Der Untergeher - Schauspielhaus Graz
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Gesellschaft von Freunden der Aufnahme einer Beethoven-Sinfonie lauschen und, obwohl<br />
man tief bewegt ist von ihrem Schluss, kein dringenderes Bedürfnis verspüren kann, als zum<br />
Kühlschrank zu eilen, um ein Sodawasser zu holen. Und wenn wir also konzedieren, dass es<br />
das Gesetz des Gehörten ist, dass die Reaktion des Publikums auf einen Künstler reagiert,<br />
kann dann diese Reaktion darüber hinaus gerechtfertigt werden? „Demokratie, die<br />
Herrschaft der Mehrheit“, wirft jemand ein. „Weshalb sollte der zahlende Kunde des Rechtes<br />
beraubt werden, seine Meinung kundzutun?“ Nun, abgesehen davon, dass die anderen<br />
zahlenden Kunden keineswegs um seine Meinung gebeten haben, muss man die<br />
eigentümlichen Gesetze der akustischen Psychologie in Rechnung stellen, wonach ein<br />
strategisch platzierter Anfeuerer oder Lästerer, wenn er den rechten stimmlichen Hebel im<br />
entscheidenden Moment ansetzt, bei vielen Hunderten seiner Genossen brüllenden<br />
Widerhall finden kann. „Aber was kann das für einen Schaden anrichten?“ fragt jemand.<br />
„Jeder weiß, dass Künstler unglaublich eingebildet und durchaus in der Lage sind, die<br />
Sticheleien unhöflicher Laien auszuhalten.“ Ah ja, sind sie das wirklich? frage ich. Oder sind<br />
die absurden, auf Wettbewerb eingestellten Überspanntheiten unserer Kollegen von der<br />
Oper nicht das Produkt oder vielleicht das Antidot zu der vulgären Künstlerfeindlichkeit jener<br />
von der Sonne ausgedörrten Gesellschaften, die eine Operntradition errichtet haben, in der<br />
ihr ursprünglicher Sinn für Gladiatorenkämpfe eine anmutigere, aber kaum getarnte<br />
Sublimation gefunden hat? […]<br />
„Aha“, sagt der Disputant in einer letzten Anstrengung, mein Argument zunichte zu machen,<br />
„dieser Bursche Gould spricht mit besonderer Leidenschaft. Vielleicht hat auch er sich schon<br />
einmal aus dem Staub machen müssen, um dem Zorn eines empörten Publikums zu<br />
entgehen!“ Ja, gebe ich freimütig zu, einen solchen Anlass hat es gegeben. Es war in Florenz<br />
oder, wie wir internationalen Menschen vorziehen zu sagen, in Firenze. Ich hatte eben eine<br />
Aufführung der Suite op. 25 von Schönberg beendet, die, wenngleich sie zu der Zeit<br />
fünfunddreißig Jahre alt war, noch nicht in das Vokabular der Florentiner aufgenommen<br />
worden war. Ich erhob mich vom Instrument, um von einem höchst unangenehmen<br />
Sprechchor vom oberen Balkon gegrüßt zu werden, dem sogleich durch fieberhafte<br />
Gunstbezeigungen aus den niederen Rängen widersprochen ward. Obwohl diese Erfahrung<br />
neu für mich war, erkannte ich instinktiv, dass mir nichts geschehen konnte, solange ich den<br />
Zuschauern erlaubte, ihre Wut aneinander abzureagieren. Listig melkte ich deshalb den<br />
Applaus für sechs Vorhänge (ein außergewöhnlicher Beifall für op. 25), und darauf lehnte<br />
sich das erschöpfte Publikum in verdrießlicher Schläfrigkeit zurück, um den Goldberg-<br />
Variationen beizuwohnen.<br />
Ich meine, dass ich nun meinen Fall mit wahrer Offenheit vorgetragen habe, und so bleibt<br />
nur noch, Mittel und Wege anzudeuten, um meinen Vorschlag umzusetzen, dass das<br />
Publikum der Zukunft sichtbar, nicht aber hörbar sein sollte. Zu diesem Ende und zur<br />
Unterstützung jedes Konzertmanagers, der davon Gebrauch machen möchte, habe ich den<br />
Gould-Plan zur Abschaffung von Applaus und Kundgaben Aller Art aufgestellt, auf den im<br />
Folgenden als GPAAKAA Bezug genommen wird. Es versteht sich von selbst, dass der<br />
GPAAKAA anfangs, neben einer aktiven Werbekampagne, ein Maß an gutem Willen<br />
gleichermaßen von Seiten des Künstlers, des Publikums und des Managements erfordern<br />
wird. <strong>Der</strong> erste Schritt in der Durchführung des GPAAKAA wird in der Ansetzung von<br />
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