong> hoher<br />

Toxizität erreicht wurden, sollte die Indikation zu einer adjuvanten Therapie nach Lebermetastasenresektion<br />

großzügig gestellt <strong>und</strong> ein Regime analog der adjuvante Chemotherapie im Stadium III gewählt werden. Die NCCN-<br />

Guidelines empfehlen mit Hinweis auf die limierte Datenlage nach kompletter Resektion von Lebermetastasen eine<br />

4-6-monatige adjuvante Chemotherapie. Aktuelle Studien in den USA untersuchen die Bedeutung der HAI in<br />

Kombination mit modernen Chemotherapien.<br />

S3-Leitlinie 2008: Nach R0-Resektion synchroner oder metachroner Lebermetastasen kann eine adjuvante<br />

Chemotherapie erwogen werden.<br />

346


Lebermetastasen<br />

EORTC 40983-Studie, perioperative Chemotherapie<br />

Zwischen September 2000 <strong>und</strong> Juli 2004 war ein Protokoll der EORTC (<strong>und</strong> mehrerer anderer<br />

Gruppen) aktiv, in dem die prä- <strong>und</strong> postoperative Chemotherapie mit Oxaliplatin/5-FU/Folinsäure<br />

gegenüber einer alleinigen chirurgischen Therapie primär resektabler Lebermetastasen in einer<br />

Phase-III-Studie geprüft wurde.<br />

Studienkoordination B. Nordlinger, Paris, Tel. 0033/1/49095586<br />

Ein- <strong>und</strong> Ausschlusskriterien<br />

Potentiell resektable Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms ohne erkennbare extrahepatische<br />

Tumormanifestation.<br />

Patienten mit synchronen Metastasen hatten ihre Primärtumorop. ≥1 Monat vor Randomisation <strong>und</strong><br />

Pat. mit metachronen Metastasen hatten eine R0-Resektion.<br />

Patienten mit synchronen Metastasen, bei denen die Primärtumoroperation <strong>und</strong> die<br />

Metastasenresektion in einer Prozedur durchgeführt werden können <strong>und</strong> diese um 3-4 Monate<br />

verschoben werden kann.<br />

Keine vorangegangene Chemotherapie des fortgeschrittenen Stadiums, eine vorangegangene adjuvante<br />

Chemotherapie ist erlaubt, sofern sie kein Oxaliplatin enthielt.<br />

Adäquate KM-, Nieren- <strong>und</strong> Leberfunktion.<br />

Keine periphere PNP > Grad 1.<br />

Chemotherapie: FOLFOX-Schema<br />

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />

Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 1<br />

Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2<br />

5-FU 400 i.v. Bolus 1, 2<br />

5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2<br />

Wiederholung: Tag 15<br />

Ablauf<br />

Die Patienten im Chemotherapiearm erhalten 6 Zyklen prä- <strong>und</strong> 6 Zyklen postoperative Therapie. Die<br />

Chemotherapie wird beendet, falls nach 3 Zyklen eine Progression eintritt oder bei lebensbedrohlicher<br />

°IV-Toxizität oder bei wiederholter nicht lebensbedrohlicher °IV-Toxizität trotz adäquater<br />

Dosisreduktion.<br />

Die Leberresektion sollte 2-5 Wochen nach der letzten Chemotherapieapplikation durchgeführt<br />

werden, die postoperative Therapie 2-5 Wochen nach der Resektion beginnen. Die übrigen Patienten<br />

erhalten eine alleinige chirurgische Therapie.<br />

Zielgröße ist das progressionsfreie Überleben.<br />

347


Lebermetastasen<br />

EORTC-Studie 40983, Zwischenergebnisse<br />

EORTC-Studie 40983 (B.Nordlinger et al. EORTC, ASCO 2005, Abstract 3528)<br />

Diese Studie evaluiert die prä- <strong>und</strong> postoperative Chemotherapie bei resektablen Lebermetastasen. 364<br />

Patienten mit potentiell resektablen Lebermetastasen wurden randomisiert zwischen prä- sowie postoperativ 6<br />

Zyklen FOLFOX-4 <strong>und</strong> alleiniger Chirurgie.<br />

EORTC-Studie 40983 Neoadjuvante Therapie alleinige Chirurgie<br />

Operation durchgeführt 92,5% 96,7%<br />

R0-Resektionsrate 96,7% 88,5%<br />

Chir. Komplikationen (30 Tage) 24,5% 13,3%<br />

Re-Operation 4,5% 2,3%<br />

Perioperative Letalität 0,9% 1,6%<br />

Transientes Leberversagen 6,4% 1,6%<br />

Galleleck 5,5% 1,6%<br />

Blutung 2,7% 2,3%<br />

W<strong>und</strong>infekt 2,7% 3,1%<br />

Intraabdomineller Infekt 4,5% 0,8%<br />

Kardiopulmonales Versagen 2,7% 1,6%<br />

Die Interimsanalyse zeigt, dass die R0-Resektionsraten im neoadjuvant behandelten Arm höher waren.<br />

Chirurgische Komplikationen traten häufiger auf in der neoadjuvant behandelten Gruppe, die perioperative<br />

Letalität war jedoch vergleichbar.<br />

EORTC-Studie 40983 (Grünberger T. et al, ASCO 2006, Abstract 3500)<br />

Auf dem ASCO 2006 wurden weitere Daten vorgestellt. Unter der neoadjuvanten präoperativen Chemotherapie<br />

kam es zu einer Verkleinerung der Metastasen radiologisch von 35 auf 25 mm im Median.<br />

EORTC 40983<br />

FOLFOX / OP / FOLFOX<br />

n = 182<br />

OP<br />

n = 182<br />

Operation durchgeführt 158 (87%) 167 (92%)<br />

Reseziert 151 (83%) 149 (82%)<br />

Größte Läsion (Pathologie) 25 mm 34,5 mm<br />

<strong>Klinik</strong><br />

Postoperative Letalität 1 (0,7%) 2 (1,3%)<br />

Perioperative Komplikationen 30 (21,1%) 15 (9,7%)<br />

Intraabdominelle Infektionen 8 (5,6%) 2 (1,3%)<br />

Pulmonale Komplikationen 7 (4,9%) 0 (0%)<br />

Gallefistel 6 (4,2%) 2 (1,3%)<br />

Reoperation 5 (3,5%) 3 (1,9%)<br />

348


Lebermetastasen<br />

Perioperative Chemotherapie, EORTC-Studie, Ergebnisse<br />

Die EORTC-Studie 40983 evaluierte die Wertigkeit einer prä- <strong>und</strong> postoperativen Chemotherapie mit<br />

FOLFOX-4 (jeweils 6 Gaben = 3 Monate) bei Patienten mit resektablen Lebermetastasen eines KRK gegenüber<br />

einer alleinigen Operation. Die ersten Sicherheits- <strong>und</strong> Remissionsdaten wurden bereits 2005 <strong>und</strong> 2006<br />

vorgestellt (siehe vorangehende Seiten). Primärer Endpunkt war eine Verbesserung des PFS um 40% durch die<br />

perioperative Therapie im Vergleich zur alleinigen Operation. Die Ergebnisse zur Effektivität wurden auf dem<br />

ASCO 2007 in der Plenary Session präsentiert.<br />

Ergebnisse (Nordlinger B. et al., ASCO 2007, Abstract LBA5 <strong>und</strong> Lancet 2008;371:963-5)<br />

364 Patienten wurden im Rahmen der Studie behandelt. Die meisten Patienten hatten 1-3 Metastasen <strong>und</strong> die<br />

Metastasen traten weniger als 2 Jahre seit der Primäroperation auf. In jedem Arm kamen jeweils 11 der 182<br />

Patienten wegen fortgeschrittenem Stadium für eine weitere Behandlung in der Studie nicht in Frage. 78% der<br />

Patienten erhielten alle 6 präoperativen Chemotherapiezyklen.<br />

Die Ansprechrate auf die neoadjuvante Therapie war 44%, 6,6% der Patienten waren progredient unter der<br />

Therapie.<br />

87% der Patienten im Chemotherapiearm <strong>und</strong> 93% der Patienten im alleinigen Chirurgiearm wurden operiert,<br />

jeweils 83% wurden reseziert. Nur 63% der randomisierten Patienten erhielten die postoperative<br />

Chemotherapie.<br />

Die perioperative Chemotherapie verbesserte das 3-Jahres-progressionsfreie Überleben (PFS) in der intent to<br />

treat Analyse aller Patienten von 28,1% auf 35,4%. Diese Verbesserung war überraschenderweise statistisch<br />

nicht signifikant <strong>und</strong> verfehlte das Studienziel. Bei den tatsächlich resezierten Patienten (n=303) war die<br />

Verbesserung des PFS deutlich (33,2 versus 42,4%) <strong>und</strong> erreichte Signifikanz.<br />

Schlussfolgerung der Autoren: Die<br />

Perioperative Chemotherapie mit FOLFOX4<br />

verbessert das progressionsfreie Überleben<br />

gegenüber der alleinigen Chirurgie bei Patienten,<br />

deren Metastasen reseziert wurden. Der Benefit<br />

war etwas verwässert, weil auch Patienten mit<br />

einbezogen wurden, die aufgr<strong>und</strong> der Bildgebung<br />

resektabel erschienen, aber nicht reseziert werden<br />

konnten.<br />

Anmerkung: Die Resultate dieser Studie<br />

werden kontrovers diskutiert. Insgesamt sind<br />

die Ergebnisse für die neoadjuvante<br />

Chemotherapie eher etwas enttäuschend. Die<br />

primäre Resektion ist nach wie vor eine gute Option für resektable Metastasen (nur wenn Fong-Score ≤ 2). Die<br />

durch die Chemotherapie induzierte Schädigung des ges<strong>und</strong>en Lebergewebes muss berücksichtigt werden. Es<br />

gibt bisher keinen Vergleich zwischen einer neoadjuvanten <strong>und</strong> einer adjuvanten Chemotherapie bei resektablen<br />

Lebermetastasen.<br />

In Frankreich <strong>und</strong> in anderen Ländern wird die perioperative Therapie bei resektablen Lebermetastasen trotz der<br />

nicht überzeugenden Ergebnisse als Standard angesehen. So vergleicht die neue EORTC-Studie 40051 (Bos)<br />

zwei perioperative Therapiearme, nämlich FOLFOX + Bevacizumab + Cetuximab versus FOLFOX +<br />

Cetuximab.<br />

349


Lebermetastasen<br />

Neoadjuvante Chemotherapie, nicht resektable Metastasen<br />

Nur bei 10-15% der Patienten mit Lebermetastasen ist die primäre operative Entfernung der Metastasen möglich.<br />

Eine Metastasenresektion ist die einzige Chance auf Kuration. Durch die Einführung neuer Substanzen können hohe<br />

Remissionsraten erzielt werden, die zu einer Resektabilität von primär nicht resezierbaren Lebermetastasen führen.<br />

Schon 1974 zeigten Wilson SM <strong>und</strong> Adson MA in einer<br />

Studie, dass Patienten, deren Lebermetastasen entfernt wurden,<br />

eine 5-Jahres-Überlensrate von 25% hatten, wogegen die nicht<br />

operierten Patienten alle verstorben waren.<br />

Überlebenswahrscheinlichkeit bei metastasiertem KRK ohne<br />

Operation <strong>und</strong> nach Resektion von Lebermetastasen<br />

(S.M. Wilson, M.A.Adson, Arch. Surg.,1974)<br />

Giacchetti-Studie (Ann Oncol 1999; 10:663-9)<br />

Giacchetti, Villejuif in Frankreich, untersuchte in einer retrospektiven Studie den klinischen Nutzen einer<br />

chronomodulierten Chemotherapie mit Oxaliplatin, 5-FU <strong>und</strong> Folinsäure. Es wurden die Daten von 151 Patienten mit<br />

nicht resektablen Lebermetastasen bei CRC erhoben.<br />

• Die Größe der Lebermetastasen reduzierte sich unter der Therapie bei 89 Patienten (59%) um mehr als 50%.<br />

• Das mediane Gesamtüberleben betrug 24 Monate, wobei insgesamt 28% nach 5 Jahren noch am Leben waren.<br />

• Eine kurative chirurgische Resektion wurde bei 77 Patienten (51%) versucht, eine komplette makroskopische<br />

Resektion der Lebermetastasen gelang bei 58 Pat. (38%), bei<br />

48 waren die Ränder mikroskopisch tumorfrei.<br />

• Das mediane Überleben der 77 operierten Patienten war 48<br />

Monate (25-71) bei einer 5-Jahres-Überlebensrate von 50%.<br />

Nach 7 Jahren lebten noch 30%.<br />

• Das Intervall zwischen Chemotherapie-Beginn <strong>und</strong><br />

Operation betrug im Mittel 5,5 Monate (zwischen 3 <strong>und</strong> 21).<br />

Es gab keine intraoperative oder postoperative Mortalität<br />

innerhalb von 2 Monaten nach dem Eingriff.<br />

Auch mit primär nicht resektablen Lebermetastasen ergibt<br />

Abhängigkeit der Überlebenswahrscheinlichkeit von der<br />

chirurgischen Resektabilität (n =151 Patienten)<br />

sich bei einem Downstaging durch die Chemotherapie eine<br />

Chance auf ein Langzeitüberleben.<br />

5-Jahres-OS nach Leberresektion primär nicht resektabler Metastasen<br />

Zwischen 1988 <strong>und</strong> 1996 erhielten 701 Patienten mit nicht resektablen<br />

Lebermetastasen eine neoadjuvante Chemotherapie (Paul-Brousse-<br />

Hospital, Villejuif, Frankreich). 95 Patienten (13,5%) konnten sek<strong>und</strong>är<br />

reseziert werden. 87 Patienten konnten 5 Jahre nachbeobachtet werden.<br />

Das 5-Jahres-Überleben (5-J-OS) nach Resektion betrug 39%.<br />

Resektion nicht resektabler Lebermetastasen nach neoadjuvanter<br />

Chemotherapie: 5-J-OS der Patienten mit 5-Jahre-Follow-up<br />

(Adam R. et al., Ann Surg Oncol 2001;8:347-353)<br />

Initial irresektable Lebermetastasen, Heilung (Adam R et al. ASCO 2008 Abstract 4023)<br />

Einschluss aller Patienten mit initial irresektablen Lebermetastasen, die einer Metastasenresektion unterzogen wurden<br />

<strong>und</strong> ein Follow-up von minimal 5 Jahren aufwiesen.<br />

Ergebnisse: 184 Patienten, die zwischen 1988 <strong>und</strong> 2002 reseziert wurden, hatten ein Durchschnittsalter von 56,9<br />

Jahren. Die durchschnittliche Zahl an Lebermetastasen betrug 5,3. 27% hatten eine extrahepatische Metastasierung.<br />

Eine chirurgische Resektion war bei 74% der Patienten nach einer First-line Chemotherapie, bei 26% nach weiteren<br />

Chemotherapien möglich. Das 5- <strong>und</strong> 10 Jahres-Überleben betrug 33% <strong>und</strong> 27%. Von 148 Patienten mit einem<br />

Follow up mehr als 5 Jahre wurden 24 (entsprechend 16%) als geheilt betrachtet. 12 geheilte Patienten hatten ein<br />

DFS über 10 Jahre. Die multivariate Analyse identifizierte als unabhängige Prädiktoren einer Heilung: Maximale<br />

Metastasengrösse < 30 mm bei Diagnose, Zahl der Metastasen bei der Resektion


Lebermetastasen<br />

Neoadjuvante Chemotherapie, Therapiestudien<br />

Zunehmend wird auch in den palliativen first-line-Studien<br />

die sek<strong>und</strong>äre Resektionsrate als eigenständiger Endpunkt<br />

verwendet. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass<br />

Patienten mit einer sek<strong>und</strong>ären Resektion eine Chance auf<br />

Kuration besitzen.<br />

In einer Metaanalyse von Studien zur Chemotherapie bei<br />

metastasiertem CRC konnte Folprecht (Ann Oncol<br />

2005;16:1311-1319) zeigen, dass eine Korrelation besteht<br />

zwischen dem Ansprechen der Chemotherapie <strong>und</strong> der<br />

Möglichkeit, sek<strong>und</strong>är Lebermetastasen zu resezieren.<br />

Letztendlich ist nicht geklärt, welches Regime am besten<br />

geeignet ist, eine sek<strong>und</strong>äre Resektabilität zu erzielen,<br />

Korrelation zwischen Response- <strong>und</strong> Resektionsrate<br />

wobei auch die Hepatotoxizität der Behandlung zu<br />

berücksichtigen ist.<br />

Therapiestudien<br />

Auf dem ASCO 2007 wurden mehrere Studien vorgestellt, die die sek<strong>und</strong>äre Resektionsrate zum Endpunkt<br />

hatten.<br />

Für die Kombination FOLFOXIRI versus FOLFIRI konnten Falcone et al. (Abstract 4026) ihre Daten von 2006<br />

mit einer Verbesserung der sek<strong>und</strong>ären Resektionsrate für alle Patienten von 6% auf 15% bestätigen bei sehr<br />

hohen Ansprechraten von 60%. Für Patienten mit Metastasen ausschließlich in der Leber war eine Verbesserung<br />

der sek<strong>und</strong>ären Resektionsrate sogar von 12 % auf 36% möglich.<br />

Im Rahmen der Crystal-Studie<br />

(van Cutsem E. et al., ASCO<br />

2007, Abstr. 4000) wurde eine<br />

Verbesserung<br />

der<br />

Resektionsrate von 2,8 auf<br />

4,3% durch die Hinzugabe von<br />

Cetuximab zu Irinotecan/5-<br />

FU/Folinsäure erreicht.<br />

Watkins DJ et al. teilten die<br />

Patienten in 3 Gruppen ein:<br />

nicht resektable, potentiell<br />

resektable <strong>und</strong> primär<br />

resektable Leberfiliae. Alle<br />

Patienten erhielten eine<br />

mittlere Anzahl von 8 Zyklen<br />

CapOx. Es zeigte sich eine<br />

sek<strong>und</strong>äre Resektionsrate von<br />

5% für Patienten mit initial<br />

nicht resektablen Metastasen<br />

<strong>und</strong> von 48% für potentiell<br />

resektable Patienten. Für<br />

resektable Patienten konnte nur<br />

eine Rate von 59% errechnet<br />

werden. Durch diese Daten wird die große Variationsbreite der potentiell heilbaren Patienten demonstriert.<br />

Bevacizumab in Kombination mit FOLFOX, FOLFIRI oder CapOx führte zu einer sek<strong>und</strong>ären Resektionsrate<br />

von 4% (Kretschmar A. et al., GI- ASCO 2007, Abstr. 343).<br />

Durch die zusätzliche Gabe von Cetuximab zu Irinotecan, Oxaliplatin oder OxIri nach Therapieversagen auf<br />

mindestens 2 Vortherapien konnte in einer Studie von Aloia T. et al. (ASCO 2007, Abstr. 4061) eine sek<strong>und</strong>äre<br />

Resektionsrate von 17% erreicht werden.<br />

351


Lebermetastasen<br />

Neoadjuvante Chemotherapie, nicht resektable Metastasen<br />

First-BEAT Studie, Resektion von Lebermetastasen (Michael M. et al. ASCO 2006, Abstract 3523)<br />

Resektionen nach Bevacizumab<br />

Pat. insgesamt<br />

n = 44<br />

Leber 40<br />

Lunge 2<br />

Peritoneal 1<br />

Paraaortale Lymphknoten 1<br />

Keine residuelle Erkrankung 25<br />

Residuen 9<br />

Unbekannt/sonstige 10<br />

Mediane Zeit Beginn Bevacizumab bis Resektion (Tage) 183<br />

Mediane Zeit Ende Bevacizumab bis Resektion (Tage) 67<br />

Die First-BEAT Studie wurde<br />

im Juni 2004 gestartet, um die<br />

Sicherheit von Bevacizumab zu<br />

evaluieren. Sie schloss 1927<br />

Patienten aus 41 Ländern<br />

weltweit ein, die Bevacizumab 5<br />

mg/kg q2w oder 7,5 mg/m2 q3w<br />

in Kombination FOLFOX,<br />

FOLFIRI, CAPOX oder Xeloda<br />

erhielten. Im Rahmen dieser<br />

Studie wurden auch Patienten<br />

mit Resektionen evaluiert.<br />

Kriterien für die initiale Irresektabilität waren nicht definiert <strong>und</strong> basierten auf der Einschätzung des<br />

behandelnden Arztes.<br />

Ergebnisse: 44 Patienten wurden sek<strong>und</strong>är reseziert, davon 40 im Bereich der Leber. Bei 29 Patienten wurden<br />

keine Komplikationen gesehen, insbesondere keine W<strong>und</strong>heilungsstörungen oder Nachblutungen. Bei 3<br />

Patienten wurden nicht operationsbezogene Komplikationen als möglicherweise Bevacizumab-assoziiert<br />

Komplikationen<br />

Insgesamt Bevacizumabbedingt<br />

<br />

n = 43<br />

Keine 29<br />

Unbekannt 1<br />

Postoperative Blutungen 0<br />

W<strong>und</strong>heilungsstörungen 0<br />

Infektionen der OP-W<strong>und</strong>e 5 Nein<br />

Magenperforation 1 Möglich<br />

Portalvenenthrombose 1 Möglich<br />

Myokardinfarkt 1 Möglich<br />

gewertet: je eine Magen-perforation,<br />

ein Myo-kardinfarkt sowie eine<br />

Portalvenenthrombose. Die Zeit<br />

zwischen der letzten<br />

Bevacizumabgabe <strong>und</strong> der<br />

Metastasektomie betrug 6-8 Wochen.<br />

Die Effektivitätsdaten stehen noch<br />

aus. Die Autoren kommen zu dem<br />

Schluss, dass eine Metastasektomie<br />

sicher ist nach einer 6 wöchigen<br />

Bevacizumab-Pause.<br />

First-BEAT, Ergebnisse 2008 ( Cassidy J. et al. ASCO 2008, Abstract 4022)<br />

Die R0-Resektionsrate betrug insgesamt 9,0% (173 Patienten). War die Leber das einzige von Metastasen<br />

betroffene Organ, konnten 15,2% der Patienten (107 von 704 Pat.) mit kurativer Absicht operiert werden. Die<br />

R0-Resektionsrate lag in diesem Fall bei 12,1% (85 Pat.). Ernste W<strong>und</strong>heilungsstörungen wurden nur bei 1,3%<br />

der operierten Patienten beobachtet, ernste Blutungen nur bei 0,4%. Das 2-Jahres-Überleben der Patienten, bei<br />

denen die Lebermetastasen R0-reseziert werden konnten betrug 89% -gegenüber 47%, wenn nicht R0 reseziert<br />

werden konnte.<br />

N0 16966-Studie, Resektion von Lebermetastasen ( Cassidy J. et al. ASCO 2008, Abstract 4022)<br />

In dieser Studie erhielten 1401 Patienten mit metastasiertem KRK die Chemotherapie FOLFOX oder XELOX<br />

<strong>und</strong> randomisiert zusätzlich Bevacizumab oder Placebo. Das Erzielen von Resektabilität war dabei kein<br />

Studienziel – eine geplante grössere Operation stellte vielmehr ein Ausschlusskriterium dar. Dennoch konnten<br />

59 Patienten im Bevacizumab-Arm <strong>und</strong> 43 Patienten im Placebo-Arm mit kurativer Absicht operiert werden.<br />

Ergebnisse: Die R0-Resektionsrate betrug im Bevacizumab-Arm 6,3% (44 von 699 Patienten) versus 4,9% (34<br />

von 701 Patienten) im Placebo-Arm.<br />

Bei den Patienten, bei denen die Leber das einzige von Metastasen befallene Organ war, betrug die R0-<br />

Resektionsrate im Bevacizumab-Arm 12,3% (26 von 211 Patienten) versus 11,6% (24 von 207 Patienten) im<br />

Vergleichsarm.<br />

Das 2 Jahres-Überleben bei ausschließlichem Leberbefall betrug für Bevacizumab 92,3% versus 79,0% im<br />

Placebo-Arm. Wenn keine R0-Resektion erfolgen konnte, betrug das 2-Jahres-Überleben 45,1% für<br />

Bevacizumab versus 41,5% für Placebo.<br />

352


Lebermetastasen<br />

Neoadjuvante Chemotherapie, Studienergebnisse, Bevacizumab<br />

Neoadjuvante Chemotherapie mit Bevacizumab/XELOX bei nicht optimal<br />

resezierbaren Lebermetastasen<br />

(Gruenberger B. et al. J Clin Oncol 2008; 26:1830-5)<br />

Insgesamt 56 Patienten mit potentiell resektablen Lebermtetastasen, aber hohem Risiko eines Frührezidivs., das<br />

definiert war mit einem Fong-Score ≥ 1, wurden in diese unizentrische Phase-II-Studie eingeschlossen. Die<br />

Patienten erhielten eine Kombination aus Bevacizumab 14-tägig plus XELOX für 6 Zyklen (12 Wochen), wobei<br />

im 6. Zyklus das Bevacizumab weggelassen wurde, sodass zwischen der letzten Bevacizumab-Gabe <strong>und</strong> der<br />

Operation 5 Wochen lagen.<br />

Ergebnisse: Die Ansprechrate betrug insgesamt 73,2 % (41 Patienten) mit einer pathologischen CR von 8,9%<br />

(entsprechend 5 Patienten). Nur 5,4% der Patienten (3 Pat.) waren unter der neoadjuvanten Chemotherapie<br />

progredient. Insgesamt 52 Patienten wurden reseziert.<br />

Es kam zu keinen vermehrten intraoperativen Blutungen oder W<strong>und</strong>heilungsstörungen, <strong>und</strong> nur 3 Patienten<br />

(6%) benötigten perioperativ Bluttransfusionen. Eine erneute chirurgische Intervention war nur bei einem<br />

Patienten erforderlich. Die postoperative Leberfunktion <strong>und</strong> Regeneration war normal, bis auf einen Patienten,<br />

der an einer prolongierten Leberfunktionsstörung aufgr<strong>und</strong> einer Steatohepatitis litt. Es kam zu keiner<br />

postoperativen Mortalität, die postoperative Morbidität betrug 20%. Die mittlere Krankenhausaufenthaltsdauer<br />

betrug 9 Tage.<br />

Komplikationen nach Leberresektion<br />

Komplikationen n %<br />

Keine Komplikationen 42 79<br />

Komplikationen gesamt 11 21<br />

Anastomoseninsuffizienz 1 2<br />

Galleleck 1 2<br />

Hyperbilirubinämie 2 4<br />

Sepsis mit positiver Blutkultur 2 4<br />

Sepsis mit intermittierender Niereninsuffizienz 1 2<br />

Dünndarmperforation mit Reoperation 1 2<br />

Harnwegsinfekt 1 2<br />

W<strong>und</strong>hämatom 1 2<br />

W<strong>und</strong>infektion 1 2<br />

Eingeschlossene Patienten n = 56<br />

Ansprechen n %<br />

pCR (komplette pathol. Response) 5 8,9<br />

Partielle Remission 36 64,3<br />

Stabile Erkrankung 12 21,4<br />

Krankheitskontrolle (CR+PR+SD) 53 94,6<br />

Progrediente Erkrankung 3 5,4<br />

Fazit: Bevacizumab kann bis 5 Wochen vor Leberresektion sicher appliziert werden, ohne dass es zu<br />

schwerwiegenden W<strong>und</strong>heilungsstörungen <strong>und</strong> Blutungen kommt. Bevacizumab beeinträchtigt nicht die<br />

Leberregeneration. Die hohe Effektivität der Therapie in dieser Studie mag auch dadurch bedingt sein, dass<br />

Patienten nur mit Lebermetastasen (<strong>und</strong> keine sonstigen) eingeschlossen wurden <strong>und</strong> alle Patienten einen guten<br />

Performance Status hatten. Eine eventuelle Wiederaufnahme von Bevacizumab wird frühestens 28 Tagen nach<br />

grösseren chirurgischen Eingriffen empfohlen, vorausgesetzt die W<strong>und</strong>heilung ist komplett abgeschlossen.<br />

353


Lebermetastasen<br />

Neoadjuvante Chemotherapie, CELIM-Studie<br />

Studientitel<br />

Cetuximab zur neoadjuvanten Therapie von Patienten mit inoperablen Lebermetastasen kolorektaler <strong>Karzinome</strong>.<br />

Randomisierte multizentrische Phase-II-Studie.<br />

Studienziel<br />

Primäres Studienziel ist das Tumoransprechen nach RECIST-Kriterien. Sek<strong>und</strong>äre Ziele sind die Rate der Leberresektionen<br />

(R0), das progressionsfreie Überleben, das krankheitsfreie Überleben nach Resektion, die Sicherheit der Therapie <strong>und</strong> die<br />

Evaluation von molekularen prädiktiven Markern für Response <strong>und</strong> Toxizität.<br />

Studienleitung<br />

Prof. Dr. Claus-Henning Köhne, <strong>Klinik</strong> für Hämatologie <strong>und</strong> <strong>Onkologie</strong>, Oldenburg<br />

Koordination:<br />

PD Dr. J. T. Hartmann, Abt.2, Medizinische <strong>Klinik</strong>, E-mail: joerg.hartmann@med.uni-tuebingen.de<br />

Dr. C. Burkart, Zentrum für Gastroint. <strong>Onkologie</strong>, E-mail: cfburkart@med.uni-tuebingen.de<br />

Zentrum für Gastrointestinale <strong>Onkologie</strong>, Universitätskl. Tübingen, Otfried-Müller-Str. 10, D-72076 Tübingen<br />

Tel.: 07071-29-82121 oder -82122, Fax: 07071-29-5357, E-Mail: zgo.itz@med.uni-tuebingen.de<br />

Studiendesign<br />

R<br />

354<br />

Cetuximab + FOLFOX (Arm A)<br />

EGFR-exprimierende<br />

Lebermetastase Cetuximab + FOLFIRI (Arm B)<br />

nicht EGFR-exprimierende<br />

Lebermetastase FOLFOX (Arm C)<br />

Einschlusskriterien<br />

Nicht resektable (≥ 5 Metast. oder technisch nicht resektabel), histologisch bestätigte, synchrone (wenn Primärtumor<br />

mind. 1 Monat vor Beginn der Chemotherapie reseziert wurde) oder metachrone kolorektale Lebermetastasen<br />

Alter > 18 Jahre, Karnofsky-Index > 80%<br />

Adäquate Organfunktion (Neutr > 1,5/nl; Thromb > 100/nl; Hb > 8 g/dl; Bilirubin < 1,5 x obere Norm <strong>und</strong> Anstieg<br />

≤ 25% innerhalb der letzten 4 Wochen; ALAT <strong>und</strong> ASAT < 5 x obere Norm; Kreatinin < 1,5 x obere Norm)<br />

Ausschlusskriterien<br />

Extrahepatische Metastasen, Lymphknotenmetastasen oder Rezidiv des Primärtumors<br />

Vorangegangene Chemotherapie (außer adjuvant vor ≥ 6 Monaten) oder Therapie gegen den EGF-Rezeptor<br />

Therapiedurchführung<br />

Arm C entspricht Arm A ohne Cetuximab. Ab 6. Zyklus 5-FU 3000 mg/m 2 , wenn keine Toxizität ≥ CTC 2. Erst nach<br />

8 Zyklen, dann alle 4 Zyklen Überprüfung der Resektabilität. Nach Resektion adjuvant 6 weitere Zyklen.<br />

FOLFOX + Cetuximab (Arm A) Wiederholung Tag 15<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Cetuximab-Erstgabe 400 2-Std.-Infusion 1<br />

Cetuximab 250 1-Std.-Infusion (1), 8<br />

Oxaliplatin 100 2-Std.-Infusion 1<br />

Folinsäure 400 2-Std.-Infusion 1<br />

5-FU 400 Bolus 1<br />

5-FU 2400 (- 3000) 46-Std.-Infusion 1<br />

FOLFIRI + CETUXIMAB (ARM B) Wiederholung Tag 15<br />

Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />

Cetuximab-Erstgabe 400 2-Std.-Infusion 1<br />

Cetuximab 250 1-Std.-Infusion (1), 8<br />

Irinotecan 180 2-Std.-Infusion 1<br />

Folinsäure 400 2-Std.-Infusion 1<br />

5-FU 400 Bolus 1<br />

5-FU 2400 (- 3000) 46-Std.-Infusion 1<br />

Zwischenergebnisse (Folprecht G. et al. ESMO 2008, Abstract 510)<br />

56 Patienten erhielten FOLFOX-Cetuximab <strong>und</strong> 55 Patienten FOLFIRI-Cetuximab. Bei der Interimsanalyse im März<br />

2008 waren 81 Patienten auswertbar. Der Kras-Status war bei 86 Patienten vorhanden. 79% der Patienten mit Kras<br />

Wildtyp zeigten ein Ansprechen mit Tumorverkleinerung, sodass eine Resektion bei 43% dieser Patienten möglich<br />

war mit einer R0-Resektion bei 34%. Somit zeigt die Interimsanalyse eine hohe Aktivität der Chemotherapie sowie<br />

eine ermutigende Rate von Leberresektionen


Lebermetastasen<br />

Bildgebung<br />

Häufig besteht das Problem einer inadäquaten präoperativen Diagnostik bei kolorektalen Lebermetastasen. In einer<br />

Arbeit von Elias et al (Ann Surg Oncol 2005) bei 506 Patienten zwischen 1985 -2003 zeigten sich bei der<br />

Laparotomie im Vergleich zur präoperativen Diagnostik, die in der Regel in Form eines CT stattfand, bei 41,3% der<br />

Patienten unerwartete Metastasen. Zum einen fanden sich zusätzliche Lebermetastasen in 30% <strong>und</strong> extrahepatische<br />

Metastasen in16,3%.<br />

Intraoperativer Ultraschall (IOUS) (Bhattacharjya S. et al., Br J Surg 2004)<br />

Sens.<br />

Spez.<br />

CT 73 % 96 %<br />

CT-AP 87 % 89 %<br />

NMR 81 % 93 %<br />

IOUS 95 % 100 %<br />

Nach dieser Arbeit ist der intraoperative Ultraschall<br />

am sensitivs.ten zur Quantifizierung von<br />

Lebermetastasen.<br />

FDG-PET (Joyce DL et al., Arch Surg 2006;141:1220-26)<br />

Bei 71 Patienten wurde zwischen 2000-2002 die Rolle des FDG-PET in der präoperativen Diagnostik bei<br />

Lebermetastasen prospektiv evaluiert. Die Standard-Diagnostik bestand in CT-Abdomen/Becken/Thorax <strong>und</strong> NMR.<br />

Im FDG-PET zeigten sich bei 23 Patienten ( = 32%) neue Bef<strong>und</strong>e, davon 57% extraabdominell, 22%<br />

intraabdominell extrahepatisch <strong>und</strong> 17% intrahepatisch.<br />

Aufgr<strong>und</strong> des PET-Bef<strong>und</strong>es änderte sich die Therapiestrategie bei 24% aller Patienten. Zu berücksichtigen sind<br />

allerdings 2-5% falsch positive PET-Bef<strong>und</strong>e <strong>und</strong> 10-15% falsch negative PET-Bef<strong>und</strong>e.<br />

Bildgebung nach neoadjuvanter Chemotherapie<br />

(Nordlinger B. et al. ASCO 2006, Abstract 3501)<br />

Zwischen 1998 <strong>und</strong> 2004 wurden 586 Patienten wegen kolorektaler Lebermetastasen (LM) in einer Institution<br />

chemotherapiert. 38 Patienten mit den folgenden Kriterien wurden in die Studie aufgenommen: weniger als 10<br />

Lebermetastasen vor der Chemotherapie, Verschwinden von einer oder mehrerer Lebermetastasen im Spiral-CT <strong>und</strong><br />

in der Sonographie nach Chemotherapie, Operation mit Untersuchung der Leber sowie intraoperativem Ultraschall<br />

66 LM mit kompletter Response im CT nach Chemotherapie<br />

Chirurgie:<br />

Makroskopisch Tumor: 20 LM<br />

Keine Läsion: 46 LM<br />

15 Lokalisationen reseziert 31 Lokalisationen nicht reseziert<br />

Vitale Tumorzellen: 12 In situ Rezidiv: 23<br />

55/66 (83%) der Metastasen waren nicht „geheilt“<br />

innerhalb von 4 Wochen nach Bildgebung,<br />

keine extrahepatischen Metastasen, Followup<br />

mindestens ein Jahr postoperativ.<br />

Ergebnisse: 66 Lebermetastasen (LM)<br />

verschwanden in der Bildgebung nach<br />

Chemotherapie (38 Patienten). Bei 9<br />

Patienten fand sich bei der Operation<br />

makroskopisch Tumorgewebe an insgesamt<br />

20 Lokalisationen (der initial 66<br />

Metastasen). Persistierende makroskopische<br />

oder mikroskopische Residualerkrankung<br />

oder ein frühes Lokalrezidiv wurden bei 55<br />

von 66 Lebermetastasen beobachtet, die<br />

radiologisch eine komplette Response (CR)<br />

gezeigt hatten (32 von 38 Patienten).<br />

Fazit<br />

Eine radiologische CR nach neoadjuvanter Chemotherapie ist ein nützliches Instrument, den Effekt der<br />

Chemotherapie zu evaluieren, aber sie bedeutet keine Heilung für die meisten Patienten.<br />

Vorschlag der Autoren<br />

Resektable Lebermetastasen sollten vor dem kompletten Verschwinden reseziert werden <strong>und</strong> die ehemalige<br />

Lokalisation sollte reseziert werden sofern dies möglich ist.<br />

Fazit: Präoperative Bildgebung bei potentiell resektablen kolorektalen Lebermetastasen<br />

• 3-Phasen-CT-der Leber (alternativ: NMR mit KM), CT-Abdomen/Becken/Thorax<br />

• FDG-PET zumindest bei Hochrisiko-Patienten (FONG-Score > 2) sinnvoll<br />

• Intraoperativer Ultraschall obligat<br />

355


Lebermetastasen<br />

Chemotherapie-assoziierte Hepatotoxizität<br />

Durch deutlich verbesserte Remissionsraten bei Anwendung moderner Kombinationschemotherapien vor allem mit<br />

Oxaliplatin <strong>und</strong> Irinotecan <strong>und</strong> neuerdings auch Biologicals wird ein Teil der primär irresektablen Leberfiliae<br />

resektabel. Auch primär kurativ operable Lebermetastasen werden bei schlechten Prognoseparametern perioperativ<br />

mit einer Chemotherapie behandelt. Insbesondere bei Patienten mit Lebervorschädigung können<br />

chemotherapeutische Substanzen zu schweren Leberveränderungen führen.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich können alle Zellen der Leber-Hepatozyten,<br />

Cholangiozyten <strong>und</strong> Sinusendothelzellen durch die<br />

Medikamente geschädigt werden. Cholangiozyten gelten als<br />

relativ widerstandsfähig, sodass Schäden primär an<br />

Hepatozyten <strong>und</strong> Gefäßendothelien sichtbar werden. Die<br />

Veränderungen reichen von reinen Fetteinlagerungen in<br />

hepazozyten bis hin zur Fettleberhepatitis mit Fibrose<br />

begleitet von Gefässwandschäden <strong>und</strong> parenchymatösen<br />

Blutungen.<br />

(Tannapfel A, Reinacher-Schick A., Z Gastroenterol<br />

2008;46:435-440)<br />

Zielzellen der Lebertoxizität<br />

CASH = Chemotherapieassoziierte Steatohepatitis<br />

In Analogie zur nicht alkoholischen Steatohepatitis (NASH) wird der<br />

Begriff „CASH“ empfohlen. Die Fetteinlagerung einer Leberzelle ist<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich reversibel. Ein Hepatozyt mit einer Leberzellverfettung<br />

befindet sich jedoch in einem „Zellstress“, sodass eine weitere Schädigung<br />

zu Entzündung <strong>und</strong> Nekrose oder Apoptose führen kann.<br />

Der Topoisomerasehemmer Irinotecan gilt als Auslöser der CASH in einer<br />

vorher ungeschädigten Leber. Da Irinotecan meist mit 5-FU, das ebenfalls<br />

zu einer (reversiblen) Leberzellverfettung führen kann, in der Therapie des<br />

CASH – Steatosis, Entzündung<br />

KRK häufig kombiniert wird, können sich hepatotoxische Wirkungen<br />

addieren.<br />

SOS = Sinusoidales Obstruktionssyndrom<br />

Die früher als „Veno-occlusive disease (VOD)“ bezeichnete<br />

Erkrankung, bei der die Sinusendothelzellen durch oxidativenress<br />

geschädigt werden, wird heute als sinusoidales Obstruktionssyndrom<br />

(SOS) bezeichnet <strong>und</strong> ist mit einer signifikanten Morbidität nach<br />

Leberresektion assoziiiert. Durch die Zellschädigung der die Gefässe<br />

auskleidenden Sinuswandzellen kommt es zu Entzündung, Fibrose <strong>und</strong><br />

lokaler Thrombose mit embolischem Verschluss nachgeschalteter<br />

kleinerer <strong>und</strong> grösserer Gefässe. Makroskopisch imponiert diese Leber<br />

als blutreich <strong>und</strong> livide verfärbt ( sogenannte „blue liver“) <strong>und</strong> ist<br />

brüchig. Insbesondere platinhaltige Substanzen wie Oxaliplatin führen<br />

Sinusoidales Obstruktionssyndrom –<br />

VOD-ähnlich<br />

zu Veränderungen der intrahepatischen Mikrozirkulation <strong>und</strong> damit zum<br />

SOS. Die Beziehung von Leberzellverfettung <strong>und</strong> SOS ist aufgr<strong>und</strong> der<br />

bisher bekannten Daten nicht klar. Denkbar ist ein additiver Effekt<br />

insbesondere bei Kombinationstherapie mehrerer Substanzen. Eine Vorschädigung der Leber hat sicher einen<br />

potenzierenden Effekt. Bei Patienten mit Risikofaktoren für die Entwicklung einer Fettleber sollte eine besondere<br />

Überwachung der Leberfunktion vor Leberresektion erfolgen.<br />

Chemotherapiezyklen <strong>und</strong> Morbidität<br />

(Karoui M, Nordlinger B, Ann Surg 2006)<br />

In dieser unizentrischen Studie wurde bei 67 Patienten mit einer<br />

„major“ Leberresektion bei KRK die Zahl der präoperativen<br />

Chemotherapiezyklen mit der postoperativen Morbidität<br />

korreliert.<br />

Ergebnis: Bei mehr als 6 präoperativen Chemotherapiezyklen<br />

steigt die Morbidität steil an. Sie korreliert mit der Zahl der<br />

Chemotherapiezyklen jedoch nicht mit der Art der<br />

Chemotherapie. Allerdings gab es keine postoperative Mortalität.<br />

356<br />

Chemotherapiezyklen <strong>und</strong> Morbidität


Lebermetastasen<br />

Chemotherapie-assoziierte Hepatotoxizität, Therapiestudien<br />

Neoadjuvante Chemotherapie <strong>und</strong> perioperative Mortalität<br />

(Vauthey J. et al.J Clin Oncol 2006; 24: 2065-72)<br />

Eine präoperative Chemotherapie kann regimespezifische histopathologische Leberveränderungen<br />

induzieren. Bei 406 Patienten wurden zwischen 1992 <strong>und</strong> 2005 Lebermetastasen reseziert. Die<br />

pathologischen Leberveränderungen sowie die perioperative Morbidität wurden analysiert<br />

Ergebnisse: Nach neoadjuvanter Chemotherapie mit Oxaliplatin/5-FU kommt es zu einer höheren Rate an<br />

sinusoidaler Obstruktion (Bild der blauen Leber), die die postoperative Mortalität aber nicht beeinflusst. Keiner<br />

der 22 Patienten (5,4%) mit sinusoidaler Obstruktion verstarb. 34 Patienten (8,4%) hatten eine Steatohepatitis<br />

Eine Irinotecankombination führte zu einem erhöhten Steatohepatitisrisiko. 6 Patienten, die starben, hatten eine<br />

höhergradige Steatose oder Steatohepatitis. Patienten mit Steatophepatitis hatten eine erhöhte 90-Tage-<br />

Mortalität im Vergleich zu Patienten ohne Steatohepatitis ( 14,7% versus 1,6%).<br />

Schlussfolgerung der Autoren: Das Chemotherapieregime sollte mit Vorsicht überdacht werden, da das Risiko<br />

der Hepatotoxizität signifikant ist.<br />

Oxaliplatin <strong>und</strong> Sinusoidale Dilatation (Nakano H et al., Ann Surg 2008; 247:118-124)<br />

Zwischen 2003 <strong>und</strong> 2005 wurde bei 90 Patienten mit Lebermetastasen , die sich einer elektiven Leberresektion nach<br />

präoperativer Chemotherapie unterzogen, das Ausmass der sinusoidalen Schädigung <strong>und</strong> die perioperative Morbidität<br />

evaluiert.<br />

Ergebnisse: Eine oxaliplatinbasierte Chemotherapie war assoziiert mit einer signifikant höheren Inzidenz einer<br />

Sinusoidalen Dilatation. Patienten mit sinusodaler Dilatation hatten eine signifikant erhöhte Morbidität (40 vs. 6%, p<br />

= 0,026), einen verlängerten Krankenhausaufenthalt (17 vs. 11 Tage) <strong>und</strong> eine erhöhte Rate an Reoperationen.<br />

Die multivarate Analyse zeigte als Risikofaktoren für eine sinusoidale Dilatation: weibliches Geschlecht, mehr als 6<br />

Zyklen oxaliplatinhaltige Therapie, Transaminasenerhöhung <strong>und</strong> eine eingeschränkte Leberfunktion (ICG-R15 ><br />

10% = indocyanine green retention rate).<br />

Bevacizumab als protektive Substanzen gegen SOS <br />

Die histologischen Veränderungen nach neoadjuvanter<br />

Therapie mit Biologicals <strong>und</strong> anschließender Leberresektion<br />

sind bisher nicht untersucht.<br />

In einer retrospektive Analyse von Ribero et al. (Cancer<br />

2007) wurde das Ausmass des sinusoidalen<br />

Obstruktionssyndroms (SOS) nach einer oxaliplatin/5-FU-<br />

Therapie mit Bevacizumab ( n = 62) <strong>und</strong> ohne Bevacizumab<br />

(n = 43) verglichen.<br />

Es zeigte sich eine signifikante Reduktion insbesondere der<br />

höheren Schweregrade des SOS in der Patientengruppe, die<br />

Oxaliplatin <strong>und</strong> Bevacizumab erhielt, sodass ein protektiver<br />

Effekt von Bevacizumab im Hinblick auf ein SOS vermutet<br />

wird.<br />

Auch die Wiener Gruppe um Grünberger (Klinger<br />

M. et al. ASCO 2008, Abstract 4082) hat den Effekt<br />

von Bevacizumab auf die Lebertoxizität bei<br />

oxaliplatinbasierter Chemotherapie untersucht. Es<br />

wurden insgesamt 99 Patienten evaluiert, die<br />

entweder 6 Zyklen XELOX mit Bevacizumab (im<br />

letzten Zyklus präoperativ kein Bevacizumab)<br />

oder nur 6 Zyklen XELOX oder FOLFOX 4<br />

erhielten <strong>und</strong> anschließend leberreseziert wurden.<br />

Ergebnisse: Es fand sich kein Unterschied in der<br />

Ausprägung der Steatohepatitis zwischen beiden<br />

Gruppen. Die Inzidenz einer sinusoidalen<br />

Dilatation Grad 2 <strong>und</strong> 3 war jedoch signifikant<br />

höher bei den Patienten ohne Bevacizumab.<br />

Fazit: Die Autoren schließen, dass die Zugabe<br />

von Bevacizumab zu XELOX/FOLFOX4 einen protektiven Effekt gegen die sinusoidale Schädigung hat.<br />

Der potentielle Wirkmechanismus beruht auf der generellen Gefässprotektion durch die VEGF-Blockade.<br />

357


Loko-regionale Therapieverfahren<br />

Radiofrequenzablation<br />

Seit einigen Jahren etablieren sich mehrere Modalitäten in der lokalen nicht-chirurgischen Therapie von<br />

Lebermetastasen kolorektaler <strong>Karzinome</strong>. Diese Therapieformen werden vor allem von interventionellen<br />

Radiologen durchgeführt <strong>und</strong> erforscht, da sie auf einer CT-gesteuerten Punktion der Metastasen <strong>und</strong><br />

verschiedenen Methoden der Herbeiführung einer Nekrose beruhen.<br />

Die Methoden basieren auf den Erfahrungen mit primären Leberzellkarzinomen (siehe auch dort).<br />

<strong>Klinik</strong> für Radiologie der RWTH Aachen<br />

Dort werden die u.g. Methoden bis auf die Laserablation durchgeführt.<br />

Ansprechpartner: PD Dr A. Mahnken, <strong>Klinik</strong> für Radiologische Diagnostik, Pauwelsstr. 30, 52057<br />

Aachen, Tel: 0241-800, Fax: 0241-8082480, e-mail: mahnken@rad.rwth-aachen.de<br />

Indikation<br />

Lebermetastasen bis zu einer Größe von 5 cm, bei denen eine technische oder durch Komorbidität bedingte<br />

Inoperabilität besteht, oder bei Therapieversagen nach Chemotherapie. Metastasen bis 3 cm können vollständig<br />

beseitigt, über 3 cm palliativ abladiert werden. Bei größeren Läsionen wird mit mehreren Sonden vorgegangen.<br />

Es darf keine diffuse Metastasierung bestehen, die Anzahl der Metastasen darf 5 nicht überschreiten.<br />

Methoden<br />

Äthanolinstillation<br />

„Hitzeverkochung“=<br />

Radiofrequenzablation<br />

Kryo-Ablation<br />

Laserablation<br />

20-22 G Nadeln, Applikation von 3-10 ml 95% Alkohol<br />

Monopolare Elektroden 30-50 W mit gekühlten Applikatoren<br />

2-3mm Sonden, Argon unter 300bar mit –150°C<br />

Neodyn-YAG (1064 nm Wellenlänge) mit gekühltem Applikator<br />

Die Äthanolinstillation erfordert den geringsten technischen Aufwand, hierbei ist die Verteilung des Alkohols<br />

jedoch nicht exakt vorhersehbar. Außerdem kann die Behandlung sehr schmerzhaft sein <strong>und</strong> macht u.U. eine<br />

Allgemeinnarkose notwendig.<br />

Letzteres gilt auch für die Radiofrequenzablation, bei dieser Methode dürfen auch keine Metallfremdkörper<br />

(Clips, Naht etc.) in der Nähe vorhanden sein.<br />

Bei der Kryotherapie werden je 2 Tau-/Frier-Zyklen à 10 Minuten durchgeführt. Es entsteht eine<br />

Koagulationsnekrose von 2-3 cm Durchmesser, bei Mehrsondentechnik bis 5 cm. Der Vorteil liegt in der guten<br />

Steuerbarkeit <strong>und</strong> in der völligen Schmerzfreiheit.<br />

Die Laserablation ist besonders aufwendig, da temperatursensitive Sequenzen mit entsprechender Software<br />

erfolgen.<br />

Eine eindeutige Präferenz für eine bestimmte Methode kann noch nicht gegeben werden. Die Wahl hängt nicht<br />

zuletzt von den logistischen Möglichkeiten ab.<br />

Ergebnisse<br />

Aussagekräftige Phase-III-Studien existieren bislang weder zum methodischen Vergleich noch dazu, ob durch<br />

diese Therapieverfahren eine Lebensverlängerung herbeigeführt werden kann. Eine größere Studie an 140<br />

Patienten mit Kryotherapie bei kolorektalen Lebermetastasen erbrachte bei einem Follow-up von 26 Monaten<br />

eine Überlebensrate von 46% (Weaver ML et al. Cancer 1995; 76:210-14). Siehe auch folgende Seite „CLOCC-<br />

Trial“.<br />

1 2 3<br />

Radiofrequenzablation. Links: Sonden. 1: Ausgangsbef<strong>und</strong>, 2: Intraläsionale Lage der Sonde. 3: Nekrosehöhle nach erfolgter<br />

Verkochung. Die Abbildungen wurden fre<strong>und</strong>licherweise von Herrn PD Dr. J. Tacke, Aachen zur Verfügung gestellt.<br />

358


Radiofrequenzablation<br />

EORTC-Studie 40004/CLOCC-Trial<br />

CLOCC-Trial<br />

Chemotherapie + lokale Ablation versus Chemotherapie allein bei nicht-resektablen<br />

Lebermetastasen infolge eines kolorektalen Karzinoms. Multizentrische Studie<br />

Eine internationale randomisierte Phase-III-Studie prüft den Stellenwert der interventionellen Therapieverfahren.<br />

Studienvorsitz:<br />

Dr. T. Ruers, Abteilung für Chirurgie, Academic Hospital St. Radboud, Nijmegen,<br />

Tel.: 0031/24/3616421,<br />

e-mail: t.ruers@heel.azn.nl<br />

Beteiligte Gruppe in Deutschland:<br />

Arbeitsgruppe Lebermetastasen <strong>und</strong> Tumoren ALM in der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft <strong>Onkologie</strong><br />

(CAO)<br />

Leiter: W.O. Bechstein<br />

Universitätsklinik Frankfurt a. M., Chirurgische <strong>Klinik</strong>, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt<br />

Tel: 069/6314346 e-mail: Wolf.Bechstein@kgu.de homepage:http://kgu.de/alm<br />

Ziele <strong>und</strong> Rationale<br />

Es soll geprüft werden, ob bei Patienten mit nicht resezierbaren Lebermetastasen eine Radiofrequenzablation in<br />

Kombination mit einer Chemotherapie zu einem besseren Gesamtüberleben führt als eine alleinige<br />

Chemotherapie. Die bislang in der Literatur berichteten guten Ergebnisse könnten auf Patientenselektion<br />

beruhen, sodass z.B. die Patienten mit weniger Metastasen eher lokal therapiert wurden <strong>und</strong> die mit diffuser<br />

Metastasierung häufiger nur chemotherapiert wurden.<br />

Die Kombination mit Chemotherapie wird u.a. gewählt, weil die Therapieversager bzw. Rezidive bei der<br />

Lokaltherapie hauptsächlich entweder in vorher nicht betroffenen Arealen der Leber oder extrahepatisch<br />

auftraten. Nach der Radiofrequenzablation ist auch eine zusätzliche chirurgische Resektion von verbliebenen<br />

Metastasen erlaubt.<br />

Einschlusskriterien<br />

Patienten mit nicht-resektablen Lebermetastasen von kolorektalen <strong>Karzinome</strong>n ohne nachweisbare<br />

extrahepatische Metastasen. Die Nichtresezierbarkeit ist definiert als Unmöglichkeit, eine komplette Resektion<br />

aller Metastasen zu erreichen. Das schließt ein:<br />

Metastasen können nicht vollständig reseziert werden aufgr<strong>und</strong> ihrer Größe, der Lokalisation <strong>und</strong> ihrer Zahl.<br />

Metastasen infiltrieren den rechten <strong>und</strong> linken Ast der Arteria hepatica oder der Pfortader.<br />

Metastasen zeigen eine Ausdehnung zu den drei Hauptvenen.<br />

Die Feststellung der Nichtresezierbarkeit verlangt eine Bewertung durch den Chirurgen <strong>und</strong> den Radiologen.<br />

Keine vorausgegangene Chemotherapie mit Ausnahme für die Lebermetastasen.<br />

Eine adäquate Behandlung aller metastastischen Läsionen durch eine Radiofrequenzablation alleine oder durch<br />

eine Kombination von Operation resektabler Läsionen <strong>und</strong> der Radiofrequenzablation der verbliebenen nichtresektablen<br />

Metastasen.<br />

Zahl der Metastasen < 10, metastatische Infiltration der Leber < 50%.<br />

Maximaler Durchmesser der Läsionen, die durch RFA behandelt werden sollen = 4 cm.<br />

Vorgehen<br />

Als lokales Therapieverfahren kommt die Radiofrequenzablation wegen der geringen Komplikationsrate <strong>und</strong><br />

der relativen Schnelligkeit zum Einsatz. Für die Radiofrequenzablation ist ein offen chirurgisches,<br />

laparoskopisches oder perkutanes Vorgehen vorgesehen.<br />

Als Chemotherapieregime wird das FOLFOX-Schema nach de-Gramont verwendet. Die in beiden Armen<br />

identische Chemotherapie soll bis 6 Wochen nach RF-Ablation / OP begonnen werden bzw. im alleinigen<br />

Chemotherapiearm innerhalb 3 Wochen nach der Randomisation. Falls in dieser Gruppe eine Resektabilität<br />

nach Chemotherapie erreicht wird, ist diese erlaubt.<br />

Die Dauer der Chemotherapie ist für 12 Zyklen geplant, bei Progression ist eine second-line-Chemotherapie<br />

nach Wahl erlaubt, eine erneute RF-Ablation jedoch nur im Kombinationsarm.<br />

359


Lebermetastasen<br />

CLOCC-Trial<br />

Studientitel<br />

CLOCC-Trial (Chemotherapie + lokale Ablation versus Chemotherapie allein bei nicht-resektablen<br />

Lebermetastasen infolge eines kolorektalen Karzinoms. Multizentrische Studie).<br />

Randomisation<br />

Radiofrequenzablation (RFA) vs. RFA + Chemotherapie (Arm B)<br />

Chemotherapie<br />

Die Oxaliplatin-haltige Chemotherapie (FOLFOX) kann in drei verschiedenen Versionen durchgeführt werden.<br />

Empfohlen wird das Schema I<br />

Schema I<br />

Oxaliplatin 85 mg/m 2 500 ml Glukose 5% 2h d 1, 15, 29<br />

Folinsäure 200 mg/m 2 NaCl 0,9%/500 ml 2h d 1, 8, 15, 22, 29, 36<br />

5-FU 2.600 mg/m 2 24h-Infusion d 1, 8, 15, 22, 29, 36<br />

Woche 7 Therapiepause, Wiederholung Tag 50, jedoch ohne Oxaliplatin<br />

Schema II<br />

Oxaliplatin 85 mg/m 2 500 ml Glukose 5% 2h* d 1<br />

L-Folinsäure 200 mg/m 2 250 ml Glukose/2h* d 1<br />

5-FU 400 mg/m 2 i.v. Bolus d 1<br />

5-FU 2.400 mg/m 2 Kontinuierliche Infusion d 1<br />

(Pumpe)/46h<br />

* zeitgleiche Gabe. Wiederholung Tag 15.<br />

Schema III<br />

Oxaliplatin 85 mg/m 2 500 ml Glukose 5% 2h Tag 1<br />

Folinsäure 200 mg/m 2 250 ml ml NaCl 0,9% 2h Tag 1, 2<br />

5-FU 400 mg/m 2 i.v. Bolus Tag, 1, 2<br />

5-FU 600 mg/m 2 c.i. 22h Tag 1, 2<br />

Wiederholung Tag 15<br />

Messpunkte: Primär: Gesamtüberleben<br />

Sek<strong>und</strong>är: DFS, Lebensqualität<br />

Ergebnisse (Ruers T. et al., ASCO 2008, Abstract 4012)<br />

Eingebracht wurden insgesamt 119 Patienten, die angestrebte Zahl von 152 wurde wegen schlechter<br />

Rekrutierung nicht erreicht.<br />

Aufgenommen wurden Patienten mit maximal 9 nicht resektablen Lebermetastasen, die maximale<br />

Grösse der Leberherde für die RFA lag bei 4 cm. Beide Behandlungsarme waren gut balanciert,<br />

allerdings erhielten im Arm B 15% der Patienten keine Chemotherapie.<br />

Das progressionsfreie Überleben ist im Kombinationsarm B mit 16,6 Monaten versus 10 Monaten im<br />

Chemotherapiearm signifikant verlängert (p = 0,0267). Die Toxizitätsprofile beider Arme sind<br />

vergleichbar. Im Kombinationsarm gab es etwas mehr Nebenwirkungen Grad-3/4: Neutropenie 27%<br />

vs. 20%); Kardiotoxizität (9,8 % vs. 1,7 %); Neuropathie (17,6% vs. 13,6%); Fatigue (13,7 vs. 6,8%).<br />

Die Mortalität lag im Kombinationsarm bei 1,8%.<br />

Fazit: Die Kombinationstherapie verlängert das PFS im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie bei<br />

akzeptabler Toxizität, der primäre Studienendpunkt (30 Monate Gesamtüberleben) wurde jedoch<br />

bisher noch nicht erreicht. Offen bleibt die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt der RFA<br />

360


Lebermetastasen<br />

Regionale Chemotherapie<br />

Bei Patienten mit auf die Leber beschränkten Metastasen kann eine lokoregionäre Maßnahme wie die arterielle<br />

Leberperfusion in manchen Situationen in Betracht gezogen werden, insbesondere als „Last-line-approach“.<br />

Arterielle Leberperfusion<br />

Voraussetzung ist das Einbringen eines Verweilkatheters in die A. hepatica entweder als Perkutankatheter, arterieller<br />

Port oder als vollimplantierbares Pumpsystem. Zur Vermeidung einer medikamentös bedingten Cholezystitis ist eine<br />

gleichzeitige Cholezystektomie notwendig. Für die Praxis kann die Therapie außerhalb von Studien erwogen werden,<br />

wenn eine synchrone Operation des Primärtumors erfolgte, oder wenn im Rahmen einer geplanten<br />

Mestastasenresektion diese als nicht möglich bzw. erfolgreich erscheint.<br />

Indikation<br />

Eine regionale Chemotherapie kann sinnvoll sein, wenn eine alleinige nichtresektable hepatische Filialisierung ohne<br />

Nachweis von extrahepatischen Absiedlungen besteht.<br />

Vorteile : Hohe Zytostatikakonzentration auf das Tumorgewebe. Meist geringe systemische<br />

Chemotherapiewirkung.<br />

Nachteile: Hospitalisation mit Operationstrauma <strong>und</strong> Op-Risiko. Infektionsprobleme, technische Schwierigkeiten<br />

mit den Pumpsystemen. Medikamentenbedingte Ulcera ventriculi <strong>und</strong> duodeni sowie eine chemische<br />

Hepatitis. Außerdem als Nebenwirkung gefürchtet ist eine biliäre Sklerose (Inzidenz nach i.a. FUDR 6-<br />

35%). Aus diesem Gr<strong>und</strong>e wird die Substanz in Deutschland nicht mehr eingesetzt.<br />

Ergebnisse<br />

(1, 2, 3, 4)<br />

wurde<br />

In mehreren randomisierten Studien ein messbarer Überlebensvorteil für regional mit FUDR<br />

behandelte Pat. im Vergleich zu einer systemischen Therapie mit 5-FU gef<strong>und</strong>en. ROUGIER et al. 3) fanden einen 2<br />

Jahres-Überlebensvorteil von 23% vs. 13%; ALLEN-MERSH et al. 2) von 13,5 vs. 7,5 Monaten gegenüber der<br />

systemischen Therapie. Die durchschnittlich erzielten objektiven Ansprechraten auf eine regionale Chemotherapie<br />

liegen bei etwa 50%. Inzwischen wurde auch eine Studie veröffentlicht, die einen randomisierten Vergleich von i.a.<br />

FU/FA mit i.a. FUdR <strong>und</strong> systemischer i.v. FU/FA-Gabe zum Inhalt hatte. Bei 168 Patienten ergab sich eine mit 45<br />

bzw. 43% gegenüber 20% bei der i.v.-Therapie signifikant höhere Ansprechrate. Das progressionsfreie Überleben<br />

war jedoch mit 9,2 Mon. nur bei der i.a. FU/FA-Therapie höher als mit 5,9 Monaten bei i.a. FUdR <strong>und</strong> 6,6 Monaten<br />

bei der systemischen Therapie. Das mediane Überleben war bei systemischer <strong>und</strong> i.a. Gabe von FU/FA mit 17,6<br />

bzw.18,7 Monaten vergleichbar <strong>und</strong> länger als bei i.a. FUdR mit 12,7 Monaten.<br />

Chemotherapie<br />

Portpunktion unter sterilen Kautelen. Tragbare Injektionspumpe.<br />

Folinsäure 200 mg / m²/d 10-Min-Infusion i.v. Tag 1 – 5<br />

5-FU 1000/mg/m ²/d 24-Std.-Perfusion i.a. Tag 1 – 5<br />

Wiederholung Tag 29.<br />

Alternativ<br />

FUDR 0,2 mg/kg/d 24-Std.-Perfusion i.a. Tag 1 - 14<br />

Wiederholung Tag 29<br />

5-FU 600 mg/m ²/d 24-Std.-Perfusion i.a. Tag 1 – 5<br />

Mitomycin 10 mg/m² i.v. Infusion Tag 1<br />

Wiederholung Tag 29<br />

Neue Substanzen (ASCO 2005, Abstr. 3616)<br />

M. Bouchada (Paul Brousse, Villejuif) stellte eine Studie vor, bei der massiv vorbehandelte Patienten durch eine<br />

regionale Chemotherapie mit Irinotecan, Oxaliplatin, 5-FU sogar eine R0-Resektion von Lebermetastasen erreichten.<br />

3 drug hepatic artery circadian delivery (HACD): Irinotecan, Oxaliplatin, 5 FU<br />

25 vorbehandelte Patienten, mitteres Alter 63 J. Anzahl der Vorbehandlungen: 1 (n=3), 2 (n=4), 3 (n=7) 4+(n=11)<br />

22 Patienten mit messbaren Läsionen: 11 PD (außerhalb der Leber 3), PR/SD 11(50%), 2 x R0 Resektion der Leber<br />

PFS median 5 Monate, OS median 19,5 Monate<br />

1) HOHN, D.C., R.J.STAGG, M.A. FRIEDMAN et al. J.Clin.Oncol. 7, 1989, 1646-54<br />

2) ALLEN-MERSH, T.G., S.ERLAM, C.FORDY et al. Lancet 344, 1994, 1255-1260<br />

3) ROUGIER, P., A. LAPLANCHE, M. HUGUIER et al. J.Clin.Oncol.10, 1992, 1112-1118<br />

4) HOTTENROTT, C., M.LORENZ, <strong>Onkologie</strong>18, 1995, 240-244<br />

361


Lebermetastasen<br />

SIRT<br />

SIRT steht für „Selektive Interne Radio-Therapie“ <strong>und</strong> ist eine innovative Behandlungsform von malignenTumoren in der<br />

Leber. Bei der SIRT wird 90 Yttrium, ein Betasstrahlen emittierendes Isotop mit einer physikalischen Halbwertszeit von<br />

64,2 St<strong>und</strong>en, verwendet. Die Betastrahlen von 90 Yttrium haben eine durchschnittliche Penetration in Weichgewebe von<br />

2,5 mm. Für die SIRT ist dieser Betastrahler an unlösliche Harzmikrosphären (SIR-Spheres) mit einem mittleren<br />

Durchmesser von 32 μm gekoppelt.<br />

Die Mikrosphären werden über einen transfemoral eingebrachten Katheter in die Aa. hepatica dextra <strong>und</strong> sinistra appliziert.<br />

Technisch durchführbar ist die Behandlung, wenn die Leberarterien mit einem Katheter zugänglich <strong>und</strong> sondierbar sind,<br />

keine wesentliche Anomalie der Gefäßversorgung vorliegt, Äste, die andere Organe versorgen, vor Therapie ohne Risiko<br />

verschlossen werden können <strong>und</strong> die Pfortader frei durchgängig ist.<br />

Da das normale Lebergewebe sein nährstoffreiches Blut ganz überwiegend aus der Pfortader bezieht, <strong>und</strong> umgekehrt das<br />

gefäßreiche Tumorgewebe in der Leber stark mit arteriellem Blut versorgt wird, führt die Gabe von SIR-Spheres® in die<br />

Leberarterien zu einer bevorzugten Anreicherung im malignen Gewebe. Die Strahlung, die von den Mikrosphären ausgeht,<br />

schädigt <strong>und</strong> zerstört damit in erster Linie das umgebende Tumorgewebe <strong>und</strong> belastet das normale Lebergewebe dabei nur<br />

relativ wenig. Die SIRT ist somit eine Art Brachytherapie mit hoher lokaler Strahlendosis unter Schonung des<br />

umliegenden, ges<strong>und</strong>en Lebergewebes.<br />

Einschlusskriterien für eine SIRT-Behandlung<br />

(Coldwell D. et al. World Conference on Interventional Oncology 2008, # P79)<br />

Nicht-resektable Lebertumore oder vorwiegend in der Leber lokalisierte Tumore bei primärem Leberzellkarzinom oder<br />

metastasierter Erkrankung.<br />

Lebenserwartung über 12 Wochen, ECOG Performance Status ≤ 2<br />

Absolute Ausschlusskriterien<br />

Ascites oder andere klinische Zeichen einer Leberfunktionsstörung, Schwangerschaft, potentielle Überschreitung einer<br />

Strahlenexposition der Lunge >30 Gy bei pulmonalem Shunt, die durch eine prätherapeutische Radionukliduntersuchung<br />

bestimmt wird. Shunts zum Gastrointestinaltrakt (Magen, Darm oder Pankreas), die nicht durch Embolisation<br />

verschliessbar sind, was im Rahmen einer prätherapeutischen Angiographie evaluiert wird.<br />

Relative Ausschlusskriterien<br />

Nicht frei durchgängige Portalvene, Vorbestrahlung der Leber, exzessive Tumorlast mit limitierter Leberreserve,<br />

abnorme Organ- oder Knochenmarkfunktion z.B. Leukozyten < 2,5 G/l, Neutrophile 2,5 mg/dl, Transaminasen mehr als 5fach erhöht, Bilirubin > 2,0 mg/dl.<br />

Nebenwirkungen, Toxizität<br />

Häufige Nebenwirkungen sind Oberbauchschmerzen, Übelkeit, Fieber, Müdigkeit <strong>und</strong> verringerter Appetit.<br />

Schwerwiegende Toxizität bei Abfluß von Mikrosphären in andere Organe (pulmonale Komplikationen, Pankreatitis oder<br />

Cholezystitis in


Lebermetastasen<br />

Perkutane stereotaktische Radiotherapie<br />

Für Patienten mit isolierten Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms ist die chirurgische Resektion mit<br />

kompletter Entfernung des Tumors die einzige Methode mit erwiesenem Langzeitüberleben. Neben dem klassischen<br />

operativen Vorgehen werden eine Fülle weiterer lokal wirksamer Verfahren angeboten: Radiofrequenzablation<br />

(RFA), laserinduzierte interstitielle Thermotherapie (LITT), die Mikrowellentherapie, die CT-geführte<br />

Brachytherapie, die selektive interne Radiotherapie <strong>und</strong> die transarterielle Chemoembolisation.<br />

Die perkutane fokussierte stereotaktische Strahlentherapie inoperabler Lebermetastasen führt zu einer guten<br />

lokalen Tumorkontrolle <strong>und</strong> hat gegenüber der RFA, der LITT oder der CT-geführten Brachytherapie den Vorteil<br />

der fehlenden Invasivität <strong>und</strong> Tumorzellverschleppung. Die lokale Strahlentherapie wird nicht vom Blutfluss<br />

beeinflußt. Für eine hohe Fokussierung der Dosisapplikation im Zielgebiet wird das Verfahren der neurochirurgischen<br />

Stereotaxie adaptiert. Durch eine Lagerung <strong>und</strong> Fixierung des Patienten in einem definierten dreidimensionalen<br />

Raum kann jeder nicht unmittelbar sichtbare Punkt in diesem Raum sowohl im diagnostischen<br />

Schnittbild als auch in-vivo über dessen Raumkoordinaten zugeordnet werden.<br />

In den 1990er Jahren wurde am Karolinska-Institut<br />

in Stockholm ein stereotaktisches System für den<br />

Einsatz am Körperstamm entwickelt. Entscheidend<br />

ist die Darstellung eines räumlichen Koordinatensystems,<br />

die präzise Reproduzierbarkeit der Körperposition<br />

<strong>und</strong> die Reduktion physiologischer Bewegungen<br />

des Zielgebietes – z. B. durch Atmung -<br />

während der Bestrahlung. In einer oben offenen<br />

Halbschale wird der Patient in einem Vakuumbett<br />

gelagert. Für die Überprüfung der Körperposition<br />

sind Laserzielsysteme integriert, die mit Tätowierpunkten<br />

am Körper zur Deckung gebracht werden.<br />

Das für die Schnittbilddiagnostik notwendige Koordinatensystem<br />

ist im Rahmen der Halbschale eingebracht.<br />

Da sich die Achsen aller Bewegungen des<br />

Linearbeschleunigers in einem Punkt, dem sogenannten<br />

Isozentrum treffen, wird der Schwerpunkt<br />

des Zielgebietes als Isozentrum gewählt <strong>und</strong> mittels<br />

stereotaktischer Koordinaten definiert. Die atemabhängige<br />

Mobilität der Leber wird mit einer Kompression<br />

des Oberbauches oder spezieller Atemadaptionen minimiert.<br />

Axiale computertomographische Darstellung des Patienten im<br />

stereotaktischen Rahmen. Im Rahmen sind beidseitig die in der<br />

Bildgebung sichtbaren Koordinatensysteme integriert. Die Bestrahlung<br />

erfolgt über mehrere Stehfelder auf das Isozentrum. Die<br />

Dosisverteilung (kleine Abbildung) zeigt einen steilen Dosisabfall<br />

peripher des Zielgebietes.<br />

Die Strahlapplikation erfolgt über eine Vielzahl von Strahlfeldern. Die irreguläre Form des Feldes umschließt<br />

exakt das Zielvolumen. Die Addition der Dosis im Zielgebiet <strong>und</strong> die Minimierung der Dosis im peripher durchstrahlten<br />

Körperanteil eines Einzelfeldes führen in Abhängigkeit von der Feldanzahl zu einer hohen Fokussierung<br />

der Dosis. Die Gesamtdosis wird hypofraktioniert in wenigen Portionen oder als Einzeldosis, welches als<br />

Radiochirurgie bezeichnet wird, appliziert.<br />

Ergebnisse:<br />

Die schwedische Arbeitsgruppe (Blomgren, Lax) behandelte 21 Patienten hypofraktioniert mit 2 Fraktionen von<br />

jeweils 10-15 Gy. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 9,6 Monaten trat lediglich ein lokales Rezidiv<br />

auf. In Würzburg (Wulf) wurden 23 Patienten ebenfalls hypofraktioniert mit 3 x 10 Gy behandelt. Die lokale<br />

Kontrolle betrug 83% nach einer medianen Nachbeobachtung von 9 Monaten. Im Folgenden wurde in Heidelberg<br />

(Herfarth) eine Phase-I/II-Studie begonnen. Insgesamt wurden 60 Tumore bei 40 Patienten behandelt. Im<br />

Rahmen der Phase-II-Studie wurde radiochirurgisch einmalig mit 22 Gy bestrahlt. Die aktuarische lokale Tumorkontrolle<br />

betrug 81% nach 18 Monaten. Als Nebenwirkungen werden eine kurzzeitige Übelkeit, Fieber <strong>und</strong><br />

Schüttelfrost bei etwa einem Drittel der Patienten beobachtet, die wenige St<strong>und</strong>en nach der Therapie auftreten.<br />

In der Bildgebung zeigt sich nach der Therapie im Hochdosisgebiet eine asymptomatische fokale Gewebereaktion<br />

i. S. einer venookklusiven Erkrankung, die sich mit der Zeit zurückbildet.<br />

Mit der stereotaktischen Bestrahlung kann ein nicht-invasives Verfahren eingesetzt werden, welches bei<br />

limitierter Lebermetastasierung <strong>und</strong> Inoperabilität eine hohe Tumorkontrollwahrscheinlichkeit (80%) bei<br />

geringer Morbidität erzielt. Aufgr<strong>und</strong> einer Vielzahl kompetitiver lokaler Verfahren sind die Erfahrungen auf<br />

wenige Zentren begrenzt.<br />

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