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UNIversum - Max & Julius

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44<br />

Meister Klecksels Ansichten<br />

Die hohe Wissenschaft der Fachklischees<br />

Ach, wie mir diese Fachklischees auf den<br />

geist gehen. Sie begegnen mir oft, meistens<br />

zur ungünstigsten zeit. Ich denke<br />

mir nichts Böses, stehe völlig unschuldig<br />

mit meinem Bier in der Hand auf einer<br />

Party. Plötzlich die Frage: „Was tun Philosophen<br />

nach dem Studium denn so?<br />

Auf Harz IV warten?“ zur Antwort würde<br />

ich inzwischen am liebsten einen Sekundanten<br />

ernennen und mich auf der Stelle<br />

mit dem Frager duellieren. Bis einer tot<br />

ist. Problem gelöst, Frage geklärt. Macht<br />

sich denn niemand darüber gedanken,<br />

dass Klischees über Studiengänge erstens<br />

unnütz und zweitens nervig sind? oK,<br />

vielleicht etwas viel verlangt. Doch zumindest<br />

die gröbsten Fettnäpfchen sollte man<br />

kennen. Deshalb hier eine kurze Einführung<br />

in die hohe Wissenschaft der Fachklischees<br />

- mit Bitte um absolute Vermeidung.<br />

Sie sind blond, blauäugig, viel zu gutaussehend,<br />

schleimig und meistens grün.<br />

Jedenfalls wenn ihnen schlecht ist. Das<br />

ist nicht selten, denn sie feiern meistens<br />

irgendeine Prüfung, mit viel Alkohol und<br />

schönen Frauen, und natürlich in den angesagtesten<br />

clubs der Stadt. Die Rede ist<br />

von den Wirtschafts-Monstern mit hochgestellten<br />

Hemdkrägen, die überall an<br />

der Uni ihr Unwesen treiben. Es gibt auch<br />

noch die strebsamen Jurastudenten, die<br />

ständig in der Bibliothek sitzen und ihren<br />

BgB-Kommentar auswendig lernen. Neben<br />

ihnen sitzen, brav wie die Hühner auf<br />

der Stange, die Mediziner. Jeder Muskel<br />

wird analysiert, jede Hautfalte benannt<br />

und wer sich jetzt erkundigt, wozu das nötig<br />

ist, bekommt als kurze Auskunft: für<br />

die Prüfung. So lernt man heute – natürlich<br />

fürs Leben.<br />

Wie gut haben es da die geisteswissenschaftler,<br />

die Exoten unter den Studenten.<br />

Von morgens bis abends sitzen<br />

sie vor irgendeinem Buch und lesen. Auch<br />

gespräche über goethe, Kant, Rousseau,<br />

Shakespeare, Alexander den großen oder<br />

das aktuelle Feuilleton führen sie gern.<br />

Dabei wissen sie genau, dass der einzige<br />

Schein, der ihnen später etwas nützen<br />

wird, der Taxischein ist. Was für ein trauriges<br />

Schicksal! Hätten sie doch lieber<br />

Medizin oder Jura studiert, wie’s Muttern<br />

immer gesagt hat.<br />

Einzige Ausnahme sind Mathematiker.<br />

Sie nennen sich zwar ebenfalls geisteswissenschaftler,<br />

aber ihre Jobaussichten<br />

sind besser. Einziges Problem: Ihre sozialen<br />

Kompetenzen sind – gelinde gesagt<br />

- bescheiden. Klar, wer nur über zahlen<br />

und Beweise nachdenkt, sieht wenig Sinn<br />

in gesprächen über Nichtmathematisches.<br />

Auch der Kleidungsstil ist sehr individuell:<br />

Am liebsten tragen sie ausgewaschene<br />

Ac/Dc-T-Shirts oder „Mama zieht mich<br />

an“-Klamotten. Die Folge: Frauen sind<br />

das Lieblingsproblem des Mathematikers,<br />

doch leider liegt die Lösung jenseits mathematischer<br />

Axiome. Welch ein Dilemma!<br />

Vielleicht bastle ich meinem gesprächspartner<br />

bei der nächsten Party einfach<br />

das passende Klischee: „Ah, ein Bachelor-<br />

Student! Armer Tropf. Ich hab gehört, der<br />

Bachelor soll so stressig sein. Bist du kurz<br />

vor dem Abbrechen oder schluckst du<br />

schon Psychopharmaka?“ Wenn er schreiend<br />

wegrennt, haben wir zumindest beide,<br />

was uns gebührt: Er hat eine Erkenntnis<br />

gewonnen und ich meine Ruhe.<br />

Text: Axel Herber

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