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KUNST DER DEMOKRATIE - Die Redner

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fünf 04. 05 Shows und Protagonisten<br />

Jahres gesetzt. <strong>Die</strong> fragile Nachkriegsweltordnung<br />

entlarvte einmal mehr ihre gefährliche<br />

Instabilität. Und Berlin hatte eine Schlüsselrolle<br />

darin. Am 25. Juli 1961 wandte sich Kennedy in<br />

einer gut halbstündigen Rundfunk- und Fernsehansprache<br />

an die Amerikaner und die Welt,<br />

nachdem er sich trotz Kritik an seinem Schweigen<br />

drei Wochen öffentlich nicht zur Zuspitzung<br />

der Berlin-Krise geäußert, aber intensive<br />

Hintergrundgespräche geführt hatte. Selbst<br />

Jahrzehnte später beeindruckt es, mit welcher<br />

Vermittlungstiefe und Anschaulichkeit der amerikanische<br />

Präsident seinen Landsleuten die<br />

Berlin-Krise in ihren Entwicklungslinien der<br />

Nachkriegsjahre durchaus unter Berücksichtigung<br />

der Sicherheitsinteressen Moskaus verdeutlicht,<br />

aber unmissverständlich die grundsätzliche<br />

Bedeutung dieser Stadt für die freie<br />

Welt aufzeigt.<br />

»Wir beabsichtigen nicht, uns unserer Pflicht gegen die<br />

Menschheit zu entziehen, eine friedliche Lösung zu<br />

suchen«, erklärte der Präsident, ließ aber keinen<br />

Zweifel an seiner wertgebundenen Handlungsstrategie:<br />

»As signers of the UN Charter we shall always be<br />

prepared to discuss international problems with any<br />

and all nations that are willing to talk — and listen<br />

— with reason […] but the freedom of that city is not<br />

negotiable.«<br />

Es sind die berühmten three essentials: Anwesenheit<br />

der Westmächte, freier Zugang nach Berlin,<br />

Aufrechterhaltung der Lebensfähigkeit West-<br />

Berlins, die als nicht verhandelbar galten.<br />

Tausende von Menschen suchten seit langem<br />

Monat für Monat Zuflucht aus der DDR in<br />

West-Berlin. »Weil sie fürchten, in einem gigantischen<br />

Gefängnis eingeschlossen zu werden«, erklärte<br />

Willy Brandt voller Verärgerung über die Untätigkeit<br />

der Bundesregierung am Abend des 12.<br />

August 1961 in Nürnberg und fügte hinzu:<br />

»<strong>Die</strong> Deutschen haben den Anspruch darauf, dass zu<br />

ihnen ebenso offen gesprochen wird, wie es Präsident<br />

Kennedy seinem Volk und der ganzen Welt gegenüber<br />

getan hat.«<br />

Es war jene, nicht einmal vier Wochen zurückliegende<br />

Rundfunk- und Fernsehansprache aus<br />

dem Weißen Haus, auf die sich Brandt bezog und<br />

die als etwas Außerordentliches in der zeitgenössischen<br />

Welt des Politischen gewertet werden<br />

muss.<br />

In den frühen Morgenstunden des 13. August<br />

1961 begannen die ersten Maßnahmen zur<br />

Errichtung eines Stacheldrahtzaunes mitten<br />

durch Berlin. <strong>Die</strong> Teilung nahm auch äußere<br />

Gestalt an. Was in der unmittelbaren Situation<br />

von vielen — darunter Politiker, Journalisten,<br />

Intellektuelle — als Schwäche, Unentschlossenheit<br />

und Untätigkeit gerade seitens der Vereinigten<br />

Staaten von Amerika interpretiert wurde,<br />

war tatsächlich das besonnene Widerstehen<br />

ihres Präsidenten gegenüber den aus Emotion,<br />

Angst und Ohnmachtsgefühl geleiteten Handlungserwartungen<br />

vor allem in Deutschland.<br />

Wie unbeschreiblich der psychologische Druck<br />

gewesen sein muss, davon zeugen die persönlichen<br />

Worte Präsident Kennedys in seiner Juli-<br />

Ansprache an die Nation. Eine auch heute noch<br />

bewegende Beschreibung der Einsamkeit in<br />

einem Staatsamt mit der Entscheidungsgewalt<br />

über Krieg und Frieden. Es sind Worte, die in<br />

das Entstehungsmosaik der strategy of peace dieses<br />

Präsidenten gehören:<br />

»I would like to close with a personal word. When I<br />

ran for the Presidency of the United States, I knew<br />

that this country faced serious challenges, but I could<br />

not realize — nor could any man realize who does not<br />

bear the burdens in this office — how heavy and constant<br />

would be those burdens. Three times in my lifetime<br />

our country and Europe have been involved in<br />

major wars. In each case serious misjudgements were<br />

made on both sides of the intentions of others, which<br />

brought about great devastation. Now, in the thermonuclear<br />

age, any misjudgement on either side about the<br />

intentions of the other could ran more devastation in<br />

several hours than has been wrought in all the wars of<br />

human history.«<br />

Der Präsident entschied sich für Rationalität in<br />

einer irrationalen Welt — auch um den Preis der<br />

Anfeindung. Er nutzte die direkte Form der<br />

Kommunikation mit der Öffentlichkeit über<br />

Rundfunk und Fernsehen und warb mit der<br />

Waffe des Argumentes für einen neuen Kurs<br />

einer Entspannungspolitik mit der Sowjetunion<br />

und ihrem Einflussbereich. Besonnenheit und<br />

Rationalität, die JFK schon in seiner Ansprache<br />

im Juli zur Berlin-Krise vermittelt hatte, blieben<br />

der Handlungsmaßstab des amerikanischen Präsidenten,<br />

der dennoch sehr wohl um die Bedeutung<br />

symbolischer Akte als Teil der Realpolitik<br />

wusste. Er schickte seinen Vizepräsidenten und<br />

General Lucius D. Clay, den Militärgouverneur<br />

des amerikanischen Sektors in den Jahren 1947<br />

bis 1949 und Helden der Luftbrücke, nach Berlin,<br />

wo sie nach einer Zwischenlandung in Bonn am

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