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Fastenpredigt von Pfarrer Klaus Mucha - St. Matthias

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„Eltern und Kinder – Werte im Wandel“<br />

Ökumenische <strong>Fastenpredigt</strong> <strong>von</strong> <strong>Pfarrer</strong> <strong>Klaus</strong> <strong>Mucha</strong><br />

am 19.3.2006 in <strong>St</strong>. <strong>Matthias</strong><br />

Ich erkenne in diesem Thema nicht zuerst die Aufgabe eine pädagogisch richtige und zeitgerechte<br />

Erziehungsanleitung für unsere Kinder zu geben. Dazu möchte ich in einem zweiten Teil einige Anmerkungen<br />

machen, bei denen ich auf meine eigenen Lebens- und Glaubenserfahrungen zurückgreifen werde.<br />

Die Weitergabe <strong>von</strong> Lebens- und Glaubenserfahrungen ist eine fortwährende Aufgabe, <strong>von</strong> der sich keine<br />

Generation entbinden kann, es sei denn, das Schicksal der folgenden Generationen liegt ihr nicht am Herzen,<br />

gemäß der Devise: „Nach mir die Sintflut!!“<br />

Wenn wir als Eltern, Großeltern, Freunde, Seelsorger, Werte weitergeben wollen, dann müssen wir uns<br />

zunächst darauf besinnen, was es um den Menschen ist, sonst bewegt sich diese Weitergabe im luftleeren<br />

Raum, in dem uns bald die Puste ausgeht. So denke ich, es geht zuerst darum, zu erklären, was das Wesen<br />

des Menschen ist. Welchen Sinn sein Leben hat, und wo sein Leben ans Ziel gelangt. Daraus ergeben sich<br />

unwandelbare und unverzichtbare Werte. Sie gilt es zu leben, inmitten sich ständig wandelnder<br />

Lebensbedingungen.<br />

So möchte ich beginnen mit der Frage aus dem 8. Psalm: „Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des<br />

Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ Und die Antwort: „Du hast ihn nur wenig geringer gemacht<br />

als Gott.“ Die Begründung dafür finden wir im ersten Kapitel der Heiligen Schrift.<br />

“Dann sprach Gott: Lasst uns den Menschen machen als unser Abbild, nach unserer Gestalt. Sie sollen<br />

herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und<br />

über alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er<br />

ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt<br />

euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über sie.“ (Gen 1,26-28)<br />

Der Mensch verdankt sich nicht selbst. Er ist nicht Marke Eigenbau aus Nichts. Er ist kein Zufall. Er ist gewollt,<br />

ist Geschöpf Gottes. Aber nicht irgendwie zusammengebastelt. Der Mensch ist eine Maßarbeit Gottes! Der<br />

Schöpfer hat für sein Geschöpf Maß an sich selber genommen. Gott ist nicht ein Gott, der sich raum- und<br />

zeitlos mit sich selber beschäftigt. Gott ist Urgrund des Lebens. Leben zeigt Wirkungen, es bewirkt. Leben teilt<br />

sich mit, spricht sich aus. Leben verschenkt sich.<br />

Gott, der das Leben ist, hat sich ausgesprochen, hat ins Dasein gerufen. Er hat die Schöpfung ins Dasein<br />

gerufen, als Lebensgrundlage für den Menschen. Dann hat er sich für den Menschen ausgesprochen. „Lasst<br />

uns den Menschen machen.“ Der Mensch ist eine Neuschöpfung Gottes. Er ist nicht nur „ein Bröserl vom<br />

lieben Gott“. Er ist ein ganz neues, einmaliges, originales Geschöpf. Jeder <strong>von</strong> uns ist ein Original Gottes.<br />

Ohne Gott kann der Mensch nicht sein. Darin liegt die Würde des Menschen. Die Hand gegen dieses<br />

Geschöpf zu erheben, ist die Hand gegen den Schöpfer zu erheben. Ist <strong>St</strong>örung, Zerstörung <strong>von</strong> Schöpfung.<br />

Die Würde des Menschen ist unantastbar.<br />

Der Mensch ist keine Augenblickslaune, kein Spielzeug Gottes. Er ist schon gar nicht eine Marionette, an der<br />

der liebe Gott noch Belieben seine Fäden zieht. Er ist vielmehr Mitarbeiter Gottes, Mitgestalter, Mitverwalter


seiner Schöpfung. Er hat eine Aufgabe, ist auf Zukunft angelegt. Gott hat den Menschen gewollt. Er mag ihn.<br />

Er liebt ihn. Er will sein Glück, sein Heil.<br />

“Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft<br />

sie euch.“ Herrschaft über die Erde im Sinne Gottes ist Herrschaft des Lebens, nicht des Todes. Ist<br />

Gestaltung, nicht Verunstaltung und schon gar nicht Zerstörung. Gott hat dem Menschen die Schöpfung zu<br />

treuen Händen übergeben. Das ist eine großartige Aufgabe, mit höchster Verantwortung. Sie gibt unserem<br />

Leben einen Sinn. „Gott braucht Menschen!“ Er nimmt sie ernst. Er traut ihnen etwas zu, jedem an seinem<br />

Platz. Dabei geht es nicht um Konkurrenz gegeneinander, sondern um Cooperation füreinander. Es geht nicht<br />

um Macht, sondern um Dienst. Der Sinn des Lebens erschließt sich im Dienst am Leben. Um dem eine<br />

Deckung geben zu können, bedarf es eines Beispiels, das nicht zu übertreffen ist.<br />

Von diesem Beispiel und seiner geradezu sensationellen Auswirkung für den Menschen lesen wir im Brief des<br />

Apostels Paulus an die Galater:<br />

„Als aber die Zeit erfüllt war, wandte Gott seinen Sohn, geboren <strong>von</strong> einer Frau und dem Gesetz unterstellt,<br />

damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen. Weil ihr aber<br />

Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater. Daher bist<br />

du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe durch Gott.“ (Gal 4,4-7)<br />

Gottes Unwiderruflichkeit zum Menschen zeigt sich unübertroffen, in dem er in seinem Sohn selbst Mensch<br />

wird. Er lebt auf dieser Erde und geht über sie, in allem uns gleich, außer der Sünde. Das heißt, die<br />

menschliche Gestalt ist nicht Maskerade Gottes auf Zeit. Gott wird echt ganz und gar Mensch, bis hinein in<br />

das Ereignis des Todes! Und der Tod Jesu war wahrhaft kein bequemes Einschlafen, sondern Tortur.<br />

In diesem Ereignis ist Gott für uns sichtbar geworden. Er hat sich anschauen lassen. Er hat eine Botschaft an<br />

die Menschen. Er hat mit sich reden lassen. Seine Botschaft waren nicht schöne, fromme Worte. Sie waren<br />

gedeckt zu 100% durch das Tun Jesu. Sein Leben war ein unübertroffen glaubwürdiges Zeugnis dafür, wie<br />

Menschsein auf der Höhe Gottes ist, sich auswirkt und wohin es führt. „Ich habe euch ein Beispiel gegeben,<br />

damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ (Joh 13,15) So Jesus bei der Fußwaschung.<br />

Wir erkennen in Jesus den wahrhaft beispielhaften Menschen im Sinne Gottes. Alles Handeln Gottes am<br />

Menschen geschieht aus Liebe. Die Geschichte Gottes mit den Menschen ist die größte und wirkungsvollste<br />

Liebesgeschichte aller Zeiten. Gott will das Trennende zwischen den Menschen und ihm, und der Menschen<br />

untereinander, ein für allemal überwinden. Hören wir dazu aus dem Evangelium nach Matthäus:<br />

“Als Jesus weiterging, sah er einen Mann namens Matthäus am Zoll und sagte zu ihm: Folge mir nach! Da<br />

stand Matthäus auf und folgte ihm. Und als Jesus in seinem Hause beim Essen war, kamen viele Zöllner und<br />

Sünder und aßen zusammen mit ihm und seinen Jüngern. Als die Pharisäer das sahen, sagten sie zu seinen<br />

Jüngern: Wie kann euer Meister zusammen mit Zöllnern und Sündern essen? Er hörte es und sagte: Nicht die<br />

Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Darum lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht<br />

Opfer. Denn ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten.“ (Mt 9,9-13)<br />

“Dieses Handeln Gottes nimmt seine dramatische Form nun darin an, dass Gott in Jesus Christus selbst dem<br />

„verlorenen Schaf“, der leidenden und verlorenen Menschheit, nachgeht. Wenn Jesus in seinen Gleichnissen<br />

vom Hirten spricht, der dem verlorenen Schaf nachgeht, <strong>von</strong> der Frau, die die Drachme sucht, <strong>von</strong> dem Vater,<br />

der auf den verlorenen Sohn zugeht und ihn umarmt, dann sind das alles nicht nur Worte, sondern<br />

Auslegungen seines eigenen Seins und Tuns.“ Benedikt XVI (Gott ist Liebe)<br />

Liebe kann man Menschen in Geboten nicht einfach auferlegen. Liebe ist Antwort auf die Erfahrung, geliebt zu<br />

sein! Die Liebe Gottes zum Menschen hat ihre Spitze im Kreuzesgeschehen erreicht. Der Evangelist<br />

Johannes schreibt:


„Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote<br />

haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner<br />

Liebe bleibe. Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen<br />

wird. Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn<br />

einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.“ (Joh<br />

15,9-14)<br />

Diesen Freunden gilt als letztes Ausrufezeichen der Mission Jesu: „Und ich, wenn ich über die Erde erhöht<br />

bin, werde ich alle zu mir ziehen.“ (Joh 12,32)<br />

Wer die Anziehungskraft dieser Liebe erfahren hat, der kann seinerseits Liebe schenken. Sie wird zur<br />

bestimmenden Kraft seines Lebens und Tuns. Hier wäre abschließend zu erinnern an das große Gleichnis<br />

vom letzten Gericht. (Mt 25, 1-46)<br />

Jesus identifiziert sich mit den Notleidenden: den Hungernden, den Dürstenden, den Fremden, den Nackten,<br />

den Kranken, denen im Gefängnis. „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir<br />

getan: „Im Geringsten begegnen wir Jesus selbst, und in Jesus begegnen wir Gott. Die Liebe wird zum<br />

Maßstab für den endgültigen Entscheid über Wert und Unwert eines Menschenlebens.<br />

Von diesem Hintergrund, besser auf diesem Fundament können wir nachdenken, über das, was wir<br />

weiterzugeben haben, Eltern an ihre Kinder, wir alle an die nächste Generation.<br />

Leben ist Wandel. Bedenken sie, was sich im Lebenslauf eines Menschen alles wandelt. Wie sehr kann ein<br />

Mensch sich wandeln auf dem Weg <strong>von</strong> der Wiege bis zur Bahre. Zeiten wandeln sich. Bestimmte Zeiten<br />

haben bestimmte Schwerpunkte. Bei allem Wandel selbst im Leben des einzelnen, es bleibt immer dieser<br />

eine Mensch,<br />

dieses eine Original Gottes.<br />

Immer wieder haben wir uns auf neue Lebenssituationen einzustellen. Das ändert nichts an der<br />

Grundausstattung: der Mensch ist und bleibt ein Abbild Gottes. In ihm tickt eine innere Warteuhr, mit der er<br />

<strong>von</strong> Gott ausgestattet ist. Es gibt diese Grundwerte, die sich in allen großen Religionen wieder finden.<br />

Ich vermag eigentlich keinen umstürzenden Wertewandel zu erkennen, in dem alte Werte abgeschafft und<br />

neue Werte erschaffen werden. Ich erkenne mehr eine schleichende Abwertung <strong>von</strong> Grundwerten, ohne die<br />

eine menschliche Gesellschaft nicht gedeihen kann. Es gibt keine humane Gesellschaft zu<br />

„Discounterpreisen“. Die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse allein, ist nicht die eigentliche Lösung der<br />

Probleme. Gott gehört in unser Leben. Wir beklagen zu Recht himmelschreiende Ungerechtigkeiten. Wir<br />

beklagen einen teilweise brutalen Egoismus. Wir beklagen, dass der Mensch nur noch nach seinem<br />

ökonomischen Wert bemessen wird. Das Lebensrecht des Einzelnen hängt ab <strong>von</strong> dem, was er bringt.<br />

Gewinn und Aktien sind wichtiger als Menschen. Das ist freilich eine Abwertung <strong>von</strong> Werten, die in die<br />

Katastrophe führt. Es gilt das Recht des stärkeren. Nicht nur in der globalisierten Welt, sondern auch auf dem<br />

Schulhof und auf der <strong>St</strong>raße. „Macht geht vor Recht!“ Wir sind bedrohlich nahe, an einer Einteilung <strong>von</strong><br />

Menschenleben in „lebenswert und lebensunwert“. Eine Mitnahme- und Selbstverwirklichungsmentalität<br />

ohnegleichen hat dazu geführt, dass unser Volk seine Zukunft schon hinter sich hat, wenn wir seine<br />

demografische Entwicklung anschauen.<br />

Das allerdings verstehe ich nicht als Wertewandel. Es ist vielmehr der Wandel <strong>von</strong> Werten zu Unwerten. Er<br />

zerstört die Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die ihre Werte aufgegeben hat, ist selbst wertlos geworden. Was<br />

will sie noch beanspruchen? Wir dürfen uns nicht mit einer schleichenden Abwertung <strong>von</strong> Grundwerten<br />

abfinden. Wie sonst ist der immer lauter werdende Ruf nach Werten, viele sagen nach den alten Werten,<br />

sonst zu verstehen?


Allerdings hat in den letzten Jahrzehnten auch ein ganz anderer Wandel stattgefunden, Gott sei Dank! Ich<br />

meine den Wandel in der Weitergabe und in der Einübung <strong>von</strong> Werten! Ich denke, wir haben diese<br />

Weitergabe in Form <strong>von</strong> lediglich diktierten Merksätzen, das ist so: „Aus, basta, Amen“, ein gutes <strong>St</strong>ück weit<br />

überwunden. „Das ist so, weil es immer so war.“ Diese Regel galt weithin in der Gesellschaft, wie in unserer<br />

Kirche. Sie durfte nicht hinterfragt werden.<br />

Die Weitergabe <strong>von</strong> Werten geschieht entscheidend dadurch, dass ich erfahren kann, wie sie gelebt werden,<br />

und was das bringt. „Aus Erfahrung gut!“ Es geht nicht um ein Wertediktat, auch nicht um ein Gebotediktat. Es<br />

geht um die gute Erfahrung mit Werten und Geboten, weil ich sie erleben durfte. Darum kann ich sie leben,<br />

und so weitergeben. „Durch Erfahrung wird man klug!“<br />

Nicht der Christ ist der beste und wirkungsvollste, der über das meiste Glaubenswissen verfügt, sondern der,<br />

der seinen Glauben glaubwürdig und menschlich lebt. Dessen gelebter Glaube andere aufleben lässt. Es geht<br />

nicht zuerst um den gedruckten Katechismus unter dem Arm, sondern um den Katechismus des Herzens.<br />

Wenn das stimmt, ist die entscheidende Gemeinschaft die Familie, nicht nur, was die Weitergabe des Lebens<br />

betrifft. Familie ist ein Wurzelgeflecht, in dem Kinder Halt finden können. Ist Nährboden, aus dem sie<br />

heranwachsen können. Kinder sind entscheidend für das, was man Familienglück nennt, das Verbundensein<br />

und Getragensein in den verschiedenen Lebensaltern durch die Generationen. Kinder müssen ins Leben<br />

hineinwachsen können. Müssen in der Familie erfahren, dass Leben hat einen Sinn. Der Mensch hat eine<br />

Aufgabe. Das Leben hat ein Ziel.<br />

Hier soll das Kind erfahren, der Mensch als Abbild Gottes, ist angenommen, ist bejaht, wird getragen. Kinder<br />

dürfen nicht zum ökonomischen Rechenfaktor degradiert werden, weil sie Geschenk Gottes sind. Die Familie<br />

ist der Ort, wo Kinder ethische Maßstäbe lernen können, die das Leben und die Gesellschaft prägen und<br />

tragen. Sie ist der Ort der Einübung in verantwortliches Handeln. Dies alles nicht mit dem tagtäglich<br />

erhobenen Zeigefinger, sondern als erlebte Erfahrung. Manches da<strong>von</strong> mag zuweilen wieder verschüttet<br />

werden. Aber was einmal grundgelegt ist, wird auch wieder durchbrechen. Es ist nicht so, dass die Jungen<br />

nichts mehr glauben, sie glauben ein wenig anders, und sie wollen glauben, um des Lebens willen.<br />

Wo eingeforderte Werte <strong>von</strong> den Fordernden selbst gelebt werden, entsteht das unverzichtbare Klima der<br />

Glaubwürdigkeit. Das Eingeforderte ist würdig, ist es wert, geglaubt und gelebt zu werden. „Ich habe das<br />

erlebt!“ Bei allem Zeitdiktat unter dem wir leben, Familie muss unter allen Umständen der Ort bleiben, wo man<br />

sich Zeit nimmt füreinander, und Zeit hat füreinander. Soviel Zeit muss sein, wenn wir unter dem Zeitdiktat<br />

nicht kaputtgehen wollen. Dazu gehört wohl auch, dass wir uns Zeit lassen für die Einübung in den Glauben,<br />

und das nicht an letzter <strong>St</strong>elle.<br />

Eltern müssen sich Zeit nehmen ihren Kindern zuzuhören, auf sie einzugehen, mit ihnen in Ruhe zu reden.<br />

Sie werden ihre Kinder nicht selbst einem immer größeren Zeitdruck aussetzen für das, was angeblich alles<br />

noch sein muss. Nur damit die Kinder einmal auf dem Podest stehen, auf das Vater und Mutter es nicht<br />

geschafft haben! Kinder haben nicht nur ein Recht auf umfassende Bildung und Ausbildung. Sie haben vor<br />

allem ein Recht auf Herzensbildung!<br />

Wir brauchen die intakte Familie als Raum erlebter Liebe, als Raum der Treue und Verlässlichkeit, der<br />

Geborgenheit und der Zuwendung. Alle begleitenden Maßnahmen der Kinderbetreuung, die in unseren Tagen<br />

nötig sind, werden letztlich die Familie nicht ersetzen können. Sie können sie nur unterstützen.<br />

Die Familie ist die Schule des Lebens schlechthin. Ohne Familiensolidarität werden wir keine<br />

Generationenkonflikte lösen. In einer Familie darf und muss auch mit Autorität gehandelt werden. Autorität ist<br />

nicht einfach Diktat: So ist das, Punkt! Autorität ist glaubwürdige Begleitung, die sich selbst hinterfragt, und<br />

darum den anderen anerkennt und nicht unterbuttert. Gute Eltern werden nicht die Diktatoren ihrer Kinder<br />

sein, sondern ihnen den Lebensraum des Vertrauens schenken. Vertrauen gewährt Freiheit und lernt mit


Freiheit umzugehen. „Ich sage dir das nicht, damit es dir endlich einmal gesagt ist, sondern ich sage dir das,<br />

weil du mir am Herzen liegst.“ Weil du mir am Herzen liegst, darum setze ich dir auch Grenzen. Es kann nicht<br />

jeder tun, was er gerade mag. Die Grenze deiner Freiheit, ist die Freiheit des anderen. Verständnis haben ist,<br />

ich will dir helfen, dass dir dein Leben als Abbild Gottes gelingt.<br />

Auf dem Lehrplan der Familie als Schule des Lebens sollten auch diese Punkte nicht unterschlagen werden:<br />

Das Leben ist keine Rennstrecke mit durchgeschalteter „Grüner Welle“. Es gibt <strong>St</strong>oppschilder. Umwege<br />

können nötig werden, <strong>St</strong>illstand kann kommen. Man kann sich verfahren. Ich kann in Sackgassen geraten.<br />

Auch die sind nicht ausweglos. Das Leben hält nicht nur Erfolge breit. Es gibt auch die Misserfolge. Es gibt<br />

nicht nur „Dauerwellness“, sondern auch das Leben als Schinderei. Zum Leben gehört das Wartenkönnen,<br />

gehören langfristige Erfahrungen. Leben ist nicht eine kette <strong>von</strong> glücklichen und blöden Zufällen. Leben ist<br />

Fügung! Der Gott, der dich gewollt hat, wird es fügen, das dein Leben gelingt. „Ich will, dass sie das Leben<br />

haben, und es in Fülle haben.“ (Joh 10,10) Allerdings muss dann in deinem Lebensplan auch das Wort „ewig“<br />

seinen Platz haben.<br />

Darum war das Leben Jesu geprägt <strong>von</strong> Liebe zum Nächsten, <strong>von</strong> Solidarität mit den Schwachen, <strong>von</strong><br />

Barmherzigkeit gegenüber allem Versagen der Menschen.<br />

Wenn das zu den Erfahrungen der Eltern zählt, der älteren Generation, dann haben wir das an die Kinder, an<br />

die nächste Generation weiterzugeben. Dann geben wir Lebens- und Glaubenserfahrung glaubwürdig weiter.<br />

“Legt den alten Menschen ab, der in Verblendung und Begierde zugrundegeht, ändert euer früheres Leben<br />

und erneuert euren Geist und Sinn! Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in<br />

wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit.“ (Eph 4,22-24)<br />

Abschließend möchte ich einen Grundwert des Glaubens nennen, ohne den das Leben nicht geht. Ich meine<br />

das Gebet! Auch das kann sehr eindringlich erfahrbar werden im Wurzelgeflecht einer Familie, in der man<br />

füreinander und durchaus auch miteinander betet. Das lässt sich ebenso <strong>von</strong> einer Gemeinde sagen.<br />

Wir wollen mit einem Gebet abschließen, keineswegs, weil das so der Brauch ist. Beten, das sind nicht nur<br />

erhabene und fromme Worte. Beten, das sind nicht nur Anliegen und Dank, die wir zu bestimmten Zeiten vor<br />

Gott tragen. Beten ist das Ausreden unseres ganzen Lebens, in allen Situationen mit Gott. Vielleicht ist diese<br />

Erfahrung im Glauben das Grundlegendste, was wir an die Jüngeren unter allen Umständen weitergeben<br />

müssen. Auch dafür ist Jesus das tragfähigste Beispiel.<br />

Wir wollen beten:<br />

Herr Jesus Christus,<br />

du hast uns die Botschaft <strong>von</strong> der Erlösung gebracht.<br />

Du hast sie eingelöst durch deinen Tod am Kreuz<br />

und durch deine Auferstehung <strong>von</strong> den Toten.<br />

Du warst dir nicht zu schade ein Mensch zu werden,<br />

und den Menschen zu dienen.<br />

Du hast gedient in einer Weise, die uns sprachlos macht.<br />

Du bist für uns ganz und gar glaubwürdig.<br />

Du hast in uns den Glauben an dich geweckt.<br />

Wir sollen deine Botschaft weitersagen<br />

und mit unserem Leben bezeugen.<br />

Lass uns nicht klagen:


„Dienen, immer nur dienen.“<br />

Gib uns die Kraft zum Dienst an den Menschen.<br />

Mache uns fähig und bereit<br />

zu einem glaubwürdigen Christsein,<br />

damit alle Unstimmigkeiten in der Welt überwunden werden.<br />

Lass uns auf deine Glaubwürdigkeit antworten<br />

mit unserer Glaubwürdigkeit. Amen.

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