Kolorektale Karzinome - Klinik für Hämatologie und Onkologie ...
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<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Häufigkeit, Histologie<br />
Häufigkeit, Inzidenz<br />
Nach den Daten des Robert-Koch-Instituts 2005 ist das kolorektale Karzinom (KRK) in Deutschland nach dem<br />
Mammakarzinom das zweithäufigste Malignom der Frau <strong>und</strong> nach dem Bronchial- <strong>und</strong> dem Prostatakarzinom<br />
der dritthäufigste maligne Tumor beim Mann. Die weltweite Inzidenz wird auf 1 Mio/Jahr geschätzt. Die<br />
höchsten Inzidenzraten werden in Europa <strong>und</strong> Nordamerika, die niedrigsten in unterentwickelten afrikanischen<br />
<strong>und</strong> asiatischen Ländern beschrieben. In Deutschland beträgt die Inzidenz je etwa 81/100.000 pro Jahr bei<br />
Frauen <strong>und</strong> Männern. Die Mortalität nimmt allerdings stetig ab <strong>und</strong> liegt bei 34,0 für die Männer <strong>und</strong> 36,4 für<br />
die Frauen pro 100.000 Einwohner. Insgesamt werden jährlich etwa 63.000 Neuerkrankungen in Deutschland<br />
gezählt. Das Lebenszeitrisiko, ein KRK zu entwickeln, liegt für die Normalbevölkerung bei 6%. Insgesamt<br />
sterben an dieser Erkrankung in Deutschland etwas 30.000 Menschen pro Jahr.<br />
Alters- <strong>und</strong> Geschlechtsverteilung<br />
Weniger als 10% der Patienten sind zum Zeitpunkt der Diagnose jünger als 50 Jahre. 70% der Erkrankungen<br />
werden im Alter zwischen 50-80 Jahren diagnostiziert. Das mittlere Erkrankungsalter liegt für Männer bei 67<br />
Jahren, für Frauen bei 72 Jahren. Männer haben ein höheres Risiko als Frauen. Das betrifft vor allem das<br />
Rektumkarzinom.<br />
Ätiologie<br />
Molekularbiologische Untersuchungen untermauern die seit langem aus der Histologie bekannte<br />
Adenom-Karzinom-Sequenz<br />
Die Vorstufe des KRK ist das Adenom der Dickdarmschleimhaut, der sogenannte „Dickdarmpolyp“. Das<br />
Adenom stellt eine epitheliale Proliferation dar, die mit dem Verlust der zellspezifischen Differenzierung <strong>und</strong><br />
Strukturveränderungen der Drüsen einhergeht <strong>und</strong> meist exophytisch in das Darmlumen wächst (tubuläres,<br />
villöses Adenom). Seltener liegt ein flaches Adenom vor. Die Zeit von der Entdeckung eines Adenoms bis zum<br />
Auftreten des Karzinoms kann bis zu 20 Jahre betragen. Bei belassenen kolorektalen Polypen ist mit einer<br />
<strong>Karzinome</strong>ntstehung im Bereich der primär<br />
diagnostizierten Polypen zu rechnen.<br />
Resektionspräparate. Links: Adenom<br />
Rechts: Adenom mit bereits eingetretener karzinomatöser Transformation.<br />
<strong>Karzinome</strong> in gestielten <strong>und</strong> flachen Adenomen<br />
Bei Polypen > 1 cm beträgt das<br />
kumulative Karzinomrisiko<br />
nach 5 Jahren 4%<br />
nach 10 Jahren 14 %<br />
nach 20 Jahren 35 %<br />
Invasionszonen des Karzinoms in<br />
einem gestielten <strong>und</strong> in einem<br />
flachen Adenom. <strong>Karzinome</strong> in<br />
flachen Adenomen invadieren<br />
vergleichsweise frühzeitig die<br />
Submukosa. Demgegenüber ist bei<br />
einem gestielten Adenom eine<br />
längere Strecke des<br />
Tumorwachstums nötig, um die<br />
Submukosa zu erreichen. Jeder<br />
Tumor, der die Muscularis mucosae<br />
penetriert, kann potentiell<br />
Metastasen setzen.<br />
179
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Polypen, intraepitheliale Neoplasien<br />
Polyp beschreibt einen makroskopisch sich über das Schleimhautniveau vorwölbenden Bef<strong>und</strong>, ohne dass damit<br />
eine Stellung zur Dignität des Polypen genommen wird.<br />
Man unterscheidet neoplastische <strong>und</strong> nichtneoplastische Polypen.<br />
Neoplastische Polypen<br />
Adenom<br />
nach dem Wachstumsmuster: tubulär, villös,<br />
tubulovillös, flach, depressed, serrated, aberranter<br />
Kryptfokus<br />
nach der Ausdehnung: diminutive, advanced<br />
Polypöses Karzinom<br />
Polypoider endokriner Tumor<br />
Nichtepitheliale Tumoren<br />
(Lipom,Leiomyom,Hämangiom, Lymphangiom, GIST)<br />
Nicht-neoplastische, tumorähnliche Polypen<br />
Hyperplasie (z.B. Hyperplastischer Polyp)<br />
Hamartom (z.B. Peutz-Jeghers-Polyp, Juveniler Polyp,<br />
Ganglioneurom)<br />
Inflammatorischer Polyp (z.B. inflammatorischer<br />
fibroider Polyp, benigner lymphoider Polyp,<br />
inflammatorischer kloakogener Polyp)<br />
Heterotopie (z.B. Pankreasheterotopie,<br />
Corpusheterotopie)<br />
Weitere (z.B. Lipohyperplasie der Ileozökalklappe,<br />
überzählige Schleimhautfalte, Malakoplakie)<br />
Neoplastische Polypen<br />
Unter die neoplastischen Polypen fallen auch die Polypen, die bisher Adenome genannte wurden, die aber nach<br />
der neuen WHO-Klassifikation als intraepitheliale Neoplasien bezeichnet werden. Von klinisch prognostisch<br />
entscheidender Bedeutung bei der Unterscheidung der einzelnen Neoplasien ist die Intaktheit der Lamina<br />
muscularis mucosae, einer dünnen Muskelschicht, die Mucosa <strong>und</strong> Submucosa trennt. Unabhängig, ob eine<br />
schwere Dysplasie, ein fokales Karzinom, ein Carcinoma in situ oder ein intramukosales Karzinom usw.<br />
lumenseitig dieser Grenzlinie vorliegen, kommt es mangels transportierender Lymphgefäße zu keiner<br />
Metastasierung. Deshalb werden diese Neoplasien nach der WHO/Wien-Klassifikation auch nicht als<br />
<strong>Karzinome</strong>, sondern als hochgradig intraepitheliale Neoplasie bezeichnet. Eine lymphogene Metastasierung ist<br />
erst möglich, wenn das Karzinom oder das Karzinom im Adenom die Muscularis mucosae durchbricht <strong>und</strong> in<br />
der Submucosa Lymphgefässe infiltriert.<br />
WHO/Wien-Klassifikation: Einteilung <strong>und</strong> Terminologie der kolorektalen intraepithelialen<br />
Neoplasien<br />
Kategorie 1 Keine Neoplasie<br />
Kategorie 2 „indefinite“ für Neoplasie<br />
Kategorie 3 Geringgradige Neoplasie der Schleimhaut<br />
Mucosal low grade intraepithelial neoplasia (LGIN)<br />
Kategorie 4 Hochgradige Neoplasie der Schleimhaut<br />
Hochgradige intraepitheliale Neoplasie (HGIN)<br />
Intraepithelial: Adenom mit schwerer Dysplasie, Carcinoma in situ<br />
Intramucosal: intramucosales Karzinom, V.a. invasives Karzinom<br />
Kategorie 5 Submukosales invasives Karzinom (Frühkarzinom T1, fortgeschrittene <strong>Karzinome</strong> >T1)<br />
Nicht neoplastische Polypen<br />
Verschiedene Typen siehe Tabelle oben. Die hyperplastischen Polypen (meist < 5 mm) sind die häufigsten nicht<br />
neoplastischen Kolonpolypen. Hyperplastische Polypen können in eine intraepitheliale Neoplasie, die dann<br />
„serrated adenoma“ genannt wird, <strong>und</strong> nachfolgend in ein Karzinom übergehen. Von einem „serrated adenoma“<br />
spricht man, wenn histologisch sägeblattartige Krypten mit Dysplasien des Oberflächenepithels <strong>und</strong> vermehrten<br />
Mitosen vorliegen.<br />
180
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Adenom-Karzinom-Sequenz, Molekulare Pathogenese<br />
Nachdem bereits vor 30 Jahren der Begriff „Adenom-Karzinom-Sequenz“ geprägt wurde, der die Entwicklung des<br />
invasiven Karzinoms über adenomatöse Zwischenstadien über Jahre hinweg beschreibt, sind heute auch die<br />
molekularen Mechanismen bekannt, die dabei eine entscheidende Rolle spielen. Es werden zwei molekular definierte<br />
Gruppen kolorektaler <strong>Karzinome</strong> postuliert:<br />
Chromosomale Instabilität (CIN)-Gruppe, mikrosatellitenstabil, LOH-positiv<br />
Der wesentliche Schritt zur Kanzerisierung ist eine somatische Mutation <strong>und</strong>/oder der Verlust der Heterozygotie<br />
(Loss of heterozygosity, LOH) auf Chromosom 5 im Bereich des APC-Gens, das hierdurch inaktiviert wird.<br />
Die Ursache für die Mutation können epigenetische Ereignisse infolge von Karzinogenen sein wie Rauchen,<br />
heterozyklische Amine sowie Folsäuremangel, niedrige Methioninzufuhr sowie hoher Alkoholkonsum mit<br />
veränderter Methylierung.<br />
Durch klonale Akkumulation weiterer genetischer Veränderungen, wie Aktivierung der Proto-Onkogene c-myc <strong>und</strong><br />
k-ras (Chromosom 12q) sowie Inaktivierung weiterer Tumorsuppressorgene schreitet die Tumorgenese fort. Zu den<br />
Genen, die bei diesem Prozess inaktiviert werden, gehören Gene auf Chromosom 18 (DCC, DPC4, JV18, SMAD2).<br />
Der Übergang vom späten Adenom in das manifeste Karzinom wird wahrscheinlich erst möglich durch eine weitere<br />
Mutation, nämlich LOH von Chromosom 17p <strong>und</strong> eine Mutation von p53. Das mutierte p53-Protein kann seine<br />
Regulationsaufgaben für andere Gene nicht mehr wahrnehmen. Dieser molekulare Mechanismus der chromosomalen<br />
Instabilität (CIN) mit Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen findet sich bei 80-85% aller KRK.<br />
Mikrosatelliteninstabilitätsgruppe MSI-positiv<br />
Die zweite Gruppe, die Mikrosatelliteninstabilität-positive Gruppe genannt wird, ist charakterisiert durch genetische<br />
Instabilität an den Mikrosatellitenloci. Die Mikrosatelliten-DNA ist eine kurze Nukleotidsequenz, die an einem<br />
bestimmten Locus auf einem individuellen Chromosom normalerweise in umschriebener Zahl vorkommt. Die MSI<br />
wird durch einen DNA-Mismatch-Reparatur-Gen-Defekt verursacht. Diese Reparaturgene erkennen normalerweise<br />
während der DNA-Replikationen falsch in den neuen Strang eingebaute Nukleotide, deren Basen sich nicht mit denen<br />
des alten Strangs paaren können („mismatch“), <strong>und</strong> ersetzen diese. Bei Ausfall dieses Reparatursystems kommt es im<br />
Verlauf weiterer Zellteilungen zur Anhäufung von Mutationen in den Tochterzellen. Sind Tumorsuppressor-Gene<br />
davon betroffen, kann die maligne Entartung der Tochterzelle die Folge sein. MSI-positive <strong>Karzinome</strong> sind<br />
charakteristisch für das HNPCC (hereditary non polyposis colorectal cancer), aber auch 15-20% der sporadischen<br />
<strong>Karzinome</strong> sind MSI-positiv. Sie sind diploid <strong>und</strong> zeigen keine Allelverluste auf Chromosom 17 oder 18.<br />
Multistep-Karzinogenese des kolorektalen Karzinoms aus Siegenthaler et al. Klinische Pathophysiologie 2006<br />
181
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Erbliche CRC/Molekulargenetik<br />
Mehr als ein Viertel aller Patienten mit kolorektalen <strong>Karzinome</strong>n (KRK) haben nahe Verwandte mit der gleichen<br />
Tumorerkrankung.<br />
Auf einer autosomal-dominant erblichen Disposition beruhen etwa 5-10% aller KRK. Zu diesen genetisch bedingten KRK<br />
gehören die im folgenden aufgeführten Krankheitsbilder, die durch ein frühes Manifestationsalter <strong>und</strong> gehäuft multiples<br />
Auftreten gekennzeichnet sind:<br />
• Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)<br />
• HNPCC (hereditary non-polyposis colorectal cancer)<br />
• Hamartoma-Polyposis-Syndrome (HPS)<br />
Ungefähr 15-20 % der Patienten mit KRK haben<br />
eine Familienanamnese mit Dickdarmkrebs, ohne<br />
dass oben genannte Syndrome vorliegen.<br />
Ätiologisch spielen in diesen Fällen wahrscheinlich<br />
sowohl genetische als auch Ernährungs- <strong>und</strong><br />
Umweltfaktoren eine Rolle.<br />
Ätiologie des kolorektalen Karzinoms<br />
Erbliche Disposition<br />
Zwei-Treffer-Hypothese von Knudson<br />
Nach Knudson (Proc Natl Acad Sci USA 68:920-923,1971)<br />
entstehen Tumore durch einen Funktionsverlust von<br />
Tumorsuppressorgenen. Dieser Funktionsverlust<br />
entsteht durch eine Mutation der entsprechenden<br />
Gensequenz. Alle autosomal kodierenden Gene liegen<br />
jedoch in zwei Kopien (Allelen) vor. Deshalb ist trotz<br />
Ausfall des einen Allels in der Regel die Funktion der<br />
Zelle intakt. Erst der Funktionsverlust des zweiten<br />
Allels in derselben Zelle („2 Treffer“) führt zum<br />
Ausfall der gesamten Genfunktion. Dies führt zu<br />
unkontrollierter Zellproliferation <strong>und</strong> maligner<br />
Entartung.<br />
In der allgemeinen Bevölkerung ist die Wahrscheinlichkeit<br />
relativ gering, dass eine Mutation in beiden<br />
Allelen derselben Zelle auftritt.<br />
Patienten mit erblicher Tumordisposition haben aber<br />
bereits von Geburt an in allen Zellen ein durch eine<br />
sogenannte Keimbahnmutation verändertes Allel. Das<br />
Risiko, dass es durch eine Mutation des intakten Allels<br />
zu einem Funktionsverlust des Gens kommt, ist<br />
deshalb in dieser Gruppe wesentlich erhöht.<br />
Der Eisberg der Gene, die mutiert zum KRK disponieren.<br />
Bezeichnungen der bekannten mutierten Gene (nach Müller<br />
HJ et al.: Chir Gastroenterol 2000;16:207).<br />
182
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
FAP – Hamartomatöse Polyposis<br />
Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)<br />
Bei der klassischen FAP treten h<strong>und</strong>erte bis tausende<br />
adenomatöser Polypen der Kolonschleimhaut auf. Der<br />
Erbgang der Erkrankung ist autosomal dominant mit nahezu<br />
100% Penetranz. Erste Symptome treten in der Regel am<br />
Ende der 2. Lebensdekade auf, bei fehlender Behandlung<br />
kommt es ca. im Alter von 35 Jahren zu einer malignen<br />
Entartung der Adenome. Deshalb ist die Behandlung der<br />
Wahl eine prophylaktische Proktokolektomie.<br />
Ca. 70% der Patienten mit FAP weisen eine diagnostisch<br />
verwertbare kongenitale Hypertrophie des retinalen<br />
Pigmentepithels (CHRPE) auf. Polypen können auch im<br />
Duodenum auftreten. Adenome werden auch in Kombination<br />
mit anderen extrakolonischen Manifestationen beobachtet.<br />
Diese werden eigenständig benannt:<br />
Gardner-Syndrom: Kolonpolyposis, Osteome des Kiefers<br />
<strong>und</strong> der langen Röhrenknochen, Epidermoidzysten/kutane<br />
Fibrome.<br />
Turcot-Syndrom: Zusätzlich Hirntumoren wie Medullo- oder Glioblastom.<br />
Attenuierte FAP (AAPC, hereditary flat adenoma syndrome):<br />
mildere Verlaufsform, die sich durch eine geringere Polypenzahl <strong>und</strong> ein späteres Auftreten auszeichnet, jedoch<br />
auch ein sehr hohes KRK-Risiko hat.<br />
Genetische Gr<strong>und</strong>lagen der FAP<br />
Keimbahnmutationen im Tumor-Suppressorgen APC (adenomatous polyposis coli) auf dem Chromosom 5q 21<br />
führen zu einem inaktiven Genprodukt.<br />
Bisher wurden über 800 verschiedene Mutationen im APC-Gen identifiziert. Fast jede Familie hat ihre eigene<br />
Mutation. Derzeit lassen sich bei 65% der Familien mit FAP Keimbahnmutationen identifizieren. Die Zahl der<br />
Adenome <strong>und</strong> das Manifestationsalter sind von der Lage der Mutation im APC-Gen abhängig. Es besteht jedoch<br />
innerhalb der Familie eine große Variabilität, so dass auch zusätzliche Einflüsse, wie weitere modifizierende<br />
Gene <strong>und</strong> Umweltfaktoren wahrscheinlich eine Rolle spielen.<br />
Die Diagnose einer klassischen FAP erfolgt aufgr<strong>und</strong> des klinischen <strong>und</strong> histopathologischen Bef<strong>und</strong>es. Die<br />
Identifizierung der Keimbahnmutation ist vor allem für Grenzfälle, zum Beispiel bei attenuierter FAP, <strong>und</strong> für<br />
die prädiktive Testung von Risikopersonen von Bedeutung.<br />
(Siehe auch „Früherkennung bei erhöhtem Risiko“).<br />
Hamartomatöse Polyposis<br />
Familiäre juvenile Polyposis (FJP)<br />
Dieser Typ liegt vor, wenn mindestens fünf „juvenile“ Polypen“ oder ein juveniler Polyp bei positiver<br />
Familienanamnese vorhanden sind. Juvenile Polypen weisen charakteristische pathomorphologische Merkmale<br />
auf. Das Risiko, bis zum 60. Lebensjahr an einem KRK zu erkranken liegt bei 20-60%.<br />
Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS)<br />
Hamartomatöse Polypen finden sich im Gastrointestinaltrakt, meist im Dünndarm <strong>und</strong> Magen, seltener im<br />
Kolon. Hamartomatöse Polypen haben ein geringeres Entartungsrisiko als Adenome. Anlageträger haben aber<br />
ein erhöhtes Risiko für kolorektale <strong>Karzinome</strong> <strong>und</strong> auch für andere intestinale <strong>und</strong> extraintestinale Tumore<br />
(Magen, Mamma, Pankreas u.a.). Eine Hamartom-Karzinomsequenz ist in Diskussion. Ursächlich ist eine<br />
autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die durch eine Keimbahnmutation des STKL/LKB1-Gens verursacht<br />
wird. Die bisher nachgewiesenen Keimbahnmutationen sind über das gesamte Gen verteilt <strong>und</strong> bei fast jeder<br />
Familie anders. Die klinische Diagnose ist gesichert bei Auftreten von typischen Pigmentflecken um die Lippen<br />
sowie der M<strong>und</strong>schleimhaut <strong>und</strong> gleichzeitigem Vorliegen von Hamartomen.<br />
Cowden-Syndrom<br />
Beim autosomal vererbten Cowden-Syndrom finden sich multiple Hamartome in vielen Geweben<br />
einschliesslich des Darmes. Das Risiko ist insbesondere für Mamma- <strong>und</strong> Schilddrüsenkarzinome erhöht. Es<br />
liegen Keimbahnmutationen des PTEN-Gens vor.<br />
183<br />
Typische adenomatöse Polyposis coli. Aus: G.Rosenbusch, JWA<br />
Reeders, Klinische Radiologie, Endoskopie. Thieme-Verlag
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
HNPCC<br />
Hereditäres nichtpolypöses KRK (HNPCC, Lynch-Syndrom)<br />
Das HNPCC ist die häufigste erbliche Form des kolorektalen Karzinoms (KRK). Die Diagnose lässt sich nicht<br />
eindeutig anhand des Phänotyps stellen, weshalb es nur Schätzwerte zur Prävalenz im Bereich von 2-10% gibt.<br />
Das HNPCC folgt ebenfalls einem autosomal dominanten Erbgang mit einer Penetranz von maximal 80% bis<br />
zum 75. Lebensjahr. Treten im Rahmen eines HNPCC ausschließlich KRK auf, so wird dies als Lynch-<br />
Syndrom I bezeichnet. Bei HNPCC-Patienten besteht jedoch auch eine hohe Wahrscheinlichkeit, Malignome<br />
außerhalb des Kolons zu entwickeln. Bei KRK <strong>und</strong> extrakolonischem Karzinom spricht man von einem Lynch-<br />
Syndrom II.<br />
Das HNPCC ist charakterisiert durch ein frühes Manifestationsalter (durchschnittlich 45 Jahre) <strong>und</strong> eine<br />
Neigung zur Manifestation im proximalen Kolon. Die Tumore sind weniger differenziert <strong>und</strong> produzieren<br />
häufig exzessive Massen von Schleim (muzinöse KRK). Die klinische Diagnose HNPCC kann gestellt werden,<br />
wenn in der Familie der Betroffenen die sogenannten Amsterdam-Kriterien erfüllt sind (siehe folgende Seite).<br />
Neuere Studien zeigen jedoch, dass mit den strengen Amsterdam-Kriterien ein nicht unerheblicher Anteil der<br />
Mutationsträger nicht erkannt wird. Eine Studie aus Finnland fand heraus, dass bei Berücksichtigung aller<br />
Angehörigen mit Mutationsnachweis <strong>und</strong> nicht nur der Indexpatienten mit CRC aus bekannten<br />
Amsterdamfamilien das Erkrankungsalter mit knapp 61 Jahren deutlich höher lag (Hampel H et al., Gastroenterology<br />
2005;129:415-21). Die weiter gefassten <strong>und</strong> vor kurzem überarbeiteten Bethesda-Kriterien (siehe folgende Seite)<br />
sind derzeit die beste Filtermethode für HNPCC.<br />
Mikrosatelliten-Instabilität<br />
Tumoren von Patienten, bei denen die Amsterdam Kriterien vorliegen, zeigen in ca. 80-90% der Fälle eine<br />
sogenannte Mikrosatelliteninstabilität (MSI). Dieses Phänomen ist jedoch auch bei 15% der sporadischen CRC<br />
nachweisbar. Die Mikrosatelliten-DNA ist eine kurze Nukleotidsequenz, die an einem bestimmten Locus auf<br />
einem individuellen Chromosom normalerweise in umschriebener Zahl vorkommt. Die MSI wird durch eine<br />
Mutation in einem DNA-Mismatch-Reparatur-Gen verursacht. Diese Reparaturgene erkennen normalerweise<br />
während der DNA-Replikationen falsch in den neuen Strang eingebaute Nukleotide, deren Basen sich nicht mit<br />
denen des alten Strangs paaren können („mismatch“), <strong>und</strong> ersetzen diese.<br />
Bisher sind 9 humane Mismatch-Reparatur-Gene bekannt, die in der Pathogenese des HNPCC eine Rolle<br />
spielen (hMSH2, hMLH1, hMSH6, hPMS1, hPMS2, hMSH5, hMSH3, hMSH4, hMLH3). Beim HNPCC liegen<br />
in ca. 70% Mutationen im hMSH2-Gen (Chromosom 2p21) oder hMLH1-Gen (3p21-23) vor.<br />
Diagnostik-Algorithmus<br />
AC/Bethesda-Kriterien<br />
unauffällig<br />
Derzeit ∅ weitere<br />
Gendiagnostik<br />
sinnvoll<br />
unauffällig<br />
MSI<br />
auffällig<br />
IHC<br />
Prädiktive Testung möglich<br />
auffällig<br />
Keimbahnmutationssuche<br />
positiv<br />
negativ<br />
Engel C. et al. Int J Cancer 2006<br />
Aufgr<strong>und</strong> dieser Erkenntnisse ist es möglich<br />
geworden, das HNPCC-Syndrom<br />
molekulargenetisch zu diagnostizieren. Ein<br />
Problem dabei ist, dass die molekulargenetische<br />
Analyse der Mismatch-Reparaturgene durch<br />
Sequenzierung relativ aufwendig <strong>und</strong> kostspielig<br />
ist. Außerdem wird nicht bei allen Familien, die<br />
die klinischen Kriterien erfüllen, auch eine<br />
Mutation in den oben angeführten Genen<br />
gef<strong>und</strong>en.<br />
Deshalb wird stufenweise vorgegangen. Anhand<br />
der Bethesda-Kriterien werden Patienten<br />
identifiziert, deren Tumorgewebe auf eine MSI<br />
untersucht werden soll. Die MSI-Analyse sollte<br />
mindestens 5 definierte Marker umfassen, von<br />
denen 2 oder mehr (>40%) eine Instabilität<br />
zeigen sollten. Die immunhistochemische (IHC)<br />
Analyse, die auf jeden Fall als Panel Antikörper<br />
gegen MSH2 <strong>und</strong> MLH1 umfassen soll, kann bei<br />
hoher Übereinstimmung mit dem MSI-Bef<strong>und</strong><br />
auch dem MSI-Test vorgeschaltet werden. Bei<br />
positivem Ausfall der Immunhistochemie oder der MSI-Analyse erfolgt eine Mutationsanalyse im Blut.<br />
Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss eine eingehende humangenetische Beratung erfolgen.<br />
184
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
HNPCC-Amsterdam-/ Bethesda-Kriterien<br />
Für eine einheitliche Erfassung von Patienten mit hereditärem nicht-polypösem Kolonkarzinom<br />
(HNPCC) aufgr<strong>und</strong> klinischer Daten wurden 1991 die Amsterdam-Kriterien festgelegt. Die<br />
Amsterdam-II-Kriterien berücksichtigen auch weitere, häufig auftretende Tumoren aus dem<br />
HNPCC-typischen Spektrum. Die 1996 definierten Bethesda-Kriterien sind weiter gefasst, um die<br />
Gefahr einer Nichterkennung von Risikopersonen zu verringern. Sie wurden 2004 überarbeitet<br />
aufgr<strong>und</strong> der Kenntnis, dass HNPCC auch in höherem Alter auftreten können als bisher angenommen.<br />
Amsterdam-Kriterien I (klassische Amsterdam-Kriterien)<br />
In der Familie müssen mindestens 3 Personen an einem kolorektalen Karzinom erkrankt sein, wobei alle<br />
folgenden Kriterien erfüllt sein müssen:<br />
1. Einer der drei Patienten ist ein Verwandter ersten Grades der beiden anderen Erkrankten.<br />
2. Mindestens zwei aufeinanderfolgende Generationen sind betroffen.<br />
3. Mindestens ein kolorektales Karzinom wurde vor dem 50.Lebensjahr diagnostiziert.<br />
4. Eine familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) ist ausgeschlossen.<br />
5. Die Tumoren sind histopathologisch verifiziert.<br />
Amsterdam-Kriterien II (erweiterte Kriterien 1998)<br />
In der Familie müssen mindestens 3 Personen an einem HNPCC-assoziierten Tumor erkrankt sein, wobei alle<br />
folgenden Kriterien erfüllt sein müssen:<br />
1. Einer der drei Patienten ist ein Verwandter ersten Grades derbeiden anderen Erkrankten.<br />
2. Mindestens zwei aufeinanderfolgende Generationen sind betroffen.<br />
3. Mindestens ein kolorektales Karzinom wurde vor dem 50. Lebensjahr diagnostiziert.<br />
4. FAP ist bei den CRC-Patienten ausgeschlossen.<br />
5. Die Tumoren sind histopathologisch verifiziert.<br />
Überarbeitete Bethesda-Kriterien (Umar A. et al. J Natl Cancer Inst 2004; 261-268)<br />
Tumoren von Patienten, die eines der folgenden Kriterien erfüllen, sollen auf eine<br />
Mikrosatelliteninstabilität untersucht werden<br />
1. Diagnose eines KRK vor dem 50. Lebensjahr<br />
2. Diagnose von syn- oder metachronen kolorektalen oder anderen HNPCC-assoziierten Tumoren (Kolon,<br />
Rektum, Endometrium, Magen, Ovar, Pankreas, Ureter, Nierenbecken, biliäres System, Gehirn, v.a.<br />
Glioblastom, Haut, Dünndarm unabhängig vom Alter bei Diagnose.<br />
3. Diagnose eines KRK vor dem 60. Lebensjahr mit typischer Histologie eines MSI-H-Tumors (Tumorinfiltrierende<br />
Lymphozyten, Crohn´s like Lesions, muzinöses oder siegelringzellige Differenzierung,<br />
medulläres Karzinom)<br />
4. Diagnose eines KRK bei mindestens einem erstgradig Verwandten mit einem HNPCC-assoziiertem Tumor,<br />
davon Diagnose mindestens eines Tumors vor dem 50. Lebensjahr.<br />
5. Diagnose eines KRK bei zwei oder mehr erstgradig Verwandten mit einem HNPCC-assoziierten Tumor,<br />
unabhängig vom Alter.<br />
Lebenszeitrisiko HNPCC-assoziierte (Chung DC. Ann Intern Med 2003;138:560-70)<br />
Tumorlokalisation HNPCC (%) Normalbevölkerung (%)<br />
Kolorektum 80-82 5-6<br />
Endometrium 50-60 2-3<br />
Magen 13 1<br />
Ovar 12 1-2<br />
Harnblase 4 1-3<br />
Niere 3 1<br />
Dünndarm 1-4 0,01<br />
Gehirn 4 0,6<br />
Hepatobiliäres System 2 0,6<br />
185
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Prävention, Ernährungsfaktoren, Lebensgewohnheiten<br />
Genetische <strong>und</strong> epidemiologische Studien zeigen, dass ein CRC durch eine komplexe Interaktion zwischen<br />
genetischen Risikofaktoren <strong>und</strong> Umweltfaktoren entsteht. Vermutlich wird die Progression der primär genetisch<br />
determinierten Adenom-Karzinom-Sequenz durch Umweltfaktoren, insbesondere Ernährungsfaktoren bestimmt. Der<br />
World Cancer Research F<strong>und</strong> schätzt, dass bis zu 50% der CRC durch diätetische Massnahmen vermeidbar sind<br />
(Potter J. 1997, World Cancer Research F<strong>und</strong>, London, and American Institute for Cancer Research, Washington). In<br />
den bisher vorliegenden Studien ist es bisher aber noch nicht gelungen, diese Zusammenhänge im Detail zu<br />
charakterisieren <strong>und</strong> präventive Strategien zu entwickeln.<br />
Fett, Fleisch <strong>und</strong> Zubereitungsmethoden<br />
Die karzinogene Wirkung von fett- <strong>und</strong> cholesterinreicher Ernährung beruht zum einen auf einer erhöhten Produktion<br />
<strong>und</strong> hepatischen Ausscheidung von Gallensäuren <strong>und</strong> Cholesterin, zum anderen infolge Abbau durch Darmbakterien<br />
auf einer Konzentrationssteigerung toxischer sek<strong>und</strong>ärer Gallensäuren. Zusammen mit verstärkt synthetisierten<br />
Triglyceriden <strong>und</strong> fäkalen Pentanen besteht ein großes Angebot an Karzinogenen. Die Menge des gesamten<br />
Fleischkonsums spielt keine Rolle, jedoch aber der Anteil an rotem Fleisch (Rind, Schwein, Lamm) <strong>und</strong> ein hoher<br />
Fettanteil. Bei hohen Kochtemperaturen beim Braten <strong>und</strong> Grillen entstehen aus tierischen Proteinen weitere<br />
Karzinogene. Während große geographische <strong>und</strong> internationale Unterschiede für die Inzidenz des KRK in enger<br />
Verbindung mit dem Pro-Kopf-Verbrauch für Fleisch <strong>und</strong> Fett bestehen, kommen zahlreiche große, auch aktuelle,<br />
epidemiologische Studien zu uneinheitlichen Ergebnissen.<br />
Ballaststoffe<br />
Lösliche Ballaststoffe induzieren im Darm infolge von Abbau durch anaerobe Darmbakterien eine gesteigerte<br />
Synthese von kurzkettigen Fettsäuren, denen ein protektiver Effekt zugeschrieben wird. Unlösliche Ballaststoffe<br />
führen über ein erhöhtes Stuhlvolumen zu einer Verdünnung von Karzinogenen im Darmlumen <strong>und</strong> durch eine<br />
Beschleunigung der Darmpassage zu einer verminderten luminalen Karzinogen-Exposition.<br />
Gemüse, Früchte <strong>und</strong> Getreide<br />
Für Gemüse, Früchte <strong>und</strong> Getreide wird in vielen retrospektiven Studien ein protektiver Effekt für Adenome <strong>und</strong><br />
<strong>Karzinome</strong>, allerdings mit eher schwacher Assoziation beschrieben. Eine europäische Studie mit über 500.000<br />
Personen (EPIC-Studie) aus 10 europäischen Ländern zeigte für die ersten 5 Jahre des Follow-up eine signifikante<br />
Reduktion des relativen Risikos für ein kolorektales Karzinom von 0,75 in Abhängigkeit von der täglichen<br />
Ballaststoffzufuhr.<br />
Vitamine, Spurenelemente <strong>und</strong> essentielle Aminosäuren<br />
Die Untersuchungsergebnisse sind uneinheitlich <strong>und</strong> es gibt keine Empfehlung zur Supplementierung. Ein möglicher<br />
Effekt ist für Selen beschrieben, möglicherweise auch für Calcium (mehr als 1250 mg/die), Folsäure <strong>und</strong> Methionin.<br />
Alkohol<br />
Die Studien zur Rolle des Alkohols sind uneinheitlich. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass die entscheidende<br />
Einflussgrösse die absolute Äthanolmenge unabhängig von der Art des alkoholischen Getränks darstellt. In einer<br />
umfassenden Metaanalyse errechnet sich bei einem Alkoholkonsum von 25, 50 <strong>und</strong> 100 g/die ein relatives Risiko von<br />
1,14, 1,21 <strong>und</strong> 1,32. Ein zusätzlicher Folsäure- <strong>und</strong> Methioninmangel erhöht das Karzinomrisiko dabei zusätzlich.<br />
Rauchen, Nikotin<br />
Für die Entwicklung adenomatöser kolorektaler Polypen zeigen zahlreiche Studien übereinstimmend für<br />
Zigarettenraucher ein 2-3fach erhöhtes Risiko. Für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms sind die Daten<br />
uneinheitlich. Eine aktuelle amerikanische Fallkontrollstudie ermittelte eine 50%ige Zunahme für ein KRK bei einem<br />
Konsum von mehr als 20 Zigaretten/die sowie eine 40%ige Risikosteigerung bei mehr als 35 Packungsjahren. Diese<br />
Risikosteigerung ist möglicherweise abhängig von genetischen Polymorphismen für N-Acetyltransferase <strong>und</strong><br />
Cytochrom-P450.<br />
Körperliche Aktivität<br />
Es gibt mehrere Beobachtungsstudien, die einen protektiven Effekt von vermehrter körperlicher Aktivität im Hinblick<br />
auf ein KRK gef<strong>und</strong>en haben (Friedenreich CM et al., Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2001;10:287-301). Die mittlere<br />
relative Risikoreduktion durch vermehrte körperliche Aktivität beträgt zwischen 40-50%.<br />
Eine aktuelle prospektive Beobachtungsstudie (Meyerhardt J. et al., J Clin Oncol 2006; 24:3535-3541) zeigte für Patienten im<br />
Stadium III nach Operation <strong>und</strong> adjuvanter Chemotherapie ebenfalls eine signifikante Verbesserung des<br />
krankheitsfreien <strong>und</strong> des Gesamtüberlebens in derselben Größenordnung bei körperlicher Aktivität, die standardisiert<br />
gemessen wurde.<br />
Evidenz nach Experten-Gremium der WHO <strong>und</strong> der FAO (Food and Agriculture of the UN)<br />
Risikoreduktion: durch körperliche Aktivität überzeugend, durch Ballaststoffe möglich.<br />
Risikoerhöhung: durch Übergewicht überzeugend, durch verarbeitete Fleischwaren wahrscheinlich.<br />
186
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Chemoprävention<br />
Acetylsalicylsäure<br />
Mehrere placebokontrollierte Phase-III-Studien fanden bei Patienten nach Adenomabtragung oder<br />
nach KRK eine signifikant niedrigere Adenom-Inzidenzrate unter Aspirineinnahme bereits nach einem<br />
Jahr Nachbeobachtungszeit. Dabei korrelieren sowohl die Dauer der Aspirineinnahme als auch die<br />
Aspirindosierung mit der bis zu 50%igen Reduktion des relativen Risikos, ein KRK zu entwickeln <strong>und</strong><br />
daran zu versterben.<br />
Auf der DDW 2006 (Digestive Disease Week) wurden die Ergebnisse der uKCAP-Studie vorgestellt,<br />
in der der Effekt von 300 mg ASS auf die Rezidivhäufigkeit kolorektaler Adenome untersucht wurde.<br />
Es zeigte sich bei dieser randomisierten Doppelblindstudie mit 945 Adenomträgern (>0,7 cm) eine<br />
signifikante Senkung der Rezidivrate um 21% (Logan RF et al., DDW 2006, Abstract 438). Diese Studie<br />
unterstreicht die Effektivität von ASS. Zu bedenken sind jedoch die potentiellen Nebenwirkungen der<br />
Therapie.<br />
Sulindac<br />
Durch eine Sulindac-Behandlung konnte bei FAP-Patienten sowohl eine Reduktion der Polypengröße<br />
als auch der Polypenzahl erzielt werden. Inwieweit diese Adenomreduktion den weiteren Verlauf der<br />
FAP <strong>und</strong> die Mortalität beeinflusst, muss in weiteren Studien überprüft werden.<br />
Selektive COX2-Inhibitoren (COXIBE)<br />
Ebenfalls auf der DDW 2006 wurden die Resultate von 2 großen Studien (preSAP, APC) vorgestellt,<br />
in denen die Wirkung des COX2-Hemmers Celecoxib auf die Rezidivrate kolorektaler Adenome<br />
untersucht wurde. Es fand sich eine signifikante dosisabhängige Senkung der Rezidive um 33-45%.<br />
Bereits 2005 war gezeigt worden, dass unter der Medikation mit 25 mg Rofecoxib die Rezidivrate<br />
kolorektaler Adenome um 25% gesenkt werden konnte (APPROVE-Studie). Aufgr<strong>und</strong> der<br />
kardiovaskulären Nebenwirkungen der COX2-Hemmer, die u.a. in der APC <strong>und</strong> der APPROVE-<br />
Studie auftraten <strong>und</strong> zur Marktrücknahme von Rofecoxib geführt haben, werden die Coxibe in der<br />
Prävention von Adenomen wohl eher nicht weiter eingesetzt werden.<br />
Statine<br />
In Tiermodellen zeigen Statine eine Senkung der Entstehung kolorektaler <strong>Karzinome</strong> u.a. durch eine<br />
Apoptoseinduktion. In mehreren großen Fall-Kontrollstudien konnte ein protektiver Effekt auf die<br />
Entstehung eines KRK gezeigt werden. In einer großen Studie aus Israel lag die KRK-Inzidenz für<br />
Patienten mit Einnahme von Statinen 47% unter der einer Kontrollgruppe (Poynter JN et al., NEJM<br />
2005;352:2184-92).<br />
Hormonsubstitution<br />
Eine Östrogen/Progesteronmedikation führte in einer großen Studie mit 16.608 postmenopausalen<br />
Frauen nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 5,6 Jahren zu einer signifikanten Reduktion der<br />
Inzidenz für ein KRK mit einer Hazard-Ratio von 0,65.<br />
Fazit: Aus der aktuellen Datenlage können noch keine Empfehlungen für eine generelle primäre<br />
Chemoprophylaxe abgeleitet werden. Keine Substanz sollte außerhalb von Studien zur<br />
Chemoprävention von kolorektalen <strong>Karzinome</strong>n oder Adenomen in der Allgemeinbevölkerung<br />
(Standardrisiko) eingesetzt werden. Prospektive Therapiestudien sind notwendig, um v.a. für<br />
bestimmte Risikogruppen den Nutzen einer kontinuierlichen langjährigen Chemoprophylaxe in<br />
bezug auf die jeweiligen Nebenwirkungsprofile zu ermitteln.<br />
187
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
S3-Leitlinie 2004 <strong>und</strong> Aktualisierung 2008, I<br />
Das Informationszentrum für Standards in der <strong>Onkologie</strong> der Deutschen Krebsgesellschaft erstellt <strong>und</strong><br />
aktualisiert seit 1996 Leitlinien zu Diagnostik, Therapie, Nachsorge, Rehabilitation <strong>und</strong> Palliation onkologischer<br />
Erkrankungen. Bisher sind über 50 Leitlinien erarbeitet worden. Die Mehrzahl sind S1-Leitlinien. Hinsichtlich<br />
ihrer Qualität <strong>und</strong> praktischen Brauchbarkeit werden Leitlinien in drei Stufen klassifiziert.<br />
Stufe 1: Expertengruppe<br />
repräsentativ zusammengesetzt, erarbeitet im informellen Konsens eine Leitlinie, die vom Vorstand<br />
der entsprechenden wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaft verabschiedet wird.<br />
Stufe 2: Formale Konsensusfindung<br />
Diskussion der Literatur für die Feststellungen <strong>und</strong> Empfehlungen, Verabschiedung in einem<br />
interdisziplinären, formalen Konsensusverfahren.<br />
Stufe 3: Leitlinie mit allen Elementen systematischer Entwicklung<br />
Formale Konsensusfindung, systematische Recherche <strong>und</strong> Bewertung der Literatur sowie<br />
Klassifizierung von Studien <strong>und</strong> Empfehlungen nach den Kriterien der Evidenz-basierten Medizin,<br />
klinische Algorithmen, Outcome-Analyse, Entscheidungsanalyse.<br />
Leitlinien als systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Ärzte <strong>und</strong> Patienten sind ein wichtiges Instrument des<br />
Qualitätsmanagements in der Medizin <strong>und</strong> werden auch von der Ges<strong>und</strong>heitspolitik gefordert (§137e-g SGBV). Die<br />
kontinuierliche Verbesserung der methodischen Qualität von Leitlinien ist daher ein wichtiges medizinisches <strong>und</strong><br />
gesellschaftliches Ziel.<br />
1999 wurde erstmalig von der DGVS. in Zusammenarbeit mit der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) eine S3-<br />
Leitlinie für das KRK erarbeitet, die flächendeckend eine standardisiert hochwertige Patientenversorgung auf dem<br />
Boden evidenzbasierter Medizin erreichen sollte. Um die Empfehlungen auf dem neuesten Stand wissenschaftlicher<br />
Erkenntnis zu halten, wurde die Leitlinie 2004 in enger Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der<br />
wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) aktualisiert.<br />
2008 wurde aufgr<strong>und</strong> der raschen Fortschritte auf dem Gebiet der medikamentösen Tumortherapie <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong><br />
neuer Erkenntnisse zur differenzierten Polypennachsorge zunächst eine Aktualisierung der Themenkomplexe IV<br />
(Polypenmanagement), VI (adjuvante <strong>und</strong> neoadjuvante Therapie) <strong>und</strong> VII (Vorgehen bei Metastasierung <strong>und</strong><br />
palliative Situation) durchgeführt.<br />
Die Ausarbeitung erfolgte unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- <strong>und</strong><br />
Stoffwechselkrankheiten (DGVS.) mit Unterstützung der Deutschen Krebshilfe - in Zusammenarbeit mit der:<br />
• Deutschen Krebsgesellschaft (DKG)<br />
• Deutschen Gesellschaft für Hämatologie <strong>und</strong> <strong>Onkologie</strong> (DGHO)<br />
• Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)<br />
• Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie (DGK)<br />
• Deutschen Gesellschaft für Pathologie (DGP)<br />
• Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO)<br />
• Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie (DGVC)<br />
• Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft <strong>Onkologie</strong> (CAO-V)<br />
• Vereinigung für Stomaträger <strong>und</strong> für Menschen mit Darmkrebs (Deutsche ILCO)<br />
• Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV)<br />
• Deutschen Röntgengesellschaft (DRG)<br />
• Deutschen vereinten Gesellschaft für klinische Chemie <strong>und</strong> Laboratoriumsmedizin (DGKL)<br />
Leitung: W. Schmiegel unter Mitarbeit von A.Reinacher-Schick, C.Pox, I. Kopp<br />
Schmiegel W. et al. S3-Leitlinie „<strong>Kolorektale</strong>s Karzinom“, Z Gastroenterol 2008;46:1-73<br />
www.dgvs.de/media/Leitlinie.pdf<br />
188
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
S3-Leitlinie 2004 <strong>und</strong> Aktualisierung 2008, II<br />
Themenkomplexe der S3-Leitlinie <strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Details siehe www.dgvs.de/media/Leitlinie.pdf<br />
I. Prävention asymptomatische Bevölkerung<br />
II. Screening der asymptomatischen Bevölkerung<br />
III. Risikogruppen<br />
Sporadisches kolorektales Karzinom; Hereditäre kolorektale <strong>Karzinome</strong>; Chronisch entzündliche<br />
Darmerkrankungen<br />
IV. Endoskopie: Durchführug <strong>und</strong> Polypenmanagement (Aktualisierung 2008)<br />
V. Präoperative Diagnostik <strong>und</strong> Chirurgie<br />
VI. Adjuvante <strong>und</strong> Neoadjuvante Therapie des Kolon- <strong>und</strong> Rektumkarzinoms (Aktualisierung 2008)<br />
VII. Therapeutisches Vorgehen bei Metastasierung <strong>und</strong> in der palliativen Situation (Aktualisierung 2008)<br />
VIII. Nachsorge<br />
Die für die Konsensfindung <strong>und</strong> zum Verständnis der Empfehlungen relevante Literatur wurde nach den<br />
Empfehlungen des Centre for Evidence-Based Medicine, Oxford, UK (Quelle: http://www.cebm.net/)<br />
bewertet. Der Klassifizierung der Evidenzgrade wurden neben der Angemessenheit des Studiendesigns auch die<br />
Angemessenheit der Durchführung <strong>und</strong> der Auswertung der Studien zugr<strong>und</strong>e gelegt. In der Regel bestimmt der<br />
Evidenzgrad den Empfehlungsgrad. Bei der Formulierung der Empfehlungen wird zwischen drei Modalitäten<br />
unterschieden ( A = „soll“, B = „sollte“, C = „kann/unklar“). Der in der Aktualisierung der Themenkomplexe<br />
IV, VI <strong>und</strong> VII verwendete Empfehlungsgrad 0 entspricht dem vorher verwendeten Empfehlungsgrad C.<br />
A<br />
Empfehlungsgrad<br />
Evidenzgrad<br />
1-a<br />
1-b<br />
1-c<br />
Typen von Therapiestudien<br />
Systematische Übersicht über randomisierte kontrollierte Studien (RCT)<br />
Eine RCT (mit engem Konfidenzintervall)<br />
Alle-oder-keiner-Prinzip<br />
B<br />
C<br />
2-a<br />
2-b<br />
3-a<br />
3-b<br />
Systematische Übersicht gut geplanter Kohortenstudien<br />
Eine gut geplante Kohortenstudie oder eine RCT minderer Qualität<br />
Systematische Übersicht über Fall-Kontroll-Studien<br />
Eine Fall-Kontroll-Studie<br />
C 4 Fallserien oder Kohorten- <strong>und</strong> Fall-Kontroll-Studien minderer Qualität<br />
C 5<br />
Expertenmeinung ohne explizite Bewertung der Evidenz oder basierend auf<br />
physiologischen Modellen/Laborforschung<br />
Während der Konferenz <strong>und</strong> der nachfolgenden schriftlichen Abstimmungen wurde der prozentuale Anteil der<br />
den Empfehlungen zustimmenden Teilnehmer sowie die absolute Zahl der Zustimmungen ermittelt, um die<br />
Konsensusstärke festzustellen.<br />
Klassifikation der Konsensusstärke<br />
starker Konsens<br />
Konsens<br />
mehrheitliche Zustimmung<br />
kein Konsens<br />
Zustimmung von > 95 % der Teilnehmer<br />
Zustimmung von > 75 – 90 % der Teilnehmer<br />
Zustimmung von > 50 – 75 % der Teilnehmer<br />
Zustimmung von < 50 % der Teilnehmer<br />
189
Lebensgewohnheiten<br />
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
S3-Leitlinie 2004/2008, Prävention, Ernährung<br />
Empfehlung<br />
Zur Risikoreduktion eines kolorektalen Karzinoms sollten regelmäßig körperliche Aktivitäten<br />
durchgeführt sowie eine Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Personen (BMI > 25 kg/m2) angestrebt<br />
werden.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke 2b, starker Konsens.<br />
Patienten sollten zur Nikotinkarenz angehalten werden.<br />
Empfehlungsgrad A, Evidenzstärke 2b; starker Konsens.<br />
Anmerkungen<br />
Personen mit höherem körperlichen Aktivitätsgrad haben in Querschnittsuntersuchungen weniger Kolonpolypen<br />
(Adenome) <strong>und</strong> ein geringeres Karzinomrisiko. Zwei Kohortenstudien konnten zeigen, dass bereits 30 bis 60<br />
Minuten tägliche moderate körperliche Aktivität mit einem verringerten Karzinomrisiko einhergeht.<br />
Kolonpolypen (Adenome) finden sich häufiger bei Patienten mit höherem BMI. Bei übergewichtigen Personen<br />
war das Risiko für ein Kolonkarzinom bis zu zweifach erhöht, wobei unklar ist, ob die Risikoerhöhung durch<br />
das Übergewicht, die erhöhte Kalorienaufnahme oder durch die fehlende körperliche Aktivität bedingt ist.<br />
Rauchen ist mit einem erhöhten Risiko für Kolonadenome <strong>und</strong> -karzinome assoziiert. Trotz einer Evidenzstärke<br />
2b wurde von den Teilnehmern der Plenumsitzung der Empfehlungsrad auf A hochgestuft, um der nachweislich<br />
durch das Rauchen bedingten erhöhten extrakolischen Morbidität <strong>und</strong> Mortalität Rechnung zu tragen.<br />
Ernährungsempfehlungen<br />
Zur Risikoreduktion eines kolorektalen Karzinoms sollte die Ballaststoffaufnahme erhöht werden. Rotes<br />
bzw. verarbeitetes Fleisch sollte nicht täglich verzehrt werden.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens.<br />
Obst <strong>und</strong> Gemüse sollten vermehrt gegessen werden (5 Portionen am Tag). Eine Limitierung des<br />
Alkoholkonsums wird angeraten.<br />
Empfehlungsrad: B, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.<br />
Anmerkungen<br />
Obwohl es kontroverse Studien gibt, ist die Evidenz ausreichend, um eine ballaststoffreiche Ernährung<br />
(30g/Tag) zu empfehlen. Die alleinige Zufuhr von bestimmten Ballaststoffen scheint nicht ausreichend zu sein.<br />
Insbesondere hat die EPIC-Studie, die Ballaststoffaufnahmen zwischen 12 <strong>und</strong> 35 g/Tag untersucht hat, eine<br />
inverse Beziehung zwischen Ballaststoffzufuhr <strong>und</strong> Karzinomrisiko nachgewiesen. Die negativen Daten der<br />
Nurses Health Study könnten darauf zurück zu führen sein, dass die untersuchte Spannweite lediglich 9,8 bis<br />
24,9 g/Tag betrug.<br />
Eine höhere Zufuhr von Obst <strong>und</strong> Gemüse ist mit einer reduzierten Häufigkeit von<br />
Kolonadenomen/<strong>Karzinome</strong>n assoziiert. Die Evidenz ist für die Aufnahme von Gemüse eindeutiger als für die<br />
Aufnahme von Obst. Unklar ist jedoch, welche Bestandteile (Ballaststoffe, Flavonoide, Anthocyanine) einen<br />
protektiven Effekt haben. Durch mehrere Studien konnte ein moderat erhöhtes Karzinomrisiko bei täglicher<br />
Aufnahme von rotem bzw. verarbeitetem Fleisch gezeigt werden. Hoher Alkoholkonsum ist mit einem erhöhten<br />
Risiko für ein Kolonkarzinom assoziiert, insbesondere bei reduzierter Folsäureeinnahme. Zusätzlich scheint ein<br />
negativ synergistischer Effekt zwischen Rauchen <strong>und</strong> Alkohol zu bestehen. Das Risiko korreliert mit der Menge<br />
des aufgenommenen Alkohols <strong>und</strong> nicht mit der Art des alkoholischen Getränks.<br />
Keine Empfehlungen können zum Fischkonsum (starker Konsens), der Reduktion des Fettverzehrs<br />
(Konsens) oder der Förderung der Aufnahme Vitamin-C-haltiger Nahrung (starker Konsens) gegeben<br />
werden.<br />
Anmerkungen<br />
Mehrere Studien zeigen zwar eine Assoziation zwischen Fischkonsum <strong>und</strong> reduziertem Auftreten von<br />
Kolonpolypen. Die Evidenz reicht jedoch nicht aus, um eine Empfehlung geben zu können. Unter der<br />
Voraussetzung, dass Vitamin-C-haltige Nahrung im wesentlichen Obst <strong>und</strong> Gemüse ist, könnte dies empfohlen<br />
werden. Es liegen aber keine entsprechenden Studien vor. Eine erhöhte Menge von Fett in der Nahrung ist ein<br />
möglicher Risikofaktor für ein kolorektales Karzinom. Der Effekt von Kofaktoren (Fleischzufuhr, Übergewicht)<br />
kann nicht hinreichend abgetrennt werden.<br />
190
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
S3-Leitlinie 2004/2008, Prävention, Medikamente<br />
Ernährungsempfehlung (Fortsetzung)<br />
Zur Karzinomreduktion sollte die Ernährung folsäure- (Empfehlungsgrad B) <strong>und</strong> kalziumreich<br />
(Empfehlungsrad C) sein.<br />
Evidenzstärke 2b, starker Konsens.<br />
Anmerkungen<br />
Folsäurereiche Ernährung war assoziiert mit einem erniedrigten Karzinomrisiko. Ob dieser Effekt auf die<br />
Folsäure oder andere in einer folsäurereichen Ernährung erhaltenen Stoffe zurück zu führen ist, lässt sich nicht<br />
differenzieren. Kalziumreiche Ernährung war ebenfalls mit einem erniedrigten Karzinomrisiko assoziiert. Auch<br />
hier lässt sich nicht eindeutig unterscheiden, ob dieser Effekt auf Kalzium oder andere in einer kalziumreichen<br />
Ernährung enthaltenen Stoffe zurück zu führen ist.<br />
Mikronährstoffe <strong>und</strong> Medikamente<br />
Empfehlung<br />
Es gibt derzeit keine gesicherten Daten zur wirksamen Prävention des kolorektalen Karzinoms durch<br />
Mikronährstoffe <strong>und</strong> Medikamente. Diese Angaben gelten für Kalzium (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke 4).<br />
Magnesium (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke 5), ß-Carotin (Empfehlunsgrad B, Evidenzstärke 3b), Vitamin<br />
A (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke 3b), Vitamin C, Vitamin D, Vitamin E (Empfehlungsgrad C,<br />
Evidenzstärke 4), Folsäure (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke 2b) <strong>und</strong> Selen (Empfehlunsgrad C,<br />
Evidenzstärke 4). Die Einnahme dieser Substanzen im Rahmen der Primärprävention sollte daher derzeit nicht<br />
erfolgen. Zum Einsatz von Sulindac, COX-2-Inhibitoren, 5-ASA, Cholesterinsyntheseinhibitoren oder<br />
Ursodeoxycholsäure existieren keine Daten für die asymptomatische Bevölkerung, so dass diese Substanzen<br />
ebenfalls nicht für diese Indikation gegeben werden sollten. Starker Konsens.<br />
Anmerkungen<br />
Es gibt Hinweise, dass die Einnahme von Folsäure in einem Multivitaminpräparat einen protektiven Effekt auf<br />
die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms hat. Allerdings ist dieser Effekt für die Folsäure allein bisher<br />
nicht eindeutig nachgewiesen worden.<br />
Mehrere epidemiologische Untersuchungen an Personen mit erhöhter Einnahme von Vitamin A konnten eine<br />
Reduktion des Risikos für en kolorektales Karzinom nicht sichern.<br />
Für ß-Carotin fand sich in mehreren Studien kein genereller Effekt, jedoch in zwei Studien eine Reduktion der<br />
kolorektalen <strong>Karzinome</strong> bei Patienten mit erhöhter Alkoholzufuhr. Es ist nicht eindeutig belegt, dass die<br />
Einnahme hoher Dosen von Vitamin C das Risiko für ein kolorektales Karzinom senkt. Für die Vitamine D <strong>und</strong><br />
E ist die Datenlage unzureichend, so dass eine Aussage über mögliche protektive Effekte auf die Entwicklung<br />
eines kolorektalen Karzinoms nicht möglich ist.<br />
Durch Anreicherung der Nahrung mit Selen wurde eine Reduktion des KRK in einer prospektiven Studie<br />
festgestellt. Da in dieser Studie die Häufigkeit des kolorektalen Karzinoms nicht das Hauptzielkriterium war,<br />
reichen diese Daten nicht aus, um eine Empfehlung für Selen zur Reduktion des Risikos des kolorektalen<br />
Karzinoms zu geben.<br />
Empfehlung<br />
Eine Gabe von Acetylsalicylsäure für die Primärprophylaxe kolorektaler Neoplasien sollte nicht erfolgen.<br />
Empfehlungsgrad : A, Evidenzstärke 2a, starker Konsens<br />
Anmerkungen<br />
In einigen Kohorten- <strong>und</strong> Fall-Kontrollstudien wurde eine erniedrigte Inzidenz des KRK bei Einnahme<br />
von Aspirin gesehen. Diese Bef<strong>und</strong>e wurden jedoch in anderen Studien nicht bestätigt. Aufgr<strong>und</strong> der<br />
derzeitigen ungesicherten Datenlage <strong>und</strong> der fehlenden Bewertung der Nutzen-Risiko-Relation sollte<br />
ASS als Primärprävention nicht eingesetzt werden.<br />
Empfehlung:<br />
Eine Hormonersatztherapie zur Risikoreduktion eines KRK bei Frauen sollte nicht gegeben werden.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens<br />
Anmerkungen<br />
Obwohl es Hinweise auf eine Reduktion des KRK gibt, ist der Gesamtnutzen (Mammakarzinomrisiko,<br />
Thromboserisiko) derzeit eher negativ einzuschätzen. Aus diesem Gr<strong>und</strong> erfolgte bei starkem Konsens eine<br />
Höherstufung des Empfehlungsgrades auf A.<br />
191
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Prävention, Lebensgewohnheiten, NCI-Empfehlungen<br />
Evidenzbeurteilung der vorliegenden Studien zur Prävention des CRC durch das NCI (National Cancer<br />
Institute) der USA<br />
Fett, hochkalorische Ernährung<br />
Epidemiologische experimentelle <strong>und</strong> klinische Untersuchungen legen nahe, dass fett-, protein- <strong>und</strong><br />
kalorienreiche Ernährung, Alkoholkonsum, Fleischverzehr (sowohl rotes als auch weißes Fleisch) <strong>und</strong> eine<br />
Kalzium- <strong>und</strong> Folinsäure-arme Ernährung mit einer erhöhten Inzidenz des KRK assoziiert sind.<br />
Evidenzlevel 3 <strong>und</strong> 4.<br />
Ballaststoffe, Früchte <strong>und</strong> Gemüse<br />
Ballaststoffsupplementierung <strong>und</strong> Diäten, die fettarm, aber reich an Früchten <strong>und</strong> Gemüsen sind, reduzieren<br />
nicht die Rate der Rekurrenz von Adenomen über einen 3-4-jährigen Zeitraum.<br />
Evidenzlevel 1 <strong>und</strong> 3.<br />
Nichtsteroidale antiinflammatorische Medikamente<br />
Medikamente wie Piroxicam, Sulindac <strong>und</strong> Aspirin können Adenome verhindern oder zu einer Regression<br />
adenomatöser Polypen bei der familiären adenomatösen Polyposis führen.<br />
Evidenzlevel 1 <strong>und</strong> 3.<br />
Rauchen von Zigaretten<br />
Rauchen von Zigaretten ist assoziiert mit einer erhöhten Tendenz, Adenome auszubilden <strong>und</strong> ein CRC zu<br />
entwickeln.<br />
Evidenzlevel 3.<br />
Postmenopausaler Hormonersatz<br />
Postmenopausaler Ersatz weiblicher Hormone ist mit einer Verminderung des Risikos für ein Kolon-, aber nicht<br />
für ein Rektumkarzinom assoziiert.<br />
Evidenzlevel 3.<br />
Koloskopie<br />
Die Koloskopie mit Entfernung von adenomatösen Polypen kann das Risiko eines KRK reduzieren.<br />
Evidenzlevel 3.<br />
Empfehlung der American Cancer Society zur Ernährung <strong>und</strong> körperlichen<br />
Aktivität<br />
Ratschläge für eine ges<strong>und</strong>e Lebensweise<br />
♦Essen Sie eine Vielfalt ges<strong>und</strong>er Nahrungsmittel mit einem Schwergewicht auf pflanzlichen Erzeugnissen.<br />
- Essen Sie 5 mal am Tag Gemüse oder Obst.<br />
- Bevorzugen Sie Vollkorngetreide.<br />
- Begrenzen Sie den Verzehr von rotem Fleisch, insbesondere solchem mit hohem Fettgehalt.<br />
♦Legen Sie sich einen körperlich aktiven Lebensstil zu.<br />
- Wenigstens mäßige Aktivität für 30 Minuten an 5 oder mehr Tagen der Woche.<br />
♦Halten Sie ein normales Gewicht während der gesamten Lebenszeit.<br />
- Gleichen Sie Kalorienaufnahme mit körperlicher Aktivität aus.<br />
- Reduzieren Sie Ihr Gewicht, falls Sie übergewichtig sind.<br />
♦Wenn Sie Alkohol trinken, reduzieren Sie den Konsum auf geringe Mengen.<br />
"5 am Tag"<br />
In Anlehnung an die seit 1991 laufende amerikanische Kampagne "5 a day for better health" wurde im Mai<br />
2000 eine deutsche Aktion "5 am Tag" gegründet. Es wird empfohlen, 3 Portionen Gemüse (ca. 375 g) <strong>und</strong> 2<br />
Portionen Obst (ca. 250 g) pro Tag zu verzehren.<br />
Als einfache Richtlinie bei unterschiedlichen Portionsgrößen gilt die Regel<br />
"5 mal eine Handvoll",<br />
so dass sich auch für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche durch die Größe der Hände eine adäquate Portionsgrösse ergibt.<br />
Insbesondere beim Gemüsekonsum nimmt Deutschland bisher in der europäischen Vergleichsstatistik einen<br />
hinteren Platz ein (ca. 240g/die).<br />
192
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Früherkennung, Screening<br />
Früherkennung<br />
Das KRK ist einer Früherkennung gut zugänglich. Durch Screeninguntersuchungen kann die Erkrankung nicht<br />
nur in einem frühen, heilbaren Stadium erkannt, sondern auch bei Entdeckung <strong>und</strong> Entfernung von Polypen<br />
verhindert werden. So kann eine deutliche Reduktion von Inzidenz <strong>und</strong> Mortalität erzielt werden.<br />
Koloskopiescreening<br />
Die Koloskopie ist das sensitivs.te Verfahren zur Entdeckung von Polypen <strong>und</strong> kolorektalen <strong>Karzinome</strong>n.<br />
Eine longitudinale Verlaufsbeobachtung aus den USA von<br />
1980-1999 zeigte eine Senkung der Inzidenz von KRK<br />
durch Polypektomie von Adenomen bis zu 90%. Auf der<br />
DDW 2007 wurden Mortalitätsdaten der Kohortenstudie<br />
vorgestellt. Es zeigte sich eine Senkung der KRKbedingten<br />
Mortalität um 90% im Vergleich zu einer<br />
Adenomgruppe ohne Polypektomie <strong>und</strong> eine Senkung um<br />
50% im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (Zauber AG et<br />
al., DDW 2007, Abstract 268).<br />
Senkung der KRK-Inzidenz durch Polypektomie<br />
Ein Ziel der Vorsorgekoloskopie ist es, kolorektale <strong>Karzinome</strong> in einem frühen Stadium mit entsprechend guter<br />
Prognose zu diagnostizieren. Die Patienten, deren <strong>Karzinome</strong> im Rahmen des Screenings entdeckt werden,<br />
haben ein günstigeres Tumorstadium <strong>und</strong> damit eine günstigere Prognose (Gupta AK et al., Clin Gastroenterol Hepatol<br />
2005; 3: 150-8). Dies zeigen auch die Ergebnisse der Vorsorgekoloskopie in Deutschland (siehe folgende Seite).<br />
In den aktuellen Empfehlungen ist keine Altersbegrenzung für eine Vorsorgekoloskopie vorgesehen. In einer<br />
Untersuchung an 1244 Personen, die eine Vorsorgekoloskopie erhalten hatten, zeigte sich, dass die Inzidenz der<br />
gef<strong>und</strong>enen Neoplasien mit dem Alter zunimmt, die Zunahme an Lebensgewinn durch die Koloskopie bei über<br />
80 jährigen jedoch deutlich abnimmt. Die Autoren schließen daraus, dass bei älteren Patienten eine<br />
Vorsorgekoloskopie nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen sollte (Lin O. et al., JAMA<br />
2006;295:2357-65).<br />
Koloskopie – Untersuchungsintervall<br />
Eine deutsche Fall-Kontrollstudie untersuchte an 380 Patienten <strong>und</strong> 485 Kontrollen, wie lange der protektive<br />
Effekt einer unauffälligen Koloskopie anhält. Personen mit einer unauffälligen Koloskopie hatten ein 74%<br />
niedrigeres Risiko für ein KRK als Personen ohne frühere Koloskopie (adjusted Odds ratio = 0,26). Dieses<br />
niedrige Risiko bestand auch, wenn die Koloskopie bis zu 20 <strong>und</strong> mehr Jahre zurücklag. Die Autoren werfen die<br />
Frage auf, ob eine unauffällige Koloskopie jemals wiederholt werden muss (Brenner H. et al., Gut 2006;55:1145-50).<br />
Bevor aber das Untersuchungsintervall von 10 Jahren verlängert wird, sind sicherlich weitere Studien<br />
erforderlich.<br />
Neue/übersehene <strong>Karzinome</strong> nach Koloskopie (Bressler B. et al., Gastroenterology 2007;132:96-102)<br />
Studien zeigen, dass 4-6% aller <strong>Karzinome</strong> sowie bis 12% aller<br />
Polypen ≥10 mm übersehen werden.<br />
Eine Studie aus Kanada untersuchte die Rate <strong>und</strong> Riskofaktoren<br />
für neue oder übersehene <strong>Karzinome</strong> nach Koloskopie. In einer<br />
retrospektiven Analyse von 12487 Patienten mit neu<br />
diagnostiziertem KRK waren 5,9% bei einer vorangegangenen<br />
Koloskopie nicht entdeckt worden. Die Rate für ein übersehenes<br />
Karzinom war im rechten Kolon sowie im Transversum deutlich<br />
höher als im linken Kolon oder im Sigma/Rektum.<br />
Risikofaktoren waren höheres Patientenalter, eine Divertikulose,<br />
die Durchführung der Koloskopie von einem Internisten/<br />
Hausarzt versus Gastroenterologen sowie die Durchführung in der Praxis versus im Krankenhaus.<br />
Ein Teil der <strong>Karzinome</strong>, die im Verlauf nach einer Koloskopie entdeckt werden, ist möglicherweise auch durch<br />
rasch progrediente mikrosatelliteninstabile (MSI) Tumore bedingt. Weitere Ursachen für Intervallkarzinome<br />
sind inkomplette Untersuchungen, inkomplette Polypektomie <strong>und</strong> mangelhafte Darmvorbereitung.<br />
193<br />
Übersehene/neue <strong>Karzinome</strong>, Risikofaktoren
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Früherkennung, Koloskopiescreening<br />
Vorgehen zur Früherkennung bei der asymptomatischen Bevölkerung<br />
Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- <strong>und</strong> Stoffwechselkrankheiten <strong>und</strong> der<br />
Arbeitsgemeinschft für Gastroenterologische <strong>Onkologie</strong><br />
(Schmiegel W. et al. Z Gastroenterol 2004;42:1129-77):<br />
ab dem 50. Lebensjahr ● Koloskopie alle 10 Jahre (spätestens ab dem 55. Lebensjahr, obere<br />
Altersgrenze abhängig von Begleiterkrankungen), FOBT entfällt<br />
bei Ablehnung:<br />
ab dem 50. Lebensjahr<br />
bei Ablehnung:<br />
ab dem 50. Lebensjahr<br />
● Sigmoidoskopie alle 5 Jahre <strong>und</strong><br />
● jährlich Untersuchung des Stuhls auf okkultes Blut<br />
● jährlich Untersuchung des Stuhls auf okkultes Blut (siehe unten)<br />
Es wird die jährliche Durchführung einer FOBT aus 3 Testbriefchen, für drei aufeinander folgende Stuhlgänge,<br />
mit je zwei Proben pro Stuhl auf zwei Testfelder empfohlen. Bei einmalig positivem Testergebnis ist eine<br />
komplette endoskopische Darstellung des Dickdarms (Koloskopie bis zur Bauhinschen Klappe) nach digitaler<br />
rektaler Austastung erforderlich. Die Rehydrierung wird nicht empfohlen.<br />
Die Kassenärztliche B<strong>und</strong>esvereinigung hat die sogenannte "Vorsorge-Koloskopie" vom 56. Lebensjahr an<br />
als Früherkennungsleistung ab dem 1.10.2002 in das Programm aufgenommen. Sie sollte nach 10 Jahren<br />
einmal wiederholt werden. Zwischen 50 <strong>und</strong> 54 Jahren sollte jährlich ein FOBT durchgeführt werden. Wird<br />
die Koloskopie abgelehnt, steht der FOBT auch ab 55 Jahren zur Verfügung. Die Durchführung ist aber nur<br />
noch alle 2 Jahre vorgesehen.<br />
Vorsorgekoloskopie in Deutschland<br />
Seit Einführung der Vorsorgekoloskopie 2002 sind mehr als 2 Millionen Untersuchungen durchgeführt worden.<br />
Bis Ende 2005 hatten sich in der Zielgruppe der 55- bis 75jährigen 10,2% der anspruchsberechtigten Frauen <strong>und</strong><br />
8,8% der Männer einer Vorsorgekoloskopie unterzogen.<br />
Ein Ziel der Vorsorgekoloskopie ist es, kolorektale <strong>Karzinome</strong> in einem frühern Stadium mit entsprechend guter<br />
Prognose zu diagnostizieren. 2005 wurden 3829 <strong>Karzinome</strong> im Rahmen der Vorsorgekoloskopie diagnostiziert.<br />
Für 2556 liegen die Daten für eine Stadieneinteilung vor. 69% wurden in den prognostisch günstigen Stadien I<br />
<strong>und</strong> II entdeckt <strong>und</strong> damit deutlich früher als in einer Kontrollgruppe.<br />
Bei über 33.300 Personen (6,6%) wurde bei der Vorsorgekoloskopie ein fortgeschrittenes Adenom (≥ 10 mm,<br />
villöse Histologie oder höhergradige intraepitheliale Neoplasie) mit erhöhtem Progressionsrisiko in ein<br />
Karzinom entdeckt.<br />
Die Nebenwirkungsrate der Koloskopie ist gering <strong>und</strong> beträgt durchschnittlich 0,27%. Sie erhöht sich in<br />
Abhängigkeit vom Alter (bei > 79 Jahren 0,5%).<br />
194
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Screeningmethoden – FOBT<br />
Für die Darmkrebsfrüherkennung stehen folgende Untersuchungsverfahren zur Verfügung:<br />
- FOBT - Immunologische/Genanalytische Stuhltests<br />
- Sigmoidoskopie - Koloskopie<br />
- CT/ MRT-Kolonographie<br />
Fäkale okkulte Bluttestung (FOBT)<br />
Der Guajac- basierte Stuhltest auf okkultes Blut stellt ein geeignetes Screening für ein KRK dar. Dieser Test ist mit<br />
dem geringsten finanziellen, personellen <strong>und</strong> apparativen Aufwand verb<strong>und</strong>en. Die FOBT ist das einzige<br />
Screeningverfahren bisher, dessen Wirksamkeit hinsichtlich der Mortalitätssenkung belegt ist.<br />
Die Minnesota Studie zeigte eine Reduktion der Mortalität an KRK durch die jährliche FOBT von 8.8 auf 5,9/1000,<br />
was einer relativen Reduktion von 33% entspricht (Mandel JS et al., NEJM 1993; 328:1365-71). Eine Testung alle 2 Jahre<br />
führte zu einer relativen Mortalitätsreduktion von 21% (Mandel JS et al., Journal of National Cancer Institute 1999; 91:434-37).<br />
Nach 18 Jahren Follow-up zeigte sich die Inzidenz des KRK bei jährlicher Untersuchung um 20%, bei einer Testung<br />
alle 2 Jahre um 17% vermindert (Mandel JS et al.. NEJM 2000;343:1603-7). Die jährliche Untersuchung war also der<br />
Testung alle 2 Jahre hinsichtlich der Reduktion der Mortalität überlegen.<br />
Signifikanter Überlebensvorteil der<br />
Patienten mit regelmäßigem jährlichen<br />
Screening mit fäkalem Okkultbluttest<br />
(aus Mandel JS et al. NEJM 1993;<br />
328:1365)<br />
Metaanalysenergebnisse<br />
Metaanalyse von 4 randomisierten <strong>und</strong> 2 nicht randomisierten Studien mit insgesamt 442.000 Pat.<br />
Eine regelmäßige Testung, meist alle 2 Jahre, ergab eine Senkung der Mortalität um 23% (Towler B. et al.: BMJ 1998,<br />
317: 559-65). In allen Studien hatten ca. 1-5% der unselektioniert getesteten Personen ein positives Testresultat. Von<br />
den Personen mit positivem Test hatten 2-10% Krebs, 20-30% hatten Adenome. Wenn 10.000 Personen ähnlichen<br />
Alters <strong>und</strong> Risikos in den Studien ein Test alle zwei Jahre angeboten wurde <strong>und</strong> zwei Drittel wenigstens einen FOBT<br />
durchführten, konnten 8,5 Todesfälle an KRK in 10 Jahren verhindert werden.<br />
Nachteil des FOBT ist seine geringe Sensitivität, die für ein KRK etwa 30-50% <strong>und</strong> für Adenome nur etwa 15%<br />
beträgt. Deswegen ist die Aussagefähigkeit eines einmalig negativen FOBT gering. Bei einem einmalig positiven<br />
Testergebnis ist nach rektal-digitaler Untersuchung die Durchführung einer kompletten Koloskopie zwingend<br />
notwendig. Die Wiederholung eines einmalig positiven FOBT ist nicht sinnvoll. Die niedrige Sensitivität verbietet<br />
auch den Einsatz des FOBT bei der Abklärung symptomatischer Patienten oder im Screening von<br />
Hochrisikogruppen.<br />
Immunologische <strong>und</strong> genanalytische Stuhltests<br />
Neben den Guajak- Tests gibt es neuere, auf immunologischen Verfahren basierende Tests auf Hämoglobin. Mehrere<br />
Studien konnten zeigen, dass die Sensitivität im Hinblick auf die Detektion von <strong>Karzinome</strong>n oder fortgeschrittenen<br />
Adenomen höher ist als für Guajac- Tests (Guittet L. et al, Gut 2007;56:210-214). Ungeklärt ist der optimale Cut-off-Wert<br />
für einen positiven Test sowie die notwendige Anzahl von Stuhlproben. Die Untersuchung von 2 Stuhlproben steigert<br />
die Sensitivität deutlich. Leider sind auch die Tests verschiedener Anbieter nicht vergleichbar.<br />
Da der Tumor Zellen ins Darmlumen abgibt, können Genmutationen durch neue analytische Techniken in Faeces<br />
nachgewiesen werden. In einer großen randomisierten Screening-Studie war der genetische Stuhltest zwar dem<br />
Guajac- FOBT hinsichtlich der Sensitivität für <strong>Karzinome</strong> überlegen. Die Sensitivität von 52% war jedoch nur<br />
mässig <strong>und</strong> die für fortgeschrittene Adenome mit 15% niedrig (Imperiale TF et al., NEJM 2004;35:2704-14). Der Preis für<br />
genetische Stuhltests von mehreren h<strong>und</strong>ert Dollar ist hoch <strong>und</strong> die Testdurchführung ist umständlich, sodass zum<br />
gegenwärtigen Zeitpunkt der Einsatz als primäre Screeningmaßnahme außerhalb von Studien noch nicht sinnvoll<br />
erscheint.<br />
195
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Früherkennung, Sigmoido-, Koloskopie<br />
Sigmoidoskopie<br />
Die flexible Sigmoidoskopie wurde 1969 eingeführt. Sie erlaubt die komplette Untersuchung des distalen Kolons <strong>und</strong><br />
verlangt beim Auffinden von Polypen nach einer kompletten Koloskopie. Allerdings konnte eine aktuelle Studie<br />
zeigen, dass 50% aller Patienten mit fortgeschrittenen proximalen Adenomen keine distalen „Markerpolypen“<br />
aufwiesen (s.u. bei Koloskopie). Alle Screening-Studien haben eine proportionale Vermehrung der frühen Stadien<br />
<strong>und</strong> eine Verbesserung des Überlebens für die gescreenten im Vergleich zu den nicht gescreenten Personen gezeigt.<br />
Die meisten dieser Studien haben jedoch keine entsprechende Vergleichsgruppe <strong>und</strong> ihre Interpretation ist aufgr<strong>und</strong><br />
des Screening-Bias unklar. Zwei Fall-Kontrollstudien (Selby JV et al. NEJM 1992; 326:653-7 <strong>und</strong> Newcomb PA et al. J Nat<br />
Cancer Inst 1992; 84:1572-75,1992) fanden ein signifikant vermindertes Risiko (70-90%) für ein CRC im distalen Kolon<br />
bei Personen, die mindestens eine Sigmoidoskopie durchführen ließen, im Vergleich zu nicht gescreenten Personen.<br />
Die Sigmoidoskopie wird nur als optionales Screeningverfahren, wenn andere Verfahren nicht zur Verfügung stehen,<br />
eingesetzt werden.<br />
Digitale rektale Untersuchung<br />
Eine Fall-Kontroll-Studie ergab, dass die Digitale rektale Untersuchung nicht mit einer statistisch signifikanten<br />
Reduktion der Mortalität an einem distalen Rektumkarzinom assoziiert ist (Herrington LJ et al., American Journal of<br />
Epidemiology 1995; 142:961-4). Trotzdem erscheint eine rektale Untersuchung im Rahmen z.B. einer Sigmoidoskopie<br />
<strong>und</strong> Koloskopie sinnvoll.<br />
Barium-Kolon-Kontrasteinlauf<br />
Als Teil der amerikanischen "National Polyp Study" wurden Patienten<br />
nach Polypektomie im Überwachungsprogramm koloskopiert <strong>und</strong><br />
geröngt (Winawer SJ et al., NEJM 2000; 342:1766-72). Die Sensitivität war<br />
abhängig von der Polypengröße <strong>und</strong> war statistisch signifikant höher für<br />
die Koloskopie. In der aktualisierten Leitlinie der DGVS. wird die<br />
Untersuchung nicht empfohlen.<br />
Koloskopie<br />
Die komplette Ileo-Koloskopie besitzt die höchste Sensitivität (95%)<br />
<strong>und</strong> Spezifität (100%) für die Erkennung eines KRK bzw. Adenoms <strong>und</strong><br />
bietet als einziges Verfahren die Möglichkeit der Diagnose <strong>und</strong><br />
endoskopischen Therapie von präneoplastischen Läsionen im gesamten<br />
Kolon. 2 Studien zeigen, dass die Koloskopie eine relevante Zahl an<br />
präkanzerösen Polypen detektiert, die der Sigmoidoskopie entgangen<br />
wären.<br />
In der Studie von 13 Veterans Affairs Medical Centers (Lieberman DA et<br />
al., NEJM 2000; 343:162-8) mit 3121 Personen fanden sich bei 128<br />
Stenosierendes Kolonkarzinom. KE<br />
Patienten im rechten Kolon fortgeschrittene Polypen. 52% dieser Pat. hatten keine Polypen im linken Kolon, so dass<br />
das Karzinom bei einer ausschließlichen Sigmoidoskopie nicht entdeckt worden wäre.<br />
Die andere Studie (Imperiale TF et al., NEJM 2000; 343:169-174) schloss knapp 2000 Personen ein. Das Ergebnis war<br />
ähnlich: die Hälfte der 50 Fälle von fortgeschrittenen Polypen im rechten Kolon wäre bei einer Sigmoidoskopie nicht<br />
entdeckt worden, da das linke Kolon frei von Polypen war.<br />
Virtuelle Koloskopie – CT/MR-Kolographie<br />
Die virtuelle Koloskopie kann sowohl CT-basiert als auch ohne Strahlenexposition mit MRT durchgeführt werden.<br />
Die aktuellen Studien zeigen eine sehr unterschiedliche Sensitivität für die Polypendetektion, z.T. eine sehr hohe mit<br />
einer Detektion von Polypen > 6 mm von 88,7 %, zum anderen eine sehr niedrige mit einer Sensitivität von 59% bei<br />
Polypen > 10 mm, ohne dass die Faktoren, die zu diesen differenten Ergebnissen beitragen, näher definiert sind.<br />
Sicher sind die Ergebnisse Untersucher- <strong>und</strong> softwareabhängig. Auf jeden Fall ist eine komplette Darmvorbereitung<br />
erforderlich. Auch die mit der Untersuchung verb<strong>und</strong>ene Strahlenexposition ist zu berücksichtigen. Das Vorgehen bei<br />
kleinen Polypen (bis 5 mm) ist unklar, insbesondere stellt sich die Frage, ab welcher Größe koloskopiert werden soll.<br />
Es muss die Möglichkeit geben, einen Patienten mit positivem virtuellen Bef<strong>und</strong> unmittelbar zu koloskopieren.<br />
Auch gibt es keine Studien, die das optimale Untersuchungsintervall untersucht haben. Solange keine Standards <strong>und</strong><br />
Qualitätskriterien für die Durchführung definiert sind, darf diese Methode nicht als ein Routineverfahren zum<br />
Polypenscreening außerhalb von Studien eingesetzt werden.<br />
Die Koloskopie ist nach wie vor der Goldstandard für das Screening. Der Guaiac- FOBT ist die Alternative<br />
für Personen, die eine Koloskopie ablehnen. Es ist zu erwarten, dass der immunologische FOBT in Zukunft in<br />
die Empfehlungen aufgenommen wird.<br />
196
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Screeninguntersuchungen I, FOBT, S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Screening asymptomatische Bevölkerung (keine Risikogruppen)<br />
Maßnahmen zur Früherkennung von Darmkrebs sollten bei Personen mit durchschnittlichem Risiko (leere<br />
Familienanamnese für KRK bzw. Polypen/Adenome) ab dem Alter von 50 Jahren durchgeführt werden.<br />
Eine ärztliche Beratung über die Screeningmethoden ist unerlässlich.<br />
Standardverfahren ist die Koloskopie. Sie ist der Sigmoidoskopie überlegen.<br />
Um die Sicherheit der Untersuchten zu gewährleisten, müssen die Qualitätsrichtlinien beachtet werden.<br />
Bei Personen, die am Koloskopie-Screening entsprechend dieser Richtlinie teilnehmen, erübrigt sich das FOBT-<br />
Screeningverfahren.<br />
Bei Personen, die eine Früherkennungskoloskopie ablehnen, sollte eine Sigmoidoskopie alle 5 Jahre sowie<br />
jährlich ein FOBT (Guaiak- Verfahren) durchgeführt werden.<br />
Bei Personen, die jegliches endoskopische Screeningverfahren ablehnen, sollten jährlich ein FOBT durchgeführt<br />
werden.<br />
Ein positiver FOBT sollte nicht kontrolliert werden, sondern erfordert in jedem Fall eine Koloskopie.<br />
Andere Verfahren als Koloskopie, Sigmoidoskopie <strong>und</strong> FOBT können derzeit nicht empfohlen werden.<br />
Eine hohe Akzeptanz des Screening-Programms ist Voraussetzung für eine Senkung von Inzidenz <strong>und</strong><br />
Mortalität des Darmkrebses <strong>und</strong> Steigerung der Kosteneffektivität.<br />
Screening-Alter<br />
Empfehlung<br />
Mit der Darmkrebsvorsorge sollte ab dem Alter von 50 Jahren begonnen werden. Eine obere Altersbegrenzung<br />
kann bei steigender Lebenserwartung nicht gegeben werden. Hier erscheint eine individuelle Entscheidung unter<br />
Berücksichtigung der Begleiterkrankungen angezeigt.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 4, starker Konsens<br />
Anmerkungen<br />
Die KRK-Inzidenz steigt ab einem Alter von 50 Jahren deutlich an. In einer prospektiven Koloskopiestudie<br />
zeigte sich eine deutlich niedrigere Nachweisrate fortgeschrittener Adenome bei 40- bis 49-Jährigen (3,5%), so<br />
dass ein Screeningbeginn vor 50 Jahren für die Allgemeinbevölkerung wenig sinnvoll erscheint. Von großer<br />
Bedeutung ist die Identifikation von Personen mit erhöhtem KRK-Risiko, für die gesonderte Empfehlungen<br />
gelten.<br />
Zur Altersbegrenzung der Darmkrebsvorsorge existieren keine prospektiven Studien. Die Inzidenz<br />
fortgeschrittener Neoplasien nimmt mit dem Alter zu. Endoskopische Untersuchungen scheinen auch bei älteren<br />
Patienten sicher durchführbar zu sein. In einer Studie war die relative 5-Jahres-Überlebensrate nach kurativer<br />
Operation eines kolorektalen Karzinoms für Patienten über 74 Jahre vergleichbar mit der von Patienten<br />
zwischen 50 <strong>und</strong> 74 Jahren. Die Festlegung der Altersbegrenzung sollte daher individuell in Abhängigkeit des<br />
„biologischen Alters“ sowie vorhandener Begleiterkrankungen erfolgen. Zum Nutzen-Risiko-Verhältnis des<br />
Darmkrebsscreenings in verschiedenen Altersgruppen existiert keine ausreichende Datenlage.<br />
FOBT (Guaiak- Test)<br />
Empfehlung<br />
Bei Personen mit durchschnittlichem Darmkrebsrisiko, die keine Koloskopie wünschen, sollte ein FOBT –<br />
bestehend aus 3 Testbriefchen (mit je 2 Auftragefeldern) für drei konsekutive Stühle – jährlich durchgeführt<br />
werden. Hierdurch wird die Sterblichkeit an Darmkrebs signifikant gesenkt. Ein positives Testergebnis macht<br />
die endoskopische Untersuchung des gesamten Dickdarms erforderlich. Der jährliche FOBT ist der<br />
zweijährlichen Untersuchung überlegen. Bei Personen, die am Koloskopie-Screening teilnehmen, erübrigen sich<br />
FOBT <strong>und</strong> andere Maßnahmen.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.<br />
197
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Screeninguntersuchungen II, Stuhltestverfahren, S3-Leitlinie<br />
FOBT (Guaiak- Test): siehe vorherige Seite<br />
Anmerkungen<br />
Gr<strong>und</strong>lage für die Stuhltestung auf okkultes Blut ist die Tatsache, dass kolorektale <strong>Karzinome</strong> häufiger bluten als die<br />
normale Darmmukosa. Herkömmliche FOBT verwenden mit Guaiakharz imprägniertes Filterpapier, das sich in<br />
Anwesenheit von im Stuhl enthaltenem Hämoglobin nach Zugabe von Wasserstoffperoxyd blau färbt. Da viele<br />
<strong>Karzinome</strong> intermittierend bluten, führt die wiederholte Testung zu einer zuverlässigeren Erkennung von KRK. Das<br />
in den Studien eingesetzte Verfahren beinhaltet, aus drei aufeinander folgenden Stuhlgängen je zwei Proben pro Stuhl<br />
auf zwei Testfelder aufzutragen <strong>und</strong> auf okkultes Blut zu testen.<br />
Zur Effektivität des FOBT als Screeningmethode für ein kolorektales Karzinom liegen die Ergebnisse von 3 großen<br />
randomisierten Studien vor. In ihnen konnte eine Senkung der KRK-bedingten Mortalität von 15-33% gezeigt<br />
werden. Eine Metaanalyse der Studien ergab eine durchschnittliche Senkung der KRK-Mortalität um 23%. Diese<br />
Mortalitätssenkung bestätigte sich auch nach längerem Follow-up der Studien. Die jährliche Testung war der<br />
zweijährigen Testung in Bezug auf die Reduktion der Mortalität in einer Studie eindeutig überlegen.<br />
Die Sensitivität des Tests hängt entscheidend von der Art der Testdurchführung <strong>und</strong> der Patienteninstruktion ab. Eine<br />
Rehydrierung der Testbriefchen vor Entwicklung steigert die Sensitivität des Screenings, verringert jedoch die<br />
Spezifität deutlich (in einer Studie von 97,6 auf 90,2%, in einer weiteren von 97 auf 85,4%) <strong>und</strong> wird daher nicht<br />
empfohlen. Es gibt Hinweise dafür, dass die Instruktion des Patienten vor der Testdurchführung in Bezug auf<br />
Ernährung <strong>und</strong> interferierende Medikamente die Zahl der falsch positiven Testergebnisse <strong>und</strong> somit auch die Zahl der<br />
erforderlichen Koloskopien reduzieren kann. Es erscheint daher sinnvoll, den Patienten über Faktoren, die das<br />
Testergebnis beeinflussen könnten, aufzuklären. Der Einfluss von Pflanzenperoxidasen kann alternativ durch eine<br />
Testentwicklung 3d nach Durchführung vermieden werden. Die Notwendigkeit einer Ernährungsempfehlung für den<br />
Hämoccult® wird allerdings durch eine Metaanalyse infrage gestellt.<br />
Bereits bei positivem Testergebnis auf okkultes fäkales Blut von einem der sechs Testfelder ist keine Kontrolle,<br />
sondern eine komplette endoskopische Darstellung des Dickdarms nach digitaler rektaler Untersuchung erforderlich.<br />
Dies beinhaltet auch den sicheren Ausschluss eines Anal- oder distalen Rektumkarzinoms mittels Proktoskopie. Eine<br />
Kolonkontrastuntersuchung sollte nur bei technisch unvollständiger Koloskopie erfolgen.<br />
Der Effekt der FOBT beruht auf einer Diagnose kolorektaler <strong>Karzinome</strong> in einem früheren prognosegünstigeren<br />
Stadium. Vorteile des FOBT sind die leichte Durchführbarkeit sowie die geringen Kosten. Nachteilig ist eine mäßige<br />
Sensitivität für <strong>Karzinome</strong> <strong>und</strong> eine geringe Sensitivität für Adenome. In einer der randomisierten Studien konnte<br />
zwar eine Senkung der Inzidenz kolorektaler <strong>Karzinome</strong> gezeigt werden, es muss jedoch beachtet werden, dass im<br />
Rahmen dieser Studie über 30% der Teilnehmer koloskopiert wurden.<br />
Immunologische Stuhltestverfahren, Empfehlung<br />
Immunologische Verfahren stellen derzeit keine Alternative zu den Guaiak- Verfahren in der Screening-Anwendung<br />
dar. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, Konsens.<br />
Anmerkungen<br />
Immunologische Tests auf Hämoglobin oder Hämoglobin/Haptoglobin im Stuhl besitzen eine höhere Sensitivität als<br />
der Hämoccult®-Test. Die Datenlage zur Spezifität ist uneinheitlich. Zu bedenken ist jedoch, dass für den Einsatz der<br />
immunologischen FOBT weniger Daten als für das Guaiak- Verfahren vorliegen <strong>und</strong> die Tests kostenintensiver <strong>und</strong><br />
zum Teil komplizierter in der Durchführung sind. Während der Testdurchführung ist keine Änderung der Ernährung<br />
erforderlich.<br />
Immunologische Stuhltests auf Albumin oder Calprotectin sind für das Screening nicht geeignet. Ebenso reicht die<br />
Datenlage zur M2-PK-Bestimmung im Stuhl nicht aus, um einen Einsatz außerhalb von Studien zu rechtfertigen.<br />
Molekulare Screeningverfahren, Empfehlung<br />
Stuhluntersuchungen auf DNA-Veränderungen als KRK-Screeningmaßnahme können derzeit aufgr<strong>und</strong> der<br />
unzureichenden Datenlage außerhalb von Studien nicht empfohlen werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4,<br />
starker Konsens.<br />
Anmerkungen<br />
Die Entstehung kolorektaler <strong>Karzinome</strong> über die Zwischenstufe der Adenome geht in vielen Fällen mit<br />
charakteristischen genetischen Veränderungen einher. Eine Isolierung <strong>und</strong> Untersuchung von DNA aus<br />
Kolonepithelzellen im Stuhl ist mittlerweile möglich. In einer Studie wurde der Stuhl von 46 Patienten mit bekannten<br />
<strong>Karzinome</strong>n oder Adenomen auf APC-Mutationen untersucht. Die Sensitivität für Karzinom betrug 61%, für<br />
Adenome 50%. In weiteren Studien mit ebenfalls kleinen Fallzahlen an Patienten mit bekannten Neoplasien wurden<br />
mehrere Marker im Stuhl untersucht. In diesen Untersuchungen wurde eine Sensitivität für <strong>Karzinome</strong> von 63 bis<br />
91%, für fortgeschrittene Adenome von 57 bis 82% gef<strong>und</strong>en. Aufgr<strong>und</strong> fehlender Daten aus der asymptomatischen<br />
Bevölkerung sowie des hohen Aufwands <strong>und</strong> der Kosten sollten diese Verfahren derzeit nur im Rahmen von Studien<br />
evaluiert werden.<br />
198
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Screening, endoskopische Verfahen, S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Endoskopische Verfahren<br />
Von allen Maßnahmen zur Früherkennung kolorektaler Neoplasien besitzt die Koloskopie die höchste<br />
Sensitivität <strong>und</strong> Spezifität (Goldstandard). Endoskopische Maßnahmen sind als einzige diagnostisch <strong>und</strong><br />
therapeutisch <strong>und</strong> haben den Vorteil, dass durch sie auch nicht blutende <strong>Karzinome</strong> <strong>und</strong> Adenome mit hoher<br />
Sensitivität nachgewiesen werden können. Durch die Abtragung von Adenomen kann zudem die Entstehung<br />
von <strong>Karzinome</strong>n effektiv verhindert werden (Unterbrechung der Adenom-Karzinom-Sequenz).<br />
Sigmoidoskopie-Empfehlung<br />
Die Effektivität der Sigmoidoskopie als Screening-Methode für das KRK ist gesichert. Es ist jedoch zu<br />
bedenken, dass nicht alle Darmabschnitte eingesehen werden können <strong>und</strong> somit eine komplette Koloskopie der<br />
Sigmoidoskopie überlegen ist. Sie ist Personen, die die Koloskopie ablehnen, anzubieten <strong>und</strong> alle 5 Jahre zu<br />
wiederholen. Zur möglichen Detektion proximaler <strong>Karzinome</strong> sollte zusätzlich zur Sigmoidoskopie eine<br />
jährliche FOBT-Durchführung erfolgen. Die Effektivität der Kombination ist jedoch nicht abschließend geklärt.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.<br />
Anmerkungen<br />
In Fall-Kontroll-Studien konnte für die Sigmoidoskopie eine Senkung der Mortalität von <strong>Karzinome</strong>n des Rektosigmoids um<br />
etwa 60 bis 80% gezeigt werden. Prospektive randomisierte Studien laufen derzeit in den USA, Großbritannien <strong>und</strong> Italien. In<br />
einer prospektiven Studie in Norwegen, bestehend aus Sigmoidoskopie gefolgt von einer Koloskopie bei Patienten mit<br />
Polypennachweis in der Sigmoidoskopie, konnte eine Senkung der KRK-Inzidenz gezeigt werden.<br />
Verglichen mit der okkulten fäkalen Bluttestung besitzt die Sigmoidoskopie eine höhere Sensitivität für kolorektale Neoplasien.<br />
In drei randomisierten Studien, in denen die Kombination aus einmaligem FOBT <strong>und</strong> Sigmoidoskopie mit einem alleinigen<br />
FOBT verglichen wurde, wurden signifikant mehr Neoplasien durch die Kombination gef<strong>und</strong>en.<br />
Koloskopie-Empfehlung<br />
Die komplette Koloskopie besitzt die höchste Sensitivität <strong>und</strong> Spezifität für das Auffinden eines KRK <strong>und</strong> von<br />
Adenomen <strong>und</strong> sollte daher als Standardverfahren empfohlen werden. Bei unauffälligem Bef<strong>und</strong> sollte die<br />
Koloskopie nach 10 Jahren wiederholt werden. Zur Durchführung wird auf die Krebsfrüherkennungsrichtlinie<br />
verwiesen, die digitale rektale Untersuchung ist hierbei obligat. Bei Personen, die am Koloskopie-Screening<br />
entsprechend dieser Richtlinie teilnehmen, erübrigt sich das FOBT-Screeningverfahren.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke; 3b, starker Konsens.<br />
Anmerkungen<br />
In zwei Fall-Kontroll-Studien wurde gezeigt, dass die Inzidenz von Darmkrebs durch Polypektomie im Rahmen einer Koloskopie<br />
um 66-90% gesenkt wird. Zwar gibt es keine randomisierte Studie, die richtlinienkonform durchgeführte Untersuchung wird<br />
jedoch aufgr<strong>und</strong> der hohen Sensitivität <strong>und</strong> Spezifität <strong>und</strong> der Möglichkeit der Polypektomie von fast allen Konsensusteilnehmern<br />
als die bevorzugte Vorsorgemethode für kolorektale <strong>Karzinome</strong> angesehen. Sie besitzt eine nachgewiesene hohe Sensitivität für<br />
<strong>Karzinome</strong> <strong>und</strong> Adenome des gesamten Kolons <strong>und</strong> erlaubt insbesondere eine Detektion proximaler Neoplasien. 46% - 52% der<br />
Patienten mit proximalen Neoplasien wiesen in Studien keine zusätzlichen distalen Adenome auf. Bei diesen Patienten wäre eine<br />
Diagnose der Neoplasien mittels Sigmoidoskopie unmöglich.<br />
Die Ergebnisse der Fall-Kontroll-Studie der Sigmoidoskopie sollten auf die Koloskopie übertragbar sein. Auch der protektive<br />
Effekt der FOBT-Studien beruht letztendlich auf der Abklärung positiver Tests mittels Koloskopie. Zusätzlich konnte in einer<br />
Fall-Kontroll-Studie ein protektiver Effekt der Koloskopie gezeigt werden. Die Komplikationsrate der Untersuchung in<br />
Deutschland war in einer Studie auf freiwilliger Basis sehr gering. Tandemuntersuchungen haben gezeigt, dass größere Adenome<br />
nur selten übersehen werden.<br />
Es wird davon ausgegangen, dass eine unauffällige Koloskopie nach 10 Jahren wiederholt werden sollte. So fanden sich 5,5 Jahre<br />
nach einer unauffälligen Koloskopie keine <strong>Karzinome</strong> <strong>und</strong> weniger als 1% fortgeschrittene Neoplasien. In einer Fallkontrollstudie<br />
hielt der protektive Effekt einer Koloskopie mindestens 10 Jahre an.<br />
Radiologische Verfahren-Empfehlungen<br />
Weder die CT-Kolonographie noch die MRT-Kolonographie können derzeit außerhalb von Studien für das<br />
Screening in der asymptomatischen Bevölkerung empfohlen werden.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.<br />
Anmerkungen<br />
Für den Einsatz der MRT-Kolonographie existieren keine Studien (Flächen-/Feldversuche) in der asymptomatischen<br />
Bevölkerung. Nur wenige Studien befassen sich mit der Untersuchung asymptomatischer Personen mittels CT-Kolonographie.<br />
Die vorliegenden Daten zeigen für beide Untersuchungen eine niedrigere Sensitivität für kleine (
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Risikogruppen, S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Risikogruppen<br />
Personen, die aufgr<strong>und</strong> einer besonderen Prädisposition ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines<br />
kolorektalen Karzinoms im Vergleich mit der Normalbevölkerung aufweisen, gehören in der Regel zu<br />
einer von drei definierten Risikogruppen:<br />
1. Personen mit einem familiär gesteigerten (genetische Gr<strong>und</strong>lage z. Zt. noch nicht bekannt) Risiko<br />
für ein kolorektales Karzinom<br />
2. nachgewiesene oder mögliche Anlageträger für ein hereditäres kolorektales Karzinom<br />
3. Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung<br />
Sporadisches kolorektales Karzinom<br />
Verwandte von Patienten mit kolorektalem Karzinom<br />
Verwandte ersten Grades von Patienten mit einem kolorektalen Karzinom haben ein erhöhtes Risiko,<br />
ebenfalls an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Evidenzstärke 2a.<br />
Verwandte zweiten Grades haben ein nur gering erhöhtes Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu<br />
erkranken. Evidenzstärke 2b.<br />
Anmerkungen<br />
Für Verwandte ersten Grades (Eltern, Geschwister, Kinder) ist das mittlere Risiko zwei- bis dreifach<br />
erhöht. Eine weitere, 3- bis 4-fache Risikosteigerung besteht, wenn bei dem Indexpatienten das<br />
kolorektale Karzinom vor dem 45. Lebensjahr aufgetreten <strong>und</strong>/oder mehr als ein Verwandter ersten<br />
Grades von einem KRK betroffen ist. In der Altersgruppe
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Risikogruppen, Untersuchungen, S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Patienten mit kolorektalen Adenomen<br />
Jedes histologisch nachgewiesene Adenom stellt ein erhöhtes Risiko für ein kolorektales Karzinom dar<br />
(Evidenz 2b). Dies gilt insbesondere für<br />
- multiple (>3) Adenome<br />
- große (>1 cm) Adenome<br />
Anmerkungen<br />
Generell führt die Abtragung kleiner, singulärer Adenome im Vergleich zur Normalbevölkerung zu einem um<br />
bis zu 90% verminderten Risiko, ein metachrones kolorektales Karzinom zu entwickeln. Dies reflektiert den<br />
Vorsorgewert der Koloskopie im Rahmen der Adenom-Karzinom-Sequenz. Kontrolluntersuchungen dienen<br />
insbesondere der Entdeckung übersehener oder metachron auftretender Adenome.<br />
Adenome >1 cm sind mit einem etwa 4fach erhöhten Karzinomrisiko assoziiert. Auch bei multiplen Adenomen<br />
ist das Risiko, ein metachrones Karzinom zu entwickeln, deutlich (4- bis 6fach) gesteigert. Hierbei dürfte das<br />
erhöhte Risiko einerseits auf einer stärkeren individuellen Disposition, andererseits auf einer höheren Prävalenz<br />
übersehener Polypen bei der initialen Koloskopie beruhen. Beim koloskopischen Nachweis von >3 Polypen<br />
besteht eine signifikant größere Wahrscheinlichkeit, dass weitere Polypen übersehen wurden.<br />
Ob hyperplastische Polypen als präkanzeröse Läsionen angesehen werden können, ist derzeit nicht abschließend<br />
beurteilbar.<br />
Empfehlung zur Primärprävention<br />
Eine gesonderte Empfehlung zur Primärprävention (diätetische Maßnahmen, Chemoprävention) im Vergleich<br />
zur Normalbevölkerung kann aufgr<strong>und</strong> der widersprüchlichen Datenlage für die genannten Risikogruppen<br />
derzeit nicht gegeben werden.<br />
Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.<br />
Anmerkungen<br />
Generell können die für die Normalpopulation genannten Empfehlungen auch für die Angehörigen der<br />
Risikogruppen übernommen werden. Für spezielle Maßnahmen fehlen weiterhin gesicherte Daten.<br />
Vorsorgeuntersuchungen<br />
Verwandte ersten Grades von Patienten mit kolorektalem Karzinom Empfehlung<br />
a. Verwandte ersten Grades von Patienten mit kolorektalem Karzinom sollten in einem Lebensalter, das 10<br />
Jahre vor dem Alterszeitpunkt des Auftretens des Karzinoms beim Indexpatienten liegt, erstmal komplett<br />
koloskopiert werden, spätestens im Alter von 50 Jahren. Empfehlungsgrad: b, Evidenzstärke 4, starker<br />
Konsens.<br />
b. Die Koloskopie sollte mindestens alle 10 Jahre wiederholt werden. Empfehlunsgrad: b, Evidenzstärke 4,<br />
starker Konsens.<br />
Anmerkungen<br />
a. Das Risiko eines Verwandten ersten Grades eines Patienten mit kolorektalem Karzinom, ebenfalls an einem<br />
kolorektalen Karzinom zu erkranken, ist, insbesondere bei einem Manifestationsalter unter 50 Jahren beim<br />
Indexpatienten erhöht.<br />
Bei jungen Indexpatienten in der Verwandtschaft sollte die Diagnose eines HNPCC-Syndroms in Erwägung<br />
gezogen werden <strong>und</strong> eine Mikrosatellitenanalyse <strong>und</strong>/oder immunhistochemische Untersuchung der<br />
Mismatch-Reparatur-Proteine durchgeführt werden. Ist dies nicht möglich, sollte die Vorsorge intensiviert<br />
werden.<br />
b. Die Frage des maximalen Untersuchungsintervall ist bis jetzt nicht eindeutig geklärt. Es gilt derzeit aber als<br />
wahrscheinlich, dass ein Intervall von 10 Jahren in der Regel ausreichen dürfte, dieses aber nicht<br />
überschritten werden sollte.<br />
Verwandte von Patienten mit kolorektalen Adenomen<br />
Empfehlung<br />
Verwandte ersten Grades von Indexpatienten, bei denen Adenome vor dem 50. Lebensjahr nachgewiesen<br />
wurden, sollten 10 Jahre vor dem Lebensalter zum Zeitpunkt des Nachweises des Adenoms koloskopiert<br />
werden. Die Koloskopie sollte mindestens alle 10 Jahre wiederholt werden.<br />
Empfehlunsgrad: C, Evidenzstärke 5, starker Konsens.<br />
201
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Früherkennung, FAP, S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Vorsorge-familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)<br />
Empfehlung zur humangenetischen Beratung <strong>und</strong> Vorsorgeendoskopie<br />
Verwandte eines FAP-Patienten, die aufgr<strong>und</strong> des Stammbaums als Mutationsträger in Betracht kommen,<br />
werden als Risikopersonen bezeichnet. Bei diesen sollte ab dem 10. Lebensjahr im Anschluss an eine<br />
humangenetische Beratung der Familie eine prädiktive molekulargenetische Diagnostik durchgeführt werden.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />
Wurde die Mutation bei Risikopersonen (Kinder von einem Elternteil mit FAP oder Geschwister von FAP-<br />
Patienten) ausgeschlossen, ist eine spezifische gesonderte Vorsorge nicht mehr notwendig.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens.<br />
Risikopersonen, bei denen die Mutation bestätigt oder nicht ausgeschlossen werden konnte, sollten spätestens ab<br />
dem 10. Lebensjahr jährlich rekto-sigmoidoskopiert werden. Bei Nachweis von Adenomen muss eine komplette<br />
Koloskopie erfolgen <strong>und</strong> bis zur Proktokolektomie jährlich wiederholt werden.<br />
Empfehlungsgrad:A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />
Anmerkungen<br />
Die humangenetische Beratung erfolgt bei Minderjährigen gemeinsam mit den Erziehungsberechtigten. Die<br />
Einleitung der humangenetischen Diagnostik vor dem 10. Lebensjahr ist selten notwendig, da kolorektale<br />
<strong>Karzinome</strong> bei FAP-Anlageträgern vor dem 15. Lebensjahr sehr selten sind. Die molekulargenetische<br />
Untersuchung kann mittels direkter (Mutationsnachweis im APC-Gen) oder indirekter (Nachweis der Vererbung<br />
ursächlichen Mutation durch Kopplungsanalyse) Genotypisierung erfolgen. Eine prädiktive Testung kann nur<br />
bei zuvor identifizierter pathogener Keimbahnmutation bei einem betroffenen Familienmitglied erfolgen <strong>und</strong><br />
muss in eine humangenetische Beratung eingebettet sein. Ein Mutationsnachweis gelingt bei 70% der Patienten.<br />
Bei Vorhandensein von mindestens zwei Betroffenen in der Familie kann die Vererbung des für die FAP<br />
verantwortlichen Gen-Defekts indirekt über die Vererbung benachbarter polymorpher Marker nachgewiesen<br />
werden (Kopplungsanalyse). Mit beiden Methoden zusammen genommen gelingt die molekulargenetische<br />
Diagnostik bei über 90% der Betroffenen. Als weitere Methode zur Identifizierung von Genträgern kann in<br />
vielen Familien eine Augenhintergr<strong>und</strong>spiegelung durchgeführt werden. Die Augenhintergr<strong>und</strong>spiegelung dient<br />
zur Identifizierung einer kongenitalen Hypertrophie des retinalen Pigmentepithels, hat durch die prädiktive<br />
DNA-Testung jedoch an Bedeutung verloren.<br />
Bei der klassischen FAP werden immer auch Polypen im Rektum <strong>und</strong> Sigma beobachtet. Sind Rektumpolypen<br />
nachgewiesen worden, so können proximal weitere Adenome oder sogar <strong>Karzinome</strong> vorhanden sein. In diesem<br />
Falle schließt sich kurzfristig eine komplette Koloskopie an, die, je nach Bef<strong>und</strong>, in mindestens jährlichen<br />
Abständen wiederholt werden sollte. In Familien, in denen eine genetische Testung nicht durchgeführt wurde<br />
oder nicht aussagekräftig war, ist allen Risikopersonen die endoskopische Vorsorge ab dem 10. Lebensjahr zu<br />
empfehlen. Im Einzelfall ist bei bestimmten Mutationen, früher Karzinommanifestation in der Familie oder<br />
assoziierten Symptomen, der Beginn der Vorsorge bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Erwägung zu ziehen.<br />
Empfehlung zur Proktokolektomie<br />
Patienten mit klassischer FAP sollten prophylaktisch – wann immer möglich kontinenzerhaltend –<br />
proktokolektomiert werden, wenn vertretbar erst nach Abschluss der Pubertät.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens.<br />
Nach einer Operation ist eine Pouchoskopie jährlich, bei Patienten mit erhaltenem Rektumstumpf eine<br />
Rektoskopie alle 4 Monate erforderlich.<br />
Empfehlungsgrad: 1, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens.<br />
Empfehlung zur Untersuchung möglicher extrakolischer Manifestationen<br />
Eine ÖGD mit besonderer Inspektion der Papillenregion sollte spätestens ab dem 30. Lebensjahr alle 3 Jahre<br />
durchgeführt werden. Das Intervall sollte in Abhängigkeit vom Schweregrad vorhandener Adenome auf bis zu 1<br />
Jahr verkürzt werden.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke 4, starker Konsens.<br />
Weitere extrakolische Manifestationen müssen bei der Vorsorge beachtet werden. Es sollte daher eine jährliche<br />
Sonographie des Abdomens <strong>und</strong> der Schilddrüse ab dem 10. Lebensjahr erfolgen.<br />
Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke 4, starker Konsens.<br />
Empfehlung<br />
Eine allgemeingültige Empfehlung zur Behandlung von Adenomen im oberen Gastrointestinaltrakt kann derzeit<br />
nicht gegeben werden. Dies gilt auch für die Gabe von Cox-2-Hemmern.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />
202
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Früherkennung, HNPCC, S3-Leitlinie 2004/08<br />
Hereditäres Nicht-Polyposis-Coli-Kolonkarzinom (HNPCC)<br />
Empfehlung zur genetischen Beratung<br />
Risikopersonen ist ab dem 18. Lebensjahr eine genetische Beratung zu empfehlen. Sobald die<br />
krankheitsverursachende Mutation in der betreffenden Familie bekannt ist, sollte diese bei den Risikopersonen<br />
untersucht werden.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens<br />
Wenn die krankheitsverursachende Mutation bei einer Risikoperson ausgeschlossen wurde, gelten die allgemeinen<br />
Krebsvorsorgemaßnahmen.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens<br />
Empfehlung zur Koloskopie<br />
Risikopersonen für ein HNPCC sollten ab dem 25. Lebensjahr jährlich komplett koloskopiert werden<br />
(Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2a, Konsens), in jedem Fall 5 Jahre vor dem niedrigsten Erkrankungsalter in<br />
der Familie. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, Konsens<br />
Anmerkung<br />
Eine prospektive Studie konnte eine signifikante Reduktion der Mortalität <strong>und</strong> auch der Inzidenz von KRK um mehr<br />
als jeweils 60% bei dreijährlichen Untersuchungsintervallen nachweisen. Aufgr<strong>und</strong> einer beschleunigten<br />
Tumorprogression mit Intervallkarzinomen bei etwa 4% aller Patienten bei zwei- bis dreijährlichen<br />
Untersuchungsabständen wird ein jährliches Intervall empfohlen. Die Stadienverteilung <strong>und</strong> damit auch Prognose<br />
HNPCC-assoziierter kolorektaler <strong>Karzinome</strong>, die im Rahmen eines Vorsorgeprogramms entdeckt werden, ist<br />
signifikant günstiger als die symptomatischer Patienten. Daten zu einer medikamentösen Chemoprävention des KRK-<br />
Risikos bei HNPCC liegen bisher nicht vor. Eine medikamentöse Chemoprävention außerhalb von Studien kann<br />
daher derzeit nicht empfohlen werden.<br />
Empfehlung zur Untersuchung assoziierter <strong>Karzinome</strong><br />
Bei weiblichen Risikopersonen <strong>und</strong> Mutationsträgerinnen sollte ab dem 25. Lebensjahr zusätzlich zur jährlichen<br />
gynäkologischen Untersuchung ein transvaginaler Ultraschall im Hinblick auf Endometrium- <strong>und</strong> Ovarialkarzinome<br />
durchgeführt werden.<br />
Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 4, starker Konsens<br />
Wenn in der Familie ein Magenkarzinom aufgetreten ist, sollte ab dem 25. Lebensjahr jährlich eine ÖGD<br />
vorgenommen werden.<br />
Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 4, starker Konsens<br />
Bei allen Risikopersonen <strong>und</strong> Mutationsträgern sollte ab dem 25. Lebensjahr zusätzlich eine jährliche<br />
Oberbauchsonographie durchgeführt werden.<br />
Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, starker Konsens<br />
Anmerkungen<br />
Da durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen <strong>Karzinome</strong> bei fast allen Patienten im Stadium UICC I/II oder<br />
sogar als prämaligne Adenome entdeckt werden <strong>und</strong> die Penetranz unvollständig ist, kann eine prophylaktische<br />
Kolektomie bzw. Proktokolektomie derzeit nicht empfohlen werden.<br />
Hamartomatöse Polyposis<br />
Empfehlung<br />
Generelle Überwachungsempfehlungen können wegen der spärlichen Datenlage nicht gegeben werden. Die<br />
Überwachung der Patienten <strong>und</strong> Risikopersonen sollte in Zusammenarbeit mit einem ausgewiesenen Zentrum<br />
durchgeführt werden.<br />
Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, starker Konsens.<br />
Anmerkungen<br />
Die meisten Studien sind retrospektiv <strong>und</strong> umfassen kleine Fallzahlen. Nach diesen Studien ist das relative Risiko<br />
eines Patienten mit Peutz-Jeghers-Syndrom zur Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms deutlich gegenüber der<br />
Allgemeinbevölkerung erhöht. Darüber hinaus ist das Risiko für eine Reihe von weiteren Tumoren signifikant erhöht.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der Seltenheit des Krankheitsbildes sollten diese Patienten in enger Abstimmung mit erfahrenen Zentren<br />
behandelt werden. Neben der intestinalen <strong>und</strong> extraintestinalen Karzinomfrüherkennung stehen jedoch auch<br />
insbesondere die Vermeidung <strong>und</strong> rechtzeitige Erkennung benigner intestinaler Komplikationen wie Blutung,<br />
Anämie, Obstruktion <strong>und</strong> Invagination von Polypen bereits in jungen Jahren im Vordergr<strong>und</strong>. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e<br />
sollte eine bildgebende Diagnostik des gesamten Gastrointestinaltraktes bereits ab dem etwa 10. Lebensjahr erfolgen.<br />
Auch bei Patienten mit einer juvenilen Polyposis sollte wegen des erhöhten Risikos für KRK <strong>und</strong> Magenkarzinome<br />
<strong>und</strong> zur Vermeidung <strong>und</strong> Früherkennung benigner Komplikationen bereits frühzeitig eine bildgebende Diagnostik des<br />
gesamten Gastrointestinaltraktes erfolgen.<br />
203
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Früherkennung, Colitis ulc., S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Der Beginn der Vorsorgeuntersuchungen bei Patienten mit chronischer Colitis ulcerosa richtet sich nach den<br />
Empfehlungen der WHO (Levin et al. 1991) nach der Ausdehnung der entzündlichen Veränderungen. Bei<br />
ausgedehnter, über die Flexura lienalis hinausgehender oder totaler Kolitis soll ab dem 8.-10. Erkrankungsjahr, bei<br />
ausschließlich linksseitiger bis maximal zur Flexura lienalis reichender Entzündung ab dem 12.-15. Jahr begonnen<br />
werden. Nach neueren Untersuchungen ist eine zusätzlich vorhandene primär sklerosierende Cholangitis ein weiterer<br />
unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten von Dysplasien <strong>und</strong> <strong>Karzinome</strong>n. Während der Koloskopie sind multiple<br />
Biopsien zu entnehmen, <strong>und</strong> zwar:<br />
von allen makroskopisch auffälligen Läsionen (Plaques, knotig verdickte oder zottige Areale, ungewöhnliche<br />
Polypen, Stenosen) <strong>und</strong> von makroskopisch unauffälliger (flacher) Schleimhaut alle 10-12 cm.<br />
Die Biopsien müssen getrennt <strong>und</strong> mit detaillierter Angabe der Herkunft zur histologischen Untersuchung eingesandt<br />
werden.<br />
Nach dem Ergebnis der Histologie <strong>und</strong> nach dem makroskopischen Bef<strong>und</strong> richtet sich das weitere Vorgehen<br />
entsprechend dem nachstehenden Schema (Empfehlung der WHO nach Hohenberger, Regensburg):<br />
Überwachungsstrategie bei Colitis ulcerosa nach dem Dysplasiegrad der Mukosa<br />
LGD = low grade Dysplasie<br />
HGD = high grade Dyspalsie<br />
S3-Leitlinie<br />
Bei Patienten mit Pancolitis ulcerosa, die >8 Jahre besteht, oder linksseitiger Colitis, die >15 Jahre besteht, soll eine<br />
komplette Koloskopie mit Stufenbiopsien (mindestens 4 Biopsien alle 10 cm) jährlich erfolgen.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, Konsens<br />
Primärprävention Empfehlung<br />
Aminosalicylate können zur Prophylaxe des kolorektalen Karzinoms bei Colitis ulcerosa eingesetzt werden.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, Konsens.<br />
Anmerkungen<br />
Prospektive Studien zum Einsatz von Aminosalicylaten zur Karzinomprophylaxe liegen nicht vor. In mehreren<br />
Fallkontrollstudien ging eine 5-ASA-Therapie mit einer gesenkten <strong>Karzinome</strong>ntstehung einher. In einer<br />
Kohortenstudie war das Risiko, ein KRK zu entwickeln, für Patienten mit langjähriger Aminosalicylat-Therapie<br />
signifikant verringert. Eine Dauergabe von Aminosalicylaten scheint demnach das KRK-Risiko zu senken. Eine<br />
Fortführung der Aminosalicylat-Therapie zur Karzinomprophylaxe sollte mit dem Patienten individuell anhand<br />
vorliegender Risikofaktoren besprochen werden. Sie ersetzt nicht die Notwendigkeit einer regelmäßigen<br />
endoskopischen Überwachung.<br />
Bei Colitis ulcerosa-Patienten mit zusätzlich vorliegender PSC scheint eine Ursodeoxycholsäure-Therapie (UDCA)<br />
einen protektiven Effekt auf die kolorektale Neoplasieentstehung zu besitzen. Folsäure besitzt möglicherweise einen<br />
protektiven Effekt bei Patienten mit CU, weitere Studien sind jedoch erforderlich.<br />
Empfehlung<br />
Bei eindeutiger <strong>und</strong> durch einen unabhängigen zweiten Pathologenbef<strong>und</strong>ung bestätigte hochgradige intraepitheliale<br />
Neoplasie in flacher, nicht entzündeter Schleimhaut, ist dem Patienten die elektive, kontinenzerhaltende<br />
Proktokolektomie zu empfehlen.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.<br />
Morbus Crohn<br />
Beim Morbus Crohn ist ebenfalls von einem erhöhten kolorektalen Karzinom-Risiko auszugehen, dieses ist jedoch im<br />
Vergleich zur Colitis ulcerosa noch unzureichend charakterisiert, möglicherweise aber geringer. Es besteht ein<br />
erhöhtes Dünndarmkarzinomrisiko.<br />
204
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Endoskopie, Durchführung, S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Stellenwert der Endoskopie in der Diagnostik von Polypen <strong>und</strong> KRK<br />
Empfehlung<br />
Die komplette Koloskopie stellt das Standardverfahren zur Detektion kolorektaler Polypen <strong>und</strong> <strong>Karzinome</strong> dar. Sie<br />
besitzt die höchste Sensitivität <strong>und</strong> Spezifität für das Auffinden eines KRKs <strong>und</strong> von kolorektalen Polypen. Die<br />
Effektivität der Koloskopie hängt entscheidend von der Qualität der Untersuchung ab. Diese ist technik- <strong>und</strong><br />
untersucherabhängig.<br />
Evidenzstärke: 1b, starker Konsens<br />
Bei inkompletter Koloskopie aufgr<strong>und</strong> eines stenosierenden Tumors kann präoperativ zusätzlich eine CT- oder MR-<br />
Kolonografie erfolgen. Postoperativ soll eine komplette Koloskopie erfolgen.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Wichtige Qualitätsmerkmale der Koloskopie beinhalten die Spiegelung bis zum Coecum, die optimale<br />
Darmvorbereitung mit wenig oder keinen verbliebenen Stuhlresten sowie die sorgfältige Inspektion der<br />
Darmschleimhaut beim Rückzug. So konnte gezeigt werden, dass die Polypendetektionsrate mit der Rückzugszeit<br />
nach Erreichen des Coecums korreliert. Die Rückzugszeit sollte mindestens 6 Minuten betragen. Weitere<br />
Qualitätsmerkmale sind die primäre Erkennung von Polypen bei 20-50% sowie übersehene Polypen bei weniger als<br />
10% der Untersuchten.<br />
Bei pathologischen Bef<strong>und</strong>en im Rahmen der Koloskopie ist eine Zuordnung nach endoskopisch-anatomischen<br />
Strukturen <strong>und</strong> nach Diaphanoskopie ungenügend. Eine Angabe in cm Gerätelänge ab ano sollte nur im Rektum <strong>und</strong><br />
unteren Sigma erfolgen. Bei unklarem oder OP-würdigen Bef<strong>und</strong> sollte eine Markierung mittels Clip (nur bei<br />
zeitnaher OP) oder Tusche erfolgen, um eine Wiederauffindung zu ermöglichen.<br />
Chromoendoskopie<br />
Empfehlung<br />
Eine Chromoendoskopie kann bei Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung <strong>und</strong> HNPCC zur<br />
besseren Erkennung von neoplastischen Läsionen eingesetzt werden. Sie kann darüber hinaus zur besseren<br />
Abgrenzung flacher <strong>und</strong> eingesenkter Läsionen vor endoskopischer Therapie verwendet werden.<br />
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Bei Patienten mit CED oder HNPCC kann eine höhere Detektionsrate neoplastischer Läsionen durch<br />
Chromoendoskopie als gesichert gelten. Durch den Einsatz der Chromoendoskopie mit Indigokarmin oder<br />
Methylenblau gelingt eine bessere Abgrenzung flacher <strong>und</strong> eingesenkter Läsionen von der umgebenden ges<strong>und</strong>en<br />
Schleimhaut. Die Chromoendoskopie kann daher vor der endoskopischen Abtragung flacher Adenome eingesetzt<br />
werden.<br />
Zoomendoskopie<br />
Empfehlung<br />
Die Durchführung der Zoomendoskopie zur Klassifikation des „Pit-Pattern“-Musters ist derzeit kein<br />
Standardverfahren.<br />
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Ziel der Zoomendoskopie ist es anhand der „Pit-Pattern“-Klassifikation zwischen hyperplastischen <strong>und</strong><br />
neoplastischen Läsionen zu unterscheiden, um ohne Histologie festzustellen, welche Läsionen endoskopisch<br />
abgetragen werden müssen. In einzelnen Studien war dies mit hoher Sensitivität möglich. Die Spezifität war jedoch<br />
in anderen Studien mit 75% nicht ausreichend. Die Zoomendoskopie ersetzt derzeit nicht die Endoskopie.<br />
Sigmoidoskopie versus Koloskopie<br />
Empfehlung<br />
Bei positivem FOBT-Test, bei Tumorverdacht oder simoidoskopischem Nachweis eines neoplastischen Polypen soll<br />
eine vollständige Koloskopie durchgeführt werden.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.<br />
205
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Polypektomiedurchführung, S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Schlingenektomie versus Zangenektomie<br />
Empfehlung<br />
Polypen sollen unter Angabe der Lokalisation entfernt <strong>und</strong> geborgen werden.<br />
Die Polypektomie kann bei multiplen Polypen ggf. mehrzeitig erfolgen.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens.<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Um eine Zuordnung zu ermöglichen, sollen Polypen einzeln unter Angabe der Lokalisation für eine histologische<br />
Aufarbeitung geborgen werden. Bei mehreren Polypen in einem Segment ist eine gemeinsame Bergung dieser<br />
Polypen vertretbar. Hierbei müssen aber die onkologischen Resektionsgrenzen beachtet werden; eine Markierung des<br />
polypektomierten Kolonsegments ist sinnvoll.<br />
Folgende Endoskopische Verfahren stehen zur Verfügung:<br />
• Polypektomie mit der Schlinge<br />
• Endoskopische Mucosaresektion (EMR)<br />
Alternative Verfahren der Polypenentfernung sind im Einzelfall in Erwägung zu ziehen.<br />
Abgetragene flache <strong>und</strong> sessile Polypen sollten zur Identifikation durch Aufspießen mit einer Stecknadel oder durch<br />
Farbstoff markiert werden. Die Fixierung auf einer Korkplatte hat sich ebenfalls bewährt.<br />
Voraussetzung <strong>und</strong> Limitierung für die endoskopische Schlingenektomie großer Polypen sind die realistische Option<br />
einer kompletten Abtragung mit einem niedrigen Blutungs- <strong>und</strong> Perforationsrisiko. Die Erfahrung des Untersuchers<br />
<strong>und</strong> die Lage des Polypen können ebenfalls limitierende Faktoren darstellen.<br />
• Flache Läsionen können durch eine EMR entfernt werden.<br />
• Ausschließlich eingesenkte flache Läsionen (IIc) sollten in der Regel primär chirurgisch <strong>und</strong> nicht endoskopisch<br />
behandelt werden, da es sich hierbei meistens nicht mehr um sogenannte frühinvasive T1-<strong>Karzinome</strong> handelt <strong>und</strong> die<br />
komplette endoskopische Entfernung (R0) nur selten möglich ist.<br />
• Die Polypektomie kann auch unter Thrombozytenaggregationshemmung durchgeführt werden, die Kombination<br />
von ASS <strong>und</strong> Clopidrogel erhöht jedoch das Blutungsrisiko <strong>und</strong> sollte vermieden werden.<br />
• Die vollständige Entfernung eines Polypen ist immer zu fordern, denn in einem verbliebenen Polypenrest können<br />
noch eine hochgradige intraepitheliale Neoplasie oder ein Karzinom nachweisbar sein. Die Größe des entfernten<br />
Polypen, der histologische Adenomtyp <strong>und</strong> der Schweregrad der intraepithelialen Neoplasie bestimmen die Höhe des<br />
Risikos für Lokalrezidive <strong>und</strong> metachroner Polypen. Bei Polypen > 2 cm beträgt die Lokalrezidivrate 8-20%.<br />
Empfehlung<br />
Um eine repräsentative histologische Aussage zu erhalten <strong>und</strong> zur definitiven Therapie, sollen<br />
• Polypen > 5 mm vollständig durch Schlingenektomie entfernt werden.<br />
• Polypen ≤ 5 mm sollten generell mit der Zange komplett entfernt werden.<br />
• Gr<strong>und</strong>sätzlich sollen diagnostische Koloskopien nur dann durchgeführt werden, wenn in gleicher Sitzung die<br />
Möglichkeit zur Schlingenektomie besteht.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Eine Zangenbiopsie von Polypen ist nicht sinnvoll, wenn eine Abtragung technisch möglich ist. Sie ist außerdem<br />
unzuverlässig. Darüber hinaus können ausgiebige Biopsien durch nachfolgende Vernarbung die komplette<br />
endoskopische Abtragung beim Zweiteingriff erschweren.<br />
Bei eindeutigen Malignitätskriterien mit primärer OP-Indikation sind Biopsieentnahmen obligat. Bei Polypen ≤ 5 mm<br />
sind Adenome mit invasivem Karzinom äußerst selten, bei Polypen ≤ 1 cm beträgt die Rate < 1%.<br />
Ziel einer Koloskopie muss das Erreichen eines polypenfreien Darms (clean-colon) sein.<br />
Bei Polypen ≤ 5 mm ist deshalb eine komplette Zangenektomie erforderlich, um die Läsion histologisch zu<br />
typisieren. Kleine (≤ 5 mm), häufig multipel auftretende typische hyperplastische Polypen im Rektum können<br />
belassen werden.<br />
In den letzten Jahren mehren sich die Hinweise, dass neben der Adenom-Karzinom-Sequenz auch der weitere Weg<br />
über den sogenannten „serrated pathway“ zu einem kolorektalen Karzinom führen kann.<br />
Hyperplastische Polyposis<br />
Beim Vorliegen einer sogenannten hyperplastischen Polyposis ist das mutmaßlich erhöhte Risiko eines KRK bei der<br />
Terminierung von Kontroll-Intervallen zu berücksichtigen.<br />
Die hyperplastische Polyposis ist definiert durch (WHO):<br />
• mindestens 5 hyperplastische Polypen proximal des Sigmas, wobei zwei größer als 1 cm sein sollen.<br />
• Das Auftreten von hyperplastischen Polypen proximal des Sigmas unabhängig von Zahl <strong>und</strong> Größe, wenn<br />
ein erstgradig Verwandter (Eltern, Kinder, Geschwister) von einer hyperplastischen Polyposis betroffen ist.<br />
• Wenn mehr als 30 hyperplastische Polypen – egal welcher Grösse-proximal des Sigmas auftreten.<br />
206
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Histologische Untersuchung, S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Histologische Untersuchung, Empfehlung S3-Leitlinie 2008<br />
Die histologische Untersuchung jedes Polypen ist obligat. Die histologische Bef<strong>und</strong>ung der Polypen erfolgt<br />
entsprechend der WHO-Kriterien mit einer Aussage zur Vollständigkeit der Abtragung. Konventionelle<br />
Adenome werden klassifiziert nach histologischem Wachstumstyp (tubulär, tubulovillös <strong>und</strong> villös) <strong>und</strong> dem<br />
Grad der intraepithelialen Neoplasie (niedrig- <strong>und</strong> hochgradige intraepitheliale Neoplasie); serratierte Läsionen<br />
werden unterteilt in hyperplastische Polypen, sessile serratierte Adenome, gemischte Polypen (mit Angabe des<br />
IEN-Grades) <strong>und</strong> traditionelle serratierte Adenome (mit Angabe des IEN-Grades).<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Etwa 8% der bisher als hyperplastisch klassifizierten Polypen sind nach neuen Erkenntnissen sessile serratierte<br />
Adenome (SSA), die ein Progressionspotenzial zum Karzinom besitzen, vor allem bei einer Größe von mehr als<br />
1 cm <strong>und</strong> rechtsseitiger Lokalisation. Außerdem kommen gemischte Schleimhautpolypen (mixed polyps) vor.<br />
Weiterhin sind 2% aller kolorektalen Polypen traditionelle serratierte Adenome (TSA). Alle diese Varianten<br />
weisen einen gemeinsamen molekularen Kanzerogeneseweg auf.<br />
Empfehlung Histologie bei Karzinomnachweis<br />
Bei Karzinomnachweis soll der histologische Bef<strong>und</strong> folgende Merkmale enthalten:<br />
• Das Ausmaß der Tiefeninfiltration (pT-Kategorie), bei sessilen Polypen die sm-Invasionsmessung in μm.<br />
• Den histologischen Differenzierungsgrad (Grading)<br />
• Vorhandensein oder Fehlen von Lymphgefäßinvasion (L-Klassifikation) <strong>und</strong><br />
• Die Beurteilung der Resektionsränder (R-Klassifikation) im Hinblick auf die lokale Entfernung im Ges<strong>und</strong>en<br />
(zur Tiefe <strong>und</strong> zur Seite).<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.<br />
Empfehlung Klassifikation pT1-Karzinom<br />
Im Hinblick auf weitere therapeutische Konsequenzen bei komplett entfernten pT1-<strong>Karzinome</strong>n soll eine<br />
zusammenfassende Klassifikation erfolgen in<br />
• Low-risk = G1 oder G2 <strong>und</strong> keine Lymphgefäßeinbrüche (L0)<br />
• High risk = G3 oder G4 <strong>und</strong> /oder Lymphgefäßeinbrüche (L1)<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.<br />
Die Notwendigkeit einer Angabe über den Abstand der Entfernung im Ges<strong>und</strong>en bei pT1-<strong>Karzinome</strong>n ist<br />
strittig.<br />
WHO/Wien-Klassifikation: Einteilung <strong>und</strong> Terminologie der kolorektalen intraepithelialen<br />
Neoplasien<br />
Kategorie 1 Keine Neoplasie<br />
Kategorie 2 „indefinite“ für Neoplasie<br />
Kategorie 3 Geringgradige Neoplasie der Schleimhaut<br />
Mucosal low grade intraepithelial neoplasia (LGIN)<br />
Kategorie 4 Hochgradige Neoplasie der Schleimhaut<br />
Hochgradige intraepitheliale Neoplasie (HGIN)<br />
Intraepithelial: Adenom mit schwerer Dysplasie, Carcinoma in situ<br />
Intramucosal: intramucosales Karzinom, V.a. invasives Karzinom<br />
Kategorie 5 Submucosales invasives Karzinom (Frühkarzinom T1, fortgeschrittene <strong>Karzinome</strong> >T1)<br />
Nicht neoplastische Polypen<br />
Verschiedene Typen siehe Seite „Polypen“. Die hyperplastischen Polypen (meist
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Polypektomie, Karzinomnachweis, S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Vorgehen bei pT1-<strong>Karzinome</strong>n Empfehlung<br />
Ergibt die histologische Untersuchung eines endoskopisch R0-entfernten Polypen ein pT1-Karzinom, soll auf<br />
eine onkologische Nachresektion verzichtet werden, wenn es sich um eine Low-Risk-Situation bei histologisch<br />
karzinomfreier Polypenbasis (R0) handelt.<br />
In der High-Risk-Situation ist die radikale chirurgische Behandlung erforderlich, auch wenn die Läsion<br />
komplett entfernt wurde.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, Konsens.<br />
Bei inkompletter Abtragung eines Low-Risk-pT1-Karzinoms soll eine komplette endoskopische oder lokale<br />
chirurgische Entfernung erfolgen. Wenn eine R0-Situation nicht erreichbar ist oder Zweifel am Vorliegen einer<br />
pT1-Situation besteht, so ist die onkologisch-chirurgische Resektion erforderlich.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, starker Konsens<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
pT1-<strong>Karzinome</strong> unterscheiden sich je nach Situation erheblich in ihrer Prognose. Dreh- <strong>und</strong> Angelpunkt einer<br />
Risikostratiefizierung stellt die Wahrscheinlichkeit der Lymphknotenmetastasierung dar. Die Gesamtgruppe der<br />
T1-<strong>Karzinome</strong> hat eine Lymphknotenmetastasierungsrate (N+) von 0-20%. Qualitative Prognosekriterien:<br />
Grading <strong>und</strong> L-Klassifikation des Polypen. Quantitative Messung der Submucosainvasion am Operations- bzw.<br />
Polypektomiepräparat. Einteilung der Submucosaschicht in drei Drittel. Am Präparat eines sessilen Polypen ist<br />
die Messung der Submucosinvasionsstrecke in μm sinnvoller. Die sogenannten frühinvasiven Formen (sm1,<br />
sm2 bzw. Submucosainvasion ≤ 1000 μm) haben mit 0-6% ein geringes N+-Risiko. Bei sm3-<strong>Karzinome</strong>n<br />
beträgt das Lymphknotenmetastasierungsrisiko etwa 20%. Cave: Messung der Submucosadicke nicht am<br />
gestielten Polypen in μm, weil die Submucosadicke von der Stiellänge abhängig ist, das heißt der Stiel ist immer<br />
sm1-Niveau. Der Nachweis einer Veneninvasion (V-Klassifikation) sollte erwähnt werden, der Stellenwert für<br />
eine lokale Therapie ist jedoch nicht sicher belegt.<br />
Vorsicht ist geboten, wenn bei sessilen Läsionen prätherapeutisch bereits eine Karzinomdiagnose bioptisch<br />
gesichert wurde. Häufig handelt es sich dann schon nicht mehr um eine endoskopisch therapierbare Situation.<br />
Die Absicherung einer R0-Situation ist obligat, kontrovers wird ein Sicherheitsabstand von 1 mm zur Basis<br />
diskutiert. Eine endoskopische Entfernung als en-bloc-Resektion ist optimal. Eine Entfernung in Piece-meal-<br />
Technik erscheint ausreichend.<br />
Empfehlung Nachsorge pT1-Karzinom<br />
Die endoskopische lokale Nachsorge bei<br />
kompletter Entfernung (R0) von Low-Risk (pT1, low-grade G1, G2, L0) <strong>Karzinome</strong>n<br />
nach einem halben Jahr <strong>und</strong> nach zwei Jahren.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />
Empfehlung Medikamentöse Sek<strong>und</strong>ärprävention bei Adenomen<br />
Eine medikamentöse Sek<strong>und</strong>ärprophylaxe nach Polypektomie sollte derzeit außerhalb von Studien nicht<br />
erfolgen.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke:1b, starker Konsens.<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Obwohl in mehreren prospektiven randomisierten Untersuchungen mit hoher Evidenzstärke (1b) ein geringer<br />
präventiver Effekt nach niedrigdosiertem ASS gef<strong>und</strong>en wurde, kann aufgr<strong>und</strong> des geringen Effekts (Senkung<br />
der Rezidivadenomrate um max. 35%) <strong>und</strong> der medikamentös bedingten Risiken derzeit eine Einnahme zur<br />
Senkung des Rezidivrisikos nicht empfohlen werden.<br />
Gleiches gilt für die COX-2-Hemmer, für die eine Senkung der Adenomrezidivrate um 24-45% erreicht wurde,<br />
die jedoch mit einer signifikant erhöhten Rate kardiovaskulärer Nebenwirkungen einhergingen, die den<br />
potentiellen Nutzen aufwiegen.<br />
Auch die Senkung der Adenomrezidivrate um 12% durch Kalzium erscheint zu gering, um die längerfristige<br />
Einnahme für diese Indikation rechtfertigen zu können.<br />
208
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Polypenmanagement, Nachsorge, S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Eine wesentliche Neuerung der überarbeiteten Leitlinie ist die Betonung der Bedeutung einer hochqualitativen<br />
Koloskopie mit hoher Neoplasiedetektions- <strong>und</strong> geringer Nebenwirkungsrate. Aufgr<strong>und</strong> des geringen<br />
Neoplasierisikos von Patienten, bei denen ein oder zwei tubuläre Adenome < 10mm entfernt wurden, wurde das<br />
Nachsorgeintervall für diese Patientengruppe auf 5 Jahre verlängert. Diese Empfehlung wird durch eine<br />
randomisierte US-Studie unterstützt, in der die Rate an fortgeschrittenen Neoplasien zwischen Patienten, die<br />
innerhalb der ersten 3 Jahre <strong>und</strong> zwischen 3 <strong>und</strong> 5,5 Jahren nach Abtragung von ein oder zwei tubulären<br />
Adenomen kontrolliert wurden, nicht signifikant unterschiedlich war (Liebermann et al. Gastroenterol 2007;133:1077-<br />
85).<br />
Empfehlung<br />
Nach Abtragung kleiner einzelner, nicht neoplastischer Polypen besteht keine Notwendigkeit einer<br />
endoskopischen Nachsorge.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Bei Patienten mit kleinen (
Kolonkarzinom<br />
Präoperative Diagnostik<br />
Die Therapie kolorektaler <strong>Karzinome</strong> sollte gr<strong>und</strong>sätzlich auf der Basis einer histologischen<br />
Untersuchung geplant werden.<br />
Präoperative Stagingdiagnostik beim Kolonkarzinom<br />
Nach histologischer Diagnosesicherung <strong>und</strong> vor Durchführung der Operation:<br />
• Anamnese mit besonderer Berücksichtigung einer familiären Häufung<br />
• Körperliche Untersuchung mit digital-rektaler Untersuchung<br />
• Laborroutine + CEA, Blutgruppe<br />
• Rö.-Thorax in zwei Ebenen, EKG<br />
• Vollständige Koloskopie, sofern nicht bereits erfolgt<br />
• Im Falle einer nicht passierbaren Stenose Koloskopie 3-6 Monate postoperativ<br />
• Abdominelle Sonographie<br />
• CT/MRT Abdomen bei unklarem sonographischen Bef<strong>und</strong> oder unzureichender Beurteilbarkeit<br />
• Optional sind CT-Thorax, endoluminale Sonographie, Zystoskopie bei Verdacht auf<br />
Harnblaseninfiltration, gynäkologische Untersuchung bei Verdacht auf Infiltration von Uterus<br />
<strong>und</strong>/oder Adnexen.<br />
Spezielle Diagnostik beim Rektumkarzinom siehe dort<br />
Die ESMO-Empfehlungen 2008 (siehe dort) <strong>und</strong> die NCCN-Guidelines 2008 sehen in der<br />
Stagingdiagnostik ein Abdomen-CT vor !<br />
S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Vor der Therapie eines Patienten mit einem KRK muss eine Koloskopie mit Biopsie vorliegen.<br />
Da in bis zu 5% der kolorektalen <strong>Karzinome</strong> synchrone Tumoren zu erwarten sind, die der<br />
intraoperativen Beurteilung entgehen könnten, ist eine Koloskopie des gesamten Kolons vorzunehmen.<br />
Ist aus technischen Gründen eine komplette Koloskopie nicht möglich, sollte ein alternatives<br />
radiologisches Verfahren eingesetzt werden. Die virtuelle Kolonographie stellt hierfür eine viel<br />
versprechende Alternative zum Kolonkontrasteinlauf dar mit hoher Sensitivität in einer Fallserie.<br />
Ist eine komplette Koloskopie aufgr<strong>und</strong> eines stenosierenden Prozesses nicht möglich, sollte eine<br />
Koloskopie ca. 3 bis 6 Monate nach Resektion erfolgen. Ein präoperativer Kolonkontrasteinlauf ist<br />
von der Wertigkeit her eingeschränkt <strong>und</strong> bei Stenosen mit der Gefahr einer Ileusinduktion verb<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> wird daher nicht empfohlen. Zum Stellenwert der virtuellen Kolonographie für diese<br />
Fragestellungen liegen bisher keine Daten vor.<br />
Das PET hat in der Primärdiagnostik des kolorektalen Karzinoms keinen Stellenwert. Eine<br />
Mikrometastasendiagnostik ist bisher ohne therapeutische Konsequenz <strong>und</strong> kein unabhängiger<br />
prognostischer Parameter.<br />
Definition von Kolon- <strong>und</strong> Rektumkarzinom<br />
Die Grenze zwischen Kolon <strong>und</strong> Rektum wird unterschiedlich definiert. Die intraoperative Beurteilung<br />
anhand des Endes der Taeniae oder der peritonealen Umschlagsfalte ist individuell unterschiedlich <strong>und</strong><br />
von Alter, Geschlecht <strong>und</strong> anderen Faktoren abhängig. Die präoperative Messung der Höhenangabe<br />
des Tumors mit dem flexiblen Endoskop ist unzuverlässig. Zuverlässiger sind die Höhenangaben mit<br />
dem starren Rektoskop. Die Anokutanlinie dient als distaler Messpunkt.<br />
Nach dem internationalen Dokumentationssystem gelten als Rektumkarzinome Tumoren, deren<br />
aboraler Rand bei der Messung mit dem starren Rektoskop 16 cm oder weniger von der Anocutanlinie<br />
entfernt ist.<br />
Demgegenüber gelten in den USA als Kolonkarzinome Tumoren, die mehr als 12 cm <strong>und</strong> als<br />
Rektumkarzinome Tumoren, die 12 cm <strong>und</strong> weniger von der Linea anocutanea entfernt sind.<br />
Begründet wird dies mit der deutlich höheren Lokalrezidivrate bei Tumoren unterhalb von 12 cm.<br />
210
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Histologie<br />
Histologie<br />
Adenokarzinome: In 85-90 % handelt es sich um<br />
Adenokarzinome, die sich durch ein invasives Wachstum<br />
durch die Lamina muscularis mucosae in die Submucosa oder<br />
tiefere Darmwandschichten definieren. Tumoren mit<br />
morphologischen Charakteristika eines Adenokarzinoms, die<br />
nur das Epithel betreffen oder eine Invasion in die Lamina<br />
propria, aber keine Invasion in die Lamina muscularis<br />
mucosae aufweisen, haben praktisch kein<br />
Metastasierungsrisiko. Sie werden deshalb besser mit dem<br />
Begriff „high-grade intraepitheliale Neoplasie“ anstelle eines<br />
Adenocarcinoma in situ oder eines intramucosalen<br />
Adenokarzinoms bezeichnet.<br />
Muzinöses Adenokarzinom (5-10%): Das Karzinom besteht<br />
zu mehr als 50% aus Muzin. In diesem Falle geben die<br />
Tumorzellen Schleim in die Drüsenlumina ab, d.h. es tritt eine extrazelluläre Verschleimung auf. Viele<br />
<strong>Karzinome</strong> mit hochgradiger Instabilität in der Mikrosatelliten-Instabilitäts-Analyse (MSI-High)<br />
entsprechen histopathologisch dieser Variante.<br />
Siegelringzellkarzinome: 1 % sind Siegelring-Ca. Für diese Tumoren ist eine intrazelluläre<br />
Verschleimung charakteristisch. Einige <strong>Karzinome</strong> mit MSI-H entsprechen dieser Variante.<br />
Medulläre <strong>Karzinome</strong>: Seltene Variante, die nahezu ausschließlich mit MSI-H assoziiert ist <strong>und</strong> im<br />
Vergleich mit anderen schlecht differenzierten CRC eine bessere Prognose aufweisen.<br />
Ausgesprochen selten sind Plattenepithel-<strong>Karzinome</strong>, adenosquamöse <strong>Karzinome</strong>, kleinzellige <strong>und</strong><br />
<strong>und</strong>ifferenzierte <strong>Karzinome</strong> sowie Karzinoide <strong>und</strong> maligne Lymphome.<br />
Histopathologisches Grading<br />
In klassischer Weise erfolgt das Grading in einem vierstufigen Schema.<br />
Gx<br />
G1<br />
G2<br />
G3<br />
G4<br />
Differenzierungsgrad kann nicht bestimmt werden<br />
gut differenziert. Karzinom mit histologischen <strong>und</strong> zellulären Merkmalen normalen Epithels<br />
mäßig differenziert. Differenzierungsmuster des Karzinoms zwischen G1 <strong>und</strong> G3<br />
einzuordnen<br />
schlecht differenziert. Karzinom mit histologischen <strong>und</strong> zellulären Merkmalen, die<br />
normalem Epithel kaum ähneln (mindestens Drüsenformation oder Schleimbildung)<br />
<strong>und</strong>ifferenziert. Es lassen sich keine glandulären oder Plattenepithel-typischen<br />
Differenzierungen erkennen.<br />
Kolonkarzinom im endoskopischen Bild im<br />
Colon ascendens<br />
Nach neueren Erkenntnissen ist jedoch ein zweistufiges Grading ausreichend, da das histologische<br />
Grading untersucherabhängigen Schwankungen unterliegt <strong>und</strong> ein zweistufiges Grading prognostisch<br />
ausreichend ist. Grading 1 <strong>und</strong> 2 gelten als „low-grade“ mit einer lymphogenen Metastasierungsrate<br />
von bis zu 25 %, Grading 3 + 4 gelten als „high-grade“. Die lymphogene Metastasierungsrate beträgt<br />
für diese Subgruppe 80 %.<br />
Siegelringzellkarzinome gelten per definitionem als schlecht differenziert (G3). Medulläre <strong>Karzinome</strong><br />
mit MSI-H erscheinen <strong>und</strong>ifferenziert (G4). Da aber MSI-H-<strong>Karzinome</strong> eher eine bessere<br />
Überlebenswahrscheinlichkeit haben, sind weitere Untersuchungen zur Korrelation zwischen Grading<br />
<strong>und</strong> molekularen Subtypen erforderlich.<br />
211
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Pathohistologische Diagnostik, S3-Leitlinie<br />
Anforderungen an die pathohistologische Diagnostik (S3-Leitlinie)<br />
Makroskopische Beurteilung<br />
Ausmaß der Resektion a. limitierte Resektion (z.B. Segmentresektion, tubuläre Resektion)<br />
b. radikale Standardresektion (z.B. Hemikolektomie, Sigmaresektion)<br />
c. erweiterte radikale Resektion (z.B. erweiterte Hemokolektomie)<br />
Anzahl der Resektate a. en-bloc-Resektion<br />
b. mehrere Teile<br />
Tumorperforation a. spontan<br />
b. iatrogen<br />
• Länge des Darmresektates, Resektion von Nachbarorganen<br />
• Schnitt durch den Tumor, Tumorobstruktion<br />
• Makroskopischer Tumor an Resektionsrändern (insbesondere an den circumferentiellen Rändern)<br />
• Größe <strong>und</strong> Lage des Tumors innerhalb des Resektats (Abstand von oralem <strong>und</strong> aboralem Resektionsrand)<br />
• Weitere Veränderungen im Präparat (z.B. Polypen, Divertikel)<br />
Mikroskopische Beurteilung<br />
• Histologischer Tumortyp nach WHO<br />
• Tumorinvasionstiefe (pT-Kategorie)<br />
• Lymphknotenstatus (pN-Kategorie), Anzahl untersuchter <strong>und</strong> befallener Lymphknoten<br />
• Ggf. histologische Verifikation von Fernmetastasen (M-Kategorie)<br />
• Lymphgefäßinvasion (L-Kategorie), Veneninvasion (V-Kategorie)<br />
• Perineuralinvasion (Pn-Kategorie)<br />
• Radikalität (R-Kategorie)<br />
Grading<br />
a. low Grade<br />
b. high Grade<br />
Resektionsränder<br />
(Kolonkarzinom)<br />
Rektumkarzinom siehe dort<br />
a. oral <strong>und</strong> aboral, wenn Abstand zum Tumor < 5cm (aufgespannt)<br />
b. zirkumferentiell (mesokolisch/retroperitoneal), wenn pT3/4<br />
c. makroskopisch verdächtige Bereiche<br />
Histologisches Regressionsgrading nach neoadjuvanter Therapie<br />
Der Regressionsgrad nach Chemo-/Radiotherapie des Primärtumors wird nach verschiedenen Skalen<br />
klassifiziert. Am gebräuchlichsten sind die Einteilungen nach Dworak (s.u.) <strong>und</strong> nach Ryan sowie das<br />
Regressionsgrading der TU-München nach Werner <strong>und</strong> Höfler (siehe auch Rektumkarzinom,<br />
Regressionsgrading nach neoadjuvanter Therapie)<br />
Grad 0<br />
Grad 1<br />
Grad 2<br />
Grad 3<br />
Grad 4<br />
Keine Regression<br />
Überwiegend Tumor mit deutlicher Fibrose <strong>und</strong> /oder Vaskulopathie<br />
Überwiegend Fibrose mit wenigen Tumorzellen (leicht histologisch zu erkennen)<br />
Sehr wenige (schwierig histologisch nachzuweisende) Tumorzellen innerhalb Fibrose mit oder<br />
ohne Schleimseen<br />
Keine vitalen Tumorzellen nachweisbar<br />
Residualtumorklassifikation<br />
Rx<br />
R0<br />
R1<br />
R2<br />
Vorhandensein von Residualtumor kann nicht beurteilt werden<br />
Kein Residualtumor<br />
mikroskopischer Residualtumor<br />
makroskopischer Residualtumor<br />
212
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
TNM-Klassifikation (UICC 2002)<br />
T – Primärtumor<br />
Tx<br />
Tis<br />
T1<br />
T2<br />
T3<br />
T4<br />
Primärtumor kann nicht beurteilt werden.<br />
Carcinoma in situ<br />
Tumor infiltriert Submucosa<br />
Tumor infiltriert Muscularis propria<br />
Tumor infiltriert durch die Muscularis propria in die Subserosa oder in nicht peritonealisiertes<br />
perikolisches oder perirektales Gewebe<br />
Tumor perforiert das viszerale Peritoneum oder infiltriert in andere Organe oder Strukturen<br />
Anmerkung<br />
Tis liegt vor, wenn Tumorzellen innerhalb der Basalmembran der Drüsen (intraepithelial) oder in der Lamina propria<br />
(intramukös) nachweisbar sind, ohne dass eine Ausbreitung durch die Muscularis mucosae in die Submucosa<br />
feststellbar ist.<br />
Direkte Ausbreitung in T4 schließt auch die Infiltration mehrerer Segmente des Kolorektums auf dem Weg über die<br />
Serosa ein, z.B. die Infiltration des Sigma durch ein Zökumkarzinom.<br />
Ein Tumor, der makroskopisch an anderen Organen adhärent ist, wird als T4 klassifiziert. Ist bei der histologischen<br />
Untersuchung in den Adhäsionen kein Tumorgewebe nachweisbar, soll der Tumor als pT3 klassifiziert werden.<br />
N – Regionäre Lymphknoten<br />
Nx Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden.<br />
N0 keine regionären Lymphknotenmetastasen.<br />
N1 Metastasen in 1-3 perikolischen bzw. perirektalen Lymphknoten.<br />
N2 Metastasen in 4 oder mehr perikolischen bzw. perirektalen Lymphknoten.<br />
pN0 Regionäre Lymphadenektomie <strong>und</strong> histologische Untersuchung üblicherweise von 12 oder<br />
mehr Lymphknoten. Wenn die untersuchten Lymphknoten tumorfrei sind, aber die geforderte<br />
Richtzahl nicht erreicht wird, soll der Bef<strong>und</strong> dennoch als pN0 klassifiziert werden.<br />
Anmerkung<br />
Ein Tumorknötchen im perikolischen oder perirektalen Fettgewebe ohne histologischen Anhalt für Reste eines<br />
Lymphknotens wird in der pN-Kategorie als regionäre Lymphknotenmetastase klassifiziert, wenn die Form <strong>und</strong> glatte<br />
Kontur eines Lymphknotens vorliegen. Wenn das Tumorknötchen eine irreguläre Kontur aufweist, soll es in der pT-<br />
Kategorie beurteilt <strong>und</strong> auch als V1 (mikroskopische Veneninvasion) oder, falls es makroskopisch erkennbar ist, als<br />
V2 eingestuft werden, weil es dann sehr wahrscheinlich ist, dass es sich um eine Veneninvasion handelt.<br />
M – Fernmetastasen<br />
Mx<br />
Mo<br />
M1<br />
Das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden.<br />
Keine Fernmetastasen.<br />
Fernmetastasen.<br />
Präfix vor dem TNM-System<br />
p Pathologisches Stadium<br />
c Klinisches Stadium<br />
r Rezidiv<br />
u Ultraschalldiagnostik<br />
y Klassifikation nach neoadjuvanter Therapie<br />
213
R-Klassifikation (Residualtumor)<br />
Sicht des Pathologen<br />
Die Anwendung einer Klassifikation von Residualtumor nach einer chirurgischen Therapie primärer<br />
maligner Tumoren ist 1978 vom American Joint Committee on Cancer (AJCC) empfohlen worden. Der<br />
Ansatz dieser extrem prognoserelevanten Bewertung stellte eine notwendige <strong>und</strong> wertvolle Ergänzung der<br />
Konzepte des TNM <strong>und</strong> pTNM dar, bei denen das mögliche Verbleiben von Tumorgewebe in situ nicht<br />
abgebildet wird.<br />
Auf der Gr<strong>und</strong>lage dieser ersten R-Klassifikation erfolgte durch die UICC 1987 eine Weiterentwicklung<br />
dahingehend, dass sowohl der maligne Primärtumor als auch dessen mögliche Metastasen<br />
Berücksichtigung fanden. In diesem Konzept etablierte man die R-Klassifikation als eine<br />
prognoserelevante Größe, die in vier einfachen Kategorien das posttherapeutische Staging umfassend,<br />
bezogen auf den Patienten als Ganzes, abbilden sollte 1) Diesem erweiterten Konzept (R = Residualtumor<br />
im gesamten Körper), dass chirurgische <strong>und</strong> nicht chirurgische Therapiemodalitäten abbildet, stimmte<br />
nachfolgend das AJCC zu.<br />
Das Besondere an der R-Klassifikation ist somit die ganzheitliche Betrachtung des posttherapeutischen<br />
Tumorpatienten mit Berücksichtigung aller „durch die derzeit verfügbaren <strong>und</strong> allgemein akzeptierten<br />
Kategorien des posttherapeutischen R - Status<br />
R0 = kein Residualtumor im Patienten<br />
R1 = mikroskopischer Nachweis von Residualtumor<br />
R2 = makroskopischer Nachweis von Residualtumor<br />
Rx = Vorhandensein von Residualtumor kann nicht beurteilt werden<br />
diagnostischen Methoden“ erkennbaren Tumormanifestationen im gesamten Organismus. Dieses Vorhaben<br />
kann nur interdisziplinär verwirklicht werden <strong>und</strong> ist nicht, wie vereinfachend angenommen wird, die<br />
alleinige Aufgabe der Pathologie. Eine pR-Klassifikation ist nicht etabliert. Um den korrekten R-Status<br />
eines Tumorpatienten zu ermitteln, müssen neben der histologischen Beurteilung der Präparateränder, der<br />
Operationssitus (beurteilt durch den Chirurgen), das Staging in der Bildgebung (beurteilt durch den<br />
Radiologen) <strong>und</strong> ggf. andere klinische Gegebenheiten (z.B. Tumorrezidiv, Modalitäten vorangegangener<br />
Tumor- bzw. Metastasenbehandlung) berücksichtigt werden, d.h. die Pathologie kann nur einen Baustein<br />
zur R-Klassifikation liefern. Dieser Beitrag ist zwar wesentlich, jedoch nicht allein gültig. Insofern ist zu<br />
betonen, dass besonders der den Patienten klinisch behandelnde Arzt den prognoserelevanten R-Status in<br />
der ganzheitlichen Zusammenschau der verschiedenen Einzelbef<strong>und</strong>e von Pathologie, Radiologie <strong>und</strong><br />
<strong>Klinik</strong> bewerten kann. In Fällen, wo die Tumorbehandlung ausschließlich durch Radio- <strong>und</strong>/oder Radio-<br />
/Chemotherapie erfolgt, ergibt sich die R-Klassifikation ohne Mitbeteiligung der Pathologie allein aus den<br />
klinischen Untersuchungsergebnissen.<br />
Streng genommen kann durch die Pathologie am Operationspräparat bei Untersuchung der<br />
Resektionsränder aber ohne Kenntnis der klinischen Situation (z.B. Tumorabsiedlungen, Nachresektionen<br />
etc.) nur ein Rx–Status mit dem Zusatz vergeben werden, dass die Resektionsränder z.B. tumorfrei sind.<br />
Dagegen steht ein in der Praxis etabliertes, aber nicht unproblematisches Verfahren. Es geschieht<br />
vergleichsweise häufig, daß ohne Kenntnis der klinischen Situation eine lokale R-Klassifikation von der<br />
Pathologie angegeben wird, die dann kritiklos vom <strong>Klinik</strong>er übernommen <strong>und</strong> nicht durch die ganzheitliche<br />
Sicht auf den Tumorpatienten modifiziert wird. In dieser eingeschränkten Sichtweise wird der R-Status nur<br />
als ein Kriterium zur Beurteilung der Radikalität bzw. des aktuellen Erfolgs der lokalen chirurgischen<br />
Therapie verwendet. Das „R“ der R-Klassifikation wird in dieser vereinfachenden Sichtweise als „Rand<br />
des Präparates“ <strong>und</strong> nicht als „Residuum des Tumors im Patienten“ verstanden. Die prognostische<br />
Aussagekraft der R-Klassifikation wird durch diese Verfahrensweise in hohem Maße eingeschränkt.<br />
Ein Beispiel mag diesen komplexen Sachverhalt illustrieren. Es wird ein Kolonkarzinom lokal erfolgreich<br />
operiert, die Resektionsränder sind makroskopisch <strong>und</strong> mikroskopisch sämtlich tumorfrei. Entsprechend<br />
dieser Gegebenheiten besteht, bezogen auf das Operationspräparat, lokal eine R0–Situation. Gleichzeitig<br />
hat der Patient aber noch Lebermetastasen, die in der Bildgebung nachweisbar sind <strong>und</strong> im Rahmen der<br />
Operation nicht beseitigt oder anderweitig therapeutisch angegangen werden. In der ganzheitlichen Sicht<br />
des Tumorpatienten besteht somit ein Zustand von makroskopisch nachweisbaren Tumormanifestationen,<br />
also eine R2 – Situation. Insofern ist es durchaus möglich, dass trotz lokal radikalen chirurgischen<br />
Vorgehens ein R2–Status vorliegen kann.<br />
1) Wittekind C, Chirurg, 2007, 78:785-791, Wittekind C, <strong>Onkologie</strong>, 2006, 12:803-814<br />
214
R-Klassifikation (Residualtumor)<br />
Sicht des <strong>Klinik</strong>ers<br />
Praktische Beispiele<br />
Für die Festlegung der R-Situation in ganzheitlicher Sicht durch die Pathologie haben sich bestimmte<br />
Algorithmen entwickelt.<br />
Rx sollte vergeben werden, wenn die Resektionsränder nicht ermittelbar sind (z.B. fragmentierte<br />
Tumorabtragung ohne topographische Zuordnung), wenn durch Nichtpathologen Gewebe,<br />
insbesondere von den Präparaterändern, z.B. für Gewebebanken entnommen wurde <strong>und</strong>/oder die<br />
klinischen Daten zum Staging fehlen.<br />
Eine R0–Situation kann nur dann durch den Pathologen diagnostiziert werden, wenn die<br />
Resektionsränder des Operationspräparates tumorfrei sind <strong>und</strong> dem Untersucher klinische Daten<br />
vorliegen, dass mit keinem der standardisierten diagnostischen Verfahren Tumor im Körper des<br />
Patienten mehr nachweisbar ist.<br />
Eine R1–Situation besteht dann, wenn mikroskopisch, insbesondere an den Resektionsrändern von<br />
Operationspräparaten des Primärtumors <strong>und</strong>/oder seiner Metastasen, Tumor nachweisbar ist <strong>und</strong><br />
klinische Angaben dahingehend vorliegen, dass keine weiteren Tumormanifestationen im Organismus<br />
bestehen.<br />
Die R2 – Situation ergibt sich bei makroskopisch erkennbaren Tumorresiduen im Patienten, das kann<br />
die Resektionsränder aber auch unabhängig davon andere Lokalisationen betreffen (Metastasen)<br />
Fazit für die R-Klassifikation ist, dass sie die ganzheitliche Sicht des Tumorpatienten<br />
erfordert <strong>und</strong> sich aus der interdisziplinären Zusammenarbeit von klinischen <strong>und</strong> nicht<br />
klinischen Fächern ergibt.<br />
Sicht des <strong>Klinik</strong>ers<br />
Die obige Darstellung entspricht den Vorgaben der UICC-Klassifikation <strong>und</strong> ist wissenschaftlich<br />
damit ausreichend begründet. Das Problem besteht jedoch darin, dass <strong>Klinik</strong>er <strong>und</strong> hier besonderes<br />
Chirurgen <strong>und</strong> internistische Onkologen das R-Kriterium als qualitative Beurteilung der<br />
Resektionsränder verstehen. Die vom Primärtumor ferner metastatische Absiedlung wird für klinisch<br />
tätige Ärzte über die M-Kategorie der TNM-Klassifikation charakterisiert.<br />
Nach dieser Form der Interpretation würde beispielsweise ein Kolonkarzinom mit freien<br />
Resektionsrändern nach der Tumorexstirpation <strong>und</strong> gleichzeitig nachweisbaren Lebermetastasen wie<br />
folgt eingestuft: T3, N1 (1/15), M1 (Leber), R0. Bei präziser Anwendung der UICC-Kriterien müsste<br />
im angegebenen Fall die R-Klassifikation jedoch lauten R2.<br />
Hier herrscht eine babylonische Sprachverwirrung. Die Lösung des Problems kann nur darin bestehen,<br />
dass <strong>Klinik</strong>er <strong>und</strong> Pathologen sich auf ein einheitliches Vorgehen verständigen <strong>und</strong> eine Sprache<br />
benutzen, in der die verwendeten Begriffe gleichen Inhalts sind.<br />
Es gibt durchaus Argumente, die Sichtweise der Pathologie zu übernehmen. Dies würde voraussetzen,<br />
dass der <strong>Klinik</strong>er den Pathologen mit vollständigen <strong>und</strong> verlässlichen Daten ausstattet, damit dieser<br />
zum Residualstatus des Tumors im ganzen Körper des Patienten korrekt Stellung nehmen kann.<br />
Anderenfalls <strong>und</strong> dies ist wahrscheinlich praktikabler, sollte sich der Pathologe auf die Beurteilung der<br />
Resektionsränder beschränken, zum Beispiel in der Weise dass er schreibt: R0 am Resektionspräparat.<br />
Das R-Kriterium als gesamtkörperliche Beurteilung sollte durch den Onkologen des Patienten, der<br />
über alle Bef<strong>und</strong>e verfügt, erfolgen. Auf das obige Beispiel angewendet würde die klinischpathologische<br />
Bewertung lauten: T3, N1 (1/15), Mx, R0 am Resektionpräparat.<br />
Da bei den meisten <strong>Klinik</strong>ern das R-Kriterium nicht als Begriff für die Residualkrankheit im<br />
Gesamtkörper, sondern als Kennzeichnung der Resektionsränder verstanden wird, sollte der<br />
Pathologe in seinem Bericht bezüglich einer Residualkrankheit nur das Resektionspräparat<br />
berücksichtigen <strong>und</strong> dies entsprechend eingeschränkt in seinem Gutachten zum Ausdruck bringen,<br />
indem er bei tumorfreien Resektionsrändern beispielsweise schreibt: R0 am Resektionspräparat. Eine<br />
solche Formulierung wäre ein tragbarer Kompromiss für die <strong>Klinik</strong> <strong>und</strong> die Pathologie.<br />
215
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Lokalisation, Lymphknoten<br />
Lokalisation<br />
Die häufigsten Lokalisationen befinden sich auf der linken<br />
Seite des Kolonrahmens. Die prozentuale Verteilung geht<br />
aus der nebenstehenden Abbildung hervor.<br />
Lokalisationen des Primärtumors<br />
Kolon<br />
Appendix<br />
Coecum<br />
Colon ascendens<br />
Flexura hepatica<br />
Colon transversum<br />
Flexura lienalis<br />
Colon descendens<br />
Colon sigmoideum<br />
Rektosigmoidaler Übergang<br />
Rektum<br />
Regionäre Lymphknoten, Definition<br />
Für die verschiedenen anatomischen Bezirke <strong>und</strong><br />
Unterbezirke sind die regionären Lymphknoten<br />
nachstehend aufgelistet:<br />
• Appendix: Ileokolische Lymphknoten<br />
• Zökum: Ileokolische <strong>und</strong> rechte kolische Lymphknoten<br />
• Colon ascendens: Ileokolische, rechte <strong>und</strong> mittlere kolische Lymphknoten<br />
• Flexura hepatica: Rechte <strong>und</strong> mittlere kolische Lymphknoten<br />
• Colon transversum: Rechte, mittlere <strong>und</strong> linke kolische Lymphknoten <strong>und</strong> Lymphknoten an A. mesenterica<br />
inferior<br />
• Flexura lienalis: Mittlere <strong>und</strong> linke kolische Lymphknoten <strong>und</strong> Lymphknoten an A. mesenterica inferior<br />
• Colon descendens: Linke kolische Lymphknoten <strong>und</strong> Lymphknoten an A. mesenterica inferior<br />
• Colon sigmoideum: Linke kolische <strong>und</strong> Sigmalymphknoten, Lymphknoten an A. rectalis superior <strong>und</strong> an<br />
A.mesenterica inferior sowie rektosigmoidale Lymphknoten<br />
• Rektum: Lymphknoten an Aa. rectalis superior, media <strong>und</strong> inferior, mesenterica inferior, iliaca interna,<br />
mesorektale (paraproktale), laterale sakrale <strong>und</strong> präsakrale Lymphknoten sowie sakrale Lymphknoten am<br />
Promontorium (Gerota)<br />
Metastasen in anderen als den angeführen Lymphknoten werden als Fernmetastasen<br />
klassifiziert.<br />
Lymphknotenentfernung<br />
Evidenzbasierte Leitlinien fordern die operative Entfernung <strong>und</strong> Untersuchung von mindestens 12<br />
Lymphknoten bei der kurativen Therapie kolorektaler <strong>Karzinome</strong>.<br />
Auf dem ASCO 2007 wurde die Benchmark der Lymphknotenentfernung (≥12 LK) in zwei Arbeiten<br />
untersucht:<br />
In einem Vergleich der spezialisierten Zentren (NCCN-Zentren, 345 Pat.) <strong>und</strong> der SEER (Surveillance<br />
Epidemiology and end results)-Datenbank mit 14.019 Patienten zeigte sich, dass in den NCCN-Zentren bei 89%<br />
der Patienten mit Kolon- <strong>und</strong> Rektumkarzinom in den Stadien I-III 12 <strong>und</strong> mehr Lymphknoten entfernt wurden,<br />
während dies an nicht spezialisierten Zentren nur bei 45% der Patienten der Fall war (Raipur A. er al., ASCO 2007,<br />
Abstr. # 4015).<br />
In einer weiteren Arbeit wurden die Daten von 299.242 Patienten aus der amerikanischen SEER-Datenbank für<br />
den Zeitraum 1990-2003 analysiert. Die Autoren schlussfolgern, dass der Anteil der Patienten mit 12 <strong>und</strong> mehr<br />
untersuchten Lymphknoten nach wie vor zu niedrig ist. Bei der Untersuchung von 12 oder mehr Lymphknoten<br />
steigt die Wahrscheinlichkeit als ein Stadium III gegenüber einem Stadium II klassifiziert zu werden, um das<br />
1,3fache (Cai Q et al.,ASCO 2007, Abstr. #4016).<br />
216<br />
Lokalisation der kolorektalen<br />
<strong>Karzinome</strong> -Verteilung
UICC Dukes<br />
Kolonkarzinom<br />
Stadieneinteilung UICC 2002, Dukes-Klassifikation<br />
TNM<br />
Dukes mod. n.<br />
Astler-Coller<br />
0 A Tis A<br />
I<br />
A<br />
T 1<br />
T 2 B 1<br />
A<br />
5-Jahres-<br />
Überlebensraten<br />
Kolonkarzinom*<br />
93,2%<br />
II A T 3 N 0<br />
B 2 84,7%<br />
B<br />
M 0<br />
II B<br />
T 4<br />
B 3 72,2%<br />
III A T 1 , T 2 N 1 C 1 83,4%<br />
III B C T 3/4 N 1<br />
III C<br />
C 2 64,1%<br />
Jedes T N 2 C 3 44,3%<br />
IV D jedes T jedes N M 1 D 8,1%<br />
*O´Connell et al. JNat Cancer Inst 2004; 96:1420-25<br />
Beachte<br />
UICC II setzt sich zusammen aus einer Gruppe mit besserer (T 3 , N o , M o ) <strong>und</strong> mit schlechterer (T 4 , N o , M o ) Prognose.<br />
Ebenso ist das Stad. III prognostisch nicht einheitlich.<br />
Dukes-Klassifkation<br />
Die früher übliche Dukes-Einteilung in der Modifikation nach Astler <strong>und</strong> Coller wird in den gängigen Lehrbüchern<br />
sehr unterschiedlich zitiert (Definition der Stadien B 3 – C 3) <strong>und</strong> sollte deshalb keine Verwendung finden.<br />
Modifiziert nach<br />
Cancer Principle and<br />
Practice of<br />
Oncology. De Vita<br />
et al. 6 th edition,<br />
Lippincott-Raven,<br />
2001. Graphik: Fa.<br />
sanofi Aventis.<br />
217
Kolonkarzinom<br />
Operative Therapie<br />
Standardoperation<br />
Voraussetzung für eine Kuration ist eine R0-Resektion. Diese verlangt die Entfernung des tumortragenden<br />
Darmabschnittes mit den regionären Lnn. Die Operationsletalität liegt
Kolonkarzinom<br />
Gefäßversorgung, Lymphdrainage<br />
Standard des operativen Vorgehens ist die onkologisch radikale Tumorresektion unter Mitnahme der<br />
lokoregionären Lymphknoten entsprechend der Gefäßversorgung des Kolons.<br />
219
Kolonkarzinom<br />
Operationsverfahren<br />
Hemikolektomie<br />
Das operative Vorgehen beim Kolonkarzinom orientiert sich an der Gefäßversorgung <strong>und</strong> den Lymphabflusswegen.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong>e ist es erforderlich, bei einer Tumorlokalisation im Kolonrahmen entweder eine links- oder eine<br />
rechtsseitige Hemikolektomie durchzuführen. Das Prinzip der Resektion <strong>und</strong> das Ergebnis nach der Anastomosierung<br />
geht aus den nachfolgenden schematischen Zeichnungen hervor.<br />
Abb. 1 zeigt eine Hemikolektomie rechts, Abb. 2 eine linksseitige Hemikolektomie.<br />
Die Bilder der zweiten Reihe stellen die Resektion <strong>und</strong> das Operationsergebnis für eine Tumorlokalisation im<br />
Querkolon <strong>und</strong> im Sigma dar. Als Rektumkarzinome gelten Tumoren, deren aboraler Rand bei der Messung mit dem<br />
starren Rektoskop 16 cm oder weniger von der Anokutanlinie entfernt ist. Das Rektumkarzinom wird im folgenden<br />
gesondert behandelt (siehe dort).<br />
1 2<br />
3<br />
4<br />
Wolmark, N., Rockette H. et al. J Clin Oncol 1990; 8:1466-75<br />
Im Einzelfall hängt das genaue Resektionsausmaß vor allen Dingen bei den Transversum- <strong>und</strong><br />
Descendenskarzinomen von der Lagebeziehung des Tumors zur individuellen Gefäßversorgung wie auch der Größe<br />
des Tumors ab.<br />
Multiviszerale Resektion<br />
In etwa 10% finden sich vor allem beim Kolonkarzinom Tumorkonglomerate unter Einbeziehung von<br />
Nachbarorganen. Nur in etwa 50% der Fälle handelt es sich um tatsächliche, histologisch nachweisbare Infiltrationen,<br />
in den übrigen Fällen um entzündlich bedingte Adhäsionen. Trotzdem bedingt dies in beiden Fällen multiviscerale<br />
En-bloc-Resektionen unter Einbeziehung aller betroffenen Strukturen mit dem Ziel einer R0-Resektion unter<br />
gleichzeitiger Berücksichtigung der Lymphabflussstraßen. Biopsien <strong>und</strong> Schnellschnittuntersuchungen sollten strikt<br />
vermieden werden, da hierbei die Gefahr einer örtlichen Tumorzelldissemination besteht, was mit einer signifikanten<br />
Verrringerung der Überlebenschancen einhergeht.<br />
Synchrone Fernmetastasen<br />
Synchrone Fernmetastasen können sowohl synchron als auch metachron reseziert werden. Verschiedene<br />
Gesichtspunkte können für eine zweizeitige Operation sprechen, wie Umlagerung, Schnittführungen, OP-Dauer,<br />
positive Effekte einer neoadjuvanten Chemotherapie.<br />
220
Kolonkarzinom<br />
Laparoskopische Chirurgie<br />
Von der laparoskopischen Chirurgie beim Kolonkarzinom erhofft man sich Vorteile im postoperativen Verlauf<br />
bei gleichwertiger onkologischer Radikalität <strong>und</strong> Morbidität. Mehrere randomisierte Studien zum Vergleich der<br />
laparoskopischen Chirurgie versus offene Chirurgie liegen vor.<br />
Technische Durchführbarkeit – Konversionsrate<br />
Konversionsrate<br />
Die Konversionsraten beim Kolonkarzinom liegen in den großen Studien COST (Clinical Outcomes of surgical<br />
therapy study group, NEJM 2004;350:2050-59) <strong>und</strong> CLASICC (Guillou PJ, Lancet 2005;365:1718-26) mit<br />
jeweils 435 <strong>und</strong> 246 Patienten bei 21% <strong>und</strong> 25%; das bedeutet, wegen technischer Schwierigkeiten oder<br />
intraoperativer Komplikationen konnte bei über 20% eine minimal invasiv begonnene Operation mit dieser<br />
Technik nicht zu Ende geführt, sondern musste in konventioneller Technik beendet werden.<br />
Operationsdauer<br />
Auch die neuen Studien von 2004 <strong>und</strong> 2005 wie COST <strong>und</strong> CLASICC belegen, dass minimal invasive<br />
Operationstechniken eine um 25% bis 50% längere Operationszeit erfordern.<br />
Postoperative Erholung<br />
Bei 4 von 5 Studien, die postoperative Schmerzen am ersten postoperativen Tag bei den beiden chirurgischen<br />
Verfahren verglichen, ergab sich kein signifikanter Unterschied. Die postoperative Darmtätigkeit kam bei<br />
Patienten in 3 von 6 randomisierten Studien hochsignifikant früher in Gang im minimal invasiven Arm. Der<br />
Zeitvorteil betrug 14 bis 22 St<strong>und</strong>en. Der postoperative Kostaufbau ergab in den Studien, die dieses Kriterium<br />
verglichen, einen geringen Vorteil für die minimal invasive Gruppe.<br />
Chirurgische Komplikationen<br />
Die W<strong>und</strong>infektionsrate war in keiner von 11 randomisierten Studien signifikant unterschiedlich. Es zeigte sich<br />
keine Reduktion der W<strong>und</strong>infektionsrate bei der minimal invasiven Gruppe.<br />
Die Notwendigkeit zur Reoperation war in den Studien für beide Therapieverfahren nicht signifikant<br />
unterschiedlich. Doch waren bei den minimal invasiven Eingriffen Nachoperationen etwas häufiger, was<br />
meistens auf unbemerkte Darmverletzungen durch Instrumente oder thermische Schäden (Koagulationsstrom)<br />
als methodenspezifische Ursachen zurückzuführen ist.<br />
Der postoperative Krankenhausaufenthalt war bei der COST-Studie im konventionellen Arm mit 6 Tagen<br />
signifikant länger versus 5 Tage im laparoskopischen Arm, bei der CLASICC-Studie lag die Zeit bei 9 Tagen in<br />
beiden Armen.<br />
Zwischen den einzelnen Studien wurden regelmäßig größere Unterschiede beobachtet als beim direkten<br />
Vergleich der beiden Techniken, so dass es denkbar erscheint, dass andere Faktoren die Ergebnisse maßgeblich<br />
bestimmen <strong>und</strong> dass der Operationstechnik nicht die allein entscheidende Bedeutung zukommt.<br />
Laparoskopische Chirurgie, S3-Leitlinien 2004/2008<br />
Die Ergebnisse der laparoskopischen Tumorresektion sind derzeit wegen fehlender onkologischer<br />
Langzeitergebnisse nicht abschließend zu beurteilen, so dass dieses Verfahren nur im Rahmen von qualifizierten<br />
Studien mit langfristiger Verlaufsbeobachtung zur Anwendung kommen sollte.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2a, mehrheitliche Zustimmung.<br />
Auch bezüglich der Vorteile der Lebensqualität nach laparoskopischen Resektionen sind keine überzeugenden<br />
Vorteile erkennbar.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, mehrheitliche Zustimmung.<br />
Anmerkung<br />
Im Rahmen des Einsatzes in der Therapie von Rektumkarzinomen liegt lediglich eine randomisierte Studie zu<br />
postoperativen Funktionsstörungen im Vergleich zur konventionellen chirurgischen Therapie vor mit einer<br />
höheren Rate urogenitaler Funktionsstörungen im laparoskopischen Arm. Onkologische Langzeitergebnisse<br />
sind auf Beobachtungsstudien begrenzt <strong>und</strong> erlauben keine abschließende Bewertung.<br />
Aktuelle Metaanalysen gelangen zu dem Ergebnis, dass das laparoskopische Vorgehen im postoperativen<br />
Verlauf Vorteile besitzt <strong>und</strong> onkologisch als gleichwertig anzusehen ist. Voraussetzung ist allerdings die<br />
entsprechende Erfahrung <strong>und</strong> Expertise des Operateurs <strong>und</strong> des Zentrums. Ist diese nicht ausreichend<br />
vorhanden, ist eine offene Operation immer vorzuziehen (Bonjer et al. Arch Surg 2007; 142:298-303, Kuhry et al.<br />
Cochrane Database Syst Rev. 2008;16).<br />
Die laparoskopische Operation wird deshalb weiterhin im Regelfall nur im Rahmen von Studien empfohlen.<br />
221
Kolonkarzinom<br />
Fast-Track-Operation<br />
Das Gr<strong>und</strong>prinzip von Fast-Track-Chirurgie (FTCh)<br />
Der Entwickler der Fast-Track-Operation, der dänische Arzt Henrik Kehlet, erarbeitete seine Methode an Patienten, bei denen<br />
Teile des Darms entfernt wurden. Er warf traditionelle Vorgehensweisen über Bord: Seine Pat. durften bis kurz vor der Operation<br />
noch Flüssigkeit zu sich nehmen. Nach der OP wurden sie so bald wie möglich auf natürlichem Wege (M<strong>und</strong>-Magen-Darm)<br />
ernährt. Sie sollen so schnell wie möglich wieder aufstehen <strong>und</strong> sich bewegen. Außerdem stehen im Mittelpunkt der FTCh die<br />
Schmerztherapie <strong>und</strong> optimierte Narkose-Methoden.<br />
Hauptziel von FTCh: Komplikationen vermindern<br />
Das Ziel von FTCh ist es, dass sich der Pat. nach einer OP rasch wieder erholt <strong>und</strong> vom Eingriff möglichst wenig beeinträchtigt<br />
wird. Um das zu erreichen, müssen vor allem die allgemeinen OP-Komplikationen vermieden werden, d.h. Komplikationen, die<br />
nach einem Eingriff nicht im OP-Bereich, sondern an lebenswichtigen Organen auftraten. Gerade bei älteren Patienten,<br />
insbesondere wenn eine Komorbidität wie Diabetes, Hypertonie, Adipositas oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht, ist das<br />
Risiko nicht-chirurgischer Komplikationen erhöht. Bis zu einem Drittel aller Pat. mit einer Kolon-OP haben allgemeine<br />
Komplikationen. Fast-Track wurde entwickelt, um diese Rate zu senken. Vordringliches Ziel der FTCh ist ausdrücklich nicht eine<br />
Senkung der Liegedauer <strong>und</strong> damit frühe Entlassung des Patienten, wie heute häufig fälschlicherweise gemeint wird, sondern die<br />
Verbesserung des Patientenkomforts <strong>und</strong> die Senkung der Komplikationsrate. Die kurze Liegedauer ist allenfalls ein sich<br />
wirtschaftlich positiv auswirkender Nebeneffekt.<br />
Nach der OP schneller entlassbar <strong>und</strong> schneller fit<br />
Ein Nebeneffekt von FTCh ist, dass die Pat. viel früher aus dem Krankenhaus entlassen werden können. Die übliche<br />
Verweildauer in der <strong>Klinik</strong> nach einer Kolon-OP liegt bei knapp zwei Wochen. Meist fühlen sich Pat. nach dem Eingriff<br />
mehrere Wochen lang nicht gut. Nach der FTCh sind die Pat. demgegenüber bereits ab dem 5. Tag nach der OP entlassungsfähig.<br />
Auch vier Wochen nach der OP hatten FTCh-Pat. einen höheren Aktivitätsgrad <strong>und</strong> ein geringeres Maß an Erschöpfung als<br />
konventionell behandelte Pat. Bei 10-15% der Pat. treten nach einer Dickdarm-OP lokale Komplikationen, wie W<strong>und</strong>infektion,<br />
Nahtinsuffizienz mit Peritonitis u.a. auf. Diese Rate verbessert sich unter FTCh nicht.<br />
Patientenselektion<br />
Prinzipiell eignen sich alle Patienten, die sich einem elektiven kolorektalen Eingriff unterziehen, für das FTCh-Konzept. Bislang<br />
liegen keine absoluten Kontraindikationen vor. Eckpfeiler der „Fast-track“-Konzepte zusammengefasst von der europäischen<br />
„ERAS“-Arbeitsgruppe (Fearon KC et al.; Clin Nutr 2005; 24: 466-77).<br />
Präoperative Maßnahmen<br />
Ein ausführliches präoperatives Gespräch mit dem Pat. hat das Ziel, Angst abzubauen <strong>und</strong> ihn zur aktiven Mitarbeit zu<br />
motivieren. Eine positiv-motivierende Aufklärung über die Operation <strong>und</strong> die perioperativen Maßnahmen dient der<br />
Patientenschulung <strong>und</strong> -konditionierung. Das immer noch weit verbreitete Nüchternheitsgebot von 8-12 St<strong>und</strong>en vor einem<br />
abdominalchirurgischen Eingriff ist wissenschaftlich nicht begründet. In einer Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass eine<br />
präoperative Nüchternheit für klare Flüssigkeiten von 2 St<strong>und</strong>en ausreicht (Am Soc Anesthes 1999; 90: 896-905). Daraus ergibt<br />
sich die Konsequenz, die präoperative Nüchternheitsphase auf dieses Zeitintervall zu verkürzen. Die traditionelle orthograde<br />
Darmspülung steht aufgr<strong>und</strong> einer neueren Metaanalyse mit sieben randomisierten Studien an 1454 Patienten im Verdacht,<br />
einherzugehen mit einer höheren Inzidenz von Anastomoseninsuffizienzen (Slim K et al., Br J Surg 2004; 91:1125-30). Im<br />
Rahmen der „Fast- track“-Konzepte wird daher auf eine solche Darmvorbereitung verzichtet, da hierdurch in Kombination mit<br />
Nüchternheit offenbar eine relevante Hypovolämie erzeugt wird.<br />
Intraoperative Maßnahmen<br />
Konzepte der minimal-invasiven Chirurgie sind ein ganz wesentlicher Bestandteil der „Fast- track“-Rehabilitation. Sind solche<br />
Konzepte nicht möglich, sind queren Inzisionen gegenüber vertikalen Zugängen der Vorzug zu geben. Sonden (Nasogastralsonde,<br />
Drainagen) beeinträchtigen die Pat. in erheblichem Maße. Ihre regelhafte Anwendung geht mit einer höheren Inzidenz von<br />
Fieber, Atelektasen <strong>und</strong> Pneumonien einher. Sie haben keinen Einfluss auf die klinische oder radiologische Insuffizienzrate,<br />
verlängern aber die gastrointestinale Atoniedauer. Ein wesentlicher Bestandteil der „Fast-track“-Rehabilitation ist die<br />
Optimierung der Allgemeinanästhesie (Opioid-reduzierte Anästhesie <strong>und</strong> Analgesie), eine adäquate Volumentherapie <strong>und</strong> eine<br />
effektive Schmerztherapie. Die rasche Erholung nach einer Allgemeinanästhesie <strong>und</strong> eine Verkürzung der Verweildauer im<br />
Aufwachraum sind durch den Einsatz volatiler <strong>und</strong> intravenöser Anästhetika möglich. Dringend zu beachten ist der Erhalt der<br />
Normothermie durch aktiv wärmende konvektive Maßnahmen. Die Inzidenz allgemeiner <strong>und</strong> vor allem kardialer Komplikationen<br />
lassen sich dadurch deutlich reduzieren. Wenn auch zu der Frage der perioperativen Volumentherapie nur kleinere, randomisierte<br />
Studien vorliegen, so weisen sie doch darauf hin, dass eine zurückhaltende Volumentherapie gegenüber einem „liberalen“<br />
Flüssigkeitsregime einen positiven Einfluss auf den postoperativen Verlauf haben könnte. Eine peri- <strong>und</strong> intraoperative<br />
Normovolämie ist daher unbedingt anzustreben. Restriktive Volumentherapie heißt, dass dem Pat. vom Tag der OP bis zum 2.<br />
postoperativen Tag 6,5 l kristalloider Infusionen zugeführt werden.<br />
PostoperativeMaßnahmen<br />
Ziel der postoperativen Maßnahmen ist es, die nachfolgende Katabolie, die inflammatorische Reaktion, das Krankheitsgefühl mit<br />
Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen, die Fatigue sowie Hyperthermie <strong>und</strong> Immunsuppression zu vermeiden. Hier steht die effektive<br />
postoperative Schmerztherapie im Zentrum des Interesses. Im Mittelpunkt steht eine multimodale, systemische Nicht-Opioid-<br />
Analgesie. Dies hilft auch, die postoperative gastrointestinale Atonie zu vermeiden. Eine suffiziente thorakale<br />
Periduralkatheteranalgesie (bis Th 5) mit Lokalanästhetikum <strong>und</strong> niedrig dosiertem Opioid (analgetischer Goldstandard) hat eine<br />
herausragende Bedeutung bei der Stressmodifikation <strong>und</strong> der intestinalen Stressabschirmung. Neben der deutlich besseren<br />
postoperativen Analgesie trägt die damit einhergehende Sympathikolyse auch zu einer effizienten Darmfunktion bei. Die<br />
genannten Maßnahmen unterstützen die forcierte <strong>und</strong> frühzeitige Mobilisation des Patienten sowie den frühzeitigen oralen<br />
Kostaufbau bereits am OP-Tag.<br />
222
Kolonkarzinom<br />
Prognosefaktoren, Prädiktive Faktoren I<br />
Etablierte Prognosefaktoren<br />
Prognosefaktoren haben einen Einfluss auf die Prognose unabhängig von der Therapie, während prädiktive Faktoren<br />
den Verlauf einer Erkrankung unter einer bestimmten Therapie vorhersagen, vor allem, in welchem Maße mit einem<br />
Ansprechen auf eine bestimmte Therapie gerechnet werden kann.<br />
Die Prognose des KRK wird durch verschiedene Faktoren bestimmt, von denen der wichtigste derzeit das<br />
pathologische Tumorstadium darstellt, das charakterisiert ist durch die:<br />
• Eindringtiefe, den Lymphknotenbefall sowie das Vorhandensein von Fernmetastasen.<br />
Weitere ungünstige Prognosefaktoren sind:<br />
• Lymphangiosis oder Hämangiosis carcinomatosa des Tumorgewebes<br />
• Siegelring- oder wenig differenzierter Tumor<br />
• Tumorperforation in die freie Bauchhöhle<br />
• Operation unter Notfallbedingungen (z.B. Ileus)<br />
• Entfernung von weniger als 12 Lymphknoten<br />
Zahl der resezierten Lymphknoten<br />
In der Intergroup-Studie INT-0089 zeigte sich, dass die Anzahl der untersuchten Lymphknoten ein entscheidender<br />
Parameter für die Prognose ist. Unabhängig davon, ob es nodal positive oder negative Stadien sind, war die Prognose<br />
von Patienten mit vielen untersuchten Lymphknoten besser (Le Voyer et al. J Clin Oncol 2003;21:2912-19).<br />
Weitere Arbeiten weisen die Zahl der resezierten Lymphknoten als unabhängigen Prognosefaktor in einer<br />
multivarianten Analyse aus: Chen et al. (Ann Surg 2006) fanden bei 82.896 Patienten eine Reduktion der Mortalität um<br />
20,6% bei mehr als 15 resezierten Lymphknoten versus 1-7 resezierten Lymphknoten. In der Arbeit von George et al<br />
(Br J Cancer 2006) korreliert bei 3592 Patienten die Anzahl der resezierten Lymphknoten (0-4, 5-10, > 10) mit dem<br />
Überleben.<br />
Molekulare Marker<br />
Das TNM-System differenziert zuverlässig zwischen Patienten im Frühstadium der Erkrankung <strong>und</strong> Patienten mit<br />
weit fortgeschrittenen Tumoren; im mittleren Tumorstadium ist die Prognose weniger gut damit abzuschätzen.<br />
Eine adjuvante Chemotherapie wird bei Patienten im Stadium II nicht regelhaft empfohlen. Trotzdem rezidivieren 20-<br />
30% der Patienten. Aus diesem Gr<strong>und</strong> werden genetische Marker untersucht, die Hochrisikopersonen identifizieren<br />
<strong>und</strong> als prädiktive Marker ein Ansprechen auf die Behandlung mit einer Chemotherapie vorhersagen.<br />
Mikrosatelliteninstabilität (MSI)<br />
In großen Metaanalysen konnte gezeigt werden, dass Patienten mit Mikrosatelliten-instabilen Tumoren (MSI-H) eine<br />
niedrigere Metastasenhäufigkeit <strong>und</strong> eine verbesserte Prognose aufweisen als Patienten mit stabilen Tumoren (MSS).<br />
Außerdem weisen die vorliegenden Daten darauf hin, dass Patienten, deren <strong>Karzinome</strong> eine MSI-H aufweisen, nicht<br />
von einer adjuvanten Therapie mit 5-FU profitieren (Popat S. et al. J Clin Oncol 2005; 23:609).<br />
Auch eine Analyse von Ribic CM (NEJM 2003;349:247-57) zeigte, dass Patienten mit Mikrosatelliten-stabilen<br />
Tumoren oder Tumoren mit geringer MSI ein signifikant schlechteres 5-Jahres-DFS aufweisen im Vergleich zu<br />
Patienten mit hochgradiger MSI. Allerdings war das 5-Jahres-Überleben der Patienten mit hochgradiger MSI<br />
geringer, wenn sie eine adjuvante Chemotherapie mit 5-FU erhielten.<br />
Sargent wertete in einer Sammelanalyse mehrere Studien retrospektiv im Hinblick auf den Einfluss eines defekten<br />
Mismatch-Repair-Systems (definiert als hochgradige MSI oder Verlust von MLH1 oder MSH 2) auf das DFS nach<br />
einer adjuvanten Therapie im Stadium II aus (Sargent et al, ASCO 2008, Abstr. 4008). Hierbei zeigte sich, dass das 5-<br />
Jahres-DFS bei Pat. mit defektem MMR geringer war, wenn sie adjuvant 5-FU erhielten (unbehandelt 87% versus<br />
behandelt 79%).<br />
Im Rahmen der PETACC-3-Studie wurden an 1564 Gewebeproben prospektiv immunhistochemische <strong>und</strong> molekulare<br />
Analysen durchgeführt. 9 Marker wurden eingesetzt, die potentiell die Fähigkeit besitzen, die Effektivität oder die<br />
Toxizität einer Therapie vorauszusagen. Eine hohe MSI (Mikrosatelliteninstabilität) bei 12% der Proben zeigte<br />
gegenüber einer stabilen oder niedrigen MSI ein statistisch signifikant besseres 3-Jahres-DFS von 74 vs. 65%. Bei<br />
einer SMAD-4-Expression (15%) ist das 3-Jahres-DFS mit 68% signifikant höher als bei fehlender SMAD-4-<br />
Expression mit 53% (Roth AD et al., ASCO 2007, Abstract #4022).<br />
Bei Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium II, bei denen eine adjuvante Therapie mit 5-FU diskutiert wird, sollte<br />
der MMR-Status vor Therapiebeginn untersucht werden <strong>und</strong> bei defektem MMR-System im Tumor keine adjuvante<br />
Chemotherapie mit 5-FU durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind nicht auf FOLFOX übertragbar.<br />
Ein defektes Mismatch-Repair-System (MMR) ist ein prognostischer <strong>und</strong> prädiktiver Marker beim KRK.<br />
223
Kolonkarzinom<br />
Prognosefaktoren, Prädiktive Faktoren II<br />
DCC/18q<br />
Der Verlust der Heterozygotie im Bereich des langen Armes am Chromosom 18 (18q-) führt zu einer<br />
schlechteren Prognose. Der Verlust von chromosomalem Material an 18q <strong>und</strong> 8p soll sowohl<br />
prognostisch als auch prädiktiv von Bedeutung sein. Die Kombination der beiden Marker 18q <strong>und</strong> 8p<br />
ergab eine eindrucksvolle Differenzierung zwischen einer 5-Jahres-Überlebensrate von 100% <strong>und</strong><br />
weniger als 60% bei Patienten im Stadium II (Zhou et al., Lancet 2002;359:219-25).<br />
Die ECOG-Studie E5202 evaluiert die Marker 18q- <strong>und</strong> MSI als Prognoseparameter. Es sollen 3000<br />
Patienten im Stadium II mit entweder günstiger Prognose (MSI, 18q normal) nicht adjuvant therapiert<br />
werden oder mit schlechter Prognose (MSS, 18q-) randomisiert werden für eine adjuvante Therapie<br />
mit FOLFOX +/- Bevazicumab.<br />
Thymidilatsynthase (TS)<br />
Die TS, ein Zielenzym für 5-FU, konnte in einer großen Metaanalyse als unabhängiger<br />
Prognoseparameter bei Patienten im Stadium III identifiziert werden. In insgesamt 11 Studien mit über<br />
1300 Patienten korrelierte eine niedrige TS-Expression mit einem signifikant schlechteren Überleben<br />
<strong>und</strong> mit einem besseren Ansprechen auf eine 5-FU-haltige Therapie (Johnston et al., ASCO 2005, # 3510).<br />
Widersprüchliche Ergebnisse ergab eine aktuelle Studie. Hier war die TS-Expression kein Prädiktor<br />
für das FFS (Failure free survival) <strong>und</strong> eine hohe Expression war mit hohen Ansprechraten verb<strong>und</strong>en<br />
(Richman S. et al., ASCO 2006, #10011).<br />
Topoisomerase I<br />
Im Rahmen der FOCUS-Studie wurde an 823 Proben die Expression der Topoisomerase bestimmt.<br />
Dabei profitierten Patienten mit einer niedrigen Topoisomerase nicht von einer Zugabe von Irinotecan<br />
oder Oxaliplatin zu 5-FU/LV, sodass die Topoisomerase I einen negativen prädiktiven Marker für eine<br />
Irinotecan- <strong>und</strong> Oxaliplatinhaltige Chemotherapie darstellte (Braun M. et al. ASCO 2006, #10009).<br />
Ansprechen auf neoadjuvante Therapie bei Rektumkarzinom<br />
Es konnte bei der CAO/ARO/AIO-94 Rektumkarzinomstudie im Stadium II/III gezeigt werden, dass<br />
das Ansprechen auf die neoadjuvante Radio-/Chemotherapie einen prognostischen Faktor für das<br />
krankheitsfreie Überleben darstellt (Rödel C. et al. J Clin Oncol 2005; 23:8688). Im Vergleich von<br />
Respondern <strong>und</strong> Non-Respondern konnten 54 differentiell exprimierte Gene gef<strong>und</strong>en werden. Somit<br />
ließ sich eine Prädiktion hinsichtlich des Ansprechens zeigen. Das aktuelle Follow-up zeigte, dass alle<br />
Patienten, die eine Fernmetastasierung entwickelt haben, zur Gruppe der non-Responder gehört haben.<br />
Zwischen den Respondern <strong>und</strong> den non-Respondern ergab sich ein signifikanter Unterschied im<br />
krankheitsfreien Überleben. Die Daten weisen auch darauf hin, dass eine Prädiktion der Wirkung einer<br />
neoadjuvanten Radio-/Chemotherapie anhand der Genexpressionsprofile möglich ist (Liersch T. et al., GI-<br />
ASCO 2006, # 221).<br />
Prädiktion Targeted-Therapie<br />
In der CONFIRM-2-Studie, einer Phase-III-Studie beim metastasierten CRC, wurde FOLFOX4 +/- PTK/ZK<br />
evaluiert. Es zeigte sich, dass die kombinierte Therapie mit PTK/ZK in der gesamten Gruppe zu einer<br />
Verbesserung im progressionsfreien (PFS), aber nicht des Gesamtüberlebens führte. Dabei profitierten<br />
besonders Patienten mit hoher LDH signifikant in Bezug auf das PFS (Koehne C. et al. ASCO 2006, #3508).<br />
Eine prospektive Validierung all dieser potentiellen Prädiktoren ist Voraussetzung für eine spätere<br />
klinische Anwendung.<br />
224
Kolonkarzinom<br />
Prädiktive Faktoren KRAS, EGFR, VEGF<br />
KRAS-Status (siehe auch metastasiertes KRK, KRAS, Cetuximab ff.)<br />
Mit dem KRAS-Status steht erstmals ein prädiktiver Biomarker für Patienten mit metastasiertem KRK<br />
zur Verfügung, der eine zielgerichtete <strong>und</strong> somit individualisierte Therapie bezüglich des Einsatzes<br />
von Antikörpern (Cetuximab bzw. Panitumumab) gegen den EGF-Rezeptor ermöglicht. Nachträgliche<br />
Analysen des Onkogens bei Patienten der prospektiv randomisierten CRYSTAL- <strong>und</strong> der OPUS–<br />
Studie zeigten einen signifikanten Vorteil für die Behandlung mit Cetuximab nur für die Patienten, die<br />
einen KRAS-Wildtyp aufwiesen. Patienten mit mutiertem KRAS-Gen profitierten nicht von der<br />
Antikörperbehandlung.<br />
EGF-Rezeptor<br />
Der EGFR ist ein transmembranärer Tyrosinkinasenrezeptor, dessen Expression in der Regel mit einer<br />
schlechten Progrnose assoziiert ist. Da der Rezeptor das Zielantigen der EGF-Rezeptorantikörper<br />
Cetuximab <strong>und</strong> Panitumumab ist, ist er Einschlusskriterium aller Studien. Allerdings zeigen die<br />
Studien bisher nicht, dass der EGFR-Nachweis mittels Immunhistochemie (IHC) ein sinnvoller<br />
prädiktiver Marker für die Wirksamkeit einer Therapie ist. Weder die Färbeintensität noch die Zahl der<br />
EGFR-positiven Zellen korreliert mit dem Therapieansprechen. Dies liegt wohl am ehesten am<br />
insuffizienten Nachweisverfahren. Es gibt mittlerweile Hinweise, dass die mit FISH nachgewiesene<br />
Zahl der EGFR-Genkopien mit dem Ansprechen auf EGFR-Antikörper korreliert. Im Widerspruch zu<br />
diesen Betrachtungen steht der Zulassungstext der EGFR-Antikörper, der einen Nachweis des EGF-<br />
Rezeptors per IHC fordert.<br />
Vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor <strong>und</strong> -rezeptor<br />
VEGF ist der stärkste Faktor der vom Tumor initiierten Neubildung von Gefäßen <strong>und</strong> bewirkt durch<br />
Bindung an den VEGF-Rezeptor der Endothelzellen sowohl eine Proliferation als auch Veränderungen<br />
in der Gefäßarchitektur <strong>und</strong> -Permeabilität.<br />
Derzeit zeigen aber Studien keine Korrelation zwischen der Effektivität der Therapie <strong>und</strong> der Höhe<br />
von angiogenen Faktoren.<br />
Die Effektivität einer Therapie mit VEGF-blockierenden Antikörpern wie Bevacizumab ist<br />
unabhängig vom KRAS-Status.<br />
Genexpressionsprofile<br />
Aus frisch gefrorenem Tumormaterial sind bereits Expressionsprofile erstellt worden, die als<br />
Prognosefaktoren dienen können. Die Verwendung von frisch gefrorenem Material ist dabei sehr<br />
aufwendig. Zwei Arbeiten wurden auf dem ASCO 2006 vorgestellt, bei denen Analysen aus Paraffin-<br />
Material durchgeführt wurden. Auf der Basis einer Gensignatur von 48 Kolonkarzinom-spezifischen<br />
Genen konnte bei Kolonkarzinompatienten im Stadium II eine sehr genaue Vorhersage eines Rezidives<br />
gemacht werden (Johnston P. et al., ASCO 2006, #3519). Bei der anderen Arbeit erfolgte eine Analyse von<br />
757 Genen bei Patienten im Stadium II <strong>und</strong> III. 148 Gene zeigten eine signifikante Assoziation mit<br />
dem krankheitsfreien Überleben (O’Connell M et al. ASCO 2006‚ #3518).<br />
Durch Microarray-Analysen der Tumor-RNA ermittelte eine internationale Arbeitsgruppe (Simon I. et<br />
al., <strong>Onkologie</strong> 2008;31:OP131) bei 128 KRK-Patienten ein Subset von 320 Genen, mit dessen Hilfe die<br />
Rezidivwahrscheinlichkeit bei KRK der Stadien II <strong>und</strong> III besser abschätzbar ist. Dieses Genset wurde<br />
bei 58 Patienten mit KRK validiert. In einer Multivarianzanalyse, die neben dem Genprofil die Zahl<br />
der untersuchten Lymphknoten <strong>und</strong> das Stadium beinhaltete, erwies sich das Genprofil als der stärkste<br />
unabhängige Prognosefaktor. Der Test soll weiter validiert werden.<br />
225
Kolonkarzinom<br />
Adjuvante Therapie, ESMO-Empfehlungen 2008<br />
ESMO Clinical Recommendations for diagnosis, adjuvant treatment and follow-up (Ann Oncol 2008;19 (Suppl 2):ii29-<br />
ii30). Koordinierender Autor: E.J.D. van Cutsem, Leuven, Belgien.<br />
Inzidenz<br />
2006 gab es 412 900 Neuerkrankungen an KRK in Europa. Das sind 12,9% aller Krebserkrankungen. Das KRK war<br />
2006 für 217 400 Todesfälle in Europa verantwortlich. Dies repräsentiert 12,2% aller Krebstodesfälle.<br />
Diagnose<br />
Die Diagnose eines Kolonkarzinoms erfordert eine histopathologische Bestätigung. Risikofaktoren, die Lokalisation<br />
<strong>und</strong> die histologische Untersuchung von Dickdarmtumoren sollten dokumentiert werden.<br />
Staging <strong>und</strong> Risikobewertung<br />
Die Staginguntersuchungen liefern prognostische Informationen, die für die Wahl der adäquaten Therapie relevant<br />
sind. Sie sollten auch Patienten mit resektablen Fernmetastasen identifizieren.<br />
Das präoperative Staging besteht aus klinischer Untersuchung, Blutbild, Leber- <strong>und</strong> Nierenfunktionstest, CEA,<br />
Rö.-Thorax oder CT-Thorax, Abdomen-CT <strong>und</strong> kompletter Koloskopie <strong>und</strong>, falls präoperativ keine komplette<br />
Koloskopie möglich war, erneuter Koloskopie postoperativ.<br />
TNM Stad. Ausdehnung 5-Jahres-Überleben<br />
Tis N0 M0 0 Carcinoma in situ Meist fast normal<br />
T1 N0 M0 I Mucosa oder submucosa > 90%<br />
T2 N0 M0 I Muscularis propria > 85%<br />
T3 N0 M0 IIa Subserosa/perikolisches Gewebe > 80%<br />
T4 N0 M0 IIb Perforation ins viscerale Peritoneum<br />
72%<br />
oder Invasion in andere Organe<br />
T1-2 N1 M0 IIIa 60%-83%<br />
T3-4 N1 M0 IIIb 42%-64%<br />
T1-4 N2 M0 IIIc 27%-44%<br />
Jedes T,<br />
jedes N, M1<br />
IV Fernmetastasen
Kolonkarzinom<br />
Adjuvante Chemotherapie, S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Indikation zur adjuvanten Behandlung bei Kolonkarzinomen<br />
Voraussetzung für eine adjuvante Therapie ist die R0-Resektion des Primärtumors. Gr<strong>und</strong>lage für die Indikation<br />
zur adjuvanten Therapie nach Tumorresektion ist die pathohistologische Stadienbestimmung, insbesondere die<br />
Bestimmung des Lymphknoten-Status (pN). Zur Festlegung von pNO sollen 12 oder mehr regionäre<br />
Lymphknoten untersucht werden (UICC 2002). Immunzytologische Bef<strong>und</strong>e von isolierten Tumorzellen in<br />
Knochenmarkbiopsien oder Lymphknoten sowie zytologische Tumorzellbef<strong>und</strong>e in Peritonealspülungen sind<br />
keine Indikation zur adjuvanten Therapie außerhalb von Studien.<br />
Für Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium I ist eine adjuvante Therapie nicht<br />
indiziert. Patienten des UICC-Stadiums II <strong>und</strong> III sollten möglichst in kontrollierte Studien eingebracht werden,<br />
um Aufschluss über die Indikationsstellung <strong>und</strong> die optimale adjuvante Therapie zu erhalten. Der Verlauf von<br />
Patienten, die außerhalb klinischer Studien behandelt werden, ist im Rahmen der Qualitätssicherung hinsichtlich<br />
des Auftretens von Rezidiven, der Überlebensrate <strong>und</strong> von Nebenwirkungen zu dokumentieren. Die<br />
Durchführung der adjuvanten Chemotherapie erfordert einschlägige Erfahrung <strong>und</strong> insbesondere die Kenntnis<br />
der entsprechenden Dosisreduktionsschemata, die bei auftretender Toxizität eingehalten werden müssen.<br />
Kontraindikationen der adjuvanten Chemotherapie bei Kolonkarzinomen<br />
• Allgemeinzustand > 2 (WHO)<br />
• Unkontrollierte Infektion<br />
• Leberzirrhose Child B <strong>und</strong> C<br />
• Schwere koronare Herzkrankheit; Herzinsuffizienz (NYHA III <strong>und</strong> IV)<br />
• Präterminale <strong>und</strong> terminale Niereninsuffizienz<br />
• Eingeschränkte Knochenmarkfunktion<br />
• Andere, die Lebenserwartung bestimmende Komorbiditäten<br />
• Unvermögen, an regelmäßigen Kontrolluntersuchungen teilzunehmen<br />
Empfehlung Stadium III<br />
Bei Patienten mit einem R0 resezierten Kolonkarzinom im Stadium III ist eine adjuvante Chemotherapie<br />
indiziert.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.<br />
Eine Altersbeschränkung für die Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie existiert nicht, allgemeine<br />
Kontraindikationen sind zu berücksichtigen.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.<br />
Empfehlung Stadium II<br />
Bei Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium II kann eine adjuvante Chemotherapie<br />
durchgeführt werden. Der absolute Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie im Stadium II liegt zwischen<br />
2 <strong>und</strong> 5%.<br />
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens<br />
Empfehlung UICC Stadium II mit Risikofaktoren<br />
Im Stadium II sollte in ausgewählten Risikosituationen (T4, Tumorperforation/-einriss, Operation unter<br />
Notfallbedingungen, Anzahl untersuchter Lymphknoten zu gering) eine adjuvante Chemotherapie erwogen<br />
werden.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens<br />
Zusätzliche Parameter (z.B. CEA, Differenzierungsgrad, 18q-Verlust, isolierte Tumorzellen in Lymphknoten<br />
oder im Knochenmark, Mikrosatelliten-Status, DNA-Ploidie <strong>und</strong> TS/p53-Expression, Lymph- <strong>und</strong><br />
Blutgefäßinvasion) sollen momentan nicht zur Indikationsstellung für eine adjuvante Chemotherapie benutzt<br />
werden.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens<br />
227
Kolonkarzinom<br />
Adjuvante Chemotherapieprotokolle, S3-Leitlinie2004/2008<br />
Empfehlung Chemotherapieprotokolle im Stadium III<br />
Oxaliplatin in Kombination mit 5-FU/Folinsäure (FS)<br />
Für die adjuvante Chemotherapie des Kolonkarzinoms im Stadium III soll eine Oxaliplatin-haltige<br />
Chemotherapie eingesetzt werden.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1, starker Konsens<br />
► FOLFOX (LV5FU2 + Oxaliplatin)<br />
z.B. FOLFOX 4: Folinsäure (FS) (200 mg/m2 als 2 h-Infusion Tag 1 <strong>und</strong> 2) plus 5-FU (400 mg/m2 als<br />
Bolus, danach 600 mg/m2 als 22-h-Infusion; Tag 1 <strong>und</strong> 2) in Kombination mit Oxaliplatin (85 mg/m2 als 2h<br />
Infusion; Tag 1), Wiederholung Tag 15. 1 Zyklus umfasst 2 Wochen, insgesamt 12 Zyklen.<br />
Monotherapie mit Fluoropyrimidinen<br />
Bei Kontraindikationen gegen Oxaliplatin-haltige Regime soll eine Monotherapie mit Fluoropyrimidinen<br />
durchgeführt werden. Dabei werden orale Fluoropyrimidine den infusionalen Schemata vorgezogen. Bolusregime<br />
sollen wegen der höheren Toxizität nicht mehr verwendet werden.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1, starker Konsens<br />
► Orale 5-FU-Prodrug<br />
z.B. Capecitabin 2 x 1250 mg/m 2 Körperoberfläche p.o. Tag 1-14, alle 3 Wochen für 8 Zyklen.<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
In der X-ACT-Studie wurde das primäre Studienziel mit dem Nachweis, dass Capecitabin im krankheitsfreien<br />
Überleben mindestens gleichwertig zum MAYO-Schema ist, erreicht. Die Analyse zeigte einen Trend<br />
zugunsten eines überlegenen krankheitsfreien Überlebens mit Capecitabin. Auch das Gesamtüberleben<br />
unterschied sich nicht signifikant, mit einem Trend zur Überlegenheit von Capecitabin.<br />
Auch wenn in einer randomisierten Studie UFT + Folinsäure versus 5-FU/FS kein Unterschied im<br />
Gesamtüberleben <strong>und</strong> im krankheitsfreien Überleben bestand <strong>und</strong> in einer japanischen Metaanalyse von drei<br />
Studien sogar ein signifikanter Vorteil für Gesamtüberleben uns DFS erreicht werden konnte, wird UFT +<br />
Folinsäure aktuell nicht empfohlen, da es keine Zulassung zur adjuvanten Chemotherapie des Kolonkarzinoms<br />
in Deutschland besitzt.<br />
► Infusionales 5-FU/Folinsäure<br />
• LV5FU2<br />
z.B. Folinsäure (FS) (200 mg/m 2 als 2 h-Infusion Tag 1 <strong>und</strong> 2) plus 5-FU (400 mg/m 2 als<br />
Bolus, danach 600 mg/m 2 als 22-h-Infusion; Tag 1 <strong>und</strong> 2).<br />
1 Zyklus umfasst 2 Wochen, insgesamt 12 Zyklen<br />
• 5-FU/Folinsäure-Schema<br />
z.B. Folinsäure (FS) (500 mg/m 2 als 1-2-h-Infusion) plus 5-FU (2600 mg/m 2 als 24-h-Infusion) 1x pro<br />
Woche über 6 Wochen (Tag 1, 8, 15, 22, 29, 36). Erneuter Beginn der Therapie in Woche 8 (Tag 50).<br />
Insgesamt 3 Zyklen<br />
• Venöse 5-FU-Dauerinfusion über insgesamt 12 Wochen (300 mg/m 2 /Tag)<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Im Vergleich zu den Bolusschemata zeigen mehrere Therapiestudien mit unterschiedlicher infusionaler<br />
Applikationsform keinen Unterschied zu der Bolusgabe von 5-FU/FS bezüglich des krankheitsfreien Überlebens<br />
<strong>und</strong> des Gesamtüberlebens. Das deutlich bessere Toxizitätsprofil spricht jedoch eindeutig für die infusionale<br />
Applikation. Ein Vergleich von 12 Wochen Therapie mit der „protracted venous infusion“ (PVI) von 5-FU (300<br />
mg/m 2 pro Tag) gegen ein 6-monatiges MAYO-Schema zeigte keinen signifikanten Unterschied im<br />
rezidivfreien Überleben (RFS) <strong>und</strong> im Gesamtüberleben bei geringerer Toxizität von PVI 5-FU. Der Beginn der<br />
adjuvanten Chemotherapie innerhalb eines Zeitraums von 8 Wochen nach Operation zeigte einen signifikanten<br />
Überlebensvorteil. Die optimale Dauer der Chemotherapie beträgt 6 Monate.<br />
Empfehlung Chemotherapieprotokoll im Stadium II<br />
Sollte bei Patienten mit Stadium-II-Tumoren eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden, können<br />
Fluoropyrimidine als Monotherapie eingesetzt werden.<br />
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1, starker Konsens<br />
228
Kolonkarzinom<br />
Adjuvante Chemotherapie, Entwicklung der Therapiestandards<br />
Die Studien der letzten 10-15 Jahre konnten zeigen, dass durch eine adjuvante Therapie mit 5-Fluorouracil 8-12%<br />
der Behandelten zusätzlich geheilt werden können. Die 5-FU-basierte Chemotherapie hat dabei verschiedene<br />
Veränderungen erfahren.<br />
5-FU/Levamisol 12 Monate<br />
1990 wurde erstmals der Nutzen einer postoperativen Chemotherapie auf 5-FU-Basis durch die Intergroup-Studie<br />
INT-0035 belegt (Moertel CG et al. NEJM 1990;32:235-8). Die Endergebnisse nach einem medianen Follow-up von 6,5<br />
Jahren zeigten, dass beim Kolonkarzinom im Stadium III 5-FU/Levamisol über 12 Monate die relative Rezidivrate<br />
um 40% <strong>und</strong> die Mortalität um 33% signifikant gegenüber der nicht behandelten Kontrollgruppe senkt.<br />
5-FU/Levamisol wurde damit zum Standard in der adjuvanten Therapie <strong>und</strong> wurde als Kontrollarm für nachfolgende<br />
Studien verwendet.<br />
5-FU/Folinsäure 6 Monate<br />
Als sich herausstellte, dass mit Folinsäure (FS) moduliertes 5-FU beim fortgeschrittenen KRK wirksamer ist als 5-FU<br />
allein, wurde eine Reihe von adjuvanten Therapiestudien mit verschiedenen 5-FU/FS-Kombinationen auf den Weg<br />
gebracht.<br />
Die größte Studie mit 3759 Patienten im Stadium II <strong>und</strong> III, die Intergroup Studie 0089 (Haller DG et al. Proc ASCO<br />
1998:A 982), prüfte im Standardarm eine 12-monatige Behandlung mit 5-FU/Levamisol gegen eine 6-monatige<br />
Behandlung mit 5-FU in Kombination mit einer niedrigen Folinsäuredosis (Mayo-Clinic-Schema) oder einer hohen<br />
Folinsäuredosis (Wolmark oder NSABP-Schema). In einem vierten Studienarm erhielten die Patienten zusätzlich zu<br />
5-FU/FS noch Levamisol. Die 5-Jahre-Überleben sdaten ergaben, dass eine 6-monatige Behandlung mit 5-FU in<br />
Kombination mit niedrig oder hoch dosierter Folinsäuredosis genauso wirksam ist wie eine 12-monatige Behandlung<br />
mit 5-FU/Levamisol. Die Wirkung von 5-FU/FS konnte durch die zusätzliche Gabe von Levamisol nicht verbessert<br />
werden.<br />
Aus diesen Ergebnissen ergab sich der Konsens, Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium III über 6 Monate mit 5-<br />
FU/FS Schemata (Mayo-Clinic-Schema, alternativ NSABP-Schema) zu behandeln.<br />
FOLFOX-4<br />
Aufgr<strong>und</strong> der gesteigerten Ansprechraten der Kombinationen aus 5-FU/FS <strong>und</strong> Oxaliplatin oder Irinotecan in der<br />
palliativen Therapie des KRK wurden diese Kombinationen auch in Phase-III-Studien in der adjuvanten Therapie<br />
eingesetzt. In der MOSAIC-Studie (Andre T. et al., NEJM 2004; 350: 2343-51) wurden 2248 Patienten mit KRK im<br />
Stadium II <strong>und</strong> III nach R0-Resektion entweder (aktuelle Daten 2007 siehe Seite „MOSAIC-Studie“) mit dem<br />
de-Gramont-Schema (5-FU/FS) oder dem FOLFOX-4 (5-FU/FS/Oxaliplatin)-Schema behandelt. Nach 3 Jahren war<br />
die Wahrscheinlichkeit des krankheitsfreien Überlebens (DFS) im FOLFOX-4-Arm um knapp 5% höher (77,8 vs.<br />
72,9%). Für Patienten im Stadium III war die Differenz mit 71,8 vs. 65,5% noch deutlicher. Für Patienten im Stadium<br />
II war die Differenz von 86,6% vs. 83,9% nicht signifikant (aktuelle Daten 2007 siehe Seite „MOSAIC-Studie“).<br />
Diese Daten wurden durch die NSABP C-07 Studie bestätigt (Wolmark N. et al. ASCO 2005, A 3500). Ähnlich gute<br />
Ergebnisse ließen sich mit einer Irinotecan-haltigen Kombination nicht erreichen.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der Ergebnisse der MOSAIC-Studie gilt FOLOX-4 als Standard zur adjuvanten<br />
Chemotherapie kolorektaler <strong>Karzinome</strong> im Stadium III.<br />
Xeloda ®<br />
In der X-ACT-Studie (Twelves C. et al.,NEJM 2005;352:2696-704), die bei mehr als 2000 Patienten im Stadium III<br />
Capecitabine oral mit dem Mayo-Protokoll verglichen hat, zeigt sich eine bessere Verträglichkeit der adjuvanten<br />
Therapie mit Capecitabine <strong>und</strong> ein Trend zu einer besseren Wirksamkeit. Das DFS nach 3 Jahren lag bei 65,5% für<br />
Capecitabine vs. 61,9% für das Mayo-Protokoll (siehe Seite X-ACT-Studie).<br />
Aufgr<strong>und</strong> dieser Daten kann bei Kontraindikationen zu FOLFOX-4 das orale Capecitabine eingesetzt<br />
werden. Das Mayo-Schema sollte nicht mehr zur Anwendung kommen.<br />
Korrelation 3-Jahres-DFS mit 5-Jahres-OS<br />
Eine Analyse von 18 randomisierten, kontrollierten Studien mit über 20.000 Patienten (Sargent DJ et al., J Clin Oncol<br />
2005; 23:8664-70) zeigt, dass das 3-Jahres-krankheitsfreie Überleben (DFS) signifikant mit dem 5-Jahres-Overallsurvival<br />
(OS) korreliert. Die aktuelle Analyse dieser Daten der ACCENT (Adjuvant Colon Cancer Endpoints)<br />
Gruppe bestätigt dies: ein signifikanter Benefit für die adjuvante Chemotherapie wurde vor allem für die ersten 2<br />
Jahre nach Initiierung der Therapie nachgewiesen. Zwei Jahre nach Initiierung der Behandlung zeigte die Rate für das<br />
DFS keinen wesentlichen Unterschied mehr (Sargent DJ et al., ASCO 2007, Abstr. # 4008). Aufgr<strong>und</strong> dieser Daten ist das<br />
DFS als valider Endpunkt für die adjuvante Therapie bestätigt, das eine raschere Beantwortung der von den Studien<br />
gestellten Fragen erlaubt.<br />
229
Kolonkarzinom<br />
Adjuvante Chemotherapie, weitere Entwicklungen<br />
6 Monate versus 3 Monate (Chau I. et al. Ann Oncol 2005, 16:549-557)<br />
Eine britische Multicenterstudie verglich bei 801 Patienten das Standard-5-FU-Bolus/Folinsäure-Schema (MAYO-<br />
Clinic-Schema) über 6 Monate mit einer kontinuierlichen intravenösen Infusion (PVI) von 5-FU (300 mg/m2/die)<br />
über 12 Wochen. Es gab keine signifikante Differenz hinsichtlich des 5-Jahres-Überlebens zwischen den beiden<br />
Armen. Die Therapie mit der kontinuierlichen Infusion über 12 Wochen war tendenziell besser im Hinblick auf das<br />
5-Jahre-rezidivfreie Überleben (73,3% vs. 66,7%) sowie das 5-Jahres-Überleben (75,7% vs. 71,5%). Die Toxizität<br />
der kontinuierlichen Infusion war signifikant geringer. Die Autoren regen weitere Studien mit Verkürzung der<br />
adjuvanten Therapiedauer an. Kritikpunkte an der Arbeit sind die geringe Patientenzahl sowie der Einschluss von<br />
Rektumkarzinompatienten, so dass diese Therapie derzeit nicht empfohlen wird.<br />
Bolus versus infusional-5-FU (Köhne C. et al., ASCO 2006, Abstract 3563)<br />
Die PETACC-2-Studie verglich das traditionelle Bolus-Regime nach dem MAYO-Clinic-Schema mit 3 anderen 5-<br />
FU-Infusionsprotokollen (AIO, de-Gramont <strong>und</strong> das spanische wöchentliche Hochdosisprotokoll, siehe auch Seite<br />
„PETACC-2-Studie“) in der adjuvanten Chemotherapie des Kolonkarzinoms beim Stadium III. Das Primärziel der<br />
Studie war der Beweis einer Überlegenheit der Infusionsprotokolle mit einer Differenz des 5-Jahre-Überleben s von<br />
7%. Bei insgesamt 1601 Patienten ergab sich kein signifikanter Unterschied, weder im 5-Jahres-rezidivfreien<br />
Überleben (57% vs. 56%) noch im 5-Jahres-Gesamtüberleben (71% vs. 72%). Das Bolus-Regime war jedoch<br />
toxischer im Hinblick auf Leukopenie, Stomatitis <strong>und</strong> Diarrhoe. Das Hand-Fuß-Syndrom war häufiger im<br />
experimentellen Arm.<br />
Oxaliplatin/Bolus 5-FU, NSABP C-07-Studie (Kuebler J.P.. et al., J Clin Oncol 2007; 25:2198-2204)<br />
2407 Patienten im Stadium II <strong>und</strong> III erhielten entweder das wöchentliche Wolmark- bzw. NSABP-Bolus-Schema<br />
(FULV) über 24 Wochen oder dasselbe Regime unter Zugabe von 85 mg/m2 Oxaliplatin (FLOX) in Woche 1, 3 <strong>und</strong><br />
5 eines jeden 8-Wochen-Zyklus. Das DFS nach 3 Jahren beträgt 76,5 % im FLOX-Arm vs. 71,6 % im FULV-Arm<br />
<strong>und</strong> ist statistisch signifikant. Unter dem FLOX-Regime trat Diarrhoe wesentlich häufiger als relevante<br />
Nebenwirkung auf. Es ereigneten sich unter der Therapie immerhin 14 (1,1%) Todesfälle in der FULV- <strong>und</strong> 15<br />
(1,2%) in der FLOX-Gruppe.<br />
Fazit: Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit den Ergebnissen der MOSAIC-Studie. Beim FLOX-Regime kommen<br />
aber nur 75% der Oxaliplatin-Dosis aus der MOSAIC-Studie zum Einsatz, was 2005 auf dem ASCO-Kongress zur<br />
Diskussion über die tatsächlich nötige Oxaliplatin-Dosis führte. Das Bolus-Regime sollte wegen der erhöhten<br />
Toxizität nicht zum Einsatz kommen.<br />
XELOX versus Bolus 5-FU/LV (Schmoll HJ. et al., J Clin Oncol 2007, 25:102-109 )<br />
1884 Patienten im Stadium III erhielten XELOX (Capecitabine 1000 mg/m2 bid d1-14 + Oxaliplatin 130 mg/m2 d1,<br />
q3w x 8) oder ein i.v. Bolus 5-FU/LV-Schema (Mayo-Clinic- oder Roswell-Park-Schema).<br />
Die Rate an Grad-3/4-Toxizitäten lag bei 55% im XELOX-Arm <strong>und</strong> bei 47% im 5-FU/LV-Arm. XELOX verursacht<br />
weniger Neutropenie (9% vs. 16%) sowie Stomatitis (
Kolonkarzinom<br />
Adj. Chemotherapie, NSABP-, MAYO-Clinic-Schema<br />
Moertel CG et. al. hatten 1990 als Erste den statistisch signifikanten Vorteil einer postoperativen adjuvanten<br />
Behandlung des Kolon-Ca mit 5-FU + Levamisol im Vergleich zu einer nichtbehandelten Kontrollgruppe für das<br />
Stadium Dukes C veröffentlicht. Für das Rektumkarzinom war der therapeutische Gewinn bereits zu diesem<br />
Zeitpunkt auch für das Stadium Dukes B2 (T3, N0, M0) nachgewiesen worden.<br />
NSABP-Schema (Roswell-Park-Schema)<br />
Auf dem ASCO-Meeting 1993 teilten zwei internationale Therapiegruppen eine signifikante Reduktion des<br />
Rezidivrisikos <strong>und</strong> der Mortalitätsrate um etwa ein Drittel nun auch für das Stadium Dukes B2 des Kolonkarzinoms<br />
mit. Die Behandlung erfolgte mit 5-FU + Folinsäure.<br />
Roswell Park-Schema, auch bekannt als NSABP-Schema Wolmark, N. et. al Proc. ASCO 1993; 12: Abstr. 578<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22, 29, 36<br />
5-FU 500<br />
Woche 7 Therapiepause. Wiederholung Tag 50.<br />
i.v. Bolus 1 Std. nach Beginn der<br />
Folinsäure-Infusion 1, 8, 15, 22, 29, 36<br />
Therapiedauer in dieser Studie: 6 Zyklen (48 Wochen).<br />
Anmerkung: in adjuvanter Intention kann bei fehlender oder geringer Toxizität auch schon am Tag 43 der nächste<br />
Zyklus beginnen.<br />
Die Dauer von 6 Monaten für eine adjuvante Therapie wird als ausreichend erachtet.<br />
Therapiedaten<br />
Patientengut: 1081 kurativ resezierte Pat. mit Kolon-Ca Stad. Dukes C <strong>und</strong> B2.<br />
Ergebnisse: 3 Jahre krankheitsfreies Überleben : 73 % vs. 63 %<br />
3 Jahres-Gesamtüberleben : 84 % vs. 77 %<br />
Die Ergebnisse waren im randomisierten Vergleich denen der Kombination mit MOF (Methyl-CCNU, Vincristin, 5-<br />
FU) überlegen (p=0.0004). Bei Verwendung der Kombination von Leucovorin <strong>und</strong> 5-FU bestand kein Unterschied<br />
zwischen den Stadien Dukes B2 <strong>und</strong> C beim Kolonkarzinom. Demnach profitierten in dieser Studie auch die Pat. mit<br />
dem Stadium Dukes B2 von dieser Behandlung.<br />
Mayo-Clinic-Schema<br />
Auf dem gleichen ASCO-Meeting 1993 stellten O’Connel et al. das Ergebnis einer kleineren Intergroup-Studie mit<br />
niedrig dosierter Folinsäure vor. Dieses Therapieschema ist deshalb interessant, da hierdurch die Arzneimittelkosten<br />
signifikant gesenkt werden. Auch in dieser Studie wurden Patienten der Stadien B <strong>und</strong> C nach Dukes behandelt.<br />
O´Connel et al. (Mayo-Clinic-Schema)<br />
Proc. ASCO 12, 1993, Abstr.552<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Folinsäure 20 i.v. Bolus 1 - 5<br />
5-FU 425 i.v. Bolus (< 5 Min.) 1 - 5<br />
Wiederholung Tag 29-33 Therapiedauer: 6 Zyklen<br />
Therapiedaten<br />
Patientengut: 309 kurativ resezierte Pat. mit Kolon-Ca Stad. Dukes C <strong>und</strong> B2.<br />
Ergebnisse: 3,5 Jahre krankheitsfreies Überleben : 77 % vs. 64 % (Kontrollgruppe)<br />
3,5 Jahres-Gesamtüberleben : 75 % vs. 71 %<br />
Die Ergebnisse waren im randomisierten Vergleich denen der unbehandelten Kontrollgruppe bezüglich des<br />
krankheitsfreien Überlebens signifikant überlegen. Das Gesamtüberleben unterschied sich allerdings nicht signifikant<br />
zwischen beiden Gruppen.<br />
Nachdem das Mayo-Clinic-Schema lange als Standard der adjuvanten Therapie des kolorektalen Karzinoms galt,<br />
werden Bolus-Regime wegen der höheren Toxizität im Vergleich zu oralen Fluoropyrimidinen nicht mehr<br />
empfohlen. Bei Kontraindikationen gegen Oxaliplatin-haltige Regime ist Capecitabin (Xeloda®) der Standard in<br />
der adjuvanten Therapie des KRK.<br />
231
Kolonkarzinom<br />
PETACC2-Studie, Adjuvante Chemotherapie Stadium III<br />
Die PETACC2-Studie zur Adjuvansbehandlung lief in Deutschland auch unter dem Namen „AIO-Studie“. Sie<br />
ist identisch mit der EORTC-Studie 40963 bzw. mit einem Arm des PETACC2-Trials. Die Abkürzung<br />
PETACC steht für „Pan European Trial in Adjuvant Colon Cancer“.<br />
Hier werden jedoch im europäischen Verb<strong>und</strong> die landesspezifischen „Eigenheiten“ in der Wahl des Schemas<br />
für die 5-FU-Dauerinfusion berücksichtigt. Die Wahl des Schemas war der teilnehmenden Institution<br />
freigestellt, es musste jedoch immer das gleiche verwendet werden.<br />
In Deutschland wird das AIO-Schema angewandt, in Frankreich hauptsächlich das „De-Gramont-Schema“, in<br />
Spanien 5-FU als Monosubstanz über 48h.<br />
Als Standardarm kam einheitlich das „Mayo-Clinic-Schema“ zum Einsatz<br />
AIO-Schema (Deutschland)<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
5-FU 2600 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
Wiederholung: Tag 50 Therapiedauer: 3 Zyklen (=21 Wochen)<br />
HD-5-FU Mono-48 St<strong>und</strong>en (Spanien)<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
5-FU 3500 48-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36,43<br />
Wiederholung: Tag 57 Therapiedauer: 3 Zyklen (=24 Wochen)<br />
De-Gramont-Schema (LV5FU2, Frankreich)<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2<br />
5-FU 400 i.v. Bolus (5 min) 1, 2<br />
5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2<br />
Wiederholung: Tag 15 Therapiedauer: 12 Zyklen (=24 Wochen)<br />
Ergebnisse (Köhne C. et al., ASCO 2006, Abstract 3563)<br />
Bei insgesamt 1601 Patienten ergab sich kein signifikanter Unterschied weder im 5-Jahres-Rezidiv-freien<br />
Überleben (57% vs. 56%) noch im 5-Jahres-Gesamtüberleben (71 vs. 72%). Das Bolus-Regime war jedoch<br />
toxischer im Hinblick auf Grad-3/4-Leukopenien (7,1% versus 2,0%), Stomatitis Grad-3/4 (9,8% vs 3,3%) <strong>und</strong><br />
Diarrhoe Grad-3/4 (16% vs. 15%). Das Hand-Fuß-Syndrom war häufiger im experimentellen Arm (4,4% versus<br />
0,4%).<br />
PETACC1<br />
Die PETACC1-Studie, die in gleicher Situation 5-FU/Folinsäure mit der Substanz Raltitrexet verglich,<br />
wurde in einer umstrittenen Entscheidung nach der Interimsanalyse im Juli 1999 durch die Firma Astra<br />
Zeneca beendet. Der Gr<strong>und</strong> war eine mit 17 vs. 7 erhöhte Anzahl an Substanz-assoziierten Todesfällen<br />
in der Tomudex-Gruppe (allerdings gab es hier relevante Abweichungen von den Studienvorschriften<br />
wie z.B. fehlende Kreatininkontrollen). Es waren bereits 1838 Patienten eingeschlossen, es lagen nur<br />
Sicherheits-, aber noch keine Effektivitätsdaten vor.<br />
232
Kolonkarzinom<br />
PETACC3-Studie, Adjuvante Chemotherapie<br />
In dieser inzwischen geschlossenen Studie wurde in Deutschland zumeist das AIO-Schema verwendet. Im<br />
adjuvanten Setting wurden verglichen infusional 5-FU/Folinsäure ± Irinotecan.<br />
In der Gruppe A bekamen die Pat. entweder das um Irinotecan erweiterte AIO-Schema mit auf<br />
2000 mg/m² reduzierter 5-FU-Dosis oder das „De-Gramont-Schema“ + Irinotecan.<br />
Standardtherapie (Gruppe B)<br />
AIO-Schema<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
5-FU 2600 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
Wiederholung: Tag 50<br />
De-Gramont-Schema (LV5FU2)<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2<br />
5-FU 400 i.v. Bolus (5 min) 1, 2<br />
5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2<br />
Wiederholung: Tag 14<br />
Prüfarm (Gruppe A)<br />
AIO-Schema + Irinotecan<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
5-FU 2000 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
Irinotecan 80 ½-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
Wiederholung: Tag 50<br />
De-Gramont-Schema (LV5FU2) + Irinotecan<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2<br />
5-FU 400 i.v. Bolus (5 min) 1, 2<br />
5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2<br />
Irinotecan 180 60-min.-Infusion 1<br />
Wiederholung: Tag 15<br />
Therapiedauer: jeweils 6 Monate.<br />
Ergebnisse (van Cutsem E. et al.,ASCO 2005, Abstract LBA8)<br />
3278 Patienten im Stadium II (945) <strong>und</strong> III (2333) wurden randomisiert. Nach 3 Jahren wurde durch die Zugabe<br />
des Irinotecan das krankheitsfreie Überleben (DFS) für Patienten im Stadium-III von 59,9% auf 62,9%<br />
verbessert, was statistisch nicht signifikant war. Bei der gepoolten Analyse von allen Patienten (Stadium-II <strong>und</strong><br />
III) zeigte sich eine signifikante Verbesserung durch die Zugabe von Irinotecan. Die 60-Tage-Mortalität lag bei<br />
der Irinotecan-Kombination bei 0,4% versus 0,2% im 5-FU/Folinsäure-Arm.<br />
Fazit: Irinotecan-haltige Schemata haben aktuell keinen Stellenwert in der adjuvanten Therapie.<br />
Immunhistochemische <strong>und</strong> molekulare Analysen (Roth AD et al.,ASCO 2007, Abstract #4022)<br />
Im Rahmen der PETACC3-Studie wurden an 1564 Gewebeproben prospektiv immunhistochemische <strong>und</strong><br />
molekulare Analysen durchgeführt. 9 Marker wurden eingesetzt, die potentiell die Fähigkeit besitzen, die<br />
Effektivität oder die Toxizität einer Therapie vorauszusagen. Eine hohe MSI (Mikrosatelliteninstabilität) bei<br />
12% der Proben zeigte gegenüber einer stabilen oder niedrigen MSI ein statistisch signifikant besseres 3-Jahres<br />
DFS von 74 vs. 65%. Bei einer SMAD-4-Expression (15%) ist das 3 Jahres-DFS mit 68% signifikant höher als<br />
bei fehlender SMAD-4-Expression mit 53%.<br />
233
Kolonkarzinom<br />
MOSAIC-Studie, Teil I, Adjuvante Chemotherapie<br />
Nahezu die Hälfte aller potentiell kurativ operierten Patienten mit kolorektalen <strong>Karzinome</strong>n erleiden Rezidive <strong>und</strong><br />
versterben als Folge einer späteren Metastasierung.<br />
Nachdem sich Oxaliplatin in der Therapie des metastasierten Kolonkarzinoms bewährt hatte, vornehmlich nach den<br />
Daten der FOLFOX-Kombination der französischen Arbeitsgruppe um de Gramont, wurde die Substanz auch in der<br />
adjuvanten Indikation eingesetzt.<br />
Die Ergebnisse der internationalen, multizentrischen MOSAIC-Studie (Multicenter International Study of<br />
Oxaliplatin/5-Fluorouracil/Leucovorin in the Adjuvant Treatment of Colon Cancer) ergeben sich neue Perspektiven in<br />
der Adjuvansbehandlung kolorektaler <strong>Karzinome</strong> (Andre T et al., NEJM 2004;350:23433-51). In die Studie wurden<br />
insgesamt 2246 Pat. mit Stad. II <strong>und</strong> III eingeschlossen <strong>und</strong> im prospektiv randomisierten Vergleich mit einer jeweils<br />
sechsmonatigen Therapie mit Bolus plus infusional 5-FU/FA ± Oxaliplatin behandelt.<br />
Studiendesign<br />
Einsschlusskriterien<br />
R0-resezierte Patienten mit Kolonkarzinom im Stad. II <strong>und</strong> III<br />
Behandlungsbeginn innerhalb von 7 Wochen nach der Tumorexstirpation<br />
Keine vorangegangene Chemo-, Immuno- oder Radiotherapie<br />
WHO PS ≤2<br />
Alter 18-75 Jahre<br />
Zielkriterien, primär: Krankheitsfreies Überleben, sek<strong>und</strong>är: Toxizität, Gesamtüberleben<br />
LV5FU2 + Oxaliplatin<br />
Folinsäure 200 mg/m 2 / 2h-Inf. d1+2<br />
5-FU 400 mg/m 2 Bolus +<br />
5-FU 600 mg/m 2 22h-Inf. d1+2<br />
Oxaliplatin 85 mg/m 2 2h-Inf d1<br />
alle 14 Tage, 12 Zyklen<br />
LV5FU2<br />
Folinsäure 200 mg/m 2 / 2h-Inf. d1+2<br />
5-FU 400 mg/m 2 Bolus +<br />
5-FU 600 mg/m 2 22h-Inf. d1+2<br />
alle 14 Tage, 12 Zyklen<br />
Toxizität<br />
Eine wesentliche Bedeutung kommt in einer Tumortherapiestudie der Toxizität zu. Die therapieassoziierte Mortalität<br />
war in beiden Gruppen gleich niedrig (0,5%). Haupttoxizitäten waren Diarrhoe, Neutropenie <strong>und</strong> Erbrechen, wobei<br />
Grad-3-4 Neutropenie mit 41,1% bei der oxaliplatinhaltigen Therapie gegenüber 4,7% im Kontrollarm deutlich<br />
häufiger auftrat, jedoch lediglich in 1,8% vs. 0,2% zu Fieber/Infektionen führte.<br />
Ein relevantes Problem stellt die Neurotoxizität dar. 92,1% der Pat. im Oxaliplatin-Arm erlitten eine periphere<br />
Neuropathie, jedoch nur 12,4% Grad-3 oder höher. Die Symptomatik war meist reversibel. Bei 1,1% zeigte sich ein<br />
Fortbestehen einer Grad-3-Toxizität nach 12 <strong>und</strong> bei 0,5% nach 18 Monaten.<br />
Häufigkeit <strong>und</strong> Verlauf der neurosensorischen Symptome in<br />
der Oxaliplatin-haltigen Gruppe<br />
234
Kolonkarzinom<br />
MOSAIC-Studie, 3-Jahres-DFS, Adjuvante Chemotherapie<br />
Nach durchschnittlich 37,9 Monaten Nachbeobachtung ergab sich ein krankheitsfreies Überleben von<br />
78,2% im Oxaliplatinarm gegenüber 72,9% für die LV-5FU-Gruppe (p=0,01). Das bedeutet eine<br />
4-6%ige Verbesserung im krankheitsfreien Überleben. Somit stellt die 5-FU/Folinsäure mit<br />
Oxaliplatin auch in der adjuvanten Situation eine Therapiebereicherung dar. Das krankheitsfreie<br />
Überleben nach 3 Jahren wurde bewusst gewählt, da zum einen die meisten Rezidive in den ersten<br />
3 Jahren auftreten, zum anderen sollte eine zeitnahe Übertragung der Ergebnisse in die praktische<br />
onkologische Arbeit ermöglicht werden.<br />
Der Therapievorteil der Oxaliplatingruppe zeigte sich sowohl für das Gesamtkollektiv als auch in der<br />
Subgruppenanalyse.<br />
André et al, NEJM 350;23<br />
FL + Oxali.<br />
n=1123<br />
FL<br />
n=1123<br />
Follow-up<br />
Median [Monate] 37,9 37,8<br />
3-J-DFS 78,2 72,9<br />
Ereignisse 237 (21,1%) 293 (26,1%)<br />
Rezidive 208 (18,5%) 279 (24,8%)<br />
Metastasen 169 (15,0%) 229 (20,4%)<br />
Zweit-Kolorekt.-Ca. 6 (0,5 %) 9 (0,8%)<br />
Lokalrezidiv 38 (3,4%) 51 (4,5%)<br />
Tod ohne Rezidiv 29 (2,6%) 14 (1,2%)<br />
André et al, N Engl J Med 350;23<br />
MOSAIC-Studie. Signifikant besseres krankheitsfreies Überleben der Oxaliplatin-behandelten Pat.<br />
gegenüber Folinsäure/5-FU allein. Besonders im nodalpositiven Stad. III profitieren die Patienten. Aber<br />
auch für Pat. im Stad. II ließ sich ein Benefit für den Oxaliplatin-Arm nachweisen, wie die Graphik<br />
unten verdeutlicht. Der Unterschied war jedoch nicht signifikant, da die Studie dafür statistisch auch<br />
nicht kalkuliert war.<br />
Aufgr<strong>und</strong> dieser Daten ist FOLFOX-4 der Standard der adjuvanten Therapie des<br />
Kolonkarzinoms im Stadium III<br />
Auf dem ASCO 2007 wurden ein Update nach 5 Jahren sowie erstmals auch Überlebensdaten<br />
präsentiert. Siehe dazu folgende Seite.<br />
235
Kolonkarzinom<br />
MOSAIC-Studie, 5-Jahres-Update, Adjuvante Chemotherapie<br />
MOSAIC: DFS<br />
FOLFOX4<br />
5 Jahre (Juni 2006)<br />
(n=1123)<br />
LV5-FU2<br />
(n=1123)<br />
Med. Follow-up (Mon.) 73,5 73,4<br />
Ereignisse (%) 27,1 32,1<br />
DFS (%) 73,3 67,4<br />
HR/Delta absolut (%) 0,80/ 5,9%<br />
p-Wert 0,003<br />
Die Ergebnisse am primären Endpunkt der<br />
Studie, dem 3-Jahres-erkrankungsfreien<br />
Überleben (DFS), hatten einen signifikanten<br />
Benefit für die mit FOLFOX-4 behandelten<br />
Patienten gezeigt.<br />
Das Update der Studie, das beim ASCO 2007<br />
vorgestellt wurde (de Gramont A. et al., ASCO 2007<br />
Abstr.# 4007), bestätigte den signifikanten<br />
Unterschied für das DFS auch nach 5 Jahren<br />
zugunsten von FOLFOX gegenüber der<br />
Therapie mit 5-FU/Folinsäure.<br />
Im Stadium II wurde wie erwartet kein signifikanter Unterschied für DFS <strong>und</strong> OS (Overall survival)<br />
gef<strong>und</strong>en, da die Studie dafür statistisch nicht ausgerichtet war. Für Patienten im Stadium II mit<br />
Risikofaktoren, nämlich T4-Tumor, Tumor-Perforation, Ileus, G3/4-Histologie, Venöse Infiltration<br />
<strong>und</strong> weniger als 10 entfernten Lymphknoten, betrug der absolute Benefit jedoch 7,2% für das DFS<br />
zugunsten der FOLFOX-Therapie.<br />
MOSAIC: DFS Stadium II <strong>und</strong> III<br />
Erstmalig wurde jetzt ein signifikanter Vorteil für FOLFOX im Gesamtüberleben (OS) für Patienten<br />
im UICC-Stadium III nachgewiesen (Risikoreduktion 20%).<br />
3,5% der Patienten haben eine Grad 2 oder 3 sensorische Neurotoxizität im Follow-up.<br />
MOSAIC: OS Stadium II <strong>und</strong> III<br />
MOSAIC: Langzeittoxizität<br />
Fazit: Der Vorteil der Oxaliplatin-basierten Kombinationstherapie in der adjuvanten Situation für<br />
das Kolonkarzinom im Stadium III ist bestätigt.<br />
236
Adjuvante Therapie<br />
X-ACT-Studie, Adjuvante Chemotherapie<br />
Die X-ACT-Studie ist eine multizentrische, randomisierte Phase-III-Studie, in der das orale Prodrug Capecitabin<br />
(Xeloda®) bei nodal-positiven, R0-resezierten Kolonkarzinomen im Vergleich zum intravenös gegebenen Mayo-<br />
Clinic-Schema untersucht wurde. Capecitabin wird in der Leber nach enteraler Resorption in 5-Deoxy-<br />
Fluorozytidin umgewandelt, das in Tumorzellen stärker als in ges<strong>und</strong>en Zellen angereichert wird.<br />
Im Zeitraum 11/1998 bis 11/2001 wurden insgesamt 1987 Patienten mit R0-reseziertem Dukes-C-<br />
Kolonkarzinom randomisiert auf einen Standardarm mit einer Therapie nach dem Mayo-Clinic-Protokoll über 24<br />
Wochen, im Vergleich zum experimentellen Arm mit Capecitabin 2 x 1250 mg/m 2 über 14 Tage. Wiederholung<br />
alle 3 Wochen (Cassidy J et al. Proc. ASCO 2004; 22:3509A)<br />
Studiendesign, Patientenverteilung<br />
Ergebnisse<br />
Im Ergebnis zeigte sich eine mindestens gleichgute Wirksamkeit mit tendenziellen Vorteilen für Capecitabin<br />
(signifikant für das rezidivfreie Überleben). Die Toxizität war mit Ausnahme des Hand-Fuß-Syndroms für<br />
Capecitabin günstiger. Notwendige Dosisreduktionen waren in beiden Armen vergleichbar (42 vs. 44%), ebenso<br />
die Therapieabbrüche (16 vs. 12%)<br />
Kolonkarzinome, Stad. III. Adjuvante Therapie Mayo-Clinic-Schema vs. Capecitabin<br />
Krankheitsfreies Überleben<br />
[A]<br />
[B<br />
]<br />
Wahrscheinlichkeit einer Grad 3/4-Toxizität<br />
[B]<br />
[A]<br />
[B]<br />
[A]<br />
[B]<br />
[A]<br />
Cassidy J et al. Proc. ASCO 2004; 22: 3509<br />
Fazit:<br />
- Verlängertes krankheitsfreies Überleben (RFS)<br />
- Signifikante 14% Risikoreduktion (p=0.0407)<br />
- 4% absolute Verbesserung des RFS nach 3 Jahren<br />
- Trend zu einem höheren Gesamtüberleben<br />
Capecitabin ist in der adjuvanten Therapie des nodal-positiven Kolonkarzinoms wirksamer <strong>und</strong> weniger toxisch als<br />
das Mayo-Clinic-Schema <strong>und</strong> kann wie das FOLFOX-4-Schema als eine Behandlungsoption in dieser Indikation<br />
angesehen werden. Xeloda ® ist zugelassen für die adjuvante Chemotherapie des KRK.<br />
237
Adjuvante Therapie<br />
X-ACT-Studie, Update 2008, Adjuvante Chemotherapie<br />
Update, 5-Jahres-Daten (ECCO September 2007)<br />
• Gesamtüberleben: bei Nachfolgeuntersuchungen über die durchschnittliche Zeit von sieben Jahren betrug die<br />
5-Jahres-Gesamtüberlebenszeit 71,4% in der Capecitabin- <strong>und</strong> 68,4% in der 5-FU/FS-Gruppe.<br />
• Krankheitsfreies Überleben: bei Nachfolgeuntersuchungen über die durchschnittliche Zeit von 3,8 Jahren war<br />
das krankheitsfreie Überleben in der Capecitabin-Gruppe mindestens äquivalent zur 5-FU/FS-Gruppe<br />
(p
Adjuvante Chemotherapie, prospektive Bewertung<br />
Adjuvantonline.org<br />
Adjuvant!Online ist ein Kalkulationsprogramm zur Abschätzung der Prognose <strong>und</strong> des Benefits durch<br />
eine adjuvante Chemotherapie für Patienten mit einer Krebserkrankung in einem frühen Stadium nach<br />
kompletter chirurgischer Resektion. Dieses Programm existiert für Patienten mit Mammakarzinom,<br />
Kolonkarzinom <strong>und</strong> neuerdings für Pat. mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom. Die Abschätzung<br />
der Prognose für das Kolonkarziom basiert auf den Daten des amerikanischen Tumorregisters SEER<br />
(surveillance epidemiology and end results) zwischen 1988 <strong>und</strong> 1997. Die Daten für den Benefit durch<br />
eine adjuvante Therapie werden regelmäßig aktualisiert.<br />
Abschätzung der Prognose, Relaps- <strong>und</strong> Mortalitätsrisiko (www.adjuvantonline.org)<br />
Wie unten dargestellt, werden die individuellen Patienten- <strong>und</strong> Tumordaten wie Alter, Geschlecht,<br />
Komorbidität, Infiltrationstiefe des Tumors, Zahl der positiven Lymphknoten, untersuchte<br />
Lymphknoten <strong>und</strong> das Grading eingegeben. Unter „Calculate“ kann man die statistische „Mortalität“,<br />
aber auch das „Relapse“-Risiko für diesen Patienten berechnen.<br />
Im dargestellten Fall beträgt das 5-Jahres-Risiko, ohne weitere Therapie am Tumor zu sterben, 59%;<br />
das heißt, wie im Diagramm daneben dargestellt, nach 5 Jahren leben von 100 Patienten mit dieser<br />
Konstellation statistisch noch 40,2 Pat. 58,7 Patienten sterben am Krebs <strong>und</strong> 1,1 Patient stirbt aus<br />
anderen Gründen <strong>und</strong> nicht am Krebs.<br />
Benefit durch adjuvante Chemotherapie<br />
Unter „Chemo“ wird das adjuvante Chemotherapieregime, das entweder in gar keiner Therapie, einer 5-<br />
FU-basierten Therapie oder in FOLFOX oder FLOX bestehen kann, eingefügt. Durch eine FOLFOX-<br />
Therapie werden nach dem Diagramm mit „additional therapy“ zusätzlich 22,8 Patienten geheilt, sodass<br />
nach 5 Jahren 40,2 + 22,8 = 63 Patienten von h<strong>und</strong>ert leben. „Nur“ 35,7 Patienten sterben nach<br />
adjuvanter Chemotherapie mit FOLFOX nach 5 Jahren an Krebs anstelle von 58,7 ohne<br />
Chemotherapie. 1,3 Patienten sterben aus anderen Gründen. Die betroffene Patientin mit einer<br />
Hochrisikokonstellation, die keine Komorbidität aufweist („perfect health“), profitiert also in<br />
besonderem Masse von einer adjuvanten Chemotherapie mit FOLFOX.<br />
Unter „Access Help and Clinical evidence” findet man die Daten, auf denen die statistischen<br />
Berechnungen basieren, sowie nützliche Links zu Standards <strong>und</strong> Guidelines.<br />
Adjuvant! Online ist eine geeignete Basis für die Diskussion des klinischen Onkologen mit dem Patienten über<br />
Benefit <strong>und</strong> Risiken einer adjuvanten Chemotherapie. www.adjuvantonline.org<br />
239
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Adjuvante Chemotherapie, Stadium II<br />
Für das Kolonkarzinom im Stadium II ist bisher kein Therapiestandard definiert. In mehreren Studien, die einen<br />
Benefit für die 5-FU-basierte adjuvante Chemotherapie zeigten, waren neben Pat. im Stad. III auch Pat. im Stad. II<br />
eingeschlossen. Während die Höhe des Benefits für das Stadium-III aufgr<strong>und</strong> der adäquaten Patientenzahl geklärt ist,<br />
ist der Vorteil für das Stad. II unklar. Dass sich für das Stadium-II (außer in der QUASAR-Studie, s.u.) kein statistisch<br />
relevanter Vorteil zeigt, hängt auch mit der relativ guten Prognose der Pat. im Stad. II nach alleiniger Chirurgie<br />
zusammen. Daraus ergibt sich die Erforderlichkeit, Tausende von Patienten zu randomisieren, um eine Verbesserung<br />
des Gesamtüberlebens zu zeigen. Offensichtlich profitiert jedoch eine Subgruppe mit Hochrisikoprofil im Stadium II<br />
von einer adjuvanten Therapie.<br />
NSABP C-01, C-02, C-03 <strong>und</strong> C-04<br />
Eine gepoolte Analyse dieser Studien kam zu dem Schluss, dass Pat. mit Kolonkarzinom im Stad. II einen ähnlichen<br />
Benefit von einer adjuvanten Chemotherapie haben, wie Pat. im Stad. III. Allerdings war die Patientenzahl im Stad. II<br />
in diesen Studien sehr niedrig.<br />
IMPACT-B2-Studie (Benson et al. J Clin Oncol 2004)<br />
In dieser Studie wurden die Ergebnisse von 5 Studien, die 1006 Pat. mit Kolonkarzinom im Stad. II enthielten, gepoolt<br />
<strong>und</strong> ergaben keinen Vorteil für eine adjuvante Chemotherapie. Diese Studie zeigte keinen Unterschied im 5-Jahres-<br />
Überleben (80% in der Kontrollgruppe <strong>und</strong> 82% in der 5-FU/Folinatgruppe) <strong>und</strong> im ereignisfreien Überleben (73% in<br />
der Kontrollgruppe versus 76% in der 5-FU/Folinatgruppe).<br />
NACCP-Studie (Taal BG et al., Br J Cancer 2001; 85:1437-43)<br />
In dieser niederländischen Studie wird über einen Benefit durch eine adjuvante Chemotherapie im Stad. II berichtet.<br />
468 Pat. im Stadium II wurden randomisiert zwischen 5-FU/Levamisol für 12 Monate <strong>und</strong> Beobachtung. Diese Studie<br />
zeigte eine Verbesserung des Overall survivals im Stad. II von 70 auf 78%.<br />
MOSAIC-Studie (de Gramont et al., ASCO 2007, Abstr. 4007)<br />
In dieser Studie erhielten Patienten im Stadium II <strong>und</strong> III entweder FOLFOX oder 5-FU/Folinsäure (de Gramont-<br />
Schema). Im Stad. II wurde nach 5 Jahren kein signifikanter Unterschied für DFS <strong>und</strong> OS (Overall survival)<br />
gef<strong>und</strong>en, da die Studie dafür statistisch nicht ausgerichtet war. Für Patienten im Stad. II mit Risikofaktoren, nämlich<br />
T4-Tumor, Perforation, Ileus, G3/4-Histologie, Venöse Infiltration <strong>und</strong> weniger als 10 entfernten Lymphknoten,<br />
betrug der absolute Benefit nach 5 Jahren jedoch 7,2% für das DFS zugunsten der FOLFOX-Therapie. Zu beachten<br />
ist, dass die Kontrollgruppe ein aktives Chemotherapieregime erhielt <strong>und</strong> nicht nur ein Beobachtungsarm war.<br />
QUASAR-Studie (Gray RG et al., ASCO 2004, Abstr. 3501)<br />
3238 Pat. im Stad. Dukes B erhielten nach kurativer Chirurgie entweder<br />
keine Behandlung oder eine 5-FU-basierte adjuvante Chemotherapie. Der<br />
Einschluss erfolgte nach der vom Behandelnden eingeschätzten<br />
Therapienotwendigkeit. Somit dürften die meisten Patienten eine<br />
Hochrisiko-Situation aufweisen. Nach einem medianen Follow-up von<br />
4,2 Jahren war das Sterberisiko im Chemotherapiearm gegenüber der<br />
Kontrollgruppe 0.88 (95%CI 0,75-1.05; p=0.15) <strong>und</strong> das Rezidivrisiko<br />
0.82 (0.70-0.97; p=0.002). Die 5-Jahres Rezidivrate (22,3 vs. 26,2%)<br />
sowie die das 5-Jahres-Überleben (80,3 vs. 77,4%) favorisierte den<br />
Chemotherapiearm signifikant.<br />
MSI <strong>und</strong> adjuvante Therapie mit 5-FU (Sargent et al, ASCO 2008, Abstr. 4008)<br />
Sargent wertete in einer Sammelanalyse mehrere Studien retrospektiv im Hinblick auf den Einfluss eines defekten<br />
Mismatch Repair-Systems (MMR, definiert als hochgradige MSI oder Verlust von MLH1 oder MSH 2) auf das DFS<br />
nach einer adjuvanten Therapie im Stadium II aus. Hierbei zeigte sich,<br />
dass das 5-Jahres-DFS bei Pat. mit defektem MMR geringer war, wenn<br />
sie adjuvant 5-FU erhielten (unbehandelt 87% versus behandelt 79%).<br />
Die 5-Jahres-Überlebensdaten von Sargent wurden mit den Daten von<br />
Ribic (NEJM 2003;349:247-57) gepoolt, der auch den Einfluss einer<br />
adjuvanten 5-FU-Chemotherapie bei defektem MMR untersucht hatte.<br />
Hier zeigte sich ein signifikanter Unterschied im 5-Jahres Überleben<br />
bei Patienten mit defektem MMR-System zwischen der unbehandelten<br />
(93%) <strong>und</strong> der mit 5-FU behandelten Gruppe (75%).<br />
OS mit <strong>und</strong> ohne adjuvante 5-FU Therapie<br />
im Std. II bei defektem MMR<br />
Fazit:Untersuchung des MMR im Stad. II ! Bei defektem MMR kein<br />
5-FU adjuvant ! Ergebnisse nicht auf FOLFOX übertragbar !<br />
240
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Adjuvante Chemotherapie, Std. II, Empfehlungen<br />
S3-Leitlinie Adjuvante Chemotherapie<br />
Empfehlung Stadium II<br />
Bei Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium II kann eine adjuvante Chemotherapie<br />
durchgeführt werden. Der absolute Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie im Stadium II liegt zwischen<br />
2 <strong>und</strong>5%.<br />
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens<br />
Empfehlung UICC Stadium II mit Risikofaktoren<br />
Im Stadium II sollte in ausgewählten Risikosituationen (T4, Tumorperforation/-einriss, Operation unter<br />
Notfallbedingungen, Anzahl untersuchter Lymphknoten zu gering) eine adjuvante Chemotherapie erwogen<br />
werden.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens<br />
Zusätzliche Parameter (z.B. CEA, Differenzierungsgrad, 18q-Verlust, isolierte Tumorzellen in Lymphknoten<br />
oder im Knochenmark, Mikrosatelliten-Status, DNA-Ploidie <strong>und</strong> TS/p53-Expression, Lymph- <strong>und</strong><br />
Blutgefäßinvasion) sollen momentan nicht zur Indikationsstellung für eine adjuvante Chemotherapie benutzt<br />
werden.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens<br />
S3-Leitlinie Empfehlung Chemotherapieprotokoll im Stadium II<br />
Sollte bei Patienten mit Stadium-II-Tumoren eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden, können<br />
Fluoropyrimidine als Monotherapie eingesetzt werden.<br />
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1, starker Konsens<br />
NCCN guidelines 2/2008 zur adjuvanten Chemotherapie im Stadium II (www.nccn.org)<br />
Einige Hochrisikopatienten können von einer adjuvanten Chemotherapie im Stadium II profitieren.<br />
• T4-Tumore<br />
• Schlecht differenzierte Tumore (G3/G4-Histologie)<br />
• Lymphovaskuläre Infiltration<br />
• Obstruktion, Perforation<br />
• Unklare oder positive Resektionsränder<br />
• Inadäquate Zahl entfernter Lymphknoten (< 12)<br />
Der Benefit einer adjuvanten Chemotherapie für das Überleben beträgt nicht mehr als 5 Prozent !<br />
Aktuelle Empfehlungen zur adjuvanten Therapie im Stadium II: Übersicht<br />
ASCO<br />
Benson 2004<br />
(siehe folgende Seite)<br />
Europa<br />
Van Cutsem 2008<br />
NCCN 2008<br />
(National Cancer Comprehensive<br />
Network)<br />
S3-Leitlinie 2008<br />
Std. II low risk<br />
Std. II high risk<br />
Std. II low risk<br />
Std. II high risk<br />
Std. I<br />
Std. II low risk<br />
Std. II high risk<br />
Std. II low risk<br />
Std. II high risk<br />
Nicht empfohlen<br />
Bei T4,
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Adjuvante Chemotherapie, Stadium II, ASCO Guidelines<br />
ASCO-Guidelines zur adjuvanten Chemotherapie des Kolonkarzinom im Stad. II<br />
(Benson A. et al., J Clin Oncol 2004; 16: 3408-3419)<br />
Eine routinemäßige Anwendung einer adjuvanten Chemotherapie im Stad. II wird nicht empfohlen.<br />
Bei einzelnen Subgruppen kann die Behandlung in Erwägung gezogen werden. Das sind:<br />
Unzureichende Lymphknotensammlung (
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Adjuvante Chemotherapie, Std. II, Prognosefaktoren, Studien<br />
Ein Gr<strong>und</strong>, warum viele Tumore mit ähnlicher histopathologischer Erscheinung einen sehr unterschiedlichen Verlauf<br />
zeigen, ist die Existenz prognostischer Faktoren, die die individuelle Risikosituation <strong>und</strong> die Wahrscheinlichkeit des<br />
Benefits von einer adjuvanten Behandlung beschreiben. Diese Risikofaktoren schließen T4-Tumore, Obstruktion,<br />
Perforation, geringe Differenzierung lymphovaskuläre Infiltration, unklare oder R1-Resektionsränder <strong>und</strong> eine<br />
unzureichende Lymphknotenentfernung ein.<br />
Überleben in Abhängigkeit von der Zahl der entfernten Lymphknoten bei T3 N0<br />
Kolonkarzinom (Swanson RS et al.Ann Surg Oncol 2003;10:65-71)<br />
In einer Analyse von 35.787 Fällen der USA National Cancer Database mit T3 N0 Kolonkarzinomen wurden<br />
Patienten nach der Zahl der histologisch untersuchten Lymphknoten (LK) stratiefiziert. Die 5-Jahres-Überlebensrate<br />
für 1-7 untersuchte LK war 49,8%, für 8-12 LK 56,2% <strong>und</strong> für mehr als 13 LK 63,4% (p 13 LK 63,4%<br />
ECOG 5202 Studie<br />
Zusätzlich zu den klinischen <strong>und</strong><br />
histopathologischen Faktoren, die einen<br />
Patienten mit einem hohen Risiko im Stadium<br />
II charakterisieren, weisen neuere Daten<br />
darauf hin, dass molekulare Marker eine<br />
prognostische <strong>und</strong> prädiktive Rolle spielen.<br />
Derzeit sind die vielversprechendsten <strong>und</strong> am<br />
meisten untersuchten Marker die<br />
chromosomale Instabilität mit Deletion des<br />
Chromosoms 18q (18q LOH=loss of<br />
heterocygocity) <strong>und</strong> die<br />
Mikrosatelliteninstabilität (MSI). Mit der<br />
Intention, den prognostischen Wert als<br />
molekulare Marker zu bestimmen, wurde eine<br />
grosse prospektive klinische Studie der Eastern<br />
Cooperative Oncology Group initiiert, die die Patienten im Stadium II auf der Basis ihres 18q- <strong>und</strong> MSI-Status<br />
randomisiert.<br />
Studien mit zielgerichteten Substanzen beim Kolonkarzinom Stad. II/III<br />
Phase-III-Studien mit Bevacizumab<br />
Studie N Kollektiv Therapie Stand 8/2008<br />
AVANT 3450 High risk Stad. II<br />
Stad. III<br />
FOLFOX 4 vs.<br />
FOLFOX + Bevacizumab<br />
Rekrutierung<br />
abgeschlossen<br />
XELOX + Bevacizumab<br />
NSABP C-08 2710 Stad. II/III FOLFOX 6 +/- Bevacizumab Closed*<br />
QUASAR 2 2240 High risk Stad. II/Stad. III Capecitabine +/-Bevacizumab 1077 Pat. rekrutiert<br />
ECOG 5202 3438 High risk Stad. II<br />
Prognostischer Wert molekularer<br />
Marker (MSI/18q)<br />
243<br />
FOLFOX<br />
vs.<br />
FOLFOX + Bevacizumab<br />
* Toxizitätsdaten akzeptabel, Effektivitätsdaten stehen noch aus (Allegra C et al., ASCO 2008, Abstract 4006)<br />
ongoing<br />
Phase-III-Studien mit Cetuximab<br />
Studie n Kollektiv Therapie Stand 8/2008<br />
PETACC 8 2000 Stad. III FOLFOX 4 +/- Cetuximab Geschlossen<br />
(siehe folg. Seiten)<br />
NCCTG NO147 2300 Stad. III FOLFOX 6 +/- Cetuximab ongoing
Kolonkarzinom<br />
PETACC 4, adjuvante Therapie, Stad. II, EORTC 40012<br />
Studientitel<br />
Adjuvante Chemotherapie des Kolonkarzinoms im Stad. II. Randomisierte multizentrische Phase-III-<br />
Studie des R0-resezierten Kolonkarzinoms. Infusional 5-FU CPT 11 + Folinsäure vs. Beobachtung.<br />
Studienkoordinator<br />
Prof. Dr. JF Seitz, Marseilles, Tel. 0033-4-9138-6038.<br />
Einschlusskriterien<br />
Stadium II (pT3, N0; pT4, N0). Kolonkarzinom, R0-Resektion.<br />
Distale Resektionsgrenze oberhalb der peritonealen Umschlagfalte.<br />
Mindestens 12 Lymphknoten im Resektat <strong>und</strong> histopathologisch untersucht.<br />
Ausschluss von Fernmetastasen.<br />
Alter über 18 Jahre, unter 75 Jahre.<br />
Allgemeinbefinden: 0/1 WHO.<br />
Studiendesign<br />
R<br />
Alleinige Operation<br />
Operation + adjuvante Chemotherapie<br />
Randomisation: Innerhalb 56 Tagen nach der kurativen Resektion.<br />
Chemotherapie: 4 Zyklen (6 Monate)<br />
Irinotecan 80 mg/m 2 500 ml NaCl 0,9%/30 min. Tag 1,8,15,22,29,36<br />
Folinsäure 500 mg/m 2 500 ml NaCl 0,9%/2h Tag 1,8,15,22,29,36<br />
5-FU 2.000 mg/m 2 24h-Inf. Tag 1,8,15,22,29,36<br />
Wiederholung: Tag 50 (Tag 1 des nächsten Sechs-Wochen-Zyklus)<br />
Stratifizierung nach prädiktiven <strong>und</strong> responsiven Faktoren<br />
Institution<br />
pT3 vs. pT4,<br />
initiale Komplikation: Ileus, Perforation vs. keine,<br />
Grading G1, G2, G3, Geschlecht,<br />
Mikrosatelliteninstabilität positiv vs. negativ vs. unbekannt.<br />
Studienziel<br />
Verbesserung des DFS in der Therapiegruppe<br />
Sek<strong>und</strong>är: Bewertung von prognostischen Faktoren zur Frage der Korrelation von Überleben <strong>und</strong><br />
Rezidiv nach adjuvanter Chemotherapie: Zahl der untersuchten Lnn, Grading, T-Stadium, CEA-<br />
Spiegel, DCC-Alteration, bcl-2, Matrix Metalloproteinasen, Mikrosatelliteninstabilität.<br />
Studie seit 31.08.2006 geschlossen!<br />
244
Kolonkarzinom<br />
PETACC 8-Studie, Adjuvante Chemotherapie<br />
Studientitel<br />
Adjuvante Behandlung des komplett resezierten Kolonkarzinoms Stad. III mit FOLFOX-4 plus Cetuximab versus<br />
FOLFOX-4. Randomisierte kontrollierte multinationale multizentrische Phase-III-Studie.<br />
Studienziel<br />
Primäres Studienziel ist das krankheitsfreie Überleben (DFS). Sek<strong>und</strong>äre Ziele sind krankheitsfreies Überleben nach<br />
3 Jahren, Gesamtüberleben, 5-Jahres-Gesamtüberleben, Verträglichkeit <strong>und</strong> Sicherheit der Therapie, Evaluation von<br />
prädiktiven biologischen Markern für Rezidiv <strong>und</strong>/ oder Therapieerfolg. Start der Studie: 11/05.<br />
Studienunterlagen<br />
AIO-Studienzentrale, Herr René Siewczynski<br />
Martin-Luther-Universität Halle, <strong>Klinik</strong> für Innere Medizin IV, Ernst-Grube-Straße 40, 06120 Halle<br />
Tel.: 0345-557-5752, Fax: 0345-557-3283, E-mail: siewczynski@aio-portal.de, Internet: www.aio-portal.de<br />
Studiendesign<br />
R<br />
FOLFOX-4 + Cetuximab (Arm A)<br />
FOLFOX-4 (Arm B)<br />
Therapiedauer<br />
12 Zyklen = 24 Wochen<br />
Einschlusskriterien<br />
Alter ≥ 18 <strong>und</strong> < 75 Jahre<br />
Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Kolons Stadium III, unabhängig vom EGFR-Status<br />
Kurative R0-Resektion nicht weniger als 28 <strong>und</strong> nicht länger als 56 Tage vor Randomisation<br />
Keine Metastasen bei Studienaufnahme<br />
Keine vorangegangene Chemotherapie, keine vorangegangene Bestrahlung von Abdomen oder Becken<br />
WHO-Performance Status 0-1<br />
Schriftliche Einverständniserklärung des Patienten<br />
Wirksame Kontrazeption, falls die Möglichkeit einer Schwangerschaft/Zeugung besteht<br />
Ausschlusskriterien<br />
Fernmetastasen<br />
Studie geschlossen 2008<br />
Chronisch entzündliche Darmerkrankung<br />
Rektumkarzinom innerhalb 15 cm ab Anokutanlinie (endoskopisch) oder oberhalb der<br />
peritonealen Umschlagsfalte (chirurgisch) oder präoperative Strahlentherapie<br />
Schwangere oder stillende Frauen<br />
Neuropathie<br />
Bekannte Hypersensitivität gegenüber einer der Komponenten der Studientherapie<br />
Therapiedurchführung<br />
Die Behandlung erfolgt postoperativ über 12 Zyklen (6 Monate).<br />
FOLFOX-4 + Cetuximab (Arm A)<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Cetuximab-Erstgabe 400 2-Std.-Infusion 1<br />
Cetuximab 250 1-Std.-Infusion (1), 8<br />
Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion 1<br />
Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2<br />
5-FU 400 Bolus 1, 2<br />
5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2<br />
Wiederholung Tag 15<br />
FOLFOX-4 (Arm B)<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion 1<br />
Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2<br />
5-FU 400 Bolus 1, 2<br />
5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2<br />
Wiederholung Tag 15<br />
245
Rektumkarzinom<br />
ESMO-Empfehlungen 2008; Diagnostik, Therapie I<br />
ESMO Clinical Recommendations for diagnosis, treatment and follow-up (Ann Oncol 2008; 19(Suppl2): ii 31-ii32).<br />
Inzidenz<br />
Die Inzidenz des rektalen Karzinoms in der Bevölkerung der Europäischen Union beläuft sich auf ca. 35% der<br />
kolorektalen <strong>Karzinome</strong>, also ca. 15-20/100.000 Einwohner/Jahr erkranken. Die Sterblichkeit beträgt 4-10/100.000<br />
Einwohner/Jahr, wobei sie bei Frauen niedriger ist als bei Männern.<br />
Diagnose<br />
Die Diagnosestellung basiert auf der rektal-digitalen Untersuchung einschließlich starrer Rektoskopie mit<br />
histopathologischer Sicherung. Als Rektumkarzinome gelten Tumore, deren aboraler Rand bei der Messung mit dem<br />
starren Rektoskop 15 cm oder weniger von der Anokutanlinie entfernt ist.<br />
Staging <strong>und</strong> Risikoeinschätzung<br />
• Anamnese <strong>und</strong> körperliche Untersuchung des Patienten, aktuelle Laborwerte (insbesondere Leber- <strong>und</strong><br />
Nierenwerte), CEA-Bestimmung, Röntgen-Thorax (alternativ CT) <strong>und</strong> CT oder MRT oder Ultraschall der Leber<br />
müssen durchgeführt werden.<br />
• Endosonographie für die frühen Tumore<br />
(cT1-T2) oder ein rektales MRT des Rektums<br />
für alle anderen sind gefordert, um Patienten für<br />
eine präoperative Therapie zu selektionieren.<br />
Notwendig ist die prä- oder postoperative hohe<br />
Koloskopie.<br />
• Die histopathologische Untersuchung<br />
sollte die proximalen, distalen <strong>und</strong><br />
circumferentiellen Ränder sowie die Lymphknoten<br />
einschließen (mindestens 12 sollten<br />
untersucht werden).<br />
• Die TNM-Klassifikation 2002 liegt stets<br />
zugr<strong>und</strong>e.<br />
TNM Stad. Ausdehnung<br />
Tis N0 M0 0 Carcinoma in situ<br />
T1 N0 M0 I Submucosa<br />
T2 N0 M0 I Muscularis propria<br />
T3 N0 M0 IIA Subserosa/perikorektales Gewebe<br />
T4 N0 M0 IIB<br />
Perforation ins perirektale Gewebe oder<br />
Invasion in andere Organe<br />
T1-2 N1 M0 IIIA 1-3 regionale Lymphknoten betroffen<br />
T3-4 N1 M0 IIIB 1-3 regionale Lymphknoten betroffen<br />
T1-4 N2 M0 IIIC ≥4 regionale Lymphknoten betroffen<br />
T1-4 N1-2, M1 IV Fernmetastasen<br />
Behandlung<br />
Lokal begrenzte Erkrankung<br />
Gesamtstrategie<br />
Ein wichtiges Ziel ist ein sehr niedriges Rezidivrisiko (vorzugsweise kleiner als 5% bei den Patienten, bei denen eine<br />
kurative Behandlung angestrebt wird) sowie gleichzeitig eine möglichst niedrige Akut- <strong>und</strong> Spätmorbidität. Dies sollte<br />
bei allen Patienten möglich sein außer in den wenigen (≤10 %) Fällen, die einen fixierten Tumor mit Infiltration in ein<br />
nicht ohne weiteres resezierbares Organ aufweisen.<br />
Ein weiteres Ziel ist die Erhaltung einer guten Sphinkterfunktion bei so vielen Patienten wie möglich.<br />
Notwendigkeit der Qualitätssicherung <strong>und</strong> Kontrolle<br />
Die Behandlung des Rektumkarzinoms ist anspruchsvoll <strong>und</strong> erfordert große Fachkenntnis im gesamten<br />
multidisziplinären Team. Eine gute Pathologie <strong>und</strong> eine komplette Langzeit-Nachbeobachtung, die auch funktionelle<br />
Aspekte berücksichtigt, sind wichtig für die Qualitätskontrolle.<br />
Risikoadaptierte Behandlung<br />
• In den frühesten, prognostisch günstigsten Fällen (T1-2, manche frühe T3, N0) alleinige Chirurgie, entweder als<br />
lokale Maßnahme z.B. in Form einer transanalen endoskopischen Mikrodissektionstechnik in ganz ausgewählten<br />
Fällen (T1, N0 [III,A]) oder als scharfe radikale Dissektion in TME (totale mesorektale Exzision)-Technik [II,A].<br />
• In mehr lokal fortgeschrittenen Fällen (meist T3, einige T4, N+) wird eine präoperative Radiotherapie empfohlen,<br />
gefolgt von einer TME, da dieses Vorgehen die Lokalrezidivrate senkt [I,A]. Eine Behandlung mit 25 Gy, 5<br />
Gy/Fraktion, gefolgt von einer sofortigen Operation ist ein einfaches <strong>und</strong> wenig toxisches Vorgehen [I,A].<br />
Anspruchsvollere aber nicht effektivere Alternativen [II,A] sind Konzepte mit 46-50 Gy, 1,8-2 Gy/Fraktion ohne oder<br />
mit 5-FU (Bolus, kontinuierliche Infusion oder peroral) [III,A]. Wenn immer möglich sollte die präoperative<br />
Behandlung bevorzugt werden, da sie effektiver <strong>und</strong> weniger toxisch als die postoperative Behandlung ist [I,A].<br />
• In den lokal fortgeschrittenen, häufig nicht resektablen Fällen (viele T4, einige T3) sollte eine präoperative Radio-<br />
/Chemotherapie mit 50,4 Gy, 1,8 Gy/Fraktion, mit begleitender 5-FU-basierter Therapie gewählt werden [II,A],<br />
gefolgt von einer radikalen Operation 6-8 Wochen später.<br />
246
Behandlung<br />
Rektumkarzinom<br />
ESMO-Empfehlungen 2008, Therapie II, Nachsorge<br />
Postoperative Therapie<br />
Eine postoperative Radio-/Chemotherapie (z.B. 50 Gy, 1,8-2 Gy/Fraktion) mit begleitender 5-FU-basierter<br />
Chemotherapie wird nicht mehr empfohlen außer bei Patienten mit positiven circumferentiellen Rändern,<br />
Perforation in der Tumorregion oder in anderen Fällen mit hohem Lokalrezidivrisiko, wenn eine präoperative<br />
Therapie nicht erfolgte [I, A].<br />
Ähnlich zu der Situation beim Kolonkarzinom im Stadium III (<strong>und</strong> Hochrisiko-Stadium II) kann eine adjuvante<br />
Chemotherapie in Betracht gezogen werden, auch wenn die Datenlage für einen ausreichenden Effekt gering ist<br />
[II, A].<br />
Lokalrezidiv<br />
Patienten mit Rezidiv sollten eine präoperative Radio-/Chemotherapie erhalten, falls eine Bestrahlung in der<br />
Primärbehandlung nicht erfolgt ist [II, A]. Bei vorbestrahlten Patienten können Maßnahmen mit Applikation<br />
einer zusätzlichen Strahlendosis entweder als externe oder als intraoperative Bestrahlung versucht werden [IV,<br />
D].<br />
Der Versuch einer radikalen Operation sollte 6-8 Wochen nach Bestrahlung erfolgen [II, A].<br />
Bei vorbestrahlten Patienten, für die eine Salvageoperation nicht in Betracht kommt, sollte eine systemische<br />
Chemotherapie erwogen werden.<br />
Disseminierte Erkrankung<br />
Ob Patienten mit primär disseminierter Erkrankung (synchrone Metastasen) zuerst eine lokoregionäre <strong>und</strong> dann<br />
eine systemische Behandlung erhalten sollten oder umgekehrt, kann in einigen Fällen offensichtlich sein, ist aber<br />
ansonsten nicht bekannt [IV,D]. Alter, Komorbidität, Patientenpräferenz, Ausdehnung des Primärtumors <strong>und</strong> der<br />
Metastasierung müssen berücksichtigt werden.<br />
In ausgewählten Fällen kann die Behandlung die Operation von resektablen Leber- <strong>und</strong> Lungenmetastasen<br />
[III,A] beinhalten. Andere operative Maßnahmen oder Einlegen von Stents [III,A] sowie eine Bestrahlung sollten<br />
als palliative Maßnahmen betrachtet werden [II,A].<br />
Eine palliative Erstlinien-Chemotherapie sollte früh in Erwägung gezogen werden <strong>und</strong> besteht aus 5-<br />
FU/Leukovorin in verschiedenen Kombinationen <strong>und</strong> Schedules mit Oxaliplatin oder Irinotecan mit oder ohne<br />
Bevacizumab [I,A].<br />
Eine Zweitlinien-Therapie sollte für Patienten mit anhaltend gutem Performance-Status in Betracht gezogen<br />
werden [I,A] <strong>und</strong> eine Drittlinientherapie für ausgewählte Patienten, die sich ebenfalls in gutem<br />
Allgemeinzustand befinden [II,A].<br />
Nachsorge<br />
Die Nachsorgeuntersuchungen dienen der Identifikation derjenigen Patienten, die eine chirurgische<br />
Salvage-Therapie oder eine palliative Behandlung benötigen, sowie der Verhinderung eines zweiten kolorektalen<br />
Karzinoms.<br />
Es gibt keinen Beweis dafür, dass regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen nach erfolgreich durchgeführter<br />
Behandlung zu einem besseren outcome von Patienten mit rektalem Karzinom führen.<br />
Eine vorläufige Empfehlung ist:<br />
Anamnese-Erhebung <strong>und</strong> Rektosigmoidoskopie (wenn möglich) alle 6 Monate für insgesamt 2 Jahre [V, D]. Eine<br />
komplette Koloskopie sollte innerhalb des ersten Jahres durchgeführt werden, sofern sie nicht im Rahmen der<br />
Primärdiagnostik erfolgt ist (z. B. bei Obstruktion).<br />
Anamnese-Erhebung <strong>und</strong> Koloskopie mit Entfernung von Kolonpolypen alle 5 Jahre [I, B].<br />
Klinische, laborchemische <strong>und</strong> radiologische Untersuchungen sind von nicht bewiesenem Benefit <strong>und</strong> sollten nur<br />
bei Patienten mit suspekten Symptomen eingesetzt werden [A].<br />
Anmerkung<br />
Die Angaben bezüglich Level of Evidenz [I-V] <strong>und</strong> Grade of Recommendation [A-D] stimmen mit den<br />
Empfehlungen der American Society of Clinical Oncology überein. Andere Angaben beziehen sich auf klinisch<br />
geprüfte Expertenmeinungen <strong>und</strong> die ESMO.<br />
(Ann Oncol 2008; 19(Suppl2): ii 31-ii32).<br />
247
Rektumkarzinom<br />
Präoperative Diagnostik, S3-Leitlinien 2004/2008<br />
Als Rektumkarzinom gelten Tumore, deren makroskopisch erkennbarer aboraler Rand bei der Messung mit dem<br />
starren Rektoskop 16 cm oder weniger von der Anokutanlinie entfernt ist. Nach UICC 2003 werden die<br />
Rektumkarzinome entsprechend ihrem Abstand von der Anokutanlinie (starres Rektoskop) in Tumore des oberen<br />
Drittels (12-16 cm), des mittleren Drittels (6- 1mm) mit hoher Genauigkeit<br />
vorherzusagen. Einzelne Studiengruppen <strong>und</strong> Zentren schränken die Indikation zu einer präoperativen Radiotherapie<br />
oder Radio-/Chemotherapie auf Patienten mit Tumoren ein, die auf Gr<strong>und</strong>lage der MRT mehr als 5 mm ins perirektale<br />
Fettgewebe oder bis 1mm an den circumferentiellen Resektionsrand heranreichen. Dieses selektive Vorgehen muss in<br />
weiteren Studien geprüft werden. Die MRT-Untersuchung ist für die weitere Therapieentscheidung zielführend, wenn<br />
zwischen einer präoperativen Kurzzeitbestrahlung <strong>und</strong> einer Radio-/Chemotherapie bei Tumoren mit Ausbreitung bis<br />
nahe des circumferentiellen Resektionsrands gewählt werden soll.<br />
248
Rektumkarzinom<br />
Diagnostik, Untersuchungsverfahren<br />
Digitale rektale Untersuchung<br />
Bei dieser Untersuchung ist die individuelle Erfahrung des Untersuchers von entscheidender Bedeutung. Laut einer<br />
Studie konnten Erfahrene das T-Stadium mit einer Genauigkeit von 67-83% korrekt beurteilen, unerfahrene<br />
Untersucher trafen nur in 44-78% eine richtige Beurteilung (Nicholls R J et al., Br J Surg 1982;69:1345-61).<br />
Starre Rektoskopie<br />
Nur mit dem starren Rektoskop ist die genaue Messung des Abstandes vom Tumor zur Linea dentata möglich.<br />
Gleichzeitig kann bei der Untersuchung eine Gewebeprobe zur histologischen Untersuchung gewonnen werden. Auch<br />
die Bestimmung der Tumorausdehnung intraluminal ist zuverlässig möglich.<br />
Endorektaler Ultraschall (ERUS)<br />
Der ERUS erlaubt eine sehr genaue Einschätzung der Tiefeninfiltration<br />
durch die Rektumwand. Hierin ist die ERUS allen anderen bildgebenden<br />
Verfahren überlegen (siehe Tabelle unten). Eine Metaanalyse von 90<br />
Arbeiten (Bipat et al, Radiology 2004;232:773-83) fand eine Spezifität der<br />
Endosonographie für die Erkennung der Muscularis propria-Infiltration<br />
(T2) zwischen 80-90%, die damit signifikant höher lag als die der MRT<br />
(52-82%). Das Problem der Methode liegt jedoch im Overstaging von<br />
T2-Tumoren, das durch eine peritumorale Entzündungsreaktion bedingt<br />
ist. Die Infiltration des Sphinkterapparates kann mit großer Sicherheit<br />
beurteilt werden. Eingeschränkt wird die Methode durch stenosierende<br />
Tumoren, die eine Passage der Sonde nicht zulassen.<br />
Computertomographie (CT)<br />
In den bisher vorliegenden Studien ist die CT der ERUS <strong>und</strong> der MRT<br />
bei der Beurteilung der Wandinfiltration deutlich unterlegen. Das liegt<br />
daran, dass mit der CT die einzelnen Schichten des Rektums nicht<br />
dargestellt werden können. Auch die mesorektele Faszie lässt sich nicht<br />
darstellen. Bei der Beurteilung der Lymphknoten bleibt die Sensitivität<br />
der CT hinter den anderen beiden bildgebenden Verfahren zurück.<br />
Deshalb spielt diese Methode vor allem bei fortgeschrittenen Tumoren<br />
<strong>und</strong> zur Detektion von Fernmetastasen eine Rolle. Inwiefern moderne Multislice-CT-Scanner mit der Möglichkeir der<br />
multiplanaren Rekonstruktion in der Lage sind, diese Schwächen auszugleichen, ist Gegenstand von Untersuchungen.<br />
MRT<br />
Die Untersuchung wird entweder mit einer Körperspule, die eng am Körper des Patienten liegt (Body-array-Spule)<br />
oder einer endorektalen Spule durchgeführt. Die endorektale Spule erlaubt, wie der ERUS, die Darstellung der<br />
Wandschichtung des Rektums <strong>und</strong> ist deshalb sehr gut zur Beurteilung der Tiefeninfiltration geeignet. Sie hat sich<br />
jedoch wegen des hohen technischen Aufwandes <strong>und</strong> der eingeschränkten Verfügbarkeit nicht als Routineverfahren<br />
durchgesetzt. Die Beziehung des Tumors zur mesorektalen Faszie ist mit der hochauflösenden Dünnschicht-MRT mit<br />
90%iger Sicherheit darstellbar (Brown G et al., Br J Surg 2003;90:355-64). Somit ist die MRT insbesondere bei der Planung<br />
der neoadjuvanten Therapie von wesentlicher Bedeutung.<br />
Bei der Beurteilung des Nodalstatus (nach Kriterien der grösse, Form, Kontur <strong>und</strong> Sigmalverhalten) ist keine der oben<br />
angeführten Stagingmethoden ausreichend verlässlich, was auch durch die hohe Rate von Mikrometastasen in normal<br />
großen Lymphknoten beim Rektumkarzinom bedingt ist.<br />
Vergleichende Metaanalyse der Staging-Untersuchungen beim Rektumkarzinom<br />
(Kwok H et al., Int J Colorectal Dis 2000;15:9-20)<br />
CT ERUS MRT<br />
MRT mit endorektaler<br />
Spule<br />
Tiefeninfiltration der Rektumwand<br />
Sensitivität 78% 93% 86% 89%<br />
Spezifität 63% 78% 77% 79%<br />
Genauigkeit 73% 87% 82% 84%<br />
Lymphknotenbeteiligung<br />
Sensitivität 52% 71% 65% 82%<br />
Spezifität 78% 76% 80% 83%<br />
Genauigkeit 66% 74% 74% 82%<br />
249<br />
Endosonographie des Rektums. Großes, die<br />
Darmwand zwischen 11 <strong>und</strong> 13 Uhr<br />
vollständig infiltrierendes Karzinom.<br />
Foto: PD Dr. U. Klinge, RWTH-Aachen
Rektumkarzinom<br />
Stadieneinteilung<br />
Klinische Stadieneinteilung nach Mason<br />
Bei der digitalen rektalen Untersuchung kann neben der Höhenlokalisation <strong>und</strong> der intraluminalen<br />
Tumorausdehnung auch die relative Beweglichkeit des Tumors als indirektes Maß für die Infiltrationstiefe erfasst<br />
werden. Die klinische Einteilung des rektalen Palpationsbef<strong>und</strong>es in vier Stadien erfolgte durch A. Mason 1975.<br />
Sie korreliert mit der Tiefenausdehnung des Tumors (T-Kategorie des TNM-Systems) <strong>und</strong> sollte präoperativ<br />
erfasst <strong>und</strong> dokumentiert werden.<br />
Mason I<br />
Mason II<br />
Mason III<br />
Mason IV<br />
Tumor gegenüber der Darmwand verschieblich<br />
Tumor an Darmwand fixiert, aber mit Darmwand beweglich<br />
Tumor- <strong>und</strong> Darmbeweglichkeit durch partielle Fixierung eingeschränkt<br />
Tumor <strong>und</strong> Darmwand vollständig fixiert<br />
TNM-Klassifikation (UICC 2002) <strong>und</strong> 5-Jahres-Überlebensraten<br />
Bezüglich der T- <strong>und</strong> N-Kriterien siehe auch Kolonkarzinom, TNM-Klassifikation.<br />
5-Jahres-Überlebensraten<br />
UICC Dukes<br />
TNM<br />
Rektumkarzinom*<br />
Männer % Frauen %<br />
0 A Tis<br />
I A<br />
T 1<br />
Lokalisiert (Stadien I <strong>und</strong> II)<br />
T 2<br />
II A T 3 N 0<br />
85,6 87,4<br />
B<br />
M 0<br />
II B<br />
T 4<br />
III A T 1 , T 2 N 1<br />
III B C T 3/4 N 1<br />
57,2 56,4<br />
III C<br />
Jedes T N 2<br />
IV D Jedes T jedes N M 1 6,1 7,5<br />
* Ries LAG et al., SEER Cancer Statistics Review 1973-1997, NCI. Bethesda , MD 2000.<br />
5-Jahres-Überlebenskurven von 2128<br />
Patienten mit Rektumkarzinom in den<br />
UICC-Stadien I-IV, die im<br />
Tumorregister München dokumentiert<br />
wurden (Manual des Tumorzentrums<br />
München, Gastrointestinale Tumoren.<br />
Zuckschwerdt Verlag München, 2006)<br />
250
Rektumkarzinom<br />
Diagnostik & Therapie, Algorithmus<br />
Klinische <strong>und</strong> digitale Untersuchungen<br />
Rektoskopie <strong>und</strong> Biopsie; Endosonographie, Koloskopie,<br />
Sonographie, CT oder MRT<br />
Keine Fernmetastasen<br />
uT1, G1-2, cN0<br />
uT1, G3/4, uT2, cN0<br />
od. cT1/2 N+<br />
cT3 Nx<br />
cT4 <strong>und</strong>/oder<br />
Downsizing angestrebt<br />
Lokale Exzision<br />
Anteriore Rektumresektion<br />
mit TME<br />
Ja<br />
Oberes Rektumdrittel <strong>und</strong><br />
cN0 <br />
Nein<br />
Bei: >pT1, R1, G3/4, L1, V1<br />
Radikale Nachop.<br />
Falls pN+<br />
adjuvante RTX/CTX oder bei<br />
Tumor im ob. Rektumdrittel<br />
nur adjuvante CTX<br />
analog Kolonkarzinom<br />
Neoadjuvante<br />
Radiochemotherapie<br />
oder<br />
5x5 Gy Kurzzeitbestrahlung<br />
Neoadjuvante<br />
Radiochemotherapie<br />
Anteriore Rektumresektion<br />
oder Rektumexstirpation mit<br />
TME<br />
Adjuvante Chemotherapie<br />
• Bei cT1/2 mit fraglichem LK-Befall ist die primäre Op. neben der neoadjuvanten Therapie eine Behandlungsoption<br />
• Stellenwert der Strahlentherapie (RTX) im oberen Drittel kontrovers: entweder neoadjuvante RTX/CTX oder primäre Op. <strong>und</strong><br />
anschließende adjuvante Chemotherapie (CTX) analog Kolonkarzinom<br />
• Nach 5x5 Kurzzeit-RTX existieren keine Studien zur adjuvanten CTX. Empfehlung: adjuvante CTX wie beim Kolonkarzinom<br />
Algorithmus zu Diagnostik <strong>und</strong> Therapie des Rektumkarzinoms ohne Fernmetastasierung basierend auf den Empfehlungen<br />
der S3-Leitlinie 2008<br />
Empfehlung Stadium IV S3-Leitlinie 2008<br />
Beim synchron metastasierten Rektumkarzinom gibt es keine Standardempfehlung zum therapeutischen Vorgehen.<br />
Die Prognose der Erkrankung wird im Regelfall durch die systemische Metastasierung bestimmt. Daher sollte bei<br />
irresektablen Fernmetastasen primär eine systemische Kombinationstherapie eingesetzt werden, sofern nicht<br />
Symptome durch den Primärtumor zu einem anderen Vorgehen zwingen. Falls eine primäre Radio-/Chemotherapie<br />
durchgeführt wird, sollte vor dem Hintergr<strong>und</strong> der systemischen Metastasierung eine intensivierte<br />
Kombinationstherapie eingesetzt werden.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 5, starker Konsens<br />
251
Rektumkarzinom<br />
Perioperative Therapie, S3-Leitlinie 2008<br />
Perioperative Therapie – Indikationen<br />
Stadium I<br />
Im Stadium I ist eine perioperative Therapie nicht indiziert.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 5, starker Konsens.<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Rektumkarzinome im UICC-Stadium I (T1/T2 N0) haben bei alleiniger radikaler Operation mit En-Bloc-<br />
Lymphknotendissektion <strong>und</strong> totaler mesorektaler Exzision (TME) für Tumoren im unteren Drittel (bis 6 cm ab<br />
Anokutanlinie) <strong>und</strong> mittlerem Rektumdrittel (> 6-12 cm) sowie partieller mesorektaler Exzision (PME) für<br />
Tumoren im oberen Rektumdrittel (>12-16 cm) niedrige Lokalrezidiv- <strong>und</strong> Fernmetastasierungsraten. In den<br />
frühen amerikanischen Serien zum Stellenwert der beoadjuvanten Radio-/Chemotherapie wurde dieses<br />
Tumorstadium daher ebenso ausgeschlossen wie in den modernen Studien zur neoadjuvanten Radio-<br />
/Chemotherapie.<br />
Die schwedischen <strong>und</strong> holländischen Studien zur präoperativen Kurzzeit-Vorbestrahlung mit 5x5 Gy versus<br />
alleinige Operation haben das Tumorstadium I gleichwohl eingeschlossen. Die jüngere holländische Studie<br />
zeigte in einer Subgruppenanalyse keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Lokalrezidivrate zwischen<br />
alleiniger TME <strong>und</strong> zusätzlicher Radiotherapie für Tumoren im UICC-Stadium I. In der älteren schwedischen<br />
Studie konnte ein signifikanter Vorteil der zusätzlichen Bestrahlung für das Stadium I gezeigt werden, allerdings<br />
war hier das Konzept der TME noch nicht umgesetzt worden.<br />
Der Stellenwert einer Radio(chemo)therapie vor oder nach lokaler Exzision eines T1-High-Risk-Karzinoms<br />
(G3/4, L1, V1, Durchmesser grösser als 3 cm, R1-Resektion) ist nicht gesichert. Bei inkompletter Resektion (R1)<br />
oder Risikokonstellation (siehe oben) soll eine radikale Tumorentfernung mit Lymphknotenentfernung innerhalb<br />
von 4 Wochen durchgeführt werden. Für Patienten mit tiefsitzenden T1-High-Risk-<strong>Karzinome</strong>n oder<br />
T2-N0-Tumoren im UICC-Stadium I, die eine Exstirpation ablehnen, ist die präoperative Radio(chemo)therapie,<br />
gefolgt von lokaler Exzision, eine Option. Dies ist jedoch ein nicht gesichertes Vorgehen.<br />
Stadium II/III<br />
Im UICC-Stadium II <strong>und</strong> III ist die neoadjuvante Radio- oder Radio-/Chemotherapie indiziert. Eine<br />
Sondersituation besteht bei cT1/2-<strong>Karzinome</strong>n mit fraglichem Lymphknotenbefall; hier ist auch die primäre<br />
Operation (mit ggf. adjuvanter Radio-/Chemotherapie bei pN+) eine mögliche Behandlungsoption.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Metaanalysen zeigen eine verbesserte Wirksamkeit der präoperativen im Vergleich zur postoperativen<br />
Bestrahlung. Eine frühe randomisierte Studie zur prä- versus postoperativen alleinigen Radiotherapie hatte eine<br />
signifikant reduzierte Lokalrezidivrate impräoperativen Arm gezeigt. Die deutsche Studie zur adjuvanten <strong>und</strong><br />
neoadjuvanten Radio-/Chemotherapie (RCT) des Rektumkarzinoms im Stadium II <strong>und</strong> III (CAO/ARO/AIO-94)<br />
wies ebenfalls eine signifikante Reduzierung der Lokalrezidivrate im neoadjuvanten Arm auf. Die Rate<br />
postoperativer Komplikationen war nach präoperativer RCT im Vergleich zur sofortigen Operation nicht erhöht,<br />
die akute <strong>und</strong> chronische Toxizität im präoperativen RCT-Arm insgesamt signifikant niedriger. Bei tief sitzenden<br />
Tumoren, die der Chirurg vor Randomisation als exstirpationspflichtig eingeschätzt hatte. Konnte die Rate<br />
sphinktererhaltender Operationsverfahren durch die Vorbehandlung im Vergleich zur sofortigen Operation<br />
verdoppelt werden.<br />
Als Problem der neoadjuvanten Therapie muss das potenzielle „Overstaging“ <strong>und</strong> die daraus resultierende<br />
„Überbehandlung“ von Patienten gewertet werden, bei denen fälschlicherweise ein wanddurchsetzender (T3)<br />
oder lymphknotenpositiver Tumor (N+) diagnostiziert wurde. Da insbesondere die Sensitivität <strong>und</strong> Spezifität der<br />
Beurteilung des Lymphknotenbefalls limitiert ist, wird bei T1/2-Tumoren mit bildgebend fraglichen N+ als<br />
Option auch die primäre Operation als sinnvoll erachtet. Als weitere Selektionskriterien für die primäre<br />
Operation werden von einigen Zentren <strong>und</strong> Studiengruppen – auch im Hinblick auf die mit der Radiotherapie<br />
assoziierten chronischen Nebenwirkungen – T3-Tumoren mit einem Abstand zur mesorektalen Resektionslinie<br />
von mehr als 1 mm (MRT-Diagnostik obligat) genannt. Diese Selektionskriterien müssen in Studien weiter<br />
geprüft werden.<br />
252
Rektumkarzinom<br />
Perioperative Therapie II, S3-Leitlinie 2008<br />
Stadium II/III, Oberes Drittel<br />
Der Stellenwert der Strahlentherapie des Rektumkarzinoms im oberen Drittel wird kontrovers diskutiert. Es kann<br />
eine adjuvante Therapie wie beim Kolonkarzinom oder eine perioperative Radio(chemo)therapie wie beim<br />
Rektumkarzinom durchgeführt werden.<br />
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 3a, starker Konsens<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Folgende Argumente sprechen dafür, das obere Rektumdrittel (>12-16 cm ab Anokutanlinie, gemessen mit einem<br />
starren Rektoskop) wie ein Kolonkarzinom zu behandeln:<br />
Die Daten der amerikanischen Adjuvanzstudien. Die die Radio-/Chemotherapie bei der Behandlung des<br />
Rektumkarzinoms etabliert hatten, bezogen sich ausschließlich auf Rektumtumoren mit einem Abstand des distalen<br />
Tumorpols von der Anokutanlinie bis 12 cm.<br />
In der holländischen TME-Studie konnte bei Tumoren im oberen Rektumdrittel (hier definiert als 10-15 cm ab<br />
Anokutanlinie) keine signifikante Verbesserung der Lokalrezidivrate durch die zusätzliche Radiotherapie<br />
nachgewiesen werden.<br />
Folgende Argumente sprechen dafür, das obere Rektumdrittel wie ein Rektumkarzinom zu behandeln:<br />
Bei der Analyse der holländischen TME-Studie handelt es sich um eine explorative Subgruppenanalyse. Daher wurde<br />
von den Autoren konsequenterweise nicht gefolgert, dass Patienten mit Tumoren im oberen Rektumdrittel keiner<br />
Radiotherapie bedürfen.<br />
In der bislang nur als Astract publizierten britischen MRC-CR07-Studie war der Vorteil der generellen präoperativen<br />
Kurzzeit-Radiotherapie versus selektiver postoperativer Radio-/Chemotherapie nur bei befallenem<br />
circumferenziellem Resektionsrand für alle Rektumdrittel signifikant.<br />
Eine aktuelle Subgruppenanalyse der deutschen CAO/ARO/AIO-Studie-94 zeigte keinen signifikanten Unterschied<br />
der Lokalrezidivraten zwischen Tumoren im mittleren <strong>und</strong> unteren Rektumdrittel.<br />
Im Gegensatz zu der holländischen TME-Studie werden in Deutschland Tumoren im oberen Rektumdrittel mittels<br />
partieller mesorektaler Exzision (PME) behandelt. Dieses Verfahren ist u.U. mit einer höheren Lokalrezidivrate<br />
verb<strong>und</strong>en. Die GAST-05-Studie wird unter Federführung von Prof. Becker/Dr. Liersch die Frage prüfen, ob<br />
Tumoren im oberen Rektumdrittel eine TME benötigen.<br />
Kurzzeitradiatio versus Langzeitradiatio<br />
In Situationen, in denen ein Downsizing angestrebt wird (T4-Tumore, nicht ausreichender Sicherheitsabstand im<br />
Dünnschicht-MRT zur mesorektalen Faszie – Abstand 1mm oder weniger – oder erwünschter Sphinktererhalt bei<br />
Tumoren im unteren Drittel) soll der präoperativen Radio-/Chemotherapie der Vorzug vor einer Kurzzeitadiotherapie<br />
gegeben werden. Bei cT3-Tumoren oder cN+-Tumoren, bei denen kein Downsizing angestrebt wird,<br />
kann die präoperative Therapie entweder als Radio-/Chemotherapie oder als Kurzzeitbestrahlung erfolgen.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Zur präoperativen Radiotherapie stehen prinzipiell zwei Fraktionierungsschemata zur Verfügung: die<br />
Kurzzeitbestrahlung mit 25 Gy in Einzeldosen von 5 Gy an 5 aufeinanderfolgenden Tagen, unmittelbar gefolgt von<br />
der Operation, <strong>und</strong> die konventionell fraktionierte Bestrahlung bis zur Gesamtreferenzdosis von 45-50,4 Gy in 25-28<br />
Fraktionen, gefolgt von der Operation nach 4-6 Wochen. Eine randomisierte polnische Studie hatte nach<br />
neoadjuvanter konventionell fraktionierter Radio-/Chemotherapie ein signifikant überlegenes Ergebnis hinsichtlich<br />
Downsizing <strong>und</strong> Downstaging sowie eine signifikant niedrigere Rate an R1-Resektionen im Vergleich zur<br />
Kurzzeitbestrahlung ergeben. Allerdings waren die Rate an sphinktererhaltenden Operationsverfahren (primärer<br />
Endpunkt) sowie die lokale Kontrolle (sek<strong>und</strong>ärer Endpunkt) in beiden Armen nicht signifikant unterschiedlich. Zur<br />
Maximierung der Tumorschrumpfung vor Operation sollte bei den oben genannten Indikationen der konventionell<br />
fraktionierten Radio-/Chemotherapie der Vorzug vor der Kurzzeitbestrahlung gegeben werden. Bei letzerer tritt durch<br />
die kurze Behandlungszeit <strong>und</strong> die sich unmittelbar anschließende Operation nämlich keine relevante<br />
Tumorschrumpfung ein.<br />
Chemotherapie bei neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie<br />
Die neoadjuvante Radio-/Chemotherapie soll eine 5-Fluorouracil-Monotherapie mit oder ohne Folinsäure<br />
beinhalten.<br />
Empfehlungsgrad : A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens<br />
253
Rektumkarzinom<br />
Chirurgie, S3-Leitlinie 2004<br />
Radikale chirurgische Therapie des Rektumkarzinoms<br />
Die kurative Therapie des Rektumkarzinoms erfordert in der Regel neben der Resektion des Primärtumors im<br />
Ges<strong>und</strong>en die partielle oder totale Entfernung des Mesorektums <strong>und</strong> damit des regionären Lymphabflussgebiets (sog.<br />
radikale Resektion nach internationalem Dokumentationssystem für das kolorektale Karzinom). Nur in streng<br />
selektionierten Fällen ist eine kurative Resektion durch lokale Maßnahmen möglich.<br />
Folgende Operationsverfahren sind bei Einhaltung der Kriterien der onkologischen Chirurgie als gleichwertig<br />
anzusehen, wobei die Indikationsstellung von der Tumorlokalisation, insbesondere der Beziehung zur Linea dentata<br />
<strong>und</strong> dem Levatorschenkel, der Tiefeninfiltration <strong>und</strong> der Sphinkterfunktion abhängig ist.<br />
Die (tiefe) anteriore Rektumresektion<br />
Die abdomino-perineale Rektumexstirpation<br />
Die intersphinktäre Rektumresektion (auch als abdomino-peranale Rektumresektion bezeichnet). Diese Operation<br />
setzt besondere Erfahrungen voraus.<br />
Nach Möglichkeit sind kontinenzerhaltende Verfahren unter Abwägung der zu erwartenden späteren Lebensqualität<br />
zu bevorzugen. Bei schlechter Sphinkterfunktion sollte an Stelle einer tiefen Resektion der Rektumexstirpation mit<br />
permanenter Kolostomie der Vorzug gegeben werden<br />
Radikale Tumorentfernung<br />
Algorithmus<br />
Interdisziplinäre S3-Leitlinie <strong>Kolorektale</strong>s Karzinom, Herausgeber: Prof. Th. Junginger, Stand 15.03.2004. (wwwklinik.uni-mainz.de/Allgemchir/Leitlinienmanuskript.pdf).<br />
254
Rektumkarzinom<br />
Operatives Vorgehen, S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Onkologische Gr<strong>und</strong>sätze<br />
Die Operation sollte folgende Gr<strong>und</strong>sätze berücksichtigen:<br />
• Die Entfernung des regionären Lymphabflussgebietes mit Absetzung der A. mesenterica inferior zumindest<br />
distal des Abgangs der A. colica sinistra. Die Unterbindung der A. mesenterica inferior abgangsnah hat<br />
keine prognostische Bedeutung, sie kann aus operationstechnischen Gründen zur ausreichenden<br />
Mobilistion des linken Hemikolons zur Rekonstruktion erforderlich werden. Der Wert einer Dissektion der<br />
Lymphknoten am Stamm der A. mesenterica inferior proximal des Abgangs der A. colica sinistra ist nicht<br />
gesichert.<br />
Evidenzlevel 2:, Empfehlungsgrad: C<br />
• Die komplette Entfernung des Mesorektums (TME) bei <strong>Karzinome</strong>n der unteren zwei Rektumdrittel <strong>und</strong> die<br />
partielle Mesorektumexzision bei <strong>Karzinome</strong>n des oberen Drittels durch scharfe Dissektion entlang<br />
anatomischer Strukturen zwischen Fascia pelvis visceralis <strong>und</strong> parietalis („total anatomic dissection“)<br />
• Die Einhaltung eines angemessenen Sicherheitsabstandes,<br />
• Die En-bloc-Resektion von tumoradhärenten Organen (multiviszerale Resektion) zur Vermeidung einer<br />
örtlichen Tumorzelldissemination<br />
• Die Schonung der autonomen Beckennerven (Plexus hypogastricus, Plexus pudendus)<br />
Vorgehen bei Tumoren des oberen Rektumdrittels<br />
Bei Tumoren des oberen Rektumdrittels erfolgt die partielle Mesorektumexzision 5 cm distal des makroskopischen<br />
Tumorrandes, gemessen in vivo. Das Mesorektum sollte horizontal durchtrennt werden, um eine vollständige<br />
Entfernung sicherzustellen (kein Coning). Die Begründung dieses Vorgehens liegt darin, dass bei T3- <strong>und</strong> T4-<br />
Tumoren in seltenen Fällen Satellitenknoten oder Lymphknotenmetastasen in bis zu 4 cm distal des Tumorrandes,<br />
gemessen am histologischen Schnitt nach Fixation des nicht ausgespannten Präparates, vorkommen können.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b<br />
Vorgehen bei Tumoren des mittleren <strong>und</strong> unteren Rektumdrittels<br />
Bei Tumoren des mittleren <strong>und</strong> unteren Rektumdrittels erfolgt die totale Mesorektumexzision (TME) bis zum<br />
Beckenboden unter Schonung des Plexus hypogastricus, der Nn hypogastrici <strong>und</strong> der Plexus hypogastrici inferiores.<br />
Evidenzlevel: 2++, Empfehlungsgrad: A<br />
Bei Low-grade-Tumoren guter oder mäßiger Differenzierung des unteren Rektumdrittels ist ein Sicherheitsabstand<br />
von 2 cm in situ ausreichend. Als minimaler Abstand am frischen, nicht ausgespannten Präparat kann 1 cm gelten,<br />
um eine kontinenzerhaltende Resektion zu ermöglichen. Bei High-grade-Tumoren (G3/4) ist ein größerer<br />
Sicherheitsabstand anzustreben.<br />
Empfehlungsgrad: B Evidenzlevel: 2b<br />
Bei <strong>Karzinome</strong>n des unteren Drittels kann als Alternative zu der ansonsten erforderlichen Rektumexstirpation die<br />
intersphinktäre Rektumresektion (auch als abdomino-peranale Rektumresektion bezeichnet) durchgeführt werden,<br />
wenn – unter Wahrung der oben genannten Sicherheitsabstände – die puborektale Schlinge nicht infiltriert ist. Diese<br />
Operation setzt besondere Erfahrung voraus.<br />
Nach totaler mesorektaler Resektion mit nachfolgender sphinkternaher Anastomose ist potentiell mit u.U. erheblichen<br />
funktionellen Störungen zu rechnen. Diese sind am stärksten ausgeprägt nach geraden Anastomosen. Sie können<br />
durch verschiedene alternative Rekonstruktionsverfahren partiell verringert werden.<br />
Als Möglichkeiten stehen zur Verfügung:<br />
Der Kolon-J-Pouch, die transverse Koloplastik, die Seit-zu-End-Anastomose.<br />
Am besten belegt sind die Vorteile für den Kolon-Pouch. Im Falle einer Schenkellänge von mehr als 6 cm ist<br />
allerdings mit Evakuationsproblemen zu rechnen. Außerdem ist er bei einem sehr fettreichen Mesokolon nicht immer<br />
technisch durchführbar. Alternativen sind die Seit-zu-End-Anastomosen <strong>und</strong> die transverse Koloplastik, deren<br />
endgültiger Stellenwert allerdings aufgr<strong>und</strong> kleiner Fallzahlen bzw. widersprüchlicher Resultate noch nicht endgültig<br />
beurteilt werden kann.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b –3b<br />
Nach totaler mesorektaler Exzision empfiehlt sich die Anlage eines protektiven Stomas. Dadurch lässt sich die Rate<br />
von Insuffizienzen nicht sicher senken, jedoch deutlich die dadurch bedingte postoperative Morbidität. Ileostoma <strong>und</strong><br />
Kolostoma sind gleichwertig.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b<br />
255
Rektumkarzinom<br />
Operationsmethoden<br />
Durch eine optimale chirurgische Behandlung ist in Abhängigkeit vom Stadium bei bis zu 80% der Patienten eine<br />
kurative Resektion möglich. Gleichzeitig können 85% dieser Patienten kontinenzerhaltend operiert werden, ohne dass<br />
der Anspruch auf lokale Sanierung kompromittiert wird. Aufgabe des Chirurgen ist es, Radikalität <strong>und</strong><br />
Funktionserhaltung zu vereinbaren. Da in systematischen Studien gezeigt wurde, dass die distale intramurale<br />
Tumorausbreitung bei <strong>Karzinome</strong>n der unteren zwei Drittel des Rektums nur selten 1 cm überschreitet, ist es<br />
vertretbar, von dem lange geltenden 5 cm-Resektionsabstand nach distal abzurücken <strong>und</strong> den Sicherheitsabstand auf 1<br />
cm am gestreckten Operationspräparat zu verkürzen. Entscheidend ist die Tumorfreiheit des distalen Resektionsrandes<br />
im intraoperativen Schnellschnitt (Rullier et al. 2006). Kann diese erzielt werden, ist insbesondere bei Patienten nach<br />
neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie ein kontinenzerhaltendes Verfahren gerechtfertigt.<br />
S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Operation in kurativer Absicht<br />
Die chirurgische Therapie von Rektumkarzinomen sollte, nur durch Chirurgen mit spezieller Ausbildung <strong>und</strong><br />
Erfahrung auf diesem Gebiet, insbesondere mit der TME erfolgen. Dies gilt ganz besonders für die Behandlung der<br />
<strong>Karzinome</strong> des mittleren <strong>und</strong> unteren Drittels.<br />
Evidenzlevel: 2++, Empfehlungsgrad: B<br />
Eine kurative Therapie erfordert in der Regel die Resektion des tumortragenden Rektums im Ges<strong>und</strong>en <strong>und</strong> die<br />
partielle oder totale En-bloc-Entfernung des Mesorektums sowie des regionären Lymphabflussgebietes. Nur in streng<br />
selektionierten Fällen ist eine kurative Behandlung auch durch lokale endoskopische mikro-chirurgische oder<br />
chirurgische Tumorexzision (Vollwandresektion) möglich.<br />
Lokale Operationsverfahren<br />
In selektionierten Fällen ist eine kurative<br />
Behandlung durch lokale endoskopische,<br />
mikrochirurgische oder konventionell<br />
chirurgische Tumorexzision möglich.<br />
Eine lokale chirurgische Tumorexzision bei<br />
Rektumkarzinom (Vollwandexzision) ist als<br />
alleinige therapeutische Maßnahme unter<br />
kurativer Zielsetzung angezeigt bei<br />
- pT1 mit einem Durchmesser bis zu 3 cm,<br />
- guter od. mäßiger Differenzierung<br />
(G1,2),<br />
- ohne Lymphgefäßinvasion (Low-risk-<br />
Histologie),<br />
- sofern die Entfernung komplett erfolgt<br />
ist (R0)<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b,<br />
starker Konsens<br />
Bei T1 high-risk-<strong>Karzinome</strong>n (G3/4 u./o.<br />
Lymphgefäßinvasion) <strong>und</strong> bei T2-<br />
<strong>Karzinome</strong>n liegt das Auftreten von<br />
Lymphknotenmetastasen bei 10-20%, so<br />
dass die alleinige lokale Exzision nicht<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich empfohlen werden kann.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3b,<br />
starker Konsens<br />
Vorgehen nach lokaler Therapie (Endoskop. Polypektomie,<br />
Mucosektomie, chirurgische Tumorexzision)<br />
(Interdisziplinäre S3 Leitlinie <strong>Kolorektale</strong>s Karzinom, Herausgeber: Prof.<br />
Th. Junginger, Stand 15.03.2004. www-klinik.unimainz.de/Allgemchir/Leitlinienmanuskript.pdf)<br />
Laparoskopische Chirurgie<br />
Empfehlung<br />
Die Ergebnisse der laparoskopischen Tumorresektion sind derzeit wegen fehlender onkologischer Langzeitergebnisse<br />
nicht abschließend zu beurteilen, so dass dieses Verfahren nur im Rahmen von qualifizierten Studien mit langfristiger<br />
Verlaufsbeobachtung zur Anwendung kommen sollte.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, mehrheitliche Zustimmung<br />
Auch bezüglich der Vorteile der Lebensqualität nach laparoskopischen Resektionen sind keine überzeugenden<br />
Vorteile erkennbar.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, mehrheitliche Zustimmung<br />
256
Rektumkarzinom<br />
Operation, totale mesorektale Exzision<br />
Rektumkarzinome breiten sich intramural entlang der Submucosa, der Muscularis propria <strong>und</strong> extramural im Mesorektum<br />
aus. Das intramurale Wachstum nach distal erfolgt in der Regel nur wenige Millimeter jenseits des makroskopisch<br />
erkennbaren Tumorrandes. Dagegen finden sich relativ häufig zirkumferentiell im Mesorektum mikroskopisch<br />
nachweisbare Tumorabsiedlungen vor allem bei pT3/4-Tumoren auch auf eine weitere Distanz sowohl nach dorsal <strong>und</strong><br />
lateral als auch distal des Tumors. Dies ist die Begründung für die Notwendigkeit einer kompletten Entfernung des<br />
Mesorektums bei der Operation eines Rektumkarzinoms.<br />
TME<br />
Die totale Mesorektumexzision (TME) ist eine Technik, die auf Heald (Lancet 1993; 341:457-60) zurückgeht. Mit dieser<br />
Technik konnte die Lokalrezidivrate signifikant von ca. 20% auf ca. 5-7% gesenkt werden (Dahlberg et al.,Br J Surg 1999;<br />
86:379-84). Der technische Unterschied zwischen TME <strong>und</strong> der<br />
konventionellen Chirurgie beruht auf der scharfen Präparation unter<br />
direkter Sicht in einer klar definierten Ebene zwischen viszeraler <strong>und</strong><br />
parietaler Schicht der Beckenfaszie. Die dorsale Grenzlamelle<br />
umschließt den retrorektalen Fettkörper mit den Lymphknoten <strong>und</strong><br />
dementsprechend die lokoregionäre Hauptmetastasenstraße des<br />
Rektumkarzinoms. Durch die genaue Identifikation der topographischanatomischen<br />
Schichten kann eine umfassende Resektion der regionären<br />
Lymphknoten, bzw. der lymphatischen Drainage en-bloc, unter<br />
bestmöglicher Schonung der für die Kontinenz <strong>und</strong> Sexualfunktion<br />
wichtigen autonomen Innervation erfolgen.<br />
Da das Mesorektum am muskulären Beckenboden endet, ist der<br />
mesorektale Sicherheitsabstand für <strong>Karzinome</strong> des mittleren <strong>und</strong> unteren<br />
Drittels gleichbedeutend mit einer totalen mesorektalen Exzision.<br />
Tumore des oberen Rektumdrittels können mit einer partiellen<br />
Sagittalschnitt durch das Becken mit Darstellung der<br />
Hüllfaszien des Rektums. 1 = Resektionslinien der TME<br />
(aus: Simon D, Klin Onkol 2000;1:227)<br />
(Nagtegaal, ID et al. J Clin Oncol 2002;20:1729-1734)<br />
mesorektalen Exzision ausreichend behandelt werden, sofern der distale<br />
Sicherheitsabstand von 5 cm am Mesorektum eingehalten wird.<br />
Das „Mesorektum“ definiert den Bindegewebsfettkörper, in dem sich<br />
alle Lymphknoten befinden, die das Rektum drainieren. Die perirektale<br />
(extraluminäre) Tumorausbreitung erfolgt entlang der Lymphspalten des Mesorektums unter Respektierung der rektalen<br />
Hüllfaszien. Das Mesorektum wird durch scharfe Dissektion unter direkter Sicht exakt entlang der Faszia pelvina visceralis<br />
aus dem Becken gelöst. Dabei ist es erforderlich, dass die äußere Umhüllung des Mesorektums unversehrt bleibt. Eine<br />
Beschädigung hat einen direkten negativen Einfluss auf die Prognose mit einer erhöhten Rate an Lokalrezidiven.<br />
Eine erweiterte laterale Lymphadenektomie zeigt in Studien keinen Vorteil bezüglich der onkologischen Ergebnisse, aber<br />
eine deutlich erhöhte Morbidität (Kusunoki et al. Dig Surg 2007;24:115-119).<br />
Der Sentinel-node-Technik wird im Rahmen der operativen Therapie des Rektumkarzinomes aktuell keine Bedeutung<br />
beigemessen (Bembenek J Surg Oncol 2007).<br />
Die TME kann heute durch einen erfahrenen Operateur auch laparoskopisch erfolgen. Generell gilt jedoch weiterhin die<br />
Empfehlung, Rektumkarzinome nur im Rahmen von Studien <strong>und</strong> in erfahrenen Zentren laparoskopisch zu operieren<br />
(Laurent et al. Br J Surg 2007).<br />
Illustration zur Definition von Resektionspräparaten hinsichtlich der Resektionsqualität<br />
A, B: Komplettes Meso-Rektum ohne Defekte, kein Coning; Glatte zirkumferentielle Resektionsgrenzen<br />
C: Inkomplettes Meso-Rektum mit tiefen Defekten D: Sehr irregulärer Zirkumferenz-Resektionsrand<br />
257<br />
Bewertung der Resektionsqualität des Meso-<br />
Rektums durch den Pathologen<br />
Intaktes Meso-Rektum mit nur geringen Irregularitäten<br />
auf einer glatten mesorektalen Oberfläche. Kein<br />
Defekt ist tiefer als 5 mm. Es besteht kein Coning zu<br />
dem distalen Resektionsrand des Präparates. Auch dort<br />
findet sich eine glatte zirkumferentielle<br />
Resektionsgrenze (Abb. 1A <strong>und</strong> 1B).<br />
Fast komplett<br />
Irregularität der mesorektalen Oberfläche. Mäßiges<br />
Coning des Präparates. An keiner Stelle ist jedoch die<br />
Muscularis propria sichtbar mit Ausnahme der<br />
Insertionsstelle des M. levator.<br />
Inkomplett<br />
Rektumresektat mit Defekten bis zur Muscularis<br />
propria reichend <strong>und</strong>/oder sehr irreguläre<br />
Resektionsränder der Zirkumferenz (Abb.1C, 1D).
Rektumkarzinom<br />
Mesorektumexzision, Pathologie<br />
Ausmaß <strong>und</strong> Qualität der Mesorektumexzision (MRE) sind ein wesentlicher Bestandteil der pathologischen<br />
Aufarbeitung eines Operationspräparates beim Rektumkarzinom. Nagtegaal et al (Am J Surg Pathol 2002;26:350-7)<br />
zeigten in einer holländischen Studie, dass die Prognose besonders hinsichtlich eines späteren Lokalrezidivs. von der<br />
Qualität des vollständig (total) zu entfernenden Mesorektums abhängig ist. Hierbei waren sowohl der<br />
makroskopische Eindruck des Chirurgen (Rezidivrate 35,6 vs. 21,5%, p=0,01), als auch die histopathologische<br />
Bewertung (≥1mm in sano, p=0,03) signifikant für das rezidivfreie Überleben.<br />
Bei <strong>Karzinome</strong>n des mittleren <strong>und</strong> unteren Rektumdrittels wird eine totale Mesorektumexzision (TME) durchgeführt,<br />
bei Tumoren des oberen Drittels eine partielle MRE mit mindestens 3 cm Abstand zum Tumorrand. Eine konusartige<br />
Abtrennung (Coning) des Mesorektums vom distalen Resektionsrand soll vermieden werden.<br />
Nach einer neuen Klassifikation (M.E.R.C.U.R.Y.-Kriterien 2002) wird die Qualität der TME in drei<br />
Kategorien wie folgt definiert:<br />
Qualität Einteilung / Bewertung Definition<br />
Grad 1<br />
Grad 2<br />
Grad 3<br />
Gut<br />
Komplette Mesorektumexzision<br />
Mäßig<br />
Nahezu komplette Mesorektumexzision<br />
Schlecht<br />
inkomplette Mesorektumexzision<br />
Intaktes Mesorektum mit nur geringen<br />
Unregelmäßigkeiten der glatten Mesorektumoberfläche,<br />
kein Defekt größer als 5mm, kein Coning. Bei querer<br />
Lamellierung glatter zirkumferentieller Resektionsrand<br />
Mesorektum mit unregelmäßiger Oberfläche, aber an<br />
keiner Stelle Muscularis propria sichtbar (abgesehen von<br />
der Ansatzstelle der Levatormuskulatur), mäßiges Coning<br />
erlaubt, bei querer Lamellierung mäßiggradige<br />
Unregelmäßigkeiten des circumferentiellen<br />
Resektionsrandes<br />
Geringe Mengen von Mesorektum, an der Oberfläche<br />
Defekte bis zur Muscularis propria, bei querer<br />
Lamellierung sehr unregelmäßiger zirkumferentieller<br />
Resektionsrand oder ausgeprägtes Coning<br />
Beurteilung der Qualität der Rektumexstirpation bezüglich des Levator-Analkanalgebietes nach der<br />
MERCURY-Studie 2002 <strong>und</strong> der CORE Studie (Quirke et al. 2003)<br />
Klinische Bedeutung des Pathologen in der Qualitätskontrolle<br />
In einer Arbeit von Nagtegaal I.D. et al. (JCO 2002; 20: 1729-34) konnte gezeigt werden, dass bei 24% von 180<br />
Rektumkarzinom-Patienten das Mesorektum inkomplentfernt war <strong>und</strong> dass dies zu einem erhöhten Rezidivrisiko<br />
führte. In der Gruppe der Patienten mit negativen circumferentiellen Rändern gab es eine Überlebensdifferenz nach 2<br />
Jahren zugunsten der Patienten mit komplettem Mesorektum versus derer mit inkomplettem Mesorektum von 90,5%<br />
versus 76,9%. Das bedeutet, dass die Qualität der Mesorektumentfernung eine zusätzliche Bedeutung über die<br />
negativen circumferentiellen Ränder hinaus besitzt.<br />
258
Rektumkarzinom<br />
Postop. Pathohist. Diagnostik, Zirkumferentielle Ränder<br />
Für die prognostische Einschätzung <strong>und</strong> die weitere Therapieplanung sind Aussagen über das Ausmaß <strong>und</strong> die<br />
Qualität der TME von erheblicher Bedeutung. Darüber hinaus ist der zirkumferentielle Resektionsrand<br />
(CRM=circumferential resection margin) ein entscheidender Prognosefaktor. Der CRM ist definiert als nicht<br />
peritonealisierte Oberfläche des Rektums (bei optimierter Chirurgie= Fascia mesorectalis). CRM positiv bedeutet,<br />
dass der CRM direkt infiltriert oder der Tumor weniger als 0,1 cm vom CRM entfernt ist.<br />
CRM als Prognosefaktor<br />
Nach einer holländischen Studie (Nagtegaal ID et al.Am J Surg Pathol. 2002;26:350-7) ist der wichtigste Prognosefaktor für<br />
ein Lokalrezidiv (LR) der zirkumferentielle Resektionrand (CRM). Ein tumorfreier Rand ≤2 mm ist mit einer<br />
signifikant höheren LR-Rate assoziiert (16% vs. 5,8% p
Rektumkarzinom<br />
TME <strong>und</strong> Radiotherapie/Radio-/Chemotherapie<br />
Radiatio vor/nach TME nötig<br />
Durch die Einführung der totalen mesorektalen Exzision (TME) kann zumindest an spezialisierten Zentren (high<br />
volume centers) die Lokalrezidivrate im Stadium II <strong>und</strong> III auf
Rektumkarzinom<br />
Neoadjuvante vs. postop. Therapie – CAO/ARO/AIO-94-Studie<br />
Präoperative versus postoperative Strahlen-/Chemotherapie<br />
Die Frage, ob die neoadjuvante der postoperativen adjuvanten Radio-/Chemotherapie überlegen ist, wurde in<br />
einer großen deutschen Multicenterstudie, der AIO/CAO/ARO-94-Studie, geklärt. Mit dem präoperativen<br />
Vorgehen wurde das lokoregionäre Rezidivrisiko von 13 auf 6% reduziert <strong>und</strong> es konnten in der neoadjuvanten<br />
Gruppe signifikant mehr Patienten Sphinkter erhaltend operiert werden. Die akute sowie die Langzeittoxizität<br />
im Bestrahlungsbereich waren unter der präoperativen Bestrahlung geringer. Das Gesamtüberleben unterschied<br />
sich nicht in den beiden Armen. Ausführliche Ergebnisse siehe folgende Seiten.<br />
Vorteile einer präoperativen Therapie<br />
• Tumorverkleinerung mit potentiell verbesserter Resektabilität (R0-Resektion)<br />
• Möglichkeit der Sphinktererhaltung bei tiefsitzendem Karzinom<br />
• Verringerung der Gefahr einer intraoperativen Tumorzellverschleppung<br />
• Erhöhte Radiosensitivität infolge besserer Tumoroxygenierung bei noch intakter Vaskularisierung<br />
• Gefährdete Strukturen (z.B. Dünndarm) können besser aus dem Strahlenfeld gehalten werden<br />
• Keine Bestrahlung der Anastomose<br />
Mögliche Nachteile einer präoperativen Therapie<br />
• Kein pathohistologisches Tumorstadium, Gefahr einer Übertherapie.<br />
• Operation wird verzögert.<br />
Die präoperative Strahlen-/Chemotherapie gilt neben der präoperativen Kurzzeitstrahlentherapie<br />
(5 x 5 Gy) als Therapie der Wahl auch für potentiell R0-resektable Tumoren.<br />
Für potentiell nicht R0-resektable Tumoren <strong>und</strong> Tumoren, bei denen ein Downsizing angestrebt wird, ist<br />
die Strahlen-/Chemotherapie die einzige Standardbehandlung, da die Kurzzeitbestrahlung nicht in der<br />
Lage ist, ein adäquates Downsizing zu erreichen.<br />
CAO/ARO/AIO-94-Studie<br />
Studientitel<br />
Adjuvante vs. neoadjuvante Radio-/Chemotherapie des fortgeschrittenen Rektumkarzinoms im UICC-Stadium<br />
II <strong>und</strong> III. Eine Phase-III-Studie der CAO/ARO/AIO.<br />
Studiendesign<br />
Geprüft wurde eine<br />
neoadjuvante Radio-<br />
OP<br />
/Chemotherapie gefolgt<br />
von einer postoperativen<br />
Chemotherapie<br />
gegen eine<br />
gleichintensive postoperative<br />
Radiochemo<strong>und</strong><br />
Chemotherapie.<br />
Hierzu wurden<br />
Patienten mit endo-<br />
OP<br />
sonographisch/CT-<br />
morphologisch nodalpositiven<br />
T3- /T4-<br />
Tumoren eingeschlossen.<br />
Wochen 0 12 24<br />
Sie erhielten<br />
randomisiert entweder<br />
eine neoadjuvante Radio-/Chemotherapie mit Infusional 5-FU in Woche 1 <strong>und</strong> 5 der Radiatio, gefolgt von Bolus<br />
5-FU postoperativ (Arm II), oder ein in Medikamenten, Applikationsformen <strong>und</strong> Dosierungen identisches rein<br />
adjuvantes Regime. Die Operation erfolgte 6 Wochen nach Abschluss der neoadjuvanten Behandlung, die<br />
Adjuvanzbehandlung begann 4 Wochen postoperativ.<br />
261
Rektumkarzinom<br />
CAO/ARO/AIO-94-Studie, Ergebnisse<br />
Studienergebnisse<br />
(Sauer et al., N Engl J Med 2004; 351:1731-9)<br />
Rekrutiert wurden von Februar 1995 bis September 2002 Patienten mit resektablem Rektumkarzinom mit einem<br />
Tumor innerhalb 16cm ab Anokutanlinie. Bei insgesamt 402 auf die zwei Arme randomisierten Pat. mit<br />
ausbalancierten Tumormerkmalen ließ sich kein signifikanter Unterschied in Bezug auf Gesamtüberleben oder<br />
krankheitsfreies Überleben nachweisen, siehe nachstehende Graphiken.<br />
In Bezug auf die Häufigkeit eines Lokalrezidivs. zeigte sich ein signifikanter Vorteil für die neoadjuvante<br />
Therapie, von 6% vs. 13% ebenso für die therapieassoziierte Langzeittoxizität (14 vs. 24%, p=0.01).<br />
Zudem ergab sich eine höhere Rate an sphinktererhaltenden Operationen nach neoadjuvanter<br />
Radio-/Chemotherapie bei tiefsitzenden Rektumkarzinomen (39% vs. 19%, p=0,004).<br />
Gesamtüberleben (A) <strong>und</strong> krankheitsfreies Überleben (B).<br />
Vergleich präop. vs postop. Chemo-/Radiotherapie. n = 799<br />
Lokalrezidive (A) <strong>und</strong> Fernmetastasen (B). Vergleich präoperative<br />
vs postoperative Chemo-/Radiotherapie. n = 799<br />
Prognosefaktor Tumorregression nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie<br />
Es konnte bei der CAO/ARO/AIO-94<br />
Rektumkarzinomstudie im Stadium II/III<br />
gezeigt werden, dass das Ansprechen auf die<br />
neoadjuvante Radio-/Chemotherapie einen<br />
prognostischen Faktor für das<br />
krankheitsfreie Überleben darstellt (Rödel C.<br />
et al. J Clin Oncol 2005; 23:8688). Das<br />
krankheitsfreie Überleben nach 5 Jahren<br />
nach kombinierter Radio-/Chemotherapie<br />
<strong>und</strong> kurativer Resektion betrug 86% für den<br />
Tumorregressionsgrad (TRG) 4, 75% für<br />
TRG 2 + 3, <strong>und</strong> 63% für TRG 0+1.<br />
262
Rektumkarzinom<br />
Neoadjuvante Therapie, Therapiestudien<br />
Präoperative Radiotherapie vs. kombinierte Radio-/Chemotherapie,<br />
EORTC 22921<br />
Bis vor kurzem galt die alleinige Strahlentherapie mit 45-55 Gy in vielen europäischen Ländern als<br />
Standardtherapie.<br />
Die EORTC 22921-Studie (Studiendesign<br />
links) (Bosset JF et al.,NEJM 2006;355:1114)<br />
<strong>und</strong> die FFCD 9203-Studie (Gerard J et al.,<br />
ASCO 2005, Abstr. 3504) untersuchten beide<br />
die alleinige präoperative konventionell<br />
fraktionierte Strahlentherapie versus eine<br />
kombinierte Radio-/Chemotherapie mit 5-<br />
FU/Folinsäure, wobei die EORTC-Studie<br />
noch in 2 zusätzlichen Armen eine<br />
adjuvante Chemotherapie mit 5-<br />
CTX:5-FU 350, Folinsäure 20<br />
mg/m 2 /d d1-5<br />
in der 1. u. 5. Woche RTX<br />
FU/Folinsäure testete. Nicht nur die Rate an<br />
Komplettremissionen war höher, auch die<br />
Lokalrezidivrate war signifikant geringer,<br />
wenn 5-FU als systemische Therapie zur<br />
präoperativen Strahlentherapie hinzugegeben wird. Sogar die Patienten, die die Chemotherapie nur postoperativ<br />
erhielten, hatten ein vermindertes Lokalrezidivrisiko.<br />
FFCD 9203 EORTC 22921<br />
RTX CTX-RTX RTX CTX-RTX<br />
RTX + CTX-RTX+<br />
adjuv. Chemoth. adjuv. Chemoth.<br />
Patienten 363 370 252 253 253 253<br />
pCR 3% 10% 5% 14%<br />
Lokalrezidiv 16,5% 8% 17,1% 8,7% 9,6% 7,6%<br />
p-Wert < 0,05 0,0016<br />
Einfluss auf Überleben Nein 5-J-OS 63,2% 5-J-OS 67,2% (kein sign. Unterschied)<br />
Ein signifikanter Überlebensvorteil ergab sich<br />
nicht (67,2 vs. 63,2%). Allerdings erhielten<br />
weniger als 50% der Patienten eine postoperative<br />
Chemotherapie nach Protokoll. Die DFS- <strong>und</strong><br />
Überlebens-Kurven der Patienten, die eine<br />
adjuvante Chemotherapie erhielten, <strong>und</strong> derer, die<br />
keine erhielten, gehen allerdings nach 2 (DFS)<br />
<strong>und</strong> 4 (OS)Jahren auseinander. Ein längeres<br />
Follow-up bleibt abzuwarten.<br />
Eine Subgruppenanalyse dieser Studie zeigte, dass<br />
Patienten, die ein T-Downsizing zeigten, von der<br />
Fortsetzung der 5-FU-Therapie profitierten,<br />
während Patienten mit ypT3 oder ypT4, von der<br />
Fortsetzung der Chemotherapie keinen Benefit<br />
hatten (Colette et al., J Clin Oncol 2007;25:4379-<br />
4386). Eine weitere Analyse der Daten zeigte<br />
aber, dass sich der Benefit auf Patienten bezog,<br />
die neoadjuvant nicht chemotherapiert worden<br />
waren, <strong>und</strong> dass Patienten nach neoadjuvanter<br />
Radio-/Chemotherapie bei Vorliegen eines pN0-<br />
Status von der Fortsetzung der Chemotherapie<br />
nicht profitierten (Colette et al. J Clin Oncol<br />
2008;26:508).<br />
263
Rektumkarzinom<br />
Neoadjuvante Therapie – Kurzzeitbestrahlung, Therapiestudien<br />
Die Effektivität der präoperativen Kurzzeit-Bestrahlung hinsichtlich der Verhinderung von Lokalrezidiven ist in<br />
mehreren Studien belegt. Eine große schwedische Studie konnte sogar einen signifikanten Überlebensgewinn<br />
nachweisen. Auch unter Anwendung der TME konnte durch eine präoperative Kurzzeitstrahlentherapie das<br />
lokoregionäre Rezidivrisiko signifikant gesenkt werden. Vorteile der Kurzzeitbestrahlung sind die rasche<br />
Durchführung der Behandlung von Montag bis Freitag, gefolgt von der Resektion eine Woche später. Der kurze<br />
Abstand zwischen Operation <strong>und</strong> Bestrahlung führt jedoch zu keiner signifikanten Tumorverkleinerung in<br />
fortgeschrittenen Stadien, sodass eine Erhöhung der R0-Resektionsrate oder eine kontinenzerhaltende Chirurgie<br />
für diese Subgruppe von Patienten nicht möglich ist.<br />
Swedish Rectal Cancer Trial<br />
(N Engl J Med 1997; 336:980-7).<br />
In dieser Studie wurden 1168 Patienten entweder präoperativ mit 25 Gy in 5 Fraktionen bestrahlt oder<br />
ausschließlich einem operativen Eingriff unterzogen. Nach 75 Monaten betrug die Lokalrezidivrate 12 versus<br />
27%. Die 5-Jahres-Überlebensrate war mit präoperativer Strahlentherapie signifikant besser (58% versus 48%).<br />
Das Intervall zwischen Operation <strong>und</strong> Bestrahlungsende betrug eine Woche. Somit konnte für die neoadjuvante<br />
Bestrahlung erstmals nicht nur eine Reduktion der Lokalrezidive, sondern auch ein signifikanter<br />
Überlebensgewinn nachgewiesen werden.<br />
Ein Update der Studie ergab nach einem medianen Follow-up von 13 Jahren ein Overall Survival in der<br />
bestrahlten Gruppe von 38% versus 30% in der nicht bestrahlten Gruppe. Das tumorspezifische Überleben in<br />
der bestrahlten Gruppe war 72% versus 62% in der nicht bestrahlten, die Lokalrezidivrate betrug 9% versus<br />
26% (Folkesson J et al., J Clin Oncol 2005; 23:5644-50).<br />
Holländische Multicenter-Studie<br />
(Peters et al. Ann Surg 2007; 246:693-700)<br />
1861 Patienten mit resektablem Rektumkarzinom erhielten entweder eine präoperative Bestrahlung (RT) mit 5 x<br />
5 Gy oder eine ausschließliche Operation. In beiden Therapiearmen war eine TME obligat. Nach einem<br />
medianen Follow-up von 6,1 Jahren lag die Lokalrezidivrate im 5x5 Gy Arm bei 5,6% versus 10,9% im Arm<br />
mit alleiniger Chirurgie. Der Unterschied war signifikant. Das 5-Jahre-Überleben war jedoch mit 63 <strong>und</strong> 64%<br />
in beiden Armen gleich. (siehe auch vorherige Seiten)<br />
Polnische Studie – Neoadjuvante Radio-/Chemotherapie versus Kurzzeit-Radiatio<br />
(Bujko K. et al. Radiother Oncol 2004;72:15-24 <strong>und</strong> Br J Surg 2006;93:1215-23)<br />
Insgesamt 312 Patienten mit T3/T4-Tumoren (tastbare Tumore im unteren Rektumdrittel) erhielten entweder<br />
präoperativ eine Kurzzeit-Radiatio mit 5x5 Gy <strong>und</strong> anschließend eine TME innerhalb von 7 Tagen oder eine<br />
kombinierte Radio-/Chemotherapie (50,4 Gy <strong>und</strong> Bolus 5-FU/Folinsäure), gefolgt von einer TME nach 4-6<br />
Wochen. Die primäre Frage war, ob durch die kombinierte, konventionelle Radio-/Chemotherapie eine erhöhte<br />
Sphinktererhaltungsrate im Vergleich zur Kurzzeitradiatio möglich ist.<br />
Unter der Radio-/Chemotherapie kam es zu einem höheren Downsizing <strong>und</strong> Downstaging sowie zu einer<br />
niedrigeren R1-Resektionsrate. Die Rate an Sphinktererhalt war jedoch in beiden Armen gleich <strong>und</strong> die<br />
Überlebensraten waren identisch.<br />
Diese Studie ist die einzige publizierte Studie zu dieser Fragestellung. Sie bezieht sich nur auf Tumoren im<br />
unteren Rektumdrittel <strong>und</strong> weist etliche Schwächen in Bezug auf das Staging <strong>und</strong> die Applikation der<br />
Chemotherapie auf.<br />
Die Frage neoadjuvante Radio-/Chemotherapie versus 5 x 5 Gy Kurzzeitbestrahlung soll in der sogenannten<br />
Berliner Studie beantwortet werden (siehe hinten „Berliner Studie“).<br />
S3-Leitlinie 2008: In Situationen, in denen ein Downsizing angestrebt wird (T4-Tumore, nicht<br />
ausreichender Sicherheitsabstand im Dünnschicht-MRT zur mesorektalen Faszie – Abstand 1mm oder<br />
weniger – oder erwünschter Sphinktererhalt bei Tumoren im unteren Drittel), soll der präoperativen<br />
Radio-/Chemotherapie der Vorzug vor einer Kurzzeit-Radiotherapie gegeben werden.<br />
Somit stellt die konventionell fraktionierte präoperative Strahlen-/Chemotherapie für lokal<br />
fortgeschrittene Tumoren die Standardtherapie dar.<br />
264
Rektumkarzinom<br />
Neoadjuvante Therapie – Chemotherapie, Therapiestudien<br />
Chemotherapie im Rahmen der (neo)adjuvanten Radio-/Chemotherapie<br />
Aufgr<strong>und</strong> der EORTC-Studie 22921 <strong>und</strong> der FFCD 9203-Studie ist die Kombination einer präoperativen<br />
Chemotherapie mit 5-FU mit der Bestrahlung als Standard etabliert, da sie übereinstimmend zu einer Reduktion der<br />
Lokalrezidivrate führte. In Phase-II-Studien ist eine Intensivierung der Chemotherapie im Rahmen der neoadjuvanten<br />
Radio-/Chemotherapie untersucht worden.<br />
Durch die Intensivierung kann die Wirkung der Strahlentherapie weiter erhöht <strong>und</strong> dadurch auch die Rate an<br />
pathohistologischen Remissionen gesteigert werden. Patienten mit guter pathohistologischer Remission haben nicht<br />
nur geringere Lokalrezidivraten, sondern wahrscheinlich auch ein längeres Langzeitüberleben, sodass man sich von<br />
einer Chemotherapieintensivierung eine Prognoseverbesserung erhofft. Dies ist derzeit Gegenstand von Phase-III-<br />
Studien (PETACC-6 <strong>und</strong> CAO/AIO/ARO-05).<br />
Kontinuierliche 5-FU-Gabe vs. Bolus 5-FU<br />
Die kontinuierliche 5-FU-Gabe während der allerdings postoperativen Strahlentherapie war einer 5-FU-Bolusgabe<br />
überlegen im Hinblick auf krankheitsfreies <strong>und</strong> Gesamtüberleben in der adjuvanten Situation (O´Connell MJ et al. N<br />
Engl J Med 1994; 331:502-71). Diese Daten wurden in der INT-0144, in der 5-FU mit Folinsäure/Levamisol<br />
kombiniert wurde, nicht bestätigt. Die 5-FU-Bolus-Applikation war der 5-FU-Dauerinfusion nicht unterlegen<br />
(Smalley et al. J Clin Oncol 2006;24:3542-47).<br />
Capecitabin vs. Bolus 5-FU<br />
Capecitabin ahmt die Pharmakokinetik von kontinuierlichem 5-FU nach, ohne die Nachteile eines zentralvenösen<br />
Zugangs <strong>und</strong> der erschwerten Applikation. In mehreren Phase-II-Studien wurde Capecitabin in der präoperativen<br />
Radio-/Chemotherapie evaluiert. Die Toxizität bestand vorwiegend in Diarrhoe <strong>und</strong> Hand-Fuß-Syndrom. Die<br />
pathologisch kompletten Remissionen betrugen 4-25%.<br />
Eine retrospektive Analyse, die in der neoadjuvanten Situation eine kontinuierliche 5-FU-Gabe mit einer oralen<br />
Capecitabin-Therapie verglich, wurde kürzlich veröffentlicht (Saif M.W. et al Int J Colo Dis 2008;23:139-145). Bei<br />
insgesamt 345 Patienten im Capecitabin-Arm versus 197 Patienten im 5-FU-Arm war die komplette Remissionsrate<br />
für Capecitabin mit 25 versus 13% signifikant höher bei vertretbarer Toxizität. Die Autoren schlussfolgern, dass eine<br />
Kombination von Capecitabin mit der Radiatio berechtigt ist.<br />
Prognostischer Wert einer pCR nach RCT (Capirci C et al. Int J Radiot Oncol Biol Phys 2008;72:99-107)<br />
Aktuell wurden Langzeitergebnisse von 566 Patienten publiziert, die bei lokal fortgeschrittenem<br />
Rektumkarzinom nach Radio-/Chemotherapie (RCT) eine pathologisch komplette Remission erreicht hatten.<br />
Bei einem medianen Follow-up von 47 Monaten zeigten diese Patienten ein 5-Jahres-DFS von 85% <strong>und</strong> ein<br />
5-Jahres Gesamtüberleben von 90%. Lokalrezidive wurden nur bei 1,6%, Metastasen nur bei 8,9%<br />
nachgewiesen.<br />
Neoadjuvante Radio-/Chemotherapie mit 2er Chemotherapie-Kombinationen<br />
Eine große Zahl von Phase-II-Studien mit Capecitabin + Oxaliplatin oder Capecitabin + Irinotecan zeigte<br />
pathologische Komplettremissionen in einer Größenordnung von 20%, aber auch eine erhöhte Akuttoxizität.<br />
Phase-II-Studie der AIO/CAO/ARO-04 (Rödel C. et al., J Clin Oncol 2007; 25:110-117)<br />
Multizentrische Studie für fortgeschrittene Rektumkarzinome (T3/T4 oder N+), die eine präoperative Radio-<br />
/Chemotherapie mit Capecitabine <strong>und</strong> Oxaliplatin (Capecitabin 1650 mg/m2 d1-14 <strong>und</strong> d22-35, Oxaliplatin 50<br />
mg/m2 d1,8,22 <strong>und</strong> 29) plus 4 adjuvante Chemotherapiezyklen mit XELOX (Capecitabin 1000 mg/m2, 2x tgl. d1-14,<br />
Oxaliplatin 130 mg/m2 d1, WH d 22) evaluierte. Nach XELOX-RT wurden 103 von 104 Patienten operiert. Eine<br />
komplette pathologische Remission (pCR) erreichten 17 Patienten (16%), ein Patient zeigte eine ypT0N1-Remission,<br />
53 Patienten zeigten eine mehr als 50%ige Tumorregression. Bei 95% konnte eine R0-Resektion <strong>und</strong> bei 77% ein<br />
Sphinktererhalt erreicht werden. Die präoperative Therapie konnte bei 96% der Patienten ohne Dosisreduktion<br />
appliziert werden. Die Grad-3/4-Diarrhoe betrug 12% präoperativ. 60% der Patienten erhielten alle 4 XELOX-<br />
Zyklen. Haupt-Toxizitäten bestanden in einer Grad-3/4-Neuropathie mit 18% <strong>und</strong> Grad-3/4-Durchfall mit 12%.<br />
Aufgr<strong>und</strong> dieser Daten wurde die neue Phase-III-Studie AIO/CAO/ARO-04 initiiert.<br />
EXPERT-Studie (Chau I et al., J Clin Oncol 2006; 24: 668-74)<br />
XELOX → RT/Xeloda Nach CT (n = 68) Nach RCT(n = 70)<br />
Komplette Remission 3 (4%) 14 (20%)<br />
Partielle Remission 57(84% 54 (77%)<br />
No Change 8(12%) 2(3%)<br />
Progression - -<br />
In dieser Phase-II-Studie wurde eine<br />
neoadjuvante Chemotherapie (CT) mit 4<br />
Zyklen XELOX noch vor der präoperativen<br />
Radio-/Chemotherapie (RCT) mit Xeloda<br />
platziert. Dieses Vorgehen wurde mit einer<br />
mangelhaften Chemotherapie Compliance im<br />
postoperativen Ansatz begründet.<br />
265
Rektumkarzinom<br />
Neoadjuvante Therapie – Adjuvante Chemotherapie<br />
Neoadjuvante Radio-/Chemotherapie mit 3er Chemotherapie-Kombination<br />
Die Lyon R-02-01-Studie zu einer 3er Chemotherapie-Kombination, nämlich CAPIRINOX (Capecitabin, Oxaliplatin,<br />
Irinotecan) zur Bestrahlung hinzu musste wegen erhöhter Toxizität abgebrochen werden. Die Kombination von<br />
Capecitabin <strong>und</strong> Irinotecan war mit einer tolerablen Toxizität durchführbar. Die Hinzunahme von Oxaliplatin erhöhte<br />
die Grad-3/4-Toxizität auf zwei Drittel (Heudel et al. Clin Coll Radiol 2008).<br />
Neoadjuvante Radio-/Chemotherapie mit Biologicals <strong>und</strong> Chemotherapie<br />
Die meisten Daten zur Kombination von Biologicals mit einer Chemotherapie liegen für Cetuximab-Kombinationen<br />
vor. Die bisher publizierten Komplettremissionsraten lagen nur in einer Größenordnung von 10% <strong>und</strong> damit eher<br />
niedriger als bei dem identischen Regime ohne Cetuximab. Dies wirft viele Fragen auf, die in weiteren Studien<br />
geklärt werden müssen.<br />
In der Studie von Willet (ASCO 2007, Abstr. 4041) mit Bevacizumab <strong>und</strong> 5-FU kam es zu einer Reduktion der<br />
Tumorgröße präop. von 4,7 cm auf 2,4 cm postoperativ. Die 22 Patienten wurden mit MRT gestaget. Die Operation<br />
wurde 7-9 Wochen nach RCT durchgeführt. Bei 6 Patienten kam es postoperativ zu adverse events mit<br />
Lungenembolie, Blutung <strong>und</strong> Perforation. Die pCR-Rate lag bei 20%. Auch hier sind weitere Studien erforderlich.<br />
Autor n Antikörper Chemoth. RT (Gy) Diarrhoe (Grd. 3) pCR (n)<br />
Machiels 2006 20 Cetuximab Capecitabin 45 15% 2/19<br />
Chung 2006 20 Cetuximab 5-FU 50,4 10% 2/17<br />
Rödel 2007 58 Cetuximab CapOx 50,4 19% 4/45<br />
Czito 2006 13 Bevacizumab CapOx 50,4 27% 2/11<br />
Willet 2007 22 Bevacizumab 5-FU 50,4 ca. 20% 5/22<br />
Hong 2007 40 Cetuximab Capiri 50,4 5% 9/39<br />
Hofheinz 2008 63 Cetuximab Capiri 50,4 30% 7/63<br />
Adjuvante Chemotherapie nach neoadjuvanter Therapie<br />
Als Folge der verbesserten Chirurgie <strong>und</strong> Bestrahlung betragen die Lokalrezidivraten nicht mehr als 6-12%. Die<br />
Verbesserung der lokalen Kontrolle hat bisher jedoch nicht zu einer Verbesserung des Gesamtüberlebens geführt. Es<br />
liegt nach 5 Jahren nach wie vor bei nur 65-67%. Diese Ergebnisse sind unbefriedigend. Trotzdem ist der Wert der<br />
adjuvanten Chemotherapie beim Rektumkarzinom noch nicht eindeutig belegt. Das Bolus-5-FU-Schema in der<br />
AIO/CAO/ARO-94-Studie stammt aus der Ära der postoperativen Strahlentherapie <strong>und</strong> ist somit nicht evidenzbasiert.<br />
Die EORTC-Studie 22921 (siehe vorhergehende Seiten) hat als einzige Studie den Einfluss einer adjuvanten 5-<br />
FU/Folinsäure Therapie auf das Überleben untersucht. Es fand sich<br />
kein signifikanter Vorteil hinsichtlich des 5-Jahres-Überlebens (67,2<br />
vs. 63,2%), wobei sich die Kaplan-Meier-Kurven nach diesem<br />
Zeitintervall trennen <strong>und</strong> der Benefit immerhin 4% beträgt.<br />
Eine Subgruppenanalyse dieser Studie zeigte, dass Patienten, die ein<br />
T-Downsizing zeigten, von der Fortsetzung der 5-FU-Therapie<br />
profitierten, während Patienten mit ypT3 oder ypT4, von der<br />
Fortsetzung der Chemotherapie keinen Benefit hatten (Colette et al., J<br />
Clin Oncol 2007;25:4379-4386). Eine weitere Analyse der Daten<br />
zeigte aber, dass sich der Benefit auf Patienten bezog, die neoadjuvant nicht chemotherapiert worden waren, <strong>und</strong><br />
dass Patienten nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie bei Vorliegen eines pN0-Status von der Fortsetzung<br />
der Chemotherapie nicht profitierten (Colette et al. J Clin Oncol 2008;26:508).<br />
Nach Kurzzeit-Radiatio mit 5x5 Gy existieren keine Daten über den Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der unbefriedigenden Überlebensdaten wird man auf eine adjuvante Chemotherapie auf 5-FU-Basis<br />
schwerlich verzichten, auch wenn die Evidenz sehr dürftig ist. Es ist nach wie vor jedoch unklar, welche Patienten<br />
von dieser Therapie profitieren. Die derzeit laufenden Phase-III-Studien prüfen den Einsatz von Oxaliplatin in<br />
Kombination mit dem oralen Fluoropyrimidin Capecitabin, mit den Substanzen also, die sich beim Kolonkarzinom<br />
bereits als adjuvante Chemotherapie etabliert haben.<br />
Die neoadjuvante Radio-/Chemotherapie sollte im Regelfall mit (oralem) 5-FU durchgeführt werden. Zum Einsatz<br />
von 2er-Kombinationen fehlen randomisierte Daten. Biologicals sollten außerhalb von Studien nicht eingesetzt<br />
werden. Nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie sollte laut S3-Leitlinie eine adjuvante Chemotherapie mit 5-<br />
FU unabhängig vom postoperativen Tumorstadium erfolgen. Nach 5-FU-Kurzzeit-Bestrahlung gibt die S3-Leitlinie<br />
keine Empfehlung. Analogschlüsse <strong>und</strong> Expertenmeinung legen eine adjuvante Chemotherapie analog dem<br />
Kolonkarzinom nahe.<br />
266
Rektumkarzinom<br />
Adjuvante Therapie, S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Adjuvante Therapie bei primärer Operation (ohne neoadjuvante Therapie)<br />
Stadium I<br />
Im Stadium I ist nach R0-Resektion eine adjuvante Therapie nicht indiziert.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
In allen randomisierten Studien zur adjuvanten Therapie waren Patienten mit Stadium UICC I wegen insgesamt<br />
niedriger Lokalrezidiv- <strong>und</strong> Fernmetastasierungsraten ausgeschlossen worden.<br />
Stadium II<br />
Bei Patienten im UICC-Stadium II <strong>und</strong> III, die keine neoadjuvante Radio-/Chemotherapie oder Kurzzeit-<br />
Radiotherapie erhalten haben, soll eine adjuvante Radio-/Chemotherapie erfolgen.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Durch Hinzunahme der Chemotherapie zu einer postoperativen Bestrahlung konnten sowohl die Lokalrezidivrate<br />
gesenkt als auch das Gesamtüberleben im Vergleich zur alleinigen (konventionellen) Operation verbessert<br />
werden. Daten zum Nutzen einer adjuvanten Radio-/Chemotherapie nach pathologisch bestätigter adäquater<br />
Mesorektumexzision <strong>und</strong> einem Abstand des Tumors zum circumferentiellen Resektionsrand von mehr als 1 mm<br />
liegen bislang nicht vor. Die Lokalrezidivraten werden hier auch ohne zusätzliche adjuvante Therapie mit global<br />
unter 10% angegeben, können aber für Subgruppen, z.B. im unteren Rektumdrittel, auch höher liegen. Patienten<br />
mit Tumoren im UICC-Stadium II <strong>und</strong> III sollten in randomisierte Studien eingebracht werden. Dabei wäre zu<br />
klären, ob es nach qualitätsgesicherter Chirurgie Subgruppen von Patienten gibt (z.B. pT3N0-Tumoren mit<br />
geringer Infiltration ins perirektale Fettgewebe oder pT1/2-N+-Tumoren), die ein dem UICC-Stadium I<br />
vergleichbares Rezidivrisiko haben <strong>und</strong> daher von einer adjuvanten Radio- <strong>und</strong> Chemotherapie nicht profitieren.<br />
In der bislang nur als Abstract publizierten britischen MRC-CR07-Studie hat sich gezeigt, dass ein<br />
risikoadaptiertes Vorgehen (postoperative Radio-/Chemotherapie nur bei Patienten mit positivem<br />
circumferentiellen Resektionsrand nach TME) im Vergleich zu einer generellen präoperativen Radiotherapie mit<br />
5x5 Gy für alle Rektumkarzinome hisichtlich der lokalen Kontrolle <strong>und</strong> dem krankheitsfreien Überleben<br />
signifikant unterlegen ist.<br />
Additive Therapie nach R1-Resektion<br />
Nach R1-Resektion oder intraoperativem Tumoreinriss sollte postoperativ Radio-/Chemotherapiert werden,<br />
falls keine neoadjuvante Radio(chemo)therapie vorangegangen ist.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 4, starker Konsens<br />
Ablauf der adjuvanten Therapie<br />
Die adjuvante Therapie sollte 4-6 Wochen nach Operation beginnen.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3a, starker Konsens<br />
Die Strahlentherapie kann zeitgleich zum 1. <strong>und</strong> 2. Chemotherapiezyklus oder zum 3. <strong>und</strong> 4. Zyklus erfolgen.<br />
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens<br />
Die Strahlentherapie soll mit einer 5-FU-Monochemotherapie kombiniert werden.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.<br />
Standard für die adjuvante Therapie des Rektumkarzinoms ist die kombinierte Radio-/Chemotherapie. Eine<br />
Indikation für eine alleinige (adjuvante) Chemo- oder Radiotherapie beim Rektumkarzinom besteht nicht.<br />
Eine Ausnahme stellt nur die Kontraindikation gegen eine der beiden Therapieformen dar.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.<br />
267
Rektumkarzinom<br />
Adjuvante Th. nach neoadjuvanter Th., S3-Leitlinie 2004/08<br />
Adjuvante Therapie nach neoadjuvanter Radiotherapie oder Radio-<br />
/Chemotherapie<br />
Nach neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie ist eine adjuvante Chemotherapie unabhängig vom<br />
postoperativen Tumorstadium (also auch bei kompletter Remission oder UICC-Stadium I <strong>und</strong> II)<br />
indiziert.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>lage dieser Empfehlung ist, dass die adjuvante Chemotherapie obligater Bestandteil der<br />
CAO/ARO/AIO-94-Studie sowie der FFCD-9203-Studie nach erfolgter präoperativer Radio-<br />
/Chemotherapie war. Die EORTC (22921) randomisierte in einer vierarmigen Studie <strong>und</strong> einem<br />
„two-by-two factorial design“ zwischen einer postoperativen Chemotherapie <strong>und</strong> keiner<br />
postoperativen Chemotherapie nach präoperativer Radiotherapie oder Radio-/Chemotherapie. Die<br />
postoperative Chemotherapie führte zwar nicht zu einer statistisch signifikanten<br />
Überlebensverbesserung. Der Überlebensbenefit betrug jedoch 6% absolut für das progressionsfreie<br />
<strong>und</strong> 4% für das Gesamtüberleben <strong>und</strong> wurde mit einer vergleichsweise wenig toxischen Therapie<br />
erzielt. Subgruppenanalysen zeigen, dass die adjuvante Chemotherapie insbesondere für diejenige<br />
Patientengruppe einen signifikanten Überlebensvorteil ergab, die nach präoperativer Therapie eine<br />
histopathologische ypT0/1/2-Kategorie aufwiesen. In den Studien zur präoperativen Kurzzeit-<br />
Radiotherapie mit 5x5 Gy wurde generell keine adjuvante Chemotherapie appliziert. Eine aktuelle<br />
holländische Phase-III-Studie randomisiert derzeit nach 5 x 5 Gy <strong>und</strong> Operation zwischen einer<br />
adjuvanten Chemotherapie mit Capecitabin <strong>und</strong> Beobachtung.<br />
Die adjuvante Chemotherapie sollte entweder als 5-FU-Monotherapie oder als Kombination aus 5-<br />
FU/Folinsäure durchgeführt werden.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
In der CAO/ARO/AIO-94-Studie wurden 4 Zyklen adjuvanter Chemotherapie mit 5-FU in einer<br />
Dosierung von 500 mg/m2 als i.v. Bolus über 5 Tage alle 4 Wochen verabreicht. In der EORTC-<br />
22921- <strong>und</strong> FFCD-9203-Studie erhielten die Patienten 4 Zyklen einer adjuvanten Chemotherapie mit<br />
5-FU in einer Dosierung von 350 mg/m2/Tag <strong>und</strong> Folinsäure in einer Dosierung von 20 mg/m2/Tag<br />
über jeweils 5 Tage alle 4 Wochen.<br />
Anmerkung<br />
Die Leitlinie gibt keinerlei Empfehlung für eine adjuvante Therapie nach Kurzzeit-Radiatio.<br />
Siehe auch Therapiealgorithmus Rektumkarzinom.<br />
Empfehlung Stadium IV S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Beim synchron metastasierten Rektumkarzinom gibt es keine Standardempfehlung zum<br />
therapeutischen Vorgehen. Die Prognose der Erkrankung wird im Regelfall durch die systemische<br />
Metastasierung bestimmt. Daher sollte bei irresektablen Fernmetastasen primär eine systemische<br />
Kombinationstherapie eingesetzt werden, sofern nicht Symptome durch den Primärtumor zu einem<br />
anderen Vorgehen zwingen. Falls eine primäre Radio-/Chemotherapie durchgeführt wird, sollte vor<br />
dem Hintergr<strong>und</strong> der systemischen Metastasierung eine intensivierte Kombinationstherapie<br />
eingesetzt werden.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 5, starker Konsens<br />
268
Rektumkarzinom<br />
Postoperative Radio-/Chemotherapie, Studienergebnisse<br />
Die in den 80er Jahren verfügbaren Daten zeigten bei Rektumkarzinomen mit Ausbreitung über die Darmwand<br />
hinaus oder mit Lymphknotenmetastasierung (T3-T4/N+) hohe Tumorrezidivraten mit ungünstigen<br />
Überlebensraten nach alleiniger Operation. Nachdem in amerikanischen Studien in den 80er Jahren zunächst<br />
eine effektive Reduktion der Rate an pelvinen Tumorrezidiven durch eine postoperative Strahlentherapie <strong>und</strong><br />
später dann durch eine kombinierte Radio-/Chemotherapie eine Verbesserung des Gesamtüberlebens<br />
nachgewiesen werden konnte, war die postoperative adjuvante Radio-/Chemotherapie bis vor kurzem die<br />
Standardbehandlung nach der Tumorexstirpation bei lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom. Jetzt besteht die<br />
Standardbehandlung in einer präoperativen neoadjuvanten Radiotherapie bzw. Radio-/Chemotherapie (siehe<br />
vorangehende Seiten).<br />
Ziele der adjuvanten Therapie des Rektumkarzinoms<br />
1. die Senkung der lokoregionären Rezidivrate <strong>und</strong><br />
2. die Verhinderung einer Fernmetastasierung.<br />
In den Stadien UICC II <strong>und</strong> III liegt die Lokalrezidivrate zwischen 10-35%. Ein Lokalrezidiv geht mit einer<br />
erheblichen Morbidität <strong>und</strong> Letalität einher. Eine postoperative Bestrahlung senkt die Lokalrezidivrate. Die<br />
systemische Chemotherapie ist für die Reduktion der Metastasierung von wesentlicher Bedeutung.<br />
Studienergebnisse<br />
Die randomisierten Studien der GITSG (GITCG, N Engl J Med 1985;312:1465-72,) <strong>und</strong> der Mayo/NCCTG (Krook JE et<br />
al. N Engl J Med 1991;324:709-15) zeigten erstmals, dass eine Kombination von postoperativer Chemo- <strong>und</strong><br />
Strahlentherapie bei Patienten im UICC-Stadium II <strong>und</strong> III nicht nur die Lokalrezidivrate senkt, sondern auch<br />
Studie<br />
Lokalrezidivrate<br />
(%)<br />
5-Jahres-<br />
Überleben (%)<br />
GITSG 7175 (n=104)<br />
OP 24 44<br />
OP + RT 20 52<br />
OP + CHT 27 50<br />
OP + RT/CHT 11 59<br />
NCCTG 794751 (n=204)<br />
OP + RT 25 48<br />
OP + RT/CHT 13 57<br />
O´Connel et al. (n=606)<br />
OP + RT/CHT (5-FU kontin.) 8 70<br />
OP + RT/CHT (5-FU-Bolus) 12 60<br />
das Gesamtüberleben signifikant verbessert.<br />
In beiden Studien wurde postoperativ eine<br />
Chemotherapie mit 5-FU <strong>und</strong> Methyl-<br />
CCNU eingesetzt. Parallel zur<br />
Strahlentherapie erfolgte eine 5-FU-Bolus-<br />
Chemotherapie. Gegenüber der<br />
Kontrollgruppe konnten das relative Risiko<br />
für ein Lokalrezidiv halbiert <strong>und</strong> die<br />
Gesamtüberlebensrate um 10-15%<br />
gesteigert werden.<br />
Nachfolgestudien zeigten, dass Methyl-<br />
CCNU keine Verbesserung der Wirkung im<br />
Vergleich zu 5-FU alleine erbringt.<br />
Durch die Gabe von 5-FU als<br />
kontinuierliche Infusion während der<br />
postoperativen Strahlentherapie konnte im<br />
Vergleich mit der 5-FU-Bolusinjektion die<br />
4-Jahresüberlebensrate signifikant gesteigert werden (O´Connell MJ et al. N Engl J Med 1994; 331:502-71).<br />
Alleinige Chemotherapie versus kombinierte Radio-/Chemotherapie<br />
Die NSABP-R02-Studie verglich eine postoperative Radio-/Chemotherapie mit einer adjuvanten Chemotherapie<br />
ohne Bestrahlung bei Patienten im Stadium II <strong>und</strong> III. Die Radio-/Chemotherapie konnte gegenüber der<br />
alleinigen Chemotherapie die Lokalrezidivrate nach 5 Jahren zwar signifikant von 13 auf 8% senken, trotzdem<br />
reichte dieser Gewinn an lokaler Tumorkontrolle nicht aus, um einen Überlebensvorteil nachzuweisen (62%<br />
Gesamtüberleben in beiden Armen). Leukovorin in Kombination mit 5-FU <strong>und</strong> Bestrahlung erhöht die<br />
Toxizität, ohne nach den vorläufigen Daten die Wirksamkeit zu erhöhen.<br />
Koreanische Studie zum frühzeitigen Beginn der adjuvanten Radiotherapie<br />
(Lee J.H. et al., JCO 2002;20:1751-58).<br />
Diese Studie zeigte initial, dass bei ansonsten völlig identischer Behandlung allein durch den frühzeitigen<br />
Beginn der Radiotherapie zeitgleich mit den ersten beiden postoperativen Chemotherapiekursen ein signifikant<br />
verbessertes krankheitsfreies Überleben erreicht wird. Ein Update der Studie konnte diese Daten jedoch nicht<br />
bestätigen (Kim et al. ASCO 2007, Abstr. 4050).<br />
Tumor- <strong>und</strong> strahlenbiologische Gründe sprechen trotzdem für ein eher enges zeitliches Intervall zwischen<br />
Operation <strong>und</strong> adjuvanter Radiatio.<br />
269
Rektumkarzinom<br />
Adjuvante, postoperative Therapie, Durchführung<br />
Indikation<br />
UICC-Stadium II,III (T 3 , T 4 , N 1-3 , M o ) mit erhöhtem Lokalrezidivrisiko.<br />
Therapiebeginn innerhalb von 4-6 Wochen<br />
Voraussetzung<br />
R0-Resektion, guter Allgemeinzustand (WHO 0-1), Ausschluss von Metastasen (Rö-Thorax, abdominelle<br />
Sonographie). Adäquate Patientenaufklärung.<br />
Durchführung<br />
Nach den S3-Leitlinien stehen drei Therapieschemata alternativ zur Auswahl.<br />
1. O’Connell-Schema mit kontinuierlicher 5-FU-Infusion während der Strahlentherapie<br />
2. CAO/ARO/AIO-Studien-94-Protokoll (Sauer et al.)<br />
3. NCI-Protokoll mit 5-FU ausschließlich als Bolusinjektionen<br />
5-FU-kontinuierliche Infusion/Strahlentherapie (O’Connel et al. N Engl J Med 1994; 331:502–7)<br />
Woche 1 + 5 5-FU 500 mg/m²/d i.v. Bolus (< 5 min) d 1 – 5<br />
Woche 9-13<br />
Strahlentherapie<br />
Chemotherapie<br />
Parallel zur RT<br />
Woche 18 + 22<br />
(4 Wochen nach RT)<br />
5-FU<br />
45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett<br />
225 mg/m²/d<br />
Kontinuierliche Infusion während der<br />
Bestrahlung (an allen Tagen)<br />
5-FU 450 mg/m² i.v. Bolus d 1 – 5<br />
CAO/ARO/AIO-Studie-94<br />
Woche 1 - 6<br />
Strahlentherapie<br />
50,4 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett<br />
(Erlanger-Protokoll, R.Sauer et al.)<br />
Woche 1+ 5<br />
Chemotherapie<br />
Woche 10, 14, 18, 22<br />
(4 Wochen nach RT)<br />
5-FU<br />
1000 mg/m²/d<br />
Kontinuierliche Infusion über 120 Std.<br />
(Tag 1-5 <strong>und</strong> Tag 29-33 der Bestrahlung)<br />
5-FU 500 mg/m²/d i.v. Bolus d 1 – 5<br />
5-FU-Bolus/Strahlentherapie<br />
(NCI-Protokoll)<br />
Woche 1 + 5 5-FU 500 mg/m²/d i.v. Bolus d 1 – 5<br />
Woche 9- 13<br />
Strahlentherapie<br />
Woche 9 + 13<br />
(Woche 1 + 5 der RT)<br />
Woche 18 + 22<br />
(Woche 4 + 8 nach RT)<br />
45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett<br />
5-FU 500 mg/m²/d i.v. Bolus D 1 - 3<br />
5-FU 450 mg/m² i.v. Bolus d 1 – 5<br />
Für das CAO/ARO/AIO-Protokoll sprechen das zeitlich enge Intervall zwischen Operation <strong>und</strong><br />
Strahlentherapie, das tumor- <strong>und</strong> strahlenbiologisch sinnvoll ist, sowie die Praktikabilität der Durchführung.<br />
Beachte: Für die Dauerinfusion besteht die Notwendigkeit eines zentralvenösen Zugangs (meist Port) mit einem<br />
Pumpsystem. Hauptnebenwirkungen der Dauerinfusion sind Diarrhoen. Unter der Bolus-5-FU-Therapie treten<br />
häufiger Leukopenien <strong>und</strong> Stomatitis auf.<br />
270
Rektumkarzinom<br />
CAO/AIO/ARO-04, Gemeinschaftsstudie I<br />
Studientitel<br />
Präoperative Radio-/Chemotherapie <strong>und</strong> adjuvante Chemotherapie mit Capecitabin plus Oxaliplatin im Vergleich zu<br />
einer präoperativen Radio-/Chemotherapie <strong>und</strong> adjuvanten Chemotherapie mit 5-Fluorouracil beim lokal<br />
fortgeschrittenen Rektumkarzinom im UICC-Stadium II <strong>und</strong> III. Eine prospektiv randomisierte, multizentrische<br />
Phase-III-Studie der chirurgischen, internistischen <strong>und</strong> radiotherapeutischen Arbeitsgemeinschaften<br />
(CAO/AIO/ARO). Die CAO/ARO/AIO-Studiengruppe <strong>und</strong> die FOGT-Studiengruppe schließen sich zur German<br />
Rectal Cancer Study Group zusammen.<br />
Studienziele<br />
Primärer Endpunkt ist das Disease-free-Survival nach 3 Jahren. Sek<strong>und</strong>äre Ziele sind: R0-Resektionsrate, Rate an<br />
sphinktererhaltenden Operationen, Tumorregression nach neoadjuvanter Therapie, Inzidenz an Lokalrezidiven <strong>und</strong><br />
Fernmetastasen, Gesamtüberleben nach 5 J., Akut- <strong>und</strong> Spättoxizität der Radio- <strong>und</strong> Chemotherapie.<br />
Status der Studie: gestartet 19.07.2006<br />
Studienleitung <strong>und</strong> Studienzentrale<br />
Prof. Dr. R. Sauer<br />
Priv.-Doz. Dr. C. Rödel<br />
<strong>Klinik</strong> <strong>und</strong> Poliklinik für Strahlentherapie<br />
<strong>Klinik</strong> <strong>und</strong> Poliklinik für Strahlentherapie<br />
Friedrich-Alexander-Univeristät Erlangen-Nürnberg Univeristät Erlangen-Nürnberg<br />
Universitätsstr. 27 Universitätsstr. 27<br />
91054 Erlangen 91054 Erlangen<br />
Tel. 09131/8533405, Fax: 09131/8539335<br />
Telefon <strong>und</strong> Fax wie Studienleitung<br />
Email: sekretariat@strahlen.med.uni-erlangen.de<br />
claus.roedel@strahlen.med.uni-erlangen.de<br />
Einschlusskriterien<br />
Alter mindestens 18 Jahre, keine obere Altersgrenze<br />
Histologisch gesichertes, fortgeschrittenes primäres Rektumkarzinom bis 16 cm von der Anokutanlinie (gemessen<br />
mit einem starren Rektoskop), endosonographisch uT3-4 oder uN+, oder klinische Einteilung nach Mason III/IV<br />
ohne synchrone Fernmetastasen<br />
Keine Vorbehandlung außer primärer Anus praeter-Anlage (z.B. wegen drohendem Ileus)<br />
ECOG-Status ≤ 2<br />
Ausreichende Knochenmarkfunktion (Leuko > 3,5 G/l, Neutro > 1,5 G/l, Thrombo > 100 G/l, Hb > 10 g/dl)<br />
Ausreichende Leberfunktion: Bilirubin < 2,0 mg/dl; GOT, GPT, AP, GGT < 3 x oberer Normwert (ONW)<br />
Serumkreatinin < 1,5 mg/dl, Kreatinin-Clearance > 50 ml/min<br />
Patienten, die die Inhalte des Protokolls verstanden u. schriftlich ihr Teilnahmeeinverständnis erklärt haben<br />
Ausschlusskriterien<br />
Schwangere oder stillende Frauen sowie gebär- bzw. zeugungsfähige Menschen, die nicht zu konsequenten<br />
Verhütungsmaßnahmen während der Therapie willens oder in der Lage sind<br />
Zurückliegender oder andauernder Drogen-, Medikamenten- oder Alkoholmissbrauch<br />
Frühere Chemotherapie oder Radiotherapie des Beckens<br />
Gleichzeitige oder innerhalb von 4 Wochen liegende Teilnahme an einer anderen Studie mit einem oder mehreren in<br />
Erprobung befindlichen Medikamenten<br />
Gleichzeitige Therapie mit anderen Antitumormitteln<br />
Patienten, die nicht in der Lage sind, sich protokollgerecht behandeln sowie nachuntersuchen zu lassen<br />
Patienten mit unkontrollierten schwerwiegenden, körperlichen oder geistigen Erkrankungen, z.B.:<br />
Instabile kardiale Erkrankung trotz medikamentöser Behandlung, Myokardinfarkt innerhalb von 6 Monaten vor<br />
Studienbeginn<br />
Neurologische oder psychiatrische Störungen, incl. Demenz <strong>und</strong> Anfallsleiden, Polyneuropathie Grad ≥ 2<br />
Aktive, nicht-kontrollierbare Infektion oder Sepsis, aktive disseminierte intravasale Gerinnungsstörung<br />
Patienten mit Zweitmalignomen mit Ausnahme des Basalzellkarzinoms der Haut oder des Carcinoma in situ der<br />
Zervix, die erfolgreich behandelt wurden<br />
Der Einschluss von Patienten mit anderen Tumoren, die erfolgreich behandelt wurden <strong>und</strong> innerhalb der letzten<br />
5 Jahre nicht wieder aufgetreten sind, muss mit dem LKP diskutiert werden<br />
Chronische Diarrhoe (> NCI CTC-Grad 1)<br />
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder andere Störungen, die die Medikamentenresorption beeinträchtigen.<br />
Dazu zählen das Dumping-Syndrom, Hinweise auf beschleunigte Dünndarmpassage, Hinweise auf<br />
Resorptionsstörungen nach Magen- oder Darmoperationen<br />
Überempfindlichkeit gegenüber Oxaliplatin<br />
Gleichzeitige Behandlung mit Sorivudin <strong>und</strong> Analoga<br />
Bekannte Defizienz der Dehydropyrimidindehydrogenase (DPD)<br />
271
Rektumkarzinom<br />
CAO/AIO/ARO-04, Gemeinschaftsstudie II<br />
Studienschema<br />
Es sollen 600 Patienten je Arm eingeschlossen werden. Die Chemotherapie beginnt in beiden Armen am Tag 1<br />
der Radiatio <strong>und</strong> wird auf maximal 2 m 2 Körperoberfläche limitiert.<br />
Therapieplan<br />
d29-33<br />
Verlaufsuntersuchungen<br />
Untersuchung<br />
Einwilligung<br />
Anamnese incl.<br />
Medikation,<br />
Endosonographie<br />
Starre<br />
Rektoskopie mit<br />
Biopsie<br />
Koloskopie<br />
Rö-Thorax<br />
Sonographie<br />
Vor<br />
Therapie<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
X<br />
Während Radio-<br />
/Chemotherapie,<br />
wöchentlich<br />
Tag 1,<br />
29<br />
272<br />
Tag 2,<br />
22, Ende<br />
Radiatio<br />
(X)<br />
Während<br />
adjuvanter<br />
Therapie<br />
Präoperativ<br />
Abschlussuntersuchung<br />
CT-Becken X X<br />
Untersuchung<br />
incl ECOG<br />
X X X X X X<br />
Neurologie X X X X<br />
EKG X X<br />
Labor 1) X X X X X<br />
Toxizität X X X X<br />
1) Blutbild mit Diff-BB, Natrium, Kalium, Kalzium, Kreatinin, Harnstoff, Bilirubin, Gesamteiweiß, Albumin, GOT, GPT, LDH, AP,<br />
initial Schwangerschaftstest (Serum oder Urin) bei Frauen im gebärfähigen Alter.<br />
Die Nachsorge erfolgt entsprechend den Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft für kolorektale <strong>Karzinome</strong>.
Rektumkarzinom<br />
PETACC6-Studie<br />
Die PETACC 6-Studie ist eine internationale multizentrische randomisierte Phase-III-Studie im<br />
Rahmen der PETACC in Kooperation mit der EORTC. Die AIO ist die „Leading Group“ der Studie<br />
für Deutschland.<br />
Studientitel<br />
Präoperative Radio-/Chemotherapie <strong>und</strong> postoperative Chemotherapie mit Capecitabin <strong>und</strong> Oxaliplatin<br />
vs. Capecitabin beim lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom<br />
Studienziele<br />
Primärer Endpunkt: Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens durch die zusätzliche Gabe von<br />
Oxaliplatin prä- <strong>und</strong> postoperativ (um absolut 7% nach 3 Jahren)<br />
Sek<strong>und</strong>äre Endpunkte: Verbesserung der Lokalrezidivrate, des Gesamtüberlebens <strong>und</strong> der Rate der<br />
Sphinktererhaltung; R0-Resektionsrate, pathologische Remissionsrate (ypT0-T2N0), perioperative<br />
Komplikationsrate, Fernmetastasierungsrate, Toxizität <strong>und</strong> Lebensqualität.<br />
Therapieplan<br />
Capecitabin <strong>und</strong> Oxaliplatin werden als Studienware kostenfrei zur Verfügung gestellt<br />
Haupteinschlusskriterien<br />
• Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Rektum (Tumor ≤ 12 cm ab ano, d.h. unteres <strong>und</strong><br />
mittleres Drittel<br />
• T3/4 oder N+, keine Fernmetastasen, keine Zweitmalignome (außer Basaliom, Zervixkarzinom,<br />
Rezidivfreiheit > 5 Jahre)<br />
• Tumorstaging durch High-Resolution-MRT, falls nicht vorhanden: CT <strong>und</strong> Endosonographie<br />
• Keine vorherige Chemotherapie oder Bestrahlung des Rektumkarzinoms, keine vorherige<br />
Bestrahlung des Beckens<br />
• Alter ≥ 18 Jahre, ECOG PS ≤ 2<br />
Kontaktadresse<br />
AIO-Studienzentrale<br />
Leiter: Dr. Dirk Arnold<br />
Strasse des 17. Juni 106-108<br />
10623 Berlin<br />
Tel.: 030 / 3229329-33<br />
FAX: 030 / 3229329-43<br />
Email: studienzentrale@aio-portal.de<br />
273
Rektumkarzinom<br />
Mannheimer Studie, Ein-, Ausschlusskriterien<br />
Studientitel<br />
5-Fluorouracil versus Capecitabin in Kombination mit lokaler Strahlentherapie zur neoadjuvanten <strong>und</strong><br />
adjuvanten Therapie des Rektumkarzinoms im Stadium II <strong>und</strong> III. Amendment 1 vom 15.03.2005 mit<br />
Einführung eines neuen Stratums mit neoadjuvantem Vergleich von 5-FU <strong>und</strong> Capecitabin.<br />
Studienrationale <strong>und</strong> Studienziele<br />
Die 2002 begonnene Studie untersuchte initial eine adjuvante Radio-/Chemotherapie, wobei eine<br />
Bolus-5-FU-basierte Behandlung mit einer Capecitabin-haltigen Behandlung verglichen wurde.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der Ergebnisse der deutschen Rektumkarzinomstudie (CAO/ARO/AIO-94), die eine Reduktion der<br />
Lokalrezidivrate von 13 auf 6% bei besserer Verträglichkeit zeigte, entschied die Konsensuskonferenz der<br />
Deutschen Krebshilfe/Krebsgesellschaft trotz fehlenden Nachweises eines Überlebensvorteils für eine<br />
prinzipielle Empfehlung der neoadjuvanten Behandlung in den Stadien II <strong>und</strong> III.<br />
Deswegen wurde ein additiver Arm hinzugefügt, der einen neoadjuvanten Vergleich anbietet, gefolgt von einer<br />
postoperativen, adjuvanten Therapie. Der ursprüngliche Arm bleibt gleichwertig parallel bestehen, das jeweilige<br />
Behandlungszentrum kann sich patientenbezogen im Einzelfall entscheiden.<br />
Primäres Studienziel bleibt das Gesamtüberleben nach 3 bzw. 5 Jahren, sek<strong>und</strong>äre Studienziele sind Toxizität<br />
der oralen Therapie, Rezidivraten <strong>und</strong> krankheitsfreies Intervall nach 3 bzw.5 Jahren.<br />
Studienleitung <strong>und</strong> Randomisation<br />
Prof. Dr. A. Hochhaus, Dr. R. Hofheinz Tel: 0621-383 2855<br />
Onkologisches Zentrum Fax: 0621-383 3833<br />
III. Medizinische <strong>Klinik</strong><br />
Universitätsklinikum Mannheim<br />
Theodor-Kutzer-Ufer Tel.: 06221-42-2231 (A. Hellmann)<br />
68167 Mannheim Fax: 06221-42-2397<br />
Einschlusskriterien<br />
Randomisation: Biostatistik DKFZ Heidelberg<br />
• Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Rektums im Tumorstadium UICC II oder III, entsprechend einem TNM-<br />
Stadium T3-4 NO MO bzw. T1-4 N1-2 MO bzw. einem Stadium B 2-3 bzw. C nach der von Astler-Coller modifizierten<br />
Dukes-Klassifikation.<br />
• Als Rektumkarzinome werden alle Dickdarmkarzinome definiert, deren unterer Rand unterhalb der peritonealen<br />
Umschlagfalte bzw. max. 16 cm von der Linea dentata entfernt lokalisiert sind.<br />
• Komplette Tumorresektion (R0) gemäß den Kriterien der totalen mesorektalen Resektion (TME).<br />
• Kein Nachweis von Fernmetastasen, unabhängig davon, ob diese komplett reseziert wurden.<br />
• Intervall zwischen Operation <strong>und</strong> Therapiebeginn nicht größer als sechs Wochen.<br />
• Allgemeinzustand WHO 0-1.<br />
• Alter > 18 Jahre.<br />
• Ausreichende Knochenmarkreserve, definiert als: Leukozyten > 3.500/μl, Thrombozyten > 100.000/μl, Hämoglobin > 10<br />
g/dl.<br />
• Ausreichende Leber- <strong>und</strong> Nierenfunktion, definiert als: Gesamtbilirubin < 2 g/dl, Serumkreatinin < 2 mg/dl<br />
• Schriftliche Einverständniserklärung <strong>und</strong> Compliance des Patienten<br />
• Effektive Kontrazeption<br />
• Keine gleichzeitige Teilnahme an weiteren Studien.<br />
Ausschlusskriterien<br />
• Schwere psychiatrische oder internistische Begleiterkrankung, insbesondere klinisch relevante kardiale Vorschädigung.<br />
• Andere maligne Erkrankungen innerhalb der letzten fünf Jahre mit Ausnahme von Basaliomen <strong>und</strong> erfolgreich<br />
behandelten in-situ-<strong>Karzinome</strong>n der Cervix uteri.<br />
• Schwangerschaft oder Stillzeit, insuffiziente Kontrazeption.<br />
• Gesamtbilirubin > 2g/dl, Serumkreatinin > 2 mg/dl.<br />
• Mangelnde Kooperationsfähigkeit des Patienten.<br />
• Vorausgegangene Immun-, Chemotherapie oder Radiotherapie (des Beckens).<br />
274
Rektumkarzinom<br />
Mannheimer Studie, Ablaufpläne<br />
Behandlungsplan<br />
Die deutsche Krebsgesellschaft empfiehlt aufgr<strong>und</strong> der Ergebnisse der deutschen Rektumkarzinomstudie ein neoadjuvantes Konzept bei<br />
der Behandlung des lokal begrenzten Rektumkarzinoms mit einer postoperativen Therapiefortführung. Dieses Konzept ist jedoch nicht<br />
für jeden Fall anwendbar, da zum einen klinische Situationen eine primäre Operation erforderlich machen (drohender oder kompletter<br />
Ileus, nicht stillbare, relevante Blutungen), zum anderen Patienten erst postoperativ dem Onkologen vorgestellt werden. Capecitabin wird<br />
im Studienrahmen kostenfrei zur Verfügung gestellt.<br />
In der Mannheimer Studie gibt es aus diesem Gr<strong>und</strong> ein adaptiertes Vorgehen, je nach Situation kann das einzelne Zentrum über ein<br />
neoadjuvantes oder adjuvantes Vorgehen selbst entscheiden. Hierzu wird in der Studie stratifiziert:<br />
Stratum 1: Adjuvante Therapie<br />
Adjuvante Behandlung ab 4-8 Wochen postoperativ,<br />
randomisiert mit Bolus-5FU oder Capecitabin mit einer<br />
Arm A<br />
kombinierten Radio-/Chemotherapie nach 2 Zyklen (Infusional-<br />
5-FU oder Capecitabin über die gesamte Bestrahlungsdauer).<br />
Bei Bolus-5-FU folgen nach Radiatio noch zwei weitere Zyklen,<br />
im Capecitabin-Arm 3 weitere Zyklen, um eine vergleichbare<br />
Zeitdauer <strong>und</strong> Dosisintensität zu erreichen.<br />
Capecitabin (Studienware) wird auf die nächstniedrigere Dosis,<br />
Arm B<br />
die aus den Tabletten (150/500mg) kombinierbar ist,<br />
abger<strong>und</strong>et, die höhere Dosis sollte morgens genommen werden.<br />
AdjuvanteTherapie (Stratum 1) Arm A (O’Connel-Schema)<br />
Woche 1 + 5 5-FU 500 mg/m²/d i.v. Bolus (< 5 min) d 1 – 5<br />
Woche 9-13<br />
Strahlentherapie<br />
Chemotherapie<br />
Parallel zur RT<br />
Woche 18 + 22<br />
(4 Wochen nach RT)<br />
5-FU<br />
45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett<br />
225 mg/m²/d<br />
275<br />
Kontinuierliche Infusion während der Bestrahlung (an<br />
allen Tagen)<br />
5-FU 450 mg/m²/d i.v. Bolus d 1 – 5<br />
AdjuvanteTherapie (Stratum 1) Arm B (experimenteller Xeloda-Arm)<br />
Woche 1 + 4 Xeloda (150/500mg) 2 x 1250 mg/m²/d p.o. (morgens u. abends) d 1 – 14<br />
Woche 9-13<br />
Strahlentherapie<br />
Chemotherapie<br />
Parallel zur RT<br />
Woche 18 + 21 + 24<br />
(4 Wochen nach RT)<br />
Stratum 2: Neoadjuvante Therapie<br />
Arm B<br />
45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett<br />
Xeloda (150/500) 2 x 825 mg/m²/d während der Bestrahlung (an allen Tagen)<br />
Xeloda (150/500) 2 x 1250 mg/m²/d p.o. d 1 – 14<br />
W och en 1 5 9 13 17 21<br />
Arm A<br />
S2<br />
Radiotherapie 50,4<br />
5-FU (120 h )<br />
5000mg/m 2<br />
Radiotherapie 50,4 Gy<br />
Capecitabin 2500mg/m 2 /d (während Radiatio 1650mg/m 2 )<br />
OP<br />
Pause<br />
4-6<br />
Wochen<br />
OP<br />
Pause<br />
4-6<br />
Wochen<br />
Neoadjuvante Therapie mit einer kombinierten Radio-<br />
Chemotherapie, randomisiert mit Infusional-5-FU oder<br />
Capecitabin. Hierbei wird im Arm A Infusional-5-FU über<br />
jeweils 120h in den Wochen 1 <strong>und</strong> 5 der Radiatio gegeben<br />
(alternativ nach Rücksprache durchgehend 225 mg/m 2 /d),<br />
Capecitabin wird im experimentellen Arm B durchgehend in<br />
reduzierter Dosis verabreicht. 4-6 Wochen postoperativ folgt je<br />
nach Randomisationsarm eine Adjuvans-Behandlung aus 4<br />
vierwöchigen Zyklen Bolus-5-FU oder 5 dreiwöchigen Zyklen<br />
Capecitabin. Capecitabin wird dosiert, wie unter Stratum 1<br />
ausgeführt. (Dosis auf Tbl. 500/150mg abr<strong>und</strong>en).<br />
Neoadjuvante Therapie (Stratum 2) Arm A (Erlanger Protokoll)<br />
Woche 1 - 5<br />
45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett<br />
Strahlentherapie<br />
Woche 1+ 5<br />
Kontinuierliche Infusion über 120 Std. (Tag 1-5 <strong>und</strong><br />
5-FU<br />
1000 mg/m²/d<br />
Chemotherapie<br />
Tag 29-33 der Bestrahlung)<br />
Woche 10, 14, 18, 22<br />
5-FU 500 mg/m²/d i.v. Bolus d 1 – 5<br />
(4 –(6) Wochen nach OP)<br />
Neoadjuvante Therapie (Stratum 2) Arm B (experimenteller Xeloda-Arm)<br />
Woche 1 - 5<br />
45 Gy + 5,4 Gy Boost auf das Tumorbett<br />
Strahlentherapie<br />
Woche 1 - 5<br />
Xeloda (150/500) 2 x 825 mg/m²/d Täglich an 7 Tagen der Woche während Radiatio<br />
Chemotherapie<br />
Woche 10, 13, 16, 19, 22<br />
Xeloda (150/500) 2 x 1250 mg/m²/d p.o. d 1 – 14<br />
(4 -(6) Wochen nach OP)
Zeitpunkt 0<br />
Rektumkarzinom<br />
Mannheimer Studie, Verlaufsuntersuchungen<br />
Radiotherapie<br />
(jede W.)<br />
Zyklus<br />
1§<br />
Zyklus<br />
2§<br />
Zyklus<br />
3<br />
Zyklus<br />
4<br />
Zyklus<br />
5***<br />
Zyklus 6<br />
(gilt nur f.<br />
Arm B)<br />
Einwilligung<br />
Ein-/Ausschlusskriterien<br />
X<br />
Anamnese X X X X X X X X<br />
Allgemeinzustand (WHO) X X X X X X X X<br />
Körperliche Untersuchung X X X<br />
Rö-Thorax X X<br />
Oberbauch-Sonographie X X X<br />
Elektrokardiogramm X<br />
Differentialblutbild X<br />
Blutbild X X X X X X X X X<br />
BKS<br />
X<br />
Klinische Chemie I* X X X<br />
Klinische Chemie II** X X X X X X<br />
Tumormarker<br />
(CEA/CA19-9)<br />
X X X<br />
Chemotherapie X X X X X X<br />
Safety X X X X X X X<br />
Rektoskopie <strong>und</strong> Rektum-<br />
Endosonographie****<br />
X<br />
Koloskopie ‡‡<br />
X<br />
CT des Beckens ‡‡‡ X X<br />
* Kalium, Natrium, Kreatinin, Bilirubin, ALAT, ASAT, AP, GGT, LDH, Gesamteiweiß,<br />
Albumin, Quick, PTT, INR<br />
** Natrium, Kalium, Kreatinin, AP, GGT, LDH, ALAT, ASAT, Bilirubin<br />
*** Zyklus 5 wird gleichzeitig als 3-Monats-Nachsorge verstanden<br />
**** Rektoskopie bei Rektumresektion mit Endosonographie, im 1. <strong>und</strong> 2. Jahr im 6-Monatstakt, danach 1mal pro Jahr.<br />
‡‡<br />
Im ersten Jahr postoperativ, danach im Ermessen des Arztes.<br />
‡‡‡<br />
Im 3., 12. <strong>und</strong> 24. postoperativen Monat.<br />
§ Zyklus 1 <strong>und</strong> 2 werden im Arm A während der Radiotherapie verabreicht. Im Arm B entfällt die Handlungsanweisung<br />
für Zyklus 2, da durchgehend mit Capecitabin behandelt wird. Der erste Zyklus nach Abschluss der Radio-/Chemotherapie<br />
in Arm B wird somit als Zyklus 2 verstanden<br />
Dosismodifikation<br />
Übersicht über Dosisreduktion <strong>und</strong> Therapieverzögerung für Capecitabin <strong>und</strong> 5-FU während der Zeit der alleinigen Chemotherapie<br />
Grad 2 Grad 3 Grad 4<br />
1. Auftreten<br />
2. Auftreten<br />
Unterbrechung bis Erreichen<br />
Grad-0-1-Toxizität, dann weiter<br />
mit 75%<br />
Unterbrechung bis Erreichen<br />
Grad-0-1-Toxizität, dann weiter<br />
mit 50%<br />
Unterbrechung bis Erreichen<br />
Grad-0-1-Toxizität, dann weiter<br />
mit 75%<br />
Unterbrechung bis Erreichen<br />
Grad-0-1-Toxizität, dann weiter<br />
mit 50%<br />
Follow<br />
-up<br />
Unterbrechung bis Erreichen<br />
Grad-0-1-Toxizität; dann weiter<br />
mit 50%<br />
Abbruch der Chemotherapie<br />
3. Auftreten Abbruch der Chemotherapie Abbruch der Chemotherapie Abbruch der Chemotherapie<br />
Übersicht über Dosisreduktion <strong>und</strong> Therapieverzögerung für Cape. <strong>und</strong> 5-FU während der komb. Radio-Chemotherapie<br />
1. Auftreten<br />
2. Auftreten<br />
3. Auftreten<br />
Grad 2 Grad 3 Grad 4<br />
Unterbrechung bis Erreichen<br />
Grad-0-Toxizität, dann weiter<br />
mit 75%<br />
Unterbrechung bis Erreichen<br />
Grad-0-1-Toxizität, dann weiter<br />
mit 50%<br />
Abbruch der Chemotherapie<br />
(während der Radiatio)<br />
Unterbrechung bis Erreichen<br />
Grad-0-Toxizität, dann weiter<br />
mit 50%<br />
Abbruch der Chemotherapie<br />
(während der Radiatio)<br />
Unterbrechung bis Erreichen<br />
Grad-0-Toxizität, dann weiter<br />
mit 50%<br />
Abbruch der Chemotherapie<br />
(während der Radiatio)<br />
- -<br />
276
Rektumkarzinom<br />
Neoadjuvante Therapie, Berliner Studie<br />
Prospektiv randomisierte Vergleichstudie zur präoperativen Kurzzeit-Radiotherapie versus Langzeit-Radio-<br />
/Chemotherapie beim uT2-3-Rektumkarzinom<br />
Studienleiter: Prof. Dr. P.M. Schlag <strong>und</strong> Prof. Dr. V. Budach, Charité Berlin<br />
Fragestellung<br />
Ziel der Studie ist es festzustellen, inwieweit sich die Ergebnisse nach Kurzzeit- bzw. Langzeitvorbestrahlung<br />
bei Patienten mit fortgeschrittenem, aber resektablem Rektumkarzinom im Hinblick auf die Lokalrezidivfrequenz,<br />
aber auch die Gesamtüberlebenszeit, die postoperative Morbidität <strong>und</strong> die Lebensqualität<br />
unterscheiden.<br />
Es soll eine Therapieoptimierungsprüfung durchgeführt werden, die multizentrisch, prospektiv randomisiert,<br />
offen im Paralleldesign geplant die Kurzzeitbestrahlung (Arm A) mit einer neoadjuvanten Radio-<br />
/Chemotherapie (Arm B) beim cT2 N+ M0 oder cT3 N0 M0-Rektumkarzinom vergleicht.<br />
Studiendesign<br />
Arm A<br />
Kurzzeit-<br />
Vorbestrahlung<br />
5x5 Gy<br />
OP<br />
R0-Resektion<br />
Adjuvante Chemotherapie<br />
5-FU (300 mg/m 2 /d) über<br />
12 Wochen<br />
uT2 N+<br />
uT3 N+<br />
uT3 N-<br />
R<br />
A<br />
N<br />
D<br />
O<br />
M<br />
Nachsorge<br />
(3, 6, 12, 18, 24, 36, 48, 60<br />
Monate nach OP)<br />
Arm B<br />
Neoadj. Radio-/Chemoth.<br />
ED 1,8 Gy, GD 50,4 Gy<br />
5FU-Dauerinf. (225mg/m 2 /d)<br />
OP<br />
R0-Resektion<br />
Adjuvante Chemotherapie<br />
5-FU (300 mg/m 2 /d) über<br />
12 Wochen<br />
Einschlusskriterien<br />
• Rektumkarzinom (oberer Tumorrand max. 12 cm von der Linea dentata, gemessen mit dem starren<br />
Rektoskop<br />
• Adenokarzinom oder muzinöses Adenokarzinom (nicht <strong>und</strong>ifferenziertes Karzinom, kloakogenes Karzinom)<br />
• Karzinom nicht auf dem Boden einer CED oder familiären Tumorerkrankung (FAP, HNPCC)<br />
• Endosonographisch oder durch CT/MRT diagnostizierbarer T2 N+ - oder T3 N0 bzw. T3 N+ Tumor (kein<br />
T1- oder T4-Tumor)<br />
• Chirurgische Therapie durch anteriore Resektion, intersphinktere rekto-anale Resektion oder<br />
Rektumexstirpation geplant <strong>und</strong> kurative Resektion (R0) wahrscheinlich (nicht Patienten mit geplanter<br />
lokaler chirurgischer Exzision oder endoskopischer totaler Polypektomie)<br />
• Ausschluss juxtaregionaler Lymphknotenmetastasen (z.B. Leiste, paracaval) sowie von Fernmetastasen<br />
Studienleiter<br />
Prof. Dr. Peter Schlag<br />
Charité Campus Berlin-Buch, Lindenberger Weg 80, 13125 Berlin<br />
Tel.: 030-94171400 od. 030-94171403 FAX 030-94171404<br />
Email: pmschlag@charité.de<br />
277
Rektumkarzinom<br />
Strahlentherapie adj./neoadjuvant, Therapieempfehlung<br />
Das Zielvolumen der Strahlentherapie erfasst die (ehemalige) Tumorregion <strong>und</strong> die pelvinen<br />
Lymphabflusswege, d.h. die dorsale Beckenhälfte, <strong>und</strong> reicht vom Beckeneingang bis zum Beckenboden, nach<br />
erfolgter abdomino-perinealer Amputation wird das Perineum miterfasst. Obligat sind maximale Bemühungen<br />
zur Reduktion des mitbestrahlten Dünndarm- <strong>und</strong> Harnblasenvolumens, d.h. Bestrahlung in Bauchlage auf<br />
einem sogenannten Lochbrett in einer computeroptimierten individuell kollimierten 3- oder 4-Feldertechnik.<br />
Alle Felder werden täglich bestrahlt.<br />
Konventionelle Therapie<br />
Je nach miterfasstem Dünndarmvolumen 45 bis 50,4 Gy auf das o.g. Zielvolumen, anschließend Boost auf die<br />
(ehemalige) Tumorregion bis zu einer Gesamtdosis von 50,4 Gy bei präoperativer Therapie bzw. postoperativ<br />
54-55,8 Gy .<br />
Kurzzeit-Vorbestrahlung<br />
Die Tagesdosis beträgt 5,0 Gy <strong>und</strong> die Gesamtdosis 25 Gy bei präoperativer Therapie. Die Kurzzeit-Bestrahlung<br />
muss innerhalb einer Woche abgeschlossen sein <strong>und</strong> sollte daher an einem Montag beginnen. Innerhalb von 3<br />
Tagen nach Ende der Therapie sollte die Operation erfolgen, da sonst die postoperative Komplikationsrate<br />
ansteigt.<br />
Voraussetzung für die postoperative Strahlentherapie<br />
R0-Resektion nach Möglichkeit mit einem Verschluss der Sakralhöhle mit einer Prävention für das Eindringen<br />
des Dünndarms in das kleine Becken. Damit kann die Gefahr einer Strahlenenteritis reduziert werden.<br />
Technik der postoperativen adjuvanten Strahlentherapie<br />
Bestrahlungsvolumen: Hintere Beckenhälfte von Deckplatte LWK 5 bis Beckenboden, 1 cm lateral<br />
der Linea terminalis. Nach Rektumexstirpation Einschluss des Perineums.<br />
Bestrahlungstechnik:<br />
Bestrahlungsdosis:<br />
4-Felder-Box, individuell kollimierte Felder. Bestrahlung aller Felder täglich.<br />
Einzeldosis 1,8 Gy/Referenzpunkt, 5 x wöchentlich bis 50 Gy/Referenzpunkt.<br />
(Dosismaximum < 55 Gy). Die 90%-Isodose umschließt das Zielvolumen.<br />
Kleinvolumige Aufsättigung (boost) im Gebiet des größten Rezidivrisikos bis 56<br />
Gy nach Resektion, evtl. bis 59,4 Gy nach Exstirpation. Dosismaximum < 65 Gy.<br />
Bestrahlungsfelder bei Rektumkarzinom<br />
ap/pa-Bestrahlungsfelder. Die gestrichelte Linie<br />
unten gilt für Patienten mit abdomino-perinealer<br />
Exstirpation (einschl. Perineum).<br />
Laterale Bestrahlunsfelder. Die untere gestrichelte<br />
Linie gilt bei Patienten mit abdominoperinealer<br />
Exstirpation (einschl. Perineum).<br />
278
Histologisches Regressionsgrading<br />
nach neoadjuvanter Therapie<br />
Die neoadjuvanten Therapieverfahren können zu unterschiedlich ausgeprägten regressiven Veränderungen eines<br />
Tumors führen. Beim Regressionsgrading wird nicht die Differenzierung des Tumors beurteilt, sondern die<br />
Auswirkung der Therapie auf das Tumorgewebe.<br />
In der 6. Auflage der TNM-Klassifikation 2002 wurde festgelegt, dass allein vitale Tumoranteile für das<br />
Regressionsgrading herangezogen werden, um eine bessere Reproduzierbarkeit zu erreichen. Entzündliche<br />
Veränderungen oder Schleimseen ohne vitale Zellen sollen nicht berücksichtigt werden.<br />
Die Bestimmung des vitalen Tumoranteils erfolgt in den allermeisten Fällen bereits am routinemässig angefärbten<br />
HE-Schnitt. Immunhistologische Zusatzuntersuchungen (z.B. Zytokeratine) oder Stufenschnitte sind nur in<br />
Ausnahmefällen erforderlich <strong>und</strong> werden dann eingesetzt, wenn es um die Frage geht, ob eine komplette<br />
Tumorregression vorliegt. Sie sollen einzelne Tumorzellen zeigen, die im HE-Schnitt nicht sicher zu erkennen sind.<br />
Am Resektat werden das gesamte Tumorbett histologisch untersucht <strong>und</strong> der Prozentsatz vitaler Tumorzellen am<br />
Gesamtvolumen bestimmt bzw. das Verhältnis vitaler Tumor zu Fibrose ermittelt. Für die sichere Bestimmung einer<br />
kompletten Tumorregression, d.h. keine vitalen Tumorzellen, ist eine vollständige histologische Untersuchung des<br />
Tumorgebietes erforderlich<br />
Es existieren mehrere Systeme zur Graduierung dieser Veränderungen im pathohistologisch untersuchten<br />
Tumorgewebe des Tumorresektates insbesondere für unterschiedliche Lokalisationen im Gastrointestinaltrakt <strong>und</strong><br />
unterschiedliche histologische Tumortypen. Bisher gibt es kein national oder international anerkanntes einheitliches<br />
Regressionsgradig. Von einigen Autoren wird vorgeschlagen, das Regressionsgrading der TU München nach Werner<br />
<strong>und</strong> Höfler (In: Roder et al. Therapie gastrointestinaler Tumoren. Springer 2000, S. 45-53) auf alle gastrointestinalen<br />
Tumore anzuwenden.<br />
Regressionsgrading nach Dvorak (Int J Colorectal Dis 1997;12:19-23)<br />
Grad 0<br />
Grad 1<br />
Grad 2<br />
Grad 3<br />
Grad 4<br />
Keine Regression<br />
Überwiegend Tumor mit deutlicher Fibrose <strong>und</strong> /oder Vaskulopathie<br />
Überwiegend Fibrose mit wenigen Tumorzellen (leicht histologisch zu erkennen)<br />
Sehr wenig (schwierig histol. nachzuweisende) Tumorzellen innerhalb Fibrose mit od. ohne Schleimseen.<br />
Keine vitalen Tumorzellen nachweisbar<br />
Regressionsgrading der TU München nach Werner u. Höfler 2000<br />
Grad Bedeutung Kriterien<br />
1a Komplette Response (CR) Keine Tumorzellen nachweisbar<br />
1b Subtotale Response (SR) 50% vitale Tumorzellen<br />
Keine histologischen Regressionszeichen<br />
Dieses System wurde ursprünglich für Adenokarzinome des Magens entwickelt, ist aber auch auf alle anderen Tumoren<br />
im Gastrointestinaltrakt anwendbar<br />
Response <strong>und</strong> Prognose<br />
Die Tumorregression nach neoadjuvanter Therapie ist ein unabhängiger Prognosefaktor. Dies betrifft jedoch nur<br />
Tumoren mit kompletter oder hochgradiger Regression (keine oder < 10% vitale Tumorzellen). Signifikante<br />
Unterschiede im Überleben konnten bei mehr als 10 % vitalem Tumoranteil nicht nachgewiesen werden (Wittekind C<br />
et al., Pathologe 2003;24:61-5).<br />
Tumorausbreitung <strong>und</strong> TNM-Klassifikation<br />
Findet man nach neoadjuvanter Therapie vitale Tumorzellen in der Kolonwand, aber Schleimseen ohne vitale<br />
Tumorzellen z.B. im perikolischen Fettgewebe, kann man von einer Karzinominfiltration des Fettgewebes vor der<br />
Therapie ausgehen. Die Vorbehandlung hätte dann zu einem „Downstaging“ (niedrigere T-Kategorie) geführt. Ein<br />
echtes Downstaging wird selten beobachtet. Ursache ist die gleichmässige Verteilung der regressiven Veränderungen<br />
im Tumor nach neoadjuvanter Therapie, da der vitale Tumoranteil nicht vom Rand zum Zentrum hin schrumpft.<br />
Selbst wenn eine hochgradige Regression mit vitalem Tumoranteil unter 10% vorliegt, aber noch einzelne vitale<br />
Tumorzellen in der gleichen T-Kategorie wie beim initialen Staging vorhanden sind, handelt es sich deshalb um kein<br />
Downstaging. Ein echtes Downstaging findet sich deshalb fast nur bei der kompletten Regression. Allerdings führt<br />
die neoadjuvante Therapie zur Verkleinerung <strong>und</strong> Fibrosierung des Tumors, also zu einem „Downsizing“ mit der<br />
Folge einer besseren Operabilität <strong>und</strong> häufigeren R0-Resektionen.
Nachsorgeempfehlungen<br />
S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Tumorstadium UICC I<br />
Eine regelmäßige Nachsorge bei Patienten mit kolorektalem Karzinom <strong>und</strong> frühem Tumorstadium (UICC I) ist nach<br />
R0-Resektion in Anbetracht der geringen Rezidivrate <strong>und</strong> der günstigen Prognose nicht zu empfehlen.<br />
Abweichend hiervon kann im Einzelfall bei Annahme eines hohen lokalen Rezidivrisikos aufgr<strong>und</strong> des<br />
endoskopischen <strong>und</strong> intraoperativen Bef<strong>und</strong>es, z. B. nach intraoperativer Tumoreröffnung, oder aufgr<strong>und</strong> eines<br />
histopathologischen Bef<strong>und</strong>es, z. B. G3/4-Tumore <strong>und</strong>/oder Venen- <strong>und</strong> Lymphgefäßinvasion, pT2-Tumoren, eine<br />
engmaschige Nachsorge angezeigt sein.<br />
Tumorstadium UICC II <strong>und</strong> III<br />
Nach Resektion von kolorektalen <strong>Karzinome</strong>n im UICC-Stadium II <strong>und</strong> III sind regelmäßige<br />
Nachsorgeuntersuchungen indiziert.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens<br />
Diese sollten jedoch nur durchgeführt werden, wenn bei einem Rezidiv therapeutische Konsequenzen zu erwarten<br />
sind. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 5, starker Konsens<br />
Nach palliativer Tumorresektion sollte die Nachbetreuung symptomorientiert erfolgen. Tumoren, die nicht eindeutig<br />
dem Rektum oder Sigma zuzuordnen sind, werden in der Nachsorge wie Rektumkarzinome behandelt.<br />
Wenn präoperativ eine Abklärung des gesamten Kolons nicht möglich war, sollte 3 Monate postoperativ eine<br />
Koloskopie erfolgen.<br />
Nachsorgeempfehlung beim <strong>Kolorektale</strong>n Karzinom UICC-Stadium II <strong>und</strong> III<br />
Untersuchung 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr 5. Jahr<br />
Monat 6 12 18 24 36 48 60<br />
Anamnese <strong>und</strong> körperliche<br />
Untersuchung, CEA<br />
X X X X X X X<br />
Hohe Koloskopie X 1 X 2<br />
Sonographie 3 X X X X X X X<br />
Sigmoidoskopie<br />
4 (Rektoskopie)<br />
X X X X<br />
Spiral-CT 5<br />
3 Monate nach Abschluss der tumorspezifischen Therapie als Ausgangsbef<strong>und</strong><br />
Rö.-Thorax (kein Konsens)<br />
1 wenn keine vollständige Koloskopie präoperativ erfolgt ist<br />
2 bei unauffälligem Bef<strong>und</strong> (kein Adenom, kein Karzinom) nächste Koloskopie nach 5 Jahren<br />
3 Eine Metaanalyse ergab einen Vorteil für die bildgebenden Verfahren zum Nachweis von<br />
Lebermetastasen in der Nachsorge. Aus diesem Gr<strong>und</strong> entschied sich die Expertenkomission, das einfachste <strong>und</strong><br />
kostengünstigste Verfahren anzuwenden.<br />
4 nur beim Rektumkarzinom ohne neoadjuvante oder adjuvante Radio-/Chemotherapie<br />
5 nur beim Rektumkarzinom<br />
CEA-Bestimmung<br />
Die Bestimmung des karzinoembryonalen Antigens (CEA) wird alle 6 Monate für mindestens 2 Jahre empfohlen. Ein<br />
erhöhter CEA-Wert erfordert eine weitere Diagnostik, berechtigt aber nicht zum Beginn einer systemischen<br />
Chemotherapie bei Verdacht auf ein metastasiertes Tumorstadium.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />
Anmerkungen:<br />
CEA erwies sich in der Nachsorge bei der frühzeitigen Entdeckung von Lebermetastasen besser als Koloskopie,<br />
Computertomographie <strong>und</strong> Sonographie. Eine Metaanalyse von 7 nicht randomisierten Studien zeigte einen<br />
Überlebensvorteil von 9% für Patienten, bei denen im Nachsorgeprogramm CEA enthalten war. Andere Studien<br />
führten zu keinem oder nur einem minimalen Nutzen. CEA wird in der Nachsorge in einer Literaturübersicht nicht<br />
empfohlen. Amerikanische (ASCO) <strong>und</strong> Europäische (EGTM, European Group on Tumour Markers) Leitlinien zur<br />
Nachsorge enthalten jedoch das CEA, wobei die Bestimmung alle 2-3 Monate in den ersten 2 Jahren empfohlen wird<br />
für Patienten, die willens <strong>und</strong> in der Lage sind, sich einer Leberresektion bei Auftreten von Metastasen zu<br />
unterziehen.<br />
Siehe dagegen die 2005 aktualisierten ASCO-Nachsorgeempfehlungen (folgende Seite)<br />
280
Nachsorgeempfehlungen<br />
ASCO Guidelines 2005<br />
Ziele der Nachsorge nach kurativer Resektion beim Kolonkarzinom sind:<br />
Entdeckung eines Lokalrezidivs. sowie von resektablen Metastasen mit kurativem Potential<br />
frühzeitige Erkennung von primär nicht resektablen Metastasen, die ein Downsizing durch eine Chemotherapie erfahren<br />
könnten <strong>und</strong> dann sek<strong>und</strong>är resektabel würden<br />
Erkennung von Toxizitäten der vorangegangenen Behandlung.<br />
Die medikamentöse <strong>und</strong> chirurgische Behandlung bei Tumorrezidiv bzw. Metastasierung hat sich kontinuierlich weiter<br />
entwickelt <strong>und</strong> das Langzeit-Überleben für Patienten mit Leber- <strong>und</strong> Lungenmetastasen verbessert sich weiter.<br />
Studien<br />
ASCO Panel 2005: „Die Qualität der Literatur zur Tumornachsorge ist dürftig“.<br />
2002 wurden die Ergebnisse von 5 randomisierten Studien in 2 unabhängig voneinander publizierte Metaanalysen<br />
zusammengefasst, die ähnliche Schlussfolgerungen zeigten: intensives Follow-up nach primärer Operation ist mit einer<br />
annähernd 20%igen Verbesserung der hazard ratio im Hinblick auf den Tod vergesellschaftet. In absoluten Zahlen bedeutet<br />
dies, dass die gepoolte 5-Jahres-Mortalität für intensiv nachgesorgte Patienten 30% betrug gegenüber 37% bei den nicht<br />
intensiv nachgesorgten Patienten (Renehan AG et al., BMJ 2002; 234:1-8 <strong>und</strong> Jeffrey GM et al., The Cochrane Library<br />
Issue 1, 2002, Oxford, CD002200). Dieser Benefit war klarer in den vier Studien, die CT <strong>und</strong>/oder häufige CEA-<br />
Messungen benutzten. Die Studie von Chau et al. (J Clin Oncol 2004;22:1420-1429) bekräftigt dies. Bei 530 Patienten im<br />
Stadium II <strong>und</strong> III wurden 45 Rezidive per CEA <strong>und</strong> 49 Rezidive per CT entdeckt. 14 Rezidive wurden durch beide<br />
Untersuchungen entdeckt. Verglichen mit den Patienten, deren Rezidiv aufgr<strong>und</strong> von Symptomen entdeckt wurde, hatte<br />
die CT-Gruppe ein signifikant besseres Gesamt-Überleben. Während die größte Zahl an Rezidiven per Abdomen-CT<br />
gef<strong>und</strong>en wurde, wurde die größte Anzahl von resektablen Rezidiven im Thorax-CT gef<strong>und</strong>en.<br />
ASCO Guidelines Colorectal Cancer Surveillance 2005<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> eines Überlebensbenefits bei intensiver Nachsorge hat die American Society of Clinical Oncology<br />
(ASCO) 2005 ihre Practice guidelines für die Kolonkarzinom-Nachsorge geändert.<br />
Anamnese <strong>und</strong> klinische Untersuchung<br />
- Häufigkeit, Dauer <strong>und</strong> Benefit wurden bisher niemals formal untersucht.<br />
- alle 3-6 Monate in den ersten 3 Jahren, danach halbjährlich für weitere 2 Jahre.<br />
CEA<br />
- alle 3 Monate bei Patienten im Stadium II oder III für mindestens 3 Jahre nach Diagnose,<br />
wenn der Patient ein Kandidat für eine Operation oder eine systemische Therapie ist.<br />
Bildgebende Verfahren<br />
- CT-Thorax <strong>und</strong> Abdomen jährlich für 3 Jahre<br />
- CT-Becken jährlich bei Rektumkarzinom,<br />
wenn der Patient ein hohes Rezidivrisiko hat <strong>und</strong> fähig zu einer kurativen Operation ist<br />
Endoskopische Untersuchungen<br />
- Koloskopie nach 3 Jahren <strong>und</strong> wenn unauffällig<br />
- 5 Jahre später<br />
- bei genetischen Syndromen gelten spezielle Empfehlungen<br />
- Sigmoidoskopie alle 6 Monate für 5 Jahre bei Patienten mit Rektumkarzinom ohne Radiatio.<br />
Das Panel betont, dass es im Gegensatz zum Leber-CT wenig Evidenz für das Thorax-CT gibt. Ein Gr<strong>und</strong> für die<br />
Empfehlung in der Nachsorge waren die Erkenntnisse von Chau (siehe oben), ein weiterer die Tatsache, dass pulmonale<br />
Rez. seltener CEA-Erhöhungen machen. Zum anderen waren die Lungenmetastasen bei Rektumkarzinompatienten genauso<br />
häufig wie Leberrezidive <strong>und</strong> repräsentierten den größten Anteil resezierter Metastasen in der Intergroup 0114-Studie.<br />
Eigene Empfehlung für Patienten, die Kandidaten für eine kurative Operation sind<br />
Untersuchung 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr 5. Jahr<br />
Monat 3 6 9 12 15 18 21 24 30 36 48 60<br />
Anamnese <strong>und</strong> körperliche<br />
Untersuchung, CEA<br />
X X X X X X X X X X X X<br />
Hohe Koloskopie X 1) X 2)<br />
Abdominelle Sonographie 3) X X X X X X X X X X X X<br />
Sigmoidoskopie<br />
(Rektoskopie) 4) X X X X X<br />
CT Abdomen (+ Becken 5) ) X X X X<br />
CT-Thorax 6) X X X<br />
1) wenn keine vollständige Koloskopie präoperativ erfolgt ist. 2) bei unauffälligem Bef<strong>und</strong> (kein Adenom, kein Karzinom) nächste Koloskopie<br />
nach 3 Jahren. 3) eine Metaanalyse ergab einen Vorteil für die bildgebenden Verfahren zum Nachweis von Lebermetastasen in der Nachsorge<br />
4) beim Rektumkarzinom 5) nur beim Rektumkarzinom. 6) besonders beim Rektumkarzinom.<br />
281
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong>, fortgeschrittene Stadien<br />
ESMO-Empfehlungen 2008, Diagnostik, Therapie<br />
Van Cutsem E.J.D. & Oliveira J. Ann Oncol 2008;19 Suppl 2:33-34<br />
Inzidenz<br />
2006 gab es 412 900 Neuerkrankungen an kolorektalem Karzinom in Europa. Dies sind 12,9% aller<br />
Krebserkrankungen. Das KRK ist im Jahre 2006 für 217 400 Todesfälle in Europa verantwortlich. Das entspricht<br />
12,2% aller Todesfälle an Krebs.<br />
Diagnose<br />
Der klinische Verdacht auf eine Metastasierung sollte immer durch entsprechende radiologische Bildgebung<br />
(normalerweise in Form eines CTs) <strong>und</strong>/oder eine szintigraphische Untersuchung bestätigt werden. Eine<br />
histopathologische oder zytologische Sicherung sollte immer dann angestrebt werden, wenn eine atypische oder sehr<br />
späte Manifestation nach der Primärtumorerkrankung vorliegt. Resektable Metastasen müssen nicht histologisch oder<br />
zytologisch vor einer Resektion gesichert werden. Die Evaluation der Gesamtsituation, Begleiterkrankungen <strong>und</strong> die<br />
Organfunktionen bestimmen die therapeutische Strategie.<br />
Staging<br />
In Hinblick auf die Identifizierung der Patienten mit potentiell kurativem chirurgischem Therapieansatz sollte das<br />
Staging die körperliche Untersuchung des Patienten, Blutbildwerte, Leber- <strong>und</strong> Nierenfunktionstests, CEA-<br />
Bestimmung, Röntgen- Thorax <strong>und</strong> eine CT des Abdomens beinhalten. Der Allgemeinzustand <strong>und</strong> der LDH-Spiegel<br />
sind die stärksten individuellen Prognosefaktoren.<br />
Ein CT der Thoraxorgane <strong>und</strong> weitere klinisch erforderliche Untersuchungen sind vor einem größeren abdominellen<br />
chirurgischen Eingriff mit kurativer Zielsetzung notwendig. Ein FDG-PET kann zusätzliche Informationen über<br />
weitere eindeutige Läsionen vor Resektion bei einer metastasierten Erkrankung vermitteln oder neue Läsionen im<br />
Falle einer geplanten Metastasenresektion identifizieren.<br />
Das Vorgehen sollte aus einer multidisziplinären Perspektive diskutiert werden.<br />
Behandlung<br />
Eine chirurgische Intervention sollte bei solitären oder begrenzten Leber- oder Lungenmetastasen in Erwägung<br />
gezogen werden. Langzeitüberleben kann in erfahrenen Händen erzielt werden.<br />
Bei Patienten mit resektablen Lebermetastasen verbessert eine perioperative Kombinationschemotherapie mit 5-<br />
FU/Leukovorin/Oxaliplatin das Ergebnis (verbessertes progressionsfreies Überleben). Initial nicht resektable<br />
Lebermetastasen können nach Downsizing durch Chemotherapie resektabel werden.<br />
Eine palliative First-line-Chemotherapie sollte frühzeitig in Erwägung gezogen werden <strong>und</strong><br />
5-Fluorouracil (i.v. 5-FU oder orale Fluoropyrimidine) in verschiedenen Kombinationen <strong>und</strong> Schedules beinhalten.<br />
Die Gabe als Infusion ist generell weniger toxisch als Bolus-Regime. Das orale Fluoropyrimidin Capecitabine <strong>und</strong><br />
UFT/LV sind Alternativen zu Bolus-5-FU/Folinsäure als Monotherapie<br />
Eine kombinierte Chemotherapie mit 5-FU/LV/Oxaliplatin (FOLFOX-Regime) oder 5-FU/LV/Irinotecan (FOLFIRI-<br />
Regime) zeigt bessere Überlebensraten als 5-FU/LV. FOLFOX <strong>und</strong> FOLFIRI haben eine ähnliche Aktivität, aber ein<br />
unterschiedliches Toxizitätsprofil. Die Kombination von Capecitabine/Irinotecan ist etwas toxischer als 5-<br />
FU/Folinsäure/Irinotecan.<br />
Die Dauer der Chemotherapie beim metastasierten KRK bleibt kontrovers. Behandlungsunterbrechungen der<br />
Kombinationschemotherapie können erwogen werden, insbesondere dann, wenn es zu einer kumulativen Toxizität<br />
kommt <strong>und</strong> wenn die Krankheitskontrolle erreicht ist.<br />
Eine Erhaltungstherapie mit Fluoropyrimidinen kann erwogen werden, wenn eine Unterbrechung der<br />
Kombinationschemotherapie geplant ist. Eine Reinduktion der Kombinationschemotherapie ist normalerweise im<br />
Falle der Progression indiziert.<br />
Eine Second-line-Chemotherapie sollte bei Patienten mit gutem Allgemeinzustand eingesetzt werden. Bei Patienten,<br />
die auf FOLFOX refraktär sind, kann ein Irinotecan-basiertes Regime in der second-line Behandlung zum Einsatz<br />
kommen. Patienten, die refraktär auf FOLFIRI sind, kann FOLFOX als second-lins-behandlung angeboten werden.<br />
Der Einsatz monoklonaler Antikörper gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) <strong>und</strong> den<br />
epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) in Kombination mit einer Chemotherapie sollte bei ausgewählten<br />
Patienten mit metastasiertem KRK erwogen werden.<br />
Bevacizumab erhöht das Gesamtüberleben <strong>und</strong> das progressionsfreie Überleben in der Erstlinien-Behandlung in<br />
Kombination mit einem Irinotecan-haltigen Regime <strong>und</strong> das progressionsfreie Überleben in der Kombination mit<br />
Fluoropyrimidin <strong>und</strong> Oxaliplatin. Cetuximab <strong>und</strong> Panitumumab sind als Monosubstanzen bei<br />
chemotherapierefraktärem KRK aktiv. Die Kombination von Cetuximab mit Irinotecan ist aktiver als eine<br />
Cetuximab-Monotherapie.<br />
Die Antikörper gegen VEGF <strong>und</strong> EGFR haben ein spezifisches Nebenwirkungsprofil.<br />
Evaluation des Ansprechens<br />
Anamnese, körperliche Untersuchung, CEA, wenn initial erhöht, <strong>und</strong> ein CT der betroffenen Region werden 2-3<br />
Monate nach Beginn der palliativen Chemotherapie empfohlen.<br />
282<br />
Stand 2/2008 ! Keine Berücksichtigung KRAS!
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Therapeutisches Vorgehen I, S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Definition von Subgruppen nach klinischen Situationen/Therapiezielen<br />
I. Patienten mit primär resektablen Leber- <strong>und</strong>/oder Lungenmetastasen<br />
II. Patienten mit einer Indikation für eine intensivierte systemische Therapie<br />
1. Patienten mit Leber- <strong>und</strong>/oder Lungenmetastasen, potenziell resektabel nach Ansprechen auf neoadjuvante<br />
Therapie <strong>und</strong> klinisch operable Patienten<br />
2. Patienten mit tumorbedingten Symptomen, Organkomplikationen oder rascher Progress<br />
III. Patienten mit der Möglichkeit für eine weniger intensive Therapie<br />
1. Patienten mit multiplen Metastasen ohne Option für Resektion nach Metastasenrückbildung, ohne<br />
tumorbezogene Symptome oder Organkomplikationen <strong>und</strong>/oder schwerer Komorbidität.<br />
Starker Konsens.<br />
Patienten mit primär resektablen Leber- <strong>und</strong>/oder Lungenmetastasen<br />
Primär resektable Lungenmetastasen<br />
Resektable Lungenmetastasen sollen reseziert werden.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, starker Konsens<br />
Primär resektable Lebermetastasen<br />
Definition: Resektable Lebermetastasen liegen vor, wenn<br />
• Eine nicht resektable extrahepatische Tumormanifestation ausgeschlossen ist,<br />
• Weniger als 70% des Parenchyms befallen sind,<br />
• Weniger als 3 Lebervenen <strong>und</strong> weniger als 7 Segmente betroffen sind<br />
• Keine Leberinsuffizienz oder Child-B- oder -C-Zirrhose vorhanden ist,<br />
• Keine schwerwiegenden Begleiterkrankungen vorliegen.<br />
Auf die Leber beschränkte R0-resektable Metastasen sollen reseziert werden.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.<br />
Die Resektabilität von Metastasen soll durch einen in der Metastasenchirurgie erfahrenen Chirurgen beurteilt werden.<br />
Starker Konsens.<br />
Präoperative Bildgebung<br />
Bei Patienten mit Lebermetastasen <strong>und</strong> einem Fong-Score >2 sollte präoperativ ein FDG-PET-CT durchgeführt<br />
werden, da dies in etwa 25% der Patienten, bedingt durch den Nachweis weiterer Metastasen, eine Änderung der<br />
therapeutischen Strategie zur Folge hat.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens.<br />
Perioperative Therapie primär resektabler Lebermetastasen<br />
Eine neoadjuvante systemische Therapie resektabler Lebermetastasen kann in begründeten Ausnahmefällen erwogen<br />
werden.<br />
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 3, starker Konsens.<br />
Adjuvante Therapie resektabler Lebermetastasen<br />
Nach R0-Resektion synchroner oder metachroner Lebermetastasen kann eine adjuvante Chemotherapie erwogen<br />
werden.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2, starker Konsens.<br />
Klinische Gruppen II <strong>und</strong> III<br />
Indikation für eine systemische Therapie – Allgemeine Empfehlungen<br />
Eine medikamentöse Tumortherapie ist gr<strong>und</strong>sätzlich indiziert, da ein Überlebensvorteil nachgewiesen ist.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.<br />
Besteht die Indikation zu einer medikamentösen Tumortherapie, so soll diese zum Zeitpunkt des Nachweises der<br />
Metastasen unabhängig von metastasenbezogenen Symptomen eingeleitet werden. Bei der Indikationsstellung sind<br />
mögliche Kontraindikationen zu berücksichtigen. Alter per se stellt keine Kontraindikation dar.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.<br />
Bei Indikation zur systemischen Therapie (z. B. inoperable Leber-/Lungenfiliae) kann der Primärtumor belassen<br />
werden. Ausnahmen können ein symptomatisch stenosierendes Tumorwachstum <strong>und</strong>/oder eine Hb-relevante Blutung<br />
sein.<br />
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich sollen die Patienten im Laufe ihrer Therapie Zugang zu allen verfügbaren Medikamenten haben.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 5.<br />
283
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Therapeutisches Vorgehen II, S3-Leitlinie 2004/2008<br />
Patienten mit einer Indikation für eine intensivierte systemische Therapie<br />
Vorgehen bei isolierten primär irresektablen Lungenmetastasen<br />
Bei primärer Irresektabilität soll eine systemische Chemotherapie erfolgen.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />
Vorgehen bei isolierten primär irresektablen Lebermetastasen<br />
Systemische neoadjuvante Therapie<br />
Bei primär irresektablen Lebermetastasen soll eine systemische Therapie begonnen werden. Wichtig ist die<br />
regelmässige Evaluation einer möglichen sek<strong>und</strong>ären Resektabilität nach Remissionsinduktion. Ist das Therapieziel<br />
die Remissionsinduktion mit sek<strong>und</strong>ärer Metastasenresektion, dann soll primär die effektivs.te jeweils verfügbare<br />
systemische Kombinationstherapie angewandt werden (intensivierte Therapie).<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />
Chemotherapiefolgen auf das ges<strong>und</strong>e Lebergewebe <strong>und</strong> Metastasenlokalisation<br />
Die Hepatotoxizität verschiedener Protokolle, z.B. „Blue liver“/Chemotherapie-assoziierte Steatohepatitis (CASH),<br />
sollte dabei in die differenzialtherapeutische Entscheidung <strong>und</strong> OP-Planung miteinbezogen werden.<br />
Empfehlungsgrad : B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens.<br />
Intraoperativ sollte eine Exploration der Leber anhand der Metastasenlokalisation in der Ausgangsbildgebung<br />
erfolgen. Es sollte eine chirurgische Therapie aller Ausgangsläsionen angestrebt werden.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.<br />
Lokoregionäre Therapieverfahren<br />
Der Nutzen einer lokalen Behandlung (z.B. Lasertherapie, Radiofrequenzablation <strong>und</strong> stereotaktische Radiotherapie)<br />
bezogen auf das Überleben ist nicht erwiesen.<br />
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 4, Konsens.<br />
Für den Einsatz von SIRT (selektive internal radiation therapy) <strong>und</strong> HAI (hepatic arterial infusion) besteht außerhalb<br />
von Studien keine Indikation.<br />
Konsens.<br />
Patienten mit einer Indikation für eine intensivierte palliative Therapie<br />
Patienten mit tumorbedingten Symptomen, Organkomplikationen oder raschem Progress sollten unter<br />
Berücksichtigung des Allgemeinzustands des Patienten eine möglichst effektive Kombinationstherapie erhalten<br />
(intensivierte Therapie).<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 5, starker Konsens.<br />
Patienten mit der Möglichkeit für eine weniger intensive Therapie<br />
Bei Patienten mit multiplen Metastasen ohne Option für Resektion nach Metastasenrückbildung ohne tumorbezogene<br />
Symptome oder Organkomplikationen <strong>und</strong>/oder schwerer Komorbidität kann eine Monotherapie als<br />
Erstlinientherapie eingesetzt werden.<br />
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 1, starker Konsens.<br />
Für den Fall, dass eine Fluoropyrmidin-Monotherapie gegeben wird, sollte eine orale der intravenösen 5-FU-Gabe<br />
vorgezogen werden.<br />
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3, starker Konsens.<br />
Chemotherapieprotokolle in der Zweit- <strong>und</strong> Drittlinientherapie<br />
Aufgr<strong>und</strong> unzureichender Evidenz soll mit Ausnahme der Fluoropyrimidine oder der Gabe von Irinotecan in<br />
Kombination mit Cetuximab nach Versagen einer irinotecanhaltigen Therapie keines der oben beschriebenen<br />
Therapeutika nach dokumentiertem Progress unter Therapie weiter appliziert werden. Dies gilt auch für Cetuximab<br />
<strong>und</strong> Bevacizumab.<br />
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2, starker Konsens.<br />
Nicht hepatische oder nicht pulmonale Fernmetastasen<br />
Peritonektomie <strong>und</strong> hypertherme abdominale Perfusion können bei nicht ausreichender Studienlage derzeit nicht<br />
empfohlen werden<br />
Empfehlungsgrad: 0, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.<br />
284
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Therapiestrategie, Chemotherapie<br />
Die zunehmende Zahl an neuen Substanzen in der Therapie des metastasierten <strong>Kolorektale</strong>n Karzinoms (KRK)<br />
erhöht die Möglichkeiten für Kombinations- <strong>und</strong> sequentielle Therapien. Durch die Integration von Oxaliplatin,<br />
Irinotecan <strong>und</strong> der oralen Fluoropyrimidine als konventionelle Chemotherapie sowie die Verfügbarkeit der neuen<br />
molekularen Substanzen Bevacizumab <strong>und</strong> Cetuximab hat sich die Prognose der Patienten bedeutend verbessert. In<br />
der metastasierten Situation beträgt die Ansprechrate auf eine Primärtherapie um 50%, die Zeit bis zur Progression 9<br />
Monate <strong>und</strong> mehr, <strong>und</strong> das Gesamtüberleben häufig mehr als 2 Jahre.<br />
Definition des Therapieziels<br />
Durch die Resektion von Lungen- <strong>und</strong>/oder Lebermetastasen ist bei ca. 30% der Operierten ein Langzeitüberleben<br />
möglich <strong>und</strong> zwar unabhängig davon, ob diese Resektion primär oder erst nach „Downsizing“ durch eine<br />
Chemotherapie erfolgt ist. Somit vollzieht sich ein Wandel der Behandlung von einer palliativen zu einer potentiell<br />
kurativen Therapie (siehe auch Therapiestrategie Lebermetastasen).<br />
Die Intensität der Primärtherapie hängt ab vom Therapieziel <strong>und</strong> individuellen Kriterien, insbesondere<br />
Komorbiditäten.<br />
Therapieziele können sein:<br />
• Kuration bei sek<strong>und</strong>ärer Metastasenresektion<br />
• Rasche maximale Remission bei tumorbedingten Symptomen <strong>und</strong> drohenden Organkomplikationen<br />
• gute Lebensqualität <strong>und</strong> möglichst lange Überlebenszeit.<br />
Therapiestrategie<br />
Metastasiertes KRK<br />
R0-resektabel,<br />
guter Prognosescore<br />
siehe auch Therapiestrategie<br />
Lebermetastasen<br />
Sek<strong>und</strong>äre Resektion möglich<br />
Klinische Operabilität<br />
Tumorbedingte Symptome<br />
Rascher Progress, hohe Tumorlast<br />
Drohende Organkomplikationen<br />
Multiple Metastasen<br />
Keine Resektion möglich<br />
Langsamer Tumorprogress<br />
Schwere Komorbidität<br />
Hohes biologisches Alter<br />
Primäre Resektion<br />
Intensive Primärtherapie<br />
Sek<strong>und</strong>äre Resektion wenn möglich<br />
Sequentielle eskalierende<br />
Therapie möglich<br />
Therapieziel: Maximale rasche Remission, sek<strong>und</strong>äre Metastasenresektion<br />
Bei Patienten mit potenziell kurativem Ansatz durch eine Metastasenresektion sollte auf jeden Fall eine maximal<br />
remissionsinduzierende, aktive Therapie gewählt werden (siehe auch Therapiestrategie Lebermetastasen). Mit einer<br />
intensiven Primärtherapie sollte auch bei Patienten mit tumorbedingten Symptomen, hoher Tumorlast, raschem<br />
Progress sowie drohenden Organkomplikationen begonnen werden.<br />
Hochaktive Therapieprotokolle sind derzeit:<br />
• FOLFOXIRI (FOLFIRI + Oxaliplatin, Falcone 2007)<br />
• FOLFOX/XELOX oder FOLFIRI/XELIRI (Dosisreduktion) + Bevacizumab<br />
• FOLFIRI oder FOLFOX + Cetuximab (nur bei KRAS-Wildtyp)<br />
Alle Kombinationen sind aktiv <strong>und</strong> mittlerweile für die First-line-Behandlung zugelassen, wobei Cetuximab nur<br />
Wirksamkeit <strong>und</strong> Zulassung beim KRAS-Wildtyp besitzt.<br />
Die Kombinationen unterscheiden sich bezüglich des Ansprechens, der Toxizität <strong>und</strong> der Kosten.<br />
• 3er-Chemotherapiekombination: Hohe Remissionsraten von 60%, hohe Rate an sek<strong>und</strong>ären Leberresektionen,<br />
erhöhte, aber tolerable Toxizität, kleine Datenbasis, eher kostengünstig.<br />
• Bevacizumab-Kombinationen: größte Datenbasis in Phase-III-Studien, konstantes progressionsfreies Überleben<br />
von 10 Monaten <strong>und</strong> mehr, Responseraten „nur“ bei 40-50% (Ausnahme Hurwitz-Studie bei KRAS-Wildtyp 60%),<br />
Wirksamkeit der Therapie unabhängig vom KRAS-Status, Abnahme von viablen Tumorzellen bei Resektion, keine<br />
symptomatische Toxizität.<br />
• Cetuximab-Kombinationen: Hohe Responseraten, bevorzugter Einsatz, wenn eine Tumorgrößenabnahme<br />
erforderlich ist (Metastasengrößenreduktion, symptomatischer Patient), Wirksamkeit nur bei KRAS-Wildtyp,<br />
symptomatische Toxizität (Hauttoxizität).<br />
285
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Palliative Chemotherapie, Therapiesequenz<br />
Intensive Primärtherapie<br />
Patienten, bei denen eine sek<strong>und</strong>äre Resektion möglich erscheint <strong>und</strong> die einen potentiell kurativen Ansatz haben,<br />
sollten die aktivs.te zur Verfügung stehende Therapie derzeit bestehend aus 3 aktiven Substanzen erhalten (siehe<br />
vorherige Seite <strong>und</strong> Therapiestrategie Lebermetastasen).<br />
Mit einer intensiven Primärtherapie sollte auch bei Patienten mit tumorbedingten Symptomen, hoher Tumorlast,<br />
raschem Progress sowie drohenden Organkomplikationen begonnen werden. Auch bei Patienten mit tumorbedingt<br />
schlechtem Allgemeinzustand sollte eine intensive Kombination verwendet werden, da gerade diese Patienten<br />
überproportional von einer aktiven Chemotherapie profitieren.<br />
Für die Wahl der Therapie <strong>und</strong> der möglichen Sequenzen ist die Kenntnis des KRAS-Status entscheidend, da die<br />
EGFR-Antikörper Cetuximab <strong>und</strong> Panitumumab bei einer KRAS-Mutation nicht wirksam sind <strong>und</strong> nicht zum Einsatz<br />
kommen dürfen.<br />
Capecitabine (Xeloda®) ist mit allen gängigen Chemotherapien <strong>und</strong> mit Bevacizumab in der Therapie des<br />
metastasierten KRK zugelassen <strong>und</strong> entspricht in der Wirksamkeit den 5-FU-Infusionsschemata. In Kombination mit<br />
Irinotecan muss wegen erhöhter Toxizität die Capecitabindosis um 20% reduziert werden. 5-FU-Bolusschemata sind<br />
wegen höherer Toxizität obsolet.<br />
Bevacizumab sollte derzeit aufgr<strong>und</strong> noch unzureichender Evidenz nicht über den Progress hinaus weitergeführt<br />
werden. Zur Klärung dieser wichtigen Frage können die Patienten in die AIO-Studie KRK 0504 eingebracht werden.<br />
Folgende mögliche Therapiesequenzen entsprechen dem Zulassungsstatus der einzelnen Substanzen.<br />
KRAS-Wildtyp - Intensive Therapie - Mögliche Therapiesequenz<br />
Erstlinientherapie<br />
FOLFIRI/XELIRI<br />
+ Bevacizumab<br />
FOLFOX/XELOX<br />
+ Bevacizumab<br />
FOLFIRI<br />
+ Cetuximab<br />
FOLFOX<br />
+ Cetuximab<br />
Zweitlinientherapie<br />
FOLFOX/<br />
XELOX<br />
oder Irinotecan<br />
+ Cetuximab<br />
FOLFIRI/<br />
XELIRI<br />
FOLFOX +<br />
Bevacizumab<br />
FOLFIRI +<br />
Bevacizumab<br />
Drittlinientherapie<br />
Cetux+Iri od.<br />
Panitumumab<br />
mono<br />
FOLFOX<br />
Cetux + Iri od.<br />
Panitumumab<br />
mono<br />
Viertlinientherapie<br />
Mitomycin ± 5-FU/Folinsäure<br />
Bei Patienten mit wenigen lokalisierten Metastasen immer Metastasenresektion oder ein ablatives Verfahren in<br />
Erwägung ziehen, da hierdurch Verlängerung des therapiefreien Intervalls möglich.<br />
KRAS-Mutation - Intensive Therapie - Mögliche Therapiesequenz<br />
Erstlinientherapie<br />
FOLFIRI/XELIRI<br />
+ Bevacizumab<br />
FOLFOX/XELOX<br />
+ Bevacizumab<br />
FOLFOXIRI*<br />
Zweitlinientherapie<br />
FOLFOX/<br />
XELOX<br />
FOLFIRI/<br />
XELIRI<br />
Capectabin/5-FU<br />
+ Bevacizumab<br />
Drittlinientherapie<br />
Mitomycin ± 5-FU/Folinsäure<br />
286<br />
*Einsatz vor potentieller Metastasenresektion<br />
Bei Patienten mit wenigen lokalisierten Metastasen immer Metastasenresektion oder ein ablatives Verfahren in<br />
Erwägung ziehen, da hierdurch Verlängerung des therapiefreien Intervalls möglich.
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Palliative Chemotherapie, Therapiesequenz<br />
Wenig intensive Primärtherapie, eskalierende Therapiesequenz<br />
Für Patienten, bei denen multiple Metastasen bestehen, die auch bei sehr guter Remission sicher nicht für eine<br />
sek<strong>und</strong>äre Resektion in Frage kommen, die nicht symptomatisch sind <strong>und</strong> keine hohe Tumorlast haben, schwere<br />
Komorbiditäten aufweisen oder ein hohes biologisches Alter haben, kann auch eine wenig intensive Primärtherapie<br />
gewählt werden.<br />
Mehrere Untersuchungen zeigen, dass auch der Beginn mit einer Monotherapie gefolgt von einem eskalierenden<br />
Vorgehen, eine Therapieoption darstellt. Für die Kombination von Bevacizumab mit 5-FU/Folinsäure bzw.<br />
Capecitabin ergeben sich zwar keine hohen Ansprechraten, jedoch ein progressionsfreies Intervall von immerhin 9<br />
Monaten bei symptomatisch sehr geringer Toxizität.<br />
Die Focus-Studie mit 2100 Patienten konnte zeigen, dass eine primär intensivere Therapie gegenüber einem<br />
sequentiellen Vorgehen keinen Vorteil im Hinblick auf das Gesamtüberleben bringt. Eine Meta-Analyse von<br />
verschiedenen Phase-3-Studien erbrachte, dass das mediane Überleben in klinischen Studien davon abhängt, welcher<br />
Anteil von Patienten im Verlaufe der Behandlung alle aktiven Chemotherapie-Medikamente erhalten hat (Grothey A. et<br />
al., J Clin Oncol 2004; 22:1209-1214). Eine Präferenz für ein bestimmtes Schema lässt sich nicht ableiten; wichtig ist nur,<br />
dass die Patienten irgendwann alle Medikamente erhalten.<br />
Wenig intensive Primärtherapie. Mögliche Therapiesequenz<br />
Erstlinientherapie<br />
Capecitabin od. 5FU-LV-inf.<br />
+ Bevacizumab<br />
Zweitlinientherapie<br />
FOLFIRI/<br />
XELIRI<br />
od.<br />
FOLFOX/<br />
XELOX<br />
Drittlinientherapie<br />
Cetuximab<br />
+ Irinotecan *<br />
od.<br />
FOLFOX/<br />
XELOX<br />
FOLFIRI/<br />
XELIRI<br />
Viertlinientherapie<br />
FOLFOX/<br />
XELOX<br />
Nur bei KRAS-Wildtyp:<br />
Cetuximab + Irinotecan oder Panitumumab mono<br />
Fünftlinientherapie<br />
Mitomycin C ± 5-FU/Folinsäure<br />
* nur bei KRAS-Wildtyp<br />
Bei Patienten mit wenigen lokalisierten Metastasen immer Metastasenresektion oder ein ablatives Verfahren<br />
in Erwägung ziehen, da hierdurch Verlängerung des therapiefreien Intervalls möglich.<br />
Intensive versus wenig intensive sequentielle Therapie<br />
Für eine primär intensive Kombinationstherapie mit den neuen molekularen Substanzen Bevacizumab <strong>und</strong><br />
Cetuximab sprechen trotz der Möglichkeit einer sequentiellen, eskalierenden Therapie mehrere Gründe:<br />
- Oft ist primär nicht zu entscheiden, ob eventuell doch eine sek<strong>und</strong>äre Resektion möglich ist.<br />
- In allen Studien zur Therapieintensivierung war das progressionsfreie Überleben signifikant länger <strong>und</strong> das<br />
Gesamtüberleben tendenziell besser.<br />
- Unter einer primär intensiven Therapie erhalten in der Regel mehr Patienten alle verfügbaren Substanzen <strong>und</strong><br />
haben deshalb eine bessere Prognose als unter einer sequentiellen Therapie.<br />
- Bei rascher Progression mit hoher 60 Tage-Mortalität ist eine Zweit- <strong>und</strong> Drittlinientherapie nicht mehr möglich.<br />
- Patienten mit tumorbedingt schlechtem Allgemeinzustand profitieren von einer intensiven<br />
Chemotherapiekombination überproportional.<br />
Unklar ist bisher, ob die Targeted Therapie auch über den Progress hinaus weitergeführt werden sollte. Die Frage<br />
„Treatment Beyond Progression“ wird derzeit von der AIO-Studie KRK 0504 untersucht. Außerhalb von Studien<br />
sollte keine Behandlung über den Progress hinaus erfolgen.<br />
287
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Palliative Chemotherapie, Therapiedauer, Therapiepause<br />
Bisher war es bei der Therapie des metastasierenden KRK üblich, eine Therapie bis zur Progression fortzuführen. Mit<br />
der Einführung insbesondere der molekularen Substanzen sind die Zeiten bis zur Progression häufig so lange, dass es<br />
vorher zu einer limitierenden Toxizität, z.B. Neuropathie unter Oxaliplatin, kommt. In allen Phase-III-Studien der<br />
letzten Jahre haben mehr als 50% aller Patienten die Therapie aus anderen Gründen als wegen Tumorprogression,<br />
nämlich wegen Toxizität oder geplanter Therapiedeeskalation, unterbrochen.<br />
Die Verlängerung des progressionsfreien Überlebens <strong>und</strong> damit verlängerte Therapiezeiten erfordern neue Strategien.<br />
Pause toxische Substanz<br />
Die OPTIMOX1-Studie konnte zeigen, dass es bei Oxaliplatin-haltigen Kombinationen möglich ist, die toxische<br />
Substanz, nämlich Oxaliplatin, geplant nach 3 Monaten abzusetzen <strong>und</strong> eine Erhaltungstherapie mit 5-FU/Folinsäure<br />
weiterzuführen. Bei Progression wurde Oxaliplatin reinduziert <strong>und</strong> führte bei der Mehrzahl der Patienten zu einem<br />
erneuten Ansprechen. Das progressionsfreie Gesamtüberleben war nicht signifikant unterschiedlich bei der „STOPand-GO“-Strategie<br />
gegenüber der konventionellen Strategie.<br />
Die CONcePT-Studie (Grothey ASCO 2008) ist bisher die einzige Studie, die eine Targeted Therapie, nämlich<br />
Bevacizumab, in eine Deeskalationsstrategie integrierte. Aufbauend auf den OPTIMOX-Studien konnte sie zeigen,<br />
dass Patienten, die eine Oxaliplatin/5-FU/Bevacizumab-Therapie erhalten, von der diskontinuierlichen Gabe von<br />
Oxaliplatin profitieren. Die Patienten, bei denen Oxaliplatin ausgesetzt <strong>und</strong> nur 5-FU/Bevacizumab als<br />
„Erhaltungstherapie“ weitergeführt wurde, hatten nicht nur weniger Polyneuropathie, sondern auch eine längere Zeit<br />
bis zum Therapieversagen bzw. ein längeres progressionsfreies Intervall.<br />
Komplette Therapiepause<br />
Die Frage nach einer kompletten Therapiepause für eine Oxaliplatin-haltige Chemotherapie wurde in der<br />
OPTIMOX2-Studie untersucht. Nachdem sich zunächst zeigte, dass die Dauer der Krankheitskontrolle (siehe Seite<br />
OPTIMOX1 <strong>und</strong> 2) nicht signifikant unterschiedlich war zwischen dem Arm mit der kompletten Pause (OPTIMOX2-<br />
Arm) <strong>und</strong> dem OPTIMOX1-Arm mit einer Pause nur für die toxische Substanz, erbrachten die auf dem ASCO 2007<br />
vorgestellten Überlebensdaten einen erheblichen Unterschied. Das mediane Überleben war im OPTIMOX1-Arm mit<br />
26 versus 19 Monaten um 7 Monate länger als im OPTIMOX2-Arm mit komplettem Chemotherapiestop. Auch wenn<br />
für die Patienten eine chemotherapiefreie Zeit von 4 Monaten resultierte, kann angesichts des erheblich schlechteren<br />
Gesamtüberlebens eine komplette Therapiepause für Oxaliplatin-haltige Protokolle nicht generell empfohlen werden.<br />
Eine aktuelle retrospektive Analyse aller Patienten in den beiden OPTIMOX-Studien (Perez-Staub ASCO 2008)<br />
zeigte jedoch, dass, wenn ein komplett chemotherapiefreies Intervall angestrebt wird, die optimale<br />
Chemotherapiedauer vor der Pause mindestens 6 Monate betragen sollte.<br />
Für Irinotecan-haltige Kombinationstherapien, die kein so großes Problem mit der kumulativen Toxizität wie<br />
Oxaliplatin besitzen, wurde die Frage nach einer geplanten Therapiepause von der italienischen GISCAD-<br />
Studiengruppe untersucht. Der Wechsel zwischen 2 Monaten FOLFIRI-Therapie, 2 Monaten Pause, 2 Monate<br />
FOLFIRI usw. führte zu einem nicht unterschiedlichen progressionsfreien sowie Gesamt-Überleben im Vergleich zu<br />
der kontinuierlichen Gabe. Der Vorteil dieses Vorgehens ist eine echte chemotherapiefreie Zeit für die Patienten.<br />
Geplante Studie zur Frage Erhaltungstherapie<br />
Die Frage der Wertigkeit einer deeskalierten Erhaltungstherapie soll in der geplanten AIO-Studie KRK 02/07 geklärt<br />
werden. Nach einer Induktionstherapie mit FOLFOX oder XELOX plus Bevacizumab über 24 Wochen, wobei bei<br />
Toxizität Oxaliplatin eventuell auch früher ausgesetzt werden muss, erfolgt eine Randomisierung zwischen einer<br />
kompletten Chemotherapiepause <strong>und</strong> der Fortführung einer deeskalierten Erhaltungstherapie mit 5-FU/Capecitabin<br />
plus Bevacizumab oder Bevacizumab alleine. Bei Progression ist die Reinduktion der kompletten Induktionstherapie<br />
wieder vorgesehen.<br />
Vorgehen außerhalb von Studien<br />
Letztendlich ist die Frage der optimalen Chemotherapiedauer <strong>und</strong> der Erhaltungstherapie bisher nicht geklärt.<br />
Außerhalb von Studien kann nach Induktion durch eine intensive Kombination <strong>und</strong> gutem Ansprechen insbesondere<br />
bei Toxizität nach ca. 3 Monaten eine Deeskalation mit Aussetzen der toxischen Substanz erfolgen. Es sollte dann<br />
aber eine „Erhaltungstherapie“ auf Fluoropyrimidinbasis mit oder ohne Bevacizumab fortgeführt werden. Erfolgt eine<br />
intensive Induktionstherapie über 6 Monate, so kann auf der Basis der OPTIMPOX-Daten auch eine komplette<br />
Therapiepause erfolgen.<br />
Bei Progression in der Therapiepause oder unter der Erhaltungstherapie ist eine Reinduktion d.h. die<br />
Wiederaufnahme der kompletten Chemotherapiekombination, die zuvor zur Remission geführt hat, sinnvoll.<br />
Bei Patienten mit wenigen lokalisierten Metastasen sollte immer erwogen werden, eine Metastasenresektion oder ein<br />
ablatives Verfahren einzusetzen, da hierdurch das therapiefreie Intervall verlängert werden kann.<br />
288
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Therapiestudien, AIO, Übersicht<br />
Die Chemotherapie kolorektaler Karzinom sollte vorzugsweise im Rahmen klinischer Studie erfolgen<br />
AIO-Studien Stand 9/2008 (AIO- KRK-Newsletter September 2008) (www.aio-portal.de)<br />
Metastasiertes kolorektales Karzinom, First line-Therapie<br />
AIO KRK 0204 (1st line): Phase I/II Studie: Capecitabin <strong>und</strong> Oxaliplatin (Xelox) in Kombination mit Cetuximab<br />
<strong>und</strong> Bevacizumab (Doppeltargeting) in der Erstlinientherapie von Patienten mit fortgeschrittenem, kolorektalem<br />
Karzinom Cetuximab ab 05.06.2006 ausgesetzt, Studie geschlossen ab 30.6.2008<br />
Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, studienzentrale@aio-portal.de<br />
AIO KRK 0105 Phase-II-Studie: Capecitabin + Bevacizumab als first-line-Therapie beim metastasierten<br />
kolorektalen Karzinom Rekrutierung abgeschlossen<br />
Ansprechpartner: Frau K. Hillgart / Frau S. Micheel HELIOS-<strong>Klinik</strong>um Berlin-Buch,<br />
Tel. 030 9417-1205 /1313, studienzentrale@aio-portal.de<br />
AIO KRK 0306 Phase-II-Studie: FOLFIRI/Cetuximab vs. FOLFIRI/Bevacizumab. Primäres Studienziel:<br />
Vergleich der Ansprechrate beim metastasierten KRK<br />
Ansprechpartner: Prof. Heinemann, München, Tel. 089- 7095-2208 bzw. Studienzentrale der AIO, Tel. 030-<br />
3229329-33, studienzentrale@aio-portal.de<br />
AIO KRK 0207 Optimale Sequenztherapie : Randomisierte 3-armige Phase-III-Studie mit Induktion FOLFOX<br />
oder XELOX jeweils mit Bevacizumab für 24 Wochen gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Bevacizumab <strong>und</strong> 5-<br />
FU/Folinsäure oder Capecitabine vs. Bevacizumab allein vs. keine Erhaltungstherapie <strong>und</strong> Reinduktion im Falle der<br />
Progression bei unbehandelten Patienten mit metastasiertem KRK<br />
Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, studienzentrale@aio-portal.de<br />
OPAL-Studie AIO/Roche Joint Trial: Offene einarmige Phase-II-Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit<br />
<strong>und</strong> Anwendbarkeit von Bevacizumab im Rahmen einer FOLFOXIRI-Chemotherapie bis zum Fortschreiten der<br />
Erkrankung bei unbehandeltem metastasierten KRK. Studienleiter: Prof. C. Bokemeyer, Hamburg.<br />
Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, studienzentrale@aio-portal.de<br />
Metastasiertes KRK, Second line-Therapie<br />
AIO KRK 0504 – Rand. Phase-III-Studie zur Zweitlinien Therapie AIO-IRI / FOLFIRI / CAPIRI / XELIRI +/-<br />
Bevacizumab bzw. FUFOX / FOLFOX / CAPOX / XELOX +/- Bevacizumab bei Patienten mit metastasiertem<br />
kolorektalen Karzinom nach Progress unter Erstlinientherapie mit Fluoropyrimidin/Oxaliplatin-Bevacizumab bzw.<br />
Fluoropyrimidin/Irinotecan-Bevacizumab<br />
Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 0345-557-5752, studienzentrale@aio-portal.de<br />
AIO KRK 0107 – Randomisierte Phase-II-Studie zur Zweitlinientherapie XELOX +/- Panitumumab nach<br />
Vortherapie mit 5-FU/Irinotecan +/- Bevacizumab. Studienleiter: PD Dr. Grunewald Frankfurt a.M.<br />
Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, studienzentrale@aio-portal.de<br />
Adjuvante <strong>und</strong> neoadjuvante Therapie<br />
PETACC 8: Adjuvant treatment of fully resected stage III colon cancer with FOLFOX-4 + Cetuximab vs.<br />
FOLFOX-4<br />
Geschlossen<br />
Ansprechpartner: Dr. Gunnar Folprecht, Universitätsklinikum Gustav Carus, Onkologische Tagesklinik <strong>und</strong><br />
Ambulanz, Fetscherstraße 74, 01307 Dresden, Tel.:+49 – 0351 - 458-4794, Fax: +49 – 0351 - 458-5312,<br />
gunnar.folprecht@uniklinikum-dresden.de<br />
PETACC 6 (= AIO KRK 0506): Perioperative Therapie des lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinoms T3 oder T4<br />
<strong>und</strong>/oder N+ mit Capecitabin/Oxaliplatin + RTx versus Oxaliplatin + RTx<br />
Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, petacc-6@aio-portal.de<br />
Rektumkarzinom-Studie der Deutschen-Rektumkarzinom Studiengruppe (CAO/ARO/AIO): Perioperative<br />
Therapie des fortgeschrittenen Rektumkarzinoms mit 5-FU + RTx versus 5-FU/Oxaliplatin +RTx<br />
Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, studienzentrale@aio-portal.de<br />
Kolonkarzinom – Erfassung der klinischen Behandlungsrealität<br />
Kolonkarzinom Registry „REAL LIFE“<br />
Kolonkarzinom Registry COFIT – Prospektive Erfassung der Bedeutung von sportlicher <strong>und</strong> körperlicher Aktivität<br />
auf die Rezidivwahrscheinlichkeit nach Kolonkarzinom OP. (adjuvante Situation) – ein Teilprojekt der<br />
Kolonkarzinom Registry<br />
Kolonkarzinom Registry CONUT – Prospektive Erfassung der Bedeutung der Ernährung auf die Rezidivwahrscheinlichkeit<br />
nach Kolonkarzinom OP (adjuvante Situation) – ein Teilprojekt der Kolonkarzinom Registry<br />
Ansprechpartner: Studienzentrale der AIO, Tel. 030-3229329-33, studienzentrale@aio-portal.de<br />
289
5-FU-Wirkmechanismus<br />
Pharmakokinetik<br />
5-Fluorouracil wurde bereits 1957 entwickelt. Es ist als fluoriniertes Uracil-Analogon ein Prodrug, das erst<br />
intrazellulär zu seinen aktiven Formen, dem 5-Fluorouridintriphosphat (FUTP) <strong>und</strong> 5-Fluorodesoxyuridinmonophosphat<br />
(FdUMP) metabolisiert wird. FdUMP hemmt das Enzym Thymidinsynthase, das wichtig ist für die<br />
DNA-Synthese. FUTP wirkt über einen anderen Mechanismus zytostatisch, indem es einen falschen Einbau von 5-<br />
FUTP in die DNA bewirkt <strong>und</strong> damit einen Transkriptionsfehler verursacht.<br />
Somit hat 5-FU drei verschiedene Wirkungen<br />
1. Hemmung der Thymidylat-Synthase durch 5-FdUMP. Dadurch Erzeugung eines thymidinlosen Zustandes mit<br />
Hemmung der DNA-Synthese.<br />
2. Fehlerhafter Einbau in die RNA als FUTP.<br />
3. Einbau in die DNA als FdUMP bzw. FdUTP<br />
Metabolische Aktivierung<br />
5-FU-Wirkung in Abhängigkeit von der Applikationsart<br />
Die Wirkung des 5-FU wird in starkem Maße von der Applikationsart beeinflusst.<br />
i.v.Bolus<br />
(i.v.-Injektion in weniger als 5 min): bewirkt ein rasches Anfluten der Substanz. Es kommt überwiegend zur Bildung<br />
von FUTP, die eine Hemmung der RNA bewirkt.<br />
i.v.-Langzeitinfusion (24h)<br />
überwiegend Bildung von FdUMP <strong>und</strong> FDUTP.<br />
Beachte<br />
Eine Applikation von mehr als 15 min. Dauer bis zu 2 St<strong>und</strong>en führt zur “Verwässerung” der 5-FU-Konzentration<br />
<strong>und</strong> ist mit einem erheblichen Wirkungsverlust verb<strong>und</strong>en. Durch in vitro Versuche konnte gezeigt werden, dass 5-<br />
FU bei Kolonkarzinomzellen, die gegen eine kurzzeitige 5-FU-Exposition resistent waren, bei einer längeren<br />
Einwirkzeit noch eine zytostatische Wirkung besitzt. Aufgr<strong>und</strong> dieser Ergebnisse wurden verschiedene<br />
Therapieschemata mit einer kontinuierlichen Langzeitapplikation ( 24 Std. bis mehrere Wochen ) von 5-FU als<br />
Monotherapie oder in Kombination mit Leucovorin entwickelt.<br />
Skippingmutation im DPD-Gen<br />
Ein sehr kleiner Teil von Patienten reagiert nach 5-FU mit einer exzessiven, oft tödlich verlaufenden Toxizität.<br />
Verantwortlich dafür ist eine angeborene Exon-14-Skipping-Mutation. Vielfach wird die DPD-Bestimmung als<br />
prätherapeutisches Screening empfohlen. Mit den derzeit verfügbaren Tests wird jedoch nur ein kleiner Teil der<br />
betroffenen Patienten erfasst. Der Test ist insgesamt nur bei ca. < 0,5-1,0% der Patienten als positiv zu erwarten.<br />
Wegen der Unsicherheit der Tests in Bezug auf Prädiktion <strong>und</strong> therapeutische Relevanz wird derzeit ein DPD-<br />
Screening außerhalb von Studien nicht als Standard empfohlen. Sollte es aber zu einer inadäquaten Toxizität unter<br />
der 5-FU-Behandlung kommen, sollte eine DPD-Diagnostik durchgeführt werden. Diese kann mit einer PCRgestützten<br />
Routinediagnostik aus EDTA-Blut nachgewiesen werden.<br />
290
Capecitabin<br />
Wirkung, Dosierung<br />
Xeloda® ist in Deutschland zur adjuvanten Behandlung des Kolonkarzinoms im Stadium III sowie zur<br />
Behandlung des metastasierten KRK zugelassen. Außerdem besteht eine Zulassung für die first-line-Therapie<br />
des fortgeschrittenen Magenkarzinoms in Kombination mit einem platinhaltigen Schema. Darüber hinaus<br />
besteht eine Zulassung für Xeloda ® als Monosubstanz zur Behandlung des Mammakarzinoms nach<br />
Anthrazyklin- <strong>und</strong> Taxanversagen sowie in Kombination mit Docetaxel zur Behandlung des lokal<br />
fortgeschrittenen oder metastasierenden Mammakarzinom nach Versagen einer zytotoxischen Chemotherapie<br />
bzw. wenn eine weitere Anthrazyklinhaltige Therapie nicht angezeigt ist.<br />
Pharmakokinetik<br />
Capecitabin ist ein orales Fluoropyrimidin, ein Prodrug, aus dem letztendlich 5-FU freigesetzt wird.<br />
Nach oraler Einnahme wird Capecitabin über einen Drei-Schritt-Mechanismus in aktives 5-FU überführt. Der<br />
letzte Aktivierungsschritt erfolgt über das Enzym Thymidinphosphorylase. Diese wird vor allem im<br />
Tumorgewebe exprimiert, so dass vermutlich eine selektive Aktivierung von 5-FU in Tumoren erfolgt.<br />
Toxizität<br />
Dosislimitierende Toxizitäten sind das Hand-Fuß-Syndrom (Schmerzen, Rötung <strong>und</strong> Schwellungen an Händen<br />
<strong>und</strong>/oder Füssen) sowie die Diarrhoe. Übelkeit, Erbrechen sowie die Hämatotoxizität sind eher gering<br />
ausgeprägt. Eine Kreatinin-Clearance < 30 ml/min stellt eine Kontraindikation dar. Bei einer Kreatinin-<br />
Clearance zwischen 30-50 ml wird eine Dosisreduktion auf 75% empfohlen, da sonst mit erheblich verstärkten<br />
Nebenwirkungen zu rechnen ist.<br />
Die Patienten sollten angewiesen werden, die Einnahme bei folgenden Symptomen zu unterbrechen <strong>und</strong> den<br />
behandelnden Onkologen aufzusuchen:<br />
‣ Durchfall mehr als 4 mal am Tag<br />
‣ Erbrechen mehr als 1mal am Tag<br />
‣ Fieber über 38°C<br />
‣ Schmerzen, Rötungen <strong>und</strong> Schwellungen an Händen oder Füssen<br />
‣ M<strong>und</strong>schleimhautentzündung.<br />
Dosierung<br />
Tagesdosis:<br />
2500 mg/m² p.o. verteilt auf 2 Gaben von je 1250 mg/m² im Abstand 12 St<strong>und</strong>en.<br />
Einnahme der Tabletten innerhalb von 30 Minuten nach einer Mahlzeit mit Wasser.<br />
Therapiedauer: Tag 1 -14, dann 7-tägige Therapiepause <strong>und</strong> Wiederholung ab Tag 22.<br />
Studienergebnisse<br />
In zwei großen multizentrischen Phase-III-Studien erhielten insgesamt 1207 Patienten als first-line-Therapie bei<br />
metastasierendem CRC entweder Capecitabin oral (2500 mg/m²/d über 14 Tage mit anschließend einer Woche<br />
Pause) oder das Mayo-Clinic-Schema i.v. Die gepoolten Daten zeigten ein signifikant besseres Ansprechen für<br />
Capecitabin (ORR = 25,7% vs. 16,7%) Die Zeit bis zur Progression <strong>und</strong> das mediane Überleben unterschieden<br />
sich nicht signifikant (TTP 4,6 vs. 4,7 Monate). Auch erwies sich Capecitabin als besser verträglich. Grad-3/4-<br />
Mukositiden <strong>und</strong> -Leukopenien traten deutlich seltener auf (C. Twelves et al., European Journal of Cancer 38:15-20, 2002).<br />
Die charakteristische Nebenwirkung des Capecitabin, das Hand-Fuß-Syndrom, wurde in ausgeprägter Form bei<br />
17% der Patienten beobachtet.<br />
Diese Studien führten zur Zulassung von Xeloda sowohl in den USA als auch in Europa.<br />
Bei einer europäischen Phase-II-Studie mit 109 Patienten waren zuvor 3 verschiedene Capecitabin-Dosierungen<br />
(2510 mg/m²/d intermittierend, 1331 mg/m²/d kontinuierlich <strong>und</strong> 1657 mg/m²/d + 60 mg Folinsäure p.o.<br />
intermittierend) verglichen worden. Die intermittierende Gabe von 2510 mg/m²/d hatte die längste Zeit bis zur<br />
Progression (TTP 230 Tage), die Folinsäure erhöhte die Toxizität, ohne das Ansprechen zu verbessern (Van<br />
Cutsem et al., JCO 2000:18,1037-45).<br />
Siehe auch X-ACT-Studie adjuvante Chemotherapie<br />
291
UFT/Folinsäure<br />
Pharmakokinetik<br />
UFT® ist als orale Chemotherapie seit 2002 zur First-line-Therapie des metastasierten CRC in<br />
Kombination mit Calciumfolinat zugelassen.<br />
UFT ist eine Kombination aus dem 5-FU-Prodrug Tegafur <strong>und</strong> Uracil in einem molaren Verhältnis von<br />
1:4. Die Zugabe von Calciumfolinat führt zu einer Verstärkung der Wirksamkeit.<br />
Pharmakokinetik<br />
Nach oraler Applikation erfolgt die Umwandlung von Tegafur in der Leber. Durch Uracil wird der<br />
Abbau von 5-FU gehemmt. Die Bioverfügbarkeit ist 100% nach oraler Gabe. Die Abbauprodukte<br />
werden vorwiegend als CO 2 abgeatmet, zu einem geringen Anteil wird Tegafur unverändert im Harn<br />
ausgeschieden. Die Halbwertszeit beträgt dosisabhängig ca. 9 St<strong>und</strong>en. Therapeutische Spiegel von 5-<br />
FU gelten für 8-12 St<strong>und</strong>en als gesichert. Durch Calciumfolinat kommt es zu einer verstärkten<br />
Hemmung der Thymidilatsynthetase <strong>und</strong> damit zur Hemmung der DNA-Synthese.<br />
Dosierung<br />
Tegafur 300mg/m 2 /Tag d 1-28<br />
Calciumfolinat 90 mg/Tag d 1-28<br />
Wiederholung Tag 36<br />
Tägliche Anzahl der Kapseln bezogen auf die Körperoberfläche (KO)<br />
KO (m2) UFT ® -Kps pro Tag Verschreibung Tägliches Einnahmeschema<br />
morgens nachmittags abends<br />
1,17 -1,49 4 UFT ® 4 2 1 1<br />
1,50 -1,83 5 UFT ® 5 2 2 1<br />
>1,83 6 UFT ® 6 2 2 2<br />
Zusätzlich je zwei Tabletten Calciumfolinat à 15 mg (insgesamt 90 mg/Tag)<br />
Generell Calciumfolinat-Tbl./Tag: 6 2 2 2<br />
Die Tagesdosis sollte mit einem Abstand von mindestens einer St<strong>und</strong>e vor oder nach einer Mahlzeit<br />
eingenommen werden.<br />
Studienergebnisse<br />
Zwei randomisierte Phase-III-Studien verglichen UFT + Folinsäure (UFT/FS) mit dem Mayo-Clinic-<br />
Schema beim metastasiertem KRK (Douillard JY et al. JCO 2002; 20:3605-16 <strong>und</strong> Carmicheal J. et al. JCO 2002; 20:3617-<br />
27). UFT/Calciumfolinat zeigte gegenüber dem Mayo-Clinic-Schema keine signifikanten Unterschiede<br />
in der Remissionsrate, dem progressionsfreien Intervall (TTP) <strong>und</strong> der Überlebenszeit (ÜLZ) der<br />
Patienten. Die Ansprechraten für UFT/FS waren mit 11,7 <strong>und</strong> 10,5% recht niedrig. Zu berücksichtigen<br />
ist auch, dass UFT in der Carmicheal-Studie mit einem 5-wöchentlichen 5-FU/FS-Schema, also einem<br />
modifizierten Mayo-Clinic-Schema mit geringerer Dosisdichte, verglichen wurde. Die Verträglichkeit<br />
der oralen UFT/FS-Kombination war signifikant besser als die i.v. 5-FU/FS-Therapie. Diarrhoe <strong>und</strong><br />
Übelkeit/Erbrechen waren unter beiden Regimen ähnlich. Mucositis, Leukopenie <strong>und</strong> febrile<br />
Neutropenie waren im UFT-Arm jedoch geringer. Ein Hand-Fuß-Syndrom Grad III trat unter UFT<br />
nicht auf.<br />
Studie Ansprechrate TTP ÜLZ<br />
Douillard 2002; n = 816 (UFT/FS vs. Mayo-Regime)<br />
A: UFT 300 mg/m 2 p.o./Tag + FS 75 od. 90 mg/Tag, T1-28, q5w<br />
B: 5-FU 425 mg/m 2 + FS 20 mg/m 2 i.v. T1-5, q4w<br />
Carmicheal 2002; n = 380 (UFT/FS vs. Mayo-Regime)<br />
A: UFT 300 mg/m 2 p.o./Tag + FS 90 mg/Tag, T1-28, q5w<br />
B: 5-FU 425 mg/m 2 + FS 20 mg/m 2 i.v. T1-5, q5w<br />
11,7%<br />
14,5%<br />
10,5 %<br />
9 %<br />
3,8 Mon.<br />
3,5 Mon<br />
3,4 Mon.<br />
3,3 Mon.<br />
12,4 Mon.<br />
13,4 Mon.<br />
12,2 Mon.<br />
10,3 Mon.<br />
292
Aktivitätssteigerung der 5-FU-Wirkung<br />
Folinsäure<br />
l- <strong>und</strong> d, l-Folinsäure<br />
ist möglich durch eine Vermehrung des intrazellulären Pools von reduziertem Folat. Folinsäure erhöht<br />
das intrazelluläre Folatpotential durch eine Stabilisierung des Komplexes zwischen FdUMP der<br />
Thymidylatsynthase <strong>und</strong> 5,10-Methylentetrahydrofolsäure. Bei genügend hoher Konzentration von<br />
FdUMP <strong>und</strong> Tetrahydrofolsäure wird die Thymidilatsynthetase vollständig gehemmt.<br />
Da die Bindung von FdUMP an die Thymidilatsynthetase proportional der Konzentration von CH 2 -<br />
Tetrahydrofolsäure (<strong>und</strong> damit CH 3 -Tetrahydrofolsäure) ist, wird die zytostatische Wirkung von 5-FU<br />
umso stärker sein, je mehr reduziertes Folat in der Zelle zur Verfügung steht.<br />
l-Folinsäure; d, l-Folinsäure<br />
Der Wirkstoff Folinsäure liegt normalerweise als Racemat vor, d.h. als Gemisch der<br />
Spiegelbildisomeren, seiner rechtsdrehenden d- <strong>und</strong> der linksdrehenden l-Form. Nur die l-Form ist<br />
biologisch aktiv. Die d-Form wird nicht metabolisiert <strong>und</strong> langsam über die Nieren ausgeschieden.<br />
Alle in Deutschland vertriebenen Präparate der Folinsäure wie z.B. Leucovorin®, Ribofolin® etc.<br />
liegen als racemisches Gemisch vor.<br />
Zulassungssituation<br />
In internationalen Studien taucht verschiedentlich die l-Folinsäure als mögliches Präparat bei<br />
Chemotherapiekombinationen auf. In einigen europäischen Ländern wie Österreich, Frankreich oder<br />
Italien ist diese Substanz im Gegensatz zu Deutschland zugelassen <strong>und</strong> auf dem Markt. Handelsnamen<br />
in der EU sind Elvorine®, Isovorin/e®, Isofolin® (Österreich) oder Levofolene®.<br />
Unterschiede d, l – zu l-Folinsäure<br />
Da nur das l-Isomer eine Biomodulation des 5-FU bewirkt, kann die chemisch reine l-Form in 50%<br />
Dosierung, bei gleicher Wirksamkeit wie die Volldosis des üblicherweise verwandten Racemates,<br />
verabreicht werden.<br />
Das B<strong>und</strong>esamt für Arzneimittel hatte von den Herstellerfirmen eine Bioäquivalenzstudie verlangt, in<br />
der nachgewiesen werden sollte, dass "halbdosiertes" l-Leucovorin bioäquivalent zu<br />
"normaldosiertem" d,l-Leucovorin ist, also z.B. 250 mg l-Leucovorin je m² die gleiche Wirksamkeit<br />
hat wie 500 mg/m² d,l-Folinsäure.<br />
Der Zulassungsantrag wurde in Deutschland von den Herstellern nicht gestellt, da Ihnen der Aufwand<br />
nicht gerechtfertigt erschien, zumal offiziell auch die d,l-Folinsäure für die Indikation<br />
"Kombinationstherapie mit 5-FU" von Amts wegen nicht zugelassen ist.<br />
293
Folinsäure<br />
Natrium-/Calcium-Folinat<br />
Die Modulation von 5-FU mit Folinsäure steigert die Antitumoraktivität sowohl in vitro als auch in<br />
vivo. 5-FU in Kombination mit Calcium-Folinat, insbesondere als Infusionsregime, ist eine etablierte<br />
Therapie beim kolorektalen Karzinom.<br />
Ardalan, der Erstbeschreiber des seinen Namen tragenden Schemas, hatte in einer Pumpe 5-FU <strong>und</strong><br />
Calcium-Folinat als eine 24-h-Infusion gemischt. Er musste aber bald zwei Pumpen benutzen, da es<br />
zur Ausfällung von Calciumsalzen <strong>und</strong> zur Katheterobstruktion kam.<br />
Dies führte dazu, dass das Ardalan-Schema, das eine Responserate in der First-line-Therapie von 58%<br />
erreicht hatte, von anderen Gruppen modifiziert wurde. Mit der Applikation von Calciumfolinat über 2<br />
St<strong>und</strong>en, gefolgt von einer 24-h-Infusion von 5-FU, konnte jedoch diese hohe Remissionsrate nicht<br />
erreicht werden. Die Ansprechraten für diese Schemata liegen zwischen 23 <strong>und</strong> 44%.<br />
Natrium-Folinat (Oncofolic ® )<br />
Natrium-Folinat ist eine Präparation der Folinsäure, die bei simultaner Gabe in einer Infusionspumpe<br />
nicht zur Ausfällung von Natriumsalzen führt.<br />
Die Fachinformation von Mai 2002 wurde aufgr<strong>und</strong> der unten angeführten Studie geändert <strong>und</strong> lautet:<br />
"Nach Mischen mit 5-FU oder Verdünnen mit 0,9%iger Natriumchloridlösung: Die chemische <strong>und</strong><br />
physikalische Stabilität der gebrauchsfertigen Zubereitung wurde für 72 St<strong>und</strong>en bei 20-25 o C<br />
nachgewiesen."<br />
"Oncofolic® ist kompatibel mit 5-FU."<br />
Studienergebnisse Phase-II-Studie zu Natriumfolinat (Hartung G. et al. <strong>Onkologie</strong> 2001;24:457-62)<br />
51 nicht vorbehandelte Patienten mit metastasierendem KRK erhielten das Original-Ardalan-Schema<br />
mit 5 FU 2600mg/m 2 gemischt in einer Pumpe mit 500 mg/m 2 Natriumfolinat über 24 St<strong>und</strong>en<br />
1x/Woche über 6 Wochen. Der Behandlungszyklus wurde nach 2 Wochen Pause wiederholt.<br />
Die objektive Remissionsrate betrug 37,2%, die mediane Zeit bis zur Tumorprogression lag bei 8,5<br />
Monaten. In 197 Behandlungszyklen wurden keine Katheterkomplikationen beobachtet.<br />
Leucovorin ®<br />
Auch die Fachinformation des Folinsäurepräparates Leucovorin ® wurde nach einer<br />
Kompatibilitätsstudie geändert:<br />
Aus der Kompatibilitätsuntersuchung: "...zwar ergibt sich beim Mischen von Leucovorin mit 5-FU <strong>und</strong><br />
physiologischer NaCl-Lösung eine leichte Gelbfärbung, doch kann innerhalb des Prüfzeitraums<br />
hinsichtlich der visuellen Prüfung <strong>und</strong> des pH-Wertes keine Veränderung mehr festgestellt werden."<br />
Aus der Fachinformation: "Eine Mischung von 1000 mg Leucovorin (100 ml Leucovorin 10mg/ml)<br />
mit 5000 mg 5-FU (100 ml zu 50 mg/ml) <strong>und</strong> 40 ml physiologischer Kochsalzlösung erwies sich in<br />
Plastik-Infusoren <strong>und</strong> Glas unter Raumbedingungen über 48 Std. stabil. Zu anderen Mischungen liegen<br />
derzeit keine Werte vor."<br />
Vor dem Mischen von Leucovorin mit 5-FU wird dringend gewarnt. Bei der praktischen<br />
Anwendung kam es mehrfach zu Ausfällungen <strong>und</strong> zu Portverstopfungen, die zu entsprechenden<br />
Warnhinweisen veranlasste.<br />
Für ambulante Patienten bedeutet die Verwendung eines mit 5-FU mischbaren Folinsäurepräparates<br />
durch die Zeitersparnis von 2 St<strong>und</strong>en einen Gewinn an Lebensqualität. Diese Applikation ist<br />
mindestens gleich effektiv <strong>und</strong> gleichzeitig auch kostengünstiger.<br />
294
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong>, Therapie<br />
MACHOVER-Schema, Mayo-Clinic-Schema<br />
Indikation<br />
Metastasiertes Stadium, dokumentierte Tumorprogression, tumorspezifische Symptomatik, patientenseitiger<br />
Therapiewunsch.<br />
Voraussetzung<br />
Messbare Tumorparameter. Prätherapeutisch Festlegen der Referenzläsion, gegebenenfalls kann das CEA zur<br />
Beurteilung des Therapieverlaufes dienen.<br />
Therapie Machover et al., J.Clin. Oncol 1986; 4: 685 - 96<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Folinsäure 200 i.v. Bolus 1 – 5<br />
5-FU 370 i.v. Bolus 1 – 5<br />
Wiederholung: Tag 22-29<br />
Kontrolle des Therapieergebnisses monatlich. Möglichst Eintrag <strong>und</strong> Bewertung auf einem Therapiemonitoringblatt.<br />
Ergebnisse : Ansprechrate 31 %, 39% für unvorbehandelte, 22% für vorbehandelte Patienten.<br />
Vergleiche dazu low dose Leucovorin<br />
Toxizität : Stomatitis, Neutropenie, Diarrhoe<br />
Mayo-Clinic-Schema (Poon, M.A., et al. J. Clin Onco 1991; 9:1967 - 72)<br />
Lange Zeit war die Behandlung mit Low-dose Leucovorin <strong>und</strong> Bolus-5 FU der Standard für die first-line-<br />
Therapie des metastasierenden CRC. Der Stellenwert dieser Behandlung hat sich seit der Einführung neuer<br />
Substanzen geändert. Insbesondere die vergleichbare Wirksamkeit der oralen 5-FU-Prodrugs <strong>und</strong> deren<br />
Zulassung zur First-line-Therapie reduzieren die Indikation in der palliativen Situation zu diesem i.v. Schema<br />
erheblich.<br />
Therapie<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Folinsäure 20 i.v. Bolus 1 – 5<br />
5-FU 425 i.v. Bolus* 1 – 5<br />
* Bolus bedeutet: Intravenöse Injektion in weniger als 5 Minuten<br />
Wiederholung alle 4 Wochen bis zur Tumorprogression oder für 6-12 Monate.<br />
Ergebnisse randomisierter Studien zur 5-FU-Therapie<br />
Eine Kontrolle des Therapieergebnisses ist vor jedem Therapiezyklus zur Beurteilung der Wirksamkeit der<br />
Behandlung vorzunehmen. Zweckmäßig ist das Anlegen eines Therapieverlaufsbogens (Monitoringblatt).<br />
Autor<br />
n<br />
Anspre-<br />
chen [%]<br />
Med. Über-<br />
leben [Mo]<br />
De Gramont (Proc ASCO 1995, 194, Abstr 455) 147 17 14,3<br />
Petrelli (J Clin Oncol 7(10), 1989: 1419-26) 112 19 13,8<br />
Buroker (J Clin Oncol 12(1), 1994: 14-20) 183 35 9,3<br />
Die Therapie ist sowohl anwendbar<br />
für eine intravenöse Applikation als<br />
auch für eine Leberperfusion über<br />
einen Port. Bei Verwendung eines<br />
Ports ist abschließend ein Heparin-<br />
Lock erforderlich. Dafür werden 5 ml<br />
einer sterilen Heparin-Kochsalzlösung<br />
(100 E Heparin/ 1ml NaCl) in die<br />
Kammer injiziert.<br />
Poon (J Clin Oncol 7(10), 1989: 1407-8) 70 43 12<br />
Gesamt 512 23 12,4<br />
Toxizität: 30-50% der Pat. haben eine<br />
relevante Stomatitis/Mucositis <strong>und</strong><br />
Neutropenie.<br />
Bolus-5-FU-Regime sollten wegen der im Vergleich zu Infusionsregimen geringeren<br />
Remissionsraten <strong>und</strong> der höheren Toxizität nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen.<br />
295
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Langzeitapplikation von 5-FU +/- Folinsäure<br />
Indikation<br />
Da inzwischen in mehreren Studien eine Symptomverbesserung, eine Verbesserung der Lebensqualität <strong>und</strong> auch<br />
eine Lebensverlängerung bei Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom durch eine Chemotherapie<br />
nachgewiesen worden sind, ist generell im neu diagnostizierten metastasierten Stadium bzw. bei einem Rezidiv<br />
eine Chemotherapie indiziert, wenn keine relevanten Kriterien dagegen sprechen.<br />
Auswahl des Therapieschemas siehe "Palliative Chemotherapie, Therapiestrategie".<br />
Voraussetzungen<br />
Therapiefähigkeit. Messbare Tumorparameter. Prätherapeutisch Festlegen der Referenzläsion.<br />
Autor Substanz Dosis [mg/m²] Applikationsart Therapietage<br />
Weh / Köhne =<br />
„AIO-Schema“<br />
Löffler<br />
Stoffregen<br />
Ergebnisse<br />
Leucovorin<br />
5-FU<br />
Leucovorin<br />
5-FU<br />
Leucovorin<br />
5-FU<br />
500<br />
2600<br />
500<br />
2000<br />
200<br />
2000<br />
2 Std. Infusion<br />
24h-Infusion<br />
2h-Infusion<br />
22h-Infusion<br />
i.v. Bolus<br />
24h-Infusion<br />
1,8,15,22,29,36<br />
Pause Woche 7 + 8<br />
1,8,15,22,29,36<br />
Pause Woche 7,8,9<br />
1,8,15,22,29,36<br />
Pause Woche 7 + 8<br />
Autor Patientenkollektiv CR [%] PR [%] NC [%] N<br />
Weh<br />
Unvorbehandelt<br />
Vorbehandelt<br />
Köhne Unvorbehandelt 44 n.a. 91<br />
Löffler<br />
Stoffregen<br />
Unvorbehandelt<br />
Vorbehandelt<br />
Unvorbehandelt<br />
Vorbehandelt<br />
Inzwischen ist das von Weh/Köhne entwickelte Schema unter dem Namen „AIO-Schema“ (für<br />
„Arbeitsgemeinschaft internistische <strong>Onkologie</strong>“) in Deutschland das am weitesten verbreitete <strong>und</strong> akzeptierte<br />
Schema für die Hochdosis-5-FU-Behandlung („infusional-5-FU“). Im französischen Sprachraum gilt dies für<br />
das auf der folgenden Seite beschriebene „De-Gramont-Schema“.<br />
0<br />
0<br />
11<br />
4<br />
7<br />
0<br />
38<br />
9<br />
64<br />
19<br />
30<br />
0<br />
38<br />
56<br />
21<br />
54<br />
45<br />
50<br />
21<br />
57<br />
54<br />
44<br />
25<br />
AIO-Studie (Schmoll HJ, Köhne CH et. al. ProcAmSocClinOncol 2000,19:241°, Abstract # 935)<br />
In der AIO-Studie bzw. EORTC-Studie 40952 wurde das MAYO-Clinic-Schema mit der wöchentlich<br />
hochdosierten 5-FU-Dauerinfusion über 24 h mit <strong>und</strong> ohne Folinsäure verglichen. Insgesamt erhielten 497<br />
Patienten mit metastasiertem CRC das Mayo-Clinic-Schema oder 2600 mg/ m² 5-FU mit oder ohne Folinsäure<br />
(500 mg/ m² als 2h-Infusion vor 5-FU) wöchentlich x 6 <strong>und</strong> Wiederholung am Tag 50).<br />
Schema Remissionsrate Med. Überleben (Mon.) Medianes PFS (Mon.)<br />
HD-5-FU/Folinsäure 20% 12 6,4<br />
Mayo-Clinic<br />
HD-5-FU<br />
11%<br />
9%<br />
Im HD-5-FU/Folinsäure-Arm zeigte sich eine nicht signifikante Steigerung der Remissionsrate sowie eine<br />
mäßige aber statistisch signifikante Erhöhung des progressionsfreien Überlebens (PFS).<br />
12,5<br />
13,2<br />
4,1<br />
4,4<br />
296
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Hochdosis - 5-FU + Folinsäure (Ardalan)<br />
Die Antitumoraktivität von 5-FU kann substantiell gesteigert werden, wenn der intrazelluläre Pool von<br />
reduziertem Folat erhöht wird. Folinsäure hat sich als der praktikabelste Biomodulator im Sinne einer<br />
Wirkungsverstärkung für 5-FU erwiesen. Folinsäure ist ein guter Kombinationspartner, die optimale<br />
Dosis sowie die Applikationsart <strong>und</strong> -dauer sind derzeit nicht bekannt. Eine kontinuierliche<br />
Applikation scheint die Wirksamkeit zu verbessern.<br />
Voraussetzung: Für die Durchführung der Therapie sind ein venöses Portsystem <strong>und</strong> geeignete<br />
Langzeitpumpen erforderlich.<br />
Therapie Ardalan, B., L. Chua et al. J.Clin.Oncol 1991; 9:625-630<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Folinsäure 500 24-Std.-Infusion 1, 8, 15 ff<br />
5-FU 2600 24-Std.-Infusion 1, 8, 15 ff<br />
Wiederholung wöchentlich<br />
Dosis-Modifikation<br />
Nach einer inadäquaten Toxizität sind eine Dosisreduktion des 5-FU z.B. auf 2.000 mg/m 2 oder auch<br />
auf 1.600 mg/m 2 <strong>und</strong> eine Intervallverlängerung auf 14 Tage möglich.<br />
Kommentar<br />
Diese Therapie ist in der Originalform schlecht praktikabel, da gleichzeitig zwei unabhängige<br />
Pumpensysteme gebraucht werden. Besser handhabbar sind die verschiedenen Modifikationen<br />
besonders das AIO-Schema. Siehe dort. Allerdings ist jetzt das Natriumfolinat zugelassen, das mit 5 -<br />
FU gemischt <strong>und</strong> als 24-h-Infusion appliziert werden kann.<br />
Handhabung<br />
Punktion des Ports unter sterilen Kautelen. Für jede der beiden Substanzen wird eine separate portable Injektionspumpe<br />
gebraucht. Beide Substanzen dürfen nicht gemischt werden, da Calciumfolinat in Gegenwart von 5-FU zu Kalksalzen<br />
ausfallen <strong>und</strong> den Injektionsschlauch verstopfen kann. Die beiden Pumpsysteme werden über ein Y-Stück an die<br />
Portkanüle geführt. Siehe aber oben <strong>und</strong> Seite „Folinsäure“.<br />
Ergebnisse: 22 Pat., davon 10 vorbehandelt.<br />
Patienten N CR PR RR<br />
Medianes<br />
Überleben<br />
unvorbehandelt 12 3 / 12 4 / 12 58 % 22 Monate<br />
vorbehandelt 10 0 / 10 3 / 10 30% 10 Monate<br />
Gesamtansprechrate : 45%<br />
Zeitdauer bis zum bestmöglichen Response 6 - 8 Wochen.<br />
Toxizität Grad 1 Grad 2 Grad 3<br />
Stomatitis 6 2 1<br />
Diarrhoe 4 3 2<br />
Übelkeit 7 0 0<br />
Erbrechen 3 0 0<br />
Schwäche 3 0 0<br />
Hand-Fuß-Syndrom 6 2 1<br />
297
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
5-FU (Bolus + Langzeit) + Folinsäure (De Gramont)<br />
5-FU entfaltet den zytostatischen Effekt in Abhängigkeit von der Applikationsart auf unterschiedliche<br />
Weise.<br />
5-FU-Applikation<br />
i.v. Bolusgabe bewirkt eine Hemmung der RNA<br />
i.v. Langzeitinfusion führt zu einer Inhibition der DNA.<br />
Eine französische Studie hat prospektiv randomisiert die Wirksamkeit der Kombination von Bolus<strong>und</strong><br />
Langzeitinfusion geprüft. (De Gramont,A., J.F. Bosset et al. Proc. ASCO 1995, Abstr. 455).<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2<br />
5-FU 400 i.v. Bolus (5 min) 1, 2<br />
5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2<br />
Wiederholung 14 tägig bis zur Tumorprogression.<br />
Ergebnisse<br />
Randomisierter Vergleich mit einer Standardtherapie nach dem Mayo-Clinic-Schema: N = 306,<br />
Ansprechrate 34 % (Hochdosistherapie) vs. 17 % (Standardtherapie) (p = 0.002). 41 Pat. ( 21,5% ) der<br />
Pat. im Standardtherapiearm hatten eine Toxizität Grad-3-4, demgegenüber erlitten 9,2% der Pat. im<br />
Bolus/Langzeit-Arm ein Grad-3-4-Toxizität.<br />
Schlussfolgerung der Autoren: Die zweiwöchentliche Gabe von 5-FU-Bolus +<br />
Langzeitinfusion mit hochdosierter Folinsäure ist signifikant wirksamer <strong>und</strong> geht mit weniger<br />
Toxizität einher als die monatliche 5-FU + low-dose Folinsäure-Standardtherapie.<br />
Modifikation<br />
Dieselbe Arbeitsgruppe stellte ein modifiziertes Schema einer Kombination von Bolus- <strong>und</strong><br />
Langzeitgabe von 5-FU vor. (Tournigand , de Gramont A et al. Proc ASCO 1998, Abstr. 1052):<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1<br />
5-FU 400 i.v. Bolus (5 min) 1<br />
5-FU 2400 - 3600 48-Std.-Infusion 1<br />
Wiederholung 14 tägig bis zur Tumorprogression. Beginn der 5-FU-Dosis mit 2,4 g, Steigerung um<br />
jeweils 0,6 g nach 2 Zyklen bis maximal 3,6 g, falls Toxizität < NCI-Grad 2.<br />
Ergebnisse: N = 59, Ansprechrate 37%, 34% stabile Erkrankung, mediane progressionsfreie Zeit<br />
8,6 Monate, keine Angabe zur Überlebenszeit. Toxizität Grad 3 bei Dosislevel 3: 16% (Hand-Fuß-<br />
Syndrom 5%, Mukositis, Diarrhoe, Anämie, Neutropenie, Alopezie, kardiale Toxizität je 2%).<br />
298
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Oxaliplatin (Eloxatin ® )<br />
Oxaliplatin ist ein neues Platinderivat, das seit Mitte 1997 in Frankreich <strong>und</strong> seit 8/1999 auch in<br />
Deutschland für die first-line-Behandlung des metastasierenden CRC in Kombination mit 5-FU <strong>und</strong><br />
Folinsäure zugelassen ist.<br />
Im Gegensatz zu Cisplatin ist Oxaliplatin nicht nephrotoxisch <strong>und</strong> kann auch bei Patienten mit<br />
eingeschränkter Nierenfunktion gegeben werden (Kreatinin-Clearance muss aber > 30 ml/min sein).<br />
Eine begeleitende Hyperhydratation ist nicht erforderlich.<br />
Wirkmechanismus<br />
Ähnlich wie Cisplatin bindet sich Oxaliplatin vor allem an guaninhaltige Nukleotide der DNA. Es<br />
werden Quervernetzungen der DNA induziert. Die wesentlichen Unterschiede zu Cisplatin betreffen<br />
die Kinetik dieser Vorgänge.<br />
Anwendung<br />
Die Substanz darf weder beim Lösen, noch bei der Infusion mit Kochsalz in Berührung kommen.<br />
Oxaliplatin wird daher in 500 ml Glukose 5% verabreicht. Auch darf Oxaliplatin nicht benutzt werden<br />
in Verbindung mit anderen chloridhaltigen <strong>und</strong> alkalischen Arzneimitteln oder Lösungen, wie 5-<br />
Fluorouracil <strong>und</strong> Trometamol (ein Tris-Puffer, der in manchen Folinsäurepräparaten enthalten ist,<br />
nicht aber z.B. in Leucovorin ® ). Generell darf die Substanz nicht mit anderen Arzneimitteln über<br />
denselben Zugang gemischt oder gleichzeitig verabreicht werden. Aluminiumhaltige<br />
Injektionsmaterialien dürfen nicht verwendet werden, da Oxaliplatin bei Kontakt mit Aluminium<br />
abgebaut wird.<br />
Dosierung<br />
Die empfohlene Dosis in der First-line-Therapie beträgt in Kombination mit 5-FU/Folinsäure<br />
85 mg/ m²/KOF intravenös alle 2 Wochen<br />
Die Dosierung muss der Verträglichkeit angepasst werden. Die Substanz wird in 250 oder 500 ml<br />
Glucose 5% über 2 (- 6) St<strong>und</strong>en inf<strong>und</strong>iert <strong>und</strong> soll immer vor Fluoropyrimidinen gegeben werden.<br />
Toxizität<br />
Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen erfordern den Einsatz von 5-HT-3-Antagonisten. Es besteht keine<br />
Nephrotoxizität, eine klinisch relevante Ototoxizität trat bei weniger als 1% der Patienten auf. Die<br />
hämatologische Toxizität ist gering, kann aber in der Kombinationstherapie ausgeprägter sein.<br />
Die wichtigsten dosislimitierenden Nebenwirkungen sind akute <strong>und</strong> kumulative neuropathische<br />
Symptome. Akut können, wenige St<strong>und</strong>en bis Tage nach der Infusion, Parästhesien an den<br />
Extremitäten <strong>und</strong> perioral, häufig ausgelöst durch Kälteexposition, auftreten. In der Regel sind diese<br />
Symptome selbstlimitierend.<br />
Zu einer persistierenden peripheren Neuropathie mit funktioneller Einschränkung kommt es mit<br />
zunehmender kumulativer Oxaliplatindosis. Diese Ausprägung der Neuropathie betrifft etwa 10-15%<br />
der Patienten mit einer kumulativen Dosis von ca. 800 mg/m 2 . Bei Einschränkungen der Feinmotorik<br />
muss deshalb die Dosis reduziert oder die Behandlung abgebrochen werden. Die Neuropathie ist bei<br />
ca. 80% der Patienten nach Abbruch der Behandlung innerhalb von mehreren Monaten reversibel.<br />
Studienergebnisse Monotherapie<br />
Oxaliplatin ist als Monosubstanz (130 mg/m 2 ) beim CRC sowohl primär als auch nach Versagen einer<br />
auf 5-FU basierenden Therapie wirksam (Diaz-Rubio E. et al.: AnnOncol 1998; 9:105-8 <strong>und</strong> Machover D. et al.: AnnOncol<br />
1996;7:95-98). Die Ansprechrate in der Primärtherapie beträgt 23%, in der Sek<strong>und</strong>ärtherapie 10%.<br />
Aufgr<strong>und</strong> des ausgeprägten Synergismus in der Kombination mit 5-FU wurden schon zu Beginn des<br />
klinischen Einsatzes der Substanz vorwiegend Kombinationsprotokolle untersucht (siehe<br />
entsprechende Seiten).<br />
299
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
FOLFOX-Therapieschemata, Übersicht<br />
Nachdem die Gabe von 5FU als Dauerinfusion, statt der bis dahin üblichen Bolusapplikation, zu einer Verbesserung<br />
der Ansprechraten bei gleichzeitiger Reduktion der Toxizität, nicht aber zu einem Überlebensvorteil geführt hatte,<br />
erarbeitete die GERCOR (Groupe d’Etude et de Récherche en Cancérologie Onco-Radiothérapie) unter de Gramont<br />
ein Hybridschema aus Bolus- <strong>und</strong> Infusions-5FU. Diese Kombination erreichte verbesserte Ansprechraten bei einem<br />
akzeptablen Toxizitätsprofil.<br />
FOLFOX-Schemata<br />
Levi et al. kombinierten Infusional-5FU mit Oxaliplatin in einem dosismodulierten Schema. Diese Kombination war<br />
die Basis für eine ganze Generation von Therapieschemata, FOLFOX (Folinsäure/5-FU/Oxaliplatin) genannt <strong>und</strong> zur<br />
Unterscheidbarkeit nummeriert. Eine Ausdehnung der 5-FU-Applikation über 2 Tage erlaubte eine Dosiseskalation<br />
(FOLFOX1). Wegen dosislimitierender Toxizität (Neurotox.) wiesen die Folgeprotokolle eine reduzierte<br />
Oxaliplatindosis auf (FOLFOX 2, 3). FOLFOX4 kombinierte erstmals Bolus- <strong>und</strong> Infusionsschema <strong>und</strong> zeigte<br />
geringere Toxizität bei höherer Effektivität einschließlich des Gesamtüberlebens. FOLFOX6 <strong>und</strong> 7 hatten eine<br />
Vereinfachung des Schemas bei Maximierung der Dosisintensität zum Ziel.<br />
FOLFOX 1 (de Gramont et al, Proc Am Soc Clin Oncol 1994; 13:220)<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Oxaliplatin 130 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 1<br />
Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,2<br />
5-FU 1500-2000 22-Std.-Infusion 1,2<br />
FOLFOX 2 (de Gramont et al, Eur J Cancer 1997; 33:214-9)<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Oxaliplatin 100 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 1<br />
Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,2<br />
5-FU 1500-2000 22-Std.-Infusion 1,2<br />
FOLFOX 3 (Andre et al, Ann Oncol 1998; 9: 1251-3)<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 1<br />
Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,2<br />
5-FU 1500-2000 22-Std.-Infusion 1,2<br />
FOLFOX 4 (Andre et al, J Clin Oncol 1999; 17:3560-8)<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 1<br />
Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1,2<br />
5-FU 400 i.v. Bolus 1,2<br />
5-FU 600 22-Std.-Infusion 1,2<br />
FOLFOX 6 (Maindrault-Goebel et al, Eur J Cancer 1999; 35:1338-42)<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Oxaliplatin 100 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 1<br />
Folinsäure 400 2-Std.-Infusion 1<br />
5-FU 400 i.v. Bolus 1<br />
5-FU 2400-3000 46-Std.-Infusion 1-2<br />
FOLFOX 7 (Maindrault-Goebel et al, Eur J Cancer 2001; 37:1000-5)<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Oxaliplatin 130 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 1<br />
Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1<br />
5-FU 400 i.v. Bolus 1<br />
5-FU 2400 46-Std.-Infusion 1-2<br />
Wiederholung aller Schemata Tag 15<br />
300
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Oxaliplatin-Kombinationstherapie<br />
Oxaliplatin ist in der Lage, eine klinische Resistenz gegen Fluorouracil teilweise aufzuheben. Nach Progression unter<br />
Fluorouracil ist durch die Kombination von Oxaliplatin mit 5-FU ein Ansprechen zu erzielen. Die meisten Daten zu<br />
Oxaliplatinkombinationen stammen aus Frankreich von den Arbeitsgruppen um Lévi <strong>und</strong> De Gramont.<br />
Es existieren 2 große randomisierte-Phase-III-Studien.<br />
In beiden Studien wurde Fluorouracil als Infusion über 5 Tage chronomoduliert (Giacchetti et al.) oder über 48<br />
St<strong>und</strong>en (De Gramont) gegeben <strong>und</strong> im experimentellen Arm Oxaliplatin hinzugefügt.<br />
Kombinationstherapie (FOLFOX 4)<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 1<br />
De Gramont A et al. Proc Am Soc Cli Oncol 1998;17:257a<br />
Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1,2<br />
5-FU 400 i.v. Bolus 1,2<br />
5-FU 600 22-Std.-Infusion 1,2<br />
Wiederholung alle 2 Wochen<br />
Studienergebnisse<br />
Schema Pat. (n) RR<br />
Med. Überleben<br />
(Mon.)<br />
Med. PFS<br />
(Mon.)<br />
5-FU/Folinsäure chronomoduliert 100 16% 20 6,1<br />
Oxaliplatin/5-FU/Folinsäure chronomod. 100 53% 19 8,7<br />
(Giacchetti S. et al. J Clin Oncol 2000 ;18:136-147)<br />
5-FU/Folinsäure (de Gramont) 210 23% 15 6,2<br />
Oxaliplatin/5-FU/Folinsäure (FOLFOX 4) 210 51% 16 9,0<br />
(De Gramont A et al. J Clin Oncol 2000;18:2938-47)<br />
Es zeigte sich in beiden Studien ein signifikanter Unterschied in der Remissionsrate (RR) sowie ein längeres<br />
progressionsfreies Überleben (PFS) zugunsten des Oxaliplatinarms. Allerdings war die Toxizität mit Oxaliplatin auch<br />
deutlich höher (v.a. Neuropathien). Ein signifikanter Unterschied in der Überlebenszeit konnte wegen des Crossover-Designs<br />
<strong>und</strong> Second- <strong>und</strong> Third-line-Therapien nicht gezeigt werden.<br />
Mayo-Clinic-Schema vs. Hochdosis-5-FU/Folinsäure+Oxaliplatin (FUFOX)<br />
(Grothey A. et al., ProcAmSocClinOncol 2002;21:512)<br />
Arm B Prüfarm (FUFOX)<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Oxaliplatin 50 2 Std. Infusion in Glucose 5% 1,8,15,22<br />
Folinsäure 500 2 Std. Infusion vor FU 1,8,15,22<br />
5-FU 2000 24 Std. Infusion 1,8,15,22<br />
Wiederholung Tag 36, dann alle 5 Wochen.<br />
Schema Pat. (n) Ansprechen<br />
Medianes Überleben Medianes PFS<br />
(Mon.)<br />
(Mon.)<br />
FUFOX 118 48,3% 20,4 7,9<br />
Mayo-Clinic 124 22,6% 16,1 5,3<br />
Die Oxaliplatin-Kombinationstherapie ist signifikant wirksamer als das Mayo-Clinic-Schema <strong>und</strong> auch weniger<br />
toxisch (Im Mayo-Schema 3 = 2,4% toxische Todesfälle vs. 1 = 0,8% bei FUFOX). Das lange mediane<br />
Überleben resultiert aus Oxaliplatin- <strong>und</strong> Irinotecan-haltigen Salvage-Therapien.<br />
301
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Capecitabin/Irinotecan vs. Capecitabin/Oxaliplatin<br />
In einer randomisierten Phase-II-Studie wurde die Kombination des oralen 5-FU-Prodrug Capecitabin mit<br />
Irinotecan gegen Capecitabin plus Oxaliplatin als First-line-Therapie bei fortgeschrittenem CRC evaluiert.<br />
Hauptzielkriterium ist die Ansprechrate, Nebenzielkriterien sind die Zeit bis zur Progression, die<br />
Überlebenszeit, die Toxizität <strong>und</strong> die Lebensqualität.<br />
Studienleiter: Prof. H.-J. Schmoll, Halle<br />
Studiensekretariat: Tel. 0345/557-2849 / 2924 Fax 0345/557-2950<br />
Ein- <strong>und</strong> Ausschlusskriterien<br />
Histologisch nachgewiesenes Adenokarzinom des Kolons oder Rektums<br />
Inoperable <strong>und</strong>/oder metastasierte Erkrankung (mindestens eine evaluierbare Metastase muss außerhalb<br />
eines evtl. vorbestehenden Strahlenfeldes liegen).<br />
Keine vorangegangene Chemotherapie für metastasierte Erkrankung (Immuntherapie zählt nicht als<br />
Chemotherapie): adjuvante Chemotherapie erlaubt, falls sie mindestens 6 Monate zurückliegt.<br />
Mindestens eine ausmessbare Referenzmetastase von mindestens 20 x 20 mm Größe<br />
Alter zwischen 18 <strong>und</strong> 75 Jahren <strong>und</strong> Performance-Status nach ECOG (WHO): 0,1,2<br />
Lebenserwartung über 3 Monate<br />
Bilirubin < 2x Norm; AP < 3x Norm; Kreatinin< 2x Norm<br />
Möglichkeit der regelmäßigen längerfristigen Nachsorge<br />
Initiale Evaluation 4 Wochen oder weniger vor Studienaufnahme<br />
Keine ZNS-Metastasen<br />
Kein Zweitmalignom außer Cervix-Ca. in situ o. nicht-Melanom-Hautkrebs<br />
Keine schwerwiegenden internistischen Begleiterkrankungen, die eine zytostatische Therapie ausschließen,<br />
insbesondere keine KHK trotz adäquater Therapie<br />
Keine vorbestehende schwere Polyneuropathie<br />
Behandlungsplan<br />
Arm A<br />
Capecitabin<br />
2000 mg/m 2 oral Tag 1 -14 mit Aufteilung der täglichen Gesamtdosis in 2 Gaben (morgens<br />
<strong>und</strong> abends jeweils 30 min. nach dem Essen);<br />
Irinotecan 100 mg/m 2 in 500 ml NaCl als 90 Minuten-Infusion Tag 1 <strong>und</strong> 8<br />
Cave: zur Prophylaxe des akut-cholinergen Syndroms Applikation von 0,5 mg Atropin s.c.<br />
30 min vor Irinotecan obligat (cave Glaukom)<br />
Wiederholung Tag 22<br />
Arm B<br />
Capecitabin<br />
2000 mg/m 2 oral wie oben<br />
Oxaliplatin 70 mg/m 2 in 500 ml Glucose 5% i.v. als 120 min.-Infusion Tag 1 <strong>und</strong> 8<br />
Wiederholung Tag 22<br />
Fortsetzung der Th. bis zur Progression od. Auftreten einer schweren Toxizität, bei CR max. ein Jahr.<br />
Bei Progress wird ein Cross-over empfohlen, ist aber optional.<br />
Ergebnisse (A.Grothey et al., ASCO 2004, Abstr. 3534)<br />
Insgesamt 161 Patienten, davon erhielten 68 Pat. CapOx oder CapIri als second-line-Therapie nach Cross-over.<br />
Toxizität: Eine schwere Diarrhoe als Grad-3/4-Toxizität trat häufiger im second-line CapIri auf (10,8% vs. 0%),<br />
die Oxaliplatin-induzierte Neurotoxizität nach first-line CapOx war reversibel unter second-line CapIri.<br />
Effektivität (CapIri vs. CapOx): Responseraten 20,6% vs. 12,7%, Stable disease 50 vs. 48,4%, Progressive<br />
disease 29,4% vs. 38,7%. Progressionsfreies Überleben 5,1 vs. 4,3 Monate. Overall survival 9,6 vs. 10,6<br />
Monate. Das Gesamtüberleben für Patienten mit first- <strong>und</strong> second-line-Therapie war fast identisch: CapOx →<br />
CapIri 17,8 Monate, CapIri → CapOx 17,7 Monate. CapIri <strong>und</strong> CapOx sind beide effektive <strong>und</strong> tolerable<br />
Regime. Es ergibt sich kein Vorteil für eine bestimmte Behandlungssequenz.<br />
302
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Oxaliplatin/5-FU-24h/FA vs. Oxaliplatin/Capecitabin<br />
Diese Studie vergleicht in der palliativen Situation als first-line-Behandlung zwei Chemotherapien, die beide<br />
eine „Neue Substanz“ enthalten <strong>und</strong> mit einem 5-FU-Infusionsregime bzw. einem oralen 5-FU-Prodrug<br />
kombiniert werden:<br />
Hochdosis-5-FU/Folinsäure + Oxaliplatin (FUFOX)<br />
versus<br />
Capecitabin + Oxaliplatin (CAPOX)<br />
Studienziele<br />
Hauptzielkriterium: Vergleich der progressionsfreien Überlebenszeiten von Patienten mit fortgeschrittenem<br />
kolorektalen Karzinom unter der palliativen Chemotherapie<br />
Nebenzielkriterien: Remissionsraten<br />
Gesamtüberlebenszeiten<br />
Dokumentation der Toxizitäten in beiden Chemotherapiearmen<br />
Beurteilung der Lebensqualität<br />
Einschlusskriterien<br />
Patienten mit inoperablen Metastasen eines histologisch gesicherten kolorektalen Karzinoms<br />
Messbare Tumorparameter entsprechend den RECIST-Kriterien<br />
Leukozyten >3000/µl, Thrombozyten >100.000/µl<br />
Serumkreatinin < 1,25 x Normwert, Serumbilirubin < 1,25 x Normwert; bei Vorliegen von Lebermetastasen<br />
Serumbilirubin < 1,5 x Normwert, GOT/GPT < 2,5 x Normwert.<br />
Kreatinin-Clearance > 30ml/min (Dosismodifikation für Kreatinin-Clearance von 30-50 ml/min)<br />
Schriftliche Einverständniserklärung des Patienten<br />
Eine vorausgegangene adjuvante Chemotherapie oder Radio-/Chemotherapie muss mindestens sechs<br />
Monate zuvor abgeschlossen sein<br />
Alter > 18 Jahre<br />
Allgemeinzustand < 2 (ECOG)<br />
Geschätzte Lebenserwartung über 3 Monate<br />
Evaluation der Tumormanifestation 4 Wochen oder weniger vor Aufnahme in die Studie<br />
Ausschlusskriterien<br />
Zweitmalignome innerhalb der letzten 5 Jahre mit Ausnahme eines Basalioms oder eines erfolgreich<br />
behandelten in-situ-Karzinoms der Cervix.<br />
Hochgradige internistische Erkrankungen (z.B. dekompensierte Herzinsuffizienz, schwere KHK,<br />
Myokardinfarkt innerhalb von 6 Monaten vor Aufnahme in die Studie)<br />
Metastasen im ZNS<br />
Vorbestehende schwere Polyneuropathie<br />
Schwangerschaft, stillende Frauen<br />
Bekannte Allergie gegenüber einem der eingesetzten Medikamente oder deren Inhaltsstoffen<br />
Bekannter DPD-Mangel<br />
Gleichzeitige Therapie mit dem Virostatikum Sorivudin oder dessen chemischen Verwandten<br />
Bestrahlung der Indikatorläsion<br />
Vorangegangene palliative Chemotherapie<br />
Studienleitung:<br />
Prof. Dr. med. R. Porschen, <strong>Klinik</strong> für Innere Medizin, Zentralkrankenhaus Bremen Ost, Züricher Strasse 40,<br />
28235 Bremen, porsch@zkhost.bremen.de<br />
Studiensekretariat:<br />
Dr.med. H.-T. Arkenau, <strong>Klinik</strong> für Innere Medizin, Zentralkrankenhaus Bremen Ost, Züricher Strasse 40, 28325<br />
Bremen<br />
Tel.: 0421/408-2534 Fax: 0421/408-2235 harkenau@zkhost.bremen.de<br />
Die Studie ist beendet. Ergebnisse siehe folgende Seite!<br />
303
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Oxali./5-FU-24h/FA vs. Oxali./Capecitabin –Therapieprotokoll<br />
ARM A<br />
Oxaliplatin:<br />
Folinsäure:<br />
5-FU:<br />
Tag 1, 8, 15, 22<br />
50 mg/m 2 (2-Std.-Infusion)<br />
anschließend 500 mg/m 2 als 2-Std.-Infusion,<br />
anschließend: 2000 mg/m 2 5-FU-Hochdosis-22-Std.-Infusion.<br />
Wiederholung an Tag 36. 1 Zyklus umfasst somit 5 Wochen.<br />
ARM B<br />
Oxaliplatin 70 mg/m 2 (2-Std.-Infusion) an Tag 1 <strong>und</strong> 5, Wiederholung an Tag 22<br />
Capecitabin 2 x 1000 mg/m 2 /Tag oral für 2 Wochen, 1 Woche Pause.<br />
1 Zyklus umfasst somit 3 Wochen. Nach jeweils 3 Zyklen 2 Wochen Pause<br />
Um die kumulative Oxaliplatindosis in beiden Armen vergleichbar zu halten, wird in Arm B die Pause<br />
nach jeweils 3 Zyklen von 1 auf 2 Wochen verlängert.<br />
Antiemese<br />
Wegen der Gabe von Oxaliplatin sollten generell HT 3 -Rezeptorantagonisten eingesetzt werden. Eine<br />
prophylaktische antiemetische Therapie mit 4x50 Tropfen Metoclopramid am Tag der Chemotherapie <strong>und</strong> an<br />
beiden Tagen danach sollte durchgeführt werden. Diese Therapie kann durch 2x4 mg Fortecortin p.o. ergänzt<br />
werden.<br />
Hand-Fuß-Syndrom:<br />
Bei Auftreten einer Rötung der Handflächen oder der Fußsohlen sollte unter Gabe von Capecitabin die<br />
Behandlung unterbrochen werden.<br />
Diarrhoe<br />
Bei ausgeprägter therapiepflichtiger Diarrhoe ist der zeitgerechte Einsatz von Loperamid oder Octreotid zu<br />
empfehlen (Sandostatin; 3x50 bis 3x100 µg pro Tag). Auf einen Ersatz der Flüssigkeitsverluste ist dabei<br />
besonders zu achten.<br />
Bei neutropener Diarrhoe oder Fieber plus Diarrhoe ist eine adäquate antibiotische Therapie obligat, z.B.<br />
Metronidazol oral plus breite systemische Antibiose i.v. (z.B. β-Lactam-Antibiotika plus Aminoglykosid).<br />
Kardiotoxizität<br />
Sofort die Infusionstherapie unterbrechen. Bei 5-FU <strong>und</strong> Capecitabin bedingter Kardiotoxizität darf mit 5-FU<br />
<strong>und</strong> Capecitabin nicht mehr behandelt werden.<br />
Interim-Safety-Analyse<br />
Nach Einbringen von 420 Patienten zwischen August 2002 <strong>und</strong> Mai 2004 ist die Studie jetzt geschlossen. Die<br />
Interim-safety-Analyse (Arkenau HT et al., Abstract #3546, ASCO 2004) ergab folgende Toxizitätsdaten:<br />
Häufigkeit <strong>und</strong> Schweregrad der gastrointestinalen Nebenwirkungen <strong>und</strong> des Hand-Fuß-Syndroms sind ähnlich<br />
in beiden Gruppen. Patienten im FUFOX-Arm erleiden häufiger Grad-3/4 Neuropathien (25% im FUFOX- vs.<br />
16% im CAPOX-Arm).<br />
Die hämatologische Toxizität ist gering bis auf ca. 10% Grad-3/4 Neutropenien, die häufiger im FUFOX-Arm<br />
vorkommen.<br />
Schlussfolgerung: CAPOX ist mindestens gleich gut verträglich wie FUFOX in der First-line Therapie des<br />
metastasierten CRC.<br />
CAPOX FUFOX<br />
n= 167 n=155<br />
p-Wert<br />
PFS 7,0 Mon. 8,0 Mon. 0,11<br />
CR 3% 5% 1,0<br />
PR 39% 40% 1,0<br />
SD 32% 23% 1,0<br />
PD 26% 32% 1,0<br />
Überleben (PFS) war im FUFOX-Arm besser (8 versus 7 Monate).<br />
Studienergebnisse (Arkenau H. et<br />
al., ASCO 2005,#3507)<br />
Die Toxizitätsprofile <strong>und</strong><br />
Responseraten in beiden<br />
Kombinationstherapien sind<br />
vergleichbar. Das progressionsfreie<br />
304
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Irinotecan (Campto ® )<br />
Irinotecan gehört zur Gruppe der Topoisomerase-I-Inhibitoren. Campto ® ist für die First-line-Therapie<br />
des metastasierten CRC zugelassen<br />
- in Kombination mit 5-FU <strong>und</strong> Folinsäure bei erwachsenen Patienten ohne vorausgegangene<br />
Chemotherapie im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung,<br />
- als Monotherapie bei erwachsenen Patienten, die auf eine Vorbehandlung mit einem 5-FU<br />
enthaltenden Regime nicht angesprochen haben.<br />
Wirkmechanismus<br />
Topoisomerase I ist ein nukleäres Enzym, das kovalent am 3‘-Ende der DNA-Doppelhelix bindet. Dessen Aufgabe besteht<br />
in der passageren Spaltung eines Stranges, um die Replikation zu ermöglichen. Durch Bindung eines Inhibitors (Irinotecan)<br />
am Enzym werden irreversible Strangabbrüche induziert <strong>und</strong> so die DNA-Replikation <strong>und</strong> die Bildung von mRNA gestört.<br />
Dosierung<br />
Monotherapie<br />
Substanz Dosis (mg/m²/d) Applikationsform Therapietage<br />
Irinotecan 350 60 – 90 min Infusion 1, WH Tag 22<br />
Cunningham D. et al.: Lancet 1998;352:1413-18<br />
Monotherapie „weekly“<br />
Substanz Dosis (mg/m²/d) Applikationsform Therapietage<br />
Irinotecan 100-125 60 – 90 min Infusion 1,8,15,22 WH Tag 43<br />
Rothenberg M.L. et al.:Cancer 1999;85:786-795<br />
Toxizität<br />
Unmittelbar nach Infusion tritt häufig ein akutes cholinerges Syndrom mit Durchfall, Bauchkrämpfen<br />
<strong>und</strong> Speichelfluss auf. Deshalb erfolgt eine prophylaktische Gabe von Atropin 0,25 mg s.c.. Akute<br />
<strong>und</strong> verzögerte Übelkeit können auftreten.<br />
Neben einer akuten Diarrhoe wird bei bis zu 30 % der Patienten eine nach durchschnittlich 5 Tagen<br />
einsetzende verzögert auftretende Diarrhoe beobachtet, die ohne adäquate Behandlung<br />
lebensbedrohlich sein kann: Hochdosierte Gabe von Loperamid obligat (initial 4 mg, dann 2 mg alle 2<br />
St<strong>und</strong>en bis 12 St<strong>und</strong>en nach dem letzten flüssigen Stuhl, jedoch nicht länger als 48 St<strong>und</strong>en in dieser<br />
Dosierung). Das Auftreten von Diarrhoen in der Phase der Neutropenie (Grad 3 - 4 in ca. 40%) birgt<br />
eine Gefahr für das Entstehen einer Sepsis in sich. Bei Neutropenie <strong>und</strong> Diarrhoe soll deshalb eine<br />
prophylaktische Antibiotikatherapie mit Ciprofloxacin erfolgen. Dauert die Diarrhoe mehr als 24<br />
St<strong>und</strong>en, bestehen zusätzlich Erbrechen oder Fieber, ist zwingend die stationäre Aufnahme des<br />
Patienten erforderlich. Der Patient <strong>und</strong> der Hausarzt sind ausführlich über das Verhalten bei Durchfall<br />
<strong>und</strong> Fieber aufzuklären. Loperamid soll prophylaktisch verordnet, aber nur bei Auftreten von Durchfall<br />
wie oben angegeben eingenommen werden.<br />
Durch wöchentliche Applikation kann das Auftreten schwerer Diarrhoen deutlich reduziert werden.<br />
Studienergebnisse Monotherapie<br />
In einer randomisierten Studie wurden Pat. nach Versagen einer konventionellen 5-FU-Therapie<br />
entweder mit Irinotecan 300-350 mg/m² alle 3 Wochen oder mit einer 5-FU-Infusionstherapie<br />
behandelt (Rougier P. et al. Lancet 1998;352:1407-12). Durch Irinotecan konnte die Zeit bis zur Progression (2,9<br />
vs. 4,2 Monate) <strong>und</strong> die Überlebenszeit (8,5 vs. 10,8 Monate) signifikant verlängert werden.<br />
Eine weitere Studie verglich Irinotecan mit Best supportive Care bei Pat. mit Therapieversagen nach<br />
zwei <strong>und</strong> mehr 5-FU-haltigen Vortherapien (Cunningham D. et al. Lancet 1998;352:1413-18). Auch in dieser<br />
Studie war Irinotecan sowohl im Hinblick auf die Zeit bis zur Progression als auch die Überlebenszeit<br />
(9,2 versus 6,5 Monate) überlegen. Gleichzeitig hatten die Pat. mit Chemotherapie eine durchweg<br />
bessere Lebensqualität als die ausschließlich symptomatisch behandelten Patienten.<br />
305
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Irinotecan, 5-FU <strong>und</strong> Folinsäure, Douillard-Studie<br />
Douillard-Studie (Lancet 2000;355:1041-47)<br />
De-Gramont-Schema<br />
Irinotecan 180 mg/m 2<br />
+<br />
5-FU 400mg/ m 2 Bolus<br />
5-FU 22h 600mg/m 2<br />
FA 200 mg/m 2<br />
Tag 1 + 2, WH Tag 15<br />
VS<br />
5-FU 400mg/ m 2 Bolus<br />
5-FU 22h 600mg/m 2<br />
FA 200 mg/m 2<br />
Tag 1 + 2, WH Tag 15<br />
AIO-Schema<br />
Irinotecan 80 mg/m 2<br />
+<br />
5-FU 24h 2300mg/m 2<br />
FA 500 mg/m 2<br />
wöchentlich x 6, WH Tag 50<br />
VS<br />
5-FU 24h 2600mg/m 2<br />
FA 500 mg/m 2<br />
wöchentlich x 6, WH Tag 50<br />
In der europäischen Studie<br />
V-303 geleitet, von<br />
Douillard, wurde bei 387<br />
unvorbehandelten Patienten<br />
ein 5-FU-Infusionsprotokoll<br />
als Standardarm, entweder<br />
das de-Gramont- oder das<br />
AIO-Schema, mit der<br />
jeweiligen Kombination mit<br />
Irinotecan verglichen.<br />
Die Kombination mit Irinotecan<br />
zeigte eine signifikante<br />
Überlegenheit in der Ansprechrate<br />
(49 vs. 31%), der<br />
Zeit bis zur Progression (6,7<br />
vs. 4,4 Monate) <strong>und</strong> der<br />
Überlebenszeit (17,4 vs.14,1<br />
Monate). Außerdem verzögerte sich die Verschlechterung des Ges<strong>und</strong>heitszustandes unter der<br />
Irinotecan-Kombination.<br />
Ergebnisse: siehe auch übernächste Seite.<br />
EORTC-Studie Nr. 40986<br />
Die multizentrische EORTC-Studie Nr. 40986, die 1999 initiiert wurde, hatte den gleichen Ansatz. Sie wollte auch<br />
herausfinden, welche Patientengruppen von einer frühzeitigen intensiven Kombinations-Chemotherapie profitieren.<br />
Ergebnisse siehe Seite EORTC Studie 40986.<br />
Arm A = Referenz-Arm<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
5-FU 2600 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
WH Tag 50<br />
Arm B = Experimenteller Arm<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
5-FU 2000* 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
Irinotecan 80 ½-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
WH Tag 50<br />
* Die ursprüngliche 5-FU-Dosis wurde nach einem Amendment der Arbeitsgruppe internistische<br />
<strong>Onkologie</strong> aus Toxizitätsgründen von 2300 auf 2000 mg/24-St<strong>und</strong>en reduziert.<br />
306
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Irinotecan, 5-FU <strong>und</strong> Folinsäure/Toxizität, Saltz-Studie<br />
Die Studie von Saltz (L. B. Saltz et al. NEJM 2000; 343: 905-14) zeigte eine signifikante Überlegenheit der<br />
Kombinationschemotherapie mit Irinotecan, 5-FU <strong>und</strong> Folinsäure gegenüber Irinotecan als<br />
wöchentliche Monotherapie <strong>und</strong> gegenüber 5-FU/Folinsäure (NCI-Protokoll) sowohl im Hinblick auf<br />
das progressionsfreie als auch das Gesamtüberleben beim metastasierenden kolorektalen Karzinom.<br />
Therapieschema<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Irinotecan 125 90 min-Infusion 1, 8, 15, 22<br />
Folinsäure 20 i.v.-Bolus 1, 8, 15, 22<br />
5-FU 500 i.v.-Bolus 1, 8, 15, 22<br />
Wiederholung Tag 36<br />
Die Toxizität war mit einer therapieassoziierten Mortalität von knapp 1% allerdings hoch.<br />
Überprüfung der Ergebnisse in den beiden folgenden Studien<br />
NCI-Trial N9741 (metastasierte Stadien) <strong>und</strong> C89803 (Adjuvante Therapie)<br />
• Irinotecan , 5-FU, Folinsäure (Schema nach Saltz)<br />
• Hohe Rate an Todesfällen von 4,8% (14 von 289 Pat.) bzw. 2,2% (14 von 635 Pat.) innerhalb<br />
der ersten 60 Tage nach Therapiebeginn<br />
⇒ Stop des weiteren Einschlusses neuer Patienten vom NCI empfohlen<br />
Konsequenz<br />
• Intensives Monitoring bei Einsatz Irinotecan/Bolus 5-FU/Folinsäure<br />
• Alternativ:<br />
“Infusional 5-FU”, z.B. Schema des experimentellen Armes der EORTC-Studie 40986. Im Frühjahr<br />
2001 wurde aus Toxizitätsgründen die initiale 5-FU-Dosis von 2300 mg/m 2 (entspricht dem Schema nach<br />
Douillard: Lancet 2000;355:1041-7) auf 2000 mg/m 2 /24 St<strong>und</strong>en reduziert.<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Irinotecan 80 ½-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
5-FU 2000 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
Wiederholung Tag 50<br />
Die Kombination Oxaliplatin/Irinotecan vs. Irinotecan/5-FU/Folinsäure wurde in einer Phase-III-<br />
Studie geprüft (siehe "FIRE").<br />
307
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
HD-5-FU/FA ± Irinotecan (EORTC Nr. 40986)<br />
Im Herbst 1999 wurde die randomisierte Studie der EORTC aktiviert, bei der überprüft werden sollte, ob die<br />
Einführung einer der „neuen Substanzen“ in der first-line-Therapie metastasierter kolorektaler Tumoren einen<br />
Überlebensvorteil bringt. Inzwischen ist die Studie geschlossen.<br />
Erste Hinweise auf eine Sinnhaftigkeit einer solchen Therapie gibt die randomisierte, multizentrische Studie von<br />
Douillard et al Lancet 2000; 355:1041-47). Hier war bei 387 Patienten das „De-Gramont“-Schema bzw. das sog.<br />
„AIO-Schema“ als HD-5-FU/FA-Regime unter Hinzunahme von wöchentlich 80 mg/m² Irinotecan geprüft<br />
worden. Diese Studie hatte für die Irinotecan-haltige Kombination nicht nur eine höhere Ansprechrate (49 vs.<br />
31%), eine längere Zeit bis zur Progression (6,7 vs. 4,4 Monate), sondern auch ein um 3,3 Monate auf 17,4<br />
Monate signifikant verlängertes medianes Gesamtüberleben erbracht. Die Lebensqualität ergab keine<br />
signifikanten Unterschiede.<br />
Die Studie 40986 verglich das AIO-Schema im Standardarm mit der zusätzlichen Gabe von Irinotecan 80<br />
mg/m² wöchentlich. Während der Studie waren in dem Arm B: AIO-Schema + Irinotecan (AIO 2,3 + IRI) unter<br />
93 Pat. 3 Todesfälle aufgetreten. Daraufhin wurde die 5-FU-Dosis für die nachfolgend rekrutierten Pat. auf 2000<br />
mg/m 2 reduziert (AIO 2,0 + IRI). Die Auswertung der Pat. erfolgte stratifiziert entsprechend der veränderten<br />
Dosierung. Siehe nachstehende Tab.<br />
Im Arm A (AIO-Schema) wurde ein therapiebedingter Todesfall beobachtet. Hier erfolgte keine Änderung der<br />
Dosierung. Die Auswertung wurde ab dem Zeitpunkt der reduzierten Dosis im Arm B auch im Arm A in zwei<br />
Strata vorgenommen, in der Tab. als Periode I <strong>und</strong> Periode II ausgewiesen.<br />
Ergebnisse (Köhne CH et al., ASCO-Meeting, Orlando 2002, Abstract 532 )<br />
Merkmal Arm A (AIO-Schema) Arm B (AIO 2,3 + IRI; AIO 2,0 + IRI)<br />
Pat. (n) 188 179<br />
60-Tage-Mortalität 7/188 (3,7%) 4/179 (2,2%)<br />
Periode I II AIO 2,3 AIO 2,0<br />
Toxizität n=70 n=63 (n=70) (n=56)<br />
Leukopenie 3% 6,4% 7,1% 8,6%<br />
Diarrhoe 20% 12,7% 34,3% 17,3%<br />
Therapieabbruch: TOX 4,2% 14% 19,4% 20,7%<br />
andere Gründe 6,9% 4,7% 18,1% 17,2%<br />
Fazit der Autoren: Die Reduktion der 5-FU-Dosis im IRI-Arm bewirkte eine relevante Verminderung der GI-<br />
Toxizität. Die hämatologische Toxizität war in AIO 2,3 + IRI <strong>und</strong> AIO 2,0 + IRI unverändert. Nach der<br />
Dosisreduktion zu AIO 2,0 + IRI wurde kein therapiebedingter Todesfall mehr beobachtet.<br />
Ergebnisse der AIO-Studie, Studien von Douillard et al. sowie von Saltz et al.<br />
FU Bolus oder Dauerinfusion +/- Irinotecan<br />
Schema N Response TTP/PFS ÜLZ Autor<br />
Douillard/AIO<br />
+ CPT-11<br />
338<br />
23%<br />
35%<br />
4,4<br />
6,7<br />
14,1<br />
17,0<br />
Douillard<br />
Lancet 2000<br />
IFL (Saltz)<br />
+ CPT-11<br />
440<br />
21%<br />
39%<br />
4,3<br />
7,0<br />
12,6<br />
14,8<br />
Saltz<br />
NEJM 2000<br />
AIO<br />
+ CPT-11 430<br />
-<br />
-<br />
6,5<br />
8,5<br />
-<br />
-<br />
EORTC<br />
(Köhne)<br />
ASCO 2002<br />
308
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Metastasiert, EORTC-Studie 40015<br />
Infusional-5-FU/Folinsäure plus Irinotecan versus Capecitabin plus Irinotecan +/- Celecoxib bei<br />
metastasiertem kolorektalen Karzinom bei Pat. mit intermediärem <strong>und</strong> gutem Risiko.<br />
Fragestellung: Kann Infusional-5-FU durch Capecitabin ersetzt werden ohne Nachteil für die Wirksamkeit in<br />
der Kombination mit Irinotecan Ist die Capecitabin-Kombination weniger toxisch als das Infusional-5-FU<br />
Einschlusskriterien<br />
Histologisch nachgewiesenes Adenokarzinom des Kolons oder des Rektums im metastasierten Stadium.<br />
Alter über 18 Jahre, Allgemeinzustand 0-2 WHO.<br />
Keine vorausgegangene Chemotherapie für das metastasierte Stadium.<br />
Messbare oder bewertbare Metastasen.<br />
Vorausgegangene adjuvante Therapie ist erlaubt, wenn sie mindestens 6 Monate vor der Randomisation beendet<br />
wurde.<br />
Initiale Bewertung der Metastasen maximal 2 Wochen vor Beginn der Behandlung.<br />
Leukozyten > 3 G/l, Thrombozyten > 100 G/l, Bilirubin < 2 x normal.<br />
Keine Metastasen.<br />
Keine Zweitneoplasie in der Anamnese oder gegenwärtig.<br />
Ausschluss einer Schwangerschaft.<br />
Keine schwere kardiale oder pulmonale Erkrankung, keine schwergradige Angina pectoris.<br />
Schriftliche Einverständniserklärung, Möglichkeit eines Follow-up.<br />
Definition von Patienten mit intermediärem <strong>und</strong> gutem Risikoprofil<br />
WHO 0 oder 1 <strong>und</strong> ein Metastasierungsort.<br />
WHO 0 oder 1 <strong>und</strong> mehr als ein Ort der Metastasierung <strong>und</strong> alkalische Phosphatase unter 300 U/l.<br />
WHO > 1 <strong>und</strong> Leukozyten < 10 G/l <strong>und</strong> nur ein Metastasierungort.<br />
Studiendesign<br />
5-FU/Folinsäure + CPT 11 +/- Celecoxib 2x 400mg<br />
Capecitabin + CPT 11 +/- Celecoxib 2x 400 mg<br />
Arm A<br />
Irinotecan 80 mg/m 2 500 ml NaCl 0,9% 30 min. Tag 1,8,15,22,29,36<br />
Folinsäure 500 mg/m 2 500 ml NaCl 0,9% 2h Tag 1,8,15,22,29,36<br />
5-FU 2.000 mg/m 2 i.v. 24h-Inf. Tag 1,8,15,22,29,36<br />
Wiederholung Tag 50 (Tag 1 des neuen Zyklus).<br />
Arm B<br />
Irinotecan 70 mg/m 2 500 ml NaCl 0,9% 30 min. Tag 1,8,15,22,29,36<br />
Capecitabin 2 x 1.000 mg/m 2 p.o. Tag 1-14; 22-36<br />
Wiederholung Tag 50 (Tag 1 des neuen Zyklus).<br />
Eine Bewertung der Wirksamkeit der Therapie muss erfolgen nach jedem vollständigen Zyklus, entweder in der<br />
Woche 7 oder vor dem nächsten Zyklus.<br />
Die Studie wurde im April 2004 wegen insgesamt 8 Todesfällen abgebrochen<br />
(Koehne C. et al., ASCO 2005,A 3525)<br />
6 Todesfälle, von denen 5 eindeutig therapiebedingt waren, ereigneten sich im CAPE/IRI-Arm. Die Ursachen<br />
waren in 3 Fällen schwere Diarrhoen, in 2 Fällen thromboembolische Ereignisse. Die Todesfälle hatten<br />
wahrscheinlich nichts mit dem Celecoxib zu tun. 61% der Patienten im CAPE/IRI-Arm benötigten eine<br />
Dosisreduktion wegen Toxizität (39% Diarrhoe ≥Grad 3).<br />
Schlussfolgerung: CAPE/IRI ist in dieser Dosierung <strong>und</strong> diesem Schedule nicht durchführbar. Die EORTC GI<br />
Gruppe plant eine Phase-II-Studie mit 20% Dosis-Reduktion mit CAPE/IRI plus Bevacizumab vs. FOLFIRI.<br />
plus Bevacizumab.<br />
309
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Sequenzen <strong>und</strong> Kombinationen mit Oxaliplatin/Irinotecan<br />
Therapiesequenz: FOLFIRI ⇒ FOLFOX oder FOLFOX ⇒ FOLFIRI<br />
(E. Achille, C. Tournigand et al. Eur J Cancer 2001;37:1067 suppl. 6)<br />
Auf dem ECCO 2001 wurden die Ergebnisse einer Studie präsentiert, die die Therapiesequenz der<br />
neuen Substanzen Irinotecan <strong>und</strong> Oxaliplatin in Kombination mit einem 5-FU-Infusionsregime<br />
analysierte.<br />
Therapie-<br />
Sequenz A<br />
Sequenz B<br />
ansprechen FOLFIRI 109 Pat. FOLFOX 81 Pat. FOLFOX 111 Pat. FOLFIRI 69 Pat.<br />
ORR 56% 15% 53% 4%<br />
ORR + SD 79% 67% 80% 39%<br />
ORR=Overall response rate SD=stable disease<br />
Der primäre Endpunkt der Phase-III-Studie war die Zeit bis zur Progression (TTP) jeder Sequenz:<br />
Nach der 1. Chemotherapie war die TTP 8,4 in Sequenz A <strong>und</strong> 8,9 Monate in Sequenz B. Nach 2<br />
Chemotherapien betrug die TTP 14,5 Monate für Sequenz A versus 11,9 Monate für Sequenz B. Der<br />
Oxaliplatin-Arm war in der second-line-Therapie wirksamer. Dies könnte für den primären Einsatz<br />
eines Irinotecan-Regimes sprechen. Allerdings konnten in Sequenz B bei 13 Patienten, die also primär<br />
eine Oxaliplatin-Kombination erhielten, Metastasen R0-reseziert werden im Vergleich zu nur 7<br />
Patienten im Irinotecan-Arm.<br />
Oxaliplatin + Irinotecan vs. Oxaliplatin oder Irinotecan + 5-FU/Leucovorin<br />
(Goldberg R.M. et al. ProcAmSocClinOncol 2002;21:511)<br />
In der auf dem ASCO 2002 vorgestellten Intergroup study N 9741 wurde die Kombination Oxaliplatin<br />
85mg/m² + Irinotecan (CPT-11) 200mg/ m² mit dem Original Saltz-Regime (Irinotecan + Bolus/5-FU<br />
weekly) <strong>und</strong> der Oxaliplatin/5-FU/Folinsäure-Kombination nach de Gramont (FOLFOX 4) verglichen.<br />
Schema<br />
Pat. (n)<br />
60 Tage-<br />
Mortalität<br />
Progressionfreie Zeit<br />
(Monate)<br />
Überleben<br />
(Monate)<br />
Remiss.<br />
-raten<br />
CPT-11 +<br />
5FU/LV (Original Saltz)<br />
Oxaliplatin +<br />
5-FU/LV (FOLFOX 4)<br />
264 4,5 % 6,9 14,1 29%<br />
267 1,8 % 8,8 18,6 38%<br />
Oxaliplatin + CPT-11 (Wasserman) 264 1,8% 6,7 16,5 28%<br />
Die hohe Rate an frühen Todesfällen im Saltz-Regime-Arm (siehe auch entsprechende Seite) führte<br />
zum zeitweiligen Abbruch der Studie <strong>und</strong> dann zu einer Fortsetzung mit einer reduzierten Irinotecan-<br />
Dosis (125 ⇒ 100 mg/ m²).<br />
FOLFOX 4 ist sowohl in Bezug auf die Zeit bis zur Progression, das Überleben <strong>und</strong> die Ansprechraten<br />
den beiden anderen Regimen überlegen. Auch war das Toxizitätsprofil von Oxaliplatin/5-<br />
FU/Folinsäure das akzeptabelste.<br />
Diese Ergebnisse führten dazu, dass auf dem ASCO 2002 FOLFOX 4 zur damaligen Standardtherapie<br />
in der First-line-Therapie des metastasierenden CRC erhoben wurde.<br />
310
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Sequentielle Therapie, FOLFOX6/FOLFIRI<br />
Studientitel<br />
FOLFIRI gefolgt von FOLFOX6 oder in der umgekehrten Sequenz beim fortgeschrittenen kolorektalen Karzinom. Eine<br />
randomisierte GERCOR Studie, Phase III (C.Tournigand et al. JCO, 2004; 22:229-237).<br />
Fragestellung<br />
Randomisierter Vergleich von FOLFIRI <strong>und</strong> FOLFOX6 in der Erstlinientherapie <strong>und</strong> Bewertung des Therapieerfolges der<br />
unterschiedlichen Sequenzen in der Erst-/Zweitlinienbehandlung, FOLFIRI gefolgt von FOLFOX6 <strong>und</strong> FOLFOX6 gefolgt<br />
von FOLFIRI<br />
Patienten <strong>und</strong> Methoden<br />
226 Pat. mit metastasiertem kolorektalen Karzinom, nicht resezierbaren, zweidimensional >2cm messbaren Läsionen oder<br />
nicht quantifizierbarer Resterkrankung zwischen 18 <strong>und</strong> 75 Jahren, einem WHO-Performance Status von 0-2 <strong>und</strong><br />
adäquaten Organfunktionen wurden zwischen Dez. 1997 <strong>und</strong> Sept. 2000 eingeschlossen.<br />
5-FU/FA mg/m² Applikationsform Therapie<br />
l-Leucovorin<br />
200<br />
2 h Inf. d1<br />
oder dl-Leucovorin<br />
400<br />
5-FU 400 i.v. Bolus d1<br />
5-FU Kurs 1 u. 2 2400 48 h Inf. d1<br />
5-FU ab Kurs 3 3000 48 h Inf. d1<br />
FOLFIRI<br />
plus Irinotecan 180 90’ Inf. 500ml G5% d1<br />
FOLFOX6<br />
plus Oxaliplatin 100 2 h Inf. in 500ml G5% d1<br />
Ergebnisse<br />
First-Line-Therapie<br />
In der Erstlinientherapie waren für FOLFIRI 3 (2,8%) CR<br />
vs. 5 (4,5%) für FOLFOX6 zu verzeichnen. Die<br />
Responsraten waren 56% für FOLFIRI vs. 54% für<br />
FOLFOX. Die medinane Zeit bis zum Ansprechen wurde<br />
mit 2,1 Monaten (Arm A) vs. 1,8 Monaten (Arm B)<br />
bestimmt. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 11<br />
Monate für FOLFIRI gegenüber 10,6 Monate für FOLFOX.<br />
Eine PR wurde in 53% unter FOLFIRI, in 49% unter<br />
FOLFOX erreicht, ein Progress musste in 14% (Arm A) vs.<br />
13% (Arm B) diagnostiziert werden. Keine Aussage wurde<br />
für jeweils 7% der Pat. getroffen. Einer Operation wurden<br />
10 Pat. in Arm A <strong>und</strong> 24 Pat. in Arm B zugeführt. Das<br />
mittlere Überleben für in zweiter Linie operierte Pat. betrug<br />
47 Monate.<br />
Second-Line-Therapie<br />
Die RR waren 15% mit FOLFOX6 second-line vs. 4% mit<br />
FOLFIRI. Darunter keine CR. Eine stabile Erkrankung<br />
konnte in 48% durch FOLFOX vs. 30% durch FOLFIRI<br />
erreicht werden. Progressionen wurden in 35% unter<br />
FOLFOX <strong>und</strong> in 51% unter FOLFIRI in der<br />
Zweitlinientherapie gesehen.<br />
Gesamtüberleben (OS)<br />
Das mediane OS war 21,5 Monate für Arm A (range, 16,9<br />
bis 25,2) <strong>und</strong> für Arm B 20,6 Monate (range, 17,7 bis 24,6).<br />
Unabhängige Prognosefaktoren waren ein guter<br />
Performance-Status, niedrige LDH, Fehlen einer<br />
Für Arm A randomisierte Pat.<br />
erhielten FOLFIRI bis zur<br />
Tumorprogression oder<br />
gravierender Toxizität <strong>und</strong><br />
wurden dann mit FOLFOX6<br />
weiter behandelt.<br />
Für Arm B randomisierte Pat.<br />
erhielten zunächst FOLFOX6,<br />
um bei Progress oder nicht<br />
tolerierbarer Toxizität auf<br />
FOLFIRI umgestellt zu werden.<br />
Proggressionsfreies Überleben, (A) First-line-Therapie,<br />
(B) second-line-Therapie<br />
vorausgegangenen Chemotherapie, niedrige AP, Metastasen auf die Leber begrenzt, CEA <strong>und</strong> weibliches Geschlecht.<br />
Zusammenfassung<br />
Ein statistisch signifikanter Unterschied für die Remissionsraten, das progressionsfreie Überleben nach Erst- <strong>und</strong><br />
Zweitlinientherapie sowie für das Gesamtüberleben konnte für die beiden Therapiearme FOLFIRI/FOLFOX6 <strong>und</strong><br />
FOLFOX6/FOLFIRI nicht nachgewiesen werden. In beiden Therapiearmen konnte ein OS um 20 Monate erreicht werden.<br />
Signifikant mehr Pat. erreichten jedoch eine Resektabilität unter der Primärtherapie mit FOLFOX gegenüber FOLIRI.<br />
311
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
FIRE-Studie<br />
Die sogenannte „FIRE-Studie“ (Flourouracil, Irinotecan, Eloxatine) wird durch die Ludwig-Maximilians-Universität<br />
in München koordiniert. Hier sollen in der first-line-Therapie die beiden wichtigsten neuen Substanzen Irinotecan<br />
<strong>und</strong> Oxaliplatin angewendet werden.<br />
Ansprechpartner: PD Dr. V. Heinemann, III.Med. <strong>Klinik</strong>, <strong>Klinik</strong>um Großhadern.<br />
Ein- <strong>und</strong> Ausschlusskriterien<br />
Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Kolons oder Rektums<br />
Metastasierte Erkrankung mit zweidimensional messbaren Läsionen (CT o. MR ≥2cm, Rö-Thor. ≥1cm)<br />
Messbare Läsionen außerhalb des Bestrahlungsfeldes bei zuvor bestrahlten Patienten<br />
Keine vorangegangene Chemotherapie im Rahmen der Metastasierung<br />
Alter zwischen 18 <strong>und</strong> 75 Jahren <strong>und</strong> Performance-Status mit Karnofski ≥70%<br />
Adjuvante Therapie mindestens 6 Monate vor Randomisation beendet <strong>und</strong> ohne Topoisomerase-1-Inhibitoren <strong>und</strong><br />
Platinanaloga<br />
Leukos. ≥3000, Thrombos ≥100000/µl, Kreatinin ≤1,25 x Norm, Bili. ≤1,25x Norm <strong>und</strong> OT/PT ≤3x Norm in<br />
Abwesenheit von bzw. ≤1,5 <strong>und</strong> 5x Normwert bei Anwesenheit von Lebermetastasen<br />
Keine chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, kein Ileus<br />
Kein klinischer Hinweis auf Hirnmetastasen<br />
Kein Zweitmalignom außer Cervix-Ca. in situ o. Nicht-Melanom-Hautkrebs<br />
Keine schwerwiegenden internistischen Begleiterkrankungen, die eine zytostatische Therapie ausschließen<br />
Chemotherapie<br />
Der Standardarm entspricht dem experimentellen Arm der EORTC-Studie 40986.<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
5-FU 2000 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
Irinotecan 80 ½-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
Wdh. Tag 50<br />
Für die Therapie im experimentellen Arm ist keine Portimplantation nötig, wird aber empfohlen.<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Irinotecan 80 ½-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36<br />
Oxaliplatin 85 120-min.-Infusion 1,15,29<br />
Wdh. Tag 50<br />
Die Behandlungsdauer ist bis zum Auftreten einer Progression oder einer inakzeptablen Toxizität geplant. Bei<br />
Progression sollte ein Cross-over der Therapieregime erfolgen.<br />
Falls nach 2 Zyklen eine Resektabilität von vormals nicht resektablen Lebermetastasen erreicht wird, ist eine<br />
Operation vorgesehen.<br />
Die Ergebnisse der Studie wurden auf dem ASCO 2005 vorgestellt (Schalhorn A. et al., #3516)<br />
FIRE-Studie n = 299 FOLFIRI IROX<br />
CR 8% 8%<br />
PR 38% 42%<br />
SD 47% 33%<br />
PFS 8,7 Monate 7,3 Monate<br />
OS 21,1 Monate 18,6 Monate<br />
Therapiestop wg. Toxizität 8,5% 16,5%<br />
Schlussfolgerung der Autoren: FOLFIRI <strong>und</strong> IROX sind vergleichbar effektiv. Die Toxizität ist ähnlich akzeptabel<br />
in beiden Armen.<br />
312
Metastasierte <strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Capecitabin/Oxaliplatin-Kombinationstherapie<br />
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass das orale Fluoropyrmidine Capecitabin (Xeloda®) in der Monotherapie 5-<br />
FU ersetzen kann. Dass ein Ersatz von 5-FU durch Capecitabin auch in der Kombinationstherapie mit Oxaliplatin<br />
möglich ist, haben mehrere Studien gezeigt:<br />
In den Studien der AIO ( Porschen et al., J Clin Oncol 2007) der spanischen TTD (Diaz-Rubio et al.,J Clin Oncol 2007)<br />
<strong>und</strong> einer französischen Studie (Ducreux et al. ASCO 2007) bestand kein statistisch signifikanter Unterschied für die<br />
verschiedenen untersuchten Capecitabin/Oxaliplatin Kombinationen gegenüber den 5-FU/Oxaliplatin-Kombinationen<br />
im progressionsfreien Überleben (PFS). Auch die Ansprechraten (RR) waren nicht signifikant unterschiedlich.<br />
Auf dem ASCO 2008 wurde eine kombinierte Analyse von Phase II/III-Studien, die auch oben genannte Studien<br />
einschloss, vorgestellt, die eine vergleichbare Effektivität von Capecitabin/Oxaliplatin mit Oxaliplatin-basierten<br />
infusionalen 5-FU-Regimen zeigten (Arkenau H. et al., ASCO 2008, Abstract 342)<br />
Cape/Ox vs. 5-FU/Ox n RR% PFS (Mon.) OS (Mon.)<br />
AIO<br />
CAPOX<br />
FUFOX<br />
242<br />
234<br />
48<br />
52<br />
7,1<br />
8,8<br />
18,8<br />
18,8<br />
TTD<br />
XELOX<br />
FUOX<br />
171<br />
171<br />
37<br />
46<br />
8,9<br />
9,5<br />
18,1<br />
20,8<br />
France<br />
XELOX<br />
FOLFOX-6<br />
144<br />
140<br />
42<br />
46<br />
9,3<br />
9,7<br />
19,9<br />
18,4<br />
NO16966<br />
XELOX<br />
FOLFOX-4<br />
317<br />
315<br />
NA<br />
NA<br />
7,3<br />
7,7<br />
17,1<br />
17,5<br />
Italian GOAM<br />
XELOX<br />
PVIFOX<br />
52<br />
56<br />
43<br />
48<br />
9,0<br />
7,0<br />
NA<br />
NA<br />
Capecitabin <strong>und</strong> Oxaliplatin, gepoolte<br />
Analyse randomisierter Phase-II-/III-<br />
Studien (Porschen R. et al., ASCO 2008, Abstr. 4055)<br />
Eine Metaanalyse von 5 randomisierten Phase-II/III-<br />
Studien, die die Rolle von Oxaliplatin in Kombination<br />
entweder mit 5-FU oder mit Capecitabine in der firstline-Therapie<br />
evaluierten, wurde erstellt. Bei insgesamt<br />
2575 Patienten (5-FU: 1278 Pat., Capecitabine: 1297<br />
Pat.) wurde die Response Rate (RR), das<br />
progressionsfreie <strong>und</strong> das Gesamtüberleben (PFS, OS)<br />
analysiert.<br />
Ergebnis: Es zeigte sich eine etwas erhöhte RR für 5-<br />
FU. Das PFS <strong>und</strong> OS waren jedoch für beide Regime vergleichbar.<br />
Capecitabine versus 5-FU in<br />
Kombination mit Oxaliplatin,<br />
Metaanalyse von randomisierten<br />
klinischen Studien (Cuppone F. et al, ASCO<br />
2008, Abstract 4056)<br />
6 randomisierte klinische Studien mit insgesamt 3405<br />
Patienten in der Erstlinientherapie des metastasierten<br />
KRK, die CAPOX (Capecitabine + Oxaliplatin) mit FU-<br />
OX (FU + Oxaliplatin) verglichen, wurden evaluiert.<br />
Ergebnisse: CAPOX <strong>und</strong> FUOX sind gleich effektiv.<br />
Die komplette Remissionsrate war etwas höher für 5-<br />
FU. Ein signifikanter Unterschied zugunsten von<br />
CAPOX fand sich für die Neutropenie <strong>und</strong> die febrile<br />
Neutropenie. Eine signifikant höhere Rate an Hand-Fuß-Syndrom fand sich mit CAPOX.<br />
313
Metastasierte <strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Capecitabin/Oxaliplatin-Kombinationstherapie (II)<br />
NO 16966-Studie (Cassidy J. et al., ASCO 2007, Abstr. # 270)<br />
Diese Phase-III-Studie war ursprünglich als Vergleich FOLFOX versus XELOX geplant, wurde dann aber mit<br />
der Fragestellung des Werts von Bevacizumab in ein 2x2 faktorielles Design umgewandelt.<br />
XELOX<br />
N = 317<br />
FOLFOX 4<br />
N = 317<br />
XELOX + Placebo<br />
N = 350<br />
FOLFOX4 + Placeb<br />
N = 351<br />
XELOX +<br />
Bevacizumab<br />
N = 350<br />
FOLFOX4 +<br />
Bevacizumab<br />
N = 350<br />
Initial 2 armige<br />
randomisierte Studie<br />
Protokoll geändert in ein 2x2 Placebo-kontrolliertes Design nach Vorlage von<br />
Phase-III-Daten für Bevacizumab<br />
In der Gesamtauswertung von über 2000 Patienten zeigte sich zwischen FOLFOX <strong>und</strong> XELOX mit oder ohne<br />
Bevacizumab bzw. Placebo im Hinblick auf das progressionsfreie Überleben (PFS) mit 8,5 versus 8,0 Monaten<br />
kein signifikanter Unterschied. Auch im ursprünglich geplanten zweiarmigen Vergleich (vor der<br />
Randomisierung mit Bevacizumab) ergab sich mit 7,7 vs. 7,3 Monaten PFS kein signifikanter Unterschied<br />
zwischen FOLFOX <strong>und</strong> XELOX.<br />
Im FOLFOX-Arm fand sich eine höhere Rate an Neutropenien <strong>und</strong> febrilen Neutropenien, während das Hand-<br />
Fuß-Syndrom <strong>und</strong> Grad-3/4-Diarrhoen im XELOX-Arm häufiger waren. Somit ist die Nicht-Unterlegenheit von<br />
XELOX gegenüber FOLFOX4 erwiesen – auch dann, wenn die Patienten zusätzlich Bevacizumab erhalten.<br />
PFS<br />
PFS<br />
XELOX vs. FOLFOX in der Second-line-Therapie<br />
(Rothenberg ML et al., ASCO 2007 Abstr. #4031)<br />
PFS<br />
In dieser Studie wurde bei Patienten, die zuvor schon ein<br />
Irinotecan/5-FU-Regime erhalten hatten, die Behandlung mit<br />
XELOX versus FOLFOX evaluiert. Bei 627 eingeschlossenen<br />
Patienten war das PFS in beiden Armen mit 4,7 Monaten im<br />
XELOX-Arm versus 4,8 Monaten im FOLFOX4-Arm nicht<br />
signifikant verschieden. Somit bestätigte sich auch die Nicht-<br />
Unterlegenheit von XELOX gegenüber FOLFOX4 in der secondline-Therapie.<br />
Fazit: XELOX = FOLFOX in First- <strong>und</strong> second-line-Therapie des KRK<br />
314
Metastasierte <strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Capecitabin/Irinotecan/Bevacizumab-Kombinationstherapie<br />
Während in der Oxaliplatin-Kombinationstherapie 5-FU durch Capecitabin ersetzt werden kann, zeigen einige<br />
internationale Studien für eine Kombination von Irinotecan mit Capecitabin ein ungünstiges Toxizitätsprofil.<br />
Dem stehen Erfahrungen der deutschen AIO-Gruppe gegenüber, die mit einem allerdings dosisreduzierten<br />
Capecitabin/Irinotecan-Schema eine gut akzeptable Toxizität dokumentieren konnte.<br />
AIO-Studie KRK 0604 (Schmiegel W.H. et al.,ASCO 2007, Abstr.# 4034)<br />
Randomisierte Phase-II-Studie zum Einsatz von Bevacizumab in Kombination mit Capecitabin/Irinotecan oder<br />
Capecitabin/Oxaliplatin in der Erstlinientherapie von Patienten mit fortgeschrittenem kolorektalem Karzinom.<br />
CAPOX + Bevacizumab (Arm A)<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Capecitabin 2000 p.o. 1 – 14<br />
Bevacizumab 7,5 mg/kg 30-90 Min.-Infusion 1<br />
Oxaliplatin 130 2-Std.-Infusion 1<br />
Wiederholung Tag 22<br />
CAPIRI + Bevacizumab (Arm B)<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Capecitabin 1600 p.o. 1 – 14<br />
Bevacizumab 7,5 mg/kg 30-90 Min.-Infusion 1<br />
Irinotecan 200 30-90 Min.-Infusion 1<br />
Wiederholung Tag 22<br />
Die Dosierungen von Capecitabin <strong>und</strong> Irinotecan im Arm B waren um 20% reduziert im Vergleich zu früheren<br />
Studien, die eine inakzeptable Toxizität gezeigt hatten (siehe auch EORTC 40015-Studie, Koehne C. et al., ASCO<br />
2005,A 3525).<br />
KRK 0604<br />
Arm A<br />
N= 118<br />
Arm B<br />
N = 112<br />
CR 5 % 4 %<br />
PR 40 % 43 %<br />
SD 28 % 23 %<br />
PD/n.e. 4/23 % 7/23 %<br />
PFS-Rate/6 Mo. 74 % 80 %<br />
Ergebnisse: Beide Regime wurden sehr gut<br />
toleriert ohne Unterschiede in der Toxizität, bis auf<br />
die erhöhte Neuropathie im Oxaliplatin-Arm.<br />
Interessanterweise ergab sich trotz Protokolldefinierter<br />
Dosisreduktion von XELIRI kein<br />
Unterschied in der Effektivität beider Protokolle<br />
gemessen als Remissionsraten <strong>und</strong> PFS<br />
(progressionsfreies Überleben) nach 6 Monaten.<br />
Update AIO-Studie KRK 0604 (Reinacher-Schick A.C. et al., ASCO 2008 Abstr. 4030)<br />
Die Ansprechraten ( CR+PR) unterschieden sich mit 54%<br />
<strong>und</strong> 55% nicht. Mit 10,4 Monaten für XELOX-Beva sowie<br />
12,1 Monate für XELIRI-Beva war das progressionsfreie<br />
Überleben sehr lang <strong>und</strong> nicht signifikant unterschiedlich.<br />
Die Differenz zugunsten des XELIRI-Beva-Armes ist<br />
durch die längere Therapiedauer aufgr<strong>und</strong> der geringeren<br />
Toxizität in diesem Arm bedingt.<br />
Schlussfolgerung: Beide Regime sind sehr aktiv <strong>und</strong><br />
sicher. Das günstigere Nebenwirkungsprofil mit fehlender<br />
Neuropathie favorisiert die XELIRI/Beva Kombination<br />
315
Bevacizumab (Avastin®)<br />
VEGF <strong>und</strong> Angiogenese<br />
Der monoklonale Antikörper Bevacizumab (Avastin®) ist gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor<br />
(VEGF) gerichtet. Er ist in Deutschland in Kombination mit einer Chemotherapie auf Fluoropyrimidin-Basis zur<br />
Behandlung des metastasierenden KRK zugelassen.<br />
Es besteht außerdem eine Zulassung für die First-line-Therapie des metastasierten Mammakarzinoms in Verbindung<br />
mit Paclitaxel. Seit kurzem ist Avastin zusätzlich zu einer platinhaltigen Chemotherapie für die Erstlinientherapie des<br />
fortgeschrittenen inoperablen, metastasierten oder rezidivierten nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms mit<br />
Ausnahme des Plattenepithelkarzinoms zugelassen. Beim fortgeschrittenen <strong>und</strong>/oder metastasierten<br />
Nierenzellkarzinom wird Avastin in der First-line zusammen mit Interferon alpha 2a angewendet.<br />
Tumor- versus physiologische Angiogenese<br />
Unter physiologischen Bedingungen kommt eine Neubildung von Blutgefäßen (Angiogenese) nur selten vor, z.B. bei<br />
der W<strong>und</strong>heilung. Diese Angiogenese läuft unter kontrollierten Bedingungen ab. Sie wird reguliert von endogenen<br />
Angiogenestimulatoren <strong>und</strong> Angiogeneseinhibitoren, die ein Gleichgewicht halten. Die neugebildeten Gefäße reifen<br />
rasch <strong>und</strong> werden stabil. Im Tumor – beschrieben als „die W<strong>und</strong>e, die niemals heilt“ –ist diese Situation anders. Die<br />
Kontrolle über das Gleichgewicht geht verloren. Ab einer gewissen Größe ist der Tumor auf die Neubildung<br />
tumoreigener Gefäße angewiesen, wenn nämlich die Sauerstoff- <strong>und</strong> Nährstoffversorgung des Tumors über die<br />
Diffusion alleine nicht mehr geleistet werden kann. Wachstum, Progression <strong>und</strong> Metastasierung maligner Tumoren<br />
sind deshalb abhängig von der Angiogenese. Tumorzellen bilden ihr eigenes Gefäß-System dadurch, dass sie das<br />
Gleichgewicht in Richtung Angiogenesestimulation verschieben.<br />
Als mögliche stimulierende Faktoren werden die Hypoxie im Tumor, die Tumormasse oder der Zellzerfall diskutiert.<br />
Das Umschalten auf die Angiogenese wird als „angiogenetischer Switch“ bezeichnet.<br />
VEGF <strong>und</strong> Angiogenese<br />
VEGF wurde als einer der wichtigsten Regulatoren der<br />
Angiogenese identifiziert. VEGF ist ein vaskulärer<br />
Wachstumsfaktor <strong>und</strong> ein vaskulärer Permeabilitätsfaktor.<br />
Seine Expression ist in vielen Tumoren wie Kolon-, Mamma<strong>und</strong><br />
Bronchialkarzinom hochreguliert. Es ist möglich, die<br />
Wirkung von VEGF über verschiedene Wege zu<br />
unterdrücken. Einer davon ist die Bindung des VEGF durch<br />
Antikörper.<br />
Bevacizumab ist ein humanisierter monoklonaler Maus-<br />
Antikörper, der menschlichen VEGF im Blutstrom<br />
neutralisiert. Er erkennt zielgerichtet VEGF <strong>und</strong> bindet mit<br />
hoher Affinität an den Wachstumsfaktor. Dies hat zur Folge,<br />
dass VEGF nicht an seinen Rezeptor binden kann, wodurch<br />
die Stimulation der Angiogenese verhindert wird.<br />
Präklinische Studien zeigten, dass die Bindung von VEGF<br />
durch Becizumab zu einer Veränderung <strong>und</strong> letztlich einer<br />
Verminderung der tumoralen Blutgefässversorgung führt.<br />
Klinische Studien mit Bevacizumab<br />
Metastasiertes Nierenzellkarzinom<br />
(Yang J et al., NEJM 2003; 349:427-434)<br />
Eine randomisierte, doppelt blinde, placebo-kontrollierte<br />
Phase-II-Studie setzte Bevacizumab als Monotherapie beim<br />
metastasierenden Nierenzellkarzinom ein, das unter der<br />
Behandlung mit hochdosiertem IL-2 progredient war. Bevacizumab wurde in einer Dosierung von 3 <strong>und</strong> 10 mg/kg<br />
KG alle 14 Tage gegeben. Es fand sich eine signifikante Verlängerung der Zeit bis zur Progression (TTP) in der<br />
hochdosierten Antikörpergruppe verglichen mit Placebo (2,5 vs. 4,8 Monate). Die Toxizität in Form von Hypertonie<br />
<strong>und</strong> asymptomatischer Proteinurie war gering.<br />
<strong>Kolorektale</strong>s Karzinom Phase-II-Studie (Kabbinavar F. et al., JCO 2003; 21: 60-65,)<br />
Eine randomisierte Phase-II-Studie evaluierte die Effektivität <strong>und</strong> Toxizität von Bevacizumab in Kombination mit 5-<br />
FU/Leukovorin bei unvorbehandelten Patienten mit metastasiertem KRK. Venöse Thromembolien waren die<br />
bedeutendsten unerwünschten Ereignisse, zusätzlich auch Hypertonie, Proteinurie <strong>und</strong> Epistaxis. Die Responseraten<br />
sowie die TTP waren interessanterweise in der niedrig dosierten Bevacizumab-Gruppe (5 mg/kg/alle 2 Wochen)<br />
besser (ORR 40% vs. 24%, TTP 9 vs. 7,2 Monate) als in der höher dosierten (10 mg/kg/alle 2 Wochen).<br />
Phase-III-Studie IFL + Bevacizumab siehe nächste Seite<br />
316<br />
Bevacizumab fängt den vaskulären endothelialen<br />
Wachstumsfaktor VEGF ab <strong>und</strong> verhindert so dessen<br />
Bindung an seinen Rezeptor <strong>und</strong> die darauf folgende<br />
Stimulation der Angiogenese.<br />
Quelle: Medizin Forum aktuell nr. 323/2004
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Bevacizumab, Hurwitz-Studie<br />
Bevacizumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen vascular endothelial growth factor (VEGF). In einer Phase-III-<br />
Studie wurden nicht vorbehandelte Patienten mit metastasiertem CRC zunächst in drei Arme randomisiert.<br />
Studiendesign<br />
IFL + Placebo vs. IFL + Bevacizumab vs. 5-FU/Leucovorin + Bevacizumab<br />
Irinotecan 125 mg/m 2 einmal/Woche für 4 Wochen, WH Woche 7<br />
Fluorouracil 500 mg/m 2<br />
Leucovorin 20 mg/m 2<br />
Placebo<br />
alle 2 Wochen<br />
Irinotecan 125 mg/m2 einmal/Woche für 4 Wochen, WH Woche 7<br />
Fluorouracil 500 mg/m 2<br />
Leucovorin 20 mg/m 2<br />
Bevacizumab 5 mg/kgKG alle 2 Wochen<br />
Fluorouracil 500 mg/m 2 einmal/Woche für 6 Wochen, WH Woche 9<br />
Leucovorin 500 mg/m 2<br />
Bevacizumab 5 mg/kgKG alle 2 Wochen<br />
Die Behandlung mit 5-FU<br />
/Leucovorin/Bevacizumab wurde<br />
beendet, nachdem nach 300<br />
Patienten die Sicherheit der<br />
Kombination IFL + Bevacizumab<br />
gewährleistet war. Danach wurden<br />
die Patienten nur noch in die<br />
beiden anderen Arme IFL +<br />
Placebo oder IFL + Bevacizumab<br />
randomisiert. Die Patienten, deren<br />
Erkrankung progredient war,<br />
konnten eine second-line-Therapie<br />
erhalten. Die Patienten in einem Bevacizumab-haltigen Arm konnten Bevacizumab während der second-line-<br />
Behandlung fortsetzen. Bei Patienten mit IFL + Placebo war ein Cross-over nicht erlaubt. Patienten in einem<br />
Bevacizumab-Arm, die am Ende der Studie nach 96 Wochen keine Progredienz zeigten, konnten Bevacizumab in<br />
einer separaten Erweiterungsstudie fortführen. Patienten in einer Bevacizumab-Gruppe mit kompletter Remission<br />
oder inakzeptabler Toxizität durch die Chemotherapie konnten Bevacizumab alleine ohne Chemotherapie fortsetzen.<br />
Ergebnisse (Hurwitz et al., N Engl J Med 2004;350:2335-42)<br />
Die Intention to treat-Analyse mit dem Endpunkt-overall Survival schloss 411 Patienten, die IFL + Placebo, <strong>und</strong> 402<br />
Patienten, die IFL + Bevacizumab erhielten, ein (gesamt 813 Pat.).<br />
Effektivitätsanalyse<br />
Endpunkt IFL + Placebo IFL + Bevacizumab p-Wert<br />
Median survival (Mon.) 15,5 20,3
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Bevacizumab, Hurwitz-Studie, KRAS-Status<br />
Mutationen im EGFR-Signaltransduktionsweg<br />
In der Phase-III-Zulassungsstudie von Hurwitz wurden prospektiv Tumorproben gesammelt. Es waren 230<br />
Tumorproben der insgesamt 812 eingeschlossenen Patienten verfügbar. Die Proben wurden dahingehend<br />
untersucht, ob Kras-Mutationen oder Mutationen in Genen für andere Biomarker den klinischen Benefit einer<br />
Bevacizumab-basierten Therapie vorhersagen können.<br />
Die Ergebnisse der Biomarker-Analysen zeigten, dass die Wirksamkeit von Avastin unabhängig vom KRas-<br />
Mutationsstatus ist (Ince er al., J Natl Cancer Inst. 2005;97:981-989).<br />
Auf dem WCGIC 2008 in Barcelona stellte Hurwitz außerdem die Ansprechraten abhängig vom Kras-<br />
Mutationsstatus vor (Hurwitz et al. WCGIC 2008, O-035)<br />
Wildtyp K-ras Mutation K-ras Gesamtpopulation<br />
IFL+<br />
placebo<br />
IFL +<br />
Bev<br />
IFL +<br />
placebo<br />
IFL +<br />
Bev<br />
IFL +<br />
placebo<br />
ORR % 37,3 60,0 41,2 43,2 38,6 54,3<br />
CR 3,0 3,5 0,0 6,8 2,0 4,7<br />
PR 34,3 56,5 41,2 36,4 36,6 49,6<br />
p-Wert 0,006 0,86 0,02<br />
IFL +<br />
Bev<br />
Dabei zeigte sich eine hohe Gesamtansprechrate von respektive 60% für die Wildtyp Kras-Gruppe in der<br />
Kombination von IFL plus Bevacizumab, während in der mutierten Kras Gruppe kein signifikanter Unterschied<br />
beobachtet wurde.<br />
Der klinische Benefit einer Bevacizumab-Therapie beim metastasierten KRK besteht somit sowohl für den<br />
mutierten als auch für den Kras- Wildtyp. Eine Kras-Bestimmung vor einer Bevacizumab-Therapie ist nicht<br />
erforderlich.<br />
318
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Bevacizumab, (XELOX / FOLFOX4), NO 16966-Studie<br />
XELOX-1/NO16966 (Saltz L. et al., ASCO 2007, Abstr. # 4028 <strong>und</strong> JCO 2008; 26:2013-19)<br />
Diese Phase-III-Studie war ursprünglich als Vergleich FOLFOX versus XELOX geplant, wurde dann aber mit<br />
der Fragestellung des Werts von Bevacizumab in ein 2x2 faktorielles Design umgewandelt (siehe auch Seite<br />
Capecitabin-Oxaliplatin-Kombinationen).<br />
1401 Patienten erhielten<br />
XELOX<br />
N = 317<br />
FOLFOX 4<br />
N = 317<br />
Initial 2-armige<br />
randomisierte<br />
Studie<br />
XELOX + Placebo<br />
N = 350<br />
FOLFOX4 + Placebo<br />
N = 351<br />
XELOX +<br />
Bevacizumab<br />
N = 350<br />
FOLFOX4 +<br />
Bevacizumab<br />
N = 350<br />
Protokoll geändert in ein 2x2 Placebo-kontrolliertes<br />
Design nach Vorlage von Phase-III-Daten für<br />
Bevacizumab<br />
entweder FOLFOX oder<br />
XELOX (Oxaliplatin<br />
130 mg/m2 iv d1,<br />
Capecitabin 1000<br />
mg/m2 bid p.o. d1-14,<br />
q3w) plus Bevacizumab<br />
(5 mg/kg alle 2 Wochen<br />
bei FOLFOX, 7,5 mg/kg<br />
alle 3 Wochen für<br />
XELOX) oder Placebo.<br />
Progressionsfreies Überleben XELOX/FOLFOX +/- Bevacizumab<br />
PFS<br />
Separierung der Kurven nach 6 Monaten im Bevacizumab-haltigen Arm<br />
zwischen „allgemeiner“ versus bis zum Progress fortgesetzter Therapie<br />
(„on treatment“)<br />
Ergebnisse: Die Zugabe von Bevacizumab<br />
zu der Oxaliplatin-basierten Chemotherapie<br />
zeigte einen signifikanten Vorteil bezüglich<br />
des progressionsfreien Überlebens von 9,4<br />
Monaten in den Bevacizumab-Armen versus<br />
8,0 in den Placebo-Armen.<br />
Allerdings wurden die meisten Patienten im<br />
Rahmen der Studie nur 6 Monate lang<br />
behandelt. Danach wurde sowohl die<br />
Chemotherapie als auch das Bevacizumab<br />
abgesetzt. Die Gründe für den<br />
Therapieabbruch lagen zum einen in der<br />
Tumorprogression (mehr im Placebo-Arm<br />
als im Bevacizumab-Arm) oder waren<br />
toxizitätsbedingt oder aber, weil eine<br />
Therapiedauer von über 6 Monaten als zu<br />
lange erschien. Die meisten<br />
Therapieabbrüche ereigneten sich infolge<br />
von chemotherapiebedingten Nebenwirkungen<br />
(Neurotoxizität).<br />
In einer Subgruppenanalyse wurden<br />
Patienten analysiert, bei denen Bevacizumab<br />
nicht schon vorzeitig abgebrochen sondern<br />
bis zum Progress weitergegeben wurde (on<br />
treatment). Diese zeigten ein PFS von 10,4<br />
Monaten versus 7,9 Monate in der<br />
„general“-Gruppe, in der die Therapie nach<br />
6 Monate abgesetzt wurde. Somit scheint<br />
durch Verlängerung der Bevacizumab-Gabe<br />
eine Verlängerung der Zeit der<br />
Krankheitskontrolle erreichbar zu sein.<br />
319
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Bevacizumab, Studienergebnisse, Oxaliplatinkombinationen<br />
ECOG-Studie E 3200. FOLFOX-4 +/-Beva second line (Giantonio B.J. et al., ASCO 2005, Abstr. 2)<br />
Phase-III-Studie mit hoch dosiertem Bevacizumab (10mg/kg i.v./alle 14 Tage) entweder alleine oder in<br />
Kombination mit FOLFOX-4-Regime im Vergleich zu FOLFOX-4 alleine bei Patienten mit<br />
vorbehandeltem KRK. Die Vorbehandlung musste mit einem Fluoropyrimidin- <strong>und</strong> einem Irinotecanbasierten<br />
Regime erfolgt sein.<br />
ECOG-Studie<br />
E3200<br />
FOLFOX-4 + BEV<br />
N = 290<br />
FOLFOX-4<br />
N = 289<br />
BEV<br />
N = 243<br />
Medianes OS 12,5 Monate 10,7 Monate 10,2 Monate<br />
Medianes PFS 7,4 Monate 5,5 Monate 3,5 Monate<br />
Ergebnisse: Der Kombinationsarm FOLFOX-4 + Bevacizumab war der alleinigen Chemotherapie<br />
hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens <strong>und</strong> des Gesamtüberlebens signifikant überlegen. Der<br />
Arm mit der Bevacizumab-Monotherapie wurde vorzeitig geschlossen. Darmperforationen waren<br />
selten (1,1%), kamen aber nur unter Bevacizumab vor.<br />
Fazit: Nach Vorbehandlung mit 5-FU/Irinotecan (ohne Bevacizumab) besteht bei sequentieller<br />
Therapie mit FOLFOX/Bevacizumab, also als Zweitlinientherapie, ein Überlebensvorteil gegenüber<br />
FOLFOX alleine.<br />
TREE-1-<strong>und</strong>-2-Studie (Hochster H.S. et al., ASCO 2005, Abstract 3515)<br />
Die Studie untersuchte die Sicherheit <strong>und</strong> Durchführbarkeit von drei Oxaliplatin/Fluoropyrimidin-<br />
Kombinationen, nämlich Bolus-, Infusions- oder orales Regime, allein (TREE 1) <strong>und</strong> jeweils mit<br />
Bevacizumab (TREE 2) bei unvorbehandelten Patienten mit metastasiertem KRK. Die Therapieregime<br />
bestanden in FOLFOX6, einer Bolus 5-FU Gabe + Oxaliplatin (bFOL, Oxaliplatin 85 mg/m 2 Tag 1 +<br />
15, Folinsäure 20 mg/m 2 , 5-FU 500 mg/m 2 Bolus Tag 1,8,15, WH Woche 4) <strong>und</strong> CAPOX (Oxaliplatin<br />
130 mg/m 2 Tag 1, Capecitabin 1000 mg/m 2 bid, bei TREE 2 Reduktion auf 850 mg/m 2 ). Bevacizumab<br />
wurde mit 5 mg/kg alle 2 Wochen oder 7,5 mg/kg alle 3 Wochen zu jedem Regime in der TREE 2-<br />
Studie hinzugefügt.<br />
Ergebnisse: FOLFOX zeigte die beste Balance zwischen Ansprechen <strong>und</strong> Toxizität. CAPOX wurde<br />
nach Dosisreduktion wegen 27% Grad-3/4 Diarrhoe besser toleriert. Bevacizumab verbesserte das<br />
Ansprechen auf die Therapie in allen 3 Armen signifikant.<br />
TREE-1/2-Studie, Ergebnisse (Hochster H.S., ASCO 2006, Abstract 3510)<br />
Studiendesign s.o.. Die Zugabe von Bevacizumab zu Oxaliplatin-Fluoropyrimidin-Regimen steigert<br />
die Remissionsrate (RR), die Zeit bis zur Progression (TTP) sowie das Gesamtüberleben (OS). Die<br />
Toxizität wurde in allen drei Armen durch Bevacizumab gesteigert: Grad-3-4 Hypertonie in 7-15%,<br />
W<strong>und</strong>heilungsstörungen 1,4–5,6 %, gastrointestinale Perforationen 2,8-4,2%. Sie lag aber in einem<br />
tolerablen, erwarteten Bereich. Die Toxizität von FOLFOX6 <strong>und</strong> CAPOX war nach Reduktion des<br />
Capecitabine auf 850 mg/m 2 bid vergleichbar.<br />
TREE 1 FOLFOX bFOL CAPOX<br />
TREE 2 - Beva (n=49) + Beva<br />
(n=71)<br />
- Beva (n=50) + Beva<br />
(n=70)<br />
- Beva (n=48) + Beva<br />
(n=72)<br />
RR 43% 53% 22% 41% 35% 48%<br />
TTP (Mon.) 8,7 9,9 6,9 8,3 5,9 10,3<br />
OS (Mon.) 19,2 26,0 17,9 20,7 17,2 27,0<br />
320
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Bevacizumab, BICC-C-, BEAT-Studien, Ergebnisse<br />
BICC-C-Studie (Fuchs C. et al.,ASCO 2006 <strong>und</strong> update ASCO 2007, Abstr.#4027)<br />
Die Phase-III-Studie sollte drei Irinotecan-haltige Regime, FOLFIRI, ein modifiziertes IFL (Bolus) <strong>und</strong> CAPIRI<br />
(Capecitabin) in der First-line-Therapie vergleichen. Nach Zulassung von Bevacizumab erfolgte eine zweite<br />
Rekrutierungsperiode.<br />
Ergebnisse: FOLFIRI ist dem Bolus-IFL sowie CAPIRI überlegen im Hinblick auf Effektivität <strong>und</strong> Tolerabilität. Die<br />
Zugabe von Bevacizumab steigert die Effektivität ohne klinisch relevante Zunahme der Toxizität. Bolus-IFL sollte<br />
wegen der intolerabel hohen Rate an frühen Todesfällen nicht länger angewendet werden. Anm.: Das 3-wöchentliche<br />
CAPIRI-Regime benutzte eine hohe Dosis von Capecitabin (1000 mg/m2 bid, Tag 1-14) <strong>und</strong> Irinotecan (250 mg/m2<br />
d1), was zu einer inakzeptablen Toxizität mit 50% Grad-3/4 Diarrhoen <strong>und</strong> möglicherweise auch zu der verminderten<br />
Effektivität führte.<br />
BICC-C Periode 1 ohne Bevacizumab Periode 2 plus Bevacizumab<br />
Studie FOLFIRI (n= 144) mIFL (n=141) CAPIRI (n= 145) FOLFIRI (n=57 mIFL (n=60)<br />
RR 47% 43% 39% 54,4% 53,3%<br />
PFS (Monate) 7,6 5,9 5,8 11,2 8,3<br />
OS (Monate) 23,1 17,6 18,9 nicht erreicht 19,2<br />
60 Tage Mortal. 2,9 5,8 3,5 1,8 6,8<br />
First-BEAT-Studie (Berry S.R. et al., ASCO 2006, Abstract 3534)<br />
Die First-BEAT Studie wurde im Juni 2004 gestartet, um die Sicherheit von Bevacizumab zu evaluieren <strong>und</strong> um zu<br />
sehen, ob die Studiendaten auf die klinische Praxis zu übertragen sind. Sie schloss 1927 Patienten aus 41 Ländern<br />
weltweit ein, die Bevacizumab 5 mg/kg q2w oder 7,5 mg/m2 q3w in Kombination FOLFOX, FOLFIRI, CAPOX<br />
oder Xeloda erhielten.<br />
Serious adverse events alle SAE n (%) Avastin-bedingte SAE n (%) Schwere unerwünschte Nebenwirkungen,<br />
serious adverse<br />
Patienten 479 (27) 159 (9)<br />
events (SAE), wurden bei 27%<br />
Ereignisse 781 189<br />
der Studienpopulation berichtet,<br />
wobei 9% in Verbindung<br />
Febrile Neutropenie 17 (1,0) 1 (0,1)<br />
Tiefe Beinvenenthrombose 25 (1,4) 22 (1,2)<br />
mit Bevacizumab gesehen<br />
wurden. Sie schlossen gastrointestinale<br />
Perforationen<br />
Lungenembolie 22 (1,2) 20 (1,1)<br />
Arterielle Thrombembolien 13 (0,7) 11 (0,6)<br />
(1,2%), Blutungen (1,3%) <strong>und</strong><br />
Blutung 23 (1,3) 17 (1,0)<br />
arterielle thrombembolische<br />
Gastrointestinale<br />
Ereignisse (0,7%) ein. Das<br />
21 (1,2) 12 (0,7)<br />
Perforation<br />
Sicherheitsprofil in der klinischen<br />
Praxis scheint somit mit<br />
Hypertonie 8 (0,4) 8 (0,4)<br />
den prospektiven klinischen<br />
W<strong>und</strong>heilungsstörung 7 (0,4) 3 (0,2)<br />
Studien übereinzustimmen.<br />
Ergebnisse (Berry SR. Et al., ASCO 2008 Abstr. 4025)<br />
Die Endergebnisse wurden auf dem ASCO 2008<br />
präsentiert. Das progressionsfreie Überleben (PFS)<br />
betrug durchschnittlich für alle<br />
Fluoropyrimidinbasierten Chemotherapien +<br />
Bevacizumab 10,8 Monate, das Gesamtüberleben (OS)<br />
22,7 Monate.<br />
Somit entspricht die Sicherheit <strong>und</strong> Effektivität der<br />
Bevacizumabkombinationen in der Erstlinientherapie<br />
des KRK in der klinischen Praxis den Erfahrungen aus<br />
den randomisierten Phase-III-Studien.<br />
Weitere Ergebnisse der First-BEAT-Studie zu Leberresektionen nach Bevacizumab siehe<br />
Lebermetastasen, Neoadjuvante Chemotherapie.<br />
321
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
Bevacizumab, BriTE-Beobachtungsstudie<br />
BriTE-Studie (Kozloff M. et al, ASCO 2006, Abstract 3537)<br />
Die BriTE-Studie ist das amerikanische Pendant zur First-BEAT-Studie, eine große Beobachtungsuntersuchung<br />
von nicht selektionierten Patienten aus 248 amerikanischen Zentren, die Bevacizumab plus eine Chemotherapie<br />
in der First-line-Therapie bei metastasiertem CRC erhielten. Die Chemotherapie bestand in FOLFOX (55,8%),<br />
FOLFIRI (14,1%), <strong>und</strong> IFL (9,7%). Nach Auswertung von 1.968 Patienten war das mediane progressionsfreie<br />
Überleben (PFS) mit 10,2 Monaten vergleichbar mit den Daten der Zulassungsstudie von Hurwitz. Das PFS war<br />
ähnlich für alle Chemotherapien, die mit Bevacizumab kombiniert wurden.<br />
BriTE-Studie, Risikofaktoren für eine gastrointestinale Perforation (GIP)<br />
(Sugrue M. et al. ASCO 2006, Abstract 3535)<br />
Im Rahmen der Brite-Studie wurden bei 34 von 1968 Patienten eine Gastrointestinale Perforation, entsprechend<br />
1,7% gesehen. Die mediane Zeit bis zu dem Ereignis betrug 2,1 Monate. Der Großteil der Perforationen war<br />
nicht letal <strong>und</strong> ereignete sich in den ersten 3 Monaten nach Beginn der Therapie mit Bevacizumab. Obwohl es<br />
keine signifikanten Patientencharakteristika gab, war die Zahl der gastrointestinalen Perforationen bei Patienten<br />
mit verbliebenem Primärtumor höher (2,6%) als bei Patienten mit reseziertem Primärtumor (1,6%). Die<br />
Einnahme von Aspirin oder NSAID sowie eine Ulcus- oder Diverticulitisanamnese waren nicht mit einem<br />
höheren Risiko assoziiert.<br />
Chirurgisch-pathologische Bef<strong>und</strong>e bei Patienten mit GIP Patienten (n= 33)<br />
Wenigstens 1 assoziierter Bef<strong>und</strong> 22<br />
Tumor an der Stelle der Perforation 11<br />
Gastrointestinale Obstruktion 6<br />
Peritonealkarzinose 3<br />
Intraabdomineller Abszess 3<br />
Akute Divertikulitis 2<br />
Kein Bef<strong>und</strong> (unklar) 11<br />
Schlussfolgerung: Die Inzidenz von GIP ist in dieser großen Beobachtungsstudie mit 1,7% ähnlich wie in den<br />
Phase-III-Studien mit Bevacizumab. Es wurde keine Korrelation zwischen spezifischen Patientencharakteristika<br />
<strong>und</strong> der Inzidenz von GIP gef<strong>und</strong>en. Patienten mit einem verbliebenen Primärtumor, einer kürzlich erfolgten<br />
Endoskopie oder einer früheren adjuvanten Bestrahlung haben ein leicht erhöhtes Risiko für eine GIP unter der<br />
Behandlung mit Bevacizumab.<br />
BriTE, Bevacizumab beyond Progression (BBP) (Grothey A. et al.,ASCO 2007, Abstr. #4036)<br />
Bisher gibt es keine Daten zur Anwendung von Bevacizumab über den Zeitpunkt der ersten Progression hinaus.<br />
Es wurden die Daten einer großen Population mit Bevacizumab behandelter Patienten untersucht. Von initial<br />
1953 Patienten, die Bevacizumab in der First-line erhielten, waren 1445 progredient, von diesen erhielten 642 in<br />
der second line weiter Bevacizumab. Es gab keine Vorgaben zur Art der Chemotherapie oder zur Dosis oder zur<br />
Anwendungsdauer von Bevacizumab. Dies blieb dem<br />
behandelnden Arzt überlassen. Analysiert wurden nur die<br />
Patienten, die tatsächlich Bevacizumab erhalten haben.<br />
OS abhängig von Therapie nach 1. Progression<br />
Ergebnisse: Die Patienten, die Bevacizumab zusätzlich zu<br />
einer Chemotherapie auch in der Zweitlinienbehandlung (BBP)<br />
erhielten, hatten ein deutlich längeres medianes<br />
Gesamtüberleben von 31,8 Monaten gegenüber den Patienten,<br />
die eine Chemotherapie ohne Bevacizumab (No BBP) erhielten<br />
(19,9 Monate), <strong>und</strong> gegenüber denjenigen, die gar keine<br />
Zweitlinientherapie bekamen (12,6 Monate).<br />
Fazit: Diese Ergebnisse rechtfertigen weitere randomisierte<br />
Studien zum Einsatz von Bevacizumab nach erster Progression.<br />
322
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
FOLFOXIRI , Bevacizumab<br />
FOLFOXIRI versus FOLFIRI (Falcone A. et al. ASCO 2006, Abstract 3513 <strong>und</strong> ASCO 2007, Abstract 4026)<br />
Studiendesign: In dieser Phase-III-Studie wurde der FOLFIRI-Kontrollarm (A) mit einer Dreierkombination<br />
aus Irinotecan, Oxaliplatin, Leucovorin <strong>und</strong> Infusional-5-FU (Arm B) verglichen. Bei Progression unter<br />
FOLFIRI wurde eine FOLFOX-Kombination empfohlen. Toxizität: Diarrhoe, Erbrechen, Neurotoxizität <strong>und</strong><br />
Neutropenie waren im FOLFOXIRI-Arm vermehrt, aber tolerabel. Es gab in keinem Arm einen toxischen<br />
Todesfall.<br />
Stratifikation<br />
- Zentrum<br />
- PS 0/1-2<br />
- Adjuvante ChT<br />
R<br />
A<br />
N<br />
D<br />
O<br />
M<br />
FOLFIRI<br />
IRI 180 mg/m2 1-h d.1<br />
L-LV 100 mg/m2 2-h d.1,2<br />
5FU 400 mg/m2 bolus d.1,2<br />
5FU 600 mg/m2 22-h d.1,2<br />
alle 2 Wochen x 12 Zyklen<br />
FOLFOXIRI<br />
IRI 165 mg/m2 1-h d.1<br />
OXALI 85 mg/m2 2-h d.1<br />
L-LV 200 mg/m2 2-h d.1<br />
5FU 3200 mg/m2 48-h c.i. d.1<br />
alle 2 Wochen x 12 Zyklen<br />
Pat. mit Progression unter FOLFIRI erhalten als Zweitlinientherapie eine Oxaliplatinhaltige<br />
Behandlung z.B. mit FOLFOX.<br />
Ergebnisse<br />
244 Patienten wurden eingeschlossen. Die Responserate war 60% im FOLFOXIRI-Arm versus 34% im<br />
FOLFIRI-Arm (p= 0,0001). Diese hohe Ansprechrate erlaubte eine radikale sek<strong>und</strong>äre Resektion von<br />
Metastasen im FOLFOXIRI-Arm von 14% versus 6%. Bei 39 Patienten, die nur Lebermetastasen aufwiesen,<br />
konnten 36% R0-reseziert werden (im FOLFIRI-Arm nur 12% von 42 Patienten). Diese Differenz war<br />
statistisch signifikant. Das mediane progressionsfreie Überleben mit 9,8 versus 6,9 Monaten sowie das<br />
Gesamtüberleben mit 22,6 versus 17,7 Monaten waren im FOLFOXIRI-Arm ebenfalls signifikant besser.<br />
Diese Daten konnten auf dem ASCO 2007 bestätigt werden. Das mittlere PFS betrug 9,8 Monate für<br />
FOLFOXIRI versus 6,9 Monate für FOLFIRI. Das mediane Gesamtüberleben war ebenfalls zugunsten von<br />
FOLFOXIRI auf 23,6 versus 16,7 Monate erhöht.<br />
FOLFOXIRI + Bevacizumab (Falcone A. et al, ASCO 2008, Abstr. 4031)<br />
In dieser Phase-II-Studie wurde von der GONO-Gruppe das<br />
FOLFOXIRI-Regime mit Bevacizumab evaluiert.<br />
Ergebnisse: Die Toxizität bei insgesamt 57 Patienten war gut<br />
beherrschbar <strong>und</strong> bewegte sich im für die Substanzen<br />
erwarteten Bereich. Die Ansprechraten (CR <strong>und</strong> PR) sind mit<br />
75% sehr vielversprechend. Die Tumorkontrollrate liegt bei<br />
100%. Das PFS liegt nach 10 Monaten bei 73%.<br />
8 Patienten (16%) konnten sich einer sek<strong>und</strong>ären Resektion von<br />
Lebermetastasen unterziehen (7 R0, 1 R1-Resektion). 2<br />
Patienten<br />
erreichten eine<br />
pathologisch<br />
komplette Remission.<br />
PFS <strong>und</strong> OS-<br />
Daten sind noch<br />
unreif.<br />
323
Cetuximab (Erbitux®)<br />
EGF-Rezeptor-Antikörper<br />
Erbitux® ist indiziert zur Behandlung des metastasierenden EGFR exprimierendem KRK mit Wildtyp-KRAS-Gen<br />
• in Kombination mit einer Chemotherapie<br />
• als Monotherapie bei Patienten, bei denen eine Therapie mit Irinotecan <strong>und</strong> Oxaliplatin versagt hat <strong>und</strong> die<br />
Irinotecan nicht vertragen.<br />
Erbitux® ist in Kombination mit einer Strahlentherapie zur Behandlung von Patienten mit lokal fortgeschrittenem<br />
Plattenepithelkarzinom im Kopf- <strong>und</strong> Halsbereich angezeigt<br />
Cetuximab<br />
EGFR (= epidermal growth factor) ist ein transmembranäres Glykoprotein, welches zur Familie der<br />
Wachstumsfaktoren zählt. Es ist ein Wachstumsfaktor aus der Gruppe der Tyrosinkinasen. Bei vielen Tumoren wird<br />
EGFR überexprimiert (für das Kolorektalkarzinom in 82%, aber auch bei Kopf-Hals-Tumoren, Ösophaguskarzinom,<br />
Pankreaskarzinom). Die Überexpression wurde in präklinischen Untersuchungen als schlechter Prognosefaktor<br />
beschrieben.<br />
EGFR Signaltransduktion. Die Blockade des EGFR bewirkt eine Hemmung der Angiogenese, aber auch eine Inhibition der<br />
Zellproliferation, der Zellteilung <strong>und</strong> der Metastasierung. Quelle: Produktinformation, Fa. Merck<br />
Durch Rezeptorblockade mittels des Antikörpers Cetuximab wird die Signaltransduktion in der Zelle verhindert.<br />
Dadurch wird das Fortschreiten des Zellzyklus gehemmt <strong>und</strong> die Apoptose potenziert.<br />
Außerdem bewirkt Cetuximab, dass die EGFR-exprimierende Zelle zum Target für Killer-Lymphozyten wird.<br />
Die Wirksamkeit von Cetuximab wurde in der BOND-Studie gezeigt mit einem Ansprechen der Mono-Therapie von<br />
10,5% Response sowie Disease-control von 35,1%. In Kombination mit Irinotecan ließ sich die Ansprechrate auf<br />
19,2% (Response) <strong>und</strong> Disease control von 26,7% erhöhen (Saltz et al.2001 <strong>und</strong> 2002).<br />
Die Wahrscheinlichkeit des Anprechens korrelierte nicht mit der Zahl der chemotherapeutischen Vorbehandlungen,<br />
nicht mit Oxaliplatin-Vorbehandlung <strong>und</strong> auch nicht mit dem EGFR-Nachweis auf der Tumorzelle. Eine Korrelation<br />
bestand zur Hauttoxizität. Da eine hohe EGFR-Expression der Haut besteht, ist Hauttoxizität die gravierendste<br />
Nebenwirkung. Sie tritt in der Regel als akneiformes Exanthem der Gesichtshaut <strong>und</strong> des oberen Brustkorbs auf in<br />
etwa 69%. Weniger häufig sind Nausea (24%), Fatigue (30%), Fieber/Schüttelfrost (23%), Diarrhoe (14%),<br />
Mucositis (15%), Nagelveränderungen (8%).<br />
Cetuximab wurde am 30.06.2004 als Erbitux® aufgr<strong>und</strong> der Daten der BOND-Studie zugelassen zur<br />
Kombinationstherapie mit Irinotecan nach Progression einer Irinotecan-haltigen Therapie bei EGFR-exprimierendem<br />
metastasierten Kolorektalkarzinom. Aufgr<strong>und</strong> der Daten der Crystal- <strong>und</strong> OPUS-Studie erfolgte 2008 die<br />
Zulassungserweiterung wie oben beschrieben.<br />
Verabreicht wird Erbitux® als einmal wöchentliche Infusion. Die Startdosis beträgt 400 mg/m 2 in Woche 1 über 2<br />
St<strong>und</strong>en nach Gabe eines Antihistaminikums. Die nachfolgenden Erhaltungsdosen betragen 250 mg/m 2 , verabreicht<br />
als 1-stündige Infusion. Irinotecan wird entsprechend der Standard-Regime verwendet im Anschluss an Cetuximab.<br />
324
<strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
BOND-Studie<br />
Die europäische BOND-Studie ist eine Phase-II-Studie, die die Wirksamkeit <strong>und</strong> Verträglichkeit von Cetuximab<br />
alleine oder in der Kombination mit Irinotecan bei Patienten mit EGFR-exprimierendem metastasiertem CRC<br />
untersuchte (Cunningham D. et al., NEJM 2004; 352 337-346).<br />
Einschlusskriterien<br />
Die Patienten mussten mindestens sechs Wochen lang ein Irinotecan-basiertes Chemotherapieregime erhalten haben <strong>und</strong><br />
hierunter oder innerhalb von 3 Monaten danach progredient sein. Zugelassen als Irinotecan-Dosierungen waren: die<br />
wöchentliche Gabe von 125 mg/m 2 in vier aufeinanderfolgenden Wochen gefolgt von 2 Wochen Pause als Monotherapie<br />
oder in Kombination mit 5-FU <strong>und</strong> Leukovorin; Irinotecan mit einer Dosis von 180 mg/m 2 alle 2 Wochen sowie mit 350<br />
mg/m 2 alle 3 Wochen als Monotherapie.<br />
Studiendesign<br />
Es erfolgte eine Randomisierung von 329 Patienten in einem 2:1<br />
Verhältnis zu Cetuximab + Irinotecan oder Cetuximab alleine. Die<br />
Initialdosis von Cetuximab betrug 400mg/m 2 nach Gabe eines<br />
Antihistaminikums gefolgt von einer wöchentlichen Infusion von<br />
250 mg/m 2 . Die Patienten, die in die Kombinationstherapie<br />
randomisiert wurden, bekamen Irinotecan in derselben Dosierung,<br />
wie sie sie in der letzten Prästudien-Therapie erhalten hatten. Im<br />
Falle einer Tumorprogression bei Patienten im Cetuximab-<br />
Monotherapiearm, konnte die Therapie mit Cetuximab unter<br />
Zugabe von Irinotecan in der zuletzt eingesetzten Dosierung<br />
fortgeführt werden.<br />
Ergebnisse<br />
40% der Patienten hatten mindestens 3 Vortherapien <strong>und</strong> >60%<br />
hatten früher eine Oxaliplatin-basierte Chemotherapie erhalten.<br />
Effektivität<br />
BOND-Studie. Krankheitsfreies Überleben.<br />
Kombination<br />
Monotherapie<br />
(n = 218)<br />
(n = 111)<br />
P<br />
RR 23% 11% 0.0074<br />
Disease control 56% 32% 0.0001<br />
Mediane TTP 4,1 Mon. 1,5 Mon. < 0.0001<br />
Medianes Überleben 8,6 Mon. 6,9 Mon. 0.48<br />
Die Intent to treat-Analyse zeigte eine statistisch signifikant höhere Remissionsrate (RR) <strong>und</strong> eine<br />
höhere Rate an Tumorkontrolle sowie eine längere Zeit bis zur Progression (TTP) für die<br />
Cetuximab/Irinotecan-Kombination im Vergleich mit Cetuximab alleine.<br />
Das Mediane Überleben war ebenfalls länger im Kombinationsarm, aber dieser Vorteil war statistisch nicht signifikant. Die<br />
fehlende Signifikanz mag auf den Wechsel von Cetuximab-Mono auf die Kombinationsbehandlung bei<br />
Krankheitsprogression zurückzuführen sein.<br />
Die Effektivität von Cetuximab + Irinotecan war unabhängig von der Zahl der Vortherapien. Auch eine Vorbehandlung mit<br />
Oxaliplatin beeinträchtigte nicht die Effektivität von Cetuximab + Irinotecan oder Cetuximab mono.<br />
Beziehung zwischen Hautreaktion <strong>und</strong> Effektivität<br />
Cetuximab Kombination Monotherapie<br />
RR Survival RR Survival<br />
Pat. ohne Hautreaktionen 6% 3,0 Mon. 0% 2,5 Mon.<br />
Pat. mit Hautreaktionen 26% 9,1 Mon. 13% 8,1 Mon<br />
Das Auftreten eines akneartigen Exanthems scheint positiv korreliert mit der Effektivität der Behandlung im Hinblick auf<br />
Remissionsraten <strong>und</strong> das mittlere Überleben. Die Patienten mit Hautreaktionen hatten höhere Remissionsraten <strong>und</strong> ein<br />
längeres medianes Überleben als die ohne Hautreaktionen.<br />
Die Rate hämatologischer <strong>und</strong> nicht hämatologischer Nebenwirkungen in der Kombination waren bis auf die Hauttoxizität<br />
ähnlich wie die einer alleinigen Irinotecantherapie.<br />
325
Metastasierte kolorektale <strong>Karzinome</strong><br />
MABEL-Studie, Cetuximab/Irinotecan<br />
Die MABEL-Studie ist eine Phase-II-Studie, welche den EGFR-Rezeptor-Antikörper Cetuximab in<br />
Kombination mit Irinotecan prüft bei unter Irinotecan-Therapie progredienten Patienten mit<br />
metastasiertem kolorektalem Karzinom. Sie ist eine europaweit rekrutierende multizentrische<br />
Nachfolgestudie der BOND-Studie.<br />
Titel: MABEL-EMR62202-501, Monoclonal Antibody Erbitux in a European Pre-License-Study.<br />
Hauptzielkriterium: Prozentsatz progressionsfreier Patienten nach 12 Wochen Therapie mit<br />
Cetuximab/Irinotecan. Nebenzielkriterien sind der Anteil progressionsfreier Patienten 24 Wochen nach<br />
Therapiebeginn sowie Ermittlung der Gesamtüberlebenszeit<br />
Studienleiter (Deutschland): Prof. Dr. med P. Preusser, Münster<br />
Studiensekretariat: Tel. 0251-835-6309 Fax 0251-835-6394<br />
Ein- <strong>und</strong> Ausschlusskriterien<br />
Histologisch nachgewiesenes, metastasiertes Adenokarzinom des Kolons oder Rektums<br />
Vorausgegangene mindestens 6-wöchige Irinotecan-Behandlung mit maximal 2 Dosisreduktionen der<br />
Standardschemata im Zeitintervall von max. 6 Monaten vor Studieneinschluss<br />
Mindestens eine zweidimensional ausmessbare Läsion<br />
Alter >18 Jahre <strong>und</strong> Karnofsky-Index > 80%<br />
Keine relevanten Organfunktionseinschränkungen (z.B. Kreatinin < 1,5x oberer Normwert)<br />
Immunhistochemischer Nachweis der EGFR-Expression am Tumorgewebe (Prescreening)<br />
Keine ZNS-Metastasen<br />
Bei Auftreten von Grad-3-Hauttoxizität ist eine Therapiepause bis zur Rückbildung vorgesehen, falls<br />
die Hauttoxizität für mehr als 3 Wochen andauert, wird die Behandlung abgebrochen. 2<br />
Dosisreduktionsstufen sind vorgesehen (200 <strong>und</strong> 150 mg/m 2 ).<br />
Systemische Steroide sollten nicht verabreicht werden, da hierdurch der Rezeptor blockiert werden<br />
kann. Topische Steroide sollten ebenfalls vermieden werden. Empfohlen werden topische <strong>und</strong><br />
systemische Antibiotika. Bisher ist die Hautreaktion jedoch noch ein ungelöstes Problem, eine<br />
effektive Therapiemaßnahme steht nicht zur Verfügung.<br />
Prognostisch ist diese Nebenwirkung günstig, Ansprechen in der BOND-Studie in der<br />
Kombinationstherapie bei Hauttoxizität (>2) 33,6% im Vergleich zu 6,3% bei Patienten ohne jegliche<br />
Hautreaktion.<br />
Ergebnisse (Wilke H et al. ASCO 2006, Abstract 3549)<br />
Irinotecan<br />
3-Monate PFS<br />
(primärer Endpunkt)<br />
125 mg weekly<br />
n= 93<br />
Cetuximab + Irinotecan<br />
180 mg q 2 wks<br />
n = 670<br />
350 mg q3 wks<br />
n = 356<br />
61% 61% 61%<br />
OS 8,5 Monate 9,2 Monate 10,3 Monate<br />
Die verschiedenen Irinotecan-Regime führten zu einem vergleichbaren progressionsfreien Überleben<br />
(PFS) in den ersten 3 Monaten. In der Gesamtanalyse ergab sich ein Overall Survival (OS) von 9,2<br />
Monaten, das dem der BOND-I-Studie (8,6 Monate) entsprach.<br />
326
KRAS–Onkogen<br />
Die RAS-Forschung begann im Jahre 1964 mit<br />
der Beobachtung von J. Harvey, dass ein<br />
murines Leukämievirus von einer erkrankten<br />
Ratte in anderen Nagetieren Sarkome induzierte<br />
(Harvey JJ. Nature 1964). Jedes virale Onkogen<br />
wird mit einem Drei-Buchstaben-Akronym<br />
charakterisiert. RAS steht für Rat Sarcoma.<br />
RAS ist ein Onkogen, das für ein GTPbindendes<br />
Protein codiert <strong>und</strong> in 3 Isoformen<br />
vorkommt: KRAS, NRAS <strong>und</strong> HRAS. Es<br />
kommt in der ges<strong>und</strong>en wie in der neoplastisch<br />
veränderten Zelle vor <strong>und</strong> spielt eine zentrale<br />
Rolle bei der Regulation von zahlreichen<br />
Signaltransduktionswegen <strong>und</strong> nachfolgend von<br />
zellulären Prozessen wie Wachstum,<br />
Proliferation, Differenzierung, Überleben,<br />
Apoptose, Angiogenese <strong>und</strong> Metastasierung.<br />
KRAS- <strong>und</strong> EGFR-Signalweg<br />
Der EGFR Signalweg wird nach Bindung von<br />
spezifischen Liganden (z.B. TGFα <strong>und</strong> EGF) an<br />
die Rezeptoren der Zelloberfläche aktiviert. Die<br />
dadurch ausgelöste Signalkaskade reguliert<br />
auch Gene, die den Zellzyklus kontrollieren. Zu<br />
Beginn der intrazellulären Signalkaskade<br />
reguliert das KRAS-Protein die<br />
nachgeschalteten Mediatoren, wodurch dem<br />
KRAS-Gen eine zentrale Rolle bei der<br />
Tumorproliferation zukommt.<br />
KRAS-Wildtyp u. Mutation<br />
KRAS-Onkogen<br />
Bedeutung, Molekularbiologie<br />
Signaltransduktion über den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor<br />
(EGFR). Natürliche Liganden am EGFR-Rezeptor sind EGF. <strong>und</strong> der<br />
transformierende Wachstumsfaktor Alpha (TGF-α). Nach dem Andocken<br />
des Wachstumsfaktors wird eine Signalkaskade in Gang gesetzt. Diese führt<br />
zur Stimulation von Zellproliferation, Zellüberleben, Angiogense,<br />
Apoptosehemmung <strong>und</strong> zu einer Begünstigung der Metastasierung durch<br />
Beeinflussung der Zelladhäsion.<br />
Bei einer Mutation des KRAS-Gens erfolgt die Signalübertragung über das<br />
permanent aktivierte KRAS-Protein kontinuierlich <strong>und</strong> unabhängig davon,<br />
ob eine Simulation von extrazellulär erfolgt.<br />
Gesondert markiert (ovaler Ring) sind die wesentlichen Faktoren für die<br />
Wirkung eines Antikörpers gegen EGFR. Aus: Arnold D, A. Musch.<br />
Arzneimitteltherapie, 2008;26:117-23.<br />
Das KRAS-Gen kann in seiner natürlichen Form (Wildtyp) oder mutiert vorliegen. Das Wildtyp-KRAS-Protein ist<br />
nur aktiviert, nachdem der EGFR durch spezifische Liganden stimuliert wurde, wie oben ausgeführt. Bei mutiertem<br />
KRAS-Gen erzeugt ein sterisch verändertes Protein unabhängig von einer extrazellulären Liganden-Bindung eine<br />
Signalweiterleitung im Sinne einer Dauersimulation. Die unregulierten Signale eines mutierten KRAS Proteins<br />
fördern somit die Entstehung <strong>und</strong> das Wachstum von Tumorzellen. Wenn sie vorhanden ist, stellt die KRAS-<br />
Mutation ein frühes Ereignis in der Adenomentstehung beim CRC dar. Bisher sind 12 verschiedene Mutationen<br />
bekannt. (Downward J. Nat Rev Cancer 2003). Eine im Primärtumor nachgewiesene KRAS-Mutation findet sich in<br />
mehr als 95 % der Fälle auch in Metastasen <strong>und</strong> Rezidiven. Der KRAS-Status wird an gefrorenen oder in<br />
Paraffinblöcken eingebetteten Gewebeproben mittels PCR bestimmt. Der KRAS Status eines Tumors ist prädiktiv<br />
für das Ansprechen auf eine Therapie mit EGFR-Antikörpern. Bei KRK zeigen etwa 40 % der Pat. eine KRAS<br />
Mutation.<br />
Cetuximab<br />
Panitumumab<br />
KRAS ist ein in somatischen Zellen physiologisch vorkommendes Regulationsprotein. Die natürliche Form wird Wildtyp genannt. Dieser<br />
benötigt zur Induktion der Signalübertragung auf den Zellkern eine extrazelluläre Simulation. Fehlt diese, wächst die Zelle nicht. Bei einer<br />
Mutation befindet sich das Gen im Zustand einer permanenten Aktivierung. Extrazelluläre Faktoren können den Funktionszustand nicht<br />
beeinflussen. Eine Blockierung des epidermalen Wachstumsfaktors über den EGF-Rezeptor hat deshalb keinen Einfluss auf die Kinetik der<br />
Zelle. Abb. Links: KRAS-Wildtyp, Mitte: KRAS-Mutation. Rechts: Proliferationshemmung durch einen EGFR-Antikörper wie Cetuximab<br />
oder Panitumumab.<br />
327
Cetuximab-Therapien<br />
Crystal-Studie<br />
Crystal-Studie (van Cutsem E. et al.; ASCO 2007 Abstract 4000)<br />
P<br />
In dieser internationalen Phase-III-Studie wurde<br />
FOLFIRI + Cetuximab im Vergleich zu einer<br />
FOLFIRI-Standardtherapie bei unvorbehandelten<br />
Patienten mit EGFR-exprimierendem<br />
metastasiertem KRK untersucht.<br />
Ergebnisse: Das mediane progressionsfreie<br />
Überleben (PFS) war im Cetuximab-Arm<br />
signifikant länger mit 8,9 versus 8 Monate. Auch<br />
das Ansprechen konnte mit Cetuximab auf 47%<br />
versus 39% gesteigert werden. Insbesondere die<br />
Subgruppe der Patienten, die ausschließlich<br />
Lebermetastasen aufwiesen, profitierte von<br />
Cetuximab (PFS 11,4 versus 9,2 Monate). Die<br />
Anzahl an R0-Resektionen war im Cetuximab-<br />
Arm mehr als doppelt so<br />
hoch wie im Kontrollarm<br />
(4,3 versus 2,5%). Unter der<br />
Cetuximab-Behandlung war<br />
PFS, nur<br />
Leber-<br />
die Rate an Grad-3/4-<br />
Diarrhoen von 10 auf 15%<br />
gesteigert, die Mehrzahl der<br />
Patienten (84%) hatte eine<br />
Hauttoxizität mit immerhin<br />
18,7% Grad-3/4-<br />
Ausprägung.<br />
Fazit: Die Erhöhung der<br />
Remissionsrate korreliert mit einer Verbesserung der Resektionsrate. Damit Erhöhung der kurativen Chance.<br />
Crystal-Studie unter Berücksichtigung des KRAS-Status (Van Cutsem E. et al., ASCO 2008<br />
Abstract 2)<br />
Die Crystal-Studie wurde hinsichtlich des Einflusses des Kras-Mutationsstatus auf die Effektivität der Therapie<br />
retrospektiv analysiert. Insgesamt konnte bei 540 Patienten der KRas-Status erhoben werden. Es ergab sich eine<br />
Verteilung von 64,4% KRas Wilttyp zu 35,6% Kras-Mutanten.<br />
Ergebissse: Für die Patienten mit K-ras-Wildtyp ergab sich eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien<br />
Überlebens (PFS) von 8,7 Monaten für FOLFIRI auf 9,9 Monate für die Kombination FOLFIRI + Cetuximab,<br />
während bei den Kras-Mutanten keine Verbesserung erzielt werden konnte.<br />
In Bezug auf das Ansprechen auf die<br />
Chemotherapie ergab sich kein<br />
Unterschied zwischen Kras Wildtyp<br />
<strong>und</strong> Mutanten.<br />
Für den Kras-Wildtyp zeigte sich eine<br />
deutliche Verbesserung der<br />
Ansprechrate von 43 auf 59%,<br />
während bei Kras Mutation keine<br />
Verbesserung erreicht werden konnte.<br />
Fazit: Der Kras-Status ist ein<br />
negativer prädiktiver Marker der<br />
Therapieeffektivität beim Einsatz von<br />
Cetuximab. Der Kras Mutationsstatus<br />
ist aber nicht prädiktiv für die<br />
Effektivität der FOLFIRI-Therapie.<br />
Eine Kras-Mutationsanalyse vor jeder<br />
Anti-EGFR-Therapie ist obligat.<br />
328
Cetuximab-Therapien<br />
OPUS/CAIRO 2-Studie<br />
Opus-Studie (Bokemeyer C. et al.; ASCO 2007, Abst. 4035)<br />
In dieser Phase-II-Studie wurde die Effektivität von Cetuximab in der Kombination mit FOLFOX-4 versus<br />
FOLFOX-4 alleine bei unvorbehandelten EGFR-positiven Patienten untersucht.<br />
Ergebnisse<br />
Die Hinzunahme von Cetuximab erhöhte die Remissionsrate von FOLFOX-4 von 35,7 auf 45,6%. Der<br />
Unterschied war nicht signifikant. Für die Subgruppe der Patienten mit ECOG 0-1-Status ergab sich ein<br />
statistisch signifikant besseres Ansprechen (CR + PR) von 48 vs. 36,8%. Die Toxizität war akzeptabel <strong>und</strong> bis<br />
auf die Hauttoxizität ( Grad-3/4 9,4%) im Cetuximab-Arm nicht erhöht.<br />
Ansprechraten % FOLFOX-4 + Cetuximab FOLFOX-4<br />
Alle<br />
45,6<br />
35,7<br />
(n=169)<br />
(n=168)<br />
ECOG 0-1<br />
49,0<br />
36,8<br />
(n=153)<br />
(n=152)<br />
n.s.<br />
p = 0,032<br />
OPUS-Studie unter Berücksichtigung des Kras-Status<br />
(Bokemeyer C. et al., ASCO 2008, Abstract 4000)<br />
Die OPUS-Studie wurde hinsichtlich des Einflusses des Kras-Mutationsstatus auf die Effektivität der Therapie<br />
retrospektiv analysiert. Insgesamt<br />
konnte bei 233 Patienten der KRas-<br />
Status erhoben werden. Bei 99<br />
Patienten, entsprechend 42%, fand<br />
sich eine Kras-Mutation.<br />
Ergebnisse:<br />
Bei Vorliegen eines Kras-Wildtyps<br />
konnte die Hinzunahme von<br />
Cetuximab zur FOLFOX-<br />
Chemotherapie die Ansprechrate von<br />
37% auf 61% signifikant verbessern.<br />
Ebenso kam es zu einer<br />
Verbesserung des progressionsfreien<br />
Überlebens (PFS). Bei Kras Mutation<br />
führte die Hinzunahme von<br />
Cetuximab sogar zu einer<br />
Verschlechterung des PFS.<br />
CAIRO-2-Studie (Punt et al., ASCO 2008, LBA4011)<br />
In dieser Studie wurde untersucht, ob durch die zusätzliche Gabe von Cetuximab (C) die Effektivität einer<br />
Erstlinien-Therapie mit Capecitabin, Oxaliplatin <strong>und</strong> Bevacizumab verbessert werden kann. Es wurden 305<br />
Patienten mit Kras-Wildtyp <strong>und</strong> 196 Patienten mit Kras-Mutation evaluiert.<br />
Ergebnis: Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS)<br />
<strong>und</strong> das Gesamtüberleben (OS) wurden durch die<br />
Hinzugabe von Cetuximab nicht verbessert. Bei Kras<br />
Mutation war das PFS beim „Doppeltargeting“, also nach<br />
Zugabe von Cetuximab, mit 8,6 versus 12,5 Monaten sogar<br />
schlechter als bei ausschließlicher Bevacizumabgabe. Auch<br />
das mediane Gesamtüberleben (OS) war unter Cetuximab<br />
mit 19,1 Monaten versus 24,9 Monaten deutlich schlechter.<br />
Fazit: Das Doppeltargeting EGFR – VEGF bringt keinen Benefit für Kras-Wildtyptumore. Die Resistenz bei<br />
Kras-Mutation kann durch die VEGF-Therapie nicht durchbrochen werden. Das Doppeltargeting führt zu einem<br />
negativen Effekt bei Kras-Mutation. Es gibt keinen negativen Einfluss des Kras-Status auf die Wirksamkeit der<br />
Anti-VEGF-Therapie.<br />
329
Cetuximab-Therapien<br />
Studienergebnisse<br />
CALGB 80203 – FOLFIRI vs. FOLFOX ± Cetuximab (Venook et al. ASCO 2006, Abstract 3509)<br />
Diese Studie war ursprünglich als Phase-III-Studie in der Erstlinientherapie des metastasierten KRK<br />
geplant, wurde aber nach 238 Patienten abgebrochen <strong>und</strong> neu geplant, nachdem Bevacizumab in der<br />
First-line-Therapie zugelassen war.<br />
Ergebnisse<br />
FOLFIRI FOLFIRI +<br />
Cetuximab<br />
FOLFOX FOLFOX +<br />
Cetuximab<br />
Response rate 36% 44% 40% 60%<br />
Die Responserate aller Patienten ohne Cetuximab (FOLFIRI + FOLFOX) betrug 38% versus 52% mit<br />
Cetuximab (p=0.029). Somit induzierte Cetuximab eine signifikante Steigerung der Responserate.<br />
Nach 16 Monaten Follow-up war die Beurteilung von PFS <strong>und</strong> OS noch nicht möglich.<br />
ACROBAT-Studie (Diaz-Rubio et al., ASCO 2005, Abstr. 3535)<br />
Internationale Phase-II-Studie zur first-line-Therapie mit Cetuximab + FOLFOX-4. 42 Patienten ohne<br />
Vortherapie mit primär nicht resektablem, EGFR-exprimierendem metastasiertem KRK.<br />
ACROBAT-Studie Patientenzahl (n) % der Patienten<br />
CR 4 10<br />
PR 30 71<br />
SD 7 17<br />
PD 1 2<br />
OR (PR + CR) 34 81<br />
PFS nach 12 Monaten 22 52<br />
Ergebnisse: Es zeigte sich eine sehr hohe Ansprechrate von über 80% sowie ein progressionsfreies<br />
Überleben von median 12,3 Monaten. Über die Hälfte der Patienten war nach einem Jahr noch<br />
progressionsfrei. 10 Patienten unterzogen sich einer Metastasenresektion, 9 konnten R0-reseziert<br />
werden.<br />
Cetuximab Monotherapie bei metastasiertem CRC (Lenz H.J. et al., ASCO 2005, Abstr. 3536)<br />
Eingeschlossen in die Studie wurden Patienten (n = 346), die als Vortherapie mindestens schon<br />
Fluoropyrimidin, Oxaliplatin <strong>und</strong> Irinotecan erhalten hatten. Die Patienten erhielten eine Monotherapie<br />
mit Cetuximab mit einer Initialdosis von 400 mg/m 2 <strong>und</strong> einer folgenden wöchentlichen Dosis von 250<br />
mg/m 2 bis zur Krankheitsprogression oder bis eine inakzeptable Toxizität auftrat.<br />
Anzahl der Vortherapien Anzahl der Patienten Ansprechrate %<br />
2 61 5<br />
3 89 12<br />
4 116 12<br />
5-9 80 15<br />
Ergebnisse<br />
Cetuximab zeigt auch bei stark vorbehandelten Patienten (auch nach Oxaliplatin-Versagen) ein<br />
konsistentes Ansprechen unabhängig von der Anzahl der Vortherapien.<br />
330
Cetuximab-Therapie<br />
Hautreaktion, <strong>Klinik</strong><br />
Die medikamentöse Blockade des EGFR-Rezeptors führt zu einer Beeinträchtigung der Hautzellerneuerung,<br />
indem die Apoptose <strong>und</strong> die Differenzierung gesteigert sowie die Proliferation verringert werden. Die Therapie<br />
mit Erbitux® löst eine zeitlich begrenzte Funktionsstörung der Haut bei 80% der behandelten Patienten auf,<br />
wobei eine Grad-3-Toxizität bei weniger als 10% vorkommt. Auch wenn die Hautveränderungen beherrschbar<br />
sind, führen sie doch zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität. Die Hautveränderungen sind<br />
dosisabhängig. Die antitumoröse Wirkung korreliert mit den Hautveränderungen. Nach Beendigung der Therapie<br />
normalisiert sich die Haut wieder. Lediglich bei schwersten Veränderungen können kleine Narben zurückbleiben.<br />
Vergleichbare Veränderungen werden auch bei EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren beobachtet.<br />
Akneiforme Hautveränderungen<br />
• Follikuläre Papeln <strong>und</strong> Pusteln in seborrhoischen Zonen wie Gesicht, Kopfhaut, Nacken, Stamm<br />
• Juckreiz, manchmal Schmerzen<br />
• Nach Abheilung der akuten Veränderungen hyperpigmentierte Makel auf erythematösem Gr<strong>und</strong>, selten<br />
• Atrophe Narben.<br />
• In schweren Fällen konfluierende schmerzhafte Ulzerationen<br />
Die Hautveränderungen laufen in drei Phasen ab <strong>und</strong> sollten stadiengerecht behandelt werden. Sie orientieren<br />
sich außerdem an der Lokalisation <strong>und</strong> der Ausdehnung des Bef<strong>und</strong>es (Empfehlungen nach<br />
PD Dr. med. Thomas Dirschka, Wuppertal).<br />
Akute exsudative akneiforme Phase (Pusteln)<br />
Beginn 1-2 Wochen nach Therapie<br />
Therapie: Austrocknen !<br />
• Gesicht<br />
Gele: z.B. Erydermec ® 2% Gel, Metrogel ® N2<br />
Zinkschüttelmixtur (Rp. Lotio alba aquosa ad 100,0)<br />
Ichtyolhaltige Mischpaste (Rp. Ichthyol 0,3 / Ungt molle /Pasta zinci mollis ad 30,0)<br />
• Kopfhaut: Alkoholische Lösungen z.B Stiemycine-Lösung<br />
• Körper: BPO (Panoxyl ® 5% Gel) Erydermc ® Gel<br />
Bei schwersten exsudativen Veränderungen Grad 3:<br />
Feuchte Kochsalzkompressen, Schwarzteekompressen, lokal-antibiotische Therapie z.B. mit Fucidine ®<br />
Creme. Gegebenenfalls antibiotische Systemtherapie z.B. mit Gyrasehemmer<br />
Übergangsphase (Pusteln beginnen einzutrocknen)<br />
Beginn: nach 2-3 Wochen<br />
Für alle Lokalisationen Lotiones<br />
• erythromycinhaltige Linola Emulsion.<br />
z.B. Rp. Erythromycin 0,3 /Linola ad 30,0 / anstatt Linola auch Basiscreme DAC oder Abtima face, die<br />
fetter sind<br />
z.B. Rp. Metronidazol 0,3 / Linola ad 30,0<br />
Xerotische Phase (Krusten lösen sich, trockene, empfindliche Haut)<br />
Klinische Merkmale<br />
Sehr trockene Haut auf gerötetem Gr<strong>und</strong>, ausgeprägtes Spannungsgefühl, gelegentlich exsudative<br />
Entzündung (Superinfektion), schmerzhafte Fissuren an Fingern <strong>und</strong> Zehen<br />
Therapie<br />
• Gesicht<br />
Cremes: z.B. Bepanthen W<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Heilsalbe 50,0 oder Rp. Ungt leniens 50,0<br />
• Kopfhaut<br />
Lotionen: z.B. Bepanthen Roche Lotio oder Asche Basislotio<br />
• Lichtschutz, Haut besonders sonnenempfindlich !<br />
z.B. Anthelios L 60 (Physikalische Faktoren) oder Daylong 50 (Chemische Faktoren)<br />
• Körper<br />
Harnstoffhaltige Lipolotio: z.B. Excipial U Lipolotio, Eucerin 10% Urea Lotio, Bepanthen Roche Lotio F<br />
• Allgemeine Maßnahmen: eher kühlere Räume, keine Sonne<br />
331
Cetuximab-Therapie<br />
Hautreaktion, Behandlung<br />
Systemtherapie<br />
Durch prophylaktische Antibiotikagabe, die bereits vor Erbitux-Therapie begonnen wird, können die akneiformen<br />
Hautveränderungen in ihrer Intensität um ca. 30% reduziert werden.<br />
Antientzündliche Antibiotika<br />
Tetrazyklin z.B. Tefilin ® 2x250 mg/die oder Minozyklin z.B. Skid ® 1-2x 50 mg/die<br />
Bei starkem Juckreiz können Antihistaminika verordnet werden.<br />
z.B Dimetinden (Fenistil ® 2x1/die) oder z.B. Promethazin (Atosil ® )<br />
Hautreinigung<br />
Waschen der betroffenen Gebiete nur mit lauwarmem Wasser. Handtücher auf jeder Seite nur einmal verwenden,<br />
Waschen der Handtücher bei mindestens 60 o C, um Infektionen zu vermeiden<br />
Akute exsudative Phase: z.B. Dermowas ® Reinigungskonzentrat<br />
Übergangsphase:<br />
Dove ® -Cremeseife<br />
Xerotische Phase:<br />
Duschöle (z.B. Eucerin Duschöl), Badeöle (Balmandol Ölbad)<br />
Weitere Manifestationen<br />
Finger: Rhagaden, Fissuren<br />
• Hände mit kaltem Wasser <strong>und</strong> mit Handwaschölen waschen, z.B. Eucerin-Handwaschöl ®<br />
• Schutzcreme tags, z.B. Excipial Protect ® , nachts Repaircreme, z.B. Excipial Repair ®<br />
• Abkleben der Fissuren mit Hydrokolloidpflaster, z.B. Varihesive extradünn<br />
Nägel: Paronychie<br />
• Auftreten oft erst nach mehrwöchiger Therapie<br />
• Vermeiden von engem Schuhwerk, besser offene Sandalen, Nägel nicht r<strong>und</strong>, sondern gerade abschneiden<br />
• Lauwarme Kernseifebäder<br />
• Ichthyol 20% unter Pflasterokklusion, alternativ Ilonabszess-Salbe<br />
• Fucidine ® Creme oder Fucidine ® Gaze<br />
Keine Therapie ist wirklich effektiv, meistens hilft nur die Nagelextraktion !!!<br />
Haarveränderungen<br />
Die Haare werden fein, brüchig, lockig <strong>und</strong> wachsen langsamer. Der Bartwuchs kann sich verlangsamen <strong>und</strong> es<br />
bilden sich Flaumhaare im Gesicht (Hypertrichose). Die Augebrauen können sich verlängern <strong>und</strong> leicht wellig<br />
wachsen.<br />
Weitere Probleme<br />
Nasal: Bepanthen Augen- <strong>und</strong> Nasensalbe<br />
Oral: Lauwarmer Kamillentee, Dynexangel<br />
Vaginal: Olivenöl, Ungt. Leniens, Linoladiol<br />
Beziehung zwischen Hautreaktion <strong>und</strong> Effektivität,<br />
BOND-Studie (Cunningham D. et al., NEJM 2004; 352 337-346)<br />
Cetuximab Kombination Monotherapie Das Auftreten eines akneartigen<br />
RR Survival RR Survival<br />
Exanthems scheint positiv korreliert<br />
mit der Effektivität der Behandlung<br />
Pat. ohne Hautreaktionen 6% 3,0 Mon. 0% 2,5 Mon.<br />
im Hinblick auf Remissionsraten <strong>und</strong><br />
Pat. mit Hautreaktionen 26% 9,1 Mon. 13% 8,1 Mon das mittlere Überleben. Die<br />
Patienten mit Hautreaktionen hatten höhere Remissionsraten <strong>und</strong> ein längeres medianes Überleben als die ohne<br />
Hautreaktionen.<br />
Everest-Studie (Tejpa S. et al. ASCO 2008, Abstract 4001)<br />
In dieser Studie, bei der Patienten Irinotecan <strong>und</strong> Cetuximab erhielten, wurde untersucht, ob eine Dosiseskalation von<br />
Cetuximab das Ansprechen erhöht. Retrospektiv wurden die Hauttoxizität <strong>und</strong> der Kras-Status evaluiert.<br />
Ergebnis: Eine höhere Hauttoxizität (≥ 2) korreliert mit einer größeren Effektivität der anti-EGFR-Therapie<br />
(positiver Prädiktor). Die Hauttoxizität <strong>und</strong> der Kras-Status sind aber unabhängige Prädiktoren des<br />
Therapieansprechens. Patienten mit Kras mutiertem Tumor können unter Cetuximab eine deutliche Hautreaktion<br />
entwickeln, aber aufgr<strong>und</strong> des mutierten Kras im Tumor trotzdem nicht von der Therapie profitieren.<br />
332
Panitumumab<br />
Studienergebnisse<br />
Panitumumab (Hecht et al. ASCO 2006, Abstract 3547 <strong>und</strong> Berlin et al.,ASCO 2006, Abstract 3548)<br />
Pamitumumab ist ein vollhumanisierter EGFR-1-Antikörper. Er wurde nach Progression unter Irinotecan- <strong>und</strong><br />
Oxaliplatin-Regimen eingesetzt <strong>und</strong> zeigte als Monotherapie in der Dritt- oder Viertlinien-Therapie in einer<br />
Phase-II-Studie eine moderate aber klinisch relevante Aktivität. Dosierung: 6 mg/kg q2 wks. Es fand sich keine<br />
Korrelation des Ansprechens mit der EGFR-Expression.<br />
n ORR (%) SD (%) PFS (Wochen)<br />
≥ 10 EGFR 39 8 21 7,6<br />
1-9% EGFR 12 8 25<br />
CIOX-Studie CRC-02-2004<br />
Gr<strong>und</strong>lagen<br />
Studientitel<br />
Randomisierte offene multizentrische Phase-II-Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit <strong>und</strong> Sicherheit von<br />
Capecitabin plus Irinotecan plus Cetuximab im Vergleich zu Capecitabin plus Oxaliplatin plus Cetuximab als<br />
Erstlinienbehandlung von Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom.<br />
Studienziel<br />
Primäres Studienziel sind die Ansprechraten (komplette oder partielle Remission (CR/PR) nach RECIST als<br />
bestes Ansprechen (BOR)). Sek<strong>und</strong>äre Ziele sind Zeit bis zur Progression (TTP), Stabilisierungsraten (CR/PR<br />
oder Stabilisierung (SD) nach RECIST als BOR), Verträglichkeit <strong>und</strong> Anteile der Patienten mit<br />
Grad-3/4-Toxizität (nach NCI-CTC, s. Blatt „Common Toxicity Criteria“).<br />
Studienleitung<br />
PD Dr. med. V. Heinemann/ Prof. Dr. med. A. Schalhorn<br />
Medizinische <strong>Klinik</strong> III, <strong>Klinik</strong>um Großhadern, Marchioninistraße 15, 81377 München<br />
Tel.: 089-7095-0/-2208, Fax: 089-7095-5256<br />
Studiendesign<br />
R<br />
CapIri + Cetuximab (Arm A)<br />
CapOx + Cetuximab (Arm B)<br />
Einschlusskriterien<br />
unterzeichnete, schriftliche Einverständniserklärung zur Teilnahme nach erfolgter Aufklärung<br />
histologisch nachgewiesenes, metastasiertes kolorektales Karzinom<br />
Messung der EGFR-Expression (Ergebnis der Analyse muss bei Randomisation nicht vorliegen)<br />
keine vorherige Chemotherapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms<br />
keine Chemotherapie des kolorektalen Karzinoms in den 6 Monaten vor Studienbeginn<br />
keine vorherige Therapie mit Topoisomerase-1-Inhibitoren<br />
keine vorherige den EGF (epidermal growth factor) betreffende Therapie mit monoklonalen Ak, Inhibitoren<br />
der Signalübertragung oder mit anderen auf den EGF abzielenden Therapien<br />
keine chir. Eingriffe (außer diagnostische Biopsien) oder Bestrahlungen in den 4 Wochen vor Studienbeginn<br />
<strong>und</strong> keine bereits beim Screening geplanten chir. Eingriffe oder Bestrahlungen<br />
Vorliegen von mindestens einer messbaren Läsion nach RECIST (längster Durchmesser mindestens 20 mm<br />
(10 mm beim Spiral-CT), Läsion nicht in einem bereits bestrahlten Gebiet)<br />
Ausschlusskriterien<br />
Messung der EGFR-Expression nicht möglich<br />
andere gleichzeitige Behandlung des kolorektalen Karzinoms (außer mit Studienmedikation)<br />
Niereninsuffizienz (Krea-Clearance < 30 ml/min)<br />
bekannter DPD-Mangel, Z.n. Myokardinfarkt, bekanntes Gilbert-Meulengracht-Syndrom<br />
Kontraindikation oder bekannte oder vermutete Unverträglichkeit gegen eine Studienmedikation<br />
bekannte oder vermutete Hirnmetastasen, symptomatische Peritonealkarzinose<br />
chronisch entzündliche Darmerkrankung, akuter oder subakuter Darmverschluss<br />
bekannter Alkohol- oder Drogenmissbrauch<br />
andere Begleiterkrankungen, die eine Teilnahme an der Studie nach Ansicht des Prüfarztes nicht erlauben<br />
Vorläufige Ergebnisse siehe Folgeseite<br />
334
CIOX-Studie CRC-02-2004<br />
Durchführung<br />
Therapiedurchführung<br />
Die Behandlung wird fortgeführt, bis Progression (PD) festgestellt wird, nicht-akzeptable Toxizität beobachtet wird,<br />
bestätigte CR erzielt wird, der Patient den Therapieabbruch wünscht oder es nach Ansicht des Prüfarztes im besten<br />
Interesse des Patienten ist, die Behandlung zu beenden.<br />
XELIRI + Cetuximab (Arm A, ≤ 65 Jahre)<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Capecitabin 1600 p.o. 1 – 14<br />
Cetuximab-Erstgabe 400 2-Std.-Infusion 1<br />
Cetuximab 250 1-Std.-Infusion (1), 8, 15<br />
Irinotecan 200 30-Min.-Infusion 1<br />
Wiederholung Tag 22<br />
XELIRI + Cetuximab (Arm A, > 65 Jahre)<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Capecitabin 1280 p.o. 1 – 14<br />
Cetuximab-Erstgabe 400 2-Std.-Infusion 1<br />
Cetuximab 250 1-Std.-Infusion (1), 8, 15<br />
Irinotecan 160 30-Min.-Infusion 1<br />
Wiederholung Tag 22<br />
XELOX + Cetuximab (Arm B)<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Capecitabin 2000 p.o. 1 – 14<br />
Cetuximab-Erstgabe 400 2-Std.-Infusion 1<br />
Cetuximab 250 1-Std.-Infusion (1), 8, 15<br />
Oxaliplatin 130 2-Std.-Infusion 1<br />
Wiederholung Tag 22<br />
Vorläufige Ergebnisse (Heinemann, V. et al., ESMO 2006)<br />
Caplri +<br />
Cetuximab<br />
(n=33)<br />
n (%)<br />
CapOx +<br />
Cetuximab<br />
(n=29)<br />
n (%)<br />
Komplette Remission (CR) 2 (6,1) 2 (6,9)<br />
Partielle Remission (PR) 12 (36,4) 17 (58,6)<br />
Stable disease (SD) 16 (48,5) 8 (27,6)<br />
Progression 3 (9,1) 2 (6,9)<br />
CR + PR 14 (42,4) 19 (65,5)<br />
CR + PR + SD 24 (90,9) 27 (93,1 )<br />
Bei den bisher evaluierbaren Patienten<br />
lagen die Ansprechraten (CR+PR) im<br />
Irinotecan-haltigen Arm (CapIri +<br />
Cetuximab = CCI)) bei 42,4%, im<br />
Oxaliplatin-haltigen Arm (CapOx +<br />
Cetuximab = CCO) bei 65,5%. Die<br />
Krankheitsstabilisierungsraten (CR+<br />
PR+ SD) waren in beiden Armen<br />
vergleichbar hoch mit 90,9% im CCI-<br />
Arm <strong>und</strong> 93,1% im CCO-Arm.<br />
Update ASCO 2008, Abstract 4033 (Heinemann et al.)<br />
142 Patienten (XELIRI-C vs. XELOX-C: 74 vs. 68) wurden evaluiert. Die Gesamtansprechrate (ORR) betrug<br />
52,7% vs. 61,8% <strong>und</strong> die Krankheitskontrollrate (CR + PR + SD) lag immerhin bei 83,4% bzw. 97,1%. Das<br />
mediane progressionsfreie Überleben betrug 8,4 vs. 9,2 Monate. Das mediane Gesamtüberleben ist noch nicht<br />
erreicht. Die häufigsten Grad-3/4-Toxizitäten bestanden in Diarrhoe (16,3% vs. 20%) <strong>und</strong> Hautexanthem (12,8<br />
vs. 18,8%).<br />
Fazit: Beide Regime sind wirksam <strong>und</strong> tolerabel als Erstlinientherapie beim metastasierten KRK:<br />
335
Therapiesequenzen<br />
FOCUS-, CAIRO-Studie<br />
Bei Patienten mit asymptomatischer, nicht bedrohlicher Metastasierung in gutem Allgemeinzustand,<br />
die keine Kandidaten für eine sek<strong>und</strong>äre Resektion sind (z. B. aufgr<strong>und</strong> von Knochenmetastasen), ist<br />
ein sequentieller Therapieansatz berechtigt, wie unten angeführte große Studien gezeigt haben.<br />
FOCUS-Studie (Seymour M.T. et al., ASCO 2005, A3518)<br />
Die mit 2135 eingeschlossenen Patienten größte Studie beim metastasierten KRK prüft, ob eine<br />
primäre Kombinationstherapie erfolgen muss oder ob ein sequentieller Einsatz von Oxaliplatin- bzw.<br />
Irinotecan-FU-Kombinationen erst nach 5-FU-Versagen möglich ist. (m = modifiziertes Schema)<br />
First-Line Second-Line Third-Line<br />
Sequentiell<br />
Inf. 5-FU/FA Irinotecan CapOX<br />
Inf. 5-FU/FA + Irinotecan (mFOLFIRI) CapOX<br />
Inf. 5-FU/FA + Oxaliplatin (mFOLFOX) CapIRI<br />
Primäre Kombinationstherapie<br />
mFOLFIRI → CapOX<br />
mFOLFOX → CapIRI<br />
Ergebnisse: Ein leicht erhöhtes, statistisch nicht signifikantes Gesamtüberleben zeigte sich unter der<br />
Kombinationschemotherapie, entweder als first- oder als second-line-Therapie gegeben. Eine First-line-<br />
Kombinationschemotherapie verbesserte das Gesamtüberleben jedoch nicht im Vergleich dazu, wenn dieselbe<br />
Kombinationstherapie erst als second-line-Therapie gegeben wurde.<br />
Fazit: Der Vorteil einer intensivierten Primärtherapie setzt sich nicht in einem verbesserten Überleben fort.<br />
Keine Irinotecan-Monotherapie.<br />
CAIRO-Studie (Punt C.J. et al., ASCO 2007, A:4012)<br />
Die niederländische Phase-III-Studie untersuchte die Effektivität <strong>und</strong> Toxizität einer sequentielle<br />
Therapie (beginnend mit Capecitabine) versus einer Kombinations-Chemotherapie (beginnend mit<br />
Capecitabine/Irinotecan) unter Verwendung aller verfügbaren zytotoxischen Substanzen (außer von<br />
Antikörpern).<br />
Ergebnisse: In der First-line gab es signifikante Differenzen in der Grad-3/4-Toxizität für die<br />
Diarrhoe (10% vs. 25%), die febrile Neutropenie (1% vs. 6%) <strong>und</strong> das Hand-Fuß-Syndrom (12% vs.<br />
5%). Die Toxizität für CAPIRI war akzeptabel. Die Kombinationstherapie resultierte nicht in einem<br />
Benefit im Overall Survival im Vergleich zu der sequentiellen Therapie (OS 17,4 vs. 16,3 Monate).<br />
Medianes OS<br />
336
Metastasierte <strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Therapiepause, OPTIMOX 1- <strong>und</strong> OPTIMOX 2-Studie<br />
OPTIMOX 1 (Tournigand C. et al. J Clin Oncol 2006,24: 394-400)<br />
Um das Problem der kumulativen Oxaliplatin-Toxizität zu<br />
umgehen, wurde in dieser Studie erstmals eine STOP and GO-<br />
Strategie für oxaliplatinhaltige Kombinationstherapien<br />
untersucht. Die Standardbehandlung war das FOLFOX4-Regime<br />
(A) mit Behandlung bis zur Progression. Das Kontrollregime<br />
bestand in dem FOLFOX7-Protokoll (B), bei dem nach 6 Zyklen<br />
(12 Wochen) eine Oxaliplatinpause eingelegt wurde, während ein<br />
infusionales 5-FU/Folinsäure-Schema (C) fortgesetzt wurde. Bei nachgewiesenem Progress sollte eine<br />
Wiederaufnahme (Reinduktion) des kompletten FOLFOX7-Regimes für erneut 6 Zyklen erfolgen.<br />
Ergebnisse: 620 Patienten wurden eingeschlossen. Das mediane pogressionsfreie Überleben (PFS) war in Arm A 9,0<br />
vs. 8,7 Monate im Arm B. Das Gesamtüberleben (OS) unterschied sich ebenfalls nicht signifikant mit 19,3 vs. 21,2<br />
Monaten. Eine Grad-3 Neuro-toxizität<br />
wurde bei 17,9% vs. 13,3% der Patienten<br />
im Arm B beobachtet (p = 0,12). Im Arm<br />
B wurde Oxaliplatin nur bei 40% der<br />
Patienten reinduziert. Bei der Mehrzahl<br />
dieser Patienten (69,4%) wurde jedoch<br />
dadurch eine Response oder Stabilisierung<br />
erreicht. Fazit: Die Effektivität beider<br />
Arme war vergleichbar bei niedrigerer<br />
Neurotoxizität. Es kann nach 3-monatiger<br />
Therapie eine Oxaliplatinpause unter<br />
Beibehaltung der 5-FU-haltigen Therapie<br />
eingelegt werden.<br />
OPTIMOX2-Studie (Maindrault-Goebel F. et al.,ASCO 2006, Abstract 3504 <strong>und</strong> ASCO 2007, Abstract 4013)<br />
OPTIMOX 2 Studiendesign<br />
In dieser Studie wurde die<br />
Frage nach einer kompletten<br />
Therapiepause bei einer<br />
oxaliplatinhaltigen Chemotherapie<br />
untersucht. Diese<br />
Studie wurde zunächst als<br />
Phase-III-Studie geplant <strong>und</strong><br />
nach der Bevacizumab-<br />
Zulassung auf einem Phase-<br />
II-Level durchgeführt. Das<br />
primäre Studienziel war die Dauer der Krankheitskontrolle (DDC=duration of disease control). Dieser neue<br />
Studienendpunkt setzt sich zusammen aus dem progressionsfreien Überleben (PFS 1), ergänzt um das PFS nach<br />
erneuter FOLFOX-Reinduktion (PFS 2).<br />
DDC<br />
Ergebnisse: 202 nicht<br />
vorbehandelte Pat. wurden<br />
auf zwei Arme randomisiert:<br />
Pat. im Kontrollarm erhielten<br />
FOLFOX7<br />
als<br />
Induktionstherapie gefolgt<br />
Δ 7 Monate !<br />
von 5-FU/LV als<br />
Erhaltungstherapie bis zur<br />
Baseline-Progression <strong>und</strong><br />
erneuter Reinduktion bei<br />
Progress analog zum OPTIMOX1-Arm. Im experimentellen Arm wurde die Chemotherapie nach 6 Zyklen FOLFOX7<br />
komplett gestoppt <strong>und</strong> erst wieder aufgenommen, wenn der Tumor fast die Ausgangsdimension erreicht hatte.<br />
Ergebnisse: Das progressionsfreie Überleben war mit 8,7 Monaten im OPTIMOX1-Arm signifikant länger als beim<br />
kompletten Stop (OPTIMOX2) mit 6,9 Monaten. Allerdings war die Dauer der Tumorkontrolle (DDC) mit 12,9 versus 11,7<br />
Monaten nicht signifikant unterschiedlich. Die mittlere Dauer des chemotherapiefreien Intervalls im OPTIMOX2-Arm<br />
betrug 4,6 Monate. Die aktuellen Überlebensdaten zeigen jetzt jedoch einen deutlichen Unterschied von 7 Monaten (26<br />
versus 19 Monate) zugunsten des OPTIMOX1 Armes.<br />
Fazit: Damit zeigt die Studie, dass für oxaliplatinhaltige Therapieprotokolle eine komplette Therapiepause aller Substanzen<br />
nicht empfehlenswert ist.<br />
DDC<br />
PFS<br />
Overall survival<br />
337
Metastasierte <strong>Kolorektale</strong> <strong>Karzinome</strong><br />
Therapiepause, FOLFIRI<br />
OPTIMOX1/2 Studie. Beste Zeit für Therapie-Stop <br />
(Perez-Staub N. et al., ASCO 2008, Abstr. 4037)<br />
Alle Patienten in den beiden OPTIMOX-Studien wurden im Hinblick auf die Dauer der Chemotherapie bis zum<br />
Chemotherapiefreien Intervall (CFI) untersucht. 184 Patienten waren evaluierbar. Das mediane Overall Survival (OS)<br />
betrug bei 90 Patienten, die die Chemotherapie nach 6 Monaten Behandlung <strong>und</strong> weniger unterbrochen hatten, 24,6<br />
Monate gegenüber einem OS von 39,8 Monaten bei 94 Patienten, die die Behandlung erst nach 6 Monaten gestoppt<br />
hatten. Die durchschnittliche Dauer des chemotherapiefreien Intervalls betrug 6 Monate. Es gab keine Korrelation<br />
zwischen der Dauer der<br />
Was ist die optimale Chemotherapiedauer vor einem chemotherapiefreien Intervall (CFI) > 3 Monate <br />
Optimale Dauer vor CFI ≥ 6 Monate<br />
Monate.<br />
Chemotherapie <strong>und</strong> der<br />
Dauer<br />
des<br />
Chemotherapiefreien<br />
Intervalls. Ein längeres<br />
Chemotherapiefreies<br />
Intervall (> 6 Monate)<br />
war ein prädiktiver<br />
Faktor für ein<br />
verlängertes Überleben.<br />
Fazit: Die optimale<br />
Dauer<br />
einer<br />
Chemotherapie vor<br />
einem komplett<br />
chemotherapiefreien<br />
Intervall beträgt 6<br />
CONcePT-Studie (Grothey A. et al., ASCO 2008 Abstr. 4010)<br />
Diese Studie untersuchte zum einen, ob Patienten von einer diskontinuierlichen Oxalipatingabe bei einer<br />
Kombinationstherapie aus Oxaliplatin/5-FU/Bevacizumab profitieren <strong>und</strong> ob eine zusätzliche Gabe von<br />
Calcium/Magnesium-Infusionen die Polyneuropathie günstig beeinflussen kann. Die intermittierende Oxaliplatingabe<br />
erfolgte wie in der OPTIMOX 1-Studie. 5-FU/Bevacizumab wurde<br />
als eine Art Erhaltungstherapie weitergegeben. Die Studie wurde<br />
vorzeitig beendet, nachdem eine Interimsanalyse einen ungünstigen<br />
Effekt der Ca/Mg-Infusion auf die Effektivität vermuten liess.<br />
Ergebnisse: Das progressionsfreie Überleben (PFS) betrug bei der<br />
kontinuierlichen Gabe 7,3 Monate versus 12,0 Monate bei der<br />
intermittierenden Gabe von Oxaliplatin. Auch die Zeit bis zum<br />
Therapieversagen (TTF) wurde durch die intermittierende Gabe<br />
signifikant verlängert. Die kontinuierliche Oxaliplatingabe führte<br />
häufig zu einem vorzeitigen Studienabbruch. Eine Beeinträchtigung<br />
der Wirksamkeit der Therapie durch die Ca/Mg-Gabe zeigte sich in<br />
der Endanalyse nicht. Es ergab sich ein Trend für die Neuroprotektion<br />
durch die Ca/Mg-Behandlung.<br />
Fazit: Die intermiteriende Oxaliplatingabe ergibt gegenüber der kontinuierliche Gabe nicht nur ein günstigeres<br />
Toxizitätsprofil mit weniger Neuropathie als Abbruchgr<strong>und</strong>, sondern führt auch zu einer längeren Zeit bis zum<br />
Therapieversagen <strong>und</strong> zu einem längeren progressionsfreien Intervall.<br />
FOLFIRI intermittierend vs. kontinuierlich – GISCAD-Studie<br />
(Labianca R. et al. ASCO 2006, Abstract 3505)<br />
Die italienische GISCAD-Arbeitsgruppe untersuchte die<br />
alternierende Therapie mit FOLFIRI: 2 Monate Therapie, 2 Monate Pause, dann wieder 2 Monate Therapie usw. im<br />
Vergleich zu einer kontinuierlichen Gabe von FOLFIRI bis zur Progression.<br />
Ergebnisse: Das progressionsfreie Überleben sowie das Overall Survival unterschieden sich bei den insgesamt 336<br />
Progressionsfreies Überleben<br />
kontinuierlich<br />
intermittierend<br />
Gesamtüberleben<br />
kontinuierlich<br />
intermittierend<br />
7,3 Monate<br />
8,8 Monate n.s<br />
17,6 Monate<br />
16,9 Monate n.s.<br />
Patienten nicht signifikant. Da Irinotecan wenig Probleme mit<br />
der kumulativen Toxizität besitzt, war auch die Toxizität in<br />
beiden Armen vergleichbar. Mit einem alternierenden Schema<br />
kann die gleiche Effektivität erreicht werden wie mit einer<br />
kontinuierlichen Therapie mit dem Vorteil einer<br />
chemotherapiefreien Zeit für den Patienten.<br />
338
AIO-Studie KRK 0504<br />
Gr<strong>und</strong>lagen<br />
Studientitel<br />
Zweitlinientherapie AIO-IRI / FOLFIRI / CAPIRI / XELIRI +/-Bevacizumab bzw. FUFOX / FOLFOX / CAPOX /<br />
XELOX +/-Bevacizumab bei Patienten mit metastasiertem kolorektalen Karzinom nach Progress unter<br />
Erstlinientherapie mit Fluoropyrimidin/Oxaliplatin-Bevacizumab bzw. Fluoropyrimidin/Irinotecan-Bevacizumab.<br />
Prospektiv randomisierte, multizentrische Phase-III-Studie.<br />
Studienziel<br />
Primäres Studienziel ist der Vergleich der progressionsfreien Zeiten einer Zweitlinientherapie mit einer<br />
Zweitlinientherapie unter zusätzlicher Anwendung des Anti-VEGF-Antikörpers Bevacizumab. Sek<strong>und</strong>äre Ziele sind<br />
Gesamtüberlebenszeiten, Remissionsraten <strong>und</strong> Dokumentation der Toxizitäten.<br />
Studienleitung<br />
PD Dr. med. S. Kubicka<br />
Medizinische Hochschule Hannover, Zentrum Innere Medizin, Abteilung für Gastroenterologie <strong>und</strong> Hepatologie<br />
Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover<br />
Studienkoordination<br />
Dr. med. Christina Englisch-Fritz<br />
<strong>Klinik</strong>um Bremen Ost, <strong>Klinik</strong> für Innere Medizin<br />
Züricher Strasse 40, 28325 Bremen<br />
Tel.: 0421/ 408-0/ -2534, Fax: 0421/ 408-2235<br />
Studiendesign<br />
Randomisation<br />
GSO mbH<br />
Heilwigstr. 30, 20249 Hamburg,<br />
Tel: 040-44195460, Fax: 040-44195478<br />
Stratifizierung<br />
Um eine Gleichverteilung von prognostischen Faktoren in beiden Studienarmen zu erzielen, werden die Patienten<br />
stratifiziert nach (Köhne et al., 2000): ECOG PS, Anzahl der Metastasen, Leukozyten, alkalischer Phosphatase.<br />
Einschlusskriterien<br />
Wie AIO-Studie KRK 0604. Zusätzlich:<br />
Dokumentierter Tumorprogress unter Erstlinientherapie aus entweder Fluoropyrimidin/Oxaliplatin-Bevacizumab<br />
(Stratum A) oder Fluoropyrimidin/Irinotecan-Bevacizumab (Stratum B)<br />
Die Progression darf höchstens 3 Monate nach der letzten Verabreichung von Bevacizumab erfolgt sein.<br />
Patienten, die aus Toxizitätsgründen in der Vortherapie nicht mehr alle Therapiepartner erhalten haben, müssen<br />
bis vor maximal 3 Monaten Bevacizumab erhalten haben.<br />
Ausschlusskriterien<br />
Wie AIO-Studie KRK 0604. Zusätzlich:<br />
Vorangegangene systemische Immun- oder Chemotherapie entfällt<br />
Dokumentierter Tumorprogress während einer Therapiepause länger als 3 Monate nach der Beendigung der<br />
Erstlinientherapie. Hier sollte primär eine Reinduktion der Erstlinientherapie erwogen werden. Ein Einschluss in<br />
diese Studie kann dann nach Progression unter dieser Reinduktionstherapie erfolgen.<br />
339
AIO-Studie KRK 0504<br />
Therapie I<br />
Therapiedurchführung<br />
Die Behandlung wird durchgeführt bis Tumorprogress, Auftreten eines Zweittumors, nicht akzeptable Toxizität<br />
trotz entsprechender Dosisreduktion, Verschlechterung des Allgemeinzustandes nach ECOG > 2, Wunsch des<br />
Patienten nach Therapieende oder Resektion oder Ablation der Referenzläsion.<br />
CAPIRI (Arme A1 + A2)<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Capecitabin 2000 p.o. 1 – 14, 22 - 35<br />
Irinotecan 80 90-Min.-Infusion 1, 8, 22, 29<br />
Wiederholung Tag 43<br />
XELIRI (Arme A1 + A2)<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Capecitabin 1600 p.o. 1 – 14, 22 - 35<br />
Irinotecan 200 90-Min.-Infusion 1, 22<br />
Wiederholung Tag 43<br />
AIO-IRI (Arme A1 + A2)<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Irinotecan 80 2-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22, 29, 36<br />
Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22, 29, 36<br />
5-FU 2000 24-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22, 29, 36<br />
Wiederholung Tag 50<br />
FOLFIRI (Arme A1 + A2)<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Irinotecan 180 2-Std.-Infusion 1, 15<br />
Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2, 15, 16<br />
5-FU 400 Bolus 1, 2, 15, 16<br />
5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2, 15, 16<br />
Wiederholung Tag 29<br />
Simplified FOLFIRI (Arme A1 + A2)<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Irinotecan 180 2-Std.-Infusion 1, 15<br />
Folinsäure 400 2-Std.-Infusion 1, 15<br />
5-FU 400 Bolus 1, 15<br />
5-FU 2400 46-Std.-Infusion 1, 15<br />
Wiederholung Tag 29 Tournigand et al. 2004<br />
CAPOX (Arme B1 + B2)<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Capecitabin 2000 p.o. 1 – 14, 22 - 35<br />
Oxaliplatin 70 2-Std.-Infusion 1, 8, 22, 29<br />
Wiederholung Tag 43<br />
340
AIO-Studie KRK 0504<br />
Therapie II<br />
XELOX (Arme B1 + B2)<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Capecitabin 2000 p.o. 1 – 14, 22 – 35<br />
Oxaliplatin 130 2-Std.-Infusion 1, 22<br />
Wiederholung Tag 43<br />
FUFOX (Arme B1 + B2)<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Oxaliplatin 50 2-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22<br />
Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22<br />
5-FU 2000 22-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22<br />
Wiederholung Tag 36<br />
FOLFOX6 (Arme B1 + B2)<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Oxaliplatin 100 2-Std.-Infusion 1, 15<br />
Folinsäure 400 2-Std.-Infusion 1, 15<br />
5-FU 400 Bolus 1, 15<br />
5-FU 2400 46-Std.-Infusion 1, 15<br />
Wiederholung Tag 29<br />
FOLFOX4 (Arme B1 + B2)<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion 1, 15<br />
Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2, 15, 16<br />
5-FU 400 Bolus 1, 2, 15, 16<br />
5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2, 15, 16<br />
Wiederholung Tag 29<br />
Zusätzlich zu den aufgeführten Therapieprotokollen wird in den Armen A1 <strong>und</strong> B1 Bevacizumab<br />
gegeben:<br />
Bevacizumab (Arme A1 + B1)<br />
Substanz Dosis Applikationsform Therapietage<br />
Bevacizumab 5 mg/kg 30-90-Min.-Infusion 1, 15 Whg. Tag 29<br />
oder<br />
Bevacizumab 7,5 mg/kg 30-90-Min.-Infusion 1, 22 Whg. Tag 43<br />
Kontrolluntersuchungen/ Toxizitäten<br />
Die Kontrolluntersuchungen <strong>und</strong> Dosismodifikationen entsprechen denen der AIO-Studie KRK 0604. Davon<br />
abweichend ist bei CR/PR der Referenzläsion eine Bestätigung der Response mittels Bildgebung nach 4<br />
Wochen erforderlich.<br />
341
Lebermetastasen<br />
Therapiestrategie<br />
Eine primäre operative Entfernung von Lebermetastasen beim kolorektalen Karzinom ist nur bei 10-25% der<br />
Patienten möglich. Dabei stellt die R0-Resektion der Metastasen die einzige kurative Chance dar. Infolge der<br />
inzwischen sehr hohen Ansprechraten auf eine Chemotherapie durch Einführung neuer Substanzen wird<br />
häufiger jedoch eine sek<strong>und</strong>äre Metastasenresektion möglich. Der früher rein palliative Charakter einer<br />
Chemotherapie wandelt sich zu einem wesentlichen Faktor in einem multidisziplinären, potentiell kurativen<br />
Konzept. In neueren Serien liegt das 5-Jahres-Überleben nach Resektion von Lebermetastasen bei bis zu 40%.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich muss bei jedem Patienten mit metastasiertem KRK die Frage gestellt werden, ob die Metastasen<br />
primär resektabel sind <strong>und</strong> wenn nicht, ob bei guter Remission eventuell eine sek<strong>und</strong>äre Metastasenresektion<br />
möglich werden kann. Voraussetzung ist die allgemeine Operabilität des Patienten. Die Patienten müssen immer<br />
primär in einer multidisziplinären Tumorkonferenz vorgestellt werden. Auf keinen Fall darf eine mögliche<br />
kurative Option außer acht gelassen werden.<br />
Therapiestrategie<br />
KRK mit Lebermetastasen, primär resektabel oder potentiell sek<strong>und</strong>är resektabel<br />
R0-resektabel +<br />
FONG-Score ≤2<br />
Nur potentiell R0-resektabel oder<br />
FONG-Score ≥3 od. nicht R0-resektabel<br />
Neoadjuvante Chemotherapie mit möglichst<br />
effektiver Kombination<br />
Primäre Resektion<br />
Sek<strong>und</strong>äre Resektion wenn R0 möglich *<br />
R0<br />
R1/R2<br />
R0<br />
R1/R2<br />
Adjuvante Chemotherapie<br />
(FOLFOX 6 Monate)<br />
Additive/Palliative<br />
Chemotherapie*<br />
Adjuvante Chemotherapie wie präop.<br />
für 3 Monate od. Beobachtung<br />
Additive /Palliative<br />
Chemotherapie<br />
* PET-CT zum Ausschluss<br />
weiterer Manifestationen v.a. extrahepatisch<br />
Lebermetastasen R0-resektabel<br />
Bei Patienten mit R0-resektablen Lebermetastasen soll eine Bewertung des Risiko-Scores (z.B. Fong-Score<br />
siehe folgende Seiten) erfolgen. Bei Fong-Score ≤ 2 kann eine primäre Metastasenresektion erfolgen.<br />
Die Daten der EORTC 40983-Studie, die die Wertigkeit einer neoadjuvanten Chemotherapie bei resektablen<br />
Lebermetastasen untersuchte, ergaben zwar eine Verbesserung des 3-Jahres-krankheitsfreien Überlebens für die<br />
neoadjuvante Therapie um 7,2%. Der Unterschied zu der Gruppe ohne neoadjuvante Therapie war aber<br />
statistisch nicht signifikant. So bleibt die primäre Operation bei niedrigem präoperativem Prognosescore eine<br />
gute Option.<br />
Adjuvante Chemotherapie nach primärer Metastasenresektion<br />
Für die postoperative Therapie nach primärer Lebermetastasenresektion <strong>und</strong> R0-Situation ist kein Standard<br />
definiert, die Datenlage ist limitiert.<br />
Eine aktuelle Studie von Portier (siehe folgende Seiten) erbrachte eine Verbesserung des 5-Jahres-DFS um 7%<br />
durch eine adjuvante 5-FU/Folinsäure-Therapie. Aufgr<strong>und</strong> dieser Daten <strong>und</strong> da keine weitere Studie zu dieser<br />
Fragestellung (adjuvante gegen keine Therapie) zu erwarten ist, sollte die Indikation für eine adjuvante<br />
Chemotherapie analog dem Stadium III des Kolonkarzinoms (FOLFOX) großzügig gestellt werden.<br />
Die NCCN-Guidelines empfehlen mit Hinweis auf die limierte Datenlage nach kompletter Resektion von<br />
Lebermetastasen eine 4-6-monatige adjuvante Chemotherapie.<br />
S3-Leitlinie 2008: Nach R0-Resektion synchroner oder metachroner Lebermetastasen kann eine adjuvante<br />
Chemotherapie erwogen werden.<br />
342
Lebermetastasen<br />
Therapiestrategie II<br />
Lebermetastasen potentiell R0-resektabel, aber schlechter Fong-Score ≥ 3<br />
• Bei möglicher R0-Resektabilität, aber ungünstigem präoperativen Prognosescore sowie nur potentieller<br />
Resektabilität ist eine neoadjuvante Chemotherapie indiziert.<br />
• Die präoperative Chemotherapie soll nur über einen begrenzten Zeitraum erfolgen, um die Toxizität auf das<br />
ges<strong>und</strong>e Lebergewebe zu verringern. Empfohlen werden 3 Monaten Chemotherapie. Bei einer längeren Dauer nimmt<br />
die perioperative Morbidität stark zu. Die Hepatotoxizität des entsprechenden Chemotherapieprotokolls sowie eine<br />
eventuell bestehende Vorschädigung der Leber muss in die therapeutische Entscheidung <strong>und</strong> die OP-Planung mit<br />
einbezogen werden.<br />
• Bei sicherer R0-Resektabilität <strong>und</strong> eher geringem Risikoprofil kann die Chemotherapie mit<br />
- FOLFOX4 6 Zyklen (12 Wochen) präoperativ analog der EORTC-Studie erfolgen.<br />
Alternative Chemotherapieprotokolle sind, besonders bei nur potentieller Resektabilität <strong>und</strong> hohem Risikoprofil:<br />
- FOLFOX oder FOLFIRI + Cetuximab (bei KRAS-Wildtyp)<br />
- FOLFOX/XELOX oder FOLFIRI/XELIRI + Bevacizumab bei KRAS-Mutation <strong>und</strong> KRAS-Wildtyp<br />
- FOLFOXIRI (FOLFIRI + Oxaliplatin, Falcone A. ASCO 2007, #4026)<br />
• Der Effekt der Chemotherapie soll spätestens nach 2-3 Monaten Therapie evaluiert werden. Die Metastasen sollen<br />
vor ihrem Verschwinden reseziert werden, damit der Chirurg sie noch identifizieren kann.<br />
• Präoperativ sollte bei einem FONG-Score ≥3 ein FDG-PET insbesondere zum Ausschluss extrahepatischer<br />
Metastasen durchgeführt werden, da sich bei ca. 25% der Patienten durch das PET die Strategie ändert. Ein<br />
introperativer Ultraschall (IOUS) soll außerdem durchgeführt werden, da sich PET <strong>und</strong> IOUS in ihrer Sensitivität<br />
ergänzen.<br />
• Ist die Lebermetastasenresektion nach neoadjuvanter Chemotherapie erfolgt, kann eine Fortsetzung der gleichen<br />
Chemotherapie für 3 Monate postoperativ oder eine Beobachtung erfolgen (NCCN-Guidelines 2007). Auch für diese<br />
Situation existieren keine ausreichenden Daten. Wenn es zu einem guten Ansprechen der Chemotherapie präoperativ<br />
gekommen ist <strong>und</strong> es die Leberfunktion erlaubt, ist eine Fortsetzung derselben Therapie für weitere 12 Wochen<br />
postoperativ sinnvoll.<br />
Lebermetastasen primär nicht R0-resektabel<br />
• Bei Lebermetastasen, die primär nicht resektabel sind, ist eine möglichst remissionsaktive neoadjuvante<br />
Chemotherapie indiziert.<br />
Maximal remissionsinduzierende Protokolle außerhalb von Studien sind derzeit<br />
- FOLFIRI + Oxaliplatin = FOLFOXIRI (Falcone A. ASCO 2007, #4026)<br />
- FOLFIRI oder FOLFOX + Cetuximab bei KRAS-Wildtyp<br />
- FOLFOX/XELOX oder FOLFIRI/XELIRI + Bevacizumab bei KRAS-Mutation <strong>und</strong> KRAS-Wildtyp<br />
Für FOLFOXIRI liegen nur wenige Daten vor. Die Remissionsraten sind hoch (60%), die Toxizität ist zwar<br />
„manageable“, aber ebenfalls hoch.<br />
Cetuximab in Kombination mit FOLFOX oder FOLFIRI ist nur bei KRAS-Wildtyp einsetzbar <strong>und</strong> zeigt ebenfalls<br />
hohe Remissionsraten um 60%.<br />
Bevacizumab in Kombination mit FOLFOX/XELOX oder FOLFIRI/XELIRI zeigt eher etwas geringere<br />
Remissionsraten als Cetuximab-Kombinationen, allerdings lag die Ansprechrate in der Hurwitz-Studie<br />
(Bevacizumab + IFL) bei KRAS-Wildtyp ebenfalls bei 60%.<br />
• Entscheidend ist, dass die Hepatotoxizität des entsprechenden Chemotherapieprotokolls sowie eine eventuell<br />
bestehende Vorschädigung der Leber in die therapeutische Entscheidung <strong>und</strong> OP-Planung mit einbezogen werden.<br />
Sek<strong>und</strong>äre Resektionen nach Bevacizumab sind sicher ohne Erhöhung der Komplikationsrate durchführbar. Ein<br />
protektiver Effekt von Bevacizumab im Hinblick auf die Hepatotoxizität durch Oxaliplatin wird diskutiert.<br />
• Eine Reevaluation der Operabilität muss alle 2-3 Monate erfolgen.<br />
• Die Lebermetastasen sollen reseziert werden, wenn sie resektabel <strong>und</strong> bevor sie verschw<strong>und</strong>en sind, da sie dann<br />
chirurgisch schwer auffindbar sind <strong>und</strong> die Leberschädigung durch die weitere Chemotherapie erhöht wird. Ziel einer<br />
präoperativen Therapie ist, eine Resektabilität zu erreichen, nicht eine Vollremission.<br />
Vollremissionen, dokumentiert mit bildgebenden Verfahren, bedeuten in der Regel keine Heilung. Die Rezidivrate<br />
liegt bei 85%. Die chirurgische Therapie aller Ausgangsläsionen ist anzustreben.<br />
• Eine postoperative Chemotherapie kann als individuelle Entscheidung in Abhängigkeit vom Ansprechen auf die<br />
Vortherapie, von der Dauer der Vortherapie <strong>und</strong> der Leberfunktion postoperativ erfolgen.<br />
343
Lebermetastasen<br />
Resektabilität, Prognosefaktoren, Fong-Score<br />
Resektabilität von Lebermetastasen<br />
Weitgehender Konsens herrscht im Hinblick auf die Kriterien der Irresektabilität. In dem „ONCOSURGE<br />
Decision Model“ (Haller D.G. et al., GI-ASCO 2005), das als Entscheidungsmodell für das Management von<br />
Lebermetastasen entwickelt wurde, werden als Kontraindikationen zur Leberteilresektion aufgeführt:<br />
- nicht resezierbare extrahepatische Erkrankungen<br />
- ausgedehnte Beteiligung der Leber mit Beteiligung von mehr als sechs Segmenten<br />
- mehr als 70% des Leberparenchyms oder<br />
- Befall aller drei Lebervenen<br />
- Leberparenchyminsuffizienz<br />
- Patient allgemein inoperabel oder lehnt die Operation ab.<br />
Präoperative Prognosefaktoren – FONG-Score<br />
In die Entscheidung über eine Resektion gehen auch Prognosefaktoren, insbesondere die Zahl der<br />
Metastasen ein. Die wichtigsten Prognosefaktoren sind in einem Score zusammengefasst. Der am<br />
häufigsten verwendete Score ist der FONG-Score. Er beinhaltet Informationen, die präoperativ zur<br />
Verfügung stehen. Bei einem FONG-Score ≥ 3 wird von einer Metastasenresektion eher abgeraten.<br />
FONG-Score<br />
• Anzahl der Lebermetastasen (>1)<br />
• Größe der Lebermetastasen (>5 cm)<br />
• Krankheitsfreies Intervall ( 200 μg/l)<br />
Gesamtüberleben (%)<br />
Score 1 Jahr 2 Jahre 3 Jahre 4 Jahre 5 Jahre Median<br />
(Monate)<br />
0<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
93<br />
91<br />
89<br />
86<br />
70<br />
71<br />
79<br />
76<br />
73<br />
67<br />
45<br />
45<br />
72<br />
66<br />
60<br />
42<br />
38<br />
27<br />
60<br />
54<br />
51<br />
25<br />
29<br />
14<br />
60<br />
44<br />
40<br />
20<br />
25<br />
14<br />
74<br />
51<br />
47<br />
33<br />
20<br />
22<br />
Jeder Risikofaktor bedeutet<br />
einen Punkt. Daraus ergibt<br />
sich die Überlebenswahrscheinlichkeit,<br />
wie aus der<br />
nebenstehenden Tabelle<br />
hervorgeht<br />
(Fong Y et al. Ann Surg<br />
1999; 230:309-18)<br />
Prognose nach Resektion<br />
Adam analysierte die Daten der Patienten, die sek<strong>und</strong>är nach neoadjuvanter Chemotherapie in seiner <strong>Klinik</strong><br />
Leber-reseziert wurden, in einer Langzeitbeobachtung. Das 5-Jahres-Überleben betrug 33% <strong>und</strong> das 10-Jahres-<br />
Überleben 23% (Adam R. et al., Ann Surg 2004; 240:644-57). Es war damit zwar schlechter als das der primär<br />
resezierten Patienten (48% <strong>und</strong> 30%), belegte aber, dass bei auf die Leber begrenzten Metastasen mit einem<br />
kombinierten Konzept ein Langzeitüberleben möglich ist.<br />
Aus dieser Arbeit entwickelte er auch einen Prognosescore zur Abschätzung der Prognose nach Leberresektion.<br />
Lag keiner der folgenden Risikofaktoren vor, lag das geschätzte 5-Jahres-Überleben bei 60%. Lagen 3 oder<br />
mehr der folgenden Risikofaktoren vor, betrug das 5-Jahres-Überleben < 1%:<br />
o mehr als 2 Lebermetastasen<br />
o Lebermetastasen > 10 cm<br />
o Erhöhter Tumormarker CA 19-9<br />
o R1-Resektion<br />
o Primärtumor im Rektum<br />
o Wiederholte Leberresektionsoperation<br />
Es gibt also Patienten, die trotz technischer Durchführbarkeit kaum von einer Leberresektion profitieren.<br />
344
Lebermetastasen<br />
Prognosescore nach Nordlinger<br />
Die chirurgische Resektion von Lebermetastasen ist inzwischen eine allgemein akzeptierte<br />
therapeutische Maßnahme. Mindestens zwei Drittel der Patienten erleiden ein Rezidiv. Eine nicht<br />
unerhebliche Anzahl von Patienten profitiert letztendlich nicht von der Operation.<br />
Um präoperativ eine Aussage zu treffen, ob eine Resektion für den Patienten sinnvoll ist, wurde ein<br />
einfacher Prognosescore entwickelt.<br />
Dieser wurde retrospektiv anhand der Daten von 1568 Patienten erstellt, die an Lebermetastasen nach<br />
einem kolorektalen Karzinom operiert worden waren (Nordlinger B et al. Cancer 1996; 77: 1254-62).<br />
Aus den Daten wurden folgende prognostische Faktoren entwickelt:<br />
Faktor 0 Punkte 1 Punkt<br />
Alter ≤ 60 Jahre > 60 Jahre<br />
Ausdehnung des Primärtumors auf die<br />
Serosa<br />
nein<br />
ja<br />
Zeit bis zum Auftreten der Lebermetastasen > 2 Jahre ≤ 2 Jahre<br />
Größe der größten Metastase < 5 cm ≥ 5 cm<br />
Anzahl der Metastasen 1-3 ≥ 4<br />
Sicherheitsabstand bei der Resektion ≥ 1 cm < 1 cm<br />
Lymphknotenmetastasen des Primärtumors nicht vorhanden vorhanden<br />
Die Verteilung der Metastasen auf ein oder zwei Leberlappen oder das Ausmaß der Leberresektion<br />
waren nicht mit dem Überleben korreliert.<br />
Falls der Sicherheitsabstand für die Resektion der Lebermetastasen präoperativ nicht ausreichend<br />
sicher bestimmt werden kann, wird der Patient einer Risikogruppe zugeordnet, ohne diesen Punkt zu<br />
berücksichtigen. Hierbei wurden nur ca. 10% der Patienten in eine „falsche“ Gruppe eingeordnet.<br />
Bei dem Anteil von ca. 60% der Patienten, bei denen der präoperative CEA-Wert bekannt war, konnte<br />
dieser die Faktoren „Alter“ <strong>und</strong> „Größe der größten Metastase“ ersetzen. Dabei ergab ein CEA 30 ng/ml 2 Punkte.<br />
Prognosegruppen<br />
Nach dem Nordlinger-Score lassen sich drei Prognosegruppen unterscheiden.<br />
Risikogruppe Punktzahl 2-Jahres-Überlebensrate<br />
Low risk 0-2 Punkte 79%<br />
Intermediate risk 3-4 Punkte 60%<br />
High risk 5-7 Punkte 43%<br />
Der am meisten verwendete Prognosescore ist der FONG-Score<br />
(siehe vorangehende Seite)<br />
345
Lebermetastasen<br />
Adjuvante Chemotherapie nach Metastasenresektion<br />
Obwohl eine Resektion kolorektaler Lebermetastasen das Überleben der betroffenen Patienten erheblich verlängern<br />
kann, rezidivieren viele Patienten sowohl intra- als auch extrahepatisch. Nur wenige prospektive Studien haben sich<br />
mit dem Stellenwert einer adjuvanten Chemotherapie nach Lebermetastasenresektion beschäftigt. Diese verwendeten<br />
ausschließlich 5-FU-haltige Therapien. Eine deutsche Studie, die Capecitabin/Oxaliplatin versus keine Therapie<br />
testete (ADHOC, siehe folgende Seiten), wurde wegen schleppender Rekrutierung vor kurzem gestoppt.<br />
Metaanalyse von 2 randomisierten Studien (Mitry E. et al., ASCO 2006, Abstract 3524)<br />
Zwei Phase-III-Studien (FFCD 9002 <strong>und</strong> EORTC/NCIC/CTG/GIVIO Trials) mit einem ähnlichen Design wurden<br />
wegen schlechter Rekrutierung abgebrochen. Es waren Patienten eingeschlossen, die ein histologisch gesichertes<br />
KRK hatten mit einer R0-Resektion des Primärtumors <strong>und</strong> von weniger als 4 Lungen- oder Lebermetastasen. Es<br />
wurde randomisiert zwischen einer adjuvanten 5-FU/Folinsäure-Bolus-Chemotherapie für 6 Zyklen <strong>und</strong> keiner<br />
adjuvanten Therapie. Die Ergebnisse wurden zunächst auf dem ASCO 2006 vorgestellt.<br />
Ergebnisse<br />
n PFS OS<br />
5-FU/FS 137 27,9 Mon. 62,2 Mon.<br />
Kontrolle 137 18,8 Mon. 47,3 Mon.<br />
Update (Portier G. et al.,J Clin Oncol 2006; 24:476-4982)<br />
Adjuvante Chemotherapie nach Lebermetastasenresektion: verlängertes<br />
krankheitsfreies Überleben, tendenziell längeres Gesamtüberleben.<br />
In der Metaanalyse zeigte sich für die adjuvante<br />
Chemotherapie eine deutliche Verbesserung des<br />
progressionsfreien Überlebens (PFS), die knapp unter dem<br />
Wert für eine statistische Signifikanz (p=0,58) blieb. Das<br />
Gesamtüberleben (OS) war nicht signifikant verbessert.<br />
Aktuell wurde diese Studie als Vollpublikation mit<br />
längerem Verlauf vorgestellt (Portier, JCO 2006 s.o.).<br />
Es zeigte sich erstmals eine signifikante<br />
Verbesserung des 5-Jahres-krankheitsfreien<br />
Überlebens durch die 5-FU/Folinsäure-Bolustherapie<br />
für die Patienten in der Chemotherapiegruppe (33,5%<br />
versus 26,7%). Für das Gesamtüberleben (OS) ergab<br />
sich ein Trend zugunsten der Chemotherapiegruppe,<br />
der jedoch keine statistische Signifikanz erreichte. (5-<br />
Jahres-OS 51,1% versus 41,1%).<br />
Adjuvante Chemotherapie mit Irinotecan/5-FU/FS versus 5-FU/FS<br />
(Ychou M. et al. ASCO 2008 Abstr. LBA4013)<br />
Vergleich einer adjuvanten Chemotherapie mit 5-FU/Folinsäure-Infusionsschema + Irinotecan 180 mg/m2 (alle 14<br />
Tage) versus 5-FU/Folinsäure-Infusionsschema nach R0-Resektion von Lebermetastasen.<br />
Ergebnisse: Die Zugabe von Irinotecan führte nicht zu einer signifikanten Verlängerung des DFS.<br />
Adjuvant regional + systemisch vs. Kontrollarm (Kemeny MM et al., ASCO 1999; Abstract 1012)<br />
In einer Studie der ECOG <strong>und</strong> SWOG wurden 109 Patienten nach hepatischer Metastasenresektion randomisiert,<br />
entweder keine weitere Therapie zu erhalten oder eine Adjuvanzbehandlung mit regionaler <strong>und</strong> systemischer<br />
Chemotherapie. Letztendlich wurden jedoch, z.B. wegen Vorhandensein von mehr als 3 Metastasen oder zusätzlichen<br />
extrahepatischen Metastasen, nur 45 Patienten im Kontrollarm <strong>und</strong> 30 Patienten im Chemotherapiearm verglichen.<br />
Die Chemotherapiegruppe erhielt vier Zyklen einer hepatischen intraarteriellen Therapie (HAI) mit FUDR <strong>und</strong> eine<br />
systemische Chemotherapie mit 12 Gaben einer HD-5-FU-Dauerinfusionsbehandlung.<br />
Ergebnisse: Es ergaben sich keine signifikanten Unterschiede bzgl. des medianen Überlebens, aber signifikante<br />
Unterschiede beim krankheitsfreien Überleben nach 3 Jahren. Hier fand sich für die Chemotherapiegruppe ein Anteil<br />
Überlebender von 58% vs. 34% im Kontrollarm. Die Leber war als Rezidivort in der Chemotherapiegruppe mit 8 mal<br />
vs. 24 mal Befall im Kontrollarm vertreten.<br />
Fazit: Aufgr<strong>und</strong> der Daten von Portier, die mit einem Regime von eher bescheidener Effektivität <strong>und</strong> hoher<br />
Toxizität erreicht wurden, sollte die Indikation zu einer adjuvanten Therapie nach Lebermetastasenresektion<br />
großzügig gestellt <strong>und</strong> ein Regime analog der adjuvante Chemotherapie im Stadium III gewählt werden. Die NCCN-<br />
Guidelines empfehlen mit Hinweis auf die limierte Datenlage nach kompletter Resektion von Lebermetastasen eine<br />
4-6-monatige adjuvante Chemotherapie. Aktuelle Studien in den USA untersuchen die Bedeutung der HAI in<br />
Kombination mit modernen Chemotherapien.<br />
S3-Leitlinie 2008: Nach R0-Resektion synchroner oder metachroner Lebermetastasen kann eine adjuvante<br />
Chemotherapie erwogen werden.<br />
346
Lebermetastasen<br />
EORTC 40983-Studie, perioperative Chemotherapie<br />
Zwischen September 2000 <strong>und</strong> Juli 2004 war ein Protokoll der EORTC (<strong>und</strong> mehrerer anderer<br />
Gruppen) aktiv, in dem die prä- <strong>und</strong> postoperative Chemotherapie mit Oxaliplatin/5-FU/Folinsäure<br />
gegenüber einer alleinigen chirurgischen Therapie primär resektabler Lebermetastasen in einer<br />
Phase-III-Studie geprüft wurde.<br />
Studienkoordination B. Nordlinger, Paris, Tel. 0033/1/49095586<br />
Ein- <strong>und</strong> Ausschlusskriterien<br />
Potentiell resektable Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms ohne erkennbare extrahepatische<br />
Tumormanifestation.<br />
Patienten mit synchronen Metastasen hatten ihre Primärtumorop. ≥1 Monat vor Randomisation <strong>und</strong><br />
Pat. mit metachronen Metastasen hatten eine R0-Resektion.<br />
Patienten mit synchronen Metastasen, bei denen die Primärtumoroperation <strong>und</strong> die<br />
Metastasenresektion in einer Prozedur durchgeführt werden können <strong>und</strong> diese um 3-4 Monate<br />
verschoben werden kann.<br />
Keine vorangegangene Chemotherapie des fortgeschrittenen Stadiums, eine vorangegangene adjuvante<br />
Chemotherapie ist erlaubt, sofern sie kein Oxaliplatin enthielt.<br />
Adäquate KM-, Nieren- <strong>und</strong> Leberfunktion.<br />
Keine periphere PNP > Grad 1.<br />
Chemotherapie: FOLFOX-Schema<br />
Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage<br />
Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion in Glukose 5 % 1<br />
Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2<br />
5-FU 400 i.v. Bolus 1, 2<br />
5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2<br />
Wiederholung: Tag 15<br />
Ablauf<br />
Die Patienten im Chemotherapiearm erhalten 6 Zyklen prä- <strong>und</strong> 6 Zyklen postoperative Therapie. Die<br />
Chemotherapie wird beendet, falls nach 3 Zyklen eine Progression eintritt oder bei lebensbedrohlicher<br />
°IV-Toxizität oder bei wiederholter nicht lebensbedrohlicher °IV-Toxizität trotz adäquater<br />
Dosisreduktion.<br />
Die Leberresektion sollte 2-5 Wochen nach der letzten Chemotherapieapplikation durchgeführt<br />
werden, die postoperative Therapie 2-5 Wochen nach der Resektion beginnen. Die übrigen Patienten<br />
erhalten eine alleinige chirurgische Therapie.<br />
Zielgröße ist das progressionsfreie Überleben.<br />
347
Lebermetastasen<br />
EORTC-Studie 40983, Zwischenergebnisse<br />
EORTC-Studie 40983 (B.Nordlinger et al. EORTC, ASCO 2005, Abstract 3528)<br />
Diese Studie evaluiert die prä- <strong>und</strong> postoperative Chemotherapie bei resektablen Lebermetastasen. 364<br />
Patienten mit potentiell resektablen Lebermetastasen wurden randomisiert zwischen prä- sowie postoperativ 6<br />
Zyklen FOLFOX-4 <strong>und</strong> alleiniger Chirurgie.<br />
EORTC-Studie 40983 Neoadjuvante Therapie alleinige Chirurgie<br />
Operation durchgeführt 92,5% 96,7%<br />
R0-Resektionsrate 96,7% 88,5%<br />
Chir. Komplikationen (30 Tage) 24,5% 13,3%<br />
Re-Operation 4,5% 2,3%<br />
Perioperative Letalität 0,9% 1,6%<br />
Transientes Leberversagen 6,4% 1,6%<br />
Galleleck 5,5% 1,6%<br />
Blutung 2,7% 2,3%<br />
W<strong>und</strong>infekt 2,7% 3,1%<br />
Intraabdomineller Infekt 4,5% 0,8%<br />
Kardiopulmonales Versagen 2,7% 1,6%<br />
Die Interimsanalyse zeigt, dass die R0-Resektionsraten im neoadjuvant behandelten Arm höher waren.<br />
Chirurgische Komplikationen traten häufiger auf in der neoadjuvant behandelten Gruppe, die perioperative<br />
Letalität war jedoch vergleichbar.<br />
EORTC-Studie 40983 (Grünberger T. et al, ASCO 2006, Abstract 3500)<br />
Auf dem ASCO 2006 wurden weitere Daten vorgestellt. Unter der neoadjuvanten präoperativen Chemotherapie<br />
kam es zu einer Verkleinerung der Metastasen radiologisch von 35 auf 25 mm im Median.<br />
EORTC 40983<br />
FOLFOX / OP / FOLFOX<br />
n = 182<br />
OP<br />
n = 182<br />
Operation durchgeführt 158 (87%) 167 (92%)<br />
Reseziert 151 (83%) 149 (82%)<br />
Größte Läsion (Pathologie) 25 mm 34,5 mm<br />
<strong>Klinik</strong><br />
Postoperative Letalität 1 (0,7%) 2 (1,3%)<br />
Perioperative Komplikationen 30 (21,1%) 15 (9,7%)<br />
Intraabdominelle Infektionen 8 (5,6%) 2 (1,3%)<br />
Pulmonale Komplikationen 7 (4,9%) 0 (0%)<br />
Gallefistel 6 (4,2%) 2 (1,3%)<br />
Reoperation 5 (3,5%) 3 (1,9%)<br />
348
Lebermetastasen<br />
Perioperative Chemotherapie, EORTC-Studie, Ergebnisse<br />
Die EORTC-Studie 40983 evaluierte die Wertigkeit einer prä- <strong>und</strong> postoperativen Chemotherapie mit<br />
FOLFOX-4 (jeweils 6 Gaben = 3 Monate) bei Patienten mit resektablen Lebermetastasen eines KRK gegenüber<br />
einer alleinigen Operation. Die ersten Sicherheits- <strong>und</strong> Remissionsdaten wurden bereits 2005 <strong>und</strong> 2006<br />
vorgestellt (siehe vorangehende Seiten). Primärer Endpunkt war eine Verbesserung des PFS um 40% durch die<br />
perioperative Therapie im Vergleich zur alleinigen Operation. Die Ergebnisse zur Effektivität wurden auf dem<br />
ASCO 2007 in der Plenary Session präsentiert.<br />
Ergebnisse (Nordlinger B. et al., ASCO 2007, Abstract LBA5 <strong>und</strong> Lancet 2008;371:963-5)<br />
364 Patienten wurden im Rahmen der Studie behandelt. Die meisten Patienten hatten 1-3 Metastasen <strong>und</strong> die<br />
Metastasen traten weniger als 2 Jahre seit der Primäroperation auf. In jedem Arm kamen jeweils 11 der 182<br />
Patienten wegen fortgeschrittenem Stadium für eine weitere Behandlung in der Studie nicht in Frage. 78% der<br />
Patienten erhielten alle 6 präoperativen Chemotherapiezyklen.<br />
Die Ansprechrate auf die neoadjuvante Therapie war 44%, 6,6% der Patienten waren progredient unter der<br />
Therapie.<br />
87% der Patienten im Chemotherapiearm <strong>und</strong> 93% der Patienten im alleinigen Chirurgiearm wurden operiert,<br />
jeweils 83% wurden reseziert. Nur 63% der randomisierten Patienten erhielten die postoperative<br />
Chemotherapie.<br />
Die perioperative Chemotherapie verbesserte das 3-Jahres-progressionsfreie Überleben (PFS) in der intent to<br />
treat Analyse aller Patienten von 28,1% auf 35,4%. Diese Verbesserung war überraschenderweise statistisch<br />
nicht signifikant <strong>und</strong> verfehlte das Studienziel. Bei den tatsächlich resezierten Patienten (n=303) war die<br />
Verbesserung des PFS deutlich (33,2 versus 42,4%) <strong>und</strong> erreichte Signifikanz.<br />
Schlussfolgerung der Autoren: Die<br />
Perioperative Chemotherapie mit FOLFOX4<br />
verbessert das progressionsfreie Überleben<br />
gegenüber der alleinigen Chirurgie bei Patienten,<br />
deren Metastasen reseziert wurden. Der Benefit<br />
war etwas verwässert, weil auch Patienten mit<br />
einbezogen wurden, die aufgr<strong>und</strong> der Bildgebung<br />
resektabel erschienen, aber nicht reseziert werden<br />
konnten.<br />
Anmerkung: Die Resultate dieser Studie<br />
werden kontrovers diskutiert. Insgesamt sind<br />
die Ergebnisse für die neoadjuvante<br />
Chemotherapie eher etwas enttäuschend. Die<br />
primäre Resektion ist nach wie vor eine gute Option für resektable Metastasen (nur wenn Fong-Score ≤ 2). Die<br />
durch die Chemotherapie induzierte Schädigung des ges<strong>und</strong>en Lebergewebes muss berücksichtigt werden. Es<br />
gibt bisher keinen Vergleich zwischen einer neoadjuvanten <strong>und</strong> einer adjuvanten Chemotherapie bei resektablen<br />
Lebermetastasen.<br />
In Frankreich <strong>und</strong> in anderen Ländern wird die perioperative Therapie bei resektablen Lebermetastasen trotz der<br />
nicht überzeugenden Ergebnisse als Standard angesehen. So vergleicht die neue EORTC-Studie 40051 (Bos)<br />
zwei perioperative Therapiearme, nämlich FOLFOX + Bevacizumab + Cetuximab versus FOLFOX +<br />
Cetuximab.<br />
349
Lebermetastasen<br />
Neoadjuvante Chemotherapie, nicht resektable Metastasen<br />
Nur bei 10-15% der Patienten mit Lebermetastasen ist die primäre operative Entfernung der Metastasen möglich.<br />
Eine Metastasenresektion ist die einzige Chance auf Kuration. Durch die Einführung neuer Substanzen können hohe<br />
Remissionsraten erzielt werden, die zu einer Resektabilität von primär nicht resezierbaren Lebermetastasen führen.<br />
Schon 1974 zeigten Wilson SM <strong>und</strong> Adson MA in einer<br />
Studie, dass Patienten, deren Lebermetastasen entfernt wurden,<br />
eine 5-Jahres-Überlensrate von 25% hatten, wogegen die nicht<br />
operierten Patienten alle verstorben waren.<br />
Überlebenswahrscheinlichkeit bei metastasiertem KRK ohne<br />
Operation <strong>und</strong> nach Resektion von Lebermetastasen<br />
(S.M. Wilson, M.A.Adson, Arch. Surg.,1974)<br />
Giacchetti-Studie (Ann Oncol 1999; 10:663-9)<br />
Giacchetti, Villejuif in Frankreich, untersuchte in einer retrospektiven Studie den klinischen Nutzen einer<br />
chronomodulierten Chemotherapie mit Oxaliplatin, 5-FU <strong>und</strong> Folinsäure. Es wurden die Daten von 151 Patienten mit<br />
nicht resektablen Lebermetastasen bei CRC erhoben.<br />
• Die Größe der Lebermetastasen reduzierte sich unter der Therapie bei 89 Patienten (59%) um mehr als 50%.<br />
• Das mediane Gesamtüberleben betrug 24 Monate, wobei insgesamt 28% nach 5 Jahren noch am Leben waren.<br />
• Eine kurative chirurgische Resektion wurde bei 77 Patienten (51%) versucht, eine komplette makroskopische<br />
Resektion der Lebermetastasen gelang bei 58 Pat. (38%), bei<br />
48 waren die Ränder mikroskopisch tumorfrei.<br />
• Das mediane Überleben der 77 operierten Patienten war 48<br />
Monate (25-71) bei einer 5-Jahres-Überlebensrate von 50%.<br />
Nach 7 Jahren lebten noch 30%.<br />
• Das Intervall zwischen Chemotherapie-Beginn <strong>und</strong><br />
Operation betrug im Mittel 5,5 Monate (zwischen 3 <strong>und</strong> 21).<br />
Es gab keine intraoperative oder postoperative Mortalität<br />
innerhalb von 2 Monaten nach dem Eingriff.<br />
Auch mit primär nicht resektablen Lebermetastasen ergibt<br />
Abhängigkeit der Überlebenswahrscheinlichkeit von der<br />
chirurgischen Resektabilität (n =151 Patienten)<br />
sich bei einem Downstaging durch die Chemotherapie eine<br />
Chance auf ein Langzeitüberleben.<br />
5-Jahres-OS nach Leberresektion primär nicht resektabler Metastasen<br />
Zwischen 1988 <strong>und</strong> 1996 erhielten 701 Patienten mit nicht resektablen<br />
Lebermetastasen eine neoadjuvante Chemotherapie (Paul-Brousse-<br />
Hospital, Villejuif, Frankreich). 95 Patienten (13,5%) konnten sek<strong>und</strong>är<br />
reseziert werden. 87 Patienten konnten 5 Jahre nachbeobachtet werden.<br />
Das 5-Jahres-Überleben (5-J-OS) nach Resektion betrug 39%.<br />
Resektion nicht resektabler Lebermetastasen nach neoadjuvanter<br />
Chemotherapie: 5-J-OS der Patienten mit 5-Jahre-Follow-up<br />
(Adam R. et al., Ann Surg Oncol 2001;8:347-353)<br />
Initial irresektable Lebermetastasen, Heilung (Adam R et al. ASCO 2008 Abstract 4023)<br />
Einschluss aller Patienten mit initial irresektablen Lebermetastasen, die einer Metastasenresektion unterzogen wurden<br />
<strong>und</strong> ein Follow-up von minimal 5 Jahren aufwiesen.<br />
Ergebnisse: 184 Patienten, die zwischen 1988 <strong>und</strong> 2002 reseziert wurden, hatten ein Durchschnittsalter von 56,9<br />
Jahren. Die durchschnittliche Zahl an Lebermetastasen betrug 5,3. 27% hatten eine extrahepatische Metastasierung.<br />
Eine chirurgische Resektion war bei 74% der Patienten nach einer First-line Chemotherapie, bei 26% nach weiteren<br />
Chemotherapien möglich. Das 5- <strong>und</strong> 10 Jahres-Überleben betrug 33% <strong>und</strong> 27%. Von 148 Patienten mit einem<br />
Follow up mehr als 5 Jahre wurden 24 (entsprechend 16%) als geheilt betrachtet. 12 geheilte Patienten hatten ein<br />
DFS über 10 Jahre. Die multivariate Analyse identifizierte als unabhängige Prädiktoren einer Heilung: Maximale<br />
Metastasengrösse < 30 mm bei Diagnose, Zahl der Metastasen bei der Resektion
Lebermetastasen<br />
Neoadjuvante Chemotherapie, Therapiestudien<br />
Zunehmend wird auch in den palliativen first-line-Studien<br />
die sek<strong>und</strong>äre Resektionsrate als eigenständiger Endpunkt<br />
verwendet. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass<br />
Patienten mit einer sek<strong>und</strong>ären Resektion eine Chance auf<br />
Kuration besitzen.<br />
In einer Metaanalyse von Studien zur Chemotherapie bei<br />
metastasiertem CRC konnte Folprecht (Ann Oncol<br />
2005;16:1311-1319) zeigen, dass eine Korrelation besteht<br />
zwischen dem Ansprechen der Chemotherapie <strong>und</strong> der<br />
Möglichkeit, sek<strong>und</strong>är Lebermetastasen zu resezieren.<br />
Letztendlich ist nicht geklärt, welches Regime am besten<br />
geeignet ist, eine sek<strong>und</strong>äre Resektabilität zu erzielen,<br />
Korrelation zwischen Response- <strong>und</strong> Resektionsrate<br />
wobei auch die Hepatotoxizität der Behandlung zu<br />
berücksichtigen ist.<br />
Therapiestudien<br />
Auf dem ASCO 2007 wurden mehrere Studien vorgestellt, die die sek<strong>und</strong>äre Resektionsrate zum Endpunkt<br />
hatten.<br />
Für die Kombination FOLFOXIRI versus FOLFIRI konnten Falcone et al. (Abstract 4026) ihre Daten von 2006<br />
mit einer Verbesserung der sek<strong>und</strong>ären Resektionsrate für alle Patienten von 6% auf 15% bestätigen bei sehr<br />
hohen Ansprechraten von 60%. Für Patienten mit Metastasen ausschließlich in der Leber war eine Verbesserung<br />
der sek<strong>und</strong>ären Resektionsrate sogar von 12 % auf 36% möglich.<br />
Im Rahmen der Crystal-Studie<br />
(van Cutsem E. et al., ASCO<br />
2007, Abstr. 4000) wurde eine<br />
Verbesserung<br />
der<br />
Resektionsrate von 2,8 auf<br />
4,3% durch die Hinzugabe von<br />
Cetuximab zu Irinotecan/5-<br />
FU/Folinsäure erreicht.<br />
Watkins DJ et al. teilten die<br />
Patienten in 3 Gruppen ein:<br />
nicht resektable, potentiell<br />
resektable <strong>und</strong> primär<br />
resektable Leberfiliae. Alle<br />
Patienten erhielten eine<br />
mittlere Anzahl von 8 Zyklen<br />
CapOx. Es zeigte sich eine<br />
sek<strong>und</strong>äre Resektionsrate von<br />
5% für Patienten mit initial<br />
nicht resektablen Metastasen<br />
<strong>und</strong> von 48% für potentiell<br />
resektable Patienten. Für<br />
resektable Patienten konnte nur<br />
eine Rate von 59% errechnet<br />
werden. Durch diese Daten wird die große Variationsbreite der potentiell heilbaren Patienten demonstriert.<br />
Bevacizumab in Kombination mit FOLFOX, FOLFIRI oder CapOx führte zu einer sek<strong>und</strong>ären Resektionsrate<br />
von 4% (Kretschmar A. et al., GI- ASCO 2007, Abstr. 343).<br />
Durch die zusätzliche Gabe von Cetuximab zu Irinotecan, Oxaliplatin oder OxIri nach Therapieversagen auf<br />
mindestens 2 Vortherapien konnte in einer Studie von Aloia T. et al. (ASCO 2007, Abstr. 4061) eine sek<strong>und</strong>äre<br />
Resektionsrate von 17% erreicht werden.<br />
351
Lebermetastasen<br />
Neoadjuvante Chemotherapie, nicht resektable Metastasen<br />
First-BEAT Studie, Resektion von Lebermetastasen (Michael M. et al. ASCO 2006, Abstract 3523)<br />
Resektionen nach Bevacizumab<br />
Pat. insgesamt<br />
n = 44<br />
Leber 40<br />
Lunge 2<br />
Peritoneal 1<br />
Paraaortale Lymphknoten 1<br />
Keine residuelle Erkrankung 25<br />
Residuen 9<br />
Unbekannt/sonstige 10<br />
Mediane Zeit Beginn Bevacizumab bis Resektion (Tage) 183<br />
Mediane Zeit Ende Bevacizumab bis Resektion (Tage) 67<br />
Die First-BEAT Studie wurde<br />
im Juni 2004 gestartet, um die<br />
Sicherheit von Bevacizumab zu<br />
evaluieren. Sie schloss 1927<br />
Patienten aus 41 Ländern<br />
weltweit ein, die Bevacizumab 5<br />
mg/kg q2w oder 7,5 mg/m2 q3w<br />
in Kombination FOLFOX,<br />
FOLFIRI, CAPOX oder Xeloda<br />
erhielten. Im Rahmen dieser<br />
Studie wurden auch Patienten<br />
mit Resektionen evaluiert.<br />
Kriterien für die initiale Irresektabilität waren nicht definiert <strong>und</strong> basierten auf der Einschätzung des<br />
behandelnden Arztes.<br />
Ergebnisse: 44 Patienten wurden sek<strong>und</strong>är reseziert, davon 40 im Bereich der Leber. Bei 29 Patienten wurden<br />
keine Komplikationen gesehen, insbesondere keine W<strong>und</strong>heilungsstörungen oder Nachblutungen. Bei 3<br />
Patienten wurden nicht operationsbezogene Komplikationen als möglicherweise Bevacizumab-assoziiert<br />
Komplikationen<br />
Insgesamt Bevacizumabbedingt<br />
<br />
n = 43<br />
Keine 29<br />
Unbekannt 1<br />
Postoperative Blutungen 0<br />
W<strong>und</strong>heilungsstörungen 0<br />
Infektionen der OP-W<strong>und</strong>e 5 Nein<br />
Magenperforation 1 Möglich<br />
Portalvenenthrombose 1 Möglich<br />
Myokardinfarkt 1 Möglich<br />
gewertet: je eine Magen-perforation,<br />
ein Myo-kardinfarkt sowie eine<br />
Portalvenenthrombose. Die Zeit<br />
zwischen der letzten<br />
Bevacizumabgabe <strong>und</strong> der<br />
Metastasektomie betrug 6-8 Wochen.<br />
Die Effektivitätsdaten stehen noch<br />
aus. Die Autoren kommen zu dem<br />
Schluss, dass eine Metastasektomie<br />
sicher ist nach einer 6 wöchigen<br />
Bevacizumab-Pause.<br />
First-BEAT, Ergebnisse 2008 ( Cassidy J. et al. ASCO 2008, Abstract 4022)<br />
Die R0-Resektionsrate betrug insgesamt 9,0% (173 Patienten). War die Leber das einzige von Metastasen<br />
betroffene Organ, konnten 15,2% der Patienten (107 von 704 Pat.) mit kurativer Absicht operiert werden. Die<br />
R0-Resektionsrate lag in diesem Fall bei 12,1% (85 Pat.). Ernste W<strong>und</strong>heilungsstörungen wurden nur bei 1,3%<br />
der operierten Patienten beobachtet, ernste Blutungen nur bei 0,4%. Das 2-Jahres-Überleben der Patienten, bei<br />
denen die Lebermetastasen R0-reseziert werden konnten betrug 89% -gegenüber 47%, wenn nicht R0 reseziert<br />
werden konnte.<br />
N0 16966-Studie, Resektion von Lebermetastasen ( Cassidy J. et al. ASCO 2008, Abstract 4022)<br />
In dieser Studie erhielten 1401 Patienten mit metastasiertem KRK die Chemotherapie FOLFOX oder XELOX<br />
<strong>und</strong> randomisiert zusätzlich Bevacizumab oder Placebo. Das Erzielen von Resektabilität war dabei kein<br />
Studienziel – eine geplante grössere Operation stellte vielmehr ein Ausschlusskriterium dar. Dennoch konnten<br />
59 Patienten im Bevacizumab-Arm <strong>und</strong> 43 Patienten im Placebo-Arm mit kurativer Absicht operiert werden.<br />
Ergebnisse: Die R0-Resektionsrate betrug im Bevacizumab-Arm 6,3% (44 von 699 Patienten) versus 4,9% (34<br />
von 701 Patienten) im Placebo-Arm.<br />
Bei den Patienten, bei denen die Leber das einzige von Metastasen befallene Organ war, betrug die R0-<br />
Resektionsrate im Bevacizumab-Arm 12,3% (26 von 211 Patienten) versus 11,6% (24 von 207 Patienten) im<br />
Vergleichsarm.<br />
Das 2 Jahres-Überleben bei ausschließlichem Leberbefall betrug für Bevacizumab 92,3% versus 79,0% im<br />
Placebo-Arm. Wenn keine R0-Resektion erfolgen konnte, betrug das 2-Jahres-Überleben 45,1% für<br />
Bevacizumab versus 41,5% für Placebo.<br />
352
Lebermetastasen<br />
Neoadjuvante Chemotherapie, Studienergebnisse, Bevacizumab<br />
Neoadjuvante Chemotherapie mit Bevacizumab/XELOX bei nicht optimal<br />
resezierbaren Lebermetastasen<br />
(Gruenberger B. et al. J Clin Oncol 2008; 26:1830-5)<br />
Insgesamt 56 Patienten mit potentiell resektablen Lebermtetastasen, aber hohem Risiko eines Frührezidivs., das<br />
definiert war mit einem Fong-Score ≥ 1, wurden in diese unizentrische Phase-II-Studie eingeschlossen. Die<br />
Patienten erhielten eine Kombination aus Bevacizumab 14-tägig plus XELOX für 6 Zyklen (12 Wochen), wobei<br />
im 6. Zyklus das Bevacizumab weggelassen wurde, sodass zwischen der letzten Bevacizumab-Gabe <strong>und</strong> der<br />
Operation 5 Wochen lagen.<br />
Ergebnisse: Die Ansprechrate betrug insgesamt 73,2 % (41 Patienten) mit einer pathologischen CR von 8,9%<br />
(entsprechend 5 Patienten). Nur 5,4% der Patienten (3 Pat.) waren unter der neoadjuvanten Chemotherapie<br />
progredient. Insgesamt 52 Patienten wurden reseziert.<br />
Es kam zu keinen vermehrten intraoperativen Blutungen oder W<strong>und</strong>heilungsstörungen, <strong>und</strong> nur 3 Patienten<br />
(6%) benötigten perioperativ Bluttransfusionen. Eine erneute chirurgische Intervention war nur bei einem<br />
Patienten erforderlich. Die postoperative Leberfunktion <strong>und</strong> Regeneration war normal, bis auf einen Patienten,<br />
der an einer prolongierten Leberfunktionsstörung aufgr<strong>und</strong> einer Steatohepatitis litt. Es kam zu keiner<br />
postoperativen Mortalität, die postoperative Morbidität betrug 20%. Die mittlere Krankenhausaufenthaltsdauer<br />
betrug 9 Tage.<br />
Komplikationen nach Leberresektion<br />
Komplikationen n %<br />
Keine Komplikationen 42 79<br />
Komplikationen gesamt 11 21<br />
Anastomoseninsuffizienz 1 2<br />
Galleleck 1 2<br />
Hyperbilirubinämie 2 4<br />
Sepsis mit positiver Blutkultur 2 4<br />
Sepsis mit intermittierender Niereninsuffizienz 1 2<br />
Dünndarmperforation mit Reoperation 1 2<br />
Harnwegsinfekt 1 2<br />
W<strong>und</strong>hämatom 1 2<br />
W<strong>und</strong>infektion 1 2<br />
Eingeschlossene Patienten n = 56<br />
Ansprechen n %<br />
pCR (komplette pathol. Response) 5 8,9<br />
Partielle Remission 36 64,3<br />
Stabile Erkrankung 12 21,4<br />
Krankheitskontrolle (CR+PR+SD) 53 94,6<br />
Progrediente Erkrankung 3 5,4<br />
Fazit: Bevacizumab kann bis 5 Wochen vor Leberresektion sicher appliziert werden, ohne dass es zu<br />
schwerwiegenden W<strong>und</strong>heilungsstörungen <strong>und</strong> Blutungen kommt. Bevacizumab beeinträchtigt nicht die<br />
Leberregeneration. Die hohe Effektivität der Therapie in dieser Studie mag auch dadurch bedingt sein, dass<br />
Patienten nur mit Lebermetastasen (<strong>und</strong> keine sonstigen) eingeschlossen wurden <strong>und</strong> alle Patienten einen guten<br />
Performance Status hatten. Eine eventuelle Wiederaufnahme von Bevacizumab wird frühestens 28 Tagen nach<br />
grösseren chirurgischen Eingriffen empfohlen, vorausgesetzt die W<strong>und</strong>heilung ist komplett abgeschlossen.<br />
353
Lebermetastasen<br />
Neoadjuvante Chemotherapie, CELIM-Studie<br />
Studientitel<br />
Cetuximab zur neoadjuvanten Therapie von Patienten mit inoperablen Lebermetastasen kolorektaler <strong>Karzinome</strong>.<br />
Randomisierte multizentrische Phase-II-Studie.<br />
Studienziel<br />
Primäres Studienziel ist das Tumoransprechen nach RECIST-Kriterien. Sek<strong>und</strong>äre Ziele sind die Rate der Leberresektionen<br />
(R0), das progressionsfreie Überleben, das krankheitsfreie Überleben nach Resektion, die Sicherheit der Therapie <strong>und</strong> die<br />
Evaluation von molekularen prädiktiven Markern für Response <strong>und</strong> Toxizität.<br />
Studienleitung<br />
Prof. Dr. Claus-Henning Köhne, <strong>Klinik</strong> für Hämatologie <strong>und</strong> <strong>Onkologie</strong>, Oldenburg<br />
Koordination:<br />
PD Dr. J. T. Hartmann, Abt.2, Medizinische <strong>Klinik</strong>, E-mail: joerg.hartmann@med.uni-tuebingen.de<br />
Dr. C. Burkart, Zentrum für Gastroint. <strong>Onkologie</strong>, E-mail: cfburkart@med.uni-tuebingen.de<br />
Zentrum für Gastrointestinale <strong>Onkologie</strong>, Universitätskl. Tübingen, Otfried-Müller-Str. 10, D-72076 Tübingen<br />
Tel.: 07071-29-82121 oder -82122, Fax: 07071-29-5357, E-Mail: zgo.itz@med.uni-tuebingen.de<br />
Studiendesign<br />
R<br />
354<br />
Cetuximab + FOLFOX (Arm A)<br />
EGFR-exprimierende<br />
Lebermetastase Cetuximab + FOLFIRI (Arm B)<br />
nicht EGFR-exprimierende<br />
Lebermetastase FOLFOX (Arm C)<br />
Einschlusskriterien<br />
Nicht resektable (≥ 5 Metast. oder technisch nicht resektabel), histologisch bestätigte, synchrone (wenn Primärtumor<br />
mind. 1 Monat vor Beginn der Chemotherapie reseziert wurde) oder metachrone kolorektale Lebermetastasen<br />
Alter > 18 Jahre, Karnofsky-Index > 80%<br />
Adäquate Organfunktion (Neutr > 1,5/nl; Thromb > 100/nl; Hb > 8 g/dl; Bilirubin < 1,5 x obere Norm <strong>und</strong> Anstieg<br />
≤ 25% innerhalb der letzten 4 Wochen; ALAT <strong>und</strong> ASAT < 5 x obere Norm; Kreatinin < 1,5 x obere Norm)<br />
Ausschlusskriterien<br />
Extrahepatische Metastasen, Lymphknotenmetastasen oder Rezidiv des Primärtumors<br />
Vorangegangene Chemotherapie (außer adjuvant vor ≥ 6 Monaten) oder Therapie gegen den EGF-Rezeptor<br />
Therapiedurchführung<br />
Arm C entspricht Arm A ohne Cetuximab. Ab 6. Zyklus 5-FU 3000 mg/m 2 , wenn keine Toxizität ≥ CTC 2. Erst nach<br />
8 Zyklen, dann alle 4 Zyklen Überprüfung der Resektabilität. Nach Resektion adjuvant 6 weitere Zyklen.<br />
FOLFOX + Cetuximab (Arm A) Wiederholung Tag 15<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Cetuximab-Erstgabe 400 2-Std.-Infusion 1<br />
Cetuximab 250 1-Std.-Infusion (1), 8<br />
Oxaliplatin 100 2-Std.-Infusion 1<br />
Folinsäure 400 2-Std.-Infusion 1<br />
5-FU 400 Bolus 1<br />
5-FU 2400 (- 3000) 46-Std.-Infusion 1<br />
FOLFIRI + CETUXIMAB (ARM B) Wiederholung Tag 15<br />
Substanz Dosis [mg/m 2 /d] Applikationsform Therapietage<br />
Cetuximab-Erstgabe 400 2-Std.-Infusion 1<br />
Cetuximab 250 1-Std.-Infusion (1), 8<br />
Irinotecan 180 2-Std.-Infusion 1<br />
Folinsäure 400 2-Std.-Infusion 1<br />
5-FU 400 Bolus 1<br />
5-FU 2400 (- 3000) 46-Std.-Infusion 1<br />
Zwischenergebnisse (Folprecht G. et al. ESMO 2008, Abstract 510)<br />
56 Patienten erhielten FOLFOX-Cetuximab <strong>und</strong> 55 Patienten FOLFIRI-Cetuximab. Bei der Interimsanalyse im März<br />
2008 waren 81 Patienten auswertbar. Der Kras-Status war bei 86 Patienten vorhanden. 79% der Patienten mit Kras<br />
Wildtyp zeigten ein Ansprechen mit Tumorverkleinerung, sodass eine Resektion bei 43% dieser Patienten möglich<br />
war mit einer R0-Resektion bei 34%. Somit zeigt die Interimsanalyse eine hohe Aktivität der Chemotherapie sowie<br />
eine ermutigende Rate von Leberresektionen
Lebermetastasen<br />
Bildgebung<br />
Häufig besteht das Problem einer inadäquaten präoperativen Diagnostik bei kolorektalen Lebermetastasen. In einer<br />
Arbeit von Elias et al (Ann Surg Oncol 2005) bei 506 Patienten zwischen 1985 -2003 zeigten sich bei der<br />
Laparotomie im Vergleich zur präoperativen Diagnostik, die in der Regel in Form eines CT stattfand, bei 41,3% der<br />
Patienten unerwartete Metastasen. Zum einen fanden sich zusätzliche Lebermetastasen in 30% <strong>und</strong> extrahepatische<br />
Metastasen in16,3%.<br />
Intraoperativer Ultraschall (IOUS) (Bhattacharjya S. et al., Br J Surg 2004)<br />
Sens.<br />
Spez.<br />
CT 73 % 96 %<br />
CT-AP 87 % 89 %<br />
NMR 81 % 93 %<br />
IOUS 95 % 100 %<br />
Nach dieser Arbeit ist der intraoperative Ultraschall<br />
am sensitivs.ten zur Quantifizierung von<br />
Lebermetastasen.<br />
FDG-PET (Joyce DL et al., Arch Surg 2006;141:1220-26)<br />
Bei 71 Patienten wurde zwischen 2000-2002 die Rolle des FDG-PET in der präoperativen Diagnostik bei<br />
Lebermetastasen prospektiv evaluiert. Die Standard-Diagnostik bestand in CT-Abdomen/Becken/Thorax <strong>und</strong> NMR.<br />
Im FDG-PET zeigten sich bei 23 Patienten ( = 32%) neue Bef<strong>und</strong>e, davon 57% extraabdominell, 22%<br />
intraabdominell extrahepatisch <strong>und</strong> 17% intrahepatisch.<br />
Aufgr<strong>und</strong> des PET-Bef<strong>und</strong>es änderte sich die Therapiestrategie bei 24% aller Patienten. Zu berücksichtigen sind<br />
allerdings 2-5% falsch positive PET-Bef<strong>und</strong>e <strong>und</strong> 10-15% falsch negative PET-Bef<strong>und</strong>e.<br />
Bildgebung nach neoadjuvanter Chemotherapie<br />
(Nordlinger B. et al. ASCO 2006, Abstract 3501)<br />
Zwischen 1998 <strong>und</strong> 2004 wurden 586 Patienten wegen kolorektaler Lebermetastasen (LM) in einer Institution<br />
chemotherapiert. 38 Patienten mit den folgenden Kriterien wurden in die Studie aufgenommen: weniger als 10<br />
Lebermetastasen vor der Chemotherapie, Verschwinden von einer oder mehrerer Lebermetastasen im Spiral-CT <strong>und</strong><br />
in der Sonographie nach Chemotherapie, Operation mit Untersuchung der Leber sowie intraoperativem Ultraschall<br />
66 LM mit kompletter Response im CT nach Chemotherapie<br />
Chirurgie:<br />
Makroskopisch Tumor: 20 LM<br />
Keine Läsion: 46 LM<br />
15 Lokalisationen reseziert 31 Lokalisationen nicht reseziert<br />
Vitale Tumorzellen: 12 In situ Rezidiv: 23<br />
55/66 (83%) der Metastasen waren nicht „geheilt“<br />
innerhalb von 4 Wochen nach Bildgebung,<br />
keine extrahepatischen Metastasen, Followup<br />
mindestens ein Jahr postoperativ.<br />
Ergebnisse: 66 Lebermetastasen (LM)<br />
verschwanden in der Bildgebung nach<br />
Chemotherapie (38 Patienten). Bei 9<br />
Patienten fand sich bei der Operation<br />
makroskopisch Tumorgewebe an insgesamt<br />
20 Lokalisationen (der initial 66<br />
Metastasen). Persistierende makroskopische<br />
oder mikroskopische Residualerkrankung<br />
oder ein frühes Lokalrezidiv wurden bei 55<br />
von 66 Lebermetastasen beobachtet, die<br />
radiologisch eine komplette Response (CR)<br />
gezeigt hatten (32 von 38 Patienten).<br />
Fazit<br />
Eine radiologische CR nach neoadjuvanter Chemotherapie ist ein nützliches Instrument, den Effekt der<br />
Chemotherapie zu evaluieren, aber sie bedeutet keine Heilung für die meisten Patienten.<br />
Vorschlag der Autoren<br />
Resektable Lebermetastasen sollten vor dem kompletten Verschwinden reseziert werden <strong>und</strong> die ehemalige<br />
Lokalisation sollte reseziert werden sofern dies möglich ist.<br />
Fazit: Präoperative Bildgebung bei potentiell resektablen kolorektalen Lebermetastasen<br />
• 3-Phasen-CT-der Leber (alternativ: NMR mit KM), CT-Abdomen/Becken/Thorax<br />
• FDG-PET zumindest bei Hochrisiko-Patienten (FONG-Score > 2) sinnvoll<br />
• Intraoperativer Ultraschall obligat<br />
355
Lebermetastasen<br />
Chemotherapie-assoziierte Hepatotoxizität<br />
Durch deutlich verbesserte Remissionsraten bei Anwendung moderner Kombinationschemotherapien vor allem mit<br />
Oxaliplatin <strong>und</strong> Irinotecan <strong>und</strong> neuerdings auch Biologicals wird ein Teil der primär irresektablen Leberfiliae<br />
resektabel. Auch primär kurativ operable Lebermetastasen werden bei schlechten Prognoseparametern perioperativ<br />
mit einer Chemotherapie behandelt. Insbesondere bei Patienten mit Lebervorschädigung können<br />
chemotherapeutische Substanzen zu schweren Leberveränderungen führen.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich können alle Zellen der Leber-Hepatozyten,<br />
Cholangiozyten <strong>und</strong> Sinusendothelzellen durch die<br />
Medikamente geschädigt werden. Cholangiozyten gelten als<br />
relativ widerstandsfähig, sodass Schäden primär an<br />
Hepatozyten <strong>und</strong> Gefäßendothelien sichtbar werden. Die<br />
Veränderungen reichen von reinen Fetteinlagerungen in<br />
hepazozyten bis hin zur Fettleberhepatitis mit Fibrose<br />
begleitet von Gefässwandschäden <strong>und</strong> parenchymatösen<br />
Blutungen.<br />
(Tannapfel A, Reinacher-Schick A., Z Gastroenterol<br />
2008;46:435-440)<br />
Zielzellen der Lebertoxizität<br />
CASH = Chemotherapieassoziierte Steatohepatitis<br />
In Analogie zur nicht alkoholischen Steatohepatitis (NASH) wird der<br />
Begriff „CASH“ empfohlen. Die Fetteinlagerung einer Leberzelle ist<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich reversibel. Ein Hepatozyt mit einer Leberzellverfettung<br />
befindet sich jedoch in einem „Zellstress“, sodass eine weitere Schädigung<br />
zu Entzündung <strong>und</strong> Nekrose oder Apoptose führen kann.<br />
Der Topoisomerasehemmer Irinotecan gilt als Auslöser der CASH in einer<br />
vorher ungeschädigten Leber. Da Irinotecan meist mit 5-FU, das ebenfalls<br />
zu einer (reversiblen) Leberzellverfettung führen kann, in der Therapie des<br />
CASH – Steatosis, Entzündung<br />
KRK häufig kombiniert wird, können sich hepatotoxische Wirkungen<br />
addieren.<br />
SOS = Sinusoidales Obstruktionssyndrom<br />
Die früher als „Veno-occlusive disease (VOD)“ bezeichnete<br />
Erkrankung, bei der die Sinusendothelzellen durch oxidativenress<br />
geschädigt werden, wird heute als sinusoidales Obstruktionssyndrom<br />
(SOS) bezeichnet <strong>und</strong> ist mit einer signifikanten Morbidität nach<br />
Leberresektion assoziiiert. Durch die Zellschädigung der die Gefässe<br />
auskleidenden Sinuswandzellen kommt es zu Entzündung, Fibrose <strong>und</strong><br />
lokaler Thrombose mit embolischem Verschluss nachgeschalteter<br />
kleinerer <strong>und</strong> grösserer Gefässe. Makroskopisch imponiert diese Leber<br />
als blutreich <strong>und</strong> livide verfärbt ( sogenannte „blue liver“) <strong>und</strong> ist<br />
brüchig. Insbesondere platinhaltige Substanzen wie Oxaliplatin führen<br />
Sinusoidales Obstruktionssyndrom –<br />
VOD-ähnlich<br />
zu Veränderungen der intrahepatischen Mikrozirkulation <strong>und</strong> damit zum<br />
SOS. Die Beziehung von Leberzellverfettung <strong>und</strong> SOS ist aufgr<strong>und</strong> der<br />
bisher bekannten Daten nicht klar. Denkbar ist ein additiver Effekt<br />
insbesondere bei Kombinationstherapie mehrerer Substanzen. Eine Vorschädigung der Leber hat sicher einen<br />
potenzierenden Effekt. Bei Patienten mit Risikofaktoren für die Entwicklung einer Fettleber sollte eine besondere<br />
Überwachung der Leberfunktion vor Leberresektion erfolgen.<br />
Chemotherapiezyklen <strong>und</strong> Morbidität<br />
(Karoui M, Nordlinger B, Ann Surg 2006)<br />
In dieser unizentrischen Studie wurde bei 67 Patienten mit einer<br />
„major“ Leberresektion bei KRK die Zahl der präoperativen<br />
Chemotherapiezyklen mit der postoperativen Morbidität<br />
korreliert.<br />
Ergebnis: Bei mehr als 6 präoperativen Chemotherapiezyklen<br />
steigt die Morbidität steil an. Sie korreliert mit der Zahl der<br />
Chemotherapiezyklen jedoch nicht mit der Art der<br />
Chemotherapie. Allerdings gab es keine postoperative Mortalität.<br />
356<br />
Chemotherapiezyklen <strong>und</strong> Morbidität
Lebermetastasen<br />
Chemotherapie-assoziierte Hepatotoxizität, Therapiestudien<br />
Neoadjuvante Chemotherapie <strong>und</strong> perioperative Mortalität<br />
(Vauthey J. et al.J Clin Oncol 2006; 24: 2065-72)<br />
Eine präoperative Chemotherapie kann regimespezifische histopathologische Leberveränderungen<br />
induzieren. Bei 406 Patienten wurden zwischen 1992 <strong>und</strong> 2005 Lebermetastasen reseziert. Die<br />
pathologischen Leberveränderungen sowie die perioperative Morbidität wurden analysiert<br />
Ergebnisse: Nach neoadjuvanter Chemotherapie mit Oxaliplatin/5-FU kommt es zu einer höheren Rate an<br />
sinusoidaler Obstruktion (Bild der blauen Leber), die die postoperative Mortalität aber nicht beeinflusst. Keiner<br />
der 22 Patienten (5,4%) mit sinusoidaler Obstruktion verstarb. 34 Patienten (8,4%) hatten eine Steatohepatitis<br />
Eine Irinotecankombination führte zu einem erhöhten Steatohepatitisrisiko. 6 Patienten, die starben, hatten eine<br />
höhergradige Steatose oder Steatohepatitis. Patienten mit Steatophepatitis hatten eine erhöhte 90-Tage-<br />
Mortalität im Vergleich zu Patienten ohne Steatohepatitis ( 14,7% versus 1,6%).<br />
Schlussfolgerung der Autoren: Das Chemotherapieregime sollte mit Vorsicht überdacht werden, da das Risiko<br />
der Hepatotoxizität signifikant ist.<br />
Oxaliplatin <strong>und</strong> Sinusoidale Dilatation (Nakano H et al., Ann Surg 2008; 247:118-124)<br />
Zwischen 2003 <strong>und</strong> 2005 wurde bei 90 Patienten mit Lebermetastasen , die sich einer elektiven Leberresektion nach<br />
präoperativer Chemotherapie unterzogen, das Ausmass der sinusoidalen Schädigung <strong>und</strong> die perioperative Morbidität<br />
evaluiert.<br />
Ergebnisse: Eine oxaliplatinbasierte Chemotherapie war assoziiert mit einer signifikant höheren Inzidenz einer<br />
Sinusoidalen Dilatation. Patienten mit sinusodaler Dilatation hatten eine signifikant erhöhte Morbidität (40 vs. 6%, p<br />
= 0,026), einen verlängerten Krankenhausaufenthalt (17 vs. 11 Tage) <strong>und</strong> eine erhöhte Rate an Reoperationen.<br />
Die multivarate Analyse zeigte als Risikofaktoren für eine sinusoidale Dilatation: weibliches Geschlecht, mehr als 6<br />
Zyklen oxaliplatinhaltige Therapie, Transaminasenerhöhung <strong>und</strong> eine eingeschränkte Leberfunktion (ICG-R15 ><br />
10% = indocyanine green retention rate).<br />
Bevacizumab als protektive Substanzen gegen SOS <br />
Die histologischen Veränderungen nach neoadjuvanter<br />
Therapie mit Biologicals <strong>und</strong> anschließender Leberresektion<br />
sind bisher nicht untersucht.<br />
In einer retrospektive Analyse von Ribero et al. (Cancer<br />
2007) wurde das Ausmass des sinusoidalen<br />
Obstruktionssyndroms (SOS) nach einer oxaliplatin/5-FU-<br />
Therapie mit Bevacizumab ( n = 62) <strong>und</strong> ohne Bevacizumab<br />
(n = 43) verglichen.<br />
Es zeigte sich eine signifikante Reduktion insbesondere der<br />
höheren Schweregrade des SOS in der Patientengruppe, die<br />
Oxaliplatin <strong>und</strong> Bevacizumab erhielt, sodass ein protektiver<br />
Effekt von Bevacizumab im Hinblick auf ein SOS vermutet<br />
wird.<br />
Auch die Wiener Gruppe um Grünberger (Klinger<br />
M. et al. ASCO 2008, Abstract 4082) hat den Effekt<br />
von Bevacizumab auf die Lebertoxizität bei<br />
oxaliplatinbasierter Chemotherapie untersucht. Es<br />
wurden insgesamt 99 Patienten evaluiert, die<br />
entweder 6 Zyklen XELOX mit Bevacizumab (im<br />
letzten Zyklus präoperativ kein Bevacizumab)<br />
oder nur 6 Zyklen XELOX oder FOLFOX 4<br />
erhielten <strong>und</strong> anschließend leberreseziert wurden.<br />
Ergebnisse: Es fand sich kein Unterschied in der<br />
Ausprägung der Steatohepatitis zwischen beiden<br />
Gruppen. Die Inzidenz einer sinusoidalen<br />
Dilatation Grad 2 <strong>und</strong> 3 war jedoch signifikant<br />
höher bei den Patienten ohne Bevacizumab.<br />
Fazit: Die Autoren schließen, dass die Zugabe<br />
von Bevacizumab zu XELOX/FOLFOX4 einen protektiven Effekt gegen die sinusoidale Schädigung hat.<br />
Der potentielle Wirkmechanismus beruht auf der generellen Gefässprotektion durch die VEGF-Blockade.<br />
357
Loko-regionale Therapieverfahren<br />
Radiofrequenzablation<br />
Seit einigen Jahren etablieren sich mehrere Modalitäten in der lokalen nicht-chirurgischen Therapie von<br />
Lebermetastasen kolorektaler <strong>Karzinome</strong>. Diese Therapieformen werden vor allem von interventionellen<br />
Radiologen durchgeführt <strong>und</strong> erforscht, da sie auf einer CT-gesteuerten Punktion der Metastasen <strong>und</strong><br />
verschiedenen Methoden der Herbeiführung einer Nekrose beruhen.<br />
Die Methoden basieren auf den Erfahrungen mit primären Leberzellkarzinomen (siehe auch dort).<br />
<strong>Klinik</strong> für Radiologie der RWTH Aachen<br />
Dort werden die u.g. Methoden bis auf die Laserablation durchgeführt.<br />
Ansprechpartner: PD Dr A. Mahnken, <strong>Klinik</strong> für Radiologische Diagnostik, Pauwelsstr. 30, 52057<br />
Aachen, Tel: 0241-800, Fax: 0241-8082480, e-mail: mahnken@rad.rwth-aachen.de<br />
Indikation<br />
Lebermetastasen bis zu einer Größe von 5 cm, bei denen eine technische oder durch Komorbidität bedingte<br />
Inoperabilität besteht, oder bei Therapieversagen nach Chemotherapie. Metastasen bis 3 cm können vollständig<br />
beseitigt, über 3 cm palliativ abladiert werden. Bei größeren Läsionen wird mit mehreren Sonden vorgegangen.<br />
Es darf keine diffuse Metastasierung bestehen, die Anzahl der Metastasen darf 5 nicht überschreiten.<br />
Methoden<br />
Äthanolinstillation<br />
„Hitzeverkochung“=<br />
Radiofrequenzablation<br />
Kryo-Ablation<br />
Laserablation<br />
20-22 G Nadeln, Applikation von 3-10 ml 95% Alkohol<br />
Monopolare Elektroden 30-50 W mit gekühlten Applikatoren<br />
2-3mm Sonden, Argon unter 300bar mit –150°C<br />
Neodyn-YAG (1064 nm Wellenlänge) mit gekühltem Applikator<br />
Die Äthanolinstillation erfordert den geringsten technischen Aufwand, hierbei ist die Verteilung des Alkohols<br />
jedoch nicht exakt vorhersehbar. Außerdem kann die Behandlung sehr schmerzhaft sein <strong>und</strong> macht u.U. eine<br />
Allgemeinnarkose notwendig.<br />
Letzteres gilt auch für die Radiofrequenzablation, bei dieser Methode dürfen auch keine Metallfremdkörper<br />
(Clips, Naht etc.) in der Nähe vorhanden sein.<br />
Bei der Kryotherapie werden je 2 Tau-/Frier-Zyklen à 10 Minuten durchgeführt. Es entsteht eine<br />
Koagulationsnekrose von 2-3 cm Durchmesser, bei Mehrsondentechnik bis 5 cm. Der Vorteil liegt in der guten<br />
Steuerbarkeit <strong>und</strong> in der völligen Schmerzfreiheit.<br />
Die Laserablation ist besonders aufwendig, da temperatursensitive Sequenzen mit entsprechender Software<br />
erfolgen.<br />
Eine eindeutige Präferenz für eine bestimmte Methode kann noch nicht gegeben werden. Die Wahl hängt nicht<br />
zuletzt von den logistischen Möglichkeiten ab.<br />
Ergebnisse<br />
Aussagekräftige Phase-III-Studien existieren bislang weder zum methodischen Vergleich noch dazu, ob durch<br />
diese Therapieverfahren eine Lebensverlängerung herbeigeführt werden kann. Eine größere Studie an 140<br />
Patienten mit Kryotherapie bei kolorektalen Lebermetastasen erbrachte bei einem Follow-up von 26 Monaten<br />
eine Überlebensrate von 46% (Weaver ML et al. Cancer 1995; 76:210-14). Siehe auch folgende Seite „CLOCC-<br />
Trial“.<br />
1 2 3<br />
Radiofrequenzablation. Links: Sonden. 1: Ausgangsbef<strong>und</strong>, 2: Intraläsionale Lage der Sonde. 3: Nekrosehöhle nach erfolgter<br />
Verkochung. Die Abbildungen wurden fre<strong>und</strong>licherweise von Herrn PD Dr. J. Tacke, Aachen zur Verfügung gestellt.<br />
358
Radiofrequenzablation<br />
EORTC-Studie 40004/CLOCC-Trial<br />
CLOCC-Trial<br />
Chemotherapie + lokale Ablation versus Chemotherapie allein bei nicht-resektablen<br />
Lebermetastasen infolge eines kolorektalen Karzinoms. Multizentrische Studie<br />
Eine internationale randomisierte Phase-III-Studie prüft den Stellenwert der interventionellen Therapieverfahren.<br />
Studienvorsitz:<br />
Dr. T. Ruers, Abteilung für Chirurgie, Academic Hospital St. Radboud, Nijmegen,<br />
Tel.: 0031/24/3616421,<br />
e-mail: t.ruers@heel.azn.nl<br />
Beteiligte Gruppe in Deutschland:<br />
Arbeitsgruppe Lebermetastasen <strong>und</strong> Tumoren ALM in der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft <strong>Onkologie</strong><br />
(CAO)<br />
Leiter: W.O. Bechstein<br />
Universitätsklinik Frankfurt a. M., Chirurgische <strong>Klinik</strong>, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt<br />
Tel: 069/6314346 e-mail: Wolf.Bechstein@kgu.de homepage:http://kgu.de/alm<br />
Ziele <strong>und</strong> Rationale<br />
Es soll geprüft werden, ob bei Patienten mit nicht resezierbaren Lebermetastasen eine Radiofrequenzablation in<br />
Kombination mit einer Chemotherapie zu einem besseren Gesamtüberleben führt als eine alleinige<br />
Chemotherapie. Die bislang in der Literatur berichteten guten Ergebnisse könnten auf Patientenselektion<br />
beruhen, sodass z.B. die Patienten mit weniger Metastasen eher lokal therapiert wurden <strong>und</strong> die mit diffuser<br />
Metastasierung häufiger nur chemotherapiert wurden.<br />
Die Kombination mit Chemotherapie wird u.a. gewählt, weil die Therapieversager bzw. Rezidive bei der<br />
Lokaltherapie hauptsächlich entweder in vorher nicht betroffenen Arealen der Leber oder extrahepatisch<br />
auftraten. Nach der Radiofrequenzablation ist auch eine zusätzliche chirurgische Resektion von verbliebenen<br />
Metastasen erlaubt.<br />
Einschlusskriterien<br />
Patienten mit nicht-resektablen Lebermetastasen von kolorektalen <strong>Karzinome</strong>n ohne nachweisbare<br />
extrahepatische Metastasen. Die Nichtresezierbarkeit ist definiert als Unmöglichkeit, eine komplette Resektion<br />
aller Metastasen zu erreichen. Das schließt ein:<br />
Metastasen können nicht vollständig reseziert werden aufgr<strong>und</strong> ihrer Größe, der Lokalisation <strong>und</strong> ihrer Zahl.<br />
Metastasen infiltrieren den rechten <strong>und</strong> linken Ast der Arteria hepatica oder der Pfortader.<br />
Metastasen zeigen eine Ausdehnung zu den drei Hauptvenen.<br />
Die Feststellung der Nichtresezierbarkeit verlangt eine Bewertung durch den Chirurgen <strong>und</strong> den Radiologen.<br />
Keine vorausgegangene Chemotherapie mit Ausnahme für die Lebermetastasen.<br />
Eine adäquate Behandlung aller metastastischen Läsionen durch eine Radiofrequenzablation alleine oder durch<br />
eine Kombination von Operation resektabler Läsionen <strong>und</strong> der Radiofrequenzablation der verbliebenen nichtresektablen<br />
Metastasen.<br />
Zahl der Metastasen < 10, metastatische Infiltration der Leber < 50%.<br />
Maximaler Durchmesser der Läsionen, die durch RFA behandelt werden sollen = 4 cm.<br />
Vorgehen<br />
Als lokales Therapieverfahren kommt die Radiofrequenzablation wegen der geringen Komplikationsrate <strong>und</strong><br />
der relativen Schnelligkeit zum Einsatz. Für die Radiofrequenzablation ist ein offen chirurgisches,<br />
laparoskopisches oder perkutanes Vorgehen vorgesehen.<br />
Als Chemotherapieregime wird das FOLFOX-Schema nach de-Gramont verwendet. Die in beiden Armen<br />
identische Chemotherapie soll bis 6 Wochen nach RF-Ablation / OP begonnen werden bzw. im alleinigen<br />
Chemotherapiearm innerhalb 3 Wochen nach der Randomisation. Falls in dieser Gruppe eine Resektabilität<br />
nach Chemotherapie erreicht wird, ist diese erlaubt.<br />
Die Dauer der Chemotherapie ist für 12 Zyklen geplant, bei Progression ist eine second-line-Chemotherapie<br />
nach Wahl erlaubt, eine erneute RF-Ablation jedoch nur im Kombinationsarm.<br />
359
Lebermetastasen<br />
CLOCC-Trial<br />
Studientitel<br />
CLOCC-Trial (Chemotherapie + lokale Ablation versus Chemotherapie allein bei nicht-resektablen<br />
Lebermetastasen infolge eines kolorektalen Karzinoms. Multizentrische Studie).<br />
Randomisation<br />
Radiofrequenzablation (RFA) vs. RFA + Chemotherapie (Arm B)<br />
Chemotherapie<br />
Die Oxaliplatin-haltige Chemotherapie (FOLFOX) kann in drei verschiedenen Versionen durchgeführt werden.<br />
Empfohlen wird das Schema I<br />
Schema I<br />
Oxaliplatin 85 mg/m 2 500 ml Glukose 5% 2h d 1, 15, 29<br />
Folinsäure 200 mg/m 2 NaCl 0,9%/500 ml 2h d 1, 8, 15, 22, 29, 36<br />
5-FU 2.600 mg/m 2 24h-Infusion d 1, 8, 15, 22, 29, 36<br />
Woche 7 Therapiepause, Wiederholung Tag 50, jedoch ohne Oxaliplatin<br />
Schema II<br />
Oxaliplatin 85 mg/m 2 500 ml Glukose 5% 2h* d 1<br />
L-Folinsäure 200 mg/m 2 250 ml Glukose/2h* d 1<br />
5-FU 400 mg/m 2 i.v. Bolus d 1<br />
5-FU 2.400 mg/m 2 Kontinuierliche Infusion d 1<br />
(Pumpe)/46h<br />
* zeitgleiche Gabe. Wiederholung Tag 15.<br />
Schema III<br />
Oxaliplatin 85 mg/m 2 500 ml Glukose 5% 2h Tag 1<br />
Folinsäure 200 mg/m 2 250 ml ml NaCl 0,9% 2h Tag 1, 2<br />
5-FU 400 mg/m 2 i.v. Bolus Tag, 1, 2<br />
5-FU 600 mg/m 2 c.i. 22h Tag 1, 2<br />
Wiederholung Tag 15<br />
Messpunkte: Primär: Gesamtüberleben<br />
Sek<strong>und</strong>är: DFS, Lebensqualität<br />
Ergebnisse (Ruers T. et al., ASCO 2008, Abstract 4012)<br />
Eingebracht wurden insgesamt 119 Patienten, die angestrebte Zahl von 152 wurde wegen schlechter<br />
Rekrutierung nicht erreicht.<br />
Aufgenommen wurden Patienten mit maximal 9 nicht resektablen Lebermetastasen, die maximale<br />
Grösse der Leberherde für die RFA lag bei 4 cm. Beide Behandlungsarme waren gut balanciert,<br />
allerdings erhielten im Arm B 15% der Patienten keine Chemotherapie.<br />
Das progressionsfreie Überleben ist im Kombinationsarm B mit 16,6 Monaten versus 10 Monaten im<br />
Chemotherapiearm signifikant verlängert (p = 0,0267). Die Toxizitätsprofile beider Arme sind<br />
vergleichbar. Im Kombinationsarm gab es etwas mehr Nebenwirkungen Grad-3/4: Neutropenie 27%<br />
vs. 20%); Kardiotoxizität (9,8 % vs. 1,7 %); Neuropathie (17,6% vs. 13,6%); Fatigue (13,7 vs. 6,8%).<br />
Die Mortalität lag im Kombinationsarm bei 1,8%.<br />
Fazit: Die Kombinationstherapie verlängert das PFS im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie bei<br />
akzeptabler Toxizität, der primäre Studienendpunkt (30 Monate Gesamtüberleben) wurde jedoch<br />
bisher noch nicht erreicht. Offen bleibt die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt der RFA<br />
360
Lebermetastasen<br />
Regionale Chemotherapie<br />
Bei Patienten mit auf die Leber beschränkten Metastasen kann eine lokoregionäre Maßnahme wie die arterielle<br />
Leberperfusion in manchen Situationen in Betracht gezogen werden, insbesondere als „Last-line-approach“.<br />
Arterielle Leberperfusion<br />
Voraussetzung ist das Einbringen eines Verweilkatheters in die A. hepatica entweder als Perkutankatheter, arterieller<br />
Port oder als vollimplantierbares Pumpsystem. Zur Vermeidung einer medikamentös bedingten Cholezystitis ist eine<br />
gleichzeitige Cholezystektomie notwendig. Für die Praxis kann die Therapie außerhalb von Studien erwogen werden,<br />
wenn eine synchrone Operation des Primärtumors erfolgte, oder wenn im Rahmen einer geplanten<br />
Mestastasenresektion diese als nicht möglich bzw. erfolgreich erscheint.<br />
Indikation<br />
Eine regionale Chemotherapie kann sinnvoll sein, wenn eine alleinige nichtresektable hepatische Filialisierung ohne<br />
Nachweis von extrahepatischen Absiedlungen besteht.<br />
Vorteile : Hohe Zytostatikakonzentration auf das Tumorgewebe. Meist geringe systemische<br />
Chemotherapiewirkung.<br />
Nachteile: Hospitalisation mit Operationstrauma <strong>und</strong> Op-Risiko. Infektionsprobleme, technische Schwierigkeiten<br />
mit den Pumpsystemen. Medikamentenbedingte Ulcera ventriculi <strong>und</strong> duodeni sowie eine chemische<br />
Hepatitis. Außerdem als Nebenwirkung gefürchtet ist eine biliäre Sklerose (Inzidenz nach i.a. FUDR 6-<br />
35%). Aus diesem Gr<strong>und</strong>e wird die Substanz in Deutschland nicht mehr eingesetzt.<br />
Ergebnisse<br />
(1, 2, 3, 4)<br />
wurde<br />
In mehreren randomisierten Studien ein messbarer Überlebensvorteil für regional mit FUDR<br />
behandelte Pat. im Vergleich zu einer systemischen Therapie mit 5-FU gef<strong>und</strong>en. ROUGIER et al. 3) fanden einen 2<br />
Jahres-Überlebensvorteil von 23% vs. 13%; ALLEN-MERSH et al. 2) von 13,5 vs. 7,5 Monaten gegenüber der<br />
systemischen Therapie. Die durchschnittlich erzielten objektiven Ansprechraten auf eine regionale Chemotherapie<br />
liegen bei etwa 50%. Inzwischen wurde auch eine Studie veröffentlicht, die einen randomisierten Vergleich von i.a.<br />
FU/FA mit i.a. FUdR <strong>und</strong> systemischer i.v. FU/FA-Gabe zum Inhalt hatte. Bei 168 Patienten ergab sich eine mit 45<br />
bzw. 43% gegenüber 20% bei der i.v.-Therapie signifikant höhere Ansprechrate. Das progressionsfreie Überleben<br />
war jedoch mit 9,2 Mon. nur bei der i.a. FU/FA-Therapie höher als mit 5,9 Monaten bei i.a. FUdR <strong>und</strong> 6,6 Monaten<br />
bei der systemischen Therapie. Das mediane Überleben war bei systemischer <strong>und</strong> i.a. Gabe von FU/FA mit 17,6<br />
bzw.18,7 Monaten vergleichbar <strong>und</strong> länger als bei i.a. FUdR mit 12,7 Monaten.<br />
Chemotherapie<br />
Portpunktion unter sterilen Kautelen. Tragbare Injektionspumpe.<br />
Folinsäure 200 mg / m²/d 10-Min-Infusion i.v. Tag 1 – 5<br />
5-FU 1000/mg/m ²/d 24-Std.-Perfusion i.a. Tag 1 – 5<br />
Wiederholung Tag 29.<br />
Alternativ<br />
FUDR 0,2 mg/kg/d 24-Std.-Perfusion i.a. Tag 1 - 14<br />
Wiederholung Tag 29<br />
5-FU 600 mg/m ²/d 24-Std.-Perfusion i.a. Tag 1 – 5<br />
Mitomycin 10 mg/m² i.v. Infusion Tag 1<br />
Wiederholung Tag 29<br />
Neue Substanzen (ASCO 2005, Abstr. 3616)<br />
M. Bouchada (Paul Brousse, Villejuif) stellte eine Studie vor, bei der massiv vorbehandelte Patienten durch eine<br />
regionale Chemotherapie mit Irinotecan, Oxaliplatin, 5-FU sogar eine R0-Resektion von Lebermetastasen erreichten.<br />
3 drug hepatic artery circadian delivery (HACD): Irinotecan, Oxaliplatin, 5 FU<br />
25 vorbehandelte Patienten, mitteres Alter 63 J. Anzahl der Vorbehandlungen: 1 (n=3), 2 (n=4), 3 (n=7) 4+(n=11)<br />
22 Patienten mit messbaren Läsionen: 11 PD (außerhalb der Leber 3), PR/SD 11(50%), 2 x R0 Resektion der Leber<br />
PFS median 5 Monate, OS median 19,5 Monate<br />
1) HOHN, D.C., R.J.STAGG, M.A. FRIEDMAN et al. J.Clin.Oncol. 7, 1989, 1646-54<br />
2) ALLEN-MERSH, T.G., S.ERLAM, C.FORDY et al. Lancet 344, 1994, 1255-1260<br />
3) ROUGIER, P., A. LAPLANCHE, M. HUGUIER et al. J.Clin.Oncol.10, 1992, 1112-1118<br />
4) HOTTENROTT, C., M.LORENZ, <strong>Onkologie</strong>18, 1995, 240-244<br />
361
Lebermetastasen<br />
SIRT<br />
SIRT steht für „Selektive Interne Radio-Therapie“ <strong>und</strong> ist eine innovative Behandlungsform von malignenTumoren in der<br />
Leber. Bei der SIRT wird 90 Yttrium, ein Betasstrahlen emittierendes Isotop mit einer physikalischen Halbwertszeit von<br />
64,2 St<strong>und</strong>en, verwendet. Die Betastrahlen von 90 Yttrium haben eine durchschnittliche Penetration in Weichgewebe von<br />
2,5 mm. Für die SIRT ist dieser Betastrahler an unlösliche Harzmikrosphären (SIR-Spheres) mit einem mittleren<br />
Durchmesser von 32 μm gekoppelt.<br />
Die Mikrosphären werden über einen transfemoral eingebrachten Katheter in die Aa. hepatica dextra <strong>und</strong> sinistra appliziert.<br />
Technisch durchführbar ist die Behandlung, wenn die Leberarterien mit einem Katheter zugänglich <strong>und</strong> sondierbar sind,<br />
keine wesentliche Anomalie der Gefäßversorgung vorliegt, Äste, die andere Organe versorgen, vor Therapie ohne Risiko<br />
verschlossen werden können <strong>und</strong> die Pfortader frei durchgängig ist.<br />
Da das normale Lebergewebe sein nährstoffreiches Blut ganz überwiegend aus der Pfortader bezieht, <strong>und</strong> umgekehrt das<br />
gefäßreiche Tumorgewebe in der Leber stark mit arteriellem Blut versorgt wird, führt die Gabe von SIR-Spheres® in die<br />
Leberarterien zu einer bevorzugten Anreicherung im malignen Gewebe. Die Strahlung, die von den Mikrosphären ausgeht,<br />
schädigt <strong>und</strong> zerstört damit in erster Linie das umgebende Tumorgewebe <strong>und</strong> belastet das normale Lebergewebe dabei nur<br />
relativ wenig. Die SIRT ist somit eine Art Brachytherapie mit hoher lokaler Strahlendosis unter Schonung des<br />
umliegenden, ges<strong>und</strong>en Lebergewebes.<br />
Einschlusskriterien für eine SIRT-Behandlung<br />
(Coldwell D. et al. World Conference on Interventional Oncology 2008, # P79)<br />
Nicht-resektable Lebertumore oder vorwiegend in der Leber lokalisierte Tumore bei primärem Leberzellkarzinom oder<br />
metastasierter Erkrankung.<br />
Lebenserwartung über 12 Wochen, ECOG Performance Status ≤ 2<br />
Absolute Ausschlusskriterien<br />
Ascites oder andere klinische Zeichen einer Leberfunktionsstörung, Schwangerschaft, potentielle Überschreitung einer<br />
Strahlenexposition der Lunge >30 Gy bei pulmonalem Shunt, die durch eine prätherapeutische Radionukliduntersuchung<br />
bestimmt wird. Shunts zum Gastrointestinaltrakt (Magen, Darm oder Pankreas), die nicht durch Embolisation<br />
verschliessbar sind, was im Rahmen einer prätherapeutischen Angiographie evaluiert wird.<br />
Relative Ausschlusskriterien<br />
Nicht frei durchgängige Portalvene, Vorbestrahlung der Leber, exzessive Tumorlast mit limitierter Leberreserve,<br />
abnorme Organ- oder Knochenmarkfunktion z.B. Leukozyten < 2,5 G/l, Neutrophile 2,5 mg/dl, Transaminasen mehr als 5fach erhöht, Bilirubin > 2,0 mg/dl.<br />
Nebenwirkungen, Toxizität<br />
Häufige Nebenwirkungen sind Oberbauchschmerzen, Übelkeit, Fieber, Müdigkeit <strong>und</strong> verringerter Appetit.<br />
Schwerwiegende Toxizität bei Abfluß von Mikrosphären in andere Organe (pulmonale Komplikationen, Pankreatitis oder<br />
Cholezystitis in
Lebermetastasen<br />
Perkutane stereotaktische Radiotherapie<br />
Für Patienten mit isolierten Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms ist die chirurgische Resektion mit<br />
kompletter Entfernung des Tumors die einzige Methode mit erwiesenem Langzeitüberleben. Neben dem klassischen<br />
operativen Vorgehen werden eine Fülle weiterer lokal wirksamer Verfahren angeboten: Radiofrequenzablation<br />
(RFA), laserinduzierte interstitielle Thermotherapie (LITT), die Mikrowellentherapie, die CT-geführte<br />
Brachytherapie, die selektive interne Radiotherapie <strong>und</strong> die transarterielle Chemoembolisation.<br />
Die perkutane fokussierte stereotaktische Strahlentherapie inoperabler Lebermetastasen führt zu einer guten<br />
lokalen Tumorkontrolle <strong>und</strong> hat gegenüber der RFA, der LITT oder der CT-geführten Brachytherapie den Vorteil<br />
der fehlenden Invasivität <strong>und</strong> Tumorzellverschleppung. Die lokale Strahlentherapie wird nicht vom Blutfluss<br />
beeinflußt. Für eine hohe Fokussierung der Dosisapplikation im Zielgebiet wird das Verfahren der neurochirurgischen<br />
Stereotaxie adaptiert. Durch eine Lagerung <strong>und</strong> Fixierung des Patienten in einem definierten dreidimensionalen<br />
Raum kann jeder nicht unmittelbar sichtbare Punkt in diesem Raum sowohl im diagnostischen<br />
Schnittbild als auch in-vivo über dessen Raumkoordinaten zugeordnet werden.<br />
In den 1990er Jahren wurde am Karolinska-Institut<br />
in Stockholm ein stereotaktisches System für den<br />
Einsatz am Körperstamm entwickelt. Entscheidend<br />
ist die Darstellung eines räumlichen Koordinatensystems,<br />
die präzise Reproduzierbarkeit der Körperposition<br />
<strong>und</strong> die Reduktion physiologischer Bewegungen<br />
des Zielgebietes – z. B. durch Atmung -<br />
während der Bestrahlung. In einer oben offenen<br />
Halbschale wird der Patient in einem Vakuumbett<br />
gelagert. Für die Überprüfung der Körperposition<br />
sind Laserzielsysteme integriert, die mit Tätowierpunkten<br />
am Körper zur Deckung gebracht werden.<br />
Das für die Schnittbilddiagnostik notwendige Koordinatensystem<br />
ist im Rahmen der Halbschale eingebracht.<br />
Da sich die Achsen aller Bewegungen des<br />
Linearbeschleunigers in einem Punkt, dem sogenannten<br />
Isozentrum treffen, wird der Schwerpunkt<br />
des Zielgebietes als Isozentrum gewählt <strong>und</strong> mittels<br />
stereotaktischer Koordinaten definiert. Die atemabhängige<br />
Mobilität der Leber wird mit einer Kompression<br />
des Oberbauches oder spezieller Atemadaptionen minimiert.<br />
Axiale computertomographische Darstellung des Patienten im<br />
stereotaktischen Rahmen. Im Rahmen sind beidseitig die in der<br />
Bildgebung sichtbaren Koordinatensysteme integriert. Die Bestrahlung<br />
erfolgt über mehrere Stehfelder auf das Isozentrum. Die<br />
Dosisverteilung (kleine Abbildung) zeigt einen steilen Dosisabfall<br />
peripher des Zielgebietes.<br />
Die Strahlapplikation erfolgt über eine Vielzahl von Strahlfeldern. Die irreguläre Form des Feldes umschließt<br />
exakt das Zielvolumen. Die Addition der Dosis im Zielgebiet <strong>und</strong> die Minimierung der Dosis im peripher durchstrahlten<br />
Körperanteil eines Einzelfeldes führen in Abhängigkeit von der Feldanzahl zu einer hohen Fokussierung<br />
der Dosis. Die Gesamtdosis wird hypofraktioniert in wenigen Portionen oder als Einzeldosis, welches als<br />
Radiochirurgie bezeichnet wird, appliziert.<br />
Ergebnisse:<br />
Die schwedische Arbeitsgruppe (Blomgren, Lax) behandelte 21 Patienten hypofraktioniert mit 2 Fraktionen von<br />
jeweils 10-15 Gy. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 9,6 Monaten trat lediglich ein lokales Rezidiv<br />
auf. In Würzburg (Wulf) wurden 23 Patienten ebenfalls hypofraktioniert mit 3 x 10 Gy behandelt. Die lokale<br />
Kontrolle betrug 83% nach einer medianen Nachbeobachtung von 9 Monaten. Im Folgenden wurde in Heidelberg<br />
(Herfarth) eine Phase-I/II-Studie begonnen. Insgesamt wurden 60 Tumore bei 40 Patienten behandelt. Im<br />
Rahmen der Phase-II-Studie wurde radiochirurgisch einmalig mit 22 Gy bestrahlt. Die aktuarische lokale Tumorkontrolle<br />
betrug 81% nach 18 Monaten. Als Nebenwirkungen werden eine kurzzeitige Übelkeit, Fieber <strong>und</strong><br />
Schüttelfrost bei etwa einem Drittel der Patienten beobachtet, die wenige St<strong>und</strong>en nach der Therapie auftreten.<br />
In der Bildgebung zeigt sich nach der Therapie im Hochdosisgebiet eine asymptomatische fokale Gewebereaktion<br />
i. S. einer venookklusiven Erkrankung, die sich mit der Zeit zurückbildet.<br />
Mit der stereotaktischen Bestrahlung kann ein nicht-invasives Verfahren eingesetzt werden, welches bei<br />
limitierter Lebermetastasierung <strong>und</strong> Inoperabilität eine hohe Tumorkontrollwahrscheinlichkeit (80%) bei<br />
geringer Morbidität erzielt. Aufgr<strong>und</strong> einer Vielzahl kompetitiver lokaler Verfahren sind die Erfahrungen auf<br />
wenige Zentren begrenzt.<br />
363