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Eltern machen Schule - eigenen Schulbuch

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„<strong>Schule</strong> und <strong>Eltern</strong>“, das ist ein schwieriges Beziehungsfeld. In der <strong>Schule</strong> sind <strong>Eltern</strong>aktivitäten, die<br />

Geld sparen helfen, gern gesehen: Räume streichen, Bibliotheksdienst, Mittagstischbetreuung, Spendenbereitschaft<br />

für Musikinstrumente, Theaterräume usw. Wenn dieselben <strong>Eltern</strong> dann Fragen stellen<br />

und mitreden wollen, wird das eher als Betriebsstörung empfunden. Umgekehrt halsen <strong>Eltern</strong> den<br />

Lehrerinnen und Lehrern allzu oft Aufgaben auf, die wirklich keine Jobs der <strong>Schule</strong> sind. Vorurteile und<br />

Berührungsängste auf beiden Seiten wurzeln tief. Dieses heikle Feld beackerten: NORBERT BRUGGER,<br />

Bildungsreferent im Städtetag Baden-Württemberg, KARL-HEINZ WURSTER, Vorsitzender des Philologenverbandes<br />

Baden-Württemberg, ELKE PICKER, Vorsitzendes des Landeselternbeirates Baden-Württemberg,<br />

und ALEXANDER THIERSCH, Geschäftsführer der Freien Waldorfschule Kräherwald in Stuttgart:<br />

„ELTERN MACHEN SCHULE. LÜCKENBÜSSER, STÖRENFRIEDE ODER ERZIEHUNGSPARTNER“<br />

Moderation: Renate Allgöwer<br />

Eine Veranstaltung der<br />

Norbert Brugger<br />

Norbert Brugger, 41-jährig, leitet seit 1993 das Dezernat für Allgemeine Verwaltung, Bildung und Kultur des<br />

Städtetages Baden-Württemberg und vertritt in dieser Funktion die bildungspolitischen Interessen der 174<br />

Mitgliedsstädte dieses Kommunalen Landesverbandes mit Sitz in Stuttgart. Er lebt mit seiner Frau und seinen<br />

drei schulpflichtigen Kindern in Reutlingen.<br />

Karl-Heinz Wurster<br />

Karl-Heinz Wurster, geb. 1941 in Stuttgart. Studium der Fächer Geschichte, Politik und Englisch an den Universitäten<br />

Tübingen und Bangor (GB), danach Referendariat und Lehrer an verschiedenen Stuttgarter Gymnasien.<br />

Tätigkeiten als Fachberater in der Schulaufsicht, in einer Schulleitung, am Landesinstitut für Erziehung<br />

und Unterricht, im Schul- und Kulturbürgermeisteramt der Stadt Stuttgart. Autor schulbezogener Veröffentlichungen.<br />

Seit 1997 Mitglied im Hauptpersonalrat Gymnasien beim Kultusministerium Baden-Württemberg.<br />

Seit 2000 stellvertretender Landesvorsitzender, seit 2004 Landesvorsitzender des Philologenverbands Baden-<br />

Württemberg, des Verbandes der Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien.<br />

STATEMENT<br />

Norbert Brugger<br />

Die Schulleitung entwirft mit den Lehrerinnen und Lehrern<br />

pädagogische und nichtpädagogische Ziele der <strong>Schule</strong> und<br />

somit auch deren künftiges Profil. Dieser Entwurf wird danach<br />

in den <strong>Eltern</strong>gremien der <strong>Schule</strong> breit und kontrovers diskutiert.<br />

Die Änderungswünsche der <strong>Eltern</strong>schaft (und des Schulträgers)<br />

werden schließlich von der Schulkonferenz beraten und<br />

gegebenenfalls beschlossen. Diese Szenerie entspräche wohl<br />

ideal dem Leitbild „<strong>Eltern</strong> <strong>machen</strong> <strong>Schule</strong>“ – und zwar als deren<br />

Erziehungspartner. Warum ist sie vielerorts keine Realität, sondern<br />

bestenfalls Zukunftsmusik Als Nichtpädagoge täte man<br />

sich an dieser Stelle leicht, schlicht von Lehrerinnen und Lehrern<br />

zu sprechen, die nicht die erforderliche Flexibilität und<br />

Offenheit besitzen, um Anregungen und Wünsche der <strong>Eltern</strong>schaft,<br />

die über den Ablauf von Schulfesten u. Ä. hinausreichen,<br />

ernst zu nehmen und anzunehmen.<br />

Eine einfache Antwort – zu einfach, um wahr zu sein. Wenn<br />

sich <strong>Eltern</strong> nicht als Erziehungspartner der <strong>Schule</strong> sehen, hat<br />

das tiefere Ursachen, die im über Generationen hinweg ausgeprägten<br />

Rollenverständnis aller Beteiligten zu suchen sind.<br />

Wer kennt nicht das Gefühl, als Mutter oder Vater einen <strong>Eltern</strong>abend<br />

zu besuchen und schon beim Betreten des Schulgeländes<br />

140


Brugger/Wurster/Picker/Thiersch: <strong>Eltern</strong> <strong>machen</strong> Blindtext <strong>Schule</strong><br />

Elke Picker<br />

Elke Picker, geb. 1944 in Albrechts in Thüringen, aufgewachsen in Krefeld (NRW). Jurastudium, bis 1979<br />

Richterin am Landgericht Bonn. 1987 Umzug nach Tübingen. 1990-96 Vorsitzende des <strong>Eltern</strong>beirats des<br />

Uhland-Gymnasiums und Mitglied des <strong>Eltern</strong>beirats der Kimbachschule, Sonderschule für geistig Behinderte<br />

in Tübingen. 1994-96 Vorsitzende des Gesamtelternbeirats Tübingen. 1996-2002 Vertreterin der Sonderschulen,<br />

2002-05 Vertreterin der <strong>Schule</strong>n in freier Trägerschaft, 1999-2005 Vorsitzende des Landeselternbeirats,<br />

seit 2003 Vorsitzende des Vorstands der <strong>Eltern</strong>stiftung in Baden-Württemberg.<br />

Alexander Thiersch<br />

Alexander Thiersch, geb. 1958 in Stuttgart. Besuch des Waldorfkindergartens und der Waldorfschule<br />

Kräherwald, Abgang mit der Allgemeinen Fachhochschulreife. Längere Auslandsaufenthalte in Frankreich<br />

und Italien. Hotelkaufmannlehre in Stuttgart (Hotel Europe), danach Steigenberger Hotelberufsfachschule<br />

Bad Reichenhall. Diverse Stellen in der deutschen Vier- und Fünfsternehotellerie, 1991-98 Leitung von<br />

Häusern bei der Steigenberger- sowie der Dorint-Hotelgesellschaft. Seit 1998 Geschäftsführer der Freien<br />

Waldorfschule Kräherwald in Stuttgart.<br />

gedanklich in eine andere, längst vergangen geglaubte Welt<br />

einzutauchen Im Klassenzimmer des Kindes angekommen,<br />

gerät die als Meinungs- und Informationsaustausch unter Erwachsenen<br />

geplante Veranstaltung zu einer emotionalen Reise<br />

in die eigene Vergangenheit. Wie ehedem auf kleinen Stühlen<br />

sitzend, lauscht man den Verkündungen der Klassenlehrerin<br />

und versucht, beim Fragestellen, Antwortgeben und Mitarbeiten<br />

eine möglichst gute Figur zu <strong>machen</strong>. Das schließt heftiges<br />

Insistieren in pädagogischen Fragen selbstredend aus. Man<br />

könnte der geballten pädagogischen Kompetenz auf Lehrerseite<br />

ja auch allenfalls seinen gesunden Menschenverstand nebst<br />

Lebenserfahrung entgegensetzen. Ein scheinbar ungleicher<br />

Kampf stünde also bevor.<br />

Den Hebel für Veränderungen in diesem – beispielhaft auch für<br />

andere schulische Situationen stehenden – Rollenspiel alleine<br />

bei der <strong>Schule</strong> zu suchen, wäre viel zu kurz gegriffen. Wer will<br />

es dem durch große pädagogische und menschliche Herausforderungen<br />

sowie permanente (und notwendige) Bildungsreformen<br />

getriebenen „Lehrkörper“ verdenken, wenn er nicht auch<br />

noch basisdemokratische pädagogische Strömungen der <strong>Eltern</strong>schaft<br />

von sich aus befördert Nein, wir <strong>Eltern</strong> müssen unser<br />

Glück schon selbst in die Hand nehmen, wenn wir der <strong>Schule</strong><br />

auf Augenhöhe als Erziehungspartner entgegentreten wollen.<br />

Und damit alle Beteiligten aus ihrem angestammten Fahrwasser<br />

gerissen werden, müssen wir neue Handlungsebenen für<br />

den Umgang mit unserer <strong>Schule</strong> schaffen. Dabei sollten wir<br />

141


immer im Blick behalten, die Schulpädagogik nicht übernehmen<br />

zu wollen, sondern sie – eben in partnerschaftlicher Weise –<br />

durch eigene Akzente und Beiträge zu bereichern.<br />

Ein Schulförderverein, in dem sich <strong>Eltern</strong> losgelöst vom engeren<br />

Schulbetrieb für die <strong>Schule</strong> engagieren, kann eine solche neue<br />

Handlungsebene sein. Viele solcher Vereine sind in den vergangenen<br />

Jahren entstanden. Diese Entwicklung mündete im Jahre<br />

2003 in die Gründung eines Bundesverbandes und eines Landesverbandes<br />

der Schulfördervereine. Mehr als 1300 Schulfördervereine<br />

zählte der Landesverband damals allein in Baden-<br />

Württemberg. Etwa ein Drittel der <strong>Schule</strong>n wird also bereits<br />

von einem solchen Verein unterstützt. Diese Zahl wächst in den<br />

kommenden Jahren sicher weiter – vor allem auch aufgrund des<br />

vielerorts anstehenden Ausbaus schulischer Ganztagesangebote,<br />

weil viele <strong>Schule</strong>n beim Betrieb ihres Angebotes auf <strong>Eltern</strong>engagement<br />

setzen wollen oder müssen.<br />

Selbstverständlich sind Schulfördervereine nicht das einzige<br />

Instrumentarium für ein partnerschaftliches Miteinander von<br />

<strong>Schule</strong>n und <strong>Eltern</strong>. Auch andere neue oder schon bestehende<br />

Strukturen der <strong>Eltern</strong>vertretung können hierfür die Plattform<br />

bilden. Entscheidend ist alleine, dass die <strong>Schule</strong> bei ihrer Weiterentwicklung<br />

vom bloßen Lernort für Kinder und Jugendliche<br />

zum Lebensraum für die Stadtteil- bzw. Ortsbevölkerung auf<br />

eine kritisch-konstruktive <strong>Eltern</strong>schaft zählen kann. Einrichtungen<br />

wie die wiederbelebte <strong>Eltern</strong>stiftung Baden-Württemberg<br />

und die neue <strong>Eltern</strong>akademie Baden-Württemberg unterstützen<br />

<strong>Eltern</strong> auf diesem Weg durch Informations- und Fortbildungsangebote.<br />

Mehr noch als durch solche Institutionen bedürfen<br />

die Protagonisten in der <strong>Eltern</strong>schaft für ein neues Miteinander<br />

mit der <strong>Schule</strong> aber der Unterstützung durch ihre Miteltern.<br />

Nicht immer sind jene <strong>Eltern</strong>, die Neues versuchen und damit<br />

Alteingespieltes verändern wollen, allseits wohl gelitten.<br />

Manchmal sehen sich solche Vorreiter gar des Verdachts ausgesetzt,<br />

nur um des <strong>eigenen</strong> Kindes willen eine besondere Stellung<br />

in der Schulhierarchie erlangen zu wollen. Und der Versuch,<br />

elterliche Interessen gegen Einwände der <strong>Schule</strong> durchzusetzen,<br />

gilt nicht selten als Sakrileg. Dabei gehören solche<br />

(schul)politischen Auseinandersetzungen mit Argumenten zum<br />

Lebenselixier jeder demokratischen Gesellschaft.<br />

Beim Beschreiten neuer Wege in die schulische Zukunft sollten<br />

sich daher alle Mitwirkenden – <strong>Eltern</strong>, <strong>Schule</strong> und Schulträger –<br />

ermutigen und dabei die Leistungen der jeweils anderen für ein<br />

gutes Bildungsangebot anerkennen und würdigen. Nur wenn<br />

„Nein, wir <strong>Eltern</strong> müssen unser Glück schon selbst in die Hand nehmen, wenn wir der <strong>Schule</strong><br />

auf Augenhöhe als Erziehungspartner entgegentreten wollen. Und damit alle Beteiligten aus<br />

ihrem angestammten Fahrwasser gerissen werden, müssen wir neue Handlungsebenen für den<br />

Umgang mit unserer <strong>Schule</strong> schaffen. Dabei sollten wir immer im Blick behalten, die Schulpädagogik<br />

nicht übernehmen zu wollen, sondern sie – eben in partnerschaftlicher Weise –<br />

durch eigene Akzente und Beiträge zu bereichern.“<br />

Wiewohl es bei Schulfördervereinen zunächst vornehmlich um<br />

pragmatische Hilfen – also das natürlich sehr wichtige elterliche<br />

Engagement in finanziellen und organisatorischen Bereichen<br />

– und nicht um pädagogische Zusammenarbeit geht, bilden<br />

solche Vereine eine sehr gute Ebene für Erziehungspartnerschaften<br />

zwischen <strong>Schule</strong>n und <strong>Eltern</strong>. Sie fördern das gegenseitige<br />

Verständnis und die gegenseitige Wertschätzung. Aufseiten<br />

der <strong>Eltern</strong> stärken sie das Selbstwertgefühl, das Selbstbewusstsein<br />

und die Identifikation mit „ihrer <strong>Schule</strong>“, geben aber<br />

auch tieferen Einblick in die pädagogischen Herausforderungen<br />

des Lehrbetriebs. Immer vorausgesetzt, dass sich die <strong>Schule</strong><br />

hierfür öffnet, und sei es auch erst nach heftigem Anklopfen<br />

des Vereines.<br />

die gegenseitige Wertschätzung alltäglich erkennbar ist und<br />

gelebt wird, kann gedeihen, was für ein partnerschaftliches und<br />

gutes Miteinander stets fundamental ist: ein positives und<br />

offenes Klima.<br />

Über den Kreis der drei genannten Mitwirkenden hinaus kann<br />

und muss auch die Schulpolitik des Landes Bedeutendes zu<br />

einem partnerschaftlichen Miteinander in den <strong>Schule</strong>n beitragen.<br />

Ganz in diesem Sinne hat sie in den vergangenen Jahren<br />

auch deutliche Zeichen gesetzt. So gibt die Bildungsplanreform<br />

2004 den <strong>Schule</strong>n wesentlich größere Spielräume bei der Gestaltung<br />

des Unterrichts als bislang. Die Einführung von vernetztem<br />

Lernen bzw. fächerübergreifendem Unterricht fördert ganzheitliches<br />

Denken und Handeln bei Schülern und Lehrern. Damit<br />

sollen Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der <strong>Schule</strong>n<br />

samt ihrer Schüler und Lehrer gestärkt werden. Wegweisend<br />

hierfür waren gute Vorbilder unter den Privatschulen. Natürlich<br />

eröffnet die größere Eigenständigkeit der <strong>Schule</strong>n auch <strong>Eltern</strong><br />

neue Möglichkeiten, sich in das Schulgeschehen einzubringen.<br />

Auch hier lohnt sich ein Blick auf viele gute Beispiele unter den<br />

Privatschulen, bei denen besonderes <strong>Eltern</strong>engagement als fester<br />

Bestandteil des Schulkonzeptes geadelt ist.<br />

Aber ist die größere Eigenständigkeit an den öffentlichen <strong>Schule</strong>n<br />

überhaupt schon Realität Meine Antwort darauf ist –<br />

142


Brugger/Wurster/Picker/Thiersch: <strong>Eltern</strong> <strong>machen</strong> <strong>Schule</strong><br />

in memoriam Robert Lembke – ein<br />

entschiedenes Jein. Zwar sind<br />

Vorschriften und Bildungspläne<br />

entsprechend geändert worden,<br />

und der gute Wille zur Reformumsetzung<br />

ist nahezu überall<br />

erkennbar. Bis die Gestaltungsspielräume<br />

aber auch allerorten<br />

wirklich ausgeschöpft und tagtäglich<br />

gelebt werden, vergehen<br />

sicher noch Jahre. Nicht nur die<br />

Akteure vor Ort in den <strong>Schule</strong>n<br />

müssen diesen Veränderungsprozess<br />

erst noch vollziehen. Auch<br />

die Bildungspolitik des Landes<br />

muss sich weiter in diese Richtung<br />

entwickeln, denn sie hat<br />

ihre Reformziele zwar fixiert,<br />

aber noch nicht erreicht.<br />

Foto: VdS Bildungsmedien<br />

„<strong>Eltern</strong> <strong>machen</strong> <strong>Schule</strong>“: Norbert Brugger und Alexander Thiersch auf dem Podium.<br />

Dazu folgendes Beispiel: Ein Kernanliegen des fächerübergreifenden<br />

und vernetzten Unterrichts ist es, die Schüler ganzheitlich<br />

mit ihren vielseitigen kognitiven, kreativen und sozialen Begabungen<br />

und Neigungen wahrzunehmen und zu fördern. Die<br />

Kombination unterschiedlicher schulischer Disziplinen regt zudem<br />

kreatives Denken und Handeln „über den Tellerrand hinaus“<br />

in besonderer Weise an und vermittelt dadurch ein neues,<br />

grundständigeres Verständnis von unserer Welt im Kleinen wie<br />

im Großen. Die erweiterten Unterrichtszeiten der Ganztagsschulen<br />

sollen genutzt werden, um diese neue Qualität von Lernen<br />

durch Rhythmisierung des Schulalltags noch zu erhöhen. Ein<br />

solches breites Wissensfundament ist angesichts der Globalisierung<br />

aller Lebensbereiche außerordentlich wichtig und wertvoll.<br />

Anders als Privatschulen hält das öffentliche Schulwesen allerdings<br />

bislang an seiner starken Fokussierung auf die so genannten<br />

Hauptfächer fest und betrachtet das individuelle Potenzial<br />

jedes Schülers in der schulischen Praxis am Ende eben doch<br />

(noch) nicht ganzheitlich. So sieht eine Verwaltungsvorschrift<br />

zwar vor, bei der Erstellung einer Grundschulempfehlung für die<br />

„geeignete Schullaufbahn“ eines Schülers „Art und Ausprägung<br />

seiner Leistungen sowie seine bisherige Entwicklung“ umfassend<br />

zu berücksichtigen. In der Praxis beruhen die Grundschulempfehlungen<br />

jedoch nach wie vor wesentlich auf den Schulnoten<br />

in den Fächern Deutsch und Mathematik, weil auf diese<br />

Kernfächer einstweilen eben auch die Angebote der weiterführenden<br />

<strong>Schule</strong>n zentriert bleiben. Wer will es den <strong>Eltern</strong> da<br />

verdenken, wenn sie letztlich ebenfalls weiterhin auf Seitheriges<br />

bauen, also auf gute Leistungen ihrer Kinder gerade in diesen<br />

Fächern entscheidenden Wert legen und alle anderen Fertigkeiten<br />

als schmückendes Beiwerk empfinden<br />

Wir haben also das schulpädagogische Nirwana keineswegs<br />

erreicht, befinden uns aber gleichwohl auf einem guten Weg.<br />

Das ist das Entscheidende. Nirgendwo passt der Sinnspruch<br />

vom „Weg, der das Ziel ist“ besser als in der Bildungspolitik, die<br />

seit Menschengedenken von permanentem Fortschritt geprägt<br />

ist, denn Wissen ändert sich täglich – und mit ihm die<br />

Wissensvermittlung, zu der auch der schulische Umgang mit<br />

<strong>Eltern</strong> zählt. Ich nutze diese Gelegenheit gerne, um allen hauptamtlich<br />

oder ehrenamtlich Tätigen in den <strong>Schule</strong>n für ihr besonderes<br />

Engagement im Interesse unserer Kinder und Jugendlichen<br />

ganz herzlich zu danken. Der Städtetag Baden-Württemberg<br />

weiß ihre verantwortungsvolle Arbeit für unsere Gesellschaft<br />

sehr zu schätzen.<br />

STATEMENT<br />

Karl-Heinz Wurster<br />

Zunächst will ich den Anfangsimpuls von Frau Allgöwer von der<br />

Stuttgarter Zeitung aufgreifen. Es ist gut und hilfreich, wenn<br />

<strong>Eltern</strong> die <strong>Schule</strong> bei Schulveranstaltungen aller Art unterstützen.<br />

Von der Mitaufsicht bei Schulausflügen oder Diskos bis<br />

zur Mitarbeit bei Schulfesten: <strong>Eltern</strong> füllen tatsächlich eine<br />

Lücke aus.<br />

Die <strong>Eltern</strong> werden gelegentlich als Störenfriede empfunden,<br />

wenn sie ihre Rolle als Aufpasser, Beobachter, Kritiker oder als<br />

Experten für Schulrecht missdeuten, mit der Zielrichtung, die<br />

Schulaufsicht zu ersetzen.<br />

<strong>Eltern</strong> sind willkommen als Erziehungspartner, gleichgeordnet<br />

mit den Pflichten der <strong>Schule</strong> und der Lehrer. Sie nehmen so ihre<br />

Pflicht wahr zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Lehrerinnen<br />

und Lehrern, beide werden damit ihrer gemeinsamen<br />

Verantwortung für die Erziehung der Kinder gerecht.<br />

Die <strong>Eltern</strong> nehmen ihr kollektives <strong>Eltern</strong>recht in verschiedenen<br />

Gremien wahr. In der Schulkonferenz arbeiten sie gemeinsam<br />

mit Lehrern und Schülern an Grundsatzfragen der jeweiligen<br />

143


<strong>Schule</strong>. Die Schulkonferenz ist ein idealer Ort des Informationsaustausches<br />

und der Abstimmung der gegenseitigen Interessen.<br />

Dieses Gremium arbeitet nach eigener Erfahrung auch in<br />

schwierigen Phasen effektiv und vertrauensvoll.<br />

Neben diesen Kooperationsfeldern gibt es auch Grenzbereiche<br />

bzw. Konfliktfelder in der Zusammenarbeit zwischen Lehrern<br />

und <strong>Eltern</strong>. So bin ich überzeugt davon, dass die <strong>Eltern</strong> die<br />

Schließlich ist das Engagement der <strong>Eltern</strong> an den <strong>Schule</strong>n sehr<br />

unterschiedlich: Ein Drittel ist sehr engagiert, ein Drittel interessiert,<br />

ein Drittel nur dann, wenn die <strong>eigenen</strong> Kinder, z. B.<br />

mit Versetzungsproblemen, betroffen sind. Während an Gymnasien<br />

und Realschulen dieses erste Drittel intensiv an den<br />

<strong>Schule</strong>n mitarbeitet, von der Zusatzfinanzierung von Schulaktivitäten<br />

bis zur aktiven Berufs- und Studienberatung und an<br />

diesen Schularten die Fördervereine eine ganz bedeutende Rolle<br />

„Schließlich ist das Engagement der <strong>Eltern</strong> an den <strong>Schule</strong>n sehr unterschiedlich: Ein Drittel<br />

ist sehr engagiert, ein Drittel interessiert, ein Drittel nur dann, wenn die <strong>eigenen</strong> Kinder,<br />

z. B. mit Versetzungsproblemen, betroffen sind.“<br />

Gestaltung des Unterrichts einschließlich der Leistungsmessung<br />

den Fachleuten, den Lehrerinnen und Lehrern, überlassen sollten,<br />

unbeschadet des Paragrafen 56 des baden-württembergischen<br />

Schulgesetzes, der ein gewisses Mitwirkungsrecht auch in diesem<br />

Feld vorsieht. Bei den Lernmitteln sollte die <strong>Schule</strong> den <strong>Eltern</strong><br />

allerdings ein aktives Mitwirkungsrecht einräumen, denn auf<br />

diesem Feld sind <strong>Eltern</strong> gegebenenfalls auch finanziell beteiligt.<br />

Die vorher von mir so positiv beschriebene Schulkonferenz ist<br />

in ihrer Zusammensetzung (7 Lehrervertreter, 3 <strong>Eltern</strong>- bzw. 3<br />

Schülervertreter) seit Jahren in Baden-Württemberg umstritten;<br />

der Landeselternbeirat verlangt seit langem die „Drittelparität“.<br />

Hier halten wir, der Philologenverband Baden-Württemberg,<br />

die jetzige Regelung für angemessen, denn sie entspricht<br />

den tatsächlichen Verantwortlichkeiten; im Übrigen werden<br />

grundsätzliche Festlegungen wie etwa das Profil einer <strong>Schule</strong><br />

überwiegend im Konsens festgelegt.<br />

Die Klassenpflegschaften oder <strong>Eltern</strong>abende werden von manchen<br />

Lehrern als unangenehme Dienstpflicht empfunden. Das<br />

Spannungsverhältnis zwischen Lehrern und <strong>Eltern</strong> und zwischen<br />

<strong>Eltern</strong> untereinander führt oft zu wenig befriedigenden<br />

Ergebnissen. Neue Formen der Gestaltung von <strong>Eltern</strong>abenden<br />

könnten dazu beitragen, dem gemeinsamen Ziel der optimalen<br />

Erziehung und Förderung der Schülerinnen und Schüler besser<br />

gerecht zu werden. Für Lehrerinnen und Lehrer besteht auf diesem<br />

Gebiet ein Fortbildungsbedarf.<br />

Der Ganztagsbetrieb, der sich wohl in absehbarer Zeit flächenmäßig<br />

verbreiten wird, stellt die Zusammenarbeit zwischen<br />

<strong>Eltern</strong> und <strong>Schule</strong> vor neue Herausforderungen; nach meiner<br />

Meinung sollten sich die <strong>Eltern</strong> aber nicht als billige, oft unentgeltliche<br />

Arbeitskräfte missbrauchen lassen, die etwa die Mittagspause<br />

einschließlich des Essens organisieren. Dies ist definitiv<br />

Aufgabe des Schulträgers und sollte von den Städten und<br />

Gemeinden wahrgenommen werden, wie dies an manchen<br />

Orten auch vorbildlich geschieht.<br />

spielen, haben sich an vielen Hauptschulen die <strong>Eltern</strong> „abgemeldet“.<br />

Schulleitungen, Lehrerinnen und Lehrer klagen darüber,<br />

dass die <strong>Schule</strong> oft allein auf sich gestellt bleibt, die<br />

Gründe dafür liegen im sozioökonomischen Umfeld. Es wäre ein<br />

wesentlicher Beitrag zur Stabilisierung der Hauptschule, wenn<br />

es gelänge, die <strong>Eltern</strong> in dieser Schulart in die Pflicht zu nehmen,<br />

bei der Erziehung ihrer Kinder vertrauensvoll mit der<br />

<strong>Schule</strong> zusammenzuarbeiten. Im Übrigen wäre es auch ein<br />

wichtiger Beitrag zur Integration.<br />

Abschließend und etwas zugespitzt formuliert, möchte ich als<br />

Praktiker behaupten: Jede <strong>Schule</strong> ist so gut wie ihre <strong>Eltern</strong>schaft<br />

oder: Gute <strong>Schule</strong> ist ohne eine engagierte <strong>Eltern</strong>schaft<br />

nicht möglich.<br />

STATEMENT<br />

Elke Picker<br />

<strong>Schule</strong> und <strong>Eltern</strong>haus sind die beiden Lebenswelten der Kinder.<br />

Selbstverständlich kann man in einigen Bereichen festlegen,<br />

was im <strong>Eltern</strong>haus geschehen soll und was Aufgabe der <strong>Schule</strong><br />

sein soll. Undiszipliniertheit eines Kindes, die sich in der <strong>Schule</strong><br />

etwa darin äußert, dass es nicht mitarbeitet und schwätzt,<br />

muss vor Ort behoben werden. Dann kommt aber der Bereich<br />

der Hausaufgaben, wer trägt da die Verantwortung Ich habe<br />

den Lehrern meiner Kinder immer gesagt: „Wenn mein Kind die<br />

Vokabeln nicht gelernt hat, dann kriegt es dafür die entsprechende<br />

Note im Test, und wenn Sie mir Bescheid geben, werde<br />

ich zusehen, was ich <strong>machen</strong> kann, und sehen, dass nachmittags<br />

mehr Zeit für Hausaufgaben zur Verfügung steht.“ Ich<br />

fände es aber viel besser, wenn sich in diesem Bereich in erster<br />

Linie die <strong>Schule</strong> für zuständig erklärte. Umgekehrt müssen mich<br />

die Lehrkräfte nicht darauf aufmerksam <strong>machen</strong>, dass mein<br />

Kind dreimal täglich die Zähne putzt. Das ist eine Sache des<br />

<strong>Eltern</strong>hauses.<br />

144


Brugger/Wurster/Picker/Thiersch: <strong>Eltern</strong> <strong>machen</strong> Blindtext <strong>Schule</strong><br />

Wie sieht es nun mit dem Verhältnis <strong>Eltern</strong> und <strong>Schule</strong> aus.<br />

<strong>Eltern</strong> haben ja im öffentlichen Schulwesen durch die <strong>Eltern</strong>beiratsverordnung<br />

eine ganze Reihe von Mitbestimmungsrechten.<br />

Aber wie werden die wahrgenommen Es findet ein<br />

<strong>Eltern</strong>abend statt, auf dem die <strong>Eltern</strong>vertreter gewählt werden<br />

sollen, in aller Regel diejenigen, die nicht dauernd schamhaft<br />

auf den Boden starren. Wen es dabei<br />

„erwischt“, so möchte ich einmal formulieren,<br />

der wird dann Vorsitzender<br />

des <strong>Eltern</strong>beirats und bleibt es, wenn<br />

er mehrere Kinder hat, oft über<br />

Jahre. Von da an ist der <strong>Eltern</strong>vertreter<br />

für die Klassenkonferenz zuständig<br />

und sollte mitgestalten können,<br />

aber meist sind <strong>Eltern</strong>vertreter und<br />

Lehrer bzw. Lehrerin mit dieser Kommunikationssituation<br />

schon überfordert.<br />

Daher versuchen wir von der<br />

<strong>Eltern</strong>stiftung her, <strong>Eltern</strong>vertreter,<br />

die sich für die Vertretung entscheiden,<br />

überhaupt erst einmal zu darin<br />

schulen, eine solche Versammlung<br />

von Erwachsenen leiten zu können.<br />

Das erfordert nämlich Kommunikationskompetenz<br />

und Moderationstechniken.<br />

Es kommt gar nicht so selten<br />

vor, dass eins, zwei <strong>Eltern</strong> eine<br />

schweigende Mehrheit totreden und<br />

die Leute mit den wirklich wichtigen<br />

Fragen gar nicht zum Zuge kommen. Das Ganze muss gelernt<br />

sein, dann könnte es durchaus auch zu spannenden Abenden<br />

über Erziehungsfragen kommen. Hieran, also an der <strong>Eltern</strong>bildung,<br />

um die Interessen der <strong>Eltern</strong> wirklich wahrzunehmen,<br />

muss noch gearbeitet werden.<br />

Foto: VdS Bildungsmedien<br />

einräumen kann. Darüber muss in der <strong>Schule</strong> gesprochen werden.<br />

Soziale Kompetenz ist auch so ein Thema, in das die <strong>Eltern</strong><br />

mit einbezogen werden müssen. Ich kenne einige <strong>Schule</strong>n, die<br />

jetzt auch im Zusammenhang mit der Bildungsreform einen so<br />

genannten Verhaltenskodex für ihre <strong>Schule</strong> entwerfen, der konkretisiert<br />

wird auf die unterschiedlichen Altersgruppen. Man<br />

Für mehr <strong>Eltern</strong>bildung, damit die <strong>Eltern</strong> ihre Interessen wirklich wahrnehmen können, plädierte<br />

Elke Picker.<br />

legt Regeln fest, die für die Fünftklässler gelten sollen, andere<br />

für die 16- bis 18-Jährigen. Man sollte in der <strong>Schule</strong> – das ist<br />

meine feste Meinung, denn Kinder sind sehr regelbewusst –<br />

klare Regeln aufstellen und auch dafür Sorge tragen, dass die<br />

Regeln konsequent eingehalten werden. Wir haben mit dem<br />

„Wir haben mit dem Städtetag gemeinsam eine Position entwickelt, in der die <strong>Eltern</strong> sich zu<br />

Partnern der <strong>Schule</strong> erklären. Das ist dann noch ein Stück Entwicklung hin zu mehr Schulautonomie.<br />

Wo <strong>Eltern</strong> und Lehrer gemeinsam Verantwortung für die <strong>Schule</strong> tragen wollen, ist das<br />

immer gut für die Kinder.“<br />

Ich glaube auch, dass viele <strong>Eltern</strong> in puncto Pädagogik Nachhilfe<br />

nötig haben. Erziehen ist nichts, was nach allgemein gültigen<br />

Kriterien geschieht. Es gibt längst keine klaren Erziehungsmaximen<br />

mehr, die von allen akzeptiert würden. Und die Heterogenität<br />

der Anschauungen ist nicht schlecht, muss man doch<br />

anerkennen, dass unterschiedliche Maßnahmen gerechtfertigt<br />

sein können. Es gibt Dinge, die man bei einem Kind durchgehen<br />

lassen kann, bei einem zweiten muss man im selben Fall<br />

intervenieren. Es gibt eine große Unsicherheit, welche Grenzen<br />

man generell ziehen muss und welche Freiräume man Kindern<br />

Städtetag gemeinsam eine Position entwickelt, in der die<br />

<strong>Eltern</strong> sich zu Partnern der <strong>Schule</strong> erklären. Das ist dann noch<br />

ein Stück Entwicklung hin zu mehr Schulautonomie. Wo <strong>Eltern</strong><br />

und Lehrer gemeinsam Verantwortung für die <strong>Schule</strong> tragen<br />

wollen, ist das immer gut für die Kinder.<br />

Zum Kooperationsmodell „Förderverein“ ist meine Meinung<br />

zweigespalten. Die Rolle, die die <strong>Eltern</strong> dabei spielen, ist gelegentlich<br />

nicht klar. Ein Beispiel: Da fällt durch eine Krankheit<br />

ein bestimmter Unterricht dauernd aus oder wird schlecht ver-<br />

145


treten. Soll hier der Förderverein durch Eigeninitiative oder<br />

finanzielle Maßnahmen unterstützen, oder hat nicht wirklich<br />

der Staat dafür zu sorgen, dass die Unterrichtsversorgung funktioniert<br />

Dieselbe Zwickmühle ergibt sich bei Fragen der Schulräume,<br />

Sanierungen usw. Dem Staat fehlt das Geld, und viele<br />

<strong>Eltern</strong> erklären sich dann bereit zu helfen, manchmal kriegen<br />

sie wenigstens die Farbe bezahlt. Also <strong>Eltern</strong> springen finanziell<br />

und/oder mit ihrer Arbeitskraft ein für Dinge, die doch eigentlich<br />

der Staat erledigen müsste. So geht es auch im Bereich<br />

Erziehung. Ich höre immer mehr Forderungen, Spezialpersonal<br />

wie Psychologen sollte eingesetzt werden. Wer soll das bezahlen<br />

Viele <strong>Eltern</strong> meinen, das sei nicht ihre Sache, nicht wenige<br />

sind einfach unsicher. Umgekehrt bei den <strong>Schule</strong>n. Sie nehmen<br />

<strong>Eltern</strong>hilfen in jeder Form gerne an, aber nur bis zu einem<br />

gewissen Punkt. Beispiel: Da betreut eine Mutter regelmäßig<br />

eine Lesegruppe in der Grundschule. Bei der Gelegenheit<br />

bekommt sie mit, wie eine Lehrerin im Nachbarraum sehr unbeherrscht<br />

ihre Klasse fortwährend anschreit.Sie macht die Schulleitung<br />

darauf aufmerksam, und schon heißt es im Kollegium:<br />

So etwas wollen wir nun eigentlich nicht. Da gibt es also, wie<br />

Sie sehen, viele Empfindlichkeiten. Ich könnte mir vorstellen,<br />

dass Fördervereine viel mehr entwickeln würden, wenn die<br />

<strong>Schule</strong>n auch ein Budget bekämen, mit dem sie vernünftig<br />

wirtschaften könnten und zusammen mit den <strong>Eltern</strong> entscheiden<br />

würden: Was kaufen wir ein Was brauchen wir Was können<br />

wir an <strong>Eltern</strong>arbeit als geldwerte Leistungen umsetzen Wir<br />

brauchen mehr Schulautonomie, damit ein vernünftiges Miteinander<br />

entstehen kann.<br />

Ich halte auch gar nichts davon, Ganztagsschule jetzt mit<br />

<strong>Eltern</strong>hilfe zu <strong>machen</strong>. Es ist keine pädagogisch befriedigende<br />

Lösung, die <strong>Eltern</strong> da fordernd in Mittagessen-Lösungen mit<br />

einbeziehen zu wollen. Wenn <strong>Eltern</strong> freiwillig etwas <strong>machen</strong>,<br />

als Experten etwa, finde ich das hingegen sehr gut. Es gibt<br />

<strong>Schule</strong>n, die beispielsweise das Schulfest so gestalten, dass<br />

<strong>Eltern</strong> ihre Berufe vorstellen. Und das kann manchmal ganz<br />

ungeheuer belebende Elemente für eine Zusammenarbeit zwischen<br />

<strong>Eltern</strong> und <strong>Schule</strong> hervorbringen, die von beiden Seiten<br />

als Gewinn betrachtet wird.<br />

Die <strong>Eltern</strong> sind in begrenztem Maß zu finanziellem Engagement<br />

bereit. Die meisten wissen leider gar nicht, wie viel Geld der<br />

<strong>Schule</strong> überhaupt zur Verfügung steht. Über den Einsatz der<br />

zugewiesenen Mittel entscheidet die Schulkonferenz. Ich<br />

nehme an, hier sind einige, die an solchen Treffen teilgenommen<br />

haben. Unser Schulleiter hat Jahr<br />

für Jahr verkündet, da sei nichts zu entscheiden,<br />

weil das vorhandene Geld von<br />

den fixen Kosten aufgefressen werde, da<br />

sei kein Bewegungsspielraum. Irgendwann<br />

muss man halt einmal „Schluss“<br />

sagen und kompetente Rechner und fantasievolle<br />

<strong>Eltern</strong>vertreter an den Tisch<br />

holen. Bei uns gab es z. B. <strong>Eltern</strong>vertreter,<br />

die Betriebswirte waren, und die<br />

konnten Vorschläge <strong>machen</strong>, wo man<br />

sich in begrenztem Feld Freiräume verschaffen<br />

kann. Manches können auch die<br />

Fördervereine auffangen. Will sagen: Es<br />

ist gut, wenn die <strong>Schule</strong> weiß, was sie<br />

hat, wofür sie es einsetzen will, was sich<br />

noch ein Jahr aufschieben lässt, welche<br />

Mittel übertragen werden können usw.<br />

Mit ein bisschen Beihilfe vonseiten der<br />

<strong>Eltern</strong> kann man vielleicht den einen<br />

oder anderen Lehrbeauftragten, den die<br />

<strong>Schule</strong> braucht, noch dazu anheuern.<br />

Illustration: Löffler<br />

Mehr Transparenz in den Fragen, die die<br />

Schulkonferenz zu entscheiden hat, würde ich überhaupt gern<br />

verlangen. Da steht beispielsweise in den neuen Bildungsplänen<br />

drin, dass über das Schulkurrikulum, also das, was die <strong>Schule</strong><br />

macht, um die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu<br />

entwickeln, nach Anhörung der <strong>Eltern</strong> in der Schulkonferenz zu<br />

entscheiden ist. Das bedeutet, <strong>Eltern</strong> müssen informiert werden<br />

darüber, was in der <strong>Schule</strong> stattfindet, auch darüber, welche<br />

Bewertungsmaßstäbe die <strong>Schule</strong> hat. Alles das sind ganz<br />

neue Methoden. Da schuldet die <strong>Schule</strong>, denke ich, die Offenlegung<br />

dessen, worum es geht. Gerechtigkeitsmaßstäbe müssen<br />

mit <strong>Eltern</strong> und auch mit den Schülerinnen und Schülern diskutiert<br />

werden.<br />

Auch wenn <strong>Schule</strong>n jetzt alle zwei Jahre die Standards prüfen,<br />

muss das Ergebnis des Befundes meines Erachtens mit den<br />

<strong>Eltern</strong> besprochen werden. Es gibt ein legitimes Interesse der<br />

<strong>Eltern</strong> zu erfahren, wo die <strong>Schule</strong> steht und ob auch die Lehrkräfte<br />

ihre Hausaufgaben <strong>machen</strong>. Seit PISA sind viele <strong>Eltern</strong> zu<br />

Recht verunsichert, wie ihre Kinder in einer Konkurrenzsituati-<br />

146


Brugger/Wurster/Picker/Thiersch: <strong>Eltern</strong> <strong>machen</strong> <strong>Schule</strong><br />

on mit den europäischen Nachbarländern dastehen. Insgesamt,<br />

denke ich, sollten <strong>Eltern</strong> ehrlicher rückmelden, was ihre Kinder<br />

verstanden haben und was nicht, und die <strong>Schule</strong>n sollten stärker<br />

klar <strong>machen</strong>, was sie erwarten. Die Lehrerinnen und Lehrer<br />

sollten meines Erachtens die Schülerinnen und Schüler auch<br />

stärker animieren, mit ihren <strong>Eltern</strong> über das zu sprechen, was<br />

sie in der <strong>Schule</strong> gemacht haben. Nach dem Befund von PISA<br />

sprechen 60 Prozent der 15-Jährigen nie mit ihren <strong>Eltern</strong> über<br />

die <strong>Schule</strong>. Das finde ich bedrückend.<br />

STATEMENT<br />

Alexander Thiersch<br />

Auf den genannten <strong>Eltern</strong>abenden wird auch besprochen, an<br />

welcher Entwicklungsstufe die Klasse gerade steht – mit <strong>Eltern</strong><br />

wird im direkten Kontakt über das einzelne Kind gesprochen –,<br />

und anhand der Schilderungen, an welcher Stelle die Kinder<br />

gerade stehen, wird dann erklärt, was schulisch damit korreliert.<br />

Ein Beispiel, um das zu verdeutlichen: In der Pubertät,<br />

wenn sich der Körper umstellt, wenn Innen und Außen einfach<br />

nicht zueinander passen und der/die nunmehr Jugendliche sich<br />

arrangieren muss mit der neuen Situation, dass er/sie sich entwickelt<br />

und irgendwie zu Neuem aufbricht, in dieser Situation<br />

werden zum Beispiel Entdecker im Unterricht behandelt.<br />

Also man versucht sehr genau das, was innerlich in den Schülerinnen<br />

und Schülern vorgeht, auch außen wiederzugeben, und<br />

in diesen Prozess werden <strong>Eltern</strong> aktiv dadurch eingebunden,<br />

dass sie davon unterrichtet werden. Indem man das den <strong>Eltern</strong><br />

mitteilt, werden sie direkt einbezogen in das, was in der<br />

<strong>Schule</strong> passiert.<br />

Wir haben zwar einen Vertrag mit den <strong>Eltern</strong>, der die <strong>Eltern</strong> zur<br />

Mitarbeit verpflichtet, aber über einen Vertrag geht so etwas<br />

natürlich nur theoretisch. Wie kann man Interesse, Aktivität<br />

einfordern Das ist generell relativ. Worum geht es denn eigentlich<br />

Wir haben jetzt ein paar Male gehört, dass die Instanz<br />

<strong>Eltern</strong> in der <strong>Schule</strong> von Zuständigkeiten und Mitbestimmungsrechten<br />

geprägt ist. Aber die <strong>Eltern</strong> selbst scheint es<br />

dabei gar nicht zu geben. Es geht immer nur um das, was die<br />

<strong>Eltern</strong> den <strong>Schule</strong>n übergeben, um das, was die <strong>Schule</strong>n morgens<br />

übernehmen und am Nachmittag an die <strong>Eltern</strong>häuser<br />

zurückgeben. Ein Besuch, wie ihn unsere Lehrerinnen und Lehrer<br />

in den <strong>Eltern</strong>häusern <strong>machen</strong>, ist im öffentlichen Schulwesen<br />

nicht vorgesehen. Aber das ist wichtig, denn dabei nimmt<br />

der Lehrer selbst auf, in welcher Umgebung ein Schüler und<br />

eine Schülerin heranwächst, worauf er sich später einstellen<br />

muss. Natürlich wird dann über das eine oder andere gesprochen,<br />

und wenn das Kind dann stolz, dass der Lehrer zu Besuch<br />

war, irgendwann ins Bett geschickt wird, wird auch Tacheles,<br />

Klartext über pädagogische Schwierigkeiten geredet. Alles<br />

Bemühen ist immer orientiert an dem Kind: ihm das zu geben,<br />

was es braucht, damit es seinen Weg findet. Das ist das offene<br />

Geheimnis der Waldorfpädagogik.<br />

„… man versucht sehr genau das, was innerlich in den Schülerinnen und Schülern vorgeht,<br />

auch außen wiederzugeben, und in diesen Prozess werden <strong>Eltern</strong> aktiv dadurch eingebunden,<br />

dass sie davon unterrichtet werden. Indem man das den <strong>Eltern</strong> mitteilt, werden sie direkt einbezogen<br />

in das, was in der <strong>Schule</strong> passiert.“<br />

Es gibt an den Waldorfschulen in aller Regel drei, vier, oder fünf<br />

<strong>Eltern</strong>abende über das Jahr verteilt, in denen verschiedene<br />

Dinge besprochen werden. Erstens gibt es da technische Dinge,<br />

etwa wenn irgendwelche Ausflüge zu planen sind, Schullandheimaufenthalte<br />

oder wenn am Schuljahresende oder zu Anfang<br />

des neuen Jahres neue Lehrer vorgestellt werden. Auf diesen<br />

<strong>Eltern</strong>abenden gibt es aber auch Gespräche über die Situation<br />

innerhalb der Schülerschaft, innerhalb der Klassen. Im Unterschied<br />

zu den staatlichen <strong>Schule</strong>n haben die Waldorfschulen,<br />

was das Alter der Schüler anbelangt, eine sehr homogene Gruppe,<br />

insofern als es das „Sitzenbleiben“ nicht gibt. Der Verzicht<br />

auf Wiederholungen einer Klasse soll nicht den Druck vor den<br />

Noten nehmen, sondern einfach ermöglichen, dass gleichaltrige<br />

Schüler zusammenbleiben. Wir gehen davon aus, dass sich<br />

die Kinder im Großen und Ganzen, was das Alter anbelangt,<br />

ziemlich gleichmäßig entwickeln.<br />

Frau Picker hat erwähnt, die <strong>Schule</strong> sei nicht dazu da, <strong>Eltern</strong> zu<br />

belehren, dass ihr Kind dreimal am Tag die Zähne putzen<br />

müsse, und die <strong>Eltern</strong> seien im Grunde nicht dafür da, dass die<br />

Hausaufgaben gemacht werden. Dem stimme ich nur bedingt<br />

zu. Es gibt da nämlich durchaus Wahrnehmungsprobleme.<br />

<strong>Eltern</strong> wissen nicht immer alles. Wenn ein Kind morgens ohne<br />

Frühstück in die <strong>Schule</strong> geht und in der ersten halben Stunde<br />

Unterricht jeden Morgen sein Butterbrot isst, dann ist das ein<br />

Thema, das mit den <strong>Eltern</strong> zu klären ist, weil es so dem Unterricht<br />

schadet. Manche <strong>Eltern</strong> kriegen das wirklich nicht mit und<br />

denken, das Kind isst in der großen Pause. Hier gibt es technische<br />

Dinge, die bilateral zu klären sind. Solche <strong>Eltern</strong>abende<br />

und <strong>Eltern</strong>gespräche gehören übrigens zur Arbeitszeit sowie<br />

zum <strong>eigenen</strong> Selbstverständnis von der Arbeit unserer Lehrerinnen<br />

und Lehrer, obwohl unsere Gehälter, das muss man ehrlich<br />

sagen, im Durchschnitt unter den staatlichen liegen.<br />

147


Wenn wir einen Arbeitsvertrag mit den <strong>Eltern</strong> schließen, ist das<br />

wie bei einem Ehevertrag. Der wird in der Regel auch erst dann<br />

wieder angeschaut, wenn es sein muss, also wenn man überlegt,<br />

sich scheiden zu lassen. So ein Schulvertrag ist im Grunde<br />

ein Technikum, das etwa regelt, dass die den wirtschaftlichen<br />

Möglichkeiten der <strong>Eltern</strong> angepassten <strong>Eltern</strong>beiträge bezahlt<br />

werden. Über diesen Vertrag können wir, wie gesagt, elterliches<br />

Engagement nicht einfordern, das geht nicht. Das Interesse<br />

erhalten wir eher, indem wir die <strong>Eltern</strong> informieren und davon<br />

berichten – und ich rede jetzt auch als Vater –, wie wir die Kinder<br />

erleben, und dann gemeinsam überlegen, was wir an den<br />

Schülerinnen und Schülern fördern können.<br />

Geldbeiträge nehmen wir nicht deswegen, weil wir so etwas<br />

besonders Wertvolles sein wollen, sondern weil wir sie nehmen<br />

müssen, um unsere <strong>Schule</strong> zu <strong>machen</strong>.Wir unterliegen als Privatschulen<br />

dem Sonderungsgebot. Und wir strecken uns zusammen<br />

mit den <strong>Eltern</strong> nach der wirtschaftlichen Decke. Wir haben<br />

bestimmte Richtsätze für eine Einkommenssituation von x bis y,<br />

ansonsten berücksichtigen wir die Haushaltslage unserer<br />

<strong>Eltern</strong>. Es gibt ein Reihe von <strong>Eltern</strong>, die zahlen wenig bis gar<br />

nichts, und andere, die gehen über diese Richtsätze hinaus,<br />

weil sie damit auch weniger Bemittelten ermöglichen wollen,<br />

diese Art <strong>Schule</strong> zu besuchen. Bei der Verwaltung gibt es ein<br />

Budget, das auch Unterrichtsmaterialien und Ähnliches enthält.<br />

Unsere <strong>Schule</strong> ist ansonsten in der Vereinsform organisiert,<br />

und selbstverständlich sitzen <strong>Eltern</strong> mit im Vorstand, in<br />

den Finanzausschüssen und den Gehaltskommissionen. <strong>Eltern</strong><br />

gestalten bei uns die <strong>Schule</strong> auch über den <strong>Eltern</strong>-/Lehrerrat<br />

mit, in dem man sich bemüht, die Dinge, die die <strong>Schule</strong> insgesamt<br />

tangieren, auch pädagogische Fragen, zu klären und zu<br />

begleiten bzw. Anregungen zu geben.<br />

Anregungen zu geben halten wir für sehr wichtig. Der Wunsch,<br />

den Frau Picker äußerte, die Schülerinnen und Schüler sollten<br />

mehr mit den <strong>Eltern</strong> sprechen, ist zwar gut gemeint, aber<br />

nichtsdestotrotz ein frommer Wunsch. Zwischen 14 und 16 Jahren<br />

stecken die Kinder in der Pubertät, da haben die einfach<br />

keine Lust, mit den <strong>Eltern</strong> zu sprechen. Hier muss die <strong>Schule</strong><br />

einspringen und sagen: „Lassen Sie uns über Ihr Kind reden.“<br />

Wenn Sie meiner sechzehnjährigen Tochter sagen: „Sprich darüber<br />

mit deinen <strong>Eltern</strong>“, wird sie Sie freundlich anlächeln und<br />

sich den Rest denken. Das ist einfach nicht realistisch. Genau<br />

da muss die <strong>Schule</strong> dann den Schritt auf die <strong>Eltern</strong> zu<strong>machen</strong><br />

und sagen, was gerade in und mit den Kindern vorgeht, wie die<br />

<strong>Schule</strong> darauf reagiert, wie sie die Lebensphase begleitet und<br />

Interessen weckt. Es wurde erwähnt, es gäbe in Deutschland<br />

keine Entwicklung. Wenn wir weiterhin nur negativ argumentieren,<br />

müssen wir auch nicht über <strong>Eltern</strong>beteiligung und<br />

<strong>Eltern</strong>mitarbeit reden, denn da gab es auch wenig Entwicklung.<br />

Wenn wir aber etwas verändern wollen, müssen wir das Thema<br />

endlich in Angriff nehmen und anfangen, uns zu bewegen.<br />

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Brugger/Wurster/Picker/Thiersch: <strong>Eltern</strong> <strong>machen</strong> <strong>Schule</strong><br />

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