Eltern machen Schule - eigenen Schulbuch
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Brugger/Wurster/Picker/Thiersch: <strong>Eltern</strong> <strong>machen</strong> <strong>Schule</strong><br />
on mit den europäischen Nachbarländern dastehen. Insgesamt,<br />
denke ich, sollten <strong>Eltern</strong> ehrlicher rückmelden, was ihre Kinder<br />
verstanden haben und was nicht, und die <strong>Schule</strong>n sollten stärker<br />
klar <strong>machen</strong>, was sie erwarten. Die Lehrerinnen und Lehrer<br />
sollten meines Erachtens die Schülerinnen und Schüler auch<br />
stärker animieren, mit ihren <strong>Eltern</strong> über das zu sprechen, was<br />
sie in der <strong>Schule</strong> gemacht haben. Nach dem Befund von PISA<br />
sprechen 60 Prozent der 15-Jährigen nie mit ihren <strong>Eltern</strong> über<br />
die <strong>Schule</strong>. Das finde ich bedrückend.<br />
STATEMENT<br />
Alexander Thiersch<br />
Auf den genannten <strong>Eltern</strong>abenden wird auch besprochen, an<br />
welcher Entwicklungsstufe die Klasse gerade steht – mit <strong>Eltern</strong><br />
wird im direkten Kontakt über das einzelne Kind gesprochen –,<br />
und anhand der Schilderungen, an welcher Stelle die Kinder<br />
gerade stehen, wird dann erklärt, was schulisch damit korreliert.<br />
Ein Beispiel, um das zu verdeutlichen: In der Pubertät,<br />
wenn sich der Körper umstellt, wenn Innen und Außen einfach<br />
nicht zueinander passen und der/die nunmehr Jugendliche sich<br />
arrangieren muss mit der neuen Situation, dass er/sie sich entwickelt<br />
und irgendwie zu Neuem aufbricht, in dieser Situation<br />
werden zum Beispiel Entdecker im Unterricht behandelt.<br />
Also man versucht sehr genau das, was innerlich in den Schülerinnen<br />
und Schülern vorgeht, auch außen wiederzugeben, und<br />
in diesen Prozess werden <strong>Eltern</strong> aktiv dadurch eingebunden,<br />
dass sie davon unterrichtet werden. Indem man das den <strong>Eltern</strong><br />
mitteilt, werden sie direkt einbezogen in das, was in der<br />
<strong>Schule</strong> passiert.<br />
Wir haben zwar einen Vertrag mit den <strong>Eltern</strong>, der die <strong>Eltern</strong> zur<br />
Mitarbeit verpflichtet, aber über einen Vertrag geht so etwas<br />
natürlich nur theoretisch. Wie kann man Interesse, Aktivität<br />
einfordern Das ist generell relativ. Worum geht es denn eigentlich<br />
Wir haben jetzt ein paar Male gehört, dass die Instanz<br />
<strong>Eltern</strong> in der <strong>Schule</strong> von Zuständigkeiten und Mitbestimmungsrechten<br />
geprägt ist. Aber die <strong>Eltern</strong> selbst scheint es<br />
dabei gar nicht zu geben. Es geht immer nur um das, was die<br />
<strong>Eltern</strong> den <strong>Schule</strong>n übergeben, um das, was die <strong>Schule</strong>n morgens<br />
übernehmen und am Nachmittag an die <strong>Eltern</strong>häuser<br />
zurückgeben. Ein Besuch, wie ihn unsere Lehrerinnen und Lehrer<br />
in den <strong>Eltern</strong>häusern <strong>machen</strong>, ist im öffentlichen Schulwesen<br />
nicht vorgesehen. Aber das ist wichtig, denn dabei nimmt<br />
der Lehrer selbst auf, in welcher Umgebung ein Schüler und<br />
eine Schülerin heranwächst, worauf er sich später einstellen<br />
muss. Natürlich wird dann über das eine oder andere gesprochen,<br />
und wenn das Kind dann stolz, dass der Lehrer zu Besuch<br />
war, irgendwann ins Bett geschickt wird, wird auch Tacheles,<br />
Klartext über pädagogische Schwierigkeiten geredet. Alles<br />
Bemühen ist immer orientiert an dem Kind: ihm das zu geben,<br />
was es braucht, damit es seinen Weg findet. Das ist das offene<br />
Geheimnis der Waldorfpädagogik.<br />
„… man versucht sehr genau das, was innerlich in den Schülerinnen und Schülern vorgeht,<br />
auch außen wiederzugeben, und in diesen Prozess werden <strong>Eltern</strong> aktiv dadurch eingebunden,<br />
dass sie davon unterrichtet werden. Indem man das den <strong>Eltern</strong> mitteilt, werden sie direkt einbezogen<br />
in das, was in der <strong>Schule</strong> passiert.“<br />
Es gibt an den Waldorfschulen in aller Regel drei, vier, oder fünf<br />
<strong>Eltern</strong>abende über das Jahr verteilt, in denen verschiedene<br />
Dinge besprochen werden. Erstens gibt es da technische Dinge,<br />
etwa wenn irgendwelche Ausflüge zu planen sind, Schullandheimaufenthalte<br />
oder wenn am Schuljahresende oder zu Anfang<br />
des neuen Jahres neue Lehrer vorgestellt werden. Auf diesen<br />
<strong>Eltern</strong>abenden gibt es aber auch Gespräche über die Situation<br />
innerhalb der Schülerschaft, innerhalb der Klassen. Im Unterschied<br />
zu den staatlichen <strong>Schule</strong>n haben die Waldorfschulen,<br />
was das Alter der Schüler anbelangt, eine sehr homogene Gruppe,<br />
insofern als es das „Sitzenbleiben“ nicht gibt. Der Verzicht<br />
auf Wiederholungen einer Klasse soll nicht den Druck vor den<br />
Noten nehmen, sondern einfach ermöglichen, dass gleichaltrige<br />
Schüler zusammenbleiben. Wir gehen davon aus, dass sich<br />
die Kinder im Großen und Ganzen, was das Alter anbelangt,<br />
ziemlich gleichmäßig entwickeln.<br />
Frau Picker hat erwähnt, die <strong>Schule</strong> sei nicht dazu da, <strong>Eltern</strong> zu<br />
belehren, dass ihr Kind dreimal am Tag die Zähne putzen<br />
müsse, und die <strong>Eltern</strong> seien im Grunde nicht dafür da, dass die<br />
Hausaufgaben gemacht werden. Dem stimme ich nur bedingt<br />
zu. Es gibt da nämlich durchaus Wahrnehmungsprobleme.<br />
<strong>Eltern</strong> wissen nicht immer alles. Wenn ein Kind morgens ohne<br />
Frühstück in die <strong>Schule</strong> geht und in der ersten halben Stunde<br />
Unterricht jeden Morgen sein Butterbrot isst, dann ist das ein<br />
Thema, das mit den <strong>Eltern</strong> zu klären ist, weil es so dem Unterricht<br />
schadet. Manche <strong>Eltern</strong> kriegen das wirklich nicht mit und<br />
denken, das Kind isst in der großen Pause. Hier gibt es technische<br />
Dinge, die bilateral zu klären sind. Solche <strong>Eltern</strong>abende<br />
und <strong>Eltern</strong>gespräche gehören übrigens zur Arbeitszeit sowie<br />
zum <strong>eigenen</strong> Selbstverständnis von der Arbeit unserer Lehrerinnen<br />
und Lehrer, obwohl unsere Gehälter, das muss man ehrlich<br />
sagen, im Durchschnitt unter den staatlichen liegen.<br />
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