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Sicherheit und Risiko

St.Gallen Business Review Winter 2012

St.Gallen Business Review
Winter 2012

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12 SFr. / 10 Eur.<br />

St.Gallen<br />

Business Review<br />

Winter 2012<br />

<strong>Sicherheit</strong> & <strong>Risiko</strong><br />

21st Century Risks - How to Deal<br />

with a Global Shift of Powers<br />

Karl-Theodor zu Guttenberg<br />

B<strong>und</strong>esverteidigungsminister a.D.,<br />

B<strong>und</strong>eswirtschaftsminister a.D. &<br />

Distinguished Statesmen at the CSIS, Washington, DC<br />

Living with<br />

Nuclear Weapons<br />

Prof. Dr. Christoph Frei<br />

Professor für Politische Ideengeschichte<br />

<strong>und</strong> Internationale Beziehungen,<br />

Universität St. Gallen (HSG)<br />

The Future of<br />

Business Networks<br />

Jim Hagemann Snabe<br />

Co-CEO of SAP AG


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Editorial<br />

Hat die Globalisierung<br />

dauerhafte Sichterheitsgarantien<br />

unmöglich gemacht?<br />

Liebe Leserinnen <strong>und</strong> Leser<br />

Während Europa von der Banken- in die<br />

Währungskrise getrieben wurde, haben sich zum<br />

Beispiel in Nordafrika neue politische <strong>und</strong><br />

wirtschaftliche Perspektiven eröffnet. Zeitgleich erschüttern<br />

die Konflikte im Nahen Osten das Gewissen<br />

der Menschen. Was bedeuten <strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> <strong>Risiko</strong><br />

für den Einzelnen? Welche Perspektiven haben die<br />

Menschen auf dieses Zusammenspiel?<br />

Wird es in Europa nie wieder einen zwischenstaatlichen<br />

Konflikt geben, sodass Staaten auf einen<br />

solchen nicht mehr vorbereitet sein müssen? Was<br />

bedeutet es für die internationalen Beziehungen,<br />

wenn ein besetztes Gebiet durch die UN als Staat<br />

anerkannt wird? Ist Gold weiterhin ein zeitgemässer<br />

Gegenwert für Bargeld, wenn es nur einen Bruchteil<br />

des internationalen Handelsvolumens abbildet?<br />

Wir müssen uns anstrengen, um die notwendigen<br />

Schritte in ein Zeitalter zu tätigen, in dem es gelingt,<br />

selbstgeschaffene Risiken zu kontrollieren <strong>und</strong><br />

somit wieder ein adäquates Mass an <strong>Sicherheit</strong><br />

gewährleisten zu können.<br />

Erste Ansätze lassen sich bereits in der<br />

Finanzwelt erleben, wo die Politik einiger Nationen<br />

erkannt hat, dass es notwendig ist den Spieltrieben<br />

des Wettparketts der Wall Street Einhalt zu<br />

gebieten, um die Menschen auf der Main Street nicht<br />

zu verlieren. Nach Jahren der Krise lässt der erhoffte<br />

Aufschwung jedoch nach wie vor auf sich warten, da<br />

Anleger keine Investitionen auf den Märkten tätigen.<br />

Um für diese Probleme f<strong>und</strong>ierte Lösungen <strong>und</strong><br />

Antworten zu finden, bedarf es eines Zusammenspiels<br />

aus Politik, Wirtschaft <strong>und</strong> Wissenschaft in internati<br />

onaler Besetzung. Nur durch vereinte Kräfte<br />

können die geopolitischen Risiken beherrscht,<br />

kontrolliert <strong>und</strong> gesteuert werden. Aufgr<strong>und</strong> dieses<br />

trilateralen Erfordernisses lässt die St. Gallen<br />

Business Review das Titelthema <strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> <strong>Risiko</strong><br />

von renommierten Autoren aus Wirtschaft, Politik <strong>und</strong><br />

Wissenschaft beleuchten. Dadurch erhoffen wir uns, zur<br />

Entwicklung einer vernetzten <strong>und</strong> vor allem<br />

zukunftsorientierten Perspektive beitragen zu<br />

können. Denn <strong>Risiko</strong> <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong> ziehen einen<br />

roten Pfad durch die Geschichte, der uns<br />

unausweichlich auch in Zukunft begleiten wird.<br />

Wir wünschen viel Spaß beim Lesen!<br />

Unterschriften:,<br />

,<br />

,<br />

Unterschriften:,<br />

,<br />

,<br />

Investitionen sind jedoch seit jeher der gr<strong>und</strong>legende<br />

Motor der Wirtschaft <strong>und</strong> der Hauptantrieb für<br />

globales Wachstum <strong>und</strong> Stabilität.<br />

Nikolas Noetzel<br />

Chefredakteur<br />

Julian von Fischer-<br />

Loszainen-Schweizer<br />

Chefredakteur<br />

Winter 2012 3


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Inhalt<br />

6<br />

10<br />

13<br />

16<br />

20<br />

22<br />

25<br />

28<br />

The Future of<br />

Business Networks<br />

Jim Hagemann Snabe<br />

Co-CEO SAP AG<br />

21st Century Risks - How to Deal<br />

with a Global Shift of Powers<br />

Karl-Theodor zu Guttenberg<br />

B<strong>und</strong>esverteidigungsminister a.D.,<br />

B<strong>und</strong>eswirtschaftsminister a.D. &<br />

Distinguished Statesmen at<br />

the CSIS, Washington, DC<br />

Living with Nuclear Weapons<br />

Prof. Dr. Christoph Frei<br />

Professor für Politische Ideengeschichte<br />

<strong>und</strong> Internationale Beziehungen,<br />

Universität St. Gallen (HSG)<br />

Der risikolose Zins<br />

hat ausgedient<br />

Hans Joachim Reinke<br />

Vorstandsvorsitzender Union<br />

Asset Management Holding AG<br />

Innovativ. Dynamisch. Preiswert<br />

ESPRIT St. Gallen<br />

Beratung durch Studenten<br />

Wirtschaftskriminalität<br />

im Fokus<br />

Jörg Ziercke<br />

Präsident des B<strong>und</strong>eskriminalamtes<br />

The Biggest Risk is Not<br />

Taking a Chance<br />

Ambassador Donald S. Beyer, Jr.<br />

U.S. Ambassador to<br />

Switzerland and Liechtenstein<br />

Lebenslange Finanzplanung<br />

<strong>und</strong> <strong>Risiko</strong><br />

Prof. Michael Hauer<br />

Geschäftsführer Institut für<br />

Vorsorge <strong>und</strong> Finanzplanung<br />

32<br />

36<br />

40<br />

44<br />

47<br />

50<br />

Demographischer Wandel,<br />

Kapitalmarktrisiken<br />

<strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene<br />

Herausforderungen im<br />

Bereich der Alterssicherung<br />

Prof. Dr. Martin Eling<br />

Professor für Versicherungsmanagement,<br />

Direktor des Instituts für Versicherungswirtschaft,<br />

Universität St. Gallen (HSG)<br />

Risk and Securits in a<br />

Continent of So-Called Peace<br />

Patrick Hamm<br />

Phd Fellow at the Institute of<br />

Sociology at Harvard University<br />

Higher, Longer, Costlier<br />

– <strong>Risiko</strong> in der Planung<br />

von Grossprojekten<br />

Prof Dr. Martin Müller<br />

Professor an der School of<br />

Humanities and Social Sciences,<br />

Universität St. Gallen (HSG)<br />

<strong>Risiko</strong>management <strong>und</strong><br />

<strong>Sicherheit</strong> in volatilen Zeiten<br />

Philipp Hallauer<br />

Head of National Quality & Risk<br />

Management, Ethics & Independence<br />

Partner, Head of KPMG’s<br />

Audit Committee Institute<br />

Versicherung: Status Quo <strong>und</strong><br />

aktuelle Herausforderungen<br />

Prof. Dr. Hato Schmeiser<br />

Professor für <strong>Risiko</strong>management<br />

<strong>und</strong> Versicherungswirtschaft, Geschäftsführender<br />

Direktor des Instituts<br />

für Versicherungswirtschaft<br />

Universität St. Gallen (HSG)<br />

Facing Risk<br />

Dominik Gedon<br />

Former Head of the Organising Committee,<br />

International Students Committee<br />

– 42nd St. Gallen Symposium 2012<br />

Winter 2012 5


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

The Future of<br />

Business Networks<br />

Jim Hagemann Snabe<br />

Co-CEO of SAP AG<br />

Every day, billions of consumers aro<strong>und</strong> the<br />

world use websites like Facebook, Twitter,<br />

and Amazon to manage personal connections,<br />

share, engage and shop. We form networks of<br />

friends and families, exchange advice and opinions,<br />

and browse millions of products and services. We are<br />

well-informed consumers in a collaborative online<br />

world. As John Dunne wrote: “no man is an island.”<br />

But neither is a business. Now, these same technologies<br />

are finding their way into corporations,<br />

allowing for the creation of collaborative networks<br />

among business users. Every company is part of a rich<br />

ecosystem of suppliers, vendors, partners and customers.<br />

And the most successful companies find innovative<br />

ways to engage players at all levels. Thanks to<br />

cloud-based technology, this is becoming easier than<br />

ever.<br />

«I call this the age of<br />

the Networked<br />

Enterprise»<br />

The Consumer Network of Today<br />

The idea of the business network is nothing new.<br />

Business leaders have long <strong>und</strong>erstood the power of<br />

strategic partnerships. Starbucks, for instance, is a<br />

master at collaboration, from supplier to consumer.<br />

Starbucks starts with an integrated supplier ecosystem,<br />

investing in farmers and communities to establish<br />

a stable supply of coffee beans. Then the company<br />

engages in high-profile partnerships with Barnes<br />

& Noble, PepsiCo, and United Airlines to ensure the<br />

Starbucks brand is widely distributed to a coffee-loving<br />

customer base. The brand has dominated the industry<br />

with this well-nurtured network.<br />

During the economic downturn, consumer goods<br />

makers such as Kraft and Kimberly-Clark plugged into<br />

key retailers to obtain point-of-sale data on a daily basis.<br />

With more-timely information on hand, the manufacturers<br />

could spot buying trends earlier, allowing<br />

them to capitalize on promotional opportunities and<br />

ensure that the right products in the right amounts<br />

reached consumers.<br />

PPG, a leading coatings and specialty products<br />

company, is a prime example of a large enterprise<br />

currently using Ariba Discovery, the premier service<br />

for matching buyers and sellers globally delivered<br />

via the Ariba Network. The US$15 billion company is<br />

able to quickly expand its pool of sellers beyond local<br />

bo<strong>und</strong>aries, gain unique qualifying information from<br />

network-based transactional history and member-generated<br />

performance ratings and increase competition<br />

in their sourcing events worldwide.<br />

Online companies built on the fo<strong>und</strong>ation of networking<br />

have been particularly collaborative. Amazon<br />

is one of the best examples offering more goods by<br />

contracting with other companies, making its site a<br />

one-stop-shop and efficiently connecting sellers with<br />

buyers. Amazon has extended its consumer network<br />

know-how to the Kindle. The Amazon Kindle was not<br />

the first e-reader on the market, but because Amazon<br />

<strong>und</strong>erstood the publishing industry it beat out a previously<br />

developed Sony product. While Sony failed to<br />

address the economic and legal challenges of e-books,<br />

Amazon created conditions that made joining its e-<br />

book network an attractive proposition for publishers.<br />

This allowed Amazon to accompany the Kindle<br />

product with an e-book retail service. Amazon has<br />

realized how important it is today to create services,<br />

rather than simply sell goods. The Amazon platform<br />

provides a service for consumers looking for the perfect<br />

product or e-book, as well as for independent<br />

merchandisers expanding their reach.<br />

At Facebook, a personal networking site, successful<br />

partnerships have come in the forms of apps<br />

and games. This includes Spotify, a popular music<br />

subscription service. Last September Facebook and<br />

Spotify announced a deep integration where users<br />

cannot access one service without subscribing to the<br />

6<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

other. The relationship worked. Spotify has seen explosive<br />

growth, with a 55 percent jump in usage just<br />

two weeks after the integration was announced.<br />

The Business Network of the Future<br />

But now business collaboration is even easier,<br />

and more productive, for companies of all types and<br />

sizes. Any company can become a Networked Enterprise<br />

thanks to the fast growing cloud-based business<br />

network sector. Megashifts in how technology<br />

is delivered, accessed and used have resulted in new<br />

collaborative business models that enable companies<br />

to identify and enact strategic partnerships from anywhere<br />

in the world. Now, businesses and systems are<br />

connected to digital communities of existing and potential<br />

new partners. Sellers can find new customers,<br />

and buyers can discover new sources of supply and<br />

track orders across the supply chain. All companies<br />

can have greater transparency. This is game-changing.<br />

It takes the guesswork out of finding the best possible<br />

partners, provides transparency in pricing and service<br />

offerings and enables collaboration among companies<br />

in an ultra-efficient manner.<br />

SAP is determined to help create the business network<br />

of the future. We recently acquired Ariba, which<br />

is the second largest cloud vendor and runs the largest<br />

global trading network. Ariba alone drives more than<br />

$340 billion in commerce transactions among more<br />

than 730,000 companies. This large buyer and seller<br />

network is a hotspot of global collaboration.<br />

«As the saying goes,<br />

there’s strength in<br />

numbers. Business<br />

networks are significantly<br />

more powerful,<br />

innovative and agile<br />

than any single<br />

entity.»<br />

of all sizes have the possibility to connect to their<br />

customers, suppliers and partners to facilitate collaborative<br />

commerce processes like sales, procurement<br />

and finance. They are empowered to gain efficiency by<br />

automating and enabling shared processes like sourcing,<br />

invoicing, and payment. They can become more<br />

informed and drive better performance and decisions<br />

through community intelligence, market insights,<br />

benchmarking, and best practices. And perhaps most<br />

important, they can drive innovation and real, sustainable<br />

growth. Consider MarkMaster, a Florida-based<br />

company that provides name badges, nameplates,<br />

rubber stamps, banners and decals to Fortune 500<br />

companies. The company used to spend significant<br />

Just as Facebook is the destination for people<br />

looking to more efficiently manage their personal<br />

networks and activities, Ariba is the destination for<br />

companies looking to better manage their trading relationships<br />

and commerce activities. Through Ariba’s<br />

cloud applications and business network, companies<br />

sums on traditional lead generation tools in an effort<br />

to find qualified leads. But it couldn’t seem to get its<br />

foot in the door with many of the leading and largest<br />

buying organizations that it sought. So it turned to<br />

Ariba Discovery, a service offered on the Ariba Network<br />

that automatically matches buyer requirements<br />

Winter 2012 7


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

with seller capabilities. More than 80 percent of the<br />

company’s business now comes through Ariba Discovery,<br />

including contracts with 60 of the Fortune 500,<br />

nine of the top 10 banks and 8 of the top 10 insurance<br />

companies. That‘s the power of business networks.<br />

Unlocking a huge growth opportunity<br />

greater flexibility and less capital tied up in inventory<br />

– meaning the customer will get the best product at a<br />

fair price. Existing value chains and supplier networks<br />

will be turned on their heads.<br />

The Networked Enterprise will ultimately create<br />

new growth opportunities for our stagnating economy.<br />

In these volatile times we must create new business<br />

models that incorporate and can leverage more<br />

complex, global collaborative ecosystems. Innovation<br />

comes from competition, and competition comes<br />

from strong companies, both big and small. But companies<br />

can’t compete alone. When companies engage<br />

suppliers, partners, and customers in open, transparent<br />

business network – they can find and help develop<br />

really innovative solutions.<br />

«The Networked<br />

Enterprise will<br />

ultimately create<br />

new growth<br />

opportunities for<br />

our stagnating<br />

economy.»<br />

As the saying goes, there’s strength in numbers.<br />

Business networks are significantly more powerful,<br />

innovative and agile than any single entity. Real advancements<br />

happen when Networked Enterprises<br />

connect with each other to exchange information,<br />

share ideas, and buy and sell goods and services without<br />

bo<strong>und</strong>aries on open marketplaces in real time.<br />

We have barely tapped the potential of online business<br />

networks, but as MarkMaster demonstrates,<br />

cloud-based virtual market places like the Ariba network<br />

can change the game for companies of all sizes,<br />

in all industries. Small and medium sized enterprises<br />

profit because they are suddenly able to connect with<br />

potential suppliers and buyers aro<strong>und</strong> the world to lower<br />

their costs and raise their bottom lines, while at<br />

the same time tapping into the collective knowledge<br />

of partners and allies to fuel innovation and improve<br />

their competitive advantage.<br />

The consumer will also benefit. A fully networked<br />

business environment will mean better access to customer<br />

profiles and preferences, resulting in a stronger<br />

ability to deliver individualized products and services<br />

that consumers want. Broader and more detailed<br />

knowledge of data about health care or water and<br />

energy consumption will lead directly to more efficient<br />

use of scarce resources. Direct access to all of the<br />

suppliers in a product category will lead to stronger<br />

supply chain and supplier relationship management.<br />

That in turn will result in more competitive pricing,<br />

About the Author<br />

Jim Hagemann Snabe was<br />

appointed Co-CEO alongside<br />

Bill McDermott in<br />

February 2010. Jim Hagemann<br />

Snabe focuses on<br />

developing and executing<br />

SAP‘s strategy, together<br />

with Bill McDermott. The<br />

co-CEOs strengthen relationships with customers<br />

and partners, drive SAP‘s innovation portfolio across<br />

all markets, and ensure operational excellence<br />

across the company. He joined SAP in 1990 and has<br />

been a member of the SAP Executive Board since<br />

July 2008. Since 1990, he has held various management<br />

roles in consulting, sales, and development.<br />

He is a member of the board of directors of Bang<br />

& Olufsen Holding A/S. Snabe received a master‘s<br />

degree in operational research from the Aarhus<br />

School of Business in Denmark. He lives with his<br />

family in Copenhagen, Denmark.<br />

As the world‘s leading provider of business software,<br />

SAP is an over €64 billion company with<br />

more than €14 billion in revenue in 2011. SAP AG<br />

is headquartered in Walldorf, Germany, where Snabe<br />

is based.<br />

8<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

21st Century Risks<br />

How to Deal with a<br />

Global Shift of Powers<br />

Karl-Theodor zu Guttenberg<br />

B<strong>und</strong>esverteidigungsminister a.D., B<strong>und</strong>eswirtschaftsminister a.D. &<br />

Distinguished Statesmen at the CSIS, Washington, DC<br />

The wind of change is sweeping across our<br />

continents and the tectonic plates are shifting.<br />

For two decades now, we have been witnessing<br />

unprecedented change in our world’s<br />

geopolitical architecture.<br />

«We are facing a<br />

significant number of<br />

challenges and risks.<br />

Four major<br />

developments - global<br />

governance failures,<br />

the global shift of<br />

powers,global political<br />

awakening and<br />

economic disparity -<br />

influence the<br />

evolution of a variety<br />

of other global risks.»<br />

We are facing a significant number of challenges<br />

and risks. Four major developments - global governance<br />

failures, the global shift of powers, global political awakening<br />

and economic disparity - influence the evolution<br />

of a variety of other global risks and, ironically, a considerable<br />

number of those risks can further magnify the<br />

four overarching developments.<br />

Some major risk clusters are well known, implying<br />

many different geopolitical, economic and societal risks<br />

as well as environmental and technological risks. Most<br />

of them are tightly connected to each other, intertwined<br />

and often overlap into other clusters.<br />

Two banal examples: The consequences of the global<br />

climate change may result in conflicts over natural<br />

resources or settlement areas. And this will also have<br />

effects for our concept of security policy. Second, failed<br />

states also pose a threat to the entire civilized world. If<br />

left unchecked, terrorism, the proliferation of weapons<br />

of mass destruction, organized crime or even piracy<br />

would have dangerous implications for and a destabilizing<br />

effect on the international order. Our concern<br />

must be to spot risks, assess them correctly and find<br />

appropriate answers to them.<br />

Certainly, the intensive change is also creating<br />

huge chances. The new technologies, the advances in<br />

medicine, the internet or astronautics may illustrate<br />

this. Unfortunately, progress <strong>und</strong>oubtedly can – again<br />

- lead to risks. Our advanced and complex societies are<br />

more vulnerable, say, for attacks on our computer systems.<br />

The global pace has picked up. This has made the<br />

world a smaller place and enables information to flow<br />

in seconds. We experience a clear increase of actors.<br />

We experience integration and collapse. And we experience<br />

and we see that – following the example of the<br />

European Union – regional unions are coming about all<br />

over the place. Furthermore, we are witnessing a shift<br />

in power from the Atlantic to the Pacific and the Indian<br />

Ocean and if really we have entered a so-called Pacific<br />

Century, then everyone in the world has an interest in<br />

seeing that the process takes place along peaceful and<br />

stable lines.<br />

10<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

«Furthermore, we are<br />

witnessing a shift in<br />

power from the<br />

Atlantic to the Pacific<br />

and the Indian Ocean<br />

and if really we have<br />

entered a so-called<br />

Pacific Century,<br />

then everyone in the<br />

world has an interest<br />

in seeing that the<br />

process takes place<br />

along peaceful and<br />

stable lines.»<br />

So, we need new impulses for a world in which cooperation<br />

and the peaceful reconciliation of interest are<br />

reflected. It is a truism that we will ultimately benefit<br />

from living in a world in which partnership and responsibility<br />

are the determining elements.<br />

The first reflex of many is to stress the importance<br />

of the United Nations. What a nice, sometimes romantic<br />

approach. But it is crucial for the credibility of this<br />

unique organization, with its universal legitimization,<br />

that its structures are brought into line with the conditions<br />

of today’s world. This means: more efficient in<br />

its inner structures, more timely in the composition of<br />

the Security Council, more effective in its financial and<br />

peacekeeping systems. This way, the United Nations<br />

would be better prepared than they are today, to contribute<br />

their share to a more just and peaceful world.<br />

Within the United Nations, we can and should seize the<br />

chances that arise to strengthen cooperation. There are<br />

a lot of areas in which this is possible: peacekeeping is<br />

only one of them.<br />

NATO has transformed in recent years from a purely<br />

defence alliance into a security alliance that bears<br />

responsibility in different parts of the world. It is and<br />

will remain a Euro-Atlantic Alliance, but it must be able<br />

to deal effectively with global security challenges that<br />

pose a threat to the security and stability of the Euro-<br />

Atlantic area. In a globalized world, it will become increasingly<br />

necessary to defend common interests with<br />

(also new) partners and in this way contribute towards<br />

stability in the world. And, of course, NATO must not<br />

intend to compete with the United Nations. The Alliance<br />

acts in accordance – and has to act in accordance –<br />

with the international law. Expansionism or territorial<br />

claims are not the concern; peacekeeping is.<br />

Although the European Union is facing a f<strong>und</strong>amental<br />

crisis, it is urgently needed as an internationally<br />

reliable and strong actor that speaks with one voice. An<br />

appeal which seems to be closer to an illusion than to<br />

realization. However, there is no way out of the existing<br />

quagmire without a commitment to European integration<br />

and to a Europe that recognizes its potentials: as a<br />

strong global actor and even as a peace power, if it takes<br />

greater international responsibility - in a world that<br />

quite <strong>und</strong>oubtedly has several centres of power today.<br />

One of the particular features of the new world<br />

that is evolving is the large number of new - and especially<br />

regional - actors who are entering the global<br />

stage, be it the African Union or the UNASUR in Latin<br />

America, whilst in Asia, there is, of course, ASEAN<br />

in its numerous broadened formats, and the Shanghai<br />

Cooperation Organisation (SCO). And then there are<br />

informal, though equally important groups such as the<br />

«NATO must not<br />

intend to compete<br />

with the United<br />

Nations. The Alliance<br />

acts in accordance –<br />

and has to act in<br />

accordance – with the<br />

international law.<br />

Expansionism or<br />

territorial claims<br />

are not the concern;<br />

peacekeeping is.»<br />

Winter 2012 11


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

«Although the European<br />

Union is facing a<br />

f<strong>und</strong>amental crisis, it<br />

is urgently needed as<br />

an internationally reliable<br />

and strong<br />

actor that speaks with<br />

one voice.»<br />

G20, which are also reflecting on the redistribution of<br />

global weights.<br />

Because our resources – including our security<br />

resources – are limited, we must forge close networks<br />

– including security networks. This offers unexploited<br />

potential – across regional, indeed continental bo<strong>und</strong>aries.<br />

We need to intensify our partnerships. China, Brasil,<br />

India, Indonesia – just to name a few - will become<br />

more important for Europe after all. I believe that we<br />

should expand the existing strategic partnerships. Interantional<br />

security policy is an obvious field. It is one<br />

in which the interests of Europe and, say, even China<br />

are often closer than many people think.<br />

There is a saying that forecasts are difficult to make<br />

– particularly when the future is concerned. However,<br />

when we look at tomorrow’s world, I think we can assume<br />

that certain lines of development, at least certain<br />

trends are relatively likely.<br />

«I believe that we<br />

should expand the<br />

existing strategic<br />

partnerships.»<br />

First, the trend towards heterogeneity in the international<br />

order will continue. This heterogeneity will<br />

encompass both state and non-state actors. And in<br />

addition to states, it will feature regional actors with<br />

regional ambitions more. This means that we will face<br />

increasingly demanding challenges in our international<br />

policy. Reconciling interests will not be easier. At the<br />

same time – what a platitude - we live in one world. And<br />

in one world it is important that we are aware of the<br />

consequences of national policy as well as what signals<br />

we send to our neighbours and partners.<br />

Secondly, globalization will further increase in intensity.<br />

The financial crisis has shown us how fragile<br />

international orders can be today. Whilst we will on the<br />

whole benefit more from globalization than suffer due<br />

to its negative effects, the risks associated with the rise<br />

in global interdependence will be quite real.<br />

A third trend is that the need for cooperation – across<br />

regional and continental bo<strong>und</strong>aries – will increase<br />

for the very reason that the new risks will be hard to<br />

calculate. When challenges cannot be stopped at borders,<br />

states will be even less in a position to solve the<br />

attendant problems on their own than they are today.<br />

The effort to establish an international order within<br />

which the dignity of man and f<strong>und</strong>amental human<br />

rights are observed and the rule of law is ensured has to<br />

unite us all - domestically and internationally.<br />

As the world population grows and is likely to rise<br />

to more than 9 billion by 2050, we are forced to find<br />

answers to all of these challenges.<br />

About the Author<br />

Karl-Theodor zu Guttenberg<br />

served as German Federal<br />

Minister of Defense<br />

from 2009 to 2011 and as<br />

Federal Minister of Economics<br />

and Technology from<br />

February 2009 to October<br />

2009. As a “Distinguished<br />

Statesman” at the Center for Strategic and International<br />

Studies (CSIS) in Washington, DC, Mr. zu<br />

Guttenberg leads a new high-level transatlantic dialogue<br />

initiative focused on global trends and current<br />

political, economic, financial, as well as technology<br />

issues. Since December 2011, Karl-Theodor<br />

zu Guttenberg serves as Senior Advisor to the European<br />

Commission’s “No Disconnect Strategy”,<br />

providing strategic counsel on how to give ongoing<br />

support to internet users, bloggers and cyber-activists<br />

living <strong>und</strong>er authoritarian regimes.<br />

Mr. zu Guttenberg, who holds a law degree from<br />

the University of Bayreuth, was in the private sector<br />

prior to entering German politics in 2002. He<br />

currently lives with his wife and two daughters in<br />

Greenwich, CT.<br />

12<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Living with<br />

Nuclear Weapons<br />

Prof. Dr. Christoph Frei<br />

Professor für Politische Ideengeschichte <strong>und</strong> Internationale Beziehungen, Universität St. Gallen<br />

Even a sketchy historical account of nuclear<br />

nonproliferation efforts reveals how precarious<br />

the provision of security is bo<strong>und</strong> to remain<br />

in a world of sovereign states.<br />

The bombing of Hiroshima and Nagasaki in August<br />

1945 served to convince public opinion worldwide<br />

of the new weapon’s unprecedented significance—its<br />

terrible efficiency as a killing machine, its<br />

enormous potential to disrupt established balances of<br />

power and to enhance security dilemmas. In its wake,<br />

prospects for control and abolition of the new weapon<br />

were examined. One f<strong>und</strong>amental assumption<br />

emerged and was reiterated in numerous contemporary<br />

statements. As the Franck Report put it in 1945,<br />

“the efficient protection against the destructive use<br />

of nuclear power … can only come from the political<br />

organization of the world.” Immediately, political and<br />

diplomatic attention focused on how to establish a supranational<br />

body with unchallenged authority to stem<br />

proliferation.<br />

A supranational agency, however, was beyond<br />

reach as the East-West conflict intensified. It is fair to<br />

say that the rapid accumulation of nuclear weapons<br />

in the early stages of the Cold War was impervious<br />

to political control. At the same time, the necessity<br />

“to do something” increased. The Cuban missile crisis<br />

demonstrated the risk of an unregulated strategic<br />

competition between the United States and the Soviet<br />

Union, along with anxieties about the proliferation of<br />

nuclear weapons extending to Germany and Japan. At<br />

the same time, there were mounting commercial pressures<br />

for civilian uses of nuclear energy.<br />

A grand bargain<br />

The 1960s and 1970s saw concerted efforts to<br />

build an international nuclear order worthy of that<br />

name. A basic deal was struck to <strong>und</strong>erpin the Non-<br />

Proliferation Treaty (NPT) of 1968. In return for committing<br />

the vast majority of states to refrain from<br />

acquiring nuclear weapons, the established nuclear<br />

powers committed themselves <strong>und</strong>er Article VI to<br />

pursue a process towards “general and complete” nuclear<br />

disarmament. As a quid pro quo for renouncing<br />

nuclear weapons, the have-nots would <strong>und</strong>er Article<br />

IV partake in “the fullest possible exchange of equipment,<br />

materials and … information for the peaceful<br />

use of nuclear energy.”<br />

«As long as state<br />

sovereignty remains<br />

the dominant ordering<br />

principle in international<br />

politics, no<br />

system of nonproliferation<br />

will prevent<br />

states from acquiring<br />

the requisite<br />

capabilities.»<br />

The nonproliferation regime was built on a set<br />

of liberal assumptions: rationality on the part of state<br />

actors; the attainability of a fair deal in the face of<br />

obvious inequalities; the possibility of building trust<br />

among states through rule-based interaction; the ability<br />

of international agencies to monitor compliance;<br />

and, last but not least, the very feasibility of cooperation<br />

in preventing nuclear-armed chaos and in realizing<br />

nuclear energy’s economic potential.<br />

Abstinence, provisional<br />

From the beginning, skeptics argued that the<br />

NPT was never intended to compel states to act in line<br />

Winter 2012 13


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

with its provisions. According to this view, the treaty<br />

was concluded on the <strong>und</strong>erstanding that member<br />

states were opting „for a sort of provisional virginity”,<br />

making their abstention dependent on the non-occurrence<br />

of events “that would force them to reconsider“<br />

(Johan Holst). In fact, Article X of the NPT allowed<br />

members to withdraw on a mere three months’ notice<br />

in the event that „extraordinary events jeopardize<br />

its supreme interests“—and this permissive wording<br />

was, of course, no accident.<br />

In spite of the tenuous nature of its bargains, the<br />

nonproliferation regime survived the Cold War more<br />

or less intact. Since then, however, existing provisions<br />

and safeguard mechanisms have increasingly failed<br />

to stem the diffusion of nuclear capabilities. Whereas<br />

both the social reality and configurations of interest<br />

and power have continued to evolve, the institutional<br />

framework in essence has not. Moreover, the international<br />

community has been unable or unwilling to<br />

address the congenital flaws in the regime or to deal<br />

effectively with their practical consequences. North<br />

Korea is a case in point, and so is Iran. Beyond concerns<br />

over the more established cases of Israel and<br />

Japan, suspicions persist as regards the intentions of<br />

Brazil and Saudi Arabia. As Andrew O’Neil points out,<br />

“one of the unmistakable trends internationally since<br />

the end of the Cold War has been the increasing number<br />

of states seeking to acquire, at the very least, a<br />

threshold nuclear capability.”<br />

Since the nonproliferation regime was set up to<br />

impose constraints on state actors, it is particularly<br />

ill-equipped to deal with private actors who engage<br />

in illicit nuclear commerce. The network of Pakistan’s<br />

Abdul Qadeer Khan, for example, was actively involved,<br />

over a period of nearly 20 years, in the delivery<br />

of sensitive dual-use technology across a host of state<br />

and non-state actors.<br />

A regime beyond repair<br />

If the preservation of the nonproliferation regime<br />

depends on achieving a reasonable consensus to<br />

the effect that ‘nonproliferation’ is a realistic objective<br />

in the first place, prospects are grim indeed—for this<br />

consensus has broken down. Can it be rebuilt? Can<br />

the regime as such be revived? I do not think so. On<br />

top of flagrant cases of noncompliance on the part of<br />

have-nots, keep in mind that the established nuclear<br />

powers themselves (the permanent five members of<br />

the U.N. Security Council) keep nuclear weapons in<br />

their arsenal both physically and conceptually. Consider<br />

also that Israel, India, and Pakistan have paid little<br />

or no price for going nuclear outside the regime. The<br />

credibility and with it the integrity of the nonproliferation<br />

project has long been damaged beyond repair.<br />

Against the backdrop of the past twenty years,<br />

it is remarkable to see just how many strategists in<br />

government, in academia, and in nongovernmental<br />

organizations continue to argue that the nonproliferation<br />

battle is still worth fighting. What is more, in<br />

2009 U.S. President Barack Obama joined a long list of<br />

political and academic celebrities united in the cause<br />

of “Global Zero”, declaring complete nuclear disarmament<br />

a top priority.<br />

The goal of ridding humanity of nuclear weapons<br />

through the full elimination of arsenals has enjoyed<br />

moral, emotional, and even intellectual appeal for decades.<br />

Proponents of Global Zero are united in one<br />

irrefutable argument: if the international community<br />

could abolish these weapons, nuclear war would no<br />

longer pose the ultimate threat to life and security.<br />

Based upon Article VI of the Non-Proliferation Treaty,<br />

they hold that member states are bo<strong>und</strong>, both morally<br />

and legally, to rid the world of nukes. Some demand<br />

that the established haves lead the way and embark<br />

«We need to give up<br />

on the illusion that<br />

full nuclear<br />

disarmament<br />

represents a viable<br />

policy option <strong>und</strong>er<br />

present conditions.»<br />

immediately on a significant reduction; others argue<br />

that the process needs to be more incremental to succeed.<br />

Back to zero, really?<br />

Crucially, all proponents start from the premise<br />

that Global Zero can be achieved <strong>und</strong>er present structural<br />

conditions. Not surprisingly, they fail to provide<br />

plausible answers to f<strong>und</strong>amental questions—questions<br />

regarding both f<strong>und</strong>amental assumptions and the<br />

process of disarmament. To name but a few: does peril<br />

indeed come from the size of arsenals? Is stability<br />

a function of numbers or of incentives? How would<br />

any nuclear power be compelled to disarm? And even<br />

14<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

if we assume substantial amounts of good faith and<br />

volonté on all sides, the dire issue of verification will,<br />

of course, remain in the picture.<br />

Considering Global Zero as a viable policy objective<br />

fails to acknowledge the non-central structure of<br />

international politics and its many implications. The<br />

fact alone that—forty years after the conclusion of<br />

«Building relationships<br />

based on<br />

deterrence is the<br />

unedifying task<br />

before us.»<br />

the NPT with its Article VI—there is still no multilateral<br />

nuclear arms control process amongst the permanent<br />

members of the UN Security Council, indicates<br />

just how valuable these weapons are to their holders.<br />

In 1964, one of the fo<strong>und</strong>ing fathers of the realist<br />

school of International Relations considered the<br />

central role of structure as mentioned above. „Instead<br />

of trying in vain to assimilate nuclear power to the<br />

purposes and instrumentalities of the nation-state,<br />

we ought to have tried to adapt these purposes and<br />

instrumentalities to the potentialities of nuclear power.<br />

We have refrained from doing so in earnest […].<br />

But short of such a transformation, there will be no<br />

escape from the paradoxes of nuclear strategy and the<br />

dangers attending them.“<br />

Short of forgoing state sovereignty, there will<br />

be no escape, concluded Hans J. Morgenthau some<br />

fifty years ago. Against the backdrop of regional, but<br />

robust proliferation pressures today, we cannot but<br />

conclude that he had got it right. As long as state sovereignty<br />

remains the dominant ordering principle in<br />

international politics, no system of nonproliferation<br />

will prevent states from acquiring the requisite capabilities<br />

once they really want to go nuclear.<br />

Unpleasant conclusions<br />

What are the practical implications of this finding?<br />

We need to give up on the illusion that full nuclear<br />

disarmament represents a viable policy option<br />

<strong>und</strong>er present conditions. Rather than remaining fixated<br />

on nonproliferation and the lofty goal of Global<br />

Zero, scholars and practitioners, legislators and<br />

policy-makers had better begin to explore how nuclear<br />

proliferation can be managed in the decades to come. I<br />

do not need to add that this kind of management will<br />

be a risky, dangerous business. The logic operating at<br />

its heart, however, promises more stability than alternative<br />

policy options. It is a logic associated with continuity,<br />

one that cultivates caution above all else. It is<br />

the logic of deterrence. What we need, faute de mieux,<br />

is a system of multilateral deterrence as distinct from<br />

both the bipolar-configuration of the Cold War and a<br />

system imposed from above by a chosen few. Though<br />

it may not ever attain the Cold War’s degree of strategic<br />

stability, the gradual development of a system of<br />

multilateral deterrence is certainly not out of reach.<br />

Deterrent-based nuclear relationships have been developed<br />

with China (deemed “<strong>und</strong>eterrable” at the<br />

time), with North Korea, and it is entirely plausible to<br />

argue that similar arrangements will emerge once Iran<br />

has acquired a threshold nuclear capability.<br />

It goes without saying that the logic of deterrence<br />

does not have the moral and emotional appeal<br />

of Global Zero. The concept will hardly conquer constituencies.<br />

In a prudential light, however, it holds<br />

more promise than alternative courses of action. As<br />

we continue to live with nuclear weapons, building relationships<br />

based on deterrence is the unedifying task<br />

before us.<br />

About the Author<br />

Christoph Frei is a tenured<br />

associate professor of political<br />

science at the University<br />

of St.Gallen. Over the<br />

past 25 years, he has continuously<br />

moved between<br />

academica and the private<br />

sector. His research and<br />

teaching experience includes extended stints in the<br />

United States (University of Virginia, 1988-1990),<br />

France (Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales,<br />

1996-2002), and Hungary (Andrássy University,<br />

2003-2006). Frei currently serves as Academic<br />

Director of the International Affairs and Governance<br />

Programs at the University of St.Gallen. At<br />

that institution, he was conferred the first ever<br />

student Award for Best Teaching. His publications<br />

cover international relations and political theory,<br />

and they include an intellectual biography of Hans<br />

J. Morgenthau (English version 2001).<br />

Winter 2012 15


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Der risikolose Zins<br />

hat ausgedient<br />

Dauerhafter Attentismus führt zu<br />

Problemen – Lösungsorientiertes<br />

Fondsangebot unterstützt Privatanleger<br />

Hans Joachim Reinke<br />

Vorstandsvorsitzender Union Asset Management Holding AG<br />

Deutschland steuert auf ein Dilemma zu.<br />

Die staatliche Rückübertragung der finanziellen<br />

Vorsorge auf den Bürger in verschiedenen<br />

Lebensbereichen stärkt den<br />

Zwang zur privaten Vermögensbildung. Gleichzeitig<br />

jedoch sinkt infolge der Finanzkrise die Bereitschaft<br />

der Deutschen zum Investmentsparen. Anleger <strong>und</strong><br />

Vermögensverwalter müssen umdenken.<br />

Die vergangenen vier Jahre haben die Einstellung<br />

der Deutschen zur Geldanlage nachhaltig beeinflusst.<br />

Aus der Finanz- <strong>und</strong> Verschuldungskrise<br />

ist eine Vertrauenskrise der Anleger geworden. Die<br />

Folge: Das ohnehin traditionell stark ausgeprägte Bedürfnis<br />

nach <strong>Sicherheit</strong> hat weiter zugenommen <strong>und</strong><br />

dominiert nun eindeutig das Verhalten der Sparer.<br />

Ein Blick auf die Marktforschung macht dies deutlich.<br />

Für 61 Prozent der B<strong>und</strong>esbürger hat die <strong>Sicherheit</strong><br />

bzw. der Werterhalt der Geldanlage derzeit höchste<br />

Priorität. Lediglich acht Prozent setzen auf Rendite<br />

bzw. auf den weiteren Aufbau ihres Vermögens. Vor<br />

der Finanzkrise zeigte sich ein anderes Bild. Im Jahre<br />

2007 stand <strong>Sicherheit</strong> für 55 Prozent der Deutschen<br />

im Vordergr<strong>und</strong> ihrer Anlageentscheidung. Für 31<br />

Prozent hingegen spielte das Erzielen eines Gewinns<br />

die wichtigste Rolle.<br />

Sorge um Inflation<br />

Getrieben wird dieses hohe Bedürfnis nach <strong>Sicherheit</strong><br />

unter anderem durch die Angst vor einer<br />

steigenden Inflation. Diese Sorge speist sich aus der<br />

Entscheidung der EZB, unbegrenzt Anleihen von<br />

Staaten zu kaufen, die sich nicht mehr am Kapitalmarkt<br />

finanzieren können. Allerdings sind diese Maßnahmen<br />

an strenge Bedingungen geknüpft. So stehen<br />

angeschlagene Länder wie Spanien <strong>und</strong> Italien vor<br />

der Verpflichtung, ihre Defizite abzubauen, indem<br />

sie Ausgaben reduzieren <strong>und</strong> Investitionen zurückstellen.<br />

Sinkende Investitionen wirken sich wiederum<br />

dämpfend auf das Wirtschaftswachstum aus. So sind<br />

nachhaltig hohe Inflationsraten in der Eurozone auf<br />

absehbare Zeit trotz eines Anstiegs der Geldmenge<br />

nicht zu erwarten. Dennoch liegen die Zinsen für Anleger<br />

heute oft unterhalb der Inflationsrate. Hier gilt<br />

es zu handeln <strong>und</strong> die passende Geldanlage zu suchen.<br />

Denn der alleinige Fokus auf <strong>Sicherheit</strong> führt im Ergebnis<br />

zu einem realen Geldwertverlust.<br />

Attentismus ist keine Lösung<br />

Anlagetechnisch befinden sich die B<strong>und</strong>esbürger<br />

zunehmend in einer Art Schockstarre. Langfristige<br />

Investmententscheidungen werden verschoben.<br />

Stattdessen wird das Geld kurzfristig geparkt. Die<br />

Finanzwissenschaft hat für dieses Verhalten einen<br />

Begriff: Attentismus. Dieser beschreibt eine Mentalität<br />

der <strong>Risiko</strong>vermeidung durch Abwarten. Dabei werden<br />

Handlungsentscheidungen aufgeschoben in der<br />

Erwartung, dass sich die Situation klärt. Kurzfristig<br />

«Anlagetechnisch<br />

befinden sich die<br />

B<strong>und</strong>esbürger<br />

zunehmend in einer<br />

Art Schockstarre.»<br />

16<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Inflation frisst die Rendite – <strong>Sicherheit</strong>sorientierte Geldanlagen im Vergleich zur Inflationsrate in % p.a.<br />

<strong>und</strong> als Ausdruck eines taktischen Verhaltens betrachtet<br />

mag diese Einstellung durchaus einen Nutzen stiften.<br />

Langfristig hingegen führt Attentismus jedoch zu<br />

erheblichen Problemen.<br />

Und genau hier liegt der Haase im Pfeffer. Denn<br />

gegenwärtig spricht vieles dafür, dass der Rückzug<br />

von den Investmentmärkten für die große Mehrheit<br />

nicht taktisch motiviert, sondern angstgetrieben ist.<br />

Die Deutschen fürchten den Wertverlust ihres Vermögens<br />

<strong>und</strong> flüchten massenhaft in als sicher betrachtete,<br />

aber niedrig verzinste Anlageformen. So war Ende<br />

2011 die Rekordsumme von r<strong>und</strong> 1,9 Bill. Euro in<br />

Sicht-, Termin- <strong>und</strong> Spareinlagen sowie in Sparbriefen<br />

bei Banken <strong>und</strong> Sparkassen angelegt. Das entspricht<br />

40,3 Prozent des gesamten privaten Geldvermögens<br />

in Deutschland.<br />

Trügerische <strong>Sicherheit</strong><br />

Die Anleger wiegen sich mit diesem Verhalten in<br />

einer trügerischen <strong>Sicherheit</strong>. Zwar ist ihr Vermögen<br />

auf diese Weise im Großen <strong>und</strong> Ganzen vor einem Totalverlust<br />

geschützt. Viele Anleger übersehen dabei<br />

allerdings den schleichenden Wertverlust. Denn angesichts<br />

einer insgesamt eher noch moderaten Inflationsrate<br />

von aktuell 2,0 Prozent in Deutschland <strong>und</strong><br />

einer angenommenen, durchschnittlichen Marktver-<br />

«Der risikolose Zins,<br />

im Sinne eines sicheren<br />

Investments<br />

gepaart mit soliden<br />

Zinserträgen, gehört<br />

der Vergangenheit<br />

an.»<br />

1 Leitzins Europa (Verzinsung Mindestreserve) Deutsche B<strong>und</strong>esbank,<br />

www.b<strong>und</strong>esbank.de<br />

2 Tagesgeld Privatk<strong>und</strong>en, 5.000 Euro Anlage; ohne Neuk<strong>und</strong>enangebote<br />

<strong>und</strong> Befristungen, faz.net<br />

3 Spareinlagen 3 Monate. 5.000 Euro Anlage, FMH Finanzberatung<br />

4 B<strong>und</strong>esanleihe Deutschland, 2 Jahre, finanzen.net<br />

5 Sparbriefe 4 Jahre, FMH Finanzberatung<br />

6 Benchmark-Anleihe Deutschland 10 Jahre, Börsen-Zeitung<br />

7 Inflationsrate Deutschland, das Statistische B<strong>und</strong>esamt<br />

Winter 2012 17


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

zinsung von Spareinlagen in Höhe von ca. 0,7 Prozent<br />

verliert das eingesetzte Kapital real 1,3 Prozent pro<br />

Jahr. Bezogen auf die 1,9 Bill. Euro, welche deutsche<br />

Sparer gegenwärtig in Spareinlagen halten, sind dies<br />

jährlich immerhin knapp 25 Mrd. Euro. Der dringend<br />

benötigte Aufbau privater Vermögen lässt sich so<br />

nicht bewerkstelligen.<br />

Zinsloses <strong>Risiko</strong><br />

Um aus diesem Dilemma herauszukommen, bedarf<br />

es zunächst einer zentralen Erkenntnis. Nämlich<br />

der, dass sich die <strong>Risiko</strong>-Rendite-Situation an den Kapitalmärkten<br />

seit dem Untergang der Lehman Brothers<br />

f<strong>und</strong>amental verändert hat. Der risikolose Zins,<br />

im Sinne eines sicheren Investments gepaart mit soliden<br />

Zinserträgen, gehört der Vergangenheit an. Dies<br />

gilt für Sparprodukte genauso wie für Staatsanleihen.<br />

Die einstmals sicheren Häfen haben sich infolge der<br />

Finanz- <strong>und</strong> Verschuldungskrise zu riskanten Liegeplätzen<br />

entwickelt, die kaum noch genug Rendite<br />

«Aus dem<br />

risikolosen Zins ist<br />

ein zinsloses <strong>Risiko</strong><br />

geworden.»<br />

abwerfen, um das Boot der Kapitalanlage langfristig<br />

über Wasser zu halten. Selbst die B<strong>und</strong>esanleihe als<br />

vermeintlich letzter sicherer Hafen wirft keine Erträge<br />

mehr ab. Aus dem risikolosen Zins ist ein zinsloses<br />

<strong>Risiko</strong> geworden.<br />

Dieser Tatsache müssen Anleger ins Auge sehen<br />

<strong>und</strong> dabei erkennen, dass es sich bei den Veränderungen<br />

nicht um kurzfristige Turbulenzen, sondern<br />

um strukturelle <strong>und</strong> daher langfristig wirkende Umbrüche<br />

in der Investmentlandschaft handelt. Die<br />

Folge dieser Verwerfungen ist evident: Die für den<br />

Vermögensaufbau der Deutschen erforderlichen Erträge<br />

lassen sich ohne die Inkaufnahme von Risiken<br />

an den Märkten künftig nicht mehr erzielen. Diese<br />

unbequeme Wahrheit zu verinnerlichen <strong>und</strong> in der<br />

persönlichen Geldanlage angemessen zu berücksichtigen,<br />

stellt die vielleicht größte Herausforderung für<br />

die privaten Anleger in den kommenden Jahren dar.<br />

Breit diversifizieren<br />

Die Bewältigung dieser Aufgabe erfordert ein<br />

Auseinandersetzen mit der Vermögensallokation <strong>und</strong><br />

dem Prinzip der Diversifikation. Angesichts der Notwendigkeit,<br />

ins <strong>Risiko</strong> zu gehen, müssen sich die Anleger<br />

die Frage beantworten, ob ihre Geldvermögen<br />

ausreichend breit gestreut in verschiedene Anlageprodukte,<br />

Anlageklassen <strong>und</strong> Segmente investiert sind.<br />

Zwar ist auch die Diversifikation im Zuge der Finanzkrise<br />

an ihre Grenzen gestoßen. Dennoch hat dieses<br />

f<strong>und</strong>amentale Prinzip des <strong>Risiko</strong>managements weiterhin<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich Bestand. Im Kern bedeutet Diversifikation<br />

die Reduzierung von Marktrisiken durch die<br />

Aufteilung der Geldanlage auf eine Vielzahl verschiedener<br />

Anlageklassen. Im Gegensatz zu institutionellen<br />

Investoren sind private Anleger hierbei insofern<br />

im Vorteil, da sie weder auf regulatorische Restriktionen<br />

noch auf kurzfristige Bilanzierungsanforderungen<br />

Rücksicht nehmen müssen. Sie können also<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich langfristig in ein breites <strong>und</strong> vielfältiges<br />

Spektrum an Investmentmöglichkeiten investieren.<br />

Als Hindernis erweist sich jedoch, dass Privatanleger<br />

in der Regel weder über die komplexen Marktkenntnisse<br />

noch über den erforderlichen Kapitaleinsatz<br />

verfügen, um ein diversifiziertes Portfolio in Eigenregie<br />

umsetzen zu können. Diese Hürde kann mit Hilfe<br />

von Investmentfonds allerdings genommen werden.<br />

Sie bündeln das Geld vieler Anleger, um es entsprechend<br />

den Anlagerichtlinien breit gestreut in unterschiedliche<br />

Vermögenswerte professionell anzulegen.<br />

Je nach persönlicher <strong>Risiko</strong>neigung können Anleger<br />

dabei zwischen defensiven Produkten wie Rentenoder<br />

Geldmarktfonds oder offensiveren Produkten<br />

wie Aktienfonds wählen. Multi-Asset-Fonds bieten<br />

zudem die Möglichkeit, Fondsprodukte mit unter-<br />

«Die für den<br />

Vermögensaufbau der<br />

Deutschen<br />

erforderlichen Erträge<br />

lassen sich ohne die<br />

Inkaufnahme von<br />

Risiken an den<br />

Märkten künftig nicht<br />

mehr erzielen.»<br />

18<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

schiedlichen <strong>Risiko</strong>profilen zu mischen.<br />

Damit steht Privatanlegern ein geeignetes <strong>und</strong><br />

erprobtes Investmentvehikel zur Verfügung, um risikokontrolliert<br />

Ertragschancen an den Märkten wahrnehmen<br />

zu können. Dass dieses Vehikel nicht nur in<br />

Schönwetterphasen, sondern auch in turbulenten<br />

Zeiten funktioniert, zeigt ein Blick in die Statistik des<br />

B<strong>und</strong>esverbands Investment <strong>und</strong> Asset Management<br />

(BVI). Alle dort erfassten Fondsgruppen konnten in<br />

den vergangenen drei Jahren eine zumeist deutliche<br />

Wertsteigerung erreichen, sodass die bei Ausbruch der<br />

«Die Bewältigung<br />

dieser Aufgabe erfordert<br />

ein Auseinandersetzen<br />

mit der<br />

Vermögensallokation<br />

<strong>und</strong> dem Prinzip der<br />

Diversifikation.»<br />

Finanzkrise temporär entstandenen Verluste inzwischen<br />

in der Regel wieder ausgeglichen wurden.<br />

Gleichwohl bleibt die Fondsbranche aufgerufen,<br />

ihre Kompetenz noch zielgenauer auf die Bedürfnisse<br />

ihrer K<strong>und</strong>en auszurichten. Dafür reicht es nicht, ständig<br />

neue Fonds auf den Markt zu bringen. Vielmehr<br />

ist es wichtig, den aktuellen Wunsch nach <strong>Sicherheit</strong><br />

so weit wie möglich in lösungsorientierten Anlagelösungen<br />

abzubilden, die den Anleger beim langfristigen<br />

<strong>und</strong> risikokontrollierten Investmentsparen unterstützen.<br />

Die bloße Forderung nach stärkerer <strong>Risiko</strong>annahme<br />

des Anlegers wäre unredlich, wenn die Fondsbranche<br />

es ihrerseits unterlassen würde, den Sparer auf<br />

diesem Weg durch geeignete Angebote zu unterstützen.<br />

Viel wird daher davon abhängen, inwieweit es der<br />

Branche gelingt, den Investmentsparern langfristig<br />

verlässliche Lösungen für ihren Anlagebedarf bereitzustellen.<br />

So bietet Union Investment beispielsweise<br />

seit Mitte 2010 Privatk<strong>und</strong>en mit den UniPrivatFonds<br />

eine Lösung der angesprochenen Probleme an.<br />

Lebenslauf<br />

Hans Joachim Reinke<br />

steht seit 1. Juli 2010 als<br />

Vorstandsvorsitzender<br />

an der Spitze der gesamten<br />

Union Investment<br />

Gruppe. Bereits im Januar<br />

2004 wurde er Mitglied<br />

des Vorstands der Union<br />

Asset Management Holding AG <strong>und</strong> verantwortet<br />

seitdem die Strategie FinanzVerb<strong>und</strong> <strong>und</strong> das<br />

Privatk<strong>und</strong>engeschäft. Im August 2001 erfolgte<br />

die Ernennung zum Geschäftsführer der Union Investment<br />

Privatfonds GmbH. Im Jahr 2000 übernahm<br />

er die Leitung des Gesamtvertriebs nachdem<br />

er vier Jahre zuvor zum Vertriebsdirektor berufen<br />

wurde. Reinke kam 1991 zur Union Investment<br />

Gruppe, wo er zunächst als Vertriebsberater <strong>und</strong><br />

dann als Bezirksdirektor Vertrieb tätig war. Seine<br />

berufliche Laufbahn startete er 1990 bei der Volksbank<br />

Wachtberg. Dort leitete er die Vermögensabteilung<br />

<strong>und</strong> später den gesamten Bereich Passivgeschäft.<br />

Reinke absolvierte das Gr<strong>und</strong>studium der<br />

Rechtswissenschaften sowie die Ausbildung zum<br />

Bankkaufmann. Er ist diplomierter Bankbetriebswirt<br />

ADG.<br />

Winter 2012 19


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Innovativ. Dynamisch.<br />

Preiswert.<br />

ESPRIT St.Gallen – Beratung durch Studenten<br />

Wer wir sind<br />

Vor 24 Jahren gründete sich ESPRIT St.Gallen<br />

als Studentische Unternehmensberatung.<br />

Seither wurden bereits über 500 Unternehmen<br />

fachkompetent <strong>und</strong> innovativ durch<br />

unsere Studenten beraten. Zu den K<strong>und</strong>en gehören sowohl<br />

mittelständische Unternehmen, als auch multinationale<br />

Konzerne in verschiedensten Fachbereichen. Die<br />

individuell zusammengestellten Projektteams erlauben<br />

kreative <strong>und</strong> effektive Lösungen. Aktuelles Know-how<br />

aus der Forschung in Verbindung mit den verschiedenen,<br />

spezialisierten Vertiefungsmöglichkeiten an der<br />

Universität St. Gallen ermöglichen es uns konkret auf<br />

verschiedenste K<strong>und</strong>enwünsche einzugehen.<br />

Kreative Beratung auf höchstem Niveau<br />

ESPRIT St.Gallen bietet kompetente Beratung<br />

durch erstklassige Studenten zu einem hervorragenden<br />

Preis-Leistungsverhältnis. Studierende arbeiten<br />

eng mit Unternehmen zusammen <strong>und</strong> wenden ihr<br />

Wissen in der Praxis an. Auch K<strong>und</strong>en, die nicht auf<br />

konventionelle Beratungsfirmen zurückgreifen würden,<br />

haben die Möglichkeit ihr Unternehmen professionell<br />

beraten zu lassen <strong>und</strong> eröffnen sich somit neue<br />

Perspektiven. Gr<strong>und</strong>sätzlich bieten die studentischen<br />

Berater von ESPRIT St.Gallen Lösungen für sämtliche<br />

betriebs- <strong>und</strong> volkswirtschaftlichen Problemstellungen<br />

an. Über besondere Kompetenzen <strong>und</strong> langjährige Erfahrung<br />

verfügen wir in den Bereichen Marketing <strong>und</strong><br />

Marktforschung, Controlling, Strategie <strong>und</strong> Organisation,<br />

Hochschulmarketing, sowie Transaction Services.<br />

Für die Auswahl der Projektmitarbeiter kann ESPRIT<br />

St.Gallen auf einen Pool von über 6000, Bachelor- <strong>und</strong><br />

Masterstudenten sowie Doktoranden, zurückgreifen.<br />

Dies bietet die Möglichkeit, die kompetentesten Mitarbeiter<br />

für die jeweiligen Aufträge auszuwählen.<br />

ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Neben der Projektarbeit ist ESPRIT St.Gallen<br />

auch Herausgeber des Wirtschaftsmagazins ESPRIT<br />

St.Gallen Business Review. Die ESGBR ist ein lebendiges<br />

Diskussionforum für hochkarätige Vertreter aus<br />

Wirtschaft, Politik <strong>und</strong> Wissenschaft. Sie wird in einer<br />

Auflage von 11.000 Exemplaren an die Studenten <strong>und</strong><br />

Alumni der Universität St.Gallen, sowie an 40 deutschsprachigen<br />

Universitäten <strong>und</strong> Unternehmen verteilt.<br />

<strong>Sicherheit</strong> & <strong>Risiko</strong> <strong>und</strong> ESPRIT St.Gallen<br />

Seit mittlerweile beinahe sieben Jahrzehnten<br />

herrscht in Zentraleuropa Frieden <strong>und</strong> auch das Sozialstaatlichkeitsprinzip<br />

ist in immer mehr Ländern fest im<br />

politischen System verankert.<br />

Der Gr<strong>und</strong>stock für die <strong>Sicherheit</strong> der Gesellschaft<br />

wäre dadurch eigentlich gelegt. Dennoch ist unsere<br />

Welt für so viele Menschen eine Welt voller Angst <strong>und</strong><br />

Unsicherheiten. Welche Rolle spielen dabei die Unkontrollierbarkeit<br />

des Internet, die riskanten Geschäfte<br />

mancher Investoren an der Börse <strong>und</strong> der Terrorismus?<br />

Jeder Mensch, vom Studenten über den Investmentbanker<br />

bis hin zum Grossunternehmer ist wiederkehrend<br />

mit Fragen der <strong>Sicherheit</strong> <strong>und</strong> Risiken konfrontiert,<br />

muss lernen damit umzugehen <strong>und</strong> Lösungen zu<br />

finden. Häufig bedarf es zur Lösungsfindung Hilfe von<br />

aussen; im privaten Bereich zum Beispiel durch Familie<br />

oder Fre<strong>und</strong>e, im professionellen Bereich vor Allem<br />

durch Beratungsunternehmen. An diesem Punkt setzt<br />

ESPRIT St.Gallen an. So umfasst unser Produktportfolio<br />

Research <strong>und</strong> Strategieentwicklung, Prozess- <strong>und</strong><br />

Strukturanalysen, Marktforschung <strong>und</strong> vieles mehr.<br />

Gerne würden wir uns Ihnen persönlich vorstellen<br />

<strong>und</strong> Ihnen weitere Verbesserungspotentiale aufzeigen.<br />

Für weitere Fragen stehen wir Ihnen<br />

jederzeit gerne zur Verfügung <strong>und</strong> freuen<br />

uns auf Ihre Herausforderung.<br />

ESPRIT St.Gallen<br />

Beratung durch Studenten<br />

Guisanstrasse 19<br />

9010 St. Gallen<br />

Telefon : +41 (0) 71 220 14 01<br />

www.espritsg.ch<br />

info@espritsg.ch<br />

20<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Winter 2012 21


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Im Fokus:<br />

Wirtschaftskriminalität<br />

Interview: BKA-Präsident Ziercke<br />

mit der St. Gallen Business Review<br />

Jörg Ziercke<br />

B<strong>und</strong>eskriminalamt, Präsident<br />

ESGBR: Warum ist die<br />

Wirtschaftskriminalität eine<br />

Herausforderung für das<br />

BKA? Die Fallzahlen sind doch<br />

vergleichweise gering?<br />

In den letzten 10 Jahren wurden in Deutschland<br />

jährlich r<strong>und</strong> 80.000 bis 100.000 Fälle der Wirtschaftskriminalität<br />

polizeilich registriert. Gemessen<br />

an den knapp 6 Millionen Straftaten, die im Jahr 2011<br />

insgesamt in Deutschland erfasst wurden, beläuft sich<br />

der Anteil der Wirtschaftsdelikte damit gerade einmal<br />

auf r<strong>und</strong> 1,3 Prozent. Diese Fälle bilden allerdings nur<br />

einen Ausschnitt des Phänomens, das sogenannte<br />

Hellfeld, ab. Demgegenüber steht eine Vielzahl von<br />

Wirtschaftsstraftaten, die der Polizei in Ermangelung<br />

einer Anzeige durch den oder die Geschädigten erst<br />

gar nicht bekannt werden.<br />

Entscheidend ist aber der immense Schaden, der<br />

von der Wirtschaftskriminalität ausgeht. 2011 entstand<br />

allein durch entsprechende Delikte eine Schadenssumme<br />

von r<strong>und</strong> 4,1 Milliarden Euro - was einem<br />

Anteil von über 50 Prozent am polizeilich registrierten<br />

Gesamtschaden entspricht. Eine Dimension, die das<br />

hohe Schadens- <strong>und</strong> Gefährdungspotenzial, das von<br />

der Wirtschaftskriminalität ausgeht, verdeutlicht.<br />

Zudem ist das mittelbare Schadenspotenzial der<br />

Wirtschaftskriminalität sehr groß:<br />

Wettbewerbsverzerrungen, ges<strong>und</strong>heitliche<br />

Schädigungen Einzelner, Reputationsverluste von<br />

Unternehmen oder auch ganzer Wirtschaftszweige bis<br />

hin zu Vertrauensverlusten in die Funktionsfähigkeit<br />

der bestehenden Wirtschaftsordnung – um nur einige<br />

der möglichen Folgen zu nennen.<br />

Delikte im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben<br />

sind auch im Bereich der Organisierten Kriminalität<br />

von zentraler Bedeutung – sie bildeten 2011<br />

den zweitgrößten OK-Bereich nach der Rauschgiftkriminalität<br />

<strong>und</strong> verursachten knapp die Hälfte der<br />

durch OK insgesamt verursachten Schäden.<br />

ESGBR: Warum werden vergleichsweise<br />

wenige Wirtschaftsdelikte bei<br />

der Polizei angezeigt?<br />

Die Gründe, warum Wirtschaftsdelikte von den<br />

Betroffenen nicht bei der Polizei zur Anzeige gebracht<br />

werden, sind vielfältig.<br />

Opfer von Kapitalanlagedelikten beispielsweise<br />

sehen etwa aus Scham von einer Anzeige ab. Mitunter<br />

ist es aber auch der Verlust des investierten „Schwarzgeldes“,<br />

der die Betroffenen im Schadensfall von einem<br />

Gang zur Polizei abhält.<br />

Die zurückhaltende Anzeigebereitschaft der Unternehmen<br />

könnte neben dem befürchteten Imageschaden<br />

auch daraus resultieren, dass dort mitunter<br />

falsche Vorstellungen über den Ablauf der polizeilichen<br />

Ermittlungsarbeit in Fällen von Wirtschaftskriminalität<br />

bestehen.<br />

22<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Hier müssen wir aufklären <strong>und</strong> deutlich machen,<br />

dass wir nicht mit Blaulicht vorfahren, sondern unsere<br />

Ermittlungen vielmehr in enger Absprache mit den<br />

Verantwortlichen diskret durchführen. Denn es ist<br />

uns wichtig, dass die Betroffenen ihre Zurückhaltung<br />

ablegen <strong>und</strong> mit den <strong>Sicherheit</strong>sbehörden kooperieren,<br />

damit wir Straftaten konsequent verfolgen können.<br />

ESGBR: Wie können Delikte<br />

der Wirtschaftkriminalität<br />

effizient bekämpft werden?<br />

Um Wirtschaftskriminalität effizient bekämpfen<br />

zu können, ist die Anzeige entsprechender Taten bei<br />

den Strafverfolgungsbehörden zwingend erforderlich.<br />

Denn hierdurch macht ein Unternehmen deutlich,<br />

dass kriminelle Handlungen nicht geduldet werden.<br />

Der vielfach befürchtete Image- <strong>und</strong> Vertrauensschaden<br />

in der Öffentlichkeit, den Unternehmen nicht selten<br />

mit einer Anzeige verbinden, entsteht meist dann,<br />

wenn wirtschaftskriminelle Handlungen vom Unternehmen<br />

bewusst <strong>und</strong> gewollt den Strafverfolgungsbehörden<br />

nicht angezeigt <strong>und</strong> erst durch Dritte bekannt<br />

gemacht werden.<br />

Auch in Fällen, in denen Unternehmen Opfer von<br />

Wirtschaftskriminalität geworden sind, zum Beispiel<br />

Produkt- <strong>und</strong> Markenpiraterie, geht von einer Strafanzeige<br />

die klare Botschaft aus, dass das Unternehmen<br />

die Verbraucher schützen will.<br />

Aus polizeilicher Sicht sollten Unternehmen alle<br />

Arten von Wirtschaftsstraftaten anzeigen, da eine<br />

strafrechtliche Ahndung auch eine entsprechende präventive<br />

Wirkung entfalten kann. Werden Wirtschaftsstraftaten<br />

nicht angemessen verfolgt <strong>und</strong> sanktioniert,<br />

wird in der Tat der Eindruck erweckt, dass sich<br />

kriminelles Handeln lohnt. Dem müssen wir entschieden<br />

entgegen treten.<br />

ESGBR: Das Internet ist bei der<br />

Begehung von Wirtschaftsdelikten<br />

ein bevorzugtes Tatmittel<br />

geworden. Wie viele Fälle pro Jahr<br />

registrieren Sie in Deutschland?<br />

Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurden 2011<br />

bei knapp 80.000 Fällen der Wirtschaftskriminalität<br />

r<strong>und</strong> 11.600 Fälle registriert, in denen das Internet<br />

als Tatmittel eine Rolle spielte - also bei etwa jeder<br />

siebten Wirtschaftsstraftat. Das sogenannte Dunkelfeld<br />

ist nicht seriös einzuschätzen.<br />

ESGBR: Wie können sich Unternehmen<br />

dagegen wappnen, dass sie sich<br />

zunehmend Angriffen aus dem<br />

Internet ausgesetzt sehen?<br />

Auf der Internetseite des B<strong>und</strong>esamtes für <strong>Sicherheit</strong><br />

in der Informationstechnik (BSI) finden sich<br />

zahlreiche Tipps <strong>und</strong> Hinweise wie sich Unternehmen<br />

gegen Angriffe aus dem Internet schützen können.<br />

Die Verwendung geeigneter Virenschutzprogramme,<br />

die Durchführung regelmäßiger Backups sowie die<br />

Sensibilisierung der Beschäftigten im Hinblick auf<br />

einen sorgfältigen Umgang mit Passwörtern <strong>und</strong> E-<br />

Mail-Anhängen, sind nur einige Beispiele diesbezüglicher<br />

Präventionsansätze.<br />

Darüber hinaus hat das B<strong>und</strong>eskriminalamt<br />

(BKA) in Zusammenarbeit mit den Landeskriminalämtern<br />

„Handlungsempfehlungen für die Wirtschaft<br />

in Fällen von Cybercrime“ erarbeitet: Die Broschüre,<br />

die auf der BKA-Homepage www.bka.de veröffentlicht<br />

ist, gibt betroffenen Unternehmen konkrete Hinweise<br />

zum Verhalten bei Cyber-Angriffen <strong>und</strong> soll zudem<br />

Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Anzeige<br />

solcher strafrechtlich relevanten Vorfälle nehmen.<br />

Die Empfehlungen berücksichtigen sowohl die<br />

Belange der Strafverfolgungsbehörden als auch der<br />

Wirtschaftsunternehmen. Unter anderem werden<br />

Gesetzesgr<strong>und</strong>lagen vorgestellt, Verhaltensempfehlungen<br />

für Firmenleitung <strong>und</strong> Systemadministratoren<br />

gegeben, Möglichkeiten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>sätze der polizeilichen<br />

Ermittlungsarbeit dargestellt <strong>und</strong> zentrale<br />

Ansprechstellen bei der Polizei in B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern<br />

benannt.<br />

ESGBR: Welches sind denn die<br />

typischen Deliktformen der<br />

Wirtschaftskriminalität, die im<br />

Internet begangen werden?<br />

Angesichts des Umstandes, dass sich viele Geschäftsmodelle,<br />

die früher per Telefon oder per Post<br />

abgewickelt wurden, in das Internet verlagert haben,<br />

finden wir auch die damit einhergehenden strafbaren<br />

Handlungen in leicht modifizierter Form im Netz<br />

wieder. So werden beispielsweise klassische Warenbetrügereien<br />

zunehmend mit Hilfe des Internet begangen.<br />

Im Netz bestellte <strong>und</strong> im Voraus bezahlte Waren<br />

werden nicht geliefert oder auch umgekehrt - für verkaufte<br />

Waren entrichtet der Käufer den vereinbarten<br />

Kaufpreis nicht. Deshalb ist es wichtig, sich selbst so<br />

gut wie möglich bereits dadurch zu schützen, dass<br />

bei allen Geschäften, die über das Internet abgewickelt<br />

werden, die auch sonst gebotene Sorgfalt im Geschäftsleben<br />

praktiziert wird.<br />

Winter 2012 23


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Bei solchen Internet-Geschäften werden zunehmend<br />

auch anderweitig illegal erlangte Kreditkartendaten<br />

für das Lastschriftverfahren ohne PIN verwendet.<br />

Bei dem als „Carding“ bekannten Phänomen<br />

werden zunächst die Kreditkartendaten mittels einer<br />

Schadsoftware beim Opfer oder durch den unbefugten<br />

Zugriff auf unzureichend verschlüsselte <strong>und</strong> gesicherte<br />

Datenbanken abgegriffen. Anschließend veräußern<br />

die Täter diese Daten über Webportale <strong>und</strong> Foren der<br />

Undergro<strong>und</strong> Economy an Dritte. Diese nutzen die „gekauften“<br />

Daten sodann beim Online-Kauf von Waren<br />

jeglicher Art, die sie wiederum über eigene Webshops<br />

weiterverkaufen. Insofern erfolgen beim „Carding“ in<br />

der Regel keine direkten Vermögensverfügungen anhand<br />

der erlangten Kreditkartendaten. Der monetäre<br />

Vorteil der Täter erwächst vielmehr aus dem Weiterverkauf<br />

der erlangten Waren. Auch hier gilt: ein sorgsamer<br />

Umgang mit Kreditkartendaten im Internet <strong>und</strong><br />

die Nutzung von Antivirenprogrammen <strong>und</strong> Firewalls<br />

sowie deren regelmäßiges Update sind ein wichtiger<br />

Bestandteil des Selbstschutzes vor solchen Taten.<br />

ESGBR: Welche Bedeutung hat<br />

die Zusammenarbeit mit der<br />

Wirtschaft bei der Bekämpfung<br />

der Wirtschaftskriminalität?<br />

In einer globalisierten Welt bedarf es eines ganzheitlichen<br />

Ansatzes, um Kriminalität nachhaltig bekämpfen<br />

zu können. Neben der nationalen <strong>und</strong> internationalen<br />

Kooperation der <strong>Sicherheit</strong>sbehörden<br />

hat daher auch der partnerschaftliche Austausch mit<br />

Wirtschaftsunternehmen mittlerweile eine elementare<br />

Bedeutung bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität.<br />

Daher hat sich das BKA erstmalig am 23. März<br />

2006 mit 18 international aufgestellten deutschen Unternehmen,<br />

sogenannte Global Player, zum gegenseitigen<br />

Know-how-Austausch getroffen. Zwischenzeitlich<br />

hat diese Initiative eine derart große Akzeptanz erfahren,<br />

dass ich mittlerweile 54 Unternehmen in unserem<br />

Kreis begrüßen kann. Auch die mittelständische Wirtschaft<br />

wird nicht vergessen.<br />

Mit dem über die Jahre gewachsenen gegenseitigen<br />

Vertrauen hat sich der Informationsaustausch<br />

in <strong>Sicherheit</strong>sfragen zwischen den Beteiligten intensiviert.<br />

Unsere gemeinsamen Veranstaltungen finden<br />

inzwischen in halbjährlichem Rhythmus statt. Auf<br />

Basis der Anfragen aus Unternehmen haben wir Lageberichte<br />

zu verschiedensten Staaten zur Verfügung<br />

gestellt, Kontakte zu unseren weltweit eingesetzten<br />

Verbindungsbeamten vermittelt <strong>und</strong> Kontakte zu den<br />

verschiedenen Fachabteilungen des BKA hergestellt.<br />

Der beim BKA eingerichtete Single Point of Contact hat<br />

sich, ebenso wie die festen Ansprechpartner auf Unternehmensseite,<br />

bewährt.<br />

Weitere Zusammenarbeitsfelder, bei denen die<br />

Kontakte zu den Unternehmen von Bedeutung sind:<br />

<strong>Sicherheit</strong>sforschung, strategische Früherkennung<br />

<strong>und</strong> die auf Krisenbewältigung ausgerichtete Schulung<br />

von Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeitern international<br />

tätiger Unternehmen durch unsere Verhandlungs-<br />

<strong>und</strong> Beratergruppe im Phänomenbereich<br />

Entführungen <strong>und</strong> Geiselnahmen.<br />

Lebenslauf<br />

Das Interview führten Nikolas Noetzel <strong>und</strong><br />

Julian von Fischer<br />

Jörg Ziercke, geboren am<br />

18. Juli 1947 in Lübeck,<br />

1967 in den Polizeidienst<br />

des Landes Schleswig-<br />

Holstein eingetreten <strong>und</strong><br />

in verschiedenen Funktionen<br />

des gehobenen <strong>und</strong><br />

höheren Kriminaldienstes<br />

tätig. Am 26.02.2004 wurde er zum Präsidenten<br />

des B<strong>und</strong>eskriminalamtes berufen.<br />

Das B<strong>und</strong>eskriminalamt (BKA) ist ein Eckpfeiler<br />

eines ganzheitlichen Systems der Kriminalitätsbekämpfung,<br />

denn gr<strong>und</strong>sätzlich liegt nach der<br />

Verfassung die Polizeihoheit in Deutschland bei den<br />

B<strong>und</strong>esländern. Um die Kriminalitätsbekämpfung<br />

auf nationaler <strong>und</strong> internationaler Ebene koordinieren<br />

zu können, unterstützt das BKA als Zentralstelle<br />

die Polizeien des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder<br />

bei der Verhütung <strong>und</strong> Verfolgung von Straftaten<br />

mit länderübergreifender, internationaler oder<br />

sonst erheblicher Bedeutung. In bestimmten Fällen,<br />

beispielsweise aus dem Bereich international<br />

organisierter Straftaten, ist das BKA unmittelbar<br />

für die Ermittlungen zuständig. Über das BKA läuft<br />

zudem der Dienstverkehr der deutschen Polizei<br />

mit dem Ausland. Hier liegen an zentraler Stelle<br />

Informationen über Straftaten <strong>und</strong> Straftäter. So<br />

werden wichtige Informationen gebündelt <strong>und</strong> eine<br />

einheitliche rechtliche Handhabung gewährleistet.<br />

Für Interpol, Europol <strong>und</strong> das Schengener Informationssystem<br />

ist das BKA die nationale Zentralstelle.<br />

Seit dem 01.01.2009 ist das BKA darüber hinaus<br />

zuständig für die Abwehr von Gefahren des internationalen<br />

Terrorismus in Fällen, in denen eine<br />

länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit<br />

einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar<br />

ist oder die oberste Landesbehörde um eine<br />

Übernahme ersucht.<br />

24<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

The Biggest Risk is Not<br />

Taking a Chance<br />

Ambassador Donald S. Beyer, Jr.<br />

U.S. Ambassador to Switzerland and Liechtenstein<br />

«Only those who<br />

dare to fail greatly can<br />

ever achieve greatly.»<br />

John F. Kennedy<br />

“Taking a risk” is one of those life activities more<br />

comfortably advised than <strong>und</strong>ertaken. The fear<br />

of failure, or the fear of unforeseen consequences,<br />

can be paralyzing, even traumatizing. But<br />

achieving anything truly worthwhile will always entail<br />

accepting a certain amount of risk. Risk is as necessary<br />

to success as oxygen is to fire. Unless you’re willing to<br />

forego any chance of success, accepting a certain amount<br />

of risk is unavoidable.<br />

Managing Risk – Responsibly<br />

I’ve been lucky enough to enjoy three fulfilling careers<br />

– in business, in politics, and in diplomacy. Taking<br />

risk – and managing it responsibly – has been an integral<br />

part of each of these functions. The risks related to<br />

each of these jobs have varied, but I have always tried to<br />

approach them in a way that made the risks acceptable<br />

in light of the potential rewards and in consideration of<br />

the potential consequences. As a person who wants his<br />

life and career to have a positive and lasting impact, I<br />

have learned and accepted that risk is not something to<br />

be feared and avoided – it is something to be accepted<br />

and managed.<br />

Years ago, I read a philosophical comment from a<br />

driver in Italy’s Mille Miglia: Only those who do not<br />

move do not die – but are they not already dead?<br />

In my career as a political candidate and elected<br />

official, I was constantly aware that my actions, decisions,<br />

and views would affect many people. And I was<br />

also keenly aware that some people could be hurt. No<br />

sane person would enjoy making conscious decisions<br />

that damage others, but there are times when difficult<br />

decisions need to be made – decisions that not everybody<br />

will like. We are always trying to maximize the public<br />

good, but some individuals may be hurt. Where do we<br />

draw the line?<br />

20 years ago, as Lieutenant Governor of Virginia, I<br />

pushed for the establishment of a sex offender registry,<br />

which mandated that released sex offenders notify state<br />

«Risk is as necessary<br />

to success as<br />

oxygen is to fire.»<br />

government of their current residence at all times, and<br />

that this list be available to the general public. Later, of<br />

course, the registry was put on the Internet, searchable<br />

by all. Was this unfair to the sex offenders, who had<br />

served their sentence and paid their debt to society? Or<br />

was this a necessary risk, to provide certainty and safety<br />

to parents and children who wanted to make sure their<br />

neighbors were not a clear and present danger?<br />

Aro<strong>und</strong> the same time, I also successfully advocated<br />

for Virginia to be the first state in America to collect<br />

DNA samples – to be typed and stored permanently –<br />

on every person arrested. There is risk here, of course<br />

– what about the innocent person, incorrectly arrested<br />

and later cleared? What about someone arrested<br />

for drunk driving, with no suggestion of other violent<br />

crimes? Yet over the years, many unsolved crimes have<br />

Winter 2012 25


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

been cleared because of this DNA database – and many<br />

convicted (but innocent) rapists and even murderers<br />

have been released, their freedom restored, because we<br />

were willing to gather these DNA samples.<br />

Politics: Giving People You Don’t<br />

Know the Chance to Fire You<br />

Another risky aspect of political life is the requirement<br />

to put your job on the line every few years when<br />

you face an election. I have made it through four elections<br />

in which I was the candidate, and every one of<br />

them involved risks. Not just the risk of me losing a<br />

job, but also the risk of disappointing my supporters –<br />

people who had volunteered their time and money on<br />

my behalf. People who believed in me and in the things<br />

that I wanted to accomplish. There is no guarantee in an<br />

election – anything can happen, and at least 50% of the<br />

time, one candidate loses. But I did not take these risks<br />

irresponsibly. I made sure to do my part and worked<br />

hard to ensure a good outcome. Win or lose, I wanted<br />

my supporters to know that I had done my very best.<br />

Running for governor of Virginia was probably the<br />

biggest political risk I ever took. I had served two terms<br />

as lieutenant governor, and I believed that the best way<br />

for me to serve the state and the people I loved was by<br />

taking the risk to run for the state’s highest office. I<br />

wanted Virginia’s schools to be the best in the nation. I<br />

hoped to revitalize our infrastructure programs to make<br />

our economic growth more assured. I needed to shoulder<br />

this responsibility. I always like the wisdom, if you<br />

don’t run, you can’t win.<br />

If I didn’t run for governor, what would happen to<br />

all the things I had spent years learning Virginia needed<br />

– reducing unwanted teen pregnancies, keeping kids in<br />

school, finding housing for aging people with cognitive<br />

disabilities, and fighting the scourge of crystal meth in<br />

our poorest rural areas? So I dedicated myself heart<br />

and soul to the campaign – it was all I thought about,<br />

24 hours a day, for nine years and six months. I made<br />

countless phone calls to encourage supporters to donate<br />

to my campaign, kissed untold numbers of babies, and<br />

visited civic groups, factories, and public gatherings too<br />

numerous to count. I even drove 700,000 miles in these<br />

years. In the end, I lost badly. I was crushed, but I would<br />

do it all over again today. As Tennyson wrote: Tis better<br />

to have loved and lost / than never to have loved at all.<br />

Risky Business<br />

Before politics, my business was business, and I’ve<br />

seen lots of people take risks, and seen many fail, and<br />

many succeed. I cannot always predict which business<br />

opportunities will succeed and which won’t, but my father<br />

always said that behind every successful 50-yearold<br />

businessman is a 28-year-old failure. It is truly rare<br />

to see somebody get it all right the first time. The twenty-something<br />

prodigies who succeed, like Bill Gates or<br />

Mark Zuckerberg, are famous precisely because they are<br />

so unusual. Most of us mere mortals can’t expect our<br />

first big project to turn to gold, so we’ll need to be able<br />

to turn our failures into learning experiences.<br />

A good friend of mine, Mark Warner, is an excellent<br />

example. His first two attempts in the business world<br />

ended in bankruptcy and failure. But then he got it<br />

right, earning a fortune in the mobile phone industry.<br />

He then took another risk and entered politics, where<br />

he lost his first election for the U.S. Senate in 1996. But<br />

he bounced back, becoming Virginia’s governor in 2001<br />

26<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

and winning a seat in the Senate in 2008. Today Senator<br />

Warner is a most credible candidate for the US President<br />

in 2016.<br />

Running a business requires making difficult decisions<br />

every day. When I was actively involved in running<br />

my family’s automotive business, I was acutely aware<br />

that the decisions I made affected many people, including<br />

our employees, our customers, and my family. Personnel<br />

decisions are some of the most difficult to make<br />

because these impact the livelihoods of people directly.<br />

What land should we buy? Which franchise must we<br />

pursue? How much can we borrow? In 2007 I made the<br />

decision to build a new Volvo store in Winchester, Virginia,<br />

one of the fast-growing markets in the country. We<br />

gathered hopeful investors, borrowed too much money<br />

at too high a rate, and built a building bigger than we<br />

needed. Then, of course, 2008 happened, and our sales<br />

were almost Zero. I have never presided over that much<br />

red ink in my life. It hurt just to walk aro<strong>und</strong> the building.<br />

But we had to keep making the bank payments,<br />

and the investor returns – we took the risk, so we had to<br />

take the damage.<br />

When I kick myself, though, for taking this risk<br />

that turned out so poorly, I try to remember another<br />

risk in 2007/2008 – buying a Kia franchise for a decent<br />

price. My beloved and wise father was sure I was crazy.<br />

Kia? So I bought another Kia franchise. Today our family<br />

is selling 800 Kias a year, and another 3,000 to the<br />

rental car companies. We are the largest Kia dealer in<br />

the USA. And my dad is content with my sanity.<br />

Risk and Diplomacy<br />

We are blessed here in Switzerland to have few<br />

difficult problems between our Sister Republics. But<br />

this is hardly true aro<strong>und</strong> the world. We have watched<br />

President Obama and Secretary of State Hillary Clinton<br />

struggle to find the right balance in so many tragic and<br />

terrible conflicts. When is it right to commit American<br />

military force, as we did in Libya, but have not so far<br />

done in Syria? How do we disengage in Afghanistan and<br />

Iraq, allowing those peoples to self-govern and to take<br />

responsibility for their own societies, without running<br />

the risk of civil war or terrorist takeovers? How do we<br />

balance the risks and responsibilities for keeping Iran<br />

from developing a nuclear weapons arsenal?<br />

One thing we must certainly know: it is not possible<br />

to take genuine responsibility, to be a true world<br />

leader, without also assuming the great burden of risk<br />

that comes with these. We will make mistakes. We will<br />

misjudge. History will not always treat us kindly. But<br />

is our choice to avoid such risk? To sit idly by while<br />

billions starve, and billions more are enslaved? Or to<br />

«One thing we must<br />

certainly know: it is<br />

not possible to take<br />

genuine responsibility,<br />

to be a true world<br />

leader, without also<br />

assuming the great<br />

burden of risk that<br />

comes with these.»<br />

advocate and fight for freedom, self-determination, and<br />

human rights?<br />

But one final thought, from Mark Twain: I‘ve experienced<br />

many terrible things in my life, a few of which<br />

actually happened. I know I have worried far too much<br />

about some of my so-called risks, while making too little<br />

effort just to enjoy the ride. Von nichts, kommt nichts.<br />

About the Author<br />

Donald S. Beyer, Jr. took<br />

up his duties in Bern on<br />

August 15, 2009. He is a<br />

nationally recognized political,<br />

business and philanthropic<br />

leader. Over the<br />

last thirty years, he built<br />

a strong reputation in<br />

Virginia, where he started a successful business,<br />

and spent eight years as Lieutenant Governor. In<br />

2008, he chaired the Transportation and Land Use<br />

working group of the Governor’s Virginia Commission<br />

on Climate Change. Before his nomination<br />

to be Ambassador, he was asked by President<br />

Obama to lead the United States Department of<br />

Commerce Transition Team. Ambassador Beyer is<br />

a magna cum laude graduate of Williams College,<br />

where he received a Bachelor of Arts with Highest<br />

Honors in Economics. He and Megan Carroll Beyer<br />

married in 1987; they have four children.<br />

Winter 2012 27


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Lebenslange<br />

Finanzplanung <strong>und</strong><br />

Prof. Dr. Michael Hauer<br />

Geschäftsführer, Institut für Vorsorge <strong>und</strong> Finanzplanung<br />

<strong>Risiko</strong><br />

In der Finanzbranche wird der Begriff <strong>Risiko</strong> in der<br />

Regel mit dem <strong>Risiko</strong> von Verlusten bei der Finanzanlage<br />

verb<strong>und</strong>en. So wird z.B. das <strong>Risiko</strong> einer<br />

Wertpapieranlage unter anderem durch die mathematische<br />

Kennziffer Volatilität, also der „Schwankungsbreite“<br />

des Wertpapieres, beschrieben. Der Begriff <strong>Risiko</strong><br />

findet jedoch auch bei Investmententscheidungen im<br />

Zusammenhang mit Risiken, die den Menschen im Lebensablauf<br />

treffen können, Einzug.<br />

Persönliche Risiken <strong>und</strong><br />

Lebensphasenmodell<br />

Im Laufe des Lebens wird der Mensch mit unterschiedlichen<br />

persönlichen Risiken konfrontiert (vgl. hierzu<br />

das Lebensphasenmodell in der Abb. 1). Die Lebensrisiken<br />

können in zwei Hauptbereiche eingeteilt werden:<br />

I. Biometrische Risiken: (schwere) Krankheit,<br />

Berufsunfähigkeit, Erwerbsminderung, Unfall,<br />

Pflege, Tod <strong>und</strong> Langlebigkeit<br />

II.<br />

Risiken im Familien- <strong>und</strong> Arbeitsumfeld: Arbeitslosigkeit,<br />

Scheidung, Burn-out (temporäre Leistungsminderung<br />

im Laufe des Berufslebens)<br />

Obwohl die letztgenannten Risiken in der Regel<br />

nur einen temporären Zustand darstellen, dürfen sie<br />

nicht unterschätzt werden. Eine Scheidung oder auch<br />

Arbeitslosigkeit können aufgr<strong>und</strong> des psychischen Stresses<br />

Krankheiten auslösen <strong>und</strong> letztlich sogar in Berufsunfähigkeit<br />

münden. Das Thema temporäre Leistungsminderung<br />

im Berufsleben wird in den Industriestaaten<br />

ein immer größeres Problem. Dazu ist insbesondere für<br />

die jungen Leser anzumerken, dass dieses <strong>Risiko</strong> nicht<br />

Abbildung 1: Lebensphasenmodell<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

28<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

unterbewertet werden darf. Die Anforderungen an die<br />

Leistungsträger unserer Gesellschaft sind nicht nur intellektueller<br />

Art. Die hohen Ansprüche über lange Jahre<br />

hinweg erfordern gute Kondition <strong>und</strong> zwar in Körper<br />

<strong>und</strong> Geist. Der Spruch „Mens sana in corpore sano” vom<br />

römischen Dichter Juvenal aus dem 2. Jahrh<strong>und</strong>ert hat<br />

mehr Geltung denn je.<br />

Financial Planning als Beratungsansatz<br />

Bevor die einzelnen biometrischen Risiken <strong>und</strong><br />

die dazugehörigen Lösungsansätze betrachtet werden,<br />

wird nachfolgend zunächst der Financial Planning-<br />

Beratungsansatz, der in der Finanzbranche für die lebenslange<br />

bedürfnisorientierte Begleitung in finanziellen<br />

Angelegenheiten steht, aufgezeigt. Die weltweit<br />

Die „Hierarchie“ der Bedürfnisse<br />

Für die Bedeutsamkeit der einzelnen Risiken wird<br />

in der Finanzbranche unter anderem Bezug auf die Bedürfnispyramide<br />

nach Maslow genommen (vgl. Abb. 2).<br />

Diese Darstellung verdeutlicht sehr gut, welchen Risiken<br />

die höchste Priorität zugesprochen wird.<br />

Die physiologischen Bedürfnisse wie Ernährung,<br />

Schlaf <strong>und</strong> Fortpflanzung sind Gr<strong>und</strong>bedürfnisse, bei<br />

denen das reine biologische Überleben im Vordergr<strong>und</strong><br />

steht. Bei den <strong>Sicherheit</strong>sbedürfnissen auf der zweiten<br />

Ebene handelt es sich um Schutz vor negativen Einflüssen<br />

auf alles was man in der ersten Stufe erreicht hat. In<br />

der Finanzplanung setzt man an dieser Stelle mit den<br />

biometrischen Risiken an. Im Lebensphasenmodell (vgl.<br />

Abbildung 2: Die Bedürfnispyramide nach Maslow<br />

Quelle: Maslow, Abraham H.: „Motivation <strong>und</strong> Persönlichkeit”, 1978<br />

von den Financial Planning-Verbänden akzeptierte<br />

<strong>und</strong> auch gelebte Definition für Financial Planning lautet:<br />

“Financial Planning is a process to provide a client<br />

with impartial assistance in analyzing and organizing<br />

personal financial affairs in order to achieve financial<br />

and lifestyle goals”. Financial Planning stellt also einen<br />

Beratungsprozess dar, der Privatk<strong>und</strong>en objektive <strong>und</strong><br />

neutrale Unterstützung bei der Analyse <strong>und</strong> Planung ihrer<br />

persönlichen Finanzangelegenheiten gibt, um finanzielle<br />

Ziele in den einzelnen Lebensphasen zu erreichen.<br />

Die Aufgabe des Financial Planning bzw. des Beraters,<br />

der den K<strong>und</strong>en gemäß seiner Risiken im Lebensablauf<br />

beraten möchte, ist also eine ganzheitliche <strong>und</strong><br />

bedürfnisorientierte Beratung. Was muss nun im Einzelnen<br />

betrachtet <strong>und</strong> berücksichtigt werden?<br />

Abb. 1) betrifft es den Zeitraum vom Ende der Ausbildung<br />

bis ca. zum 30. Lebensjahr.<br />

Die Ges<strong>und</strong>heitsversorgung dient dazu, die Ges<strong>und</strong>heit<br />

<strong>und</strong> damit das Kapital Arbeit abzusichern.<br />

Eine wichtige Maßnahme bildet dabei der Abschluss<br />

einer Krankenversicherung, die für Arbeitnehmer in<br />

Deutschland eine Pflichtversicherung darstellt. Den<br />

wichtigsten Faktor jedoch bildet das Einkommen. Daher<br />

gilt:<br />

Die Einkommensabsicherung mit<br />

einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist<br />

unabdingbar.<br />

Winter 2012 29


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Sollte dies aufgr<strong>und</strong> von Vorerkrankungen nicht<br />

mehr möglich sein, dann sollte auf jeden Fall eine Erwerbsminderungsversicherung<br />

oder auch Gr<strong>und</strong>fähigkeitsversicherung<br />

durchgeführt werden. Der Unterschied<br />

zwischen einer Berufsunfähigkeitsversicherung<br />

<strong>und</strong> einer Erwerbsminderungsversicherung liegt darin,<br />

dass die Berufsunfähigkeitsversicherung eine Rentenzahlung<br />

leistet, falls man seinen Beruf gemäß seiner<br />

Ausbildung nicht mehr ausüben kann – die Erwerbsminderungsversicherung<br />

leistet, wenn man am allgemeinen<br />

Arbeitsmarkt nicht mehr einsatzfähig ist. Bei einer<br />

Gr<strong>und</strong>fähigkeitsversicherung sind die elementaren Eigenschaften<br />

wie Sehen, Hören, Sprechen <strong>und</strong> z.B. die Fähigkeit<br />

längere Zeit Stehen zu können abgesichert. Diese<br />

Versicherung leistet, falls eine Gr<strong>und</strong>fähigkeit verloren<br />

geht, selbst wenn man dann noch einen Beruf ausüben<br />

kann.<br />

Eine Todesfallversicherung benötigt man in jungen<br />

Jahren in der Regel nicht, außer man hat bereits eine<br />

selbstgenutzte Immobilie durch Fremdfinanzierung erworben<br />

<strong>und</strong> muss daher die Darlehen durch eine sogenannte<br />

Restschuldversicherung absichern.<br />

Unabhängig vom Alter gilt: Ist man verheiratet,<br />

sollten die Hinterbliebenen durch eine Todesfallversicherung<br />

finanziell abgesichert werden.<br />

Mit steigendem Alter sollte das Thema<br />

Pflegebedürftigkeit <strong>und</strong> Altersvorsorge<br />

zunehmend in den Fokus rücken.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt für jeden Bereich: je früher desto<br />

besser ist es, mit der Vorsorge zu beginnen. Allerdings<br />

muss man sich dies auch leisten können. Daher eine<br />

Übersicht mit den Empfehlungen, Risiken in Abhängigkeit<br />

von der Lebenssituation abzusichern (vgl. Tabelle).<br />

Diese Gr<strong>und</strong>absicherung ist das F<strong>und</strong>ament<br />

der Pyramide. Das bedeutet aber auch, dass bei einer<br />

nachlässigen Bauweise, also bei unzureichender oder<br />

keiner Absicherung, das F<strong>und</strong>ament unterhöhlt wird.<br />

Tritt eines Tages das unerwartete Ereignis ein, welches<br />

nicht abgesichert ist, kann die ganze Pyramide in sich<br />

einbrechen.<br />

Vermögensaufbau <strong>und</strong> Altersvorsorge<br />

Hat man die <strong>Sicherheit</strong>sbedürfnisse gemäß der<br />

Maslow´schen Bedürfnispyramide abgesichert, folgen<br />

zunächst die sozialen Bedürfnisse. Hier suchen die Menschen<br />

ihren Platz in der Gemeinschaft (belonging needs).<br />

Dieses Bedürfnis ist nicht materieller Art <strong>und</strong> kann daher<br />

auch nicht entsprechend abgesichert werden. Daher<br />

soll nun näher auf die Wertschätzungsbedürfnisse eingegangen<br />

werden. Diese stehen im Zusammenhang mit<br />

Anerkennung durch andere Menschen <strong>und</strong> dem eigenen<br />

Status.<br />

Im Laufe des Erwerbslebens erwirbt man sich einen<br />

gewissen sozialen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Status, den<br />

man natürlich auch im Ruhestand weiter behalten möchte.<br />

Daher ist das <strong>Risiko</strong> der Langlebigkeit, also das Risiin<br />

Ausbildung<br />

nach Ausbildung<br />

bis 30<br />

mittleres<br />

Alter bis 45<br />

ab 45 bis<br />

Ruhestand<br />

Krankheit Muss Muss Muss Muss<br />

Berufsunfähigkeit Soll Muss Muss Muss<br />

Erwerbsminderung<br />

Wenn BU nicht<br />

möglich<br />

Wenn BU nicht<br />

möglich<br />

Wenn BU nicht<br />

möglich<br />

Wenn BU nicht<br />

möglich<br />

Todesfall<br />

bei Familie oder bei Finanzierung von Immobilie relevant<br />

Dread Disease<br />

(schwere<br />

Krankheit)<br />

Nein<br />

Nein<br />

Für Topverdiener<br />

empfehlenswert<br />

Für Topverdiener<br />

empfehlenswert<br />

Pflegefall Nein Nein Soll Muss<br />

Langlebigkeit<br />

(Altersvorsorge)<br />

Kann Soll Muss Muss<br />

30<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

ko länger zu leben als die finanzielle Vorsorge ausreicht,<br />

kein objektives sondern ein subjektives <strong>Risiko</strong>. D.h. der<br />

Zielerreichungsgrad hängt von den individuellen Bedürfnissen<br />

ab – manchen Menschen erscheinen 50% bis<br />

60% vom letzten Nettoeinkommen ausreichend für die<br />

Versorgung im Alter, andere hingegen benötigen z.B. wegen<br />

teurer Hobbys das gleiche Nettoeinkommen wie in<br />

der Berufstätigkeitsphase. Bei einer Untersuchung von<br />

1.024 Verbrauchern hat das Institut für Vorsorge <strong>und</strong><br />

Finanzplanung festgestellt, dass der durchschnittliche<br />

Rentenbedarf im Alter in Deutschland bei 80% des letzten<br />

Nettoeinkommens liegt.<br />

Im Anschluss an die Gr<strong>und</strong>absicherung folgen die<br />

Altersvorsorge <strong>und</strong> der Vermögensaufbau. Dabei dient<br />

der Vermögensaufbau unter anderem für kurz- <strong>und</strong><br />

mittelfristige Investitionen, die auch zur Erfüllung von<br />

Wünschen <strong>und</strong> Träumen dienen wie z. B. einer Weltreise,<br />

eines Wintergartens usw. Natürlich wirken die Bausteine<br />

Altersvorsorge <strong>und</strong> Vermögensaufbau aufeinander ein.<br />

Die Altersvorsorge stellt die Investitionen für das<br />

Rentenalter dar. Es müssen gezielte Entscheidungen getroffen<br />

werden, um bei Eintritt der Rente den individuell<br />

gewünschten Lebensstandard halten zu können.<br />

In Deutschland wird die Altersvorsorge<br />

beachtlich durch den Staat gefördert.<br />

Insgesamt stehen neben der gesetzlichen Rentenversicherung<br />

<strong>und</strong> den berufsständischen Versorgungswerken<br />

für die freiberuflich Tätigen (z.B. Ärzte,<br />

Anwälte, Steuerberater, Architekten) drei staatlich geförderte<br />

Versorgungswege zur Verfügung, die freiwillig<br />

als Ergänzung durchgeführt werden können. Dies sind<br />

die Riester-Rente, die Basisrente <strong>und</strong> die betriebliche Altersversorgung.<br />

Alle drei Wege sind kapitalgedeckt <strong>und</strong><br />

werden steuerlich gefördert. Allerdings gibt es bei jedem<br />

staatlich geförderten Versorgungsweg Besonderheiten<br />

(bei der Riester-Rente die Zulage, bei der betrieblichen<br />

Altersversorgung die Sozialversicherungsfreiheit usw.),<br />

die hier den Rahmen sprengen würden. Welcher Weg<br />

der optimale für den Einzelnen ist <strong>und</strong> in welcher Höhe<br />

investiert werden muss, um den gewünschten Versorgungsgrad<br />

zu erreichen, kann nur durch eine umfassende<br />

Beratung auf der Basis der individuellen Bedürfnisse<br />

<strong>und</strong> Gegebenheiten geklärt werden. Ergänzend zur Altersvorsorge<br />

sollte noch das <strong>Risiko</strong> der Pflegebedürftigkeit<br />

im Auge behalten werden, da dieses <strong>Risiko</strong> aufgr<strong>und</strong><br />

der steigenden Lebenserwartung zunimmt.<br />

Die Spitze <strong>und</strong> damit die Fertigstellung der Pyramide<br />

stellt die Vermögensstreuung dar. Damit ist kein<br />

<strong>Risiko</strong> verb<strong>und</strong>en (außer das bereits anfangs erwähnte<br />

<strong>Risiko</strong> bei der Wertpapieroptimierung). Hat man diesen<br />

Baustein erreicht, ist man in der Lage sein Vermögen gezielt<br />

zu streuen. Dabei werden die verschiedensten Anlageformen<br />

unter Berücksichtigung aller steuerlichen Aspekte<br />

optimal eingesetzt. Das kann von Diversifikation<br />

bei Aktienanlagen bis hin zu speziellen Investments im<br />

Immobilienbereich gehen. Ist man an der Vermögensstreuung<br />

angelangt, kann man sich in der glücklichen<br />

Lage schätzen, dass die finanzielle Situation für die Zukunft<br />

eher positiv sein wird.<br />

Fazit<br />

Der Mensch lebt – ob er will oder nicht – mit Risiken.<br />

Die finanziellen Risiken durch biometrische Einschränkungen<br />

kann man jedoch sehr gut durch entsprechende<br />

Vorsorge abdecken. In welchem Grad dies der<br />

Einzelne tun will <strong>und</strong> kann, hängt von den individuellen<br />

Bedürfnissen ab. Empfehlenswert ist es, sich auf jeden<br />

Fall in den entsprechenden Lebensphasen mit den potenziellen<br />

Lebensrisiken auseinander zu setzen <strong>und</strong> sich<br />

dabei an einen Berater zu wenden, der eine ganzheitliche,<br />

bedürfnisorientierte Beratung durchführen kann.<br />

Lebenslauf<br />

Prof. Michael Hauer ist am<br />

3. Februar 1963 in Neustadt/Waldnaab<br />

in der<br />

Nähe von Weiden in der<br />

Oberpfalz geboren. Er ist<br />

Gründer, Gesellschafter<br />

<strong>und</strong> Geschäftsführer des<br />

Instituts für Vorsorge <strong>und</strong><br />

Finanzplanung, das sich<br />

intensiv mit den Themen<br />

Financial Planning <strong>und</strong> Altersvorsorge beschäftigt.<br />

In diesen Bereichen ist Michael Hauer auch als<br />

Fachautor zahlreicher Publikationen (u.a. für den<br />

Rudolf Haufe Verlag) <strong>und</strong> als Referent tätig.<br />

Michael Hauer ist Diplom-Mathematiker <strong>und</strong> Certified<br />

Financial Planner. Von 1993 bis 2000 war er<br />

in leitender Funktion bei der Commerzbank <strong>und</strong><br />

Dresdner Bank im Bereich Financial Planning tätig.<br />

Seit dem Jahr 2000 ist er Lehrbeauftragter <strong>und</strong> seit<br />

März 2012 Honorar-Professor im Fachbereich „Finanzmärkte<br />

<strong>und</strong> Financial Planning“ an der Hochschule<br />

für angewandte Wissenschaften Amberg-<br />

Weiden. Für den Fachbereich Altersvorsorge ist<br />

er seit 2004 Dozent an der ebs European Business<br />

School Finanzakademie, Oestrich-Winkel.<br />

Homepage: www.vorsorge-finanzplanung.de<br />

Mail: michael.hauer@vorsorge-finanzplanung.de<br />

Winter 2012 31


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Demographischer Wandel,<br />

Kapitalmarktrisiken<br />

<strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene<br />

Herausforderungen<br />

im Bereich der<br />

Prof. Dr. Martin Eling<br />

Alterssicherung<br />

Direktor Institut für Versicherungswirtschaft, Universität St. Gallen<br />

Das Schweizerische Drei-Säulen-Modell ist<br />

ein ausgewogenes Alterssicherungssystem<br />

auf einem hohen Leistungsniveau. Dies vor<br />

allem, da es das Umlage- <strong>und</strong> Kapitaldeckungsverfahren<br />

miteinander kombiniert, was zu eine<br />

Diversifikation der Risiken beiträgt (Vgl. Tabelle 1).<br />

Dementsprechend wird das Schweizer System in vielen<br />

internationalen Studien als vorbildlich hervorgehoben.<br />

Um dieses leistungsfähige System auch für zukünftige<br />

Generationen zu erhalten, sind Reformen<br />

dringend notwendig. Hintergr<strong>und</strong> ist der demographische<br />

Wandel, der alle Industrienationen vor erhebliche<br />

gesellschaftspolitische Herausforderungen stellt. Die<br />

zunehmende Lebenserwartung <strong>und</strong> eine geringe Geburtenrate<br />

führen dazu, dass sich das Verhältnis von Erwerbstätigen<br />

zu Rentnern von derzeit etwa 3:1 auf 2:1<br />

schon im Jahr 2030 verschiebt. Vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

dieser rapiden Veränderung sind Reformen der Alterssicherung<br />

sehr dringend.<br />

In dieser Arbeit analysieren wir die Entwicklung<br />

des Schweizerischen Altersvorsorgesystems im Lichte<br />

des demographischen Wandels <strong>und</strong> der Entwicklung an<br />

Umlageverfahren (erste Säule)<br />

Anfällig für Änderungen in der<br />

Demographie<br />

Geringes Kapitalmarktrisiko<br />

(AHV Fonds)<br />

Kapitaldeckungsverfahren<br />

(zweite <strong>und</strong> dritte Säule)<br />

Deutlich weniger anfällig für<br />

Änderungen in der Demographie<br />

Hohes Kapitalmarktrisiko, beding durch Spar- <strong>und</strong><br />

Entspar-Prozess<br />

Tabelle 1: Vor- <strong>und</strong> Nachteile des Umlage- <strong>und</strong> Kapitaldeckungsverfahren<br />

den Kapitalmärkten. In diesem Artikel präsentieren wir<br />

Analysen, die im Rahmen des Projekts „Der Generationenvertrag<br />

in Gefahr: Eine Analyse der Transfers von<br />

Jung nach Alt in der Schweiz“ erarbeitet wurden, welches<br />

Ende 2012 als Buch erscheinen wird.<br />

32<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Abbildung 1: Die Ursachen des demografischen Wandels in der Schweiz – eine<br />

höhere Lebenserwartung <strong>und</strong> eine geringere Geburtenrate<br />

Datenquelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />

Der demografische Wandel<br />

in der Schweiz<br />

Der demografische Wandel ist bereits seit Jahren<br />

fester Bestandteil der politischen Debatte 1 . Die zunehmende<br />

Lebenserwartung <strong>und</strong> die relativ geringe Geburtenrate<br />

sind die beiden Ursachen dafür, dass der Anteil<br />

der Älteren an der Gesamtbevölkerung stetig zunimmt.<br />

Die Zunahme der Lebenserwartung ist insbesondere<br />

mit dem medizinisch-technischen Fortschritt, einer<br />

verbesserten hygienischen Situation <strong>und</strong> dem gesünderen<br />

Lebenswandel zu erklären. All diese Aspekte ermöglichen<br />

heute in vielen Fällen ein leistungsfähiges Leben<br />

bei guter Ges<strong>und</strong>heit bis ins hohe Alter. Beim Erreichen<br />

des Alters 65 leben Männer heute im Durchschnitt weitere<br />

18 Jahre, Frauen sogar 23 Jahre. Gegenüber 1980<br />

entspricht dies einer Zunahme um mehr als 3 Jahre, d.h.<br />

in etwa eine jährliche Zunahme um einen Monat (Vgl.<br />

linke Seite der Abbildung 1). Im Jahr 2050 erwartet das<br />

B<strong>und</strong>esamt für Statistik eine Rest-Lebenserwartung im<br />

Alter von 65 von 23 Jahren für Männer <strong>und</strong> 26 Jahren<br />

für Frauen 2 .<br />

Zudem ist eine relativ geringe Geburtenrate von<br />

1.5 Kindern pro Frau seit dem „Pillenknick“ ab der zweiten<br />

Hälfte der 1960er Jahre zu beobachten (Vgl. rechte<br />

Seite der Abbildung 1). Eine Änderung dieses Trends ist<br />

gemäss dem B<strong>und</strong>esamt für Statistik derzeit nicht in<br />

Sicht. In den kommenden Jahrzehnten wird dementsprechend<br />

weiter mit einer Geburtenrate von durchschnittlich<br />

etwa 1.5 Kindern pro Frau gerechnet.<br />

Die Konsequenz des demographischen Wandels ist<br />

eine enorme Alterung der Gesellschaft, wie sie in Abbildung<br />

2 dargestellt ist. Die Abbildung illustriert dabei,<br />

dass der wesentliche „Buckel“ des demographischen<br />

Wandels in den kommenden 20 Jahren bevorsteht. Dies<br />

wird durch die hohe Steigung der Kurve in Abbildung<br />

2 in den Jahren 2010 bis 2030 angezeigt. Hintergr<strong>und</strong><br />

ist, dass die sogenannte Baby-Boomer-Generation (Geburtsjahrgänge<br />

1946 bis 1964) in den kommenden Jahren<br />

in Rente geht. Dies ist wichtig zu betonen, da über<br />

das Thema demographischer Wandel bereits seit einigen<br />

Jahrzehnten diskutiert wird, aber die Entwicklung jetzt<br />

eine noch höhere Dynamik <strong>und</strong> Brisanz erhalten wird.<br />

Dementsprechend kann zum Beispiel auch Migration<br />

keine Lösung für die Herausforderungen des demographischen<br />

Wandels bieten 3 .<br />

Der Anteil der Personen über 65 Jahre wird sich<br />

von 2010 bis 2030 in etwa verdoppeln. Diese schnelle<br />

Entwicklung hat gr<strong>und</strong>legende Veränderungen in nahezu<br />

allen gesellschaftlichen Bereichen zur Folge. Stark<br />

1 Gemäss World Economic Forum (2008) stellt die Überalterung<br />

der Weltbevölkerung eine der grössten Herausforderungen für<br />

die Sozialversicherungssysteme in entwickelten <strong>und</strong> weniger entwickelten<br />

Ländern dar. Der Bericht veranschaulicht speziell anhand<br />

von China <strong>und</strong> Italien wichtige Faktoren auf der Makro- <strong>und</strong><br />

Mikroebene, welche die Finanzierung <strong>und</strong> Nachhaltigkeit dieser<br />

Systeme beeinflussen.<br />

2 Dies entspricht dem mittleren Szenario des B<strong>und</strong>esamts für Statistik.<br />

Bei der Betrachtung alternativer Szenarien des B<strong>und</strong>esamts<br />

für Statistik zeigt sich, dass die Variation des Altersquotienten<br />

relativ gering ist, d.h. der demographische Wandel tritt in<br />

sehr ähnlicher Form auf.<br />

3 Migration wird in den Analysen mit berücksichtigt, da entsprechende<br />

Annahmen in den Prognosen des B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />

integriert sind. Im mittleren Szenario des BFS wird ein Wanderungssaldo<br />

von langfristig 22500 pro Jahr angenommen, was in<br />

etwa dem Durchschnitt der vergangenen 50 Jahre entspricht. Die<br />

Veränderungen der Demographie sind beispielsweise so massiv,<br />

dass die Schweiz im Jahr 2040 17 Millionen Einwohner benötigen<br />

würde, um einen konstanten Altersquotienten aufzuweisen,<br />

was in etwa einer Verdopplung der derzeitigen Bevölkerung<br />

gleich käme. Dementsprechend kann Migration keinen echten<br />

Beitrag zur Lösung der anstehenden Herausforderungen bieten.<br />

Winter 2012 33


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Abbildung 2: Die Konsequenzen des demographischen Wandels – Zunahme des Altersquotienten<br />

Datenquelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />

beeinflusst durch den demografischen Wandel sind unter<br />

anderem die Arbeitswelt, die Bildung, die Erziehung<br />

sowie die soziale Sicherung.<br />

Die Kapitalmarktentwicklung<br />

in der Schweiz<br />

Erschwerend kommt in den letzten Jahren eine<br />

relativ schwache Kapitalmarktentwicklung in Form eines<br />

anhaltend niedrigen Zinsniveaus hinzu. Abbildung<br />

3 zeigt in diesem Zusammenhang die Kapitalmarktentwicklung<br />

am Beispiel der Renditen von 10-jährigen Obligationen<br />

der Eidgenossenschaft. Während zu Beginn<br />

des Jahrtausends noch Rendite im Bereich von drei bis<br />

vier Prozent üblich waren, können in jüngerer Zeit nur<br />

noch Renditen von unten einem Prozent erzielt werden.<br />

Diese Entwicklung hat ebenfalls Implikationen für<br />

die Alterssicherung, zum Beispiel im Bereich der AHV.<br />

Während ursprünglich Erträge des Kapitalmarkts als<br />

weiteres Beitragselement in die AHV eingehen sollten,<br />

wird der Kapitalmarkt diese Rolle zumindest in den<br />

kommenden Jahren nicht wahrnehmen können. Der<br />

Kapitalmarkt als „dritter Beitragszahler“ fällt auf absehbare<br />

Zeit damit aus.<br />

Generationengerechtigkeit<br />

erfordert Anpassung<br />

Perspektivrechnungen des B<strong>und</strong>esamts für Sozialversicherung<br />

zeigen, dass in der AHV Defizite in<br />

zweistelliger Milliardenhöhe anstehen, wenn die Alterssicherung<br />

unverändert fortgeführt wird 4 . Eine aktuelle<br />

Studie des Instituts für Versicherungswirtschaft<br />

kommt zu dem Schluss, dass auch in der beruflichen<br />

Vorsorge Umverteilungen in Milliardenhöhe entstehen,<br />

da der aktuell gültige Umwandlungssatz eine zu<br />

niedrige Lebenserwartung unterstellt. Dies bewirkt<br />

eine Umverteilung der heute Aktiven hin zu den Rentnern,<br />

was aus Perspektive der Generationengerechtigkeit<br />

äusserst unfair ist.<br />

Damit der Generationenvertrag nicht in eine extreme<br />

Schieflage gerät <strong>und</strong> das erfolgreiche Schweizer<br />

Drei-Säulen-Modell fortgeführt werden kann, sind<br />

Reformen notwendig. Nachfolgend wird ein Reformvorschlag<br />

diskutiert, der helfen kann die Stabilität der<br />

Alterssicherung wieder herzustellen. Eine Indexierung<br />

des Rentenalters an die Lebenserwartung fördert die<br />

Nachhaltigkeit sowohl in der AHV <strong>und</strong> der beruflichen<br />

Vorsorge <strong>und</strong> ist aus Sicht der Generationengerechtigkeit<br />

zu begrüssen.<br />

Ein Reformvorschlag: Kopplung des<br />

Rentenalters an die Lebenserwartung<br />

Bereits zwölf OECD Länder haben ein Rentenalter<br />

von mindestens 67 Jahren beschlossen 5 . Dies obwohl<br />

sie allesamt eine niedrigere Lebenserwartung ihrer Bevölkerung<br />

als die Schweiz aufweisen. Eine behutsame<br />

Heraufsetzung des Rentenalters ist wichtig, weil dadurch<br />

der Zeitraum, in dem in die Rentenversicherung<br />

eingezahlt wird, verlängert wird.<br />

Eine interessante Überlegung kann in diesem Zusammenhang<br />

eine Verknüpfung von Rentenalter <strong>und</strong><br />

Lebenserwartung darstellen, da sie die Thematik der<br />

Demographie objektiviert <strong>und</strong> zugleich entpolitisiert.<br />

Diese Idee wurde in Dänemark bereits verwirklicht, wo<br />

4 Vom Jahr 2010 bis zum Jahr 2030 wird mit einem Defizit von<br />

kumuliert 57.4 Mrd. Franken gerechnet. Die Staatsverschuldung<br />

des B<strong>und</strong> beträgt zum Vergleich 110 Mrd. Franken.<br />

5 Dies sind neben USA <strong>und</strong> Israel die EU-Länder Grossbritannien,<br />

Deutschland, Norwegen, Dänemark, Island, Italien, Polen, Australien,<br />

Niederlande <strong>und</strong> Irland. Weitere Länder planen derzeit<br />

eine Erhöhung des Rentenalters.<br />

34<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Abbildung 3: Kapitalmarktentwicklung am Beispiel der Renditen<br />

von 10-jährigen Obligationen der Eidgenossenschaf<br />

Datenquelle: SNB<br />

eine Indexierung des Renteneintrittsalters vorgenommen<br />

wird, so dass sich das Renteneintrittsalter entsprechend<br />

der Lebenserwartung entwickelt. Das indexierte<br />

Rentenalter orientiert sich ab dem Jahr 2015 an der Differenz<br />

von der dann aktuellen Lebenserwartung eines<br />

60-Jährigen <strong>und</strong> der Lebenserwartung eines 60-Jährigen<br />

der Jahre 2004/2005 (81,4 Jahre), wobei die<br />

durchschnittliche Rentenbezugsdauer etwa 14,5 Jahren<br />

betragen soll. Die Anpassung des Renteneintrittsalters<br />

an den so ermittelten Wert wird dann erstmalig im Jahr<br />

2030 erfolgen, so dass die betroffenen Personen eine<br />

Vorlaufzeit von 15 Jahren haben, um sich auf ihr persönliches<br />

Renteneintrittsalter einzustellen. Durch die<br />

Indexierung wird erwartet, dass das gesetzliche Renteneintrittsalter<br />

in Dänemark im Jahr 2045 bei etwa 71<br />

Jahren <strong>und</strong> im Jahr 2060 bei etwa 72,5 Jahren liegen<br />

wird. Der deutsche Sachverständigenrat (2011) bezeichnet<br />

die regelgeb<strong>und</strong>ene Anpassung des Renteneintrittsalters<br />

an die Lebenserwartung als vorteilhaft <strong>und</strong> empfiehlt<br />

diese in Deutschland einzuführen.<br />

Reformmassnahmen durch flankierende<br />

Massnahmen unterstützen<br />

In einigen Branchen können Arbeitnehmer aufgr<strong>und</strong><br />

körperlicher Grenzen nicht bis ins hohe Alter arbeiten.<br />

Es ist dementsprechend darauf zu achten, dass<br />

sozial Schwache durch eine Reform nicht schlechter<br />

gestellt werden. Es darf aber auch nicht übersehen werden,<br />

dass es z.B. viele Akademiker gibt, die selbst mit 67<br />

Jahren noch gerne arbeiten möchten. Die Schweiz hat<br />

als Dienstleistungsland überdurchschnittlich viele Menschen,<br />

die nicht körperlich hart arbeiten sowie einem<br />

erheblichen Fachkräftemangel (z.B. in der Assekuranz).<br />

Viele Menschen sind also nicht nur Willens <strong>und</strong> in der<br />

Lage länger zu arbeiten, sondern sie werden auch dringend<br />

gebraucht.<br />

Lebenslauf<br />

Martin Eling ist Professor<br />

für Versicherungsmanagement<br />

<strong>und</strong> Direktor<br />

des Instituts für<br />

Versicherungswirtschaft<br />

an der Universität St. Gallen.<br />

Seine Arbeitsschwerpunkte<br />

liegen in den<br />

Bereichen Microinsurance, <strong>Risiko</strong>management,<br />

Performancemessung <strong>und</strong> der Gestaltung zukunftsfähiger<br />

Sozialversicherungssysteme. Bevor<br />

seiner Zeit in St. Gallen war er Professor für Versicherungswirtschaft<br />

<strong>und</strong> Direktor des Instituts für<br />

Versicherungswissenschaften an der Universität<br />

Ulm. Studiert <strong>und</strong> promoviert hat er an der Universität<br />

Münster, habilitiert an der Universität St.<br />

Gallen.<br />

Homepage: www.ivw.unisg.ch/me<br />

Email: martin.eling@unisg.ch<br />

Winter 2012 35


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Risk and Security in a<br />

Continent of<br />

So-Called Peace<br />

Patrick Hamm<br />

Phd Fellow at the Institute of Sociology at Harvard University<br />

The European Union’s recent acquisition of<br />

the Nobel Peace Prize makes for an appropriate<br />

occasion to examine what European<br />

peace actually consists of, and whether and<br />

how this “peace” reflects fluctuating definitions of risk<br />

and security in the Western world. On October 12,<br />

2012, the Nobel Committee announced that this year‘s<br />

award will go to the European Union for its ongoing efforts<br />

to transform Europe “from a continent of war to<br />

a continent of peace.” At first glance, the Committee’s<br />

decision seems utterly baffling, since Europe appears<br />

to be everything but internally at peace: growing income<br />

inequality and threats of austerity measures<br />

provoke millions of <strong>und</strong>er- and unemployed workers<br />

to take to the streets, open and vitriolic disagreement<br />

exists between Europe’s governments and peoples,<br />

budgets continuously fail to pass, and as the viability<br />

of the Euro and the future of the Eurozone are being<br />

publicly debated, businesses flee Athens and police<br />

beat and gas protesters at the foot of the Acropolis.<br />

While it is ultimately pointless to debate the<br />

merits of this year’s award winner, it is important to<br />

note a special irony in the Nobel Committee’s choice<br />

to award the Peace Prize to the EU. Leading up to the<br />

Committee‘s decision, deadlocked European leaders,<br />

unable and unwilling to reconcile their states’ respective<br />

financial interests with those of the EU and<br />

their neighbors, engaged in bitter disputes that spilled<br />

from posh negotiating chambers to the airwaves. And<br />

within days of the official announcement of the prize,<br />

widespread protests and general strikes erupted across<br />

Europe, from London to Athens, as dispirited, frustrated,<br />

and increasingly venomous voices demanded<br />

an end to austerity, social dislocation, and the institutional<br />

structures that sustain them. Indeed, perhaps<br />

the Committee’s decision makes sense only if, like the<br />

New York Times, one views it as “a plea to support the<br />

endangered institution at a difficult hour.” In reality,<br />

the EU is at peace only insofar as its member states<br />

have not yet attacked each other with actual weapons<br />

and artillery. It is marked by discontent on three levels:<br />

between governments, between governments<br />

and their citizens, and between citizens of different<br />

European states. It is, in short, characterized by internecine<br />

strife.<br />

And yet these manifestations of economic and political<br />

risk – mass protests, social polarization, uneven<br />

economic growth, and so forth – are not temporary byproducts<br />

of the economic crisis or the post-recession<br />

economic adjustments <strong>und</strong>ertaken by European policymakers.<br />

To the contrary, these risks are hardwired<br />

into the structure of the EU – that is, the institutional<br />

architecture of the common market and common currency<br />

–, and they are amplified by the disproportionate<br />

power and influence of key economic players within it.<br />

Herein lies the true irony of the 2012 Nobel Peace Prize<br />

recognition.<br />

In selecting this year‘s recipient, the Nobel Committee<br />

chose to “focus on what it sees as the EU‘s most<br />

important result: the successful struggle for peace and<br />

reconciliation and for democracy and human rights.”<br />

The European Commission, the union’s executive<br />

governance body, on the other hand, emphasizes a<br />

different set of accomplishments centered on Europe‘s<br />

economic integration: “The Single Market is one of the<br />

EU’s main achievements. 50 years after its inception,<br />

it has not only fuelled economic growth; it has also become<br />

a part of Europeans’ everyday lives.” Indeed, the<br />

European Union was not formed with the objective of<br />

promoting peace per se but rather aimed at pacifying<br />

Europe by economic means. It is this unsteady “peace”<br />

– brokered in the form of economic competition in a<br />

common market framework – that is today responsible<br />

for the growing salience of “risk” and “security” concerns<br />

in Europe, as the phenomena <strong>und</strong>erlying their<br />

emergence are an inevitable consequence of (uneven)<br />

market competition.<br />

36<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

The European Union: History<br />

and Institutional Objectives<br />

Scarred by two costly and tragic world wars and<br />

newly threatened by a steely and increasingly unfriendly<br />

set of Eastern neighbors, six Western European<br />

nations – France, Germany, Belgium, Italy,<br />

Luxembourg, and the Netherlands – fo<strong>und</strong>ed the<br />

European Coal and Steel Community (ECSC) in 1951<br />

and signed a treaty that would, in the words of the<br />

EU, “tie their coal and steel industries so closely together<br />

that they could never again go to war against<br />

each other.“ This justification – that the predecessor<br />

to the modern-day European Union was created out<br />

of a drive for peace – conveniently sidesteps two significant<br />

issues. First, the ECSC was established, in<br />

part, to prevent a renewed rise in German dominance<br />

by linking the country’s economic fate in key sectors<br />

to those of neighboring countries. Second, the ECSC’s<br />

formation stemmed from its members’ collective realization<br />

that no single European nation-state was<br />

powerful enough, by itself, to militarily subdue or<br />

control its neighbors. In a post-war environment dominated<br />

by the militarily and economically powerful<br />

United States, the ECSC was an economic bloc forged<br />

out of necessity in order to remain competitive with<br />

the so-called superpowers. Peace was not its primary<br />

function; the EU was, from its inception, designed to<br />

yield economic returns for its member states, themselves<br />

the strongest economies in Western Europe.<br />

During the subsequent decades, the multiplying<br />

and strengthening economic ties between Europe’s<br />

nation-states began to gesture toward a broader program<br />

of continental integration. In 1968, the European<br />

Economic Community (EEC; the successor<br />

to the ECSC, created by the Treaty<br />

of Rome in 1957) abolished trade quotas<br />

and tariffs but left non-tariff barriers in<br />

place, thereby easing the flow of goods and<br />

services between member states while preserving<br />

their economic sovereignty. As the<br />

EEC steadily attracted new members – including<br />

Greece, in 1981 –, more and more<br />

European countries became invested in the<br />

fortunes of the common market. Following<br />

the adoption of the Schengen Agreement<br />

in 1985, its signatory governments passed<br />

some 280 legislative measures to create<br />

the institutional infrastructure of the single<br />

market, a process which was largely complete<br />

by 1993, when the Treaty of Maastricht<br />

formally established the European<br />

Union and its leaders began to speak of<br />

a sea-change in terms of a supra-national<br />

European identity. “Euro optimism” began<br />

to infuse the continent’s cultural discourse. There was<br />

a sense that the era of competing Great Powers had<br />

finally ceded to a post-nationalist paradigm characterized<br />

by European cosmopolitanism. L’Auberge Espagnole,<br />

the 2002 French film which romanticizes a<br />

French graduate student’s experiences during an Erasmus<br />

exchange fellowship in Barcelona, is perhaps the<br />

most well-known piece of popular culture capturing<br />

the sentiment of that period.<br />

But the tender moments of cultural, romantic,<br />

and intellectual exchange between a French student<br />

and his newfo<strong>und</strong> Belgian, British, Danish, Spanish,<br />

German, and Italian friends belie the disparate opportunities<br />

and outcomes provided for in the Treaty of<br />

Maastricht and the EU’s investment of political and<br />

economic clout in its most economically competitive<br />

member states. The common market created clear<br />

winners and losers, and winning or losing was not left<br />

to chance. Thus, inequality was built into the blueprint<br />

of modern Europe.<br />

Who Benefits from the<br />

Common Market?<br />

Earlier this year, Germany’s economy garnered<br />

praise from the national press and political parties<br />

for once again attaining the title of “Exportweltmeister”<br />

(export world champion), as it re-surpassed China<br />

in having the world’s largest positive trade balance.<br />

With robust manufacturing, engineering, technology<br />

and financial sectors, Germany continues to export<br />

more goods and services than any other country in the<br />

world. But its much-heralded success as “Exportweltmeister”<br />

is not simply the reward of innate or histori-<br />

Trade balances of select EU nations<br />

Source: OECD Economic Outlook, Vol. 2012, No. 91-1<br />

(Statistical Annex Table 47: Trade balances for goods and services).<br />

Winter 2012 37


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

cal German superiority in any of these sectors, nor is it<br />

simply the unearned fruit of especially weak or dispirited<br />

competitors. Germany’s ongoing economic success,<br />

fraught with risks and instability though it may<br />

be, stems from a series of government-led efforts geared<br />

toward reducing the country’s high average labor<br />

costs and creating greater employment flexibility. These<br />

measures were implemented during the first half of<br />

the 2000 decade and subsequently allowed Germany<br />

to take unprecedented advantage of Europe’s common<br />

market – by consistently out-competing its neighbors<br />

(see Figure 1).<br />

Beginning in 2003, Chancellor Gerhard Schröder’s<br />

government instituted a series of “pro-growth” labor<br />

market and welfare state reforms known as Agenda<br />

2010, which curtailed unemployment and healthcare<br />

benefits, and reduced old-age pension levels (while<br />

raising the age of initial eligibility). It was a marked<br />

shift from the climate of high manufacturing wages<br />

and secure jobs, which had prevailed in Germany for<br />

decades. The result was the emergence of a sizeable<br />

low-wage sector, characterized by greater employment<br />

vulnerability and increasingly occupied by temporary,<br />

seasonal, and other kinds of flexible workers. As Figure<br />

2 shows, German labor costs, which used to be<br />

among the highest in Europe, fell significantly below<br />

the Eurozone’s average. Aro<strong>und</strong> the middle of the decade,<br />

German firms began to reap the benefits of their<br />

new low-wage workforce, which in combination with<br />

heavy capital investment and government subsidies<br />

for advanced production technologies, allowed the nation<br />

to become extremely competitive in high-valueadded<br />

exports. Given the favorable exchange rate that<br />

had been applied to the Deutsche Mark during the<br />

introduction of the Euro, these developments further<br />

enhanced Germany’s economic advantage relative to<br />

its neighbors.<br />

Yet in Europe’s common market, as in any market<br />

framework, there are winners and losers. In the<br />

European Union, the Greek people are perhaps the<br />

most clear-cut losers, despite the supposed benefits<br />

offered by EU membership. After joining the union<br />

in 1981, Greece became a major recipient of intra-<br />

EU transfer payments. The introduction of the Euro<br />

further enhanced the Greek government‘s fiscal capacity,<br />

allowing it to issue debt in a competitive currency<br />

on global financial markets. Greek leaders, however,<br />

did not spend this capital wisely – at least not in the<br />

eyes of global financial markets. Heavy investment in<br />

infrastructure upgrades and national modernization<br />

Trends in EU labor costs<br />

Source: OECD.Stat. Dataset: Unit Labour Costs - Annual Indicators. http://stats.oecd.org/ (accessed November 5, 2012).<br />

38<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

projects (as opposed to the build-up of productive capacities)<br />

did not accomplish their implied objective of<br />

stimulating domestic economic growth and ultimately<br />

transforming Greece into a competitive export nation.<br />

Hence, Greece’s economy remains dependent upon its<br />

flagging tourism industry and agricultural production.<br />

When compared with the economic landscapes<br />

of advanced industrialized Western states like Germany<br />

and France, Greece’s manufacturing, technology,<br />

and financial sectors seem all but non-existent.<br />

This apparent failure to develop now manifests<br />

itself in the identification of corruption, rent-seeking,<br />

and wastefulness as the hallmarks of Greek national<br />

character. Additional financial support for a supposedly<br />

irresponsible government has been difficult to<br />

come by, and more often than not has come with unbearable<br />

and devastating conditions. Greece’s lenders<br />

in the EU and the IMF have not been kind, demanding<br />

steep spending cuts and austerity measures in return<br />

for additional financing necessary to maintain the<br />

state. On October 9, amid raucous protests in Greece<br />

and elsewhere and just three days before the Nobel<br />

Committee’s Peace Prize announcement, Eurogroup<br />

chairman Jean-Claude Juncker, speaking to a group<br />

of finance ministers of the 17-nation single currency<br />

area, touted his advocacy for what amounts to highstakes,<br />

high-risk political blackmail: “We stressed that<br />

before the next disbursement Greece clearly and credibly<br />

should demonstrate its commitment to fully implement<br />

the programme - and 89 prior actions from<br />

March should be implemented by the 18th of October<br />

at the latest.“ Most recently, German finance minister<br />

Wolfgang Schäuble referred to Greece‘s state finances<br />

as a “bottomless pit.”<br />

While over a quarter of the Greek labor force remains<br />

unemployed, public f<strong>und</strong>s continue to go toward<br />

shooting water cannons and teargas at protesters<br />

who demand that their government refrain from<br />

implementing further austerity measures <strong>und</strong>er the<br />

pressure of Northern European creditor states. As<br />

one Greek protester puts it, “They are rich, they have<br />

everything and we have nothing and are fighting for<br />

crumbs, for survival.” Given its initial starting point,<br />

its competitors’ inherent advantages, and the zerosum<br />

logic of the European common market, one must<br />

ask: How could anyone expect Greece to become the<br />

next story of successful capitalist development, when<br />

this small nation on the southern periphery of the EU<br />

was competing with the likes of Germany and France?<br />

Risk and Security<br />

As we examine the EU’s current political circumstances,<br />

it bears acknowledgement that it is primarily<br />

the heads of northern European states (and financial<br />

market analysts, for that matter) who frame the<br />

myriad manifestations of social discontent currently<br />

fo<strong>und</strong> in Europe as matters of “risk” and “security”<br />

(the journal‘s topic of discussion in the present issue).<br />

Ultimately, it‘s all about perspective. For Greek<br />

workers, subjected to budget cuts and austerity measures,<br />

and stereotyped and slandered as “lazy” by media<br />

aro<strong>und</strong> the globe, the hypocrisy of awarding the<br />

Nobel Peace Prize to the European Union is justifiably<br />

reason enough to engage in violent protests. Their anger<br />

is directed not only at the Greek government and<br />

domestic economic elites but also toward the wealthy<br />

states of northern Europe, and at the EU itself. Over<br />

time, competition in the common market produced<br />

winning and losing states in the EU. And these differences<br />

that emerge from competition are about to<br />

be institutionalized insofar as national governments<br />

of debt-ridden European states are expected to cede<br />

part of their fiscal sovereignty to the EU, which is effectively<br />

run by two nations: France and Germany. As<br />

it stands, unless there is a major structural overhaul<br />

of Europe‘s economic system on both the national and<br />

supra-national level, responsibility for the consequences<br />

to the continent‘s heightened risk and increasingly<br />

volatile security environment will lie squarely with<br />

the European Union.<br />

About the Author<br />

Patrick Hamm is a<br />

Lecturer on Sociology at<br />

Harvard University, where<br />

he currently teaches a<br />

course on inequality and<br />

poverty in capitalist societies.<br />

Born in Germany, he<br />

holds a Bachelor‘s degree<br />

in Ethics, Politics & Economics from Yale University<br />

and received both a Master’s Degree and Ph.D.<br />

in Sociology from Harvard University, where he<br />

focused on the areas of political economy and economic<br />

development. Most recently, his research<br />

documenting the adverse consequences of privatization<br />

policies in former socialist economies was<br />

published in the American Sociological Review‘s<br />

April 2012 issue (with co-authors Lawrence P.<br />

King and David Stuckler from the University of<br />

Cambridge).<br />

Website: http://www.wjh.harvard.edu/soc/faculty/hamm/index.html<br />

Email: phamm@fas.harvard.edu<br />

Winter 2012 39


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Higher, Longer,<br />

Costlier<br />

<strong>Risiko</strong> in der Planung<br />

von Grossprojekten<br />

Prof. Dr. Martin Müller<br />

Co-Director des Center for Governance and Culture in Europe an der Universität St. Gallen<br />

Am 20. Mai dieses Jahres sass ich im Flugzeug<br />

auf dem Weg von Sofia nach Berlin-Tegel<br />

<strong>und</strong> erzählte meinem Kollegen mit etwas<br />

Wehmut, dass ich den Flughafen Tegel mit<br />

seinen kurzen Wegen <strong>und</strong> abgehalftertem Charme<br />

doch etwas vermissen würde. Die Eröffnung des neuen<br />

Flughafens Berlin Brandenburg war für zwei Wochen<br />

später vorgesehen. Doch soweit sollte es nicht kommen.<br />

Mein Kollege klärte mich auf, dass die Betreibergesellschaft<br />

wenige Tage zuvor die Eröffnung um mehr<br />

als neun Monate verschoben hatte.<br />

Einerseits hätte mich diese Nachricht wenig überraschen<br />

dürfen: Wie fast jedes Grossprojekt hatte Berlin<br />

Brandenburg bereits zuvor Verschiebungen des Termins<br />

zur Inbetriebnahme gesehen (siehe Abbildung 1). Im<br />

Jahr 2003 war die Eröffnung noch für das Jahr 2009<br />

vorgesehen; im Jahr 2004 wurde sie dann auf 2010 verschoben,<br />

im Jahr 2006 auf 2011 <strong>und</strong> im Jahr 2010 auf<br />

2012. Die Ankündigung vom Mai sollte auch nicht die<br />

letzte bleiben. Bereits im September wurde der Termin<br />

noch einmal um mehr als ein halbes Jahr nach hinten<br />

verlegt, auf den 23. Oktober 2013.<br />

Andererseits war die Kurzfristigkeit der Ankündigung,<br />

wenige Wochen vor der geplanten Eröffnung,<br />

ausgesprochen dreist. Fluggesellschaften, Einzelhändler,<br />

Zulieferer, Bahn <strong>und</strong> Betriebsgesellschaft hatten<br />

sich über Monate hinweg auf den Umzug vorbereitet.<br />

In nur einer Nacht sollte alles geschehen. Jetzt steht die<br />

Baugesellschaft vor Regressforderungen von mehreren<br />

Millionen Euro <strong>und</strong> einem mehr als verdoppelten Etat<br />

gegenüber der ursprünglichen Planung.<br />

Grossprojekte: vom Traum zum Alptraum<br />

Der Flughafen Berlin Brandenburg ist beileibe<br />

kein Einzelfall. Nach einer umfangreichen Studie haben<br />

Grossprojekte im Transportbereich durchschnittliche<br />

Mehrkosten von 27,6%. Neun von zehn Grossprojekten<br />

können den vorgegebenen Kostenrahmen nicht einhalten.<br />

Der neue Flughafen in Denver beispielsweise wurde<br />

1995 eröffnet <strong>und</strong> kostete mit gut 5 Milliarden Dollar<br />

annähernd dreimal so viel wie in der ursprünglichen Pla-<br />

Abbildung 1: In den Himmel <strong>und</strong> in weite Ferne: Kosten- <strong>und</strong> Terminentwicklung<br />

beim Grossprojekt Flughafen Berlin Brandenburg<br />

40<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

nung <strong>und</strong> ging 16 Monate später in Betrieb. Zu den Grossprojekten<br />

mit den höchsten Kostenüberschreitungen<br />

gehören unter anderem der Suezkanal (1900%) <strong>und</strong> das<br />

Opernhaus von Sydney (1400%). Was als grosser Wurf<br />

konzipiert ist, gerät oft zum Alptraum für Planungsbüros,<br />

Politik <strong>und</strong> Steuerzahlerinnen <strong>und</strong> Steuerzahler.<br />

Grosse Projekte, grosses <strong>Risiko</strong><br />

Anders als kleinere Projekte sind Grossprojekte besonders<br />

risikoanfällig. Drei wesentliche Risiken sind zu<br />

unterscheiden (Abbildung 2):<br />

• Kostenrisiko: Überschreitung des vorgegebenen<br />

Budgetrahmens<br />

• Nutzenrisiko: Überschätzung des Nutzens (gesellschaftlich,<br />

ökologisch, ökonomisch etc.)<br />

• Terminrisiko: Überschreitung des festgesetzten Termins<br />

zur Fertigstellung<br />

Abbildung 2: Das <strong>Risiko</strong>dreieck in<br />

der Planung von Grossprojekten<br />

Diese Risiken sind im Management von Grossprojekten<br />

interdependent. Das heisst, dass zum Beispiel bei<br />

Reduzierung des Kostenrisikos das Terminrisiko steigen<br />

kann, da oft dieselben Arbeiten mit weniger Geld bewältigt<br />

werden müssen <strong>und</strong> daher länger dauern. Das<br />

hohe <strong>Risiko</strong>niveau bei Grossprojekten ist zum einen auf<br />

ihre ausserordentliche Komplexität <strong>und</strong> Einzigartigkeit<br />

zurückzuführen. Diese Faktoren machen es schwer auf<br />

Erfahrungen aus ähnlichen Projekten zurückzugreifen,<br />

da viele Problemlagen nicht vergleichbar sind. Zum anderen<br />

sind Grossprojekte auch von zahlreichen Faktoren<br />

abhängig, die nicht vom Management beeinflusst<br />

werden können: Die staatlichen Auflagen können sich<br />

ändern, Gerichtsverfahren können die Handlungsoptionen<br />

einschränken oder die Wirtschaftslage kann sich<br />

während der langen Bauzeit drehen.<br />

Klassische <strong>Risiko</strong>treiber für Grossprojekte sind in<br />

Tabelle 1 zusammengestellt. Daraus ergibt sich, dass<br />

unterschiedliche Arten von Grossprojekten auch unterschiedlich<br />

hohem <strong>Risiko</strong> unterliegen. Grossveranstaltungen<br />

wie die Olympischen Spielen gehören dabei zu<br />

den risikoreichsten Unternehmungen: Sie haben per<br />

Definition keine Fallback-Option, können nicht schrittweise<br />

implementiert werden, sind eng gekoppelt <strong>und</strong><br />

dienen häufig als Vorzeigeprojekte für innovative Technologien.<br />

Staudämme hingegen fallen in eine niedrigere<br />

<strong>Risiko</strong>klasse. Zwar sind die Umweltauswirkungen bei<br />

Grossstaudämmen hoch, doch bei vielen anderen <strong>Risiko</strong>kriterien<br />

stellt sich diese Art von Grossprojekt als vergleichsweise<br />

risikoarm dar.<br />

Versagen von Planungsinstrumenten<br />

Obwohl sie ständig wiederkehren, werden die Risiken<br />

in der Planung von Grossprojekten ebenso ständig<br />

unterschätzt. Über die vergangenen 50 Jahre ist keine<br />

Verbesserung in der Genauigkeit der Kosten- oder Nutzenschätzungen<br />

festzustellen: Weiterhin werden bei<br />

der grossen Mehrzahl der Projekte entweder die Kosten<br />

grob unter- oder der Nutzen überschätzt – oder beides.<br />

Diese Feststellung ist so überraschend wie frappierend.<br />

Tatsächlich würde man eine Lernkurve erwarten, da sich<br />

Prognose- <strong>und</strong> Managementmethoden verbessern <strong>und</strong><br />

auf Basis der Fehleinschätzungen der Vergangenheit<br />

modifiziert werden könnten.<br />

Woran liegt die beständige Fehleinschätzung der<br />

Risiken? Ein Gr<strong>und</strong> wurde von dem Nobelpreisträger<br />

Daniel Kahneman als das Phänomen des Optimism Bias<br />

bezeichnet: Menschen tendieren dazu Projekte, an denen<br />

sie selbst arbeiten, optimistischer einzuschätzen<br />

als das auf Basis der Resultate gleichartiger Projekte<br />

gerechtfertigt wäre. Dieses Situation zeigt sich in der<br />

klassischen Frage an Studierende im ersten Semester,<br />

wie sie ihre zukünftigen akademischen Leistungen im<br />

Vergleich zu ihren Kommilitoninnen <strong>und</strong> Kommilitonen<br />

einschätzen würden. Im Durchschnitt platzieren sich gut<br />

80% der Befragten in der besseren Hälfte – ein logischer<br />

Widerspruch.<br />

Allein durch Optimism Bias können die gravierenden<br />

Fehleinschätzungen nicht erklärt werden. Eine gewichtige<br />

Rolle spielen auch politische Zwänge. Je kostengünstiger<br />

ein Projekt scheint <strong>und</strong> je mehr Nutzen es<br />

angeblich bringt, desto eher setzt es sich im Wettbewerb<br />

mit anderen Projekten um Fördermittel <strong>und</strong> öffentliche<br />

Unterstützung durch. Dieser Mechanismus war vermutlich<br />

auch beim Flughafen Berlin Brandenburg am Werk.<br />

Um Finanzierungszusagen von den chronisch überschuldeten<br />

B<strong>und</strong>esländern Berlin <strong>und</strong> Brandenburg zu erhalten,<br />

die mit je 37% am Flughafen beteiligt sind, war es<br />

politisch opportun, die notwendigen öffentlichen Gelder<br />

niedrig anzusetzen. Es besteht also ein Anreiz, die Kos-<br />

Winter 2012 41


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Geringeres <strong>Risiko</strong><br />

Robust (overdesign)<br />

Verwendung bewährter Technologien<br />

Teilbar<br />

Lose Kopplung von Komponenten<br />

Fallback-Option<br />

Monofunktional<br />

Inkrementelle Inbetriebnahme<br />

Führungsstabilität<br />

Geringe Blockademacht von dritter Seite<br />

Geringe Abhängigkeit von Nutzerpräferenzen<br />

Geringe Umweltauswirkungen<br />

Zuverlässige Prognosemethoden<br />

Flexible Fertigstellungsfrist<br />

Höheres <strong>Risiko</strong><br />

Wenig Robust (<strong>und</strong>erdesign)<br />

Verwendung neuer Technologien<br />

Nicht Teilbar<br />

Enge Kopplung von Komponenten<br />

Keine Fallback-Option<br />

Multifunktional<br />

Radikale Inbetriebnahme<br />

Führungswechsel<br />

Hohe Blockademacht von dritter Seite<br />

Hohe Abhängigkeit von Nutzerpräferenzen<br />

Hohe Umweltauswirkungen<br />

Unpräzise Prognosemethoden<br />

Fixe Fertigstellungsfrist<br />

Tabelle 1: <strong>Risiko</strong>treiber in Grossprojekten<br />

ten bewusst zu unterschätzen <strong>und</strong> den Nutzen bewusst<br />

zu überschätzen. Nicht selten wird sogar von politischer<br />

Seite Druck auf die zuständigen Planungsbüros <strong>und</strong> Expertinnen<br />

ausgeübt, die Prognosen zu schönen. Als Konsequenz<br />

erhält nicht das beste sondern das am dreistesten<br />

manipulierte Projekt den Zuschlag.<br />

Für eine realitätsnähere Einschätzung der mit<br />

Grossprojekten verb<strong>und</strong>enen Risiken bieten sich verschiedene<br />

Massnahmen an. Ein zentrales Instrument<br />

stellt das so genannte Reference Class Forecasting dar.<br />

Es vergleicht ein spezifisches Projekt mit einer Referenzklasse<br />

an ähnlichen Projekten in ähnlichem Kontext.<br />

Für den Bau eines Flughafens in Berlin würde man also<br />

Neubauten von Flughäfen in Ländern mit einer demokratisch-liberalen<br />

Gr<strong>und</strong>ordnung als Referenzklasse<br />

heranziehen. Auf Basis dieser Referenzklasse erstellt<br />

man eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Variablen<br />

Kostenüberschreitung, Nutzenüberschätzung <strong>und</strong><br />

Terminverschiebung. Je nach <strong>Risiko</strong>präferenz können<br />

schliesslich Anpassungen der Projektvariablen vorgenommen<br />

werden. Abbildung 3 zeigt zum Beispiel, dass<br />

bei der angenommenen Wahrscheinlichkeitsverteilung<br />

die Kosten um knapp 60% höher veranschlagt werden<br />

müssen, wenn man eine <strong>Risiko</strong>schwelle von 20% für<br />

eine Kostenüberschreitung einhalten will. Während Reference<br />

Class Forecasting den Effekt des Optimism Bias<br />

korrigieren kann, kann es allerdings nicht zwischen seriös<br />

<strong>und</strong> weniger seriös kalkulierten Projektvorschlägen<br />

Wege aus dem Dilemma<br />

Abbildung 3: Reference Class Forecasting:<br />

Wahrscheinlichkeitsverteilung von<br />

Kostenrisiken bei Bahngrossprojekten<br />

unterschieden. Hierfür bietet es sich an, unabhängige<br />

Experten hinzuzuziehen, die mehrere Projekte vergleichend<br />

beurteilen.<br />

Ein zweiter Weg zur besseren <strong>Risiko</strong>abschätzung<br />

führt über die Einbindung von privatem <strong>Risiko</strong>kapital in<br />

einer Public-Private-Partnership (PPP). Die Gr<strong>und</strong>idee<br />

von PPP besteht darin, dass privates Kapital Projekte<br />

nach der erzielbaren Rendite auswählt <strong>und</strong> damit ver-<br />

42<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Flughafen Berlin Brandenburg: Aufnahme im Juni 2012<br />

Quelle: Alexander Obst/Marion Schmieding<br />

lustträchtige Projekte von rentablen Projekten unterscheidet.<br />

Der Grad der privaten Beteiligung kann dabei<br />

unterschiedlich ausgestaltet sein <strong>und</strong> von passiven Investitionen<br />

in Schuldtitel bis zur vollständigen Privatisierung<br />

reichen. Verbreitet ist der sogenannte Build-<br />

Operate-Transfer-Approach, bei dem die öffentliche<br />

Hand die Rahmenbedingungen für ein Projekt definiert<br />

<strong>und</strong> ein privater Auftragnehmer dieses auf eigenes <strong>Risiko</strong><br />

entwickelt <strong>und</strong> für eine gewisse Zeit betreiben darf. Als<br />

Gegenleistung stehen ihm dafür die Einnahmen aus dem<br />

Betrieb zu. Allerdings sind PPPs kein Allheilmittel für<br />

das <strong>Risiko</strong>management von Grossprojekten. Vor allem<br />

können bei Grossprojekten auch andere Erwägungen als<br />

die Rendite eine Rolle spielen. Gerade bei Investitionen<br />

in Dienstleistungen von öffentlichem Interesse oder in<br />

Bereichen wie Kultur, Sport <strong>und</strong> Forschung sollten PPPs<br />

mit Vorsicht genossen werden, da sie zu einer Monetarisierung<br />

von öffentlichen Gütern führen können.<br />

Für den Flughafen Berlin Brandenburg kommen<br />

derlei Erwägungen zu spät. Im November 2012 wurde<br />

eine Finanzspritze von zusätzlichen 1,2 Milliarden Euro<br />

von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern genehmigt. Anteilig umgelegt<br />

auf die Berliner Steuerzahler bedeutet das Mehrausgaben<br />

von 375 Euro pro Person. Bleibt nur zu hoffen, dass<br />

sich die Verantwortlichen nicht auch auf der Einnahmenseite<br />

verrechnet haben. Der neue Flughafen wird<br />

als Drehkreuz ausgebaut; bisher wird das Passagieraufkommen<br />

in Berlin jedoch hauptsächlich über Billigflieger<br />

mit Direktverbindungen abgewickelt. Die Folge: Die Einnahmen<br />

pro Passagier sind an den derzeitigen Berliner<br />

Flughäfen deutlich niedriger als etwa in Frankfurt oder<br />

München. Wenn sich daran nichts ändert, kann der neue<br />

Flughafen kaum wirtschaftlich betrieben werden.<br />

Lebenslauf<br />

Prof. Dr. Martin Müller<br />

ist Humangeograph <strong>und</strong><br />

Assistenzprofessor an der<br />

Universität St. Gallen.<br />

Nach dem Studium der Humangeographie<br />

<strong>und</strong> Entwicklungsforschung<br />

an den<br />

Universitäten in München<br />

<strong>und</strong> Cambridge promovierte er 2008 an der Universität<br />

Frankfurt am Main. Er forscht unter anderem<br />

zur Governance <strong>und</strong> Planung von Grossprojekten,<br />

insbesondere am Beispiel der Olympischen Spiele.<br />

Seine Schriften sind in Journalen unterschiedlicher<br />

Disziplinen erschienen, unter anderem in Organization,<br />

Environment and Planning A, International<br />

Political Sociology <strong>und</strong> Political Geography. Er ist<br />

Träger des Latsis-Preises der Universität St. Gallen<br />

sowie des Klaus-Mehnert-Preises der Deuschen Gesellschaft<br />

für Osteuropak<strong>und</strong>e.<br />

Winter 2012 43


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

<strong>Risiko</strong>management<br />

<strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong> in<br />

volatilen Zeiten<br />

Philipp Hallauer<br />

Leiter National Quality & Risk Management von KPMG Schweiz<br />

Die globale Finanz- <strong>und</strong> Wirtschaftskrise hat<br />

uns ein politisches, regulatorisches <strong>und</strong><br />

wirtschaftliches Umfeld beschert, das noch<br />

längere Zeit von beträchtlicher Unsicherheit<br />

<strong>und</strong> Volatilität geprägt sein dürfte. Die Eurozone steckt<br />

in ihrer schwersten Krise, einige ihrer Mitgliedstaaten<br />

sind so stark verschuldet, dass die längerfristigen<br />

Folgen kaum abzusehen sind. Die Staatsschuldenkrise<br />

führt dazu, dass sich die Länder <strong>und</strong> politischen Unionen<br />

verstärkt auf ihre Eigeninteressen konzentrieren<br />

<strong>und</strong> u.a. mit harten Bandagen um Steuereinnahmen <strong>und</strong><br />

Wettbewerbsvorteile kämpfen. Zunehmender Protektionismus<br />

<strong>und</strong> regulatorische Restriktionen hemmen die<br />

grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Man spricht<br />

nun von Deglobalisierung, nicht mehr von Globalisierung.<br />

Die international stark vernetzte <strong>und</strong> exportorientierte<br />

Schweiz ist in diesem Umfeld besonders gefordert.<br />

Gerade der in der Schweiz so bedeutende Bankensektor<br />

muss seine Geschäftsmodelle gr<strong>und</strong>legend überdenken.<br />

Restrukturierungen, Anpassungen in der Kapitalausstattung<br />

<strong>und</strong> damit sinkende Renditen – Entlassungen<br />

sind die Folge. In der Schweiz sind zudem viele namhafte<br />

globale Konzerne <strong>und</strong> europäische Hauptsitze<br />

angesiedelt, die sich mit einer sich laufend verändernden<br />

weltweiten <strong>Risiko</strong>landschaft <strong>und</strong> den vielfältigen<br />

Herausforderungen in den Regionen, in denen sie tätig<br />

sind, auseinandersetzen müssen.<br />

<strong>Risiko</strong>management muss<br />

neu definiert werden<br />

Der Informationsbedarf, in Bezug auf die<br />

<strong>Risiko</strong>landschaft, hat auf Verwaltungsratsebene seit<br />

der Finanzkrise zweifellos zugenommen. Einerseits<br />

geht es darum, die unternehmensinterne Komplexität,<br />

insbesondere die eigenen Geschäftsmodelle <strong>und</strong> damit<br />

verb<strong>und</strong>ene «Exposures» zu verstehen, andererseits<br />

wichtige Veränderungen im Umfeld frühzeitig zu erkennen<br />

<strong>und</strong> darauf zu reagieren. Im Idealfall besteht eine<br />

eigentliche <strong>Risiko</strong>management-Organisation mit einer<br />

standardisierten Berichterstattung an die Konzernleitung<br />

<strong>und</strong> den Verwaltungsrat. In regulierten Branchen,<br />

wie der Finanzindustrie, gehen <strong>Risiko</strong>- <strong>und</strong> Compliance<br />

Management Hand in Hand. Aber auch in der Industrie<br />

kann «Non-compliance», zum Beispiel in Fragen des<br />

Kartell- oder des Korruptionsrechts, ein Unternehmen<br />

teuer zu stehen kommen. Der Aufbau eigentlicher Compliance-Management-Systeme<br />

<strong>und</strong> deren Integration<br />

mit dem <strong>Risiko</strong>management stehen vielerorts allerdings<br />

erst am Anfang.<br />

Bis anhin wurde die <strong>Risiko</strong>beurteilung vorwiegend<br />

auf die eigenen Geschäftsaktivitäten konzentriert <strong>und</strong><br />

die wichtigsten Einzelrisiken in einer sogenannten «Risk<br />

Map» aufgeführt. Diese beinhaltete eine Einschätzung<br />

der Eintrittswahrscheinlichkeit <strong>und</strong> potentiellen Auswirkungen<br />

<strong>und</strong> zeigte risikomindernde Massnahmen<br />

auf. Dieser Ansatz greift unter den aktuellen Rahmenbedingungen<br />

vermutlich zu kurz. Um die heutigen Risiken<br />

angemessen zu bewirtschaften <strong>und</strong> nachhaltiges Wachstum<br />

zu erzielen, bedarf es:<br />

• einer (engeren) Verknüpfung der Unternehmensstrategie<br />

mit dem <strong>Risiko</strong>management;<br />

• eines Denkens in verschiedenen Szenarien; <strong>und</strong><br />

• der Berücksichtigung systemischer Risiken<br />

<strong>und</strong> ihrer Relevanz in Bezug auf das verfolgte<br />

Geschäftsmodell <strong>und</strong> die geografische Präsenz eines<br />

Unternehmens.<br />

Der Verwaltungsrat spielt in der Neuausrichtung<br />

des <strong>Risiko</strong>managements eine zentrale Rolle. Bislang<br />

wurden Strategiesitzungen <strong>und</strong> <strong>Risiko</strong>beurteilungen oft<br />

in verschiedenen Verwaltungsratsausschüssen oder zu<br />

verschiedenen Zeiten abgehalten. <strong>Risiko</strong>beurteilungen<br />

wurden oft den verschiedenen Funktionen (Forschung<br />

& Entwicklung, Beschaffung, Produktion, Distribution,<br />

Finanzierung etc.) entlang vorgenommen. In Zukunft<br />

44<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

ist die <strong>Risiko</strong>beurteilung mit der Strategie zusammenzuführen<br />

<strong>und</strong> strategische Entscheide zusammen mit den<br />

damit verb<strong>und</strong>enen Risiken (über alle Funktionen hinweg)<br />

zu adressieren. <strong>Risiko</strong>appetit <strong>und</strong> <strong>Risiko</strong>fähigkeit<br />

sollten bestimmt werden, bevor strategische Entscheide<br />

gefällt werden.<br />

Strategische Ziele in einer komplexen <strong>und</strong> instabilen<br />

Umwelt zu setzen, erfordert ein Denken in differenzierten<br />

Szenarien, statt nur die Wahrscheinlichkeiten<br />

verschiedener Risiken zu beurteilen <strong>und</strong> sich auf einen<br />

Probable-Case <strong>und</strong> einen Worst-Case zu konzentrieren.<br />

Gestützt darauf können Massnahmen definiert werden,<br />

die eine zeitgerechte Anpassung der Strategie bei sich<br />

verändernden Rahmenbedingungen unterstützen. Ein<br />

solches Vorgehen ermöglicht der Unternehmung auch,<br />

Chancen zu ergreifen, die sich in einer dynamischen <strong>Risiko</strong>landschaft<br />

ergeben.<br />

Systemische Risiken einbeziehen<br />

Spätestens seit der Finanzkrise wissen wir, dass wir<br />

es zunehmend mit systemischen Risiken zu tun haben,<br />

die ein Unternehmen vor ganz neue Herausforderungen<br />

stellen. So hat sich früher die Bewirtschaftung des<br />

Kreditrisikos auf die Beurteilung von Gegenparteien<br />

beschränkt, während wir in der Finanzkrise mit einem<br />

plötzlichen globalen Vertrauensverlust in die Kreditmärkte<br />

konfrontiert wurden. Systemische Risiken entstehen<br />

durch die starke Vernetzung der Weltwirtschaft<br />

<strong>und</strong> die gegenseitige Abhängigkeit grenzüberschreitend<br />

genutzter Systeme. Die Komplexität, die diese Entwicklung<br />

mit sich gebracht hat, ist kaum mehr überschaubar.<br />

Das ETH Risk Center unter der Leitung von Professor<br />

Wolfgang Kröger befasst sich mit solchen systemischen<br />

Risiken. Darunter fallen beispielsweise die Staatsschuldenkrise,<br />

die Destabilisierung des soziopolitischen Gefüges,<br />

die potentielle Instabilität von Grossmächten wie<br />

China, der Missbrauch neuer Technologien, die Blockade<br />

globaler maritimer Handelswegengpässe oder der grossflächige,<br />

lange anhaltende Zusammenbruch des Stromnetzes.<br />

Dabei verfolgt das ETH Risk Center mögliche<br />

Ansätze, wie die Privatwirtschaft ihre <strong>Risiko</strong>management-Strategien<br />

adaptiver <strong>und</strong> somit robuster gestalten<br />

kann.<br />

Ein Unternehmen kann sich nur beschränkt auf<br />

solche Risiken vorbereiten. Wichtig ist, das Bewusstsein<br />

zu schärfen <strong>und</strong> sich zu überlegen, von welchen systemischen<br />

Risiken man in welchen Regionen oder Geschäftszweigen<br />

massgeblich betroffen ist <strong>und</strong> wie man damit,<br />

nicht zuletzt im Krisenszenario, umgeht. Dabei geht es<br />

um den Schutz sowohl der Mitarbeitenden als auch der<br />

Vermögenswerte sowie die Aufrechterhaltung der Lieferbereitschaft<br />

<strong>und</strong> aller anderen Verpflichtungen.<br />

Berichterstattung muss sich auf<br />

das Wesentliche konzentrieren<br />

Die Kapitalmärkte verlangen in diesen Zeiten nach<br />

mehr <strong>Sicherheit</strong>, mehr Transparenz <strong>und</strong> Zuverlässigkeit.<br />

Dabei gilt allerdings: «Less is more»! Aus Sicht der Unternehmung<br />

gilt es böse Überraschungen zu vermeiden<br />

<strong>und</strong> berechenbar zu sein. Dies erreicht man durch eine<br />

offene, zeitgerechte <strong>und</strong> auf das Wesentliche fokussierte<br />

Berichterstattung. Diese umfasst jedoch nicht nur die<br />

finanziellen Abschlüsse, sondern adressiert auch Fragen<br />

der Governance, der Compliance, der Nachhaltigkeit <strong>und</strong><br />

der <strong>Risiko</strong>profile von Unternehmen.<br />

Eine nach internationalen Standards erstellte Jahresrechnung<br />

enthält zahlreiche Informationen über finanzielle<br />

Risiken, wichtige Annahmen in Bezug auf die<br />

Werthaltigkeit der Aktiven oder die Höhe der Verpflichtungen.<br />

Wenig erfährt man dagegen über die Nachhaltigkeit<br />

des Geschäftsmodells oder das <strong>Risiko</strong>profil der<br />

einzelnen Geschäftsfelder. Das Schweizerische Obligationenrecht<br />

verlangt immerhin die Offenlegung einer<br />

jährlichen <strong>Risiko</strong>beurteilung durch den Verwaltungsrat<br />

im Anhang der Jahresrechnung. Diese Angaben fallen in<br />

vielen Fällen allerdings sehr spärlich aus.<br />

Viele Konzerne veröffentlichen weitere freiwillige<br />

Berichte, wie beispielsweise einen Vergütungsbericht<br />

oder Nachhaltigkeitsbericht. Die f<strong>und</strong>ierte Berichterstattung<br />

über die strategischen Ziele, die Mittel, wie diese<br />

erreicht werden sollen <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen Risiken,<br />

steckt aber vielerorts noch in den Kinderschuhen.<br />

Dies hat wohl auch mit der Sensitivität <strong>und</strong> befürchteten<br />

Wettbewerbsnachteilen zu tun, die solche Offenlegungen<br />

nach sich ziehen könnten. Andererseits führt<br />

die Flut von bestehenden, gesetzlich erforderlichen <strong>und</strong><br />

freiwilligen Berichten zu einer Komplexität, die den Berichtsempfänger<br />

überfordert bzw. von den Kernfragen<br />

ablenkt. Die 2009 vom britischen Thronfolger Prince<br />

Charles ins Leben gerufene Integrated Reporting Initiative<br />

versucht die aktuelle Unternehmensberichterstattung<br />

wieder zu integrieren <strong>und</strong> auf das Wesentliche zu<br />

konzentrieren, nämlich auf die strategischen Ziele, das<br />

Geschäftsmodell <strong>und</strong> wie dieses nachhaltige Performance<br />

erzielen soll. Das International Accounting Standards<br />

Board (IASB) hat zudem eine (freiwillig anwendbare)<br />

Empfehlung herausgegeben, wie ein aussagekräftiger<br />

Lagebericht aussehen sollte.<br />

Rolle der Wirtschaftsprüfer<br />

muss überdacht werden<br />

Finanzdaten, gekoppelt mit angemessenen Erläuterungen<br />

über deren Zustandekommen, bleiben nach<br />

wie vor eine zentrale Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage für jeden<br />

Investor. Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer trägt<br />

Winter 2012 45


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

in Zeiten grosser Instabilitäten eine besonders grosse<br />

Verantwortung. Er handelt im öffentlichen Interesse,<br />

hat also nebst seiner direkten K<strong>und</strong>enbeziehung immer<br />

auch die Anliegen aller anderen interessierten Kreise im<br />

Auge zu behalten. Er leistet einen wichtigen Beitrag zur<br />

Zuverlässigkeit <strong>und</strong> Vergleichbarkeit der finanziellen<br />

Berichterstattung. Sein Testat gibt zumindest auf absehbare<br />

Zeit Gewähr für die Fortführungsfähigkeit einer<br />

Unternehmung.<br />

Entsprechend <strong>und</strong> zu Recht werden an den Berufsstand<br />

der Wirtschaftsprüfer hohe Anforderungen an<br />

die Qualität, Ethik <strong>und</strong> Unabhängigkeit gestellt. Anforderungen,<br />

die sich in einer Vielzahl von internationalen<br />

<strong>und</strong> nationalen Richtlinien niederschlagen, die es in der<br />

täglichen Arbeit einzuhalten gilt. Zudem sind auch die<br />

Wirtschaftsprüfer seit einigen Jahren einer Revisionsaufsicht<br />

unterstellt.<br />

Wirtschaftsprüfungsunternehmen investieren viel<br />

in ihre <strong>Risiko</strong>management- <strong>und</strong> Qualitätssicherungssysteme<br />

<strong>und</strong> damit in die Qualität ihrer Arbeit im Markt.<br />

Dabei halten sie sich an den International Standard on<br />

Quality Control (ISQC) 1. Im Zentrum steht der «Tone<br />

at the Top», die Art <strong>und</strong> Weise, wie die Führung Qualität<br />

zum strategischen Thema macht <strong>und</strong> vorlebt.<br />

• die verschiedenen Elemente einer qualitativ hochstehenden<br />

Mandatsabwicklung – dazu gehören die internen<br />

Weisungen <strong>und</strong> Verfahren, der optimale Personaleinsatz<br />

<strong>und</strong> die laufenden Qualitätskontrollen<br />

auf Mandatsebene; <strong>und</strong><br />

• die Überwachung der Einhaltung aller Kontrollen<br />

<strong>und</strong> Verfahren auf Firmenebene, die auch eine nachträgliche,<br />

systematische Qualitätskontrolle von ausgewählten<br />

Mandaten beinhaltet.<br />

Im Zuge der Finanzkrise wurde nach den Banken,<br />

den Börsenaufsichtsorganisationen <strong>und</strong> den Rating-<br />

Agenturen schliesslich auch die Rolle der Wirtschaftsprüfer<br />

kritisch untersucht. Die EU hat Vorschläge erarbeitet,<br />

die die Unabhängigkeit der Revisionsstellen stärken sollen<br />

(Firmenrotation, Einschränkung von Zusatzdienstleistungen)<br />

<strong>und</strong> damit auf die Stärkung der kritischen<br />

Gr<strong>und</strong>haltung des Prüfers abzielen, die Attraktivität des<br />

Berufsstandes aber letztlich schwächen <strong>und</strong> die Qualität<br />

der Revisionsdienstleistungen gefährden würden. Dabei<br />

konnte die EU den Nachweis, dass die Wirtschaftsprüfer<br />

in der Finanzkrise versagt haben könnten, bis heute<br />

nicht erbringen. Viel wertvoller wäre eine f<strong>und</strong>ierte Diskussion<br />

über den Umfang der Aufgaben des Wirtschaftsprüfers<br />

im Rahmen der Unternehmensberichterstattung<br />

<strong>und</strong> die Art der Berichterstattung gegenüber den verschiedenen<br />

Berichtsadressaten. Diese Aspekte könnten<br />

zum Beispiel auch im Rahmen der erwähnten Integrated<br />

Reporting Initiative aufgegriffen werden.<br />

7. Verpflichtung<br />

zu laufender<br />

Verbesserung<br />

2. Sorgfältige<br />

K<strong>und</strong>en- <strong>und</strong><br />

Mandatsannahme<br />

Lebenslauf<br />

6. Optimale<br />

Mandatsabwicklung<br />

5. Fachliche<br />

Exzellenz<br />

<strong>und</strong> hoher<br />

Qualitätsanspruch<br />

1. ”Tone at<br />

the Top“<br />

4. Qualifizierte<br />

Arbeitskräfte<br />

auf den richtigen<br />

Mandaten<br />

3. Robuste<br />

Standards <strong>und</strong><br />

Methodologien<br />

Die weiteren Bausteine eines Qualitätssicherungssystems<br />

umfassen:<br />

• die K<strong>und</strong>en- <strong>und</strong> Mandatsannahme, die insbesondere<br />

auch die Einhaltung aller Unabhängigkeitsrichtlinien<br />

mit einschliesst;<br />

Philipp Hallauer, lic. oec.<br />

HSG <strong>und</strong> dipl. Wirtschaftsprüfer,<br />

ist Partner <strong>und</strong> Leiter<br />

National Quality & Risk<br />

Management von KPMG<br />

Schweiz. Daneben betreut<br />

er als Gastgeber KPMG’s<br />

Audit Committee Institute<br />

(ACI) in der Schweiz. In dieser Funktion organisiert<br />

er verschiedene Anlässe zu Corporate-Governance<strong>und</strong><br />

<strong>Risiko</strong>management-Themen für Verwaltungsräte<br />

<strong>und</strong> ist verantwortlich für die vierteljährliche<br />

Ausgabe der KPMG ACI News.<br />

Von 1995 bis 2000 unterstützte er als technischer<br />

Berater die Schweizer Delegation im Board des<br />

IASC in London. Später war er unter anderem Mitglied<br />

der Expertengruppe der SIX Swiss Exchange<br />

<strong>und</strong> der Kommission für Wirtschaftsprüfung der<br />

Schweizerischen Treuhand-Kammer.<br />

46<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Versicherung: Status<br />

quo <strong>und</strong> aktuelle<br />

Herausforderungen<br />

Versicherung: Ein Glücksspiel?<br />

Prof. Dr Hato Schmeiser<br />

Professor für <strong>Risiko</strong>management <strong>und</strong> Versicherungswirtschaft, Universität St. Gallen (HSG)<br />

Versicherung ist ein <strong>Risiko</strong>transfer gegen<br />

Entgelt. Gegen eine fixe Prämienzahlung<br />

übernimmt der Versicherer – teilweise oder<br />

vollständig – ein stochastisches <strong>Risiko</strong> des<br />

K<strong>und</strong>en. Durch die Übernahme zahlreicher Einzelrisiken<br />

erzielt der Versicherer <strong>Risiko</strong>ausgleichseffekte,<br />

die für den Versicherungsnehmer auf individueller<br />

Ebene nicht in gleicher Weise herstellbar sind. Dabei<br />

trägt der Versicherer auch nach Kollektivbildung <strong>und</strong><br />

weiteren <strong>Risiko</strong>managementmassnahmen (z. B. Rückversicherung)<br />

ein Restrisiko: Entweder entspricht die<br />

angenommene Zufallsgesetzmässigkeit, die das Versicherungsunternehmen<br />

als Kalkulationsgr<strong>und</strong>lage zur<br />

Prämienbemessung verwendet (sog. Irrtumsrisiko),<br />

nicht den tatsächlichen Gegebenheiten, oder die Schäden<br />

überschreiten „zufällig“ die eingenommenen Prämien<br />

(sog. Zufallsrisiko). In praxi lässt sich weder das<br />

Irrtums- noch das Zufallsrisiko vollständig eliminieren.<br />

Von daher müssen weitere Ressourcen (insbesondere<br />

Eigenkapital) vorgehalten werden, um mit sehr grosser<br />

Wahrscheinlichkeit die Gesamtschäden der Periode begleichen<br />

zu können.<br />

Häufig werden Parallelen zwischen Versicherung<br />

<strong>und</strong> dem Glücksspiel hergestellt. Tatsächlich existieren<br />

aber zentrale Unterschiede: Der Teilnehmer eines<br />

Glücksspiels geht ein <strong>Risiko</strong> ein, indem er einen fixen<br />

Spieleinsatz gegen eine zufällige Auszahlung tauscht.<br />

Eine Parallele zur Versicherung ergibt sich erst dann,<br />

wenn ein Individuum einen Betrag zu bezahlen bereit<br />

ist, um an einem Glücksspiel nicht teilnehmen zu müssen.<br />

An dieser Stelle zeigen sich Unterschiede in der <strong>Risiko</strong>einstellung:<br />

Während Versicherungsnehmer gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

risikoavers sind, da sie (wie in praxi üblich) eine<br />

Prämie akzeptieren, die über dem Erwartungsschaden<br />

liegt, sind Glücksspielteilnehmer regelmässig bereit,<br />

einen Wetteinsatz zu entrichten, der den erwarteten<br />

Rückzahlungsbetrag übersteigt. Zudem tritt das oben<br />

beschriebene Irrtumsrisiko beim Glücksspiel nicht auf<br />

(mit Vorteilen für den Spielbetreiber), da die Zufallsgesetzmässigkeiten<br />

leicht zu bestimmen sind <strong>und</strong> sich im<br />

Zeitablauf nicht verändern. Die den Versicherungsrisiken<br />

zugr<strong>und</strong>liegenden Zufallsgesetzmässigkeiten (z. B.<br />

Elementarschäden oder Sterbewahrscheinlichkeiten)<br />

sind hingegen zeitsensitiv.<br />

«Häufig werden<br />

Parallelen zwischen<br />

Versicherung <strong>und</strong><br />

dem Glücksspiel<br />

hergestellt. Tatsächlich<br />

existieren aber<br />

zentrale<br />

Unterschiede.»<br />

Nutzen von Versicherung<br />

für den K<strong>und</strong>en<br />

<strong>Risiko</strong>averse K<strong>und</strong>en können ihre Nutzenposition<br />

auch dann verbessern, wenn die Marktprämie für Versicherungsschutz<br />

über ihrem erwarteten Schaden liegt.<br />

Ein positiver Effekt für den Versicherungsnehmer ergibt<br />

sich vor allem dann, wenn Versicherungsunternehmen<br />

via Portfoliobildung Diversifikationsvorteile erzeugen<br />

Winter 2012 47


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

können, die er auf individueller Ebene nicht in gleicher<br />

Weise herstellen kann.<br />

Zudem erlaubt die Absicherung von adversen Ereignissen<br />

dem Versicherungsnehmer eine verbesserte<br />

Planbarkeit. Viele Dinge des alltäglichen Lebens – z.B.<br />

individuelle Mobilität – wären ohne Versicherungsschutz<br />

nicht möglich, da das zu tragende <strong>Risiko</strong> für den<br />

Einzelnen zu hoch wäre. Der Versicherungsnehmer hat<br />

auch dann eine Leistung durch das Versicherungsunternehmen<br />

erhalten, wenn er keine Schadenzahlungen<br />

erhalten hat: Das Versicherungsschutzversprechen hat<br />

in der Ex-Ante-Perspektive immer einen Wert – ein<br />

Umstand, der von K<strong>und</strong>en, die lediglich ihre durch den<br />

Versicherer bezahlten Schäden mit den geleisteten Versicherungsprämien<br />

vergleichen, gerne übersehen wird.<br />

Unternehmenssicherheit, Customer<br />

Liability <strong>und</strong> systemische<br />

Risiken in der Assekuranz<br />

Der <strong>Sicherheit</strong> von Versicherungsunternehmen<br />

kommt aus K<strong>und</strong>enperspektive eine zentrale Rolle zu.<br />

Die Leistungserfüllung kann weit in der Zukunft liegen.<br />

Im Gegensatz zu K<strong>und</strong>en aus (fast) allen Branchen ist<br />

der Versicherungsnehmer durch seine Prämienzahlung<br />

Fremdkapitalgeber (sog. Customer Liability bei<br />

Versicherungsaktiengesellschaften) bzw. Fremd- <strong>und</strong><br />

Eigenkapitalgeber (bei Versicherungs“mutuals“). Dies<br />

hat zur Folge, dass die Anbietersicherheit einen direkten<br />

Einfluss auf die Qualität des Produkts ausübt. Die<br />

Solvenz des Anbieters wird durch zahlreiche gesetzliche<br />

Regelungen gesteuert. Begründet werden entsprechende<br />

regulatorische Eingriffe mit einer vermuteten<br />

asymmetrischen Informationsverteilung zwischen<br />

Versicherungsunternehmen <strong>und</strong> dem K<strong>und</strong>en, der hinsichtlich<br />

der <strong>Sicherheit</strong>slage des Versicherers als weniger<br />

informiert angenommen wird. Zudem ist zweifelsohne<br />

die Solvenz des Versicherers für geschädigte Dritte, die<br />

Leistungsansprüche besitzen, ohne in einer Vertragsbeziehung<br />

zum jeweiligen Versicherer zu stehen, von zentraler<br />

Bedeutung.<br />

Sowohl Krisen einzelner Versicherungsunternehmen<br />

in der Vergangenheit als auch experimentelle Studien<br />

haben eine grosse Sensibilität der K<strong>und</strong>en bzgl. des<br />

<strong>Sicherheit</strong>sniveaus des Anbieters aufgezeigt. Schon kleine<br />

Ausfallrisiken des Versicherers werden von K<strong>und</strong>en<br />

mit grossen Prämienabschlägen sanktioniert. Bei hohen<br />

Ausfallrisiken stellt sich kaum noch eine Nachfrage nach<br />

Versicherungsschutz ein. Dies verdeutlicht, dass auch<br />

Versicherer an einer hohen Erfüllungssicherheit ihrer<br />

Leistungsversprechen interessiert sein müssen.<br />

Die Erfüllungssicherheit der Verträge sowie zahlreiche<br />

andere Aspekte (Transparenz, vertragliche Anzeigepflichten<br />

u.v.m.) stehen im Fokus der Regulierung durch<br />

die staatlichen Aufsichtsbehörden. Zweifelsohne ist die<br />

Assekuranz eine der am stärksten regulierten Branchen.<br />

Zurzeit steht insbesondere die Gestaltung der Vorgaben<br />

zur Ableitung einer risikoadäquaten Mindest- <strong>und</strong><br />

Zielkapitalausstattung von Versicherungsunternehmen<br />

durch neue Regelungen in der Schweiz (Schweizer Solvenz<br />

Test SST) <strong>und</strong> in der EU (mit Solvency II) im Mittelpunkt<br />

der Aktivitäten der Regulierer.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich wird davon ausgegangen, dass von<br />

Versicherungsunternehmen wenig systemische Risiken<br />

ausgehen <strong>und</strong> Ansteckungsgefahren, wie sie sich im<br />

Bankensektor in der Finanzkrise ab dem Jahre 2008<br />

deutlich abgezeichnet haben, gering sind. Zudem sind<br />

„Bankrun“-Effekte im Versicherungssektor kaum auszumachen:<br />

Im Schadenversicherungsbereich muss der<br />

K<strong>und</strong>e versicherte Schäden belegen können, um Leistungen<br />

des Versicherers zu erhalten. Im Lebensversicherungssektor<br />

hingegen kann der K<strong>und</strong>e seinen Vertrag<br />

vorzeitig kündigen <strong>und</strong> das angesparte Kapital entnehmen;<br />

in der Vergangenheit ist jedoch in Kapitalmarktkrisen<br />

hiervon seitens der K<strong>und</strong>en selten Gebrauch gemacht<br />

worden.<br />

Aktuelle Herausforderungen<br />

Die Erstversicherungsbranche sieht sich in den<br />

letzten Jahren einer veränderten K<strong>und</strong>ennachfrage ausgesetzt:<br />

Die Preissensitivität der Versicherungsnehmer<br />

nimmt zu, günstige Anbieter via Internetvertrieb finden<br />

Zulauf <strong>und</strong> die K<strong>und</strong>enloyalität nimmt ab. Zudem<br />

nutzen zunehmend Unternehmen anderer Branchen,<br />

«Zudem ist zumindest<br />

in Europa von weitgehend<br />

gesättigten<br />

Märkten mit Versicherungsdichten<br />

zwischen 2‘000 <strong>und</strong><br />

4‘000 US-Dollar<br />

pro Kopf <strong>und</strong> Jahr<br />

auszugehen.»<br />

48<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

«Trotz aller kritischen<br />

Rahmenbedingungen:<br />

Das Geschäftsmodell<br />

der<br />

Versicherer hat sich –<br />

vor allem im Vergleich<br />

zum Bankensektor –<br />

als krisenfest herausgestellt.»<br />

die über ein starkes Distributionsnetz verfügen, ihr<br />

Vertriebs-Know-how für den Absatz von Versicherungsprodukten<br />

(z. B. Tesco, Aldi Süd, Amazon, Penny, C&A,<br />

Otto u.v.m.) <strong>und</strong> setzen damit den tradierten Versicherungsvertrieb<br />

unter Druck.<br />

Auch die technischen Rahmenbedingungen haben<br />

sich verändert: Zunehmende Grossschadenbelastungen<br />

<strong>und</strong> eine problematische Kapitalmarktentwicklung<br />

(Volatile Aktien- <strong>und</strong> Bondmärkte, Niedrigzinsumfeld,<br />

aufkommende Default-Risiken bei EU-Staatsanleihen)<br />

beeinflussen sowohl Aktiv- als auch Passivseite der Versicherer<br />

negativ. Hinzu kommt ein verstärkter Wettbewerb<br />

in einigen Versicherungsbranchen, die kaum mehr<br />

Gewinnmargen zulassen (genannt sei z. B. der Motorfahrzeugmarkt<br />

in Deutschland). Zudem ist zumindest<br />

in Europa von weitgehend gesättigten Märkten mit Versicherungsdichten<br />

zwischen 2‘000 <strong>und</strong> 4‘000 US-Dollar<br />

pro Kopf <strong>und</strong> Jahr auszugehen; Expansionsmärkte sind<br />

von daher in erster Linie ausserhalb Europas auszumachen.<br />

Das vor allem im deutschsprachigen Raum erfolgreiche<br />

Modell der gemischten Kapitallebensversicherung<br />

(begrenzte Laufzeit, Leistungen des Versicherers<br />

im Storno,- Todes- <strong>und</strong> Erlebensfall) ist mit einer<br />

jährlich zuzuschreibenden Garantieverzinsung auf das<br />

Sparkapital in Höhe von 1,5 % (in der Schweiz) bzw.<br />

1,75 % (in Deutschland) p.a. als Obergrenze für Neuverträge<br />

versehen, die im aktuellen Marktumfeld nur<br />

sehr schwer zu leisten ist. Für Altverträge im Bestand<br />

der Versicherer sind zudem bis zu 4 % p.a. garantiert.<br />

Die Einführung neuer Eigenkapitalstandards für Versicherungsunternehmen<br />

(Schweizer Solvenz Test SST,<br />

Solvency II (EU)) <strong>und</strong> die damit gestiegenen Kapitalunterlegungspflichten<br />

erschweren die Finanzierbarkeit<br />

dieses Geschäftsmodells erheblich. Den Versicherern<br />

steht zwar gr<strong>und</strong>sätzlich frei, den Garantiezins für neue<br />

Verträge tiefer anzusetzen. Allerdings besteht dann<br />

die Gefahr, einen zentralen USP – die Gewährung einer<br />

langfristigen Investmentgarantie – gegenüber dem<br />

K<strong>und</strong>en zu verlieren.<br />

Die Entwicklung in Richtung risikobasierter Mindesteigenkapitalausstattungen<br />

für Versicherungsunternehmen<br />

(SST, Solvency II) ist per se zu begrüssen.<br />

Neben kritischen Einzelregelungen – Staatsanleihen aus<br />

Ländern der EU sollen nach Solvency II trotz der aktuellen<br />

Entwicklungen nicht mit Eigenkapital zu unterlegen<br />

sein – besteht durch die Verwendung des identischen<br />

Modellansatzes die Gefahr eines gleichgerichteten Verhaltens<br />

im Markt. Konkret kann dies z. B. bedeuten, dass<br />

in bestimmten Marktszenarien (z. B. Aktiencrash) alle<br />

Versicherer modellbedingt ihre Aktienbestände reduzieren<br />

müssen – mit einer entsprechenden Konsequenz auf<br />

die weitere Entwicklung der Marktpreise von Aktien.<br />

Trotz aller kritischen Rahmenbedingungen: Das<br />

Geschäftsmodell der Versicherer hat sich – vor allem im<br />

Vergleich zum Bankensektor – als krisenfest herausgestellt.<br />

Bedauerlich nur, dass dies wenig bekannt ist.<br />

Lebenslauf<br />

Prof. Dr. Hato Schmeiser<br />

studierte an der Universität<br />

Mannheim BWL <strong>und</strong><br />

promovierte 1997 im Bereich<br />

der Solvabilitätsmessung.<br />

Nach zwei Jahren in<br />

der Rückversicherungspraxis<br />

setzte er seine wissenschaftliche<br />

Arbeit an der Humboldt-Universität zu<br />

Berlin fort <strong>und</strong> habilitierte sich dort 2003. Ab 2003<br />

hatte er einen Lehrstuhl für Versicherungsmanagement<br />

an der Universität Münster inne. Seit 2005<br />

ist Hato Schmeiser Inhaber des Lehrstuhls für <strong>Risiko</strong>management<br />

<strong>und</strong> Versicherungswirtschaft <strong>und</strong><br />

fungiert zudem als Geschäftsführender Direktor<br />

des Instituts für Versicherungswirtschaft der Universität<br />

St. Gallen. Seine wissenschaftlichen Arbeiten<br />

sind unter anderem in den Jahren 2005 <strong>und</strong><br />

2008 mit dem Best Paper Award der American Risk<br />

and Insurance Association ARIA ausgezeichnet<br />

worden. Im Jahre 2009 erhielt er den Best Paper<br />

Award der US-amerikanischen Aktuarsvereinigung<br />

CAS.<br />

Link zur Institutshomepage: www.ivw.unisg.ch<br />

Persönliche Homepage mit Schriftenverzeichnis:<br />

www.ivw.unisg.ch/hs<br />

Winter 2012 49


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Facing Risk<br />

Dominik Gedon<br />

Former Head of the Organising Committee, International Students Committee – 42nd St. Gallen Symposium 2012<br />

Mit dem Aufruf, den Umgang mit <strong>Risiko</strong><br />

als Möglichkeit für Fortschritt zu verstehen,<br />

eröffnete Dr. Josef Ackermann,<br />

ehemaliger Vorsitzender des Vorstandes<br />

der Deutschen Bank AG, im Mai 2012 das 42. St. Gallen<br />

Symposium. An diesen zwei Tagen wurde das Thema<br />

<strong>Risiko</strong> in allen Facetten diskutiert <strong>und</strong> debattiert<br />

– das so einfach klingende Wort <strong>Risiko</strong> wurde hierbei<br />

jedoch erstaunlich selten in den M<strong>und</strong> genommen.<br />

Zur Zeit der Studentenunruhen Ende der 1960er<br />

Jahre gegründet, ist das St. Gallen Symposium der<br />

jährliche Referenzanlass für generationsübergreifenden<br />

Dialog. Seit jeher von Studenten der Universität St.<br />

Gallen organisiert <strong>und</strong> durchgeführt, bietet das Symposium<br />

zweih<strong>und</strong>ert handverlesenen Studierenden aus<br />

der ganzen Welt, den Leaders of Tomorrow, die Möglichkeit,<br />

sich mit sechsh<strong>und</strong>ert Entscheidungsträgern<br />

von heute auszutauschen <strong>und</strong> sich in einen aktiven<br />

Dialog einzubringen. Im Mai dieses Jahres hiess das<br />

Thema „Facing Risk“. Ziel war es keineswegs, Angst<br />

zu schüren, ganz im Gegenteil: es sollte eine positive<br />

Einstellung gegenüber <strong>Risiko</strong> vermittelt werden – Mut<br />

zum Unternehmertum, Mut zum reflektierten Handeln,<br />

Mut zum sich Gedanken machen.<br />

<strong>Risiko</strong> als treibende Kraft<br />

Mit dem Wort <strong>Risiko</strong> assoziiert jeder etwas anders.<br />

<strong>Risiko</strong> hat, vor allem auch in der westlichen Welt, einen<br />

immer stärkeren, negativen Beigeschmack bekommen.<br />

Wir sind bemüht, <strong>Risiko</strong> zu vermeiden, uns dagegen zu<br />

versichern <strong>und</strong> uns zu schützen. Seit jeher versucht der<br />

Mensch, <strong>Risiko</strong> zu messen <strong>und</strong> zu kontrollieren. Das<br />

Lernen, wie man mit <strong>Risiko</strong> umgeht, fängt bereits in<br />

der frühkindlichen Erziehung an. <strong>Risiko</strong> ist daher eine,<br />

wenn nicht die treibende Kraft für den Fortschritt der<br />

Menschheit, für unseren Wohlstand <strong>und</strong> für unsere Zukunftsperspektive.<br />

Doch Fukushima hat uns gelehrt, dass wir auch in<br />

einer hoch-technologisierten Welt, in der wir glauben,<br />

mit Risiken umgehen zu können, nicht gefeit sind vor<br />

einer Katastrophe. Was war falsch? Die <strong>Risiko</strong>beurteilung?<br />

Das Management? Der gesetzliche Rahmen? Der<br />

Chef der Internationalen Atomenergieorganisation Yukiya<br />

Amano ist sich am St. Gallen Symposium sicher,<br />

dass durch den Unfall in Japan die richtigen Lektionen<br />

gelernt wurden. Die deutsche B<strong>und</strong>esregierung war<br />

sich sehr schnell über die Reaktion einig – Atomkraftwerke<br />

müssen abgeschaltet werden. Auch wenn es als<br />

mutige <strong>und</strong> zukunftsweisende Entscheidung der Kanzlerin<br />

interpretiert werden darf, so offenbart dieser Vorgang<br />

doch vor allem die <strong>Risiko</strong>aversion in gesättigten<br />

Gesellschaften. Zu viel staatlicher Eingriff erlaubt zunehmend<br />

weniger Spielraum für unternehmerischen<br />

Geist. Regierungen versuchen mit regulatorischen <strong>und</strong><br />

rechtlichen Ein- <strong>und</strong> Beschränkungen unser <strong>Risiko</strong>verhalten<br />

zu beeinflussen <strong>und</strong> sie verringern hierdurch indirekt<br />

die Zahl risikobereiter Verantwortungsträger in<br />

unserer Gesellschaft.<br />

«Vielmehr braucht die<br />

Welt Unternehmen,<br />

welche sich<br />

zunehmend auch im<br />

öffentlichen Sektor in<br />

Form von Kooperationen<br />

engagieren.»<br />

Zukunft des EURO-Raumes<br />

Begonnen hat das 42. St. Gallen Symposium mit<br />

einem Paukenschlag. Im Panel unter der Moderation<br />

von Wolfgang Münchau, The Financial Times, diskutierten<br />

Richard Sulik, Mitglied des Nationalrates der<br />

Slowakischen Republik, <strong>und</strong> der ehemalige griechische<br />

Ministerpräsident George A. Papandreou, gemeinsam<br />

mit Trevor Manuel, Präsident der südafrikanischen<br />

National Planning Commission über die Zukunft Europas.<br />

Die sehr unterschiedlichen Ansichten über Nachbarschaftshilfe<br />

in der EU quittierte Münchau mit der<br />

Frage an Sulik, ob er gegen Europa sei. Doch neben allem<br />

Disput wurde in allen Debatten immer klarer, dass<br />

eine Überwindung der nationalen Grenzen <strong>und</strong> eine gemeinsame<br />

Arbeit an der Zukunft notwendig ist, wie Pa-<br />

50<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

pandreou forderte. Für Jean-Claude Trichet, ehemaliger<br />

Präsident der EZB, benötigt diese Zusammenarbeit<br />

Glaubwürdigkeit <strong>und</strong> das Vertrauen in die politischen<br />

Institutionen durch die Gesellschaft.<br />

Unternehmen <strong>und</strong> der Staat<br />

Uneinigkeit herrschte jedoch in der sich aufdrängenden<br />

Frage nach der Rolle des Staates in einer sich dramatisch<br />

verändernden Umwelt mit immer komplexeren<br />

Zusammenhängen <strong>und</strong> grösseren Unsicherheiten. Professor<br />

Hart von der Cornell University fürchtet, zumindest<br />

in den USA, dass der träge <strong>und</strong> nicht ausreichend<br />

dynamische Staatsapparat den notwendigen Veränderungsprozess<br />

nicht anschieben kann. Vielmehr braucht<br />

die Welt Unternehmen, welche sich zunehmend auch<br />

im öffentlichen Sektor in Form von Kooperationen engagieren.<br />

Viele der Symposiumsteilnehmer stimmen zu,<br />

dass hierdurch eine ganze Reihe von Problemen schnell<br />

<strong>und</strong> effizient behoben werden könnten, wenn auch nicht<br />

risikolos. Doch geht dies weit genug? Reicht das Zusammenspiel<br />

von Privatwirtschaft <strong>und</strong> Politik? Dr. Kumi<br />

Naidoo, Direktor von Greenpeace, erkennt durchaus einen<br />

positiven Trend, doch er sorgt sich um die Zukunft<br />

des Planeten. Aus seiner Sicht haben die grössten Risiken<br />

nicht genug Priorität. Sämtliche Institutionen müssten<br />

sich ihrer globalen Verantwortung stellen <strong>und</strong> effektiver<br />

kooperieren, als das bisher der Fall ist. Der Staat allein<br />

reicht nicht aus. Mehr supra-nationale Organisationen<br />

werden benötigt – darüber scheinen alle einig zu sein.<br />

Die Rolle des CEO<br />

<strong>Risiko</strong>management kann nicht delegiert werden,<br />

argumentiert Andreas Jacobs, Verwaltungsratspräsident<br />

des Schokoladenproduzenten Barry Callebaut. Jeder<br />

in einer Organisation muss sich das Thema zu Herzen<br />

nehmen <strong>und</strong> verantwortungsvoll damit umgehen.<br />

Doch ohne die Vorreiterrolle des Managements funktioniert<br />

dies nicht. Als CEO muss man grosse Entscheide<br />

fällen, meint Oswald Grübel, ehemaliger Vorstandsvorsitzender<br />

von Credit Suisse <strong>und</strong> der UBS AG, alle<br />

«Jeder muss verantwortungsvoll<br />

mit<br />

<strong>Risiko</strong> umgehen.»<br />

ungemütlichen Dinge landen auf dem Tisch des Chefs.<br />

Die meisten Entscheide müssen unter grosser Ungewissheit<br />

gefällt werden. Allzu gerne würden wir jedoch<br />

alle Faktoren genau kennen, sie messen <strong>und</strong> bewerten<br />

können. Doch, so argumentiert der tschechische Ökonom<br />

Tomáš Sedlácek <strong>und</strong> widerspricht hierbei vielen<br />

seiner Zunft, die wenigsten Risiken sind messbar oder<br />

erkennbar. Der Chief Risk Officer der Swiss Re David<br />

Winter 2012 51


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Cole ruft dazu auf, Augen <strong>und</strong> Ohren offen zu halten.<br />

Es benötigt nicht nur viel Achtsamkeit, sondern vor<br />

allem das Verständnis auf welche Signale man achten<br />

muss, die „weak signals“, wie Professor George Day<br />

von der Wharton School an der University of Pennsylvania<br />

sie beschreibt. Diese zu finden ist eine Mammutaufgabe.<br />

Seit Christoph Columbus versuchen wir Schutzmechanismen<br />

in diese unsichere Welt einzubauen,<br />

erklärt der deutsche Philosoph Professor Peter Sloterdijk<br />

zum Abschluss des Symposiums. <strong>Risiko</strong>entscheide<br />

bringen grossartige Dinge mit sich, wie Columbus<br />

«Für Innovation<br />

braucht es<br />

Verantwortung<br />

<strong>und</strong> Mut.»<br />

weder kreiert noch zerstört werden, es wird herumgereicht,<br />

wie Martin Taylor, Chairman der Syngenta<br />

International AG, argumentiert. <strong>Risiko</strong> ist, wie es der<br />

Soziologe Professor Ulrich Beck formuliert, antizipierte<br />

Gefahr. <strong>Risiko</strong> muss nicht fassbar gemacht, es<br />

muss auf sich genommen werden.<br />

Führung übernehmen<br />

Aufbruch nach Amerika zeigt, auch wenn sie zum Teil<br />

schmerzen können: <strong>Risiko</strong> als Chance für Innovation,<br />

Wachstum <strong>und</strong> Weiterentwicklung ist sein Credo. Professor<br />

Hart fordert gar eine kreative Zerstörung im<br />

Sinne Schumpeters, welche den Ursprung jeder Entwicklung<br />

darstellt. <strong>Risiko</strong> kann hierbei wie Energie<br />

Um Verantwortung anzunehmen <strong>und</strong> weitreichende<br />

Entscheide zu treffen benötigt es Führung.<br />

Führung auf verschiedenen Ebenen. Als Organisation,<br />

als Manager, aber auch als Gesellschaftsmitglied. Wie<br />

Alberto Mingardi, Direktor des italienischen Think<br />

Tank Institute Bruno Leoni, argumentiert, braucht<br />

eine ges<strong>und</strong>e Gesellschaft eine natürliche Bew<strong>und</strong>erung<br />

für risikofreudige Entscheidungsträger. Gutes<br />

Beispiel hierfür ist Salma El-Sayeh, Studentin der<br />

Amerikanischen Universität von Kairo, welche gemeinsam<br />

mit ihren Landsleuten auf dem Tahrir Platz<br />

stand, um gegen das Regime zu protestieren. Sie berichtet,<br />

wie die Protestanten dort, fest entschlossen<br />

einen Wandel herbeizuführen, schlussendlich erfolgreich<br />

ausharrten. Dass nicht nur Einzelpersonen Verantwortung<br />

übernehmen sollen, macht der ehemalige<br />

deutsche Finanzminister Peer Steinbrück bei seinem<br />

Auftritt am St. Gallen Symposium klar. Deutschland<br />

sollte verstärkt eine klare Führungsrolle übernehmen,<br />

doch dies nicht im Alleingang, sondern zusammen<br />

52<br />

Winter 2012


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

mit seinen Nachbarn <strong>und</strong> Partnern. Auch der Vorsitzende<br />

des Vorstandes des Ratingunternehmens Fitch,<br />

Paul Taylor, weiss um die Verantwortung, die sein Job<br />

mit sich bringt. Die Bewertungskriterien seiner Firma<br />

sind alle öffentlich verfügbar, die geheime Zutat<br />

ist nur die Meinung eines kleinen Teams <strong>und</strong> die Entscheidung<br />

der Führungspersonen.<br />

Wieso <strong>Risiko</strong> eingehen?<br />

Die Frage nach der Führungsverantwortung wird<br />

kontrovers diskutiert. Am Ende der Veranstaltung<br />

bleibt jedoch eine Frage offen, die während einer Paneldiskussion<br />

von einem Leader of Tomorrow gestellt<br />

wird: Wer ist bereit, Verantwortung für das Europa<br />

der Zukunft zu übernehmen? Viel wurde über <strong>Risiko</strong><br />

diskutiert, doch wurde vermehrt über die Themen Zusammenarbeit,<br />

Innovation <strong>und</strong> Führung gesprochen.<br />

Die Frage „Was ist <strong>Risiko</strong>?“ wurde von der Frage „Wieso<br />

<strong>Risiko</strong> eingehen?“ verdrängt. <strong>Risiko</strong> wurde als positiver<br />

Bestandteil unseres Lebens <strong>und</strong> Fortbestehens<br />

angesehen. Unternehmerisches Handeln im Staat, der<br />

Gesellschaft oder in einer Organisation muss wichtig<br />

<strong>und</strong> als solches auch anerkannt sein. Für Innovation<br />

braucht es Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung,<br />

aber auch Mut. Alberto Mingardi bescheinigt<br />

den Leaders of Tomorrow am 42. St. Gallen Symposium,<br />

dass sie sich nicht von einer Kultur der Angst<br />

anstecken lassen, sondern bereit sind, überlegt Risiken<br />

einzugehen. Mingardis Beobachtung lässt hoffen,<br />

dass das Symposium sein Ziel erreicht hat: Den Umgang<br />

mit <strong>Risiko</strong> in ein rechtes Licht zu rücken <strong>und</strong> es<br />

von vielen Seiten zu beleuchten, um nicht blind darauf<br />

zu vertrauen, dass es gut ausgehen wird. Dies ist dann<br />

doch zu riskant.<br />

Lebenslauf<br />

Dominik Gedon studiert in<br />

seinem letzten Studienjahr<br />

Wirtschaftswissenschaften<br />

an der Universität<br />

St. Gallen. Mit 19 Jahren<br />

trat er dem International<br />

Students’ Committee<br />

bei, welches das St. Gallen<br />

Symposium ausrichtet. Verantwortlich für die<br />

B<strong>und</strong>esländer Bayern <strong>und</strong> Sachsen sowie für die<br />

gesamte Logistik am Symposium wurde er nach<br />

erfolgreichem Abschluss des 41. St. Gallen Symposium<br />

gemeinsam mit zwei Teamkollegen vom<br />

Stiftungsrat zum Leiter des kommenden Organisationskomitees<br />

ernannt. Das 42. St. Gallen Symposium<br />

fand vom 3.–4. Mai 2012 an der Universität<br />

St. Gallen statt.<br />

Winter 2012 53


ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Ausblick<br />

Handel - ESPRIT St.Gallen Business Review Sommer 2013<br />

Seit dem die Menschen das Rad erf<strong>und</strong>en haben, betreiben sie Handel. Nach dem<br />

Durchbruch der Handelsschifffahrt im 15. Jahrh<strong>und</strong>ert war die Aufnahme des Luftfrachtverkehrs<br />

im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert die nächste Revolution in Richtung einer globalisierten<br />

Handelswelt. Das Internet ist die neueste <strong>und</strong> wohl radikalste Weiterentwicklung<br />

des traditionsreichen Geschäfts. Wie wird der internationale Handel in Zukunft<br />

funktionieren? Welchen Herausforderungen müssen wir uns bezüglich Logistik <strong>und</strong><br />

Ressourcenverwendung in dem Bereich stellen?<br />

Die kommende Ausgabe der St.Gallen Business Review wird sich intensiv <strong>und</strong> interdisziplinar<br />

mit der globaliserten Thematik von „Handel“ auseinandersetzen <strong>und</strong> Antworten<br />

auf diese Fragen finden.<br />

Impressum<br />

Handel<br />

Sommer 2013<br />

Anschrift der Redaktion:<br />

ESPRIT St.Gallen Business Review<br />

Guisanstrasse 19<br />

CH-9010 St. Gallen<br />

Telefon: 0041 (0) 71 220 14 01<br />

Fax: 0041 (0) 71 220 14 04<br />

E-Mail: esgbr@espritsg.ch<br />

Herausgeber:<br />

ESPRIT St.Gallen - Beratung durch Studenten<br />

Chefredaktion:<br />

Nikolas Noetzel<br />

Julian von Fischer-Loszainen-Schweizer<br />

Verantwortlich für den Anzeigenverkauf:<br />

CHANCEN UND KARRIERE<br />

PREMIUM PERSONALMÄRKTE<br />

Maren Henke
<br />

Tel.: 040. 32 80 152
<br />

henke@chancen<strong>und</strong>karriere.de<br />

Layout:<br />

Dominik Geissler<br />

Distribution:<br />

Chiara von Eisenhart-Rothe<br />

Sebastian Ebner<br />

Auslandsredaktion:<br />

Felix Schneider<br />

Titelseite:<br />

Günay Mutlu<br />

Druck:<br />

Strube Druck & Medien OHG<br />

Auflage:<br />

11.000 Exemplare<br />

Erscheinungsweise:<br />

halbjährlich<br />

Hochschulpartner:<br />

james consulting GmbH, ETH juniors, International School of<br />

Management Dortm<strong>und</strong>(ISM), Academy Consult, Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München, PAUL Consultants, Universität<br />

Augsburg Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, WWZ-Bibliothek,<br />

UniConsult, Universität Basel, Universität Bern, MarcAurel<br />

Consult, Consult One e.V., Active e. V. , Heinrich-Heine-Consulting<br />

e.V., Universitäts- <strong>und</strong> Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha, act<br />

e.V. - studentische Unternehmensberatung, Campus for Company<br />

e.V., Frankfurt School of Finance & Management, Universität<br />

Liechtenstein, Consulting Network e.V., Capufaktur e.V., Janus<br />

Consultants e.V., Hanseatic Consulting, ICONS Innsbruck, Bodensee<br />

Consulting, Campus Inform, Uni Magdeburg, berater e.V., Universität<br />

Mannheim, Campus Consult Projektmanagement GmbH,<br />

uniClever e.V., Consiglia e.V., Campus Konzept, InOne ConsuIt, iac<br />

Würzburg, WHU - Otto Beisheim School of Management, Christian-Albrechts-Universität<br />

zu Kiel, Universität Regensburg, Universität<br />

Ulm, Wirtschaftsuniversität Wien, whyknot Friedrichshafen<br />

Copyright:<br />

Alle Rechte vorbehalten. Die Rechte für sämtliche Inhalte liegen<br />

bei ESPRIT St.Gallen – Beratung durch Studenten. Die Wiedergabe<br />

von Artikeln <strong>und</strong> Bildern, auch auszugsweise, ist nur mit<br />

Zustimmung von ESPRIT St.Gallen – Beratung durch Studenten<br />

zulässig.<br />

Disclaimer:<br />

Die Aussagen <strong>und</strong> Meinungen der Autoren sind nicht zwangsläufig<br />

deckungsgleich mit dem Standpunkt von ESPRIT<br />

St.Gallen. ESPRIT St.Gallen übernimmt keinerlei Haftung für die<br />

Inhalte der Texte.<br />

Abobestellung:<br />

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54<br />

Winter 2012

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