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Der Untergeher - Schauspielhaus Graz

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4. Die Möglichkeit eines Klaviers: Regisseurin Christiane Pohle im Gespräch<br />

mit Dramaturgin Britta Kampert<br />

Britta Kampert: Das Theater ist immer ein Ort für Geschichten – doch im Roman <strong>Der</strong><br />

<strong>Untergeher</strong> scheinen die Geschichten weniger wichtig zu sein.<br />

Christiane Pohle: Ja, Theater kann neben vielem anderen auch ein Denkraum sein. Und<br />

dieser Bernhard-Roman verweigert ja jede Form von Geschichten und letztlich auch von<br />

Figuren. Man weiß nicht, sind die Figuren real oder sind sie nur erinnert? Gab es sie<br />

tatsächlich oder sind sie nur erfunden, um über ein bestimmtes Thema zu reflektieren?<br />

Innerhalb der permanenten Erfindungen weiß man irgendwann nicht mehr, wer hier<br />

eigentlich wen erfindet: Gibt es Glenn Gould, Wertheimer und den Ich-Erzähler überhaupt<br />

oder gibt es nur einen, gibt es nur Thomas Bernhard als übergeordneten Autor, der diese<br />

drei zum Anlass nimmt, um die eigene Existenz im Bezug auf „der Beste sein oder gar keiner“<br />

zu überprüfen.<br />

Es gibt nur wenige konkrete Vorgänge. Das, was tatsächlich passiert, während der Erzähler<br />

nachdenkt, ist eher unspezifisch.<br />

Und das finde ich unglaublich reizvoll. Diese Verweigerung ist so in den Text eingeschrieben,<br />

dass man gezwungen ist, für die Bühne ein neues Konzept zu denken.<br />

Tatsächlich ähnelt Bernhards Roman darin aber auch dem klassischen Drama. <strong>Der</strong> Autor<br />

spaltet ein Thema auf mehrere Figuren auf, von denen jede eine andere Haltung einnimmt.<br />

Das macht das Dramatische aus: dass zwischen den unterschiedlichen Positionen ein Konflikt<br />

ausgetragen wird. Im <strong>Untergeher</strong> wird der Autor wieder sichtbar, denn er vereinigt die unterschiedlichen<br />

Positionen im Nachdenken über die anderen: eine Figur, die aber über drei Ich-<br />

Möglichkeiten nachdenkt, die von ihm verschieden und doch er sind.<br />

Und die Bühne ist der Ort der Auseinandersetzung, in die mich die Protagonisten mit<br />

einbeziehen.<br />

Ist der Ich-Erzähler im Roman, der ja selbst immer wieder versucht, eine Abhandlung über<br />

Glenn Gould zu schreiben, Thomas Bernhard?<br />

Man darf nie den Fehler begehen, sich von der Ich-Form in dem Roman verleiten zu lassen,<br />

zu glauben, da erzähle gerade Thomas Bernhard autobiographisch von sich. In einer<br />

gewissen Weise tut er natürlich genau das, aber auf eine andere Weise auch wieder gar<br />

nicht. Es geht ja, wie gesagt, um eine Konstruktion, innerhalb derer Bernhard über<br />

existentielle Fragen des Daseins nachdenken kann.<br />

Ein zentrales Thema in <strong>Der</strong> <strong>Untergeher</strong> ist das Verlassenwerden. <strong>Der</strong> namenlose Ich-Erzähler<br />

beschreibt sich selbst als „den Übriggebliebenen“. Wertheimer hingegen kann es nicht<br />

verwinden, dass seine Schwester geheiratet hat und ihn, wie er es nennt, „im Stich lässt“.<br />

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