Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio
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Ausbildung<br />
Ladung bereits durch die §§ 412, 329 StPO gesetzlich vorbestimmt.<br />
In diesem Fall ist nach einer Wartezeit von 15 Minuten nach vorgesehenem<br />
Verhandlungsbeginn zu beantragen, dass der Einspruch des<br />
Angeklagten verworfen wird. Ein solcher Antrag könnte folgendermaßen<br />
formuliert werden:<br />
„Es wird beantragt, den zulässigen Einspruch des Angeklagten A<br />
gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Musterstadt vom 11.11.11 zu<br />
verwerfen, da der Angeklagte nicht erschienen ist <strong>und</strong> sein Ausbleiben<br />
nicht genügend entschuldigt ist.“<br />
bb) Beweisanträge, Asservate <strong>und</strong> Einstellungen<br />
Ergibt sich aus der Handakte, dass ein Verteidiger für die Hauptverhandlung<br />
das Stellen von Beweisanträgen ankündigt, sollte man sich<br />
noch einmal kurz mit dem Beweisantragsrecht befassen, damit man<br />
angemessen Stellung zu dem Antrag nehmen kann.<br />
Aus der Handakte ergibt sich regelmäßig auch der Umstand, dass Asservate<br />
vorhanden sind. Man sollte - sofern dies in Betracht kommt –<br />
in der Hauptverhandlung auf die außergerichtliche Einziehung<br />
hinwirken. <strong>Die</strong>se erfolgt durch Zustimmung des Angeklagten. Auch<br />
der Sitzungsvertreter muss dazu sein Einverständnis als Vertreter des<br />
jeweiligen B<strong>und</strong>eslandes erklären. Gelingt die außergerichtliche Einziehung<br />
nicht, muss bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen<br />
im Plädoyer auf eine Entscheidung über die Einziehung hingewirkt<br />
werden.<br />
Gedanklich muss man sich auch darauf vorbereiten, dass selbst in der<br />
Hauptverhandlung noch Einstellungen z.B. nach den §§ 153, 153a,<br />
154 StPO oder § 47 JGG in Betracht kommen. Ob man einem solchen<br />
Vorgehen in der Hauptverhandlung zustimmen will oder nicht, kann<br />
man in den meisten Fällen erst mit dem in der Hauptverhandlung<br />
gewonnenen Wissen beurteilen. Nur selten gibt bereits die Handakte<br />
Hinweise auf eine in Frage kommende Einstellung. Referendare dürfen<br />
– ohne dass dies eine Rücksprache mit dem Ausbilder, dem AG-<br />
Leiter oder dem staatsanwaltlichen Bereitschaftsdienst bedarf – eine<br />
Zustimmung zur Einstellung verweigern. Will man nicht zustimmen,<br />
sollte man in der Hauptverhandlung auch standhaft bleiben <strong>und</strong> sich<br />
nicht von anderen Verfahrensbeteiligten unter Druck setzen lassen,<br />
was selten bei Referendaren mal ausprobiert wird. Ist man jedoch<br />
zu der Ansicht gelangt, dass man einer Einstellung zustimmen will,<br />
muss man eine Zustimmung bei der Staatsanwaltschaft, also beim<br />
Ausbilder, AG-Leiter oder beim Bereitschaftsdienst telefonisch einholen.<br />
<strong>Die</strong>s ist nicht erforderlich, wenn es mit dem Ausbilder ausreichend<br />
vorbesprochen ist <strong>und</strong> er bereits vorab für den Fall, dass<br />
bestimmte Bedingungen eintreten, sein Einverständnis erklärt hat.<br />
Gerade in der Anfangszeit sollte man bei Unsicherheiten lieber zum<br />
Telefonhörer greifen <strong>und</strong> um entsprechende Zustimmung ersuchen.<br />
c) Vorüberlegungen zu beabsichtigen Anträgen, rechtlicher Würdigung<br />
<strong>und</strong> Vorbesprechung mit dem Ausbilder<br />
Auf Gr<strong>und</strong>lage des Handakteninhalts lassen sich bereits recht konkrete<br />
Überlegungen dazu anstellen, welcher Antrag in der Hauptverhandlung<br />
gestellt werden soll, wenn sich der Anklagevorwurf in<br />
dieser Form bestätigt. Geldstrafe oder Freiheitsstrafe? Aussetzung<br />
zur Bewährung oder nicht? Kommen ein Fahrverbot (§ 44 StGB),<br />
eine Fahrerlaubnisentziehung (§ 69 StGB) <strong>und</strong>/oder eine (isolierte)<br />
Sperre zur Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis (§ 69a StGB) in Betracht?<br />
Müssen Gegenstände eingezogen werden?<br />
Das sind alles Fragen, über die man sich im Vorfeld schon Gedanken<br />
machen kann. So oder so ist eine abschließende Beurteilung erst<br />
dann möglich, wenn die Beweisaufnahme geschlossen worden ist<br />
<strong>und</strong> man alle nötigen Informationen <strong>und</strong> Eindrücke gesammelt hat.<br />
Viele Referendare sind vor ihren ersten Sitzungsdiensten etwas ratlos,<br />
wie sie das konkrete Strafmaß festlegen sollen. Zwar hat man<br />
mit Glück im Rahmen der universitären Ausbildung einmal etwas<br />
über Strafzumessung <strong>und</strong> Strafzumessungsgr<strong>und</strong>sätze gehört. In den<br />
seltensten Fällen ist aber mal am konkreten Sachverhalt besprochen<br />
worden, welche Strafe angemessen ist. Wer die Gr<strong>und</strong>sätze der Strafzumessung<br />
kennt, über ein gutes Bauchgefühl verfügt <strong>und</strong> sich im<br />
Vorfeld gut informiert, wird auch keine Probleme haben. In den meisten<br />
B<strong>und</strong>esländern wird auch ein sog. Sitzungsleitfaden ausgegeben,<br />
in dem sich häufig eine Strafrahmenübersicht für gängige Delikte<br />
befindet. <strong>Die</strong>se Übersichten sind eine sehr gute Orientierungshilfe.<br />
Vage Ansätze lassen sich auch aus dem B<strong>und</strong>eszentralregisterauszug<br />
gewinnen. Darin sind jedoch nur der Tatvorwurf <strong>und</strong> das Strafmaß<br />
enthalten, so dass man keine konkreten Angaben über strafzumessungsrelevante<br />
Sachverhalte hat. Ansonsten fragt man einfach den<br />
Ausbilder. Dafür ist er ja schließlich auch da <strong>und</strong> wird für solche Fragen<br />
auch stets Verständnis aufbringen.<br />
Nicht selten kann es passieren, dass sich ein Sachverhalt in der Hauptverhandlung<br />
stark verändert oder sogar vollständig anders darstellt,<br />
was unter Umständen auch eine andere rechtliche Beurteilung zur<br />
Folge haben kann. Um nicht völlig ratlos zu sein, sollte man diese<br />
Möglichkeit auch schon bei der Vorbereitung auf den Termin in Betracht<br />
ziehen <strong>und</strong> darüber nachdenken, inwieweit sich eine Sachverhaltsänderung<br />
auf die rechtliche Beurteilung auswirken kann.<br />
Bevor es dann „ernst“ wird, sollte man die Akten nach der Vorbereitung<br />
noch einmal mit seinem Ausbilder besprechen, diesem die<br />
Vorschläge für etwaige Anträge hinsichtlich des Strafmaßes darstellen<br />
<strong>und</strong> die Beweggründe dafür erläutern. Der Ausbilder wird dann<br />
aus seiner langjährigen Erfahrung als Sitzungsvertreter eine f<strong>und</strong>ierte<br />
Rückmeldung geben können, ob das beabsichtige Strafmaß<br />
angemessen ist <strong>und</strong> ggf. auf übersehene Nebenfolgen oder andere<br />
Aspekte hinweisen.<br />
C. PRAKTISCHE HINWEISE ZUM<br />
HAUPTVERHANDLUNGSTERMIN<br />
I. VORGESPRÄCH<br />
Am Tage der Hauptverhandlungen sollte man etwa 30 Minuten vor<br />
Beginn erscheinen <strong>und</strong> sich nach Möglichkeit kurz dem zuständigen<br />
Richter als Referendar vorstellen. Gelegentlich sprechen die Richter<br />
dann schon kurz die einzelnen Strafsachen an <strong>und</strong> können wertvolle<br />
Hinweise zu diesen geben, die sich vielleicht so aus der Handakte<br />
nicht ergaben. Danach begibt man sich „bewaffnet“ mit Akten, Kommentaren,<br />
Schreibutensilien <strong>und</strong> Taschenrechner (ggf. wichtig für<br />
die korrekte Berechnung der Tagessatzhöhe) in den Sitzungssaal <strong>und</strong><br />
richtet sich an seinem Platz ein.<br />
II. HAUPTVERHANDLUNG<br />
Vor dem „ersten Mal“ lohnt ein Blick in Nr. 123 ff. der Richtlinien für<br />
das Strafverfahren <strong>und</strong> Bußgeldverfahren (RiStBV). Daraus lassen<br />
sich die wesentlichen Basics für die Tätigkeit des Sitzungsvertreters<br />
der Staatsanwaltschaft ablesen.<br />
Referendare haben weitreichende Befugnisse in der Hauptverhandlung<br />
<strong>und</strong> sind damit Staatsanwälten nahezu gleichgestellt. Referen-<br />
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<strong>Iurratio</strong><br />
Ausgabe 3 / 2011