3000 Jahre staunen - Württembergische Landesbibliothek

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Biblia Deutsch. 1466 [Straßburg: Johann Mentelin, vor 27. Juni 1466]. 2 o – 406 Bl. Erste gedruckte deutschsprachige vorreformatorische Vollbibel. Mit Schenkungseintrag an die Dominikanerinnen in Straßburg, eine Quelle für vorreformatorischen Bibelgebrauch außerhalb des Priesterstandes. GW 4295. Hain-Copinger 3130. Aufgeschlagen: Psalm 22 (23). Württembergische Landesbibliothek Stuttgart Bb deutsch 1466 01
2. Biblia Deutsch. 1466 Die 18 vorreformatorischen frühneuhochdeutschen und frühniederdeutschen Bibeldrucke sind in ihrer Vielzahl eine auf den deutschen Sprachraum beschränkte große Ausnahme. Eigentlich hätte das Kirchenrecht dem Laien das Lesen der ganzen Bibel nur mit strengen Auflagen gestattet, wie der dogmatisch abgesicherten Kommentierung durch die Kirchenväter und auf alle Fälle der Approbation durch den zuständigen Bischof. Das Verbot hat in England die Druckverbreitung der Bibelübersetzung von John Wyclif ganz verhindert. Der Reformator William Tyndale musste die Übersetzung des Neuen Testaments 1526 in der deutschen Reichsstadt Worms vornehmen lassen. Eine provenzalische Bibel der Waldenser wurde anfänglich auch nie gedruckt. Aber in süddeutschen freien Reichsstädten tritt das Phänomen zutage, dass von 1466 bis 1518 in oberdeutscher Sprache 14 Vollbibeln erschienen, also alle drei Jahre eine neue Ausgabe! 1478 bis 1522 gesellten sich vier niederdeutsche Versionen aus Köln, Lübeck und Halberstadt hinzu. Die Württembergische Landesbibliothek Stuttgart ist die einzige Bibliothek der Welt, die alle 18 vorreformatorischen deutschen Bibeln besitzt. Den Anfang machte 1466 der bereits als Bibeldrucker hervorgetretene Gutenberg-Schüler Johannes Mentelin in Straßburg. Seine Textvorlage, die maßgeblich für alle anderen Ausgaben wurde, ist unbekannt. Es handelt sich um einen dem Alemannischen entstammenden frühneuhochdeutschen Text vermutlich aus dem 14. Jahrhundert. Übersetzt ist die Bibel natürlich aus der lateinischen Vulgata, so wie alle Übersetzungen bis zur Reformation. Unerachtet einer in der damaligen Gegenwart schon als antiquiert zu empfindenden Sprachversion hatte das Unternehmen großen Erfolg, wie die bereits erwähnten Folgeausgaben beweisen. Das Stuttgarter Exemplar trägt am Ende (dem Kolophon) einen handschriftlichen Vermerk. [Aus dem Lateinischen übersetzt:] Hier endet dieses Buch, das im Jahre des Herrn 1466 mit Hilfe der Buchdruckerkunst durch den ehrwürdigen Herrn Johannes Mentel in Straßburg Gestalt gewonnen hat etc. Weiter heißt es in der damals üblichen Bastard-Schrift: Dis buoch hat Johan hammer der apteker geben den erwirdigen geistlichen frouwen zuo sant margretten vnd sant angnesen u bitten got auch fur kathrein sin huß frouwe. Das soll heißen: der (reiche) Apotheker Johannes Hammer schenkt das Buch den Dominikanerinnen in Straßburg. Die sollen für ihn und seine Ehefrau Katharina beten. Der erste Eintrag gibt einen Hinweis auf das Erscheinungsdatum der unfirmierten Bibelinkunabel, der Zusatz ist ein Beispiel für das Stiftungswesen und die Ständeordnung des Mittelalters. Der Laienstand kümmert sich um die äußeren wirtschaftlichen und sonstigen Bedürfnisse, der Adel ist für die Sicherheit und die Verteidigung zuständig, und der geistliche Stand sorgt für das Seelenheil aller. Das stellvertretende Beten und auch das Lesen von Totenmessen u.ä. werden dann in der Reformation angegriffen. In Rufweite aber ist die reformatorische Forderung nach dem Laiengebrauch der Bibel. Die Nonnen, ähnlich wie die Mitglieder von geistlichen Bruderschaften oder Beginenkonventen, können zwar z.T. lesen, aber sind des Lateinischen nicht mächtig. So erklärt sich der große Bedarf und Aufschwung der deutschen vorreformatorischen Bibeldrucke. 15
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