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Die Demut der Sklavin - Fantastik-online.

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<strong>Die</strong> <strong>Demut</strong> <strong>der</strong> <strong>Sklavin</strong><br />

Würde <strong>der</strong> Unbekannte sie verraten?<br />

<strong>Die</strong>se Frage pulste durch Rejinaras Geist, wie<br />

auch <strong>der</strong> Schmerz durch ihren geschundenen<br />

Körper, als sie sie an Land schleppten und<br />

achtlos in eine Sänfte warfen. Viel hatte sie<br />

durch den Schleier, <strong>der</strong> ihre Augen vernebelte<br />

nicht sehen können, nur Mauern und blinkende<br />

Türme auf einem Hügel weiter landeinwärts.<br />

Der Schmerz war gekommen, als sie sie aus<br />

<strong>der</strong> Kiste gehoben hatten, in <strong>der</strong> sie unbestimmbare<br />

Zeit verkrümmt gelegen hatte. Sie<br />

wußte nicht wie viele, denn Reijinara war in<br />

einen Dämmerzustand gesunken, <strong>der</strong> sie nichts<br />

mehr spüren ließ, we<strong>der</strong> Hunger, noch Durst,<br />

noch die protestierenden Muskeln. Wie<strong>der</strong> erinnerte<br />

sie sich <strong>der</strong> Übung vergangener Tage<br />

und versuchte sich aufzurichten, doch eine<br />

knochige Hand drückte sie nie<strong>der</strong>. "Bleib liegen<br />

du störrisches Biest, o<strong>der</strong> ich ziehe dir eines<br />

über den Kopf!" knurrte eine dunkle Stimme.<br />

Reijinara tat es stöhnend, denn ihr Körper gehorchte<br />

ihr ohnehin kaum.<br />

Sie mußte sich vorerst in ihr Schicksal ergeben.<br />

>>>


Stellung als <strong>Sklavin</strong> konnte sie sich nicht abfinden.<br />

Dreimal hatte sie versucht zu entkommen, und<br />

gehofft, zumindest ehrenhaft zu sterben. Einmal<br />

hatten sie ein Netz über sie geworfen, das<br />

zweite Mal war sie über die Mauer gekommen,<br />

aber eine ganze Horde hatte sie überwältigt...<br />

wie auch beim dritten Mal.<br />

Drei Piraten lebten nicht mehr, und ein an<strong>der</strong>er<br />

würde kein Verlangen nach Frauen mehr empfinden.<br />

Für alle drei Versuche und zwei Verweigerungen<br />

war sie ausgepeitscht worden, und mit<br />

jedem Schlag hatte sie Rache geschworen.<br />

Doch allmählich verzweifelte sie. Ihr Jähzorn,<br />

geschürt vor <strong>der</strong> Angst, für immer hier gefangen<br />

zu sein, wurde immer unberechenbarer und<br />

ungezügelter und diese Spannung hatte sie oft<br />

genug an den <strong>Sklavin</strong>nen ausgelassen - eine<br />

sogar geschlagen, die zu den zarten und<br />

schwächeren Mädchen gehörte.<br />

Das nahmen ihr die Frauen übel und rächten<br />

sich mit boshaften Streichen an ihr. Inzwischen<br />

begriff Reijinara, daß sie nicht so weitermachen<br />

konnte und sich nur noch mehr Feinde schuf.<br />

Zorn und Wi<strong>der</strong>stand brachten sie nicht weiter,<br />

doch wie sonst sollte sie sich wehren? Vielleicht<br />

war scheinbares Nachgeben eine erste<br />

Taktik. Wozu hatte sie Strategie erlernen müssen,<br />

und selber in ihren Zeiten als Kapitänin<br />

angewandt?<br />

Sie seufzte und ging zu ihrem Lager um sich<br />

bäuchlings darauf fallenzulassen. Sie barg den<br />

Kopf in den Händen und atmete ruhig ein und<br />

aus. Warum kamen ihr jetzt die Lehren Erlaras,<br />

ihrer engsten Vertrauten über viele Jahre in den<br />

Sinn?<br />

"Der Herr hat dich heute abend zu sich befohlen."<br />

sagte Jikanda mit einem schadenfrohen<br />

Grinsen, als sie ungefragt das Zimmer Reijinaras<br />

betrat. "Und ich soll dich für ihn vorbereiten,<br />

Rilta."<br />

"Dann tu es!" sagte die Dunkelhäutige gleichgültig<br />

und rührte sich nicht von dem Lager.<br />

Jikanda musterte sie misstrauisch. Hatte die<br />

letzte Prügel Rilta etwa zahm gemacht, o<strong>der</strong><br />

führte sie etwas im Schilde? Sie hatte auch<br />

schon gehört, daß sich die Frau seit Tagen an<strong>der</strong>s,<br />

freundlicher, benahm. Das konnte vieles<br />

bedeuten.<br />

Sie machte eine Geste. Rilta erhob sich und<br />

blieb im Raum stehen. "Ich hörte, du bist eine<br />

Klei<strong>der</strong>künstlerin. Dann zeige an mir deine<br />

Fähigkeiten!"<br />

Jikanda gehorchte grollend. Wenn sie auch<br />

nicht son<strong>der</strong>lich achtsam war und die störrischen<br />

Haare so rücksichtslos kämmte, daß sie<br />

manchmal Riltas Kopf nach hinten riß, und die<br />

Spangen des Gewandes absichtlich in die Haut<br />

stieß, so ließ die Dunkelhäutige sie doch klaglos<br />

gewähren. Doch in ihren Augen blitzte es<br />

voller Wut.<br />

Jikanda lächelte. Sie wußte genau, daß die<br />

Borgon-Dun nicht gebrochen, nur vernünftiger<br />

geworden war.<br />

Dennoch würde sich erweisen, wie klug sie<br />

wirklich war, wenn Telentrah <strong>der</strong> Fette mit<br />

seinen Fingern Riltas Körper begrabschte und<br />

sie nie<strong>der</strong>warf... dann würde auch für Jikanda<br />

die Rache vollkommen sein.<br />

Sie verbarg ihr gehässiges Grinsen, als sie<br />

Olena begegnete, die zu aufrichtig war, um das<br />

zu verstehen.<br />

Olena bemerkte die starre Haltung <strong>der</strong> Borgon-<br />

Dun, als sie den Raum betrat. Nur kurz wandte<br />

diese den Blick vom Fenster.<br />

Jikanda hatte gute Arbeit an ihr geleistet, Rilta<br />

- Reijinara, verbesserte sich die Weißhaarige,<br />

wirkte in den fließenden Seidenstoffen sehr<br />

weiblich, und trotz des fehlenden Schmuckes<br />

schimmerte ihr Haar und die Haut.<br />

"Was willst du von mir?" fragte Reijinara tonlos.<br />

Von allen <strong>Sklavin</strong>nen war nur diese Olena<br />

freundlich zu ihr gewesen, obgleich die Lydonerin<br />

auch zu wissen schien, wer sie war. Doch<br />

nie waren solche Worte über ihre Lippen gekommen.<br />

<strong>Die</strong>s brachte Reijinara wie<strong>der</strong> dazu<br />

an den Unbekannten zu denken, <strong>der</strong> sie auf<br />

dem Schiff so bedrohlich verhöhnt hatte. Vielleicht<br />

war auch er ein Lydoner, und die Weißhaarige<br />

kannte ihn sogar.<br />

Reijinara seufzte. Sie sollte sich lieber Gedanken<br />

um das Kommende machen. 'Ich lasse mich<br />

nicht wie ein Lamm zur Schlachtbank führen,<br />

und schon gar nicht zu solch einem Metzger.<br />

Wenn er erwartet, daß ich mich ihm kampflos<br />

hingebe, so täuscht er sich, so weit habe ich<br />

meinen Stolz noch nicht verloren. Ich bin kein<br />

Besitz, <strong>der</strong> genommen wird...'


<strong>Die</strong> Stimme Olenas schreckte sie auf."Was<br />

willst du? " fragte Reijinara nocheinmal. "Ich<br />

habe eben nicht zugehört."<br />

"Ich sagte nur, daß dich eine Gruppe von<br />

Wächtern holen wird. Was willst du dann tun?"<br />

"Nichts Unbedachtes, aber auch nichts gegen<br />

meinen Willen!" Reijinara musterte Olena, die<br />

nur das schlichte Gewand einer <strong>Die</strong>nerin trug.<br />

Wo sie in diesem Palast lebte, wußte sie nicht,<br />

nur wurde ihr um so deutlich, daß sie selber<br />

eine noch bevorzugte Stellung einnahm.<br />

"Gegen deinen Willen. So." murmelte Olena.<br />

"Telentrah ist ein stolzer und gefährlicher<br />

Mann, auch wenn man das seinem Äußeren<br />

nicht mehr ansieht. Ich will dich vor ihm warnen.<br />

Er kann sehr grausam werden."<br />

"Das muß ich in Kauf nehmen" antwortete Reijinara<br />

bedächtig. "Danke für deine Worte.<br />

Warum tust du das alles?"<br />

"Weil ich dir nicht glaube, daß du so bist, wie<br />

du dich benimmst. Da schlummert etwas in<br />

dir... Re...Rilta, das ich spüre, aber nicht deuten<br />

kann. Noch nicht..."<br />

Ihre Worte wurden durch das Knallen von<br />

Stiefeln auf Steinboden unterbrochen. Sie wich<br />

aus, noch ehe ein breitschultriger Wächter die<br />

Tür aufstieß. Es waren sieben Mann aus Telentrahs<br />

persönlicher Garde.<br />

"Der Herr will dich sehen, <strong>Sklavin</strong>."<br />

Reijinara erhob sich willenlos.<br />

Der Prunk <strong>der</strong> Gemächer des Piratenfürsten<br />

erstaunte Reijinara nicht. Sie war ähnliches<br />

gewohnt, doch waren diese Besitztümer wahllos<br />

zusammengeplün<strong>der</strong>t und aufgestellt worden.<br />

Der Raum, obgleich recht groß, war<br />

überladen. Gold glitzerte an den unmöglisten<br />

Stellen, und die Wandteppiche verschiedenster<br />

Völker hingen nebeneinan<strong>der</strong> und stachen sich<br />

gegenseitig in ihrer Farbenpracht aus.<br />

Viel Platz nahm auch das mit Kissen bedeckte<br />

Bett ein.<br />

Der Piratenfürst stand davor und hielt einen<br />

rubingeschmückten Pokal in den Händen. Er<br />

trug ein lockeres Hausgewand aus feinster Seide,<br />

daß wohl für einen noch Fetteren gefertigt<br />

worden war.<br />

"Ihr könnt euch zurückziehen!" befahl er den<br />

Männern. "Aber wartet vor <strong>der</strong> Tür."<br />

<strong>Die</strong> Wächter gehorchten. Reijinara blickte ihnen<br />

nicht nach. Sie stützte die Hände in die<br />

Hüften und blickte sich weiter um. Telentrah<br />

trat an sie heran. Er war so groß wie sie und<br />

blies ihr seinen weingeschwängerten Atem ins<br />

Gesicht.<br />

"Was funkelst du mich mit deinen Amethystaugen<br />

so wild an, kleines Pantherweibchen? Hm,<br />

man berichtete mir von deinen Unartigkeiten.<br />

Abr du warst das Gold und den Ärger wert. Du<br />

bist wirklich ein rassiges Weib, und schon gar<br />

nicht unerfahren, habe ich recht? Ihr Wilden, so<br />

hörte ich, seid leidenschaftliche Liebhaberinnen<br />

und paart euch gerne...wen man euch einmal<br />

gezähmt hat.<br />

Zieh dich aus! Ich will deine Brüste sehen!"<br />

Reijinara blieb starr stehen. Sie achtete nicht<br />

auf den Befehl. Ihre Augen blickten starr geradeaus.<br />

"Stolz!" Der Piratenfürst nahm einen tiefen<br />

Schluck und stellte den Pokal dann beiseite.<br />

"Den haben sie dir wohl noch nicht aus deinem<br />

Leib geprügelt. Ich mag das - hin und wie<strong>der</strong>.<br />

Aber auch meine Geduld hat ein Ende. Ich sage<br />

es nicht noch einmal: Zieh dich aus!"<br />

Er überkreuzte die Arme vor <strong>der</strong> Brust. Reijinara<br />

tat es ihm gleich. Sie schnaubte nur verächtlich<br />

und beobachtete ihn.<br />

"Du willst mich verspotten, wie?"<br />

Telentrah trat an sie heran. Eine A<strong>der</strong> auf seiner<br />

Stirn schien anzuschwellen, ein Ausdruck<br />

seines Zorns. <strong>Die</strong> Augen funkelten in dem teigigen<br />

Gesicht und er hob seine Hand.<br />

"Ich sage dir noch einmal, zieh dich aus!"<br />

keuchte er wütend. Dann holte er aus.Reijinara<br />

fing seine Hand instinktiv ab und schlug selber<br />

zu. Der Zorn und Ekel, <strong>der</strong> in ihr aufgestiegen<br />

war, brach in dem Hieb aus ihr heraus, <strong>der</strong> den<br />

Piratenfürsten zu Boden schleu<strong>der</strong>te.<br />

Noch ehe Reijinara ihn packen und als Geisel<br />

nehmen konte, brüllte er nach seinen Wachen.<br />

<strong>Die</strong> fünf Männer stürmten herein und stürzten<br />

sich auf sie, rissen Reijinara, die sich in ihrem<br />

Gewand verhed<strong>der</strong>te, brutal zurück. Reijinara<br />

keuchte vor Schmerz, als sie ihr die Arme fast<br />

brachen und wehrte sich, aber die Übermacht<br />

drückte sie auf den Boden und hielt sie dort<br />

fest. Einer packte ihr ins Haar und riß den Kopf<br />

zurück, so daß sie den Piratenfürsten ansehen<br />

mußte. Grausam lächelnd blickte er auf sie hinunter,<br />

Reijinara spürte, daß sie ihn in seinem<br />

Stolz verletzt hatte, und Telentrah nicht ertragen<br />

konnte, daß eine Frau ihm nicht gehorchte.


"Sie soll lernen, wo ihr Platz ist", stieß er mit<br />

heiserer Stimme hervor. "Nehmt sie, so oft ihr<br />

wollt, aber beschädigt die Dirne nicht allzusehr.<br />

Vielleicht bricht das ihren Stolz."<br />

Reijinara wußte, was das bedeutete. Sie<br />

bäumte sich auf, aber die fünf Männer waren in<br />

<strong>der</strong> besseren Position. Sie drehten sie um und<br />

hielten ihre Arme und Beine fest. Der fünfte<br />

beugte sich über sie.<br />

Telentrah lachte höhnisch und verließ seinen<br />

Raum.<br />

Der Mann riß den dünnen Stoff von ihren<br />

Schultern und ihrem Oberkörper. Reijinara<br />

bäumte sich noch einmal auf, obgleich sie genau<br />

wußte, daß es diese Kerle noch mehr anstacheln<br />

würde.<br />

"Mir gefällt es, wenn du dich so wehrst! Mach<br />

nur weiter!" keuchte <strong>der</strong> Mann über ihr und<br />

knetete grob ihr Fleisch um weiteren Wi<strong>der</strong>stand<br />

zu erzwingen. "Ich mag es, wenn meine<br />

Weiber wild sind und kämpfen wollen!"<br />

<strong>Die</strong> an<strong>der</strong>en lachten höhnisch. "Nun beeil dich,<br />

ich will auch noch drankommen!" rief einer und<br />

fluchte, als Reijinara beinahe ihr Bein befreit<br />

hätte. Sie biß sich auf die Lippen und gab ihren<br />

Wi<strong>der</strong>stand auf, obgleich sie bei dieser Demütigung<br />

zitterte und innerlich brannte.<br />

Doch sie war machtlos gegen die fünf Wächter,<br />

die sie brutal missbrauchten und nicht nur einmal<br />

vergewaltigten. Als <strong>der</strong> letzte schließlich<br />

von ihr abließ und sich keuchend von ihr hinunterrollte,<br />

war Reijinaras Körper ein einziges<br />

Schmerzendmeer. Sie wollte schreien und weinen,<br />

aber sie verbot es sich. Sie konnte und<br />

wollte ihnen diesen Triumph nicht gönnen. Sie<br />

wollte ihnen nicht zeigen, wie nahe sie dem<br />

Abgrund war.<br />

Auch als zwei <strong>der</strong> Männer sie nun anhoben und<br />

mit sich schleiften, um sie in ihr Zimmer zu<br />

bringen und sie dort auf das Bett zu werfen,<br />

verbot sich Reijinara, einen Laut zu äußern.<br />

Sie blieb mit ihrem Schmerz allein. Eine Weile<br />

regte sie sich nicht, dann hob sie langsam den<br />

Kopf und drehte sich. Ihre Hände tasteten zögernd<br />

über den blutigen, zerschrammten Leib,<br />

und die ersten Tränen schossen in ihre Augen.<br />

Sie rollte sich zusammen und begann zu zittern<br />

und ihre Verzweiflung herauszuschreien.<br />

Telentrah hatte es geschafft, hatte sie mit dieser<br />

Tat gebrochen. Reijinara hatte früher nie daran<br />

geglaubt, daß ihr eine Schändung so viel aus-<br />

machen würde, sie hatte nur über die Warnungen<br />

gelacht. Jetzt wußte sie, daß sie wie die<br />

an<strong>der</strong>en fühlte und am liebsten sterben würde.<br />

Sie blickte zum Fenster, und dann gab sie einen<br />

erleichterten, wenn auch noch klagenden Laut<br />

von sich, rappelte sich mühsam auf und taumelte<br />

zu ihm hin.<br />

Keijad! Warum waren ihr die Blumen, die ein<br />

Gärtner zur Zierde ihres Raumes ausersehen<br />

hatte, nicht früher aufgefallen? O<strong>der</strong> hatte er<br />

sie erst jetzt eingepflanzt? <strong>Die</strong> violetten Blüten<br />

leuchteten ihr tröstend entgegen, ihr Duft erinnerte<br />

sie an ihre Heimat, und an einen Ausweg.<br />

Unbehandelt war <strong>der</strong> Blütensaft <strong>der</strong> Keijiad ein<br />

starkes, schnell wirkendes Gift, das den Tod<br />

bringen konnte.<br />

Es war, als hätten sie ihre Götter erhört.<br />

Olena eilte, nachdem sie den Befehl von einem<br />

Wächter erhalten hatte umgehend in den Raum<br />

<strong>der</strong> Borgon Dun. Sie war voller Sorge, denn<br />

<strong>der</strong> Mann hatte mit seiner Eroberung geprahlt,<br />

und sie kannte die Grausamkeit des Piratenfürsten.<br />

Dabei hatte sie Re...Rilta gewarnt, ihn<br />

nicht zu reizen. Und nun hatte sie dafür bezahlt.<br />

Wie weit ertrug eine Borgon-Dun wie sie<br />

eine Schändung?<br />

<strong>Die</strong> Antwort fand sie in <strong>der</strong>en Gemächern. Sie<br />

sah als erstes die dunkelhäutige Gestalt die<br />

verkrümmt in <strong>der</strong> Nähe des Fensters lag. Eine<br />

Tonschale mit violetten Blüten war heruntergerissen<br />

worden. Einen Teil davon umklammerte<br />

die Bewußtlose noch. Olena erkannte die Blüten<br />

wie<strong>der</strong>. Sie war zuvor eine Gelehrte, keine<br />

<strong>Die</strong>nerin gewesen und wußte, was sie vor sich<br />

hatte. "Keijad?" murmelte sie und entsann sich<br />

<strong>der</strong> Wirkung, die man <strong>der</strong> heiligen Pflanze <strong>der</strong><br />

Keiiris, <strong>der</strong> alten Göttin <strong>der</strong> Borgon-Dun nachsagte:<br />

Heilend wenn in Maßen genutzt, ein<br />

tödliches Gift, wenn unbehandelt und in großen<br />

Mengen genossen.<br />

Sie wandte sich um und rannte durch die Gänge.<br />

Sie wußte, daß sich Andraytor, <strong>der</strong> Priester<br />

des Norytton irgendwo in diesem Flügel des<br />

Palastes aufhielt. Telentrah glaubte zwar nicht<br />

an Götter, aber er hatte trotzdem für seine<br />

Untergebenen ein kleines Heiligtum errichtet,<br />

in dem verschleppte Geweihte ihrem Gott<br />

dienten. Andraytor war <strong>der</strong> Älteste und Mächtigste<br />

von ihnen. Nur er besaß Kräfte, die jetzt<br />

noch helfen konnten.


Der weißhaarige Mann verließ gerade die<br />

Kammer einer <strong>Sklavin</strong>, die ein Kind zur Welt<br />

gebracht hatte, als Olena auf ihn traf und ihn<br />

am Ärmel seines Gewandes festhielt.<br />

"Andraytor! <strong>Die</strong> Borgon-Dun braucht eure<br />

Hilfe! Sie hat Gift genommen!" Erst jetzt kam<br />

es Olena zu Bewußtsein, daß es für Rilta vielleicht<br />

besser gewesen wäre, zu sterben, aber es<br />

war schon zu spät. Der alte Mann fragte: "Wo!<br />

Und was?"<br />

"Was auch immer sie empfangen haben könnte,<br />

wenn <strong>der</strong> Samen Frucht gezeugt hätte, sie hat<br />

es verloren. Aber sie wird leben, Fürst Telentrah",<br />

klang eine fremde, aber warme Stimme<br />

in den Nebel ihrer Benommenheit. Reijinara<br />

öffnete die Augen und schloß sie mit einem<br />

Stöhnen wie<strong>der</strong>, als sich alles um sie drehte.<br />

"Sie hat offensichtlich eine überdurchschnittliche<br />

Konstitution", erklärte <strong>der</strong> Fremde. Reijinara<br />

öffnete wie<strong>der</strong> die Augen. Fürst Telentrah<br />

beugte sich über sie und musterte sie<br />

nachdenklich. "Tatsächlich..." Er klang amüsiert<br />

und grimmig zugleich. "Der Stolz glitzert<br />

immer noch aus deinen Juwelenaugen, Pantherweibchen.<br />

Vielleicht lernst du in <strong>der</strong> Arena<br />

<strong>Demut</strong>!"<br />

Dann wandte er sich ab und sagte etwas zu<br />

dem Fremden mit <strong>der</strong> warmen Stimme. Reijinara<br />

aber frohlockte, denn damit gab er ihr eine<br />

Waffe in die Hand, die sie nutzen konnte. Von<br />

allen Sklaven waren die Gladiatoren die Unbeugsamsten,<br />

das hatte sie selber erlebt.<br />

Sie schreckte aus ihren Gedanken auf, als <strong>der</strong><br />

Fremde in ihr Sichtfeld trat und ihren Kopf<br />

stützte, um einem Becher an ihre Lippen zu<br />

setzen. "Trink das, es wird lich in Schlaf versetzten<br />

und die letzten Reste des Giftes aus<br />

deinem Körper vertreiben. Bei Norytton, du<br />

wirst leben."<br />

"Ich werde leben..." murmelte sie schwach und<br />

schloß wie<strong>der</strong> die Augen, um sich in die angenehme<br />

Dunkelheit gleiten zu lassen. "Leben!"<br />

>>>


artige Funkeln in seinen Augen ließen sie stutzen.<br />

Sie wurde wachsam.<br />

"Beginnt! Wir haben nicht den ganzen Tag<br />

Zeit!" rief <strong>der</strong> Arenenmeister.<br />

"Du hast ihn gehört!" entgegnete Lyron, während<br />

sich ihre Augen weiteten. <strong>Die</strong> Stimme war<br />

ihr vertraut, sie hatte sich in aller Deutlichkeit<br />

in ihre Erinnerung eingebrannt! Der Mann auf<br />

dem Schiff! Bei Borgon! Er hieß ebensowenig<br />

Lyron, wie sie Rilta!<br />

Meschanisch ging sie in Angriffsstellung, um zu<br />

gehorchen und tauschte einige Schläge mit<br />

ihrem Gegner aus.<br />

"Nun ja, das war noch nicht überzeugend"<br />

meldete sich <strong>der</strong> Arenenmeister. "Lyron, du<br />

bist besser!"<br />

Der Blonde stützte sich auf den Stab auf. "Nun<br />

gut, dann höre ich auf zu spielen!" sagte er kalt<br />

und griff im nächsten Augenblick an.<br />

Reijinara konnte gerade noch ausweichen und<br />

den nächsten, von unten geführten Schlag abwehren.<br />

Dann prasselten seine Stockhiebe auf<br />

sie ein.Sie wurde in die Defensive gedrängt.<br />

Der Schweiß lief in kleinen Rinnsalen von ihrem<br />

Körper und ihre Muskeln schmerzten. Sie<br />

stieß wütende Flüche aus, doch ihr Gengner<br />

lachte nur spöttisch und benutzte einen hinterhältigen<br />

Schlag, um ihre Deckung zu durchbrechen<br />

und mit einem erneuten Hieb den Arm zu<br />

paralysieren. Einhändig konnte sie den Stab<br />

nicht mehr führen und so galt <strong>der</strong> nächste Hieb<br />

dem an<strong>der</strong>en Handgelenk. Reijinara versuchte<br />

ihn anzuspringen. Sie sah es längst nicht mehr<br />

als Spiel. Lyron setzte sie jedoch mit Hieben in<br />

die Kniekehlen außer Gefecht und lachte laut,<br />

als sie in den Sand fiel und Mühe hatte, sich<br />

aufzurappeln.<br />

"Genug!" griff <strong>der</strong> Arenenmeister schließlich<br />

ein und blockierte den letzten Schlag, <strong>der</strong> ihrem<br />

Nacken gegolten hatte. "Aufhören Lyron, o<strong>der</strong><br />

willst du lebendig gehäutet werden? <strong>Die</strong>ses<br />

Püppchen hat am Leben zu bleiben!"<br />

Lyron trat keuchend zurück, während Reijinara<br />

sich stöhnend aufrappelte und ihm einen vernichtenden<br />

Blick zuwarf, als ihr auch noch einer<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Kämpfer helfen mußte.<br />

'Was du auch immer gegen mich hast, das werde<br />

ich dir heimzahlen!' dachte sie, während <strong>der</strong><br />

Arenenmeister sie am Arm packte. "Es kann<br />

nur besser werden", bemerkte <strong>der</strong> Kahlköpfige.<br />

"Bringt sie in ihre Zelle und schickt den Quacksalber<br />

zu ihr, damit er sie untersucht!"<br />

<strong>Die</strong> Flucht aus <strong>der</strong> Arena erwies sich als unmöglich.<br />

Überall waren Wächter zu finden,<br />

Männer, die schnell und geschickt handelten,<br />

weil sie selber aus <strong>der</strong> Arena stammten und<br />

neben <strong>der</strong> Freilassung noch einen hohen Lohn<br />

erhielten. Darlynx, einer <strong>der</strong> älteren Gladiatoren<br />

hatte sie schon früh auf die Achtsamkeit<br />

<strong>der</strong> Söldner hingewiesen, so daß Reijinara sich<br />

ruhig verhielt.<br />

Aber sie fühlte sich dennoch freier als in den<br />

Frauengemächern. Sie übte in den nun folgenden<br />

Tagen und Wochen so verbissen, daß ihre<br />

Muskeln immer wie<strong>der</strong> protestierten, aber sie<br />

gewann mit <strong>der</strong> Zeit ihre Gewandheit und Ausdauer<br />

zurück.<br />

Sie war mit sich zufrieden, wenn sie einmal von<br />

<strong>der</strong> Wut auf Telentrah und Lyron absah. Ersterer<br />

hielt sich nicht auf <strong>der</strong> Insel auf, er wie<strong>der</strong><br />

erst in Monden wie<strong>der</strong> zurückkehren. Sie hatte<br />

die Demütigung <strong>der</strong> mehrfachen Vergewaltigung<br />

nicht vergessen - so aber konnte sie wenigstens<br />

auf einen Racheplan sinnen. Zumal sie<br />

jetzt nicht mehr durch das Nichtstun und die<br />

Gefangenschaft geschwächt war.<br />

Der blonde Kämpfer verfolgte sie immer wie<strong>der</strong><br />

mit seinen Blicken. Wenn <strong>der</strong> Arenenmeister<br />

sie auch nicht mehr miteinan<strong>der</strong> kämpfen<br />

ließ, so spürte sie doch, daß er auf eine Gelegenheit<br />

wartete, sie wie<strong>der</strong> anzugreifen. Reijinara<br />

vermutete, daß er sie kannte, doch sie<br />

erinnerte sich nicht, sein Gesicht jemals gesehen<br />

zu haben. Nichts an ihm deutete auf eine<br />

Herkunft hin, er hätte ebensogut ein Galeerensklave<br />

o<strong>der</strong> Pirat, wie auch ein Adliger aus<br />

Lydon sein können. Nur, daß er einen Grund<br />

hatte, sie zu hassen war deutlich zu erkennen.<br />

Sie begann dieses Leben zu lieben, wenn auch<br />

nicht so sehr wie den Wunsch nach Freiheit,<br />

<strong>der</strong> in ihrem Herzen war.<br />

"Morgen sind wie<strong>der</strong> Spiele zu Ehren irgendeines<br />

Kapitänes o<strong>der</strong> Bastardes von Telentrah,<br />

<strong>der</strong> genug Geld bezahlt hat", murmelte Darlynx,<br />

einer <strong>der</strong> wenigen Gladiatoren, mit denen<br />

sich Reijinara angefreundet hatte, zu ihr. Sie<br />

sah zu dem alten, erfahrenen Kämpfer hin, mit<br />

dem sie oft geübt hatte, und so besser kannte,<br />

als jeden an<strong>der</strong>en.


Lei<strong>der</strong> verstanden die Frauen sie nicht. Sie kamen<br />

aus einem Land, das nicht einmal <strong>der</strong><br />

Grauhaarige kannte, <strong>der</strong> früher einmal ein Handelsfahrer<br />

gewesen war.<br />

Nun saßen sie auf den Steinstufen und aßen<br />

den nahrhaften Brei aus Getreide, Brühe und<br />

zerkleinertem Fleisch, und Reijinara zuckte zur<br />

Antwort mit den Schultern. Darlynx lachte<br />

trocken. "<strong>Die</strong>ses Gesindel hungert noch mehr<br />

nach Blut als dein Volk. Du bist eine reinrassige<br />

Borgon-Dun, nicht wahr?"<br />

Reijinara seufzte. "Und wenn dem so wäre,<br />

dann ist es doch auch nicht mehr wichtig. Wir<br />

alle stehen in <strong>der</strong> gleichen Arena."<br />

"Hm..." Darlynx zog eine Augenbraue hoch.<br />

"Nicht alle. Der Arenenmeister sagte mir, daß<br />

du von den Schauspielen ausgeschlossen bist.<br />

Der Fürst befahl es!"<br />

Reijinara sah ihn erstaunt an, dann aber nickte<br />

sie bedächtig. "Das kann ich mir gut vorstellen.<br />

Ich bin nicht hier, um durch ein Schwert zu<br />

sterben."<br />

Darlynx musterte sie nachdenklich. "Hm..."<br />

Ehe er jedoch mehr sagen konnte, trat <strong>der</strong> Arenenmeister<br />

durch ein Tor und schlug mit seinem<br />

Stab gegen einen Gong. "Genug <strong>der</strong> Faulenzereien!<br />

Bringt euch in Bewegung! ich will<br />

euch schwitzen sehen!" <strong>Die</strong> Gladiatoren gehorchten<br />

mit dem üblichen Murren.<br />

Als sie in ihre Zelle zurückkehren wollte, hielt<br />

ein Aufseher Reijinara zurück. "Heute nicht!"<br />

erklärte er und packte sie am Arm, während er<br />

sie in einen an<strong>der</strong>en Gang zerrte, gut sichtbar<br />

für die an<strong>der</strong>en Männer.<br />

"Was soll das? zischte Reijinara und spannte<br />

ihren Körper an. Sie war bereit, jeden Augenblick<br />

zuzuschlagen.<br />

"Versuch es ja nicht..." knurrte <strong>der</strong> Aufseher.<br />

"Es sind genug an<strong>der</strong>e hier, um dich einzufangen<br />

und zu bestrafen."<br />

"Ekelhaftes Stinktier! Was hast du mit mir<br />

vor?" Der Wächter lachte nur dreckig und zog<br />

sie vor eine an<strong>der</strong>e Zellentür, bei <strong>der</strong> schon ein<br />

an<strong>der</strong>er Wächter stand und breit grinste.<br />

"Hier Lyron!" rief er in die Zelle. "Hier ist noch<br />

ein kleiner Spaß für dich, ehe du morgen in die<br />

Arena gehst, um zu sterben!"<br />

rief er, als er die Tür aufriß, und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e sie<br />

hineinstieß. Reijinara stolperte in den Raum<br />

hinein und fing sich katzengleich ab, ehe sie<br />

stürzen konnte. <strong>Die</strong> Tür fiel mit einem lauten<br />

Knall hinter ihr zu.<br />

"Hab deinen Spaß mit <strong>der</strong> Wildkatze und laß<br />

dich nicht allzusehr zerkratzen!" erklang eine<br />

dritte Stimme. Reijinara ging in Angriffshaltung<br />

und musterte den Blonden, <strong>der</strong> an <strong>der</strong> Mauer,<br />

ihr gegenüber lehnte, und sie kalt anfunkelte.<br />

Er hatte die Arme vor <strong>der</strong> Brust gekreuzt, und<br />

ein spöttischer Zug lag in seinen Mundwinkeln.<br />

"Auch sie wollen ihren Spaß haben", grollte er<br />

und blickte bedeutungsvoll nach oben. "Und sie<br />

werden ihn bekommen!" zischte er und griff sie<br />

unvermittelt an. Reijinara hatte ähnliches geahnt<br />

wich aus und griff ihrerseits an.<br />

"Verdammt, was soll das? Wer bist du und<br />

warum greifst du mich an. Welchen Haß hegst<br />

du gegen mich, daß du mich töten willst!"<br />

fauchte sie, als sie versuchte, seinen Kopf in<br />

den Schwitzkasten zu nehmen. "Du warst das<br />

auf dem Schiff."<br />

Er nutzte ihren Schwung aus und schleu<strong>der</strong>te<br />

sie gegen die Wand, halb auf sein Lager. Er<br />

fing die zu Krallen gekrümmten Hände Reijinaras<br />

ab und riß sie herum.<br />

"Weil ich Grund dazu habe" keuchte er.<br />

"Deye!" Er spieh das Wort förmlich hervor,<br />

während er ihren Arm verdrehte, aber den an<strong>der</strong>en<br />

freigeben mußte. "Ich habe lange darauf<br />

gewartet, die Hure von Torgan-Dyl in meine<br />

Finger zu bekommen, die gemeinsame Sache<br />

mit <strong>der</strong> Hexe von Lydon machte..."<br />

"Was ist mit...Sadia!" Reijinara stöhnte auf,<br />

schaffte es aber zu treten. Er ließ sie los, was<br />

die Borgon-Dun nutzte, sich von <strong>der</strong> Pritsche<br />

zu winden und auf die Beine zu kommen.<br />

"Was ist Lyron? Sonst hast du die Kätzchen<br />

immer schneller flachgelegt, o<strong>der</strong> ist sie doch<br />

zu viel für dich!" Reijinara blickte einen Augenblick<br />

nach oben, von wo die Stimme gekommen<br />

war, und wurde so von Lyron überrascht.<br />

Er schleu<strong>der</strong>te sie gegen die Wand und<br />

begann sie zu würgen. Reijinara krallte ihre<br />

Hände in seine Arme. "Versuch nur dich zu<br />

befreien, du schwarze Ausgeburt <strong>der</strong> Dämonen.<br />

Du steckst hinter dem Mord an meinem Bru<strong>der</strong><br />

Seram, dem Fürsten von Lydon! Du..."<br />

Reijinara rang nach Luft. Sie schaffte es, ihm<br />

das Knie in den Unterleib zu rammen, so daß er<br />

sie losließ und mit schmerzerfülltem Keuchen<br />

zurücktaumelte. Sie schlug ihn ins Gesicht und<br />

stieß ihn zu Boden. "Narr!" gab sie mit rauher


Stimme hastig zurück. "Ich habe we<strong>der</strong> den<br />

Befehl gegeben, noch wußte ich vonihrem Verrat!<br />

Verdammter Lydoner, warum ist keiner<br />

von euch<br />

nach Organ-Dyl gekommen?"<br />

"Weil sie die Aufständischen fortschaffen ließ!"<br />

Mit einem Keuchen schaffte <strong>der</strong> Mann es, wie<strong>der</strong><br />

auf die Beine zu komen. "Aber trotzdem<br />

will ich die Genugtuung habe, dich zu töten."<br />

Sie umklammerten einan<strong>der</strong>. Je<strong>der</strong> versuchte an<br />

des an<strong>der</strong>en Hals zu kommen, doch ihre Hände<br />

waren so ineinan<strong>der</strong> verkrallt, daß sie es nicht<br />

vermochten. Sie rangen um die Oberhand, einan<strong>der</strong><br />

zornig in die Augen blickend. Grau traf<br />

auf Purpur und ein stummes Duell entspann<br />

sich zwischen ihren Seelen, während die Körper<br />

wie Bogensehnen nach dem Schuß zitterten.<br />

Der Blonde riß Reijinara mit einem gezielten<br />

Tritt von den Beinen, doch diese zog ihn mit<br />

sich, kam unter ihm zu liegen. Wie<strong>der</strong> vrsuchte<br />

er sie zu würgen...<br />

Plötzlich öffnete sich die Tür und vier Wachen<br />

stürmten hinein, trennten die Kämpfer und<br />

hielten sie fest, während <strong>der</strong> Kerkermeister<br />

hineinkam und finster nach oben blickte.<br />

"Wenn ich die erwische, die dafür verantwortlich<br />

waren..."<br />

Er musterte Reijinara und Lyron, die noch immer<br />

heftig nach Luft rangen und schüttelte den<br />

Kopf, aber in seinen Augen blitzte es.<br />

"So, ihr wolltet euch umbringen, und ihr wärt<br />

eine interessante Paarung, aber lei<strong>der</strong> habe ich<br />

das nicht zu entscheiden. Du, Lyron wirst morgen<br />

die Zeche für dein Verhalten zahlen müssen."<br />

Der Blonde verzog nur das Gesicht, während<br />

Reijinara hinausgezogen wurde. Sie blickte<br />

noch einmal zurück.<br />

In ihrer Zelle setzte Reijinara sich auf ihr Lager<br />

und streckte sich dann aus, um die schmerzenden<br />

Glie<strong>der</strong> zu entspannen und nachzudenken.<br />

Ein Lydoner! Sie hatte es geahnt, und doch<br />

beschäftigte sie jetzt mehr die Frage, was Sadia,<br />

die Oberbefehlshaberin <strong>der</strong> Truppen von<br />

Lydon bewegt hatte, die Macht zu ergreifen.<br />

Also stimmte das, was Olena angedeutet hatte.<br />

Sie begann mit sich zu ha<strong>der</strong>n. Waren das die<br />

Ergebnisse ihrer kurzen Regentschaft gewesen,<br />

die sie mit Groll in ihrem Herzen begonnen<br />

hatte? Reijinara seufzte.<br />

Der Bru<strong>der</strong> Fürst Serams von Lydon. Sie<br />

glaubte sich zu erinnern, ihn einmal gesehen zu,<br />

und seinen Namen in Chroniken gelesen zu<br />

haben, die sie bearbeiten mußte. Er war Keladion...Kel...<br />

Keladhan von Lydon.<br />

Und er besaß einen starken, unbeugsamen<br />

Willen, <strong>der</strong> mit dem ihren zu vergleichen war.<br />

Und welch eine Energie war in seinen Augen<br />

und seinem Körper. 'Mit ihm könnte ich entkommen',<br />

dachte sie. 'Zusammen könnten wir<br />

das erreichen, was je<strong>der</strong> von uns alleine nicht<br />

vermag. Wenn es doch nur Frieden und eine<br />

Zweckgemeinschaft zwischen uns geben<br />

könnte...'<br />

In dieser Nacht hatte sie einen Traum: Zwei<br />

Vögel, ein silberner und ein goldener saßen in<br />

Käfigen, die dicht beieinan<strong>der</strong>standen, und versuchten<br />

sich zu befreien. Der eine besaß Geschick,<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Kraft. Doch entkommen<br />

konnten sie erst, als <strong>der</strong> geschickte Vogel das<br />

Schloß des Tores öffnete, und <strong>der</strong> kräftige dieses<br />

anhob. Gemeinsam flogen sie durch ein<br />

Fenster in die Freiheit, und mit ihnen ein ganzer<br />

Schwarm von kleineren Gefie<strong>der</strong>ten, die schon<br />

lange in einer Voliere dahingesiecht hatten.<br />

Reijinara schreckte erst hoch, als die Sonne ihr<br />

genau ins Gesicht schien. Sie war über die klaren,<br />

deutlichen Bil<strong>der</strong> verwirrt.<br />

>>>


sorgt. Sie kannte ihn immerhin so gut, daß sie<br />

merkte, daß es ihm ernst war. Er hatte über<br />

fünfzig Kämpfe auf Leben o<strong>der</strong> Tod ausgefochten,<br />

und sie sah in seinen Augen einen gehetzten<br />

Ausdruck.<br />

"Viele Male habe ich lebend die Arena verlassen,<br />

und meine Gegner blieben im Sand zurück.<br />

Tiere und Menschen. Ich weiß, daß es mich<br />

diesmal treffen wird."<br />

Er blickte sie an und erwi<strong>der</strong>te ihren Griff.<br />

"Ich habe von dir geträumt. Du warst eine Königin<br />

und wirst es wie<strong>der</strong> sein."<br />

Reijinara sah sich gehetzt um, ob noch jemand<br />

ihren Worten gelauscht hatte. Darlynx streichelte<br />

sie beruhigend. "Doch da war noch etwas<br />

an<strong>der</strong>es. Du hast kein Schwert getragen..."<br />

Er seufzte. "Ich rede wirres Zeug. Wirst du<br />

mich vor dem Kampf massieren?"<br />

Reijinara nickte. "Das werde ich mit Freuden."<br />

sagte sie.<br />

Unter den Gladiatoren war es üblich, daß sie<br />

sich gegenseitg massierten, wenn sie ihre<br />

Kämpfe beendet hatten, und da <strong>der</strong> Arenenmeister<br />

zugelassen hatte, daß Reijinara und Darlynx<br />

sich halfen, so würde sie es auch jetzt tun.<br />

Ein wenig erinnerte sie das an die Tage mit<br />

ihren alten Kampfgefährten, bevor sie zur<br />

Herrscherin geworden war.<br />

Als sie aufstand sah sie, daß Lyron, nein Keladhan,<br />

sie aufmerksam beobachtet hatte.<br />

>>>


diesen brauchten sie. Das Tier erfüllte alle Erwatungen<br />

<strong>der</strong> Menge. Nur seine Schnelligkeit<br />

rettete den Lydoner, <strong>der</strong> sich duckend und<br />

springend den Pranken auswich. Ihrgendwann<br />

warf Lyron seinen Schild gegen den Bären und<br />

verteidigte sich nur noch mit dem Schwert.<br />

Darlynx versuchte die Aufmerksamkeit den<br />

Raubtiers auf sich zu ziehen, um seinem jüngeren<br />

Mitkämpfer die Möglichkeit zu geben, von<br />

hinten an das Tier zu kommen.<br />

Doch <strong>der</strong> Bär war schlau. Als Lyron auf seinen<br />

Rücken sprang, drehte er sich mit einem Grollen<br />

und schleu<strong>der</strong>te ihn nicht nur wie<strong>der</strong> von<br />

sich, son<strong>der</strong>n zerfetzte mit einem Hieb auch<br />

noch Darlynx' Gesicht. <strong>Die</strong> Menge gröhlte begierig,<br />

während Reijinara die Fäuste ballte und<br />

mit einem Wutschrei das Brechen <strong>der</strong> Knochen<br />

des alten Gladiators beantwortete, <strong>der</strong> von <strong>der</strong><br />

Bestie noch einmal hochgerissen wurde.<br />

Lyron, <strong>der</strong> gegen eine Mauer geprallt war, rappelte<br />

sich taumelnd und benommen hoch.<br />

Nun war sie nicht mehr zu halten. Sie wandte<br />

sich wie eine Furie dem jungen Wächter zu und<br />

entriß ihm den Speer, während sie ihn mit einem<br />

Fausthieb nie<strong>der</strong>schlug. Dann flankte sie<br />

über die Mauer und landete sicher im Sand <strong>der</strong><br />

Arena. Es war, als erfülle sie die Kraft Borgons,<br />

als sie so schnell sie ihre Füße tragen<br />

konnten auf den Bären zurannte, sich durch<br />

einen Sprung hochkatapultierte und dem Tier<br />

den Speer mit einem wilden Geheul in den Hals<br />

rammte, so daß er auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite wie<strong>der</strong><br />

herauskam. Sie klammerte sich an <strong>der</strong> Waffe<br />

Fest, und irgendwie gelang es ihr, auf dem<br />

Rücken <strong>der</strong> vollkommen überraschten Bestie<br />

zu bleiben, die in ihrem Todeskampf wütete,<br />

und sich herumwarf. Ihre Tunika färbte sich rot<br />

von Blut, und auch an Armen und Beinen<br />

spürte sie das klebrige Naß.<br />

Schließlich brach er zusammen, und Reijinara<br />

spürte das letzte Zucken seiner Muskeln unter<br />

ihren Füßen. Sie lachte und stieß einen wolfsähnlichen<br />

Siegesruf aus, während das Blut bis<br />

in ihre Ohren pochte.<br />

<strong>Die</strong> Menge, die ob <strong>der</strong> überraschenden Wendung<br />

verstummt war, begann nun zu johlen, sie<br />

hatten etwas erlebt, das sie so nicht erwartet<br />

hatten, und es gefiel ihnen. Lyron, <strong>der</strong> sich gegen<br />

die Wand stützte, beachtete keiner mehr,<br />

aber ein Regen aus Geld und Schmuck prasselte<br />

auf Reijinara hinab. <strong>Die</strong>se löste ihre zer-<br />

schundenen Hände von dem Speer und blickte<br />

auf die Schürfwunden, während <strong>der</strong> Arenenmeister<br />

Befehle bellte. Lyron sah sie nur an und<br />

formte ein lautloses "Warum!" mit seinen Lippen.<br />

Doch ehe sie antworten konnte, winkte sie<br />

<strong>der</strong> Kapitän zu sich. Er warf ihr einen goldenen<br />

Dolch vor die Füße. "Da, Wölfin. Erkauf dir<br />

damit die Freiheit. Du wärst in meiner Leibgarde<br />

willkommen!"<br />

Reijinara seufzte und blickte den Arenenmeister<br />

an, <strong>der</strong> ihr Zeichen gab, sich als Siegerin<br />

feiern zu lassen.<br />

Mit einer Handvoll Schmuck und dem dolch<br />

verließ sie schließlich die Arena. Drinnen erwartete<br />

sie <strong>der</strong> Kahlköpfige und streckte die<br />

Hans aus. "Gib mir die Waffe, <strong>Sklavin</strong>. Du hast<br />

die Anweisungen des Herrn gebrochen. Ich<br />

muß dich bestrafen, aber bei den Göttern, du<br />

warst wun<strong>der</strong>bar, eine Gladiatorin, wie man sie<br />

nur selten findet."<br />

Er nahm Reijinara den Schmuck und den Dolch<br />

ab, während zwei Wächter sie von hinten<br />

packten. "Sechs angedeutete Hiebe", sagte er.<br />

"Und dann laßt sie die Nacht über im Gestell<br />

hängen."<br />

Reijinaras Kopf sackte immer wie<strong>der</strong> nach unten.<br />

Erst jetzt spürte sie die Erschöpfung, die<br />

<strong>der</strong> Kampf in ihr erwirkt hatte und zitterte unter<br />

dem kühlen Nachtwind, denn die Wächter<br />

hatten die Tunika auf den Hüften hängen gelassen.<br />

<strong>Die</strong> Schläge <strong>der</strong> Peitsche hingegen waren<br />

nicht zu spüren gewesen.<br />

Von innen drang Lärm. Der Kaptän hatte den<br />

Gladiatoren Essen, Wein und Mädchen von<br />

seiner Tafel geschickt.<br />

"Verdammt!" krächzte Reijinara. "Warum gibt<br />

mir denn keiner Wasser? Ich habe Durst."<br />

Ein Schatten löste sich von <strong>der</strong> Hausmauer.<br />

Reijinara erkannte Lyron-Keladhan, sie versuchte<br />

sich an seinen richtigen Namen zu gewöhnen,<br />

<strong>der</strong> sich gewaschen hatte, während an<br />

ihr noch immer das Blut des Bären klebte. Er<br />

blieb vor ihr stehen.<br />

"Bist du gekommen, um mich zu verhöhnen?"<br />

fragte sie und blickte auf den Becher, den er in<br />

seinen Händen hielt.<br />

"Nein. ich wollte nur wissen, warum du eingegriffen<br />

hast."<br />

"Zuerst gib mir zu trinken."


"Selbst jetzt stellst du noch For<strong>der</strong>ungen, obgleich<br />

du in <strong>der</strong> ungünstigeren Lage bist", bemerkte<br />

er. "Du bist zum Befehlen geboren -<br />

wie?" Aber er setzte ihr das Gefäß an die Lippen<br />

und neigte es. Reijinara trank das lauwarme<br />

Naß gierig, das sie erfrischte und blickte ihn<br />

dann wie<strong>der</strong> an. Seine Hand blieb unter ihrem<br />

Kinn und stützte es. "Warum hast du mich gerettet?"<br />

fragte er eindringlicher.<br />

"Ich habe etwas erkannt", antwortete sie. Jetzt<br />

war nicht die Zeit für Stichelleien. Sie sagte<br />

ihm die Wahrheit. "und zwar, daß wir unsere<br />

Kraft nicht aneinan<strong>der</strong> vergeuden sollten. Gemeinsam<br />

könnten wir es schaffen, zu fliehen."<br />

"Fliehen? Natürlich. Daran denkt nur eine eigensüchtige<br />

Borgon-Dun. Ich habe hier Freunde<br />

und Vertraute, glaubst du ich gehe ohne die,<br />

die mit mir verschleppt wurden?"<br />

Reijinara erinnerte sich an ihren Traum. "Dann<br />

wird es einen Weg geben, auch sie hier herauszuholen.<br />

Mit meiner Klugheit, meiner...List,<br />

deinem Willen und deiner Stärke..."<br />

Er hielt ihr den Mund zu. "Genug geredet, Reijinara<br />

von Borgon-Dyl. Ich werde es mir überlegen"<br />

Dann ließ er sie los und verschwand in<br />

<strong>der</strong> Dunkelheit, weil einer <strong>der</strong> Wächter aufmerksam<br />

wurde.<br />

Am Morgen löste man ihre Fesseln und brachten<br />

sie nicht in die Zelle, son<strong>der</strong>n in das kleine,<br />

<strong>der</strong> Arena angeglie<strong>der</strong>te Bad. Reijinara empfand<br />

es als Erleichterung, daß sie ihre geschundenen<br />

Glie<strong>der</strong> und erschöpften Muskeln entspannen<br />

konnte und genoß die Massage durch<br />

eine ältere <strong>Sklavin</strong>. Als sie gerade Öl einrieb,<br />

betrat <strong>der</strong> Arenenmeister den Raum und musterte<br />

sie.<br />

"Du bist noch immer in aller Munde, Rilta.<br />

Natürlich war es ein glücklicher Zufall, einer<br />

<strong>der</strong> seltenen Meisterstöße, <strong>der</strong> selbst einem<br />

erfahrenen Kämpfer nur selten gelingt, aber das<br />

Volk will dich wie<strong>der</strong> sehen - wenn Fürst Telentrah<br />

es zuläßt. Du hast zwar seinem Befehl<br />

zuwi<strong>der</strong>gehandelt, aber du bist für ihn noch<br />

wertvoller geworden. Nutze das, Mädchen. Du<br />

könntest bald frei sein."<br />

Reijinara lächelte ihn an. "Und dann? Wie lange<br />

soll ich fechten, und immer fürchten müssen,<br />

den Kampf nicht zu überleben."<br />

"Überleg es dir!" sagte er Arenenmeister nach<br />

einer Pause und legte vor sie auf den Boden ein<br />

Tuch, das er noch entfaltete. "Der Schmuck<br />

hier ist schon ein hoher verdienst, nur den<br />

Dolch muß ich behalten, da er eine Waffe ist."<br />

"Behaltet sie und bezahlt Darlynx ein Begräbnisritual<br />

nach den Reeln Borgons. Das hat er<br />

verdient."<br />

Der Meister nickte. "Ich werde mein bestes<br />

tun."<br />

Er hielt sein Wort. Darlynx wurde mit allen<br />

Ehren bestattet, so als sei er ein freier Mann<br />

gewesen. Auch sonst erfüllte <strong>der</strong> Arenenmeister<br />

ihr fast jeden Wunsch und gewährte ihr<br />

größere Freiheiten. Sie spürte, daß sie bei ihm<br />

an Achtung gewonnen hatte, son<strong>der</strong>n auch bei<br />

den an<strong>der</strong>en - sogar den Aufsehern.<br />

Sie begann die Männer mit an<strong>der</strong>en Augen zu<br />

sehen. Nicht alle waren grausame, hinterhältige<br />

Bastarde, wie die, die sie vergewaltigt hatten,<br />

in einigen erkannte sie sogar Träume, Wünsche<br />

und Hoffnungen wie<strong>der</strong>, die auch ihre Kampfgefährten<br />

gehabt hatten. Ob nun hell- o<strong>der</strong><br />

dunkelhäutig, so sehr unterschieden sie sich<br />

nicht voneinan<strong>der</strong>.<br />

Keladhan, den sie nun nicht mehr Lyron nannte,<br />

wenn sie alleine waren, behandelte sie auch<br />

an<strong>der</strong>s. Der Haß war gewichen und hatte einer<br />

aufmerksamen Beobachtung Platz gemacht.<br />

Wann immer es ging, unterhielten sie sich leise,<br />

und Reijinara erfuhr nach und nach, was in<br />

Lydon, zu Beginn ihrer Regierungszeit, vorgefallen<br />

war.<br />

Sadia von Lydon, die Vertreterin Borgon-Dyls<br />

in <strong>der</strong> Stadt, die sich erst vor kurzer Zeit dem<br />

Reich angeschlossen hatte, riß brutal die Macht<br />

an sich, indem sie Fürst Seram ermorden ließ.<br />

Aufständische und gefährliche Männer und<br />

Frauen hatte sie noch in jener Nacht ergreifen<br />

und verschleppen lassen. Sie hatte es so aussehen<br />

lassen, als handelte sie auf Befehl <strong>der</strong> Deye<br />

- und sich so sicherheit verschafft. Kein Wun<strong>der</strong>,<br />

daß Keladhan sie für alles verantwortlich<br />

gemacht hatte, und seinen Haß auf Reijinara<br />

projeziert.<br />

Nun, da er sie besser kennenlernte, und sie<br />

nicht mehr über ihm stand, lernte er die junge<br />

Frau kennen, die er nur als Deye gekannt hatte,<br />

erfuhr von ihrer Verbitterung und ihren Haß, in<br />

die Rolle <strong>der</strong> Thronfolgerin gedrängt zu sein,<br />

die zu einem Abbild ihrer Vorgängerin werden<br />

sollte.


Bald wußten sie mehr voneinan<strong>der</strong>, als sie<br />

sonst von an<strong>der</strong>en erfahren hätten, und etwas<br />

an<strong>der</strong>es schlich sich unerwartet zwischen sie.<br />

Liebe.<br />

<strong>Die</strong> Nachricht, das <strong>der</strong> Piratenfürst zurückgekehrt<br />

war, ließ Reijinara aufschrecken. Sie<br />

wußte, daß ihre Tage in <strong>der</strong> Arena damit gezählt<br />

waren, und nun galt es die wenige Zeit zu<br />

nutzen, die sie noch hatte, ehe man sie wie<strong>der</strong><br />

von ihren Freunden - und Keladhan trennte.<br />

Als sie wie<strong>der</strong> in ihre Zelle eingeschlossen werden<br />

sollte, wandte sie sich einem <strong>der</strong> Aufseher<br />

zu und steckte ihm einen ihrer goldenen Armreifen<br />

zu. "Du bekommst noch einen, wenn du<br />

mich heute Abend zu Lyron sperrst!" flüsterte<br />

sie. Das gierige Glitzern in ihren Augen bestätigte<br />

ihre Hoffnungen. Er war so bestechlich,<br />

wie es die an<strong>der</strong>en erzählten, die sich für Münzen<br />

Wein und verbotene Leckereien bringen<br />

ließen. Und so öffnete er, als alles still war die<br />

Tür ihrer Zelle und streckte die Hand aus. Reijinara<br />

schüttelte den Kopf. "Erst, wenn ich bei<br />

ihm bin."<br />

Der Mann verzog das Gesicht, aber er ergriff<br />

ihren Arm und zog sie mit sich. "Ich habe ihm<br />

absichtlich kein Mädchen zugewiesen", sagte er<br />

dann anzüglich und neigte den Kopf, als sie an<br />

einer Zelle vorbei kam, aus <strong>der</strong> Lustgestöhn<br />

klang. Dann öffnete er Keladhans Tür und<br />

streckte erneut die hand aus. Reijinara legte<br />

den Armreif hinein, dann betrat sie den Raum.<br />

Keladhan saß auf seinem Bett und hatte ihr den<br />

Rücken zugewandt. Ich habe doch gesagt, daß<br />

ich kein Weib will." erklärte er deutlich.<br />

"Nicht einmal mich?"<br />

Blitzuschnell fuhr er herum. Reijinara lächelte,<br />

denn diesmal war er in Angriffsstellung. Er<br />

entspannte sich dann und seufzte. "Was willst<br />

du hier?" fragte er dann scharf.<br />

"Der Fürst ist zurückgekommen" sagte Reijinara.<br />

"und meine Tage in <strong>der</strong> Arena sind gezählt,<br />

wenn ihm zu Ohren kommt, was geschah."<br />

"Und das ist alles?"<br />

"Ich wollte noch einmal mit dir reden", flüsterte<br />

sie bedeutsam und setzte sich auf sein Lager.<br />

Ein Träger ihrer Stofftunika verrutschte leicht<br />

und gab eine ihrer Schultern frei. "Kel, wir haben<br />

unsere Chance vertan..."<br />

"Noch nicht!" Er setzte sich neben sie und<br />

blickte Reijinara in die Augen. Und dann fühl-<br />

ten sie den Grund, <strong>der</strong> Reijinara zu ihm geführt<br />

hatte. Sie ließ es zu, daß er seine Arme um sie<br />

legte und ließ ihre Hände über seinen Rücken<br />

gleiten. Was auch immer sie noch hatte sagen<br />

wollen, es wurde unwichtig.<br />

Was empfanden sie nun. Liebe? Leidenschaft?<br />

Es war beides.<br />

Vor Wochen hatten sie noch miteinan<strong>der</strong> gekämpft,<br />

jetzt entkleideten sie einan<strong>der</strong> zärtlich,<br />

liebkosten sich herausfor<strong>der</strong>nd und wild, einan<strong>der</strong><br />

ergänzend. Reijinara spürte das Blut in<br />

ihren A<strong>der</strong>n pulsen, als sie sich mit ihm vereinte,<br />

und spürte, wie sich das Band zwischen<br />

ihnen festigte, als sich sich leidenschaftlich<br />

liebten.<br />

Erst in <strong>der</strong> Dämmerung ließen sie voneinan<strong>der</strong><br />

ab und schliefen erschöpft ein. Reijinara ließ<br />

ihren Kopf auf seiner Brust ruhen und spürte<br />

Keladhans Hände in ihrem Haar.<br />

Erst <strong>der</strong> Aufseher trennte sie, als er sie kurz<br />

vor <strong>der</strong> Morgenglocke weckte und Reijinara<br />

unbemerkt zu ihrer Zelle zurückführte. Dort<br />

fühlte sie sich kalt und verlassen, überkreuzte<br />

schau<strong>der</strong>nd die Arme und harrte <strong>der</strong> Dinge, die<br />

kommen würden.<br />

Doch es vergingen noch Tage, bis Telentrah<br />

sich an sie erinnerte. Er begab sich selber in die<br />

Arena und musterte seine Kämpfer, ehe sein<br />

Blick auf sie fiel. Sie hatte Keladhan in den<br />

folgenden Nächten nicht mehr besuchen können,<br />

weil <strong>der</strong> Aufseher in einer Kneipenprügellei<br />

verletzt worden war, und auch am Tage<br />

hatten sie nur wenige Worte wechseln können.<br />

"Ich erinnere mich", sagte <strong>der</strong> Fürst scharf und<br />

lächelte boshaft. "Das Pantherweibchen. Nun,<br />

nun, als Gladiatorin hast du einen besseren namen.<br />

Aber ich habe zuvor noch an<strong>der</strong>es mit dir<br />

vor. Hast du in <strong>der</strong> Arena Disziplin gelernt?"<br />

"Ja, aber auch an Stärke gewonnen!" gab Reijinara<br />

zurück und sah ihm tief in die Augen, um<br />

ebenso boshaft zurückzulächeln. Telentrah<br />

kniff die Augen zusammen. "In den Harem!"<br />

befahl er seinen Leibwächtern, die an Reijinaras<br />

Seite traten und sie packten. "Sagt den Frauen,<br />

sie sollen aus ihr wie<strong>der</strong> ein richtiges Weib machen"<br />

ordnete er noch an, ehe sie die Männer<br />

sie mit sich zerrten. Sie warf einen letzten Blick<br />

auf Keladhan.


Telentrah musterte die Männer weiter. Dann<br />

blieb er vor einem blonden Kämpfer stehen und<br />

schlug mit <strong>der</strong> Peitsche leicht gegen dessen<br />

Brust, da er abgelenkt schien. Dem Piratenfürsten<br />

entging nicht, wohin er geblickt hatte. Er<br />

lächelte bösartig.<br />

"Das ist Lyron", erklärte <strong>der</strong> Arenenmeister.<br />

"Der Mann, <strong>der</strong> Rilta sein Leben verdankt.<br />

Ansonsten ein guter Mann."<br />

"Aber nicht gut genug für mich", entgegnete<br />

Telentrah abschätzig. "Er hat in einem einfachen<br />

Kampf versagt und mußte sich von einem<br />

Weib retten lassen. So einen lächerlichen Gladiator<br />

kann ich nicht gebrauchen. Ans RAD mit<br />

ihm."<br />

Keladhan ballte die Fäuste und war nahe daran,<br />

sich auf den Piratenfürsten zu stürzen, als die<br />

Wächter, die dies vorausahnten, ihm einen Hieb<br />

gegen den Kopf gaben und den Zusammensinkenden<br />

in einen festen Griff nahmen.<br />

"Bastard!" schnautzte Telentrah und schlug ihn<br />

ins Gesicht, ehe er sich abwandte und den Arenenmeister<br />

beiseitewinkte. <strong>Die</strong> Wächter<br />

schleppten den Benommenen fort, während<br />

ihm seine ehemaligen Kameraden bedauernd<br />

nachsahen.<br />

Das RAD war das Ende vieler Sklaven. Tief<br />

unter <strong>der</strong> Erde angekettet betrieben sie mit<br />

ihrer Muskelkraft eine Pumpe, die das Trinkwasser<br />

<strong>der</strong> Insel an die Oberfläche holte. Dort<br />

unten war es stickig und feucht - und wer ein<br />

Jahr überlebte war von großer Ausdauer. <strong>Die</strong><br />

Männer starben dort unten wie die Fliegen.<br />

>>>


vieles selber übernommen - Dinge, die sie seit<br />

Jahren nicht mehr angewandt hatte und nickte.<br />

Das schlichte weiße Gewand aus Leinen war<br />

praktisch und behin<strong>der</strong>te sie ebensowenig wie<br />

die darübergeschlungenen purpurnen Schleier.<br />

Schmuck trug sie nur sehr wenig - Armreifen<br />

und eine goldene Schnur die sie als Gürtel<br />

nutzte. Selbst die Sandalen waren nur lose geschnürt.<br />

Und so erwartete sie nun die Wächter, die sie<br />

nach unten führen würden. Reijinara fühlte sich<br />

erstaunlich ruhig und gelassen. Wo blieb die<br />

Anspannung, wo <strong>der</strong> Zorn?<br />

Etwas war in ihr, das sie sich nicht erklären<br />

konnte...<br />

Drogengeschwängerte Luft umfing sie, als sie<br />

den großen Saal betrat. Musikanten spielten für<br />

einige Tänzerinnen auf, die von den Anwesenden<br />

kaum beachtet wurden. Reijinara sah sich<br />

um - die Stadien einer Orgie zeigten sich ihren<br />

Augen. Einige <strong>der</strong> überwiegenden männlichen<br />

Gäste gaben sich schon verschiedensten Vergnügungen<br />

hin - sie sprachen dem Wein übermäßig<br />

zu, ließen sich von halbwüchsigen Jungen<br />

mit exotischen Leckerbissen füttern, sogen<br />

an Wasserpfeifen. Einige befriedigten ihre Lust<br />

an den nackten <strong>Sklavin</strong>nen o<strong>der</strong> Knaben, die sie<br />

zuvor bedient hatten.<br />

Nur wenige waren noch klaren Sinnes und unterhielten<br />

sich.<br />

So auch Telentrah. Er unterbrach sein Gespräch<br />

mit einem düster wirkenden Mann, als<br />

die Wächter Reijinara zu ihm drängten und sie<br />

nötigten, sich auf einem Kissenberg nie<strong>der</strong>zulassen.<br />

Sie gehorchte ruhig und wies den Wein,<br />

den einer <strong>der</strong> <strong>Die</strong>ner ihr reichen wollte ab.<br />

Telentrah lächelte bösartig und winkte eine<br />

<strong>Sklavin</strong> herbei. "Ganz recht, mein schwarzes<br />

Kätzchen. Du solltest bei klaren Sinnen bleiben,<br />

denn <strong>der</strong> Abend hat seinen Höhepunkt nicht<br />

einmal erreicht."<br />

"Ich sehe es!" entgegnete Reijinara schnippisch,<br />

während Telentrah aus sie deutete und seinem<br />

Gast erklärte: "<strong>Die</strong>s ist meine wertvollste <strong>Sklavin</strong>,<br />

auch wenn ihr es nicht glauben mögst. Sie<br />

ist zwar noch ein wenig wild, aber das wird<br />

sich geben."<br />

Er nippte an seinem Pokal, während das Sklavenmädchen<br />

Reijinara eine Schale mit Wasser<br />

reichte. "Aber die Götter und die Zeit werden<br />

ihr Herz erweichen, denke ich..." Seine Augen<br />

glitzerten. "Es wäre schade ein Weib aus dem<br />

Hochadel des Schwarzen Volkes zu verlieren.<br />

Nun... es ist immer schmerzhaft, kostbaren<br />

Besitz aufgeben zu müssen. So habe ich einen<br />

meiner besten Gladiatoren an das RAD schikken<br />

müssen, weil sie ihn lächerlich machte..."<br />

Rejinara zuckte zusammen, denn sie spürte<br />

genau, daß diese Worte mehr an sie, denn an<br />

den Fremden gerichtet waren. Ihre Hände<br />

krampften sich um die Schale, die sie schnell<br />

zum Gesicht hob, um ihre Gefühlsregungen zu<br />

verstecken. Vielleicht nicht rechtzeitig genug...<br />

Dabei nahm sie den leicht süßlichen Geruch des<br />

Wassers wahr und ahnte, daß Telentrah sie mit<br />

Drogen willig machen wollte. Was auch immer<br />

sie zu sich nehmen würde, es war bestimmt<br />

vergiftet...<br />

Der Fremde, Reijinara versuchte ihn genauer<br />

anzusehen, hatte aber das Gefühl, daß sein Anblick<br />

immer wie<strong>der</strong> verschwamm, lachte spöttisch<br />

auf. "Sklaven sind Vieh!"<br />

Er musterte Reijinara und kniff die Augen zusammen.<br />

Einen augenblick glaubte diese einen<br />

Blick auf seine wahre Gestalt zu erhaschen.<br />

Der Fremde war von Magie umgeben, und<br />

hörnerartige Ausbeulungen krönten seine Stirn.<br />

Telentrah klatschte in die Hände und schreckte<br />

sie aus ihrer Betrachtung. "<strong>Die</strong> Gaukler sollen<br />

uns unterhalten!"<br />

Der Abend verlief langweilig. Akrobaten wechselten<br />

sich mit Tänzerinnen ab, und immer<br />

mehr Gäste vergnügten sich berauscht auf ihren<br />

Divanen. Reijinara saß wie eine Statue da und<br />

beobachtete. Sie war nur leicht benommen. Sie<br />

hatte bisher we<strong>der</strong> getrunken und gegessen und<br />

das, was ihr Telentrah reichte, in den Kissen<br />

verschwinden lassen.<br />

Der Piratenfürst schien nur darauf zu warten,<br />

daß die Drogen ihre Arbeit taten und sie<br />

schneller atmen ließ, sie benommen machten<br />

und in die Kissen zurücksinken.<br />

Reijinara beschloß schließlich ihn zu täuschen<br />

und ahmte die ersten Anzeichen nach, stöhnte,<br />

fasste sich schwankend an die Stirn und seufzte<br />

wohlig, als sich seine Hand auf ihr Knie legte<br />

und den Stoff zurückschob.<br />

Er hatte mit dem dunklen längere Zeit in einer<br />

Sprache geredet, von <strong>der</strong> Reijinara nur Brokken<br />

verstanden hatte. Aber sie spürte immer


deutlicher, daß es um finstere Dinge ging,<br />

Menschenopfer, Dämonenbeschwörungen und<br />

vielleicht Verrat. Um eine große Insel und einen<br />

Vulkan.<br />

"Und nun habe ich noch ein Schauspiel für<br />

euch", sagte <strong>der</strong> Piratenfürst wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> allgemeinen<br />

Sprache. "Es ist ein Schauspiel, nach<br />

einer alten Sage meiner...früheren Heimat gestaltet.<br />

Ich habe auf meiner letzten Reise jungfräuliche<br />

Geschöpfe von erlesener Schönheit<br />

gefunden, die gebranntmarkt werden sollen,<br />

und dann mögt ihr eure Riten an ihnen vollziehen."<br />

"Ihr kennt die Riten?"<br />

Der Fremde blickte dabei auf Reijinara, die<br />

erregt keuchte, als Telentrahs Hand den<br />

Schenkel hinaufglitt.<br />

Er gab ein Zeichen. Wächter brachten ein Feuerbecken<br />

mit glühenden Kohlen hinein, zwischen<br />

denen Eisenstäbe staken.<br />

"Ich habe von ihnen gehört..." sagte Telentrah<br />

und knetete Reijinaras Fleisch. Sie mußte all<br />

ihre Beherrschung aufbringen, um sich nicht zu<br />

verraten. "Ist es nicht erregend verschlossene<br />

Pforten zu durchstoßen, und zu entdecken, was<br />

hinter ihnen liegt, während das Herzblut durch<br />

geschickt gesetzte Schnitte aus den A<strong>der</strong>n pulst<br />

,o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Atem durch eine Würgeschnur zum<br />

Stocken gebracht wird?"<br />

"Ja, und ihnen schließlich die Brust aufzureißen,<br />

und das Herz in den Händen auszupressen."<br />

Reijinara stöhnte, mehr aus Ekel, denn aus<br />

Entzücken, während sich ihre Augen weiteten<br />

und sie den Kopf in den Kissen vergrub.<br />

Erst als Gewimmer erklang, blickte sie auf.<br />

Telentrah zog seine Hand zurück und drehte<br />

ihr den Rücken zu. Er glaubte Reijinara so unter<br />

Drogen gesetzt, daß sie keine Gefahr mehr<br />

für ihn bedeutete.<br />

<strong>Die</strong> Borgon-Dun starrte wie die an<strong>der</strong>en Gäste<br />

auf die sechs Mädchen, die von Wächtern hineingetrieben<br />

wurden. Es waren fast noch Kin<strong>der</strong>.<br />

Sie schienen sich vor den vielen Männern<br />

zu fürchten, jedoch nicht zu ahnen, was auf sie<br />

zukam.<br />

Ja!<br />

Leben kam in den Körper Reijinaras, ehe sie<br />

überhaupt begriff, warum! Sie drehte sich, kam<br />

auf die Füße, riß sich die Schleier hinunter und<br />

sprang auf einen <strong>der</strong> Wächter zu. Der Mann<br />

sank betäubt zu Boden, als sie ihn mit <strong>der</strong><br />

Faust gegen das Kinn schlug, und sein Schwert<br />

zu fassen bekam. Es war nur eine durchschnittliche<br />

Waffe, aber in ihren Händen gewann es an<br />

Güte.<br />

Wie ein Rachedämon fuhr Reijinara unter die<br />

Gäste noch ehe dieser begriffen, was geschehen<br />

war - noch ehe <strong>der</strong> düstere Fremde sich aufrichten<br />

und eine Gestenfolge seiner Hände beenden<br />

konnte.<br />

Sie verfiel in einen Blutrausch. Sie sah wie sie<br />

den Kopf des Fremden von den Schultern<br />

trennte und <strong>der</strong> gehörnte Schädel, seiner Illusion<br />

nun beraubt über den Boden rollte. Sie sah<br />

den bepelzten Körper des Mannes, <strong>der</strong> doppelt<br />

so breit war wie <strong>der</strong> eines Menschen fallen und<br />

seine vier Arme im Todeskampf zucken. Ein<br />

behufter Fuß stieß den kleinen Beistelltisch in<br />

einem letzten Zucken um, und dann sprang<br />

Reijinara den Wächtern entgegen.<br />

Selbst einige Gäste versuchten zu ihren Waffen<br />

zu greifen, aber in ihrer Benommenheit waren<br />

sie den Kämpfern nur im Wege.<br />

Wie eine Besessene wütete Reijinara unter ihnen,<br />

bis sie schließlich eine ganze Gruppe zu<br />

fall brachte und ihr das Schwert entwand. Gut<br />

ein Dutzend Hände und Füße nagelten sie am<br />

Boden fest, als <strong>der</strong> Verstand <strong>der</strong> Borgon-Dun<br />

wie<strong>der</strong> einsezte. Längst war das Gewand zerrissen,<br />

nachdem sie mehrmals heftig gegen den<br />

Boden geschleu<strong>der</strong>t worden war.<br />

"Laßt sie leben!" kreischte Telentrah über die<br />

schreienden und brüllenden Menschen hinweg.<br />

"<strong>Die</strong>se schwarze Hündin soll leben, wenn ich<br />

sie bestrafe!"<br />

Er trat in ihr Gesichtsfeld. "Du hast es schon<br />

wie<strong>der</strong> gewagt, mir zu trotzen, elende Hure!<br />

Aber das treibe ich dir jetzt ein für alle Man<br />

aus! Du sollst leben, aber ich werde dir zeigen,<br />

was es heißt, sich mir zu wi<strong>der</strong>setzen..." Sein<br />

Gesicht verzerrte sich zu einer grausamen<br />

Maske und in seinen Augen schimmerte dämonische<br />

Grausamkeit, wie schon zuvor. "hebt sie<br />

auf den Tisch, aber laßt diese schlüpfrige Ratte<br />

nicht entkommen!" befahl er und fegte Becher<br />

und Karaffen von einem breiten Metallgestell.<br />

Es war kalt, als sie sie auf es legten und Reijinara<br />

wand sich verzweifelt in den festen Griffen,<br />

aber die Übermacht war zu groß.<br />

"Bindet sie!" ordnete Telentrah an. Er warf<br />

etwas in das Kohlebecken, während die Män-


ner gehorchten und sie auf dem Gestell mit<br />

Stricken fixierten. "Nicht an den Handgelenken<br />

- und schafft endlich die <strong>Sklavin</strong>nen fort!"<br />

Dicht an Reijinara herantretend sagte er dann:<br />

"Du wirst dein Verhalten bitter bereuen..."<br />

"Und wenn auch. Ich bin froh, euch geschadet<br />

zu haben!" spieh Reijinara hervor. "Borgon<br />

weiß, wie tapfer ich in den Tod gehe!"<br />

"Dein Gott ist also Borgon, dieser einfältige<br />

Bock? Oh, wirst du tapfer sein, wenn du erfährt,<br />

was ich mit dir vorhabe?"<br />

"Wie<strong>der</strong>holt euch nicht!" fand Reijinara noch<br />

Worte des Spottes, obgleich ihr danach nicht<br />

mehr zumute war. "Vergewaltigung hatten wir<br />

schon. Auspeitschungen und die Kiste auch."<br />

Telentrah schlug über eine von ihren Händen.<br />

"Aber diesmal werde ich glühende Metallreifen<br />

um deine Handgelenke legen lassen. Und<br />

überlebst du dies, so kommst du ans RAD,<br />

meine Schöne. Wie lange wirst du da bleiben?"<br />

Reijinaras Augen weiteten sich, als sie seine<br />

kalte Entschlossenheit sah. Sie schwieg und<br />

presste ihre Lippen aufeinan<strong>der</strong>. Und dann sah<br />

sie die glühenden Armreifen, die einer <strong>der</strong><br />

Knechte aus dem Feuer zog. Sie waren aus<br />

Kupfer, das fast seinen Schmelzpunkt erreicht<br />

hatte.<br />

"Haltet sie fest!"<br />

Ein Wächter warf sich über Reijinara und<br />

presste ihren Körper auf den Tisch, zwei an<strong>der</strong>e<br />

umklammerten die Unterarme. Reijinara<br />

schloß die Augen. "Keiiris... hilf...mir!" flehte<br />

sie in diesem Augenblick.<br />

Dann kam <strong>der</strong> Schmerz. Weißglühendes Metall<br />

schloß sich um ihre Gelenke und verbrannte die<br />

Haut und die Muskeln. Das eisige Brennen<br />

wurde unerträglich, und Reijinaras Körper<br />

zuckte heftig, als sie zu versuchte, keinen Laut<br />

von sich zu geben. Doch das half nicht. Reijinara<br />

schrie sich in die Bewußtlosigkeit, und ihre<br />

Stimme erstarb erst, als auch ihr Körper erschlaffte.<br />

Telentrah blickte mit zufrieden glitzernden Augen<br />

auf den schlaffen Körper herab und betrachtete<br />

mit einem sadistischen Funkeln die<br />

rauchenden Handgelenke <strong>der</strong> Borgon-Dun.<br />

"Bringt dieses Aas in ein Verließ und schickt<br />

die Weißhaarige mit. Befehlt ihr, sie am Leben<br />

zu halten. Wenn die schwarze Hure stirbt,<br />

mauert beide ein, und dann räumt hier auf. Der<br />

Unrat stinkt wi<strong>der</strong>lich!" befahl er seelenruhig<br />

und wandte sich ab.<br />

>>>


weilte, ihr Körper verdörrte in einer schmutzigen<br />

Zelle. Sie rollte sich zusammen wie ein<br />

Kind im Mutterschoß und wollte sich vertrauensvoll<br />

in ihn sinken lassen, als ein blaues<br />

Leuchten sie umgab und durch ihre geschlossenen<br />

Li<strong>der</strong> drang. Sie sah durch ihre Nicht-<br />

Augen, obgleich sie nichts wahrnehmen wollte.<br />

Bil<strong>der</strong> wechselten in schnellen Folgen mit<br />

Symbolen ab. Wirkliches vermischte sich mit<br />

Phantasiegebilden.<br />

Willst du leben?<br />

"Für was soll ich leben? Ich bin dir Jahre nicht<br />

gefolgt und nun willst du mich als Krüppel am<br />

Leben erhalten, Keiiris?" klagte Reijinara.<br />

Willst du leben?<br />

Ein Licht erstrahlte in ihr, wurde immer größer<br />

und füllte sie aus, bis es durch ihre Körpermitte<br />

entwich und zu einer kleinen, zierlichen Gestalt<br />

mit hellerer Haut als <strong>der</strong> ihren wurde.<br />

Wenn nicht für dich, so für sie?<br />

Reijinara schluchzte, als sie ihre Tochter, das<br />

Noch-Nicht-Kind in den Armen hielt, das nicht<br />

mehr sein konnte als ein erster Funke des Lebens<br />

in ihrem Leib.<br />

"Aber soll sie als Sklavenkind aufwachsen?<br />

Unfrei, Gefangen, Ausgeliefert?" Als sie keine<br />

Antwort erhielt, sprach sie weiter.<br />

"Wir hatten einen Plan, Keladhan und ich."<br />

Ich gab dir einen Traum. Es liegt an dir, ihn<br />

zu erfüllen!<br />

Reijinara zögerte. Dann spürte sie, wie das<br />

Noch-Nicht-Kind in ihren Armen verblaßte.<br />

"ICH WILL!" sagte sie mit entschlossener<br />

Stimme. "Ja, ich will! Ich werde dem Traum<br />

folgen, was immer er auch bringt, und auf welchen<br />

Pfad er mich führen mag. SELDANA<br />

ESH KEIIRIS! Bei deinem heiligen Eid. IN<br />

DEINEM NAMEN."<br />

So sei eingeweiht, Weise Frau. Handle gerecht<br />

und wissend.<br />

Das Licht verblaßte, und Reijinara fiel in die<br />

Wirklichkeit zurück.<br />

Olena starrte verwun<strong>der</strong>t auf das Leuchten.<br />

Auch wenn es voller Frieden und Trost war,<br />

berührte sie es nicht mehr, denn es galt nicht<br />

ihr. Dann murmelte Reijinara etwas mit heiserer<br />

Stimme und in kurzen Abständen.<br />

"Ich will. Seldana esh Keiiris. In deinem Namen."<br />

Olena blickte erstaunt auf die Borgon-Dun.<br />

Keiiris? <strong>Die</strong> friedliche, stille Göttin <strong>der</strong> Borgon-Dun,<br />

<strong>der</strong> sich zumeist die einfachen Menschen<br />

verschworen hatten. Aber achteten die<br />

Adligen Borgon nicht mehr und hatten ihn zu<br />

ihrem Herrn gemacht? Vor allem die Deye?<br />

Das Licht schwand, und in dem selben Augenblick<br />

setzte sich Reijinara auf, und blickte auf<br />

die Handgelenke. Dort waren nur noch Narben<br />

zu sehen, nicht mehr. Einen Moment schien sie<br />

verwun<strong>der</strong>t, dann blickte sie Olena mit seltsam<br />

schimmernden Augen an.<br />

"Morgen holen sie dich und ketten dich ans<br />

RAD. Es wäre besser für dich gewesen, du<br />

wärest gestorben. Von dort unten kehrt keiner<br />

zurück." sagte die Gelehrte lahm, weil sie nicht<br />

wußte, was sie sonst sagen sollte.<br />

Aber Reijinara klang zuversichtlich, als sie die<br />

Hände auf ihre Schultern legte und antwortete:<br />

"Dennoch wird dieser Fall unser aller Rettung<br />

sein. Auch Keladhan ist dort unten und ich<br />

habe einen Traum zu erfüllen, den ich nur mit<br />

ihm durchführen kann. Hör mir zu, denn wir<br />

haben nicht viel Zeit..."<br />

Und sie redete lange und mit einer solchen Entschlossenheit<br />

auf Olena ein, daß sie glaubte<br />

alles zu vergessen, aber dem würde nicht so<br />

sein. Jedes Wort hallte in ihrem Inneren wie<strong>der</strong>,<br />

und die Gelehrte erkannte, daß die Hand <strong>der</strong><br />

Götter im Spiel war. Und vielleicht sollte sie so<br />

vertrauensvoll sein, diese Hilfe anzunehmen...<br />

Am nächsten Morgen aber kamen die Wächter<br />

um erneut nach den <strong>Sklavin</strong>nen zu sehen. Als<br />

sie Reijinara sahen - wichen sie zunächst aus<br />

abergläubischer Furcht zurück, doch dann<br />

überwog die Angst vor Telentrah. Sie packten<br />

Reijinara und brachten sie in noch tiefere Gewölbe,<br />

während Olena in die Frauengemächer<br />

zurückkehren konnte, und dort über das Gehörte<br />

nachdachte.<br />

Reijinara aber führte man an den tiefsten Punkt<br />

<strong>der</strong> Insel. Sie blickte gefasst auf die enge Höhle,<br />

in <strong>der</strong> die Männer Seite an Seite, Schritt für<br />

Schritt einen Mechanismus bewegten, <strong>der</strong> an<br />

<strong>der</strong> Oberfläche das Wasser hervorbrachte. <strong>Die</strong><br />

Sklaven waren zumeist schon so stumpfsinnig,<br />

daß sie gar nicht aufschauten, als das Rad anhielt,<br />

um einen leeren Platz zu füllen.

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