Ausgabe 2011 - Cannstatter Volksfest

26 ::: Cannstatter Volksfestzeitung 2011
Bratkartoffeln mit Fleischkäse
in ihrem Aufenthaltsraum zwischen
Damen- und Herren-
WC. Ein langer Arbeitstag
macht hungrig.
Im Urlaub Klomann
Vor dem Klowagen, hinter dem
Weinzelt, ist der 58-jährige Klomann
auf Zeit, Horst*, sein eigener
Chef. Zumindest über die
17 Wasentage. Während seines
ungewöhnlichen Urlaubs auf
dem Festplatz verwöhnt der
Facharbeiter aus dem Schwarzwald
die Kundschaft mit blitzenden
Klobrillen samt blauem,
duftendem Wasser aus dem
Spülkasten. Selbst an einen
„Beautybereich“ mit Spiegel
und Kosmetikablage hinter
dem geblümten Plastikvorhang
hat er gedacht. Horst
sorgt in seiner schwarzen
Bundfaltenhose und einem
dicken Strickpullover
für Sauberkeit.
Er sitzt, nur ein Dach
über dem Kopf, bei
acht Grad im Freien.
Ein zugiges Plätzchen. „Ich habe
mir schon einen Schnupfen
geholt“, stöhnt er, winkt aber
gleich ab und stülpt sich die
rot-gelben Gummihandschuhe
über. Einsatz im Herren-WC, in
der Ecke ist es nass. Seine angerauchte
Reval ohne Filter
qualmt im Aschenbecher auf
der rot karierten Tischdecke vor
sich hin. Der schwarze Kaffee ist
schon seit Stunden kalt. Trotzdem
strahlt sein Arbeitsplatz
Gemütlichkeit aus und hat etwas
Heimeliges, fast Einladendes.
Aus dem CD-Player auf
dem Campingtisch dröhnt der
„König von Mallorca“ um die
Wette mit dem Live-Gesang „O
sole mio“ aus dem benachbarten
Festzelt. Nach der Erleichte-
rung haben es die Gäste hier
nicht mehr eilig. Einige bleiben
noch auf eine Zigarette samt
Plausch. Auf dem Teller klimpern
die Münzen. Horst dankt
jedem einzeln für die Gabe.
Chip für den VIP
Im größten, bis auf den letzten
Platz gefüllten Festzelt tobt bei
6000 Gästen und einem „Prosit
der Gemütlichkeit“ der Bär. Festwirt
Hans-Peter Grandl begrüßt
seine VIP-Gäste mit charmantem
Körpereinsatz und umarmt
sie dabei herzlich. Doch was tut
der VIP, wenn er mal muss? Ab
in die 15 zelteigenen Klo-Container,
Schulter an Schulter mit
allen anderen Gästen? Kein
Problem, „wir haben hier extra
VIP-WCs“, erzählt Grandl und
führt stolz in die Kabinen
mit Kronleuchter, Kosmetikutensilien
und der
entspannenden Musikberieselung
gleich
neben der VIP-Lounge.
Rein geht’s aber
nur mit einem Chip,
und den bekommt
ausschließlich der
VIP.
Cannstatter
Volksfest
Ich komme
wieder!
Der Maßkrug kommt mit
Die jodelnde Masse erleichtert
sich kollektiv in den Containern
seitlich des Zeltes. Darin
dann rechts die Damen, links
die Herren. Auch an eine Toilette
mit Rampe für Rollstühle ist
gedacht. Mitten in der Toiletteneinflugschneise
steht am
Holzpult ein gestresster Mann
im weißen Kittel, Werner*. Wie
ein Verkehrspolizist rudert er
mit den Armen und sorgt für
Zucht und Ordnung. „Da stell’s
no“ wird zum Standardspruch
des Rentners, wenn die Herrschaften
samt Maßkrug zur
Rinne streben. „Die pinkeln
sonst ins eigene Bier oder
schütten es sich über die Köpfe“,
begründet Werner seine
Strenge. Zwischen den Kabinen
huscht im Neonlicht die
blonde Rentnerin Inge* mit
Putzzeug und Handtuchrollen
im weißen Kittel umher. Mit
dem hart verdienten Geld
möchte sie Urlaub mit ihrem