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Die Zeitschrift für stud. iur. - Iurratio

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I S S N 1 8 6 7 - 6 6 0 X<br />

<strong>Die</strong> <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>stud</strong>. <strong>iur</strong>.<br />

Titelaufsatz<br />

Gesetzlicher Schutz <strong>für</strong> geheimes Know-how –<br />

Nur gerecht oder auch wirtschaft lich sinnvoll?<br />

von Prof. Dr. Christoph Ann, LL.M. und Ass. jur. Björn Kalbfus (München)<br />

Ausbildung<br />

Willenserklärung ohne Erklärungsbewußtsein? Teil II<br />

von Prof. Dr. Martin Schwab (Berlin)<br />

Klausuren/Hausarbeiten, Technik und Tipps<br />

von cand. <strong>iur</strong>. Vivien Eckhoff (Bremen)<br />

Schwerpunkte<br />

Bilateral Investment Treaties (BITs) –<br />

An Eff ective Instrument of Investment Protection<br />

von Claus-Peter Knöller (Heidelberg)<br />

<strong>Die</strong> öff entliche Hand als Bieterin im Vergabeverfahren<br />

von Dipl.-Jur. Lars Wildhagen (Düsseldorf)<br />

Praxis<br />

Der Trend geht in Richtung Einfachheit<br />

Ein ein Interview mit Prof. Dr. Rolf Schmidt<br />

Wahlstation bei der GTZ in Ghana<br />

von Florian Lauscher (Düsseldorf)<br />

Ausgabe 3 + 4/2009 | www.IURRATIO.de<br />

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und im Kartellrecht. Auch wenn Sie als Referendar(in) oder promotions begleitend als wissenschaftliche(r)<br />

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Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

wir freuen uns über das steigende Interesse an <strong>Iurratio</strong> und vor allem darüber, dass wir auch dieses Mal viele Autoren gewinnen konnten, die uns interessante<br />

Beiträge zu vielen aktuellen Themen zur Verfügung gestellt haben. <strong>Iurratio</strong> konnte nicht nur in Punkto Auflage wachsen, sondern das Vertriebsgebiet auch auf<br />

weitere Fakultäten ausweiten.<br />

Dabei ist es uns gelungen, Ihnen schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf das zu geben, was wir uns <strong>für</strong> das nächste Jahr vorgenommen haben: <strong>Iurratio</strong> wird<br />

international. In dieser Ausgabe finden Sie deshalb zwei englischsprachige Beiträge. Claus-Peter Knöller hat sich in seinem Aufsatz mit bilateralen Investitionsab-<br />

kommen beschäftigt, ein grenzüberschreitend wichtiges und hochaktuelles Thema mit internationaler Bedeutung. Zudem ist es uns gelungen ein Interview mit<br />

der international bekannten Thriller-Autorin Jilliane P. Hoffman zu führen.<br />

So hochwertig sich auch diese Ausgabe der <strong>Iurratio</strong> – die <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>stud</strong>.<strong>iur</strong>. wieder präsentiert, so schwierig war das Jahr 2009 <strong>für</strong> uns. In allen Segmenten<br />

sparten Unternehmen, Kanzleien und andere Institutionen insbesondere im Bereich Spenden und Werbung. Das bekommt auch nach wie vor unser Projekt emp-<br />

findlich zu spüren. Aus diesem Grunde haben wir uns entschlossen, die Ausgaben 3/2009 und 4/2009 zusammenzulegen. Wir bedauern, dass wir Ihnen deshalb<br />

erst heute eine neue Ausgabe von <strong>Iurratio</strong> – die <strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>stud</strong>.<strong>iur</strong>. vorlegen können. Sie halten da<strong>für</strong> ein etwas dickeres Heft in den Händen. Wir hoffen, dass<br />

sich die Wirtschaft und damit auch die Situation <strong>für</strong> <strong>Iurratio</strong> im nächsten Jahr so erholen, dass wir wie gewohnt im vierteljährlichen Rhythmus erscheinen können.<br />

Im Namen des gesamten <strong>Iurratio</strong>-Teams bedanke ich mich <strong>für</strong> das uns in 2009 entgegengebrachte Interesse und die hervorragende Zusammenarbeit mit allen Au-<br />

toren, Interviewpartnern und nicht zuletzt allen Freunden und Förderern des Projektes. Wir wünschen Ihnen geruhsame und schöne Weihnachtstage, einen an-<br />

genehmen Jahreswechsel und alles Gute <strong>für</strong> das Jahr 2010.<br />

Ihr<br />

Alexander Otto<br />

(Chefredakteur)<br />

Anwalt der Anwälte<br />

Vorwort<br />

<strong>Die</strong> besten Referendare<br />

erkennt man an der<br />

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Inhalt / Impressum Titelaufsatz<br />

Fotos auf dieser Seite: fotolia.de<br />

S. 148<br />

Persönliche Vergeltung im<br />

Strafverfahren?<br />

S. 153<br />

Impressum Ausgabe 3 + 4/2009<br />

Herausgeber: Jens-Peter Thiemann (V.i.S.d.P.)<br />

herausgeber@<strong>iur</strong>ratio.de<br />

S. 133<br />

Chefredaktion: Alexander Otto; Vivien Eckhoff (Stellvertreterin)<br />

chefredaktion@<strong>iur</strong>ratio.de<br />

Redaktion: Marc Brade (Standortleiter Uni Jena); Christian Edler (Standortleiter Uni<br />

Osnabrück); Kiyomi von Frankenberg (Standortleiterin Uni Freiburg, Ressortleiterin<br />

Strafrecht), Dagmar Silvana Furmanek (Uni Bielefeld, Ressort LawLifeStyle); Christina<br />

Gehrig (Uni Erlangen-Nürnberg); Marcel Gellings (Standort Universität Frankfurt<br />

a.M.); Hanjo Hamann (Uni Hamburg); Ann-Kathrin Hausmann (Uni Erlangen-<br />

Nürnberg); Christoph Huppertz (Ressortleiter Zivirecht); Christian W. Jakob (Standort-<br />

leiter Uni Bayreuth); David Krätzig (Standortleiter Uni Münster); Markus Krüger<br />

(Uni Bielefeld); Stephanie Langenberg (Standortleiterin Uni Tübingen); Stefanie Löhr<br />

(Ressort Öffentliches Recht); Nader Mehrinfar (Standort Universität Frankfurt a.M.);<br />

Carolin Möhle (Uni Bielefeld); Marcel Niknafs (Standortleiter Freie Universität Berlin);<br />

Tobias Pesch (Standortleiter LMU München); Christian Schilling (Standortleiter<br />

Uni Passau, Ressort Zivilrecht); Max Stelz (Standortleiter Uni Marburg); Jan-Christoph<br />

Stephan (Standortleiter Uni Konstanz, Ressortleiter Praxis); Dirk Veldhoff (Ressort<br />

Praxis); Aimee Waldon (Standortleiterin Uni Bremen, Ressort Zivilrecht);<br />

Katharina Walter (Ressort Öffentliches Recht); Lars Wildhagen (Standortleiter Uni<br />

Düsseldorf); Hyrije Zeneli (Uni Bielefeld, Ressort Fallbearbeitung)<br />

redaktion@<strong>iur</strong>ratio.de<br />

Ausschluss: Namentlich gekennzeichnete Beiträge repräsentieren nicht unbedingt die<br />

Meinung der Redaktion.<br />

Lektorat: Annica Klemme, Susanne Bettendorf<br />

Layout & Satz: Susanne Günther, info@susanneguenther.de,<br />

layout@<strong>iur</strong>ratio.de<br />

Geschäftsführer: Eckart Pradel<br />

Anzeigenabteilung: Lydia Voß, Korinna Wagner, Marcel Gellings, Daniel Frey<br />

anzeigen@<strong>iur</strong>ratio.de<br />

Auslandskorrespondenz: Inga Thiemann (Englisch, Niederländisch), Marlene Alker<br />

(Französisch)<br />

Vertrieb: Michael Kretschmann, Christoph Neumann, Eva Maria Matt<br />

vertrieb@<strong>iur</strong>ratio.de<br />

Postanschrift: <strong>Iurratio</strong>, Arndtstraße 31, 33615 Bielefeld.<br />

Redaktionsanschrift: Postfach 1540, 26645 Westerstede<br />

Das Privileg des Wissens<br />

Druck: Gutverlag, Druck und Medien, Hörstel-Bevergern, www.gutverlag.com<br />

Urheber- und Verlagsrechte: Alle in dieser <strong>Zeitschrift</strong> veröffentlichten Beiträge sind<br />

urheberrechtlich geschützt. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken und<br />

ähnlichen Einrichtungen. Kein Teil dieser <strong>Zeitschrift</strong> darf außerhalb der engen Grenzen<br />

des Urheberrechtsgesetzes ohne schriftliche Genehmigung in irgendeiner Form<br />

reproduziert werden.<br />

Autorenhinweise: Ausführliche Autorenhinweise finden Sie auf unserer Homepage<br />

www.<strong>iur</strong>ratio.de<br />

Danksagung: Unser Dank gilt allen Autoren und Sponsoren, die zum Gelingen dieser<br />

Ausgabe beigetragen haben. Insbesondere gilt unser Dank der Fakultät <strong>für</strong> Rechtswissenschaft<br />

der Universität Bielefeld <strong>für</strong> vielseitige Unterstützung.<br />

Fakultät <strong>für</strong> Rechtswissenschaft<br />

S. 170<br />

4 Gewinnt – auch mit formellen Fehlern? EU erhängt Tabakwerbung!<br />

Titelaufsatz<br />

Gesetzlicher Schutz <strong>für</strong> geheimes Know-how<br />

ann / kalbfus Gesetzlicher Schutz <strong>für</strong> geheimes Know-how – 133<br />

Nur gerecht oder auch wirtschaftlich sinnvoll?<br />

Ausbildung<br />

eckhoff Klausuren/Hausarbeiten, Technik und Tipps 137<br />

schwab Willenserklärung ohne Erklärungsbewußtsein? (Teil II) 142<br />

Chefredaktionsinterview mit Jilliane P. Hoffman, 148<br />

bekannte Thriller-Autorin und Staatsanwältin ...<br />

Schwerpunkte<br />

knöller Bilateral Investment Treaties (BITs) – 150<br />

An Effective Instrument of Investment Protection<br />

wildhagen <strong>Die</strong> öffentliche Hand als Bieterin im Vergabeverfahren 153<br />

Lawlife Style 158<br />

- Citi Run Duisburg<br />

- Ein Besuch beim Bundesverfassungsgericht<br />

- 2. Gesprächskreis Wirtschaftskriminalität großer Erfolg<br />

- 40-Jahre Fakultät <strong>für</strong> Rechtswissenschaft an der Universität Bielefeld<br />

Fallbearbeitung<br />

sotiriadis<br />

Anfänger im Strafrecht: „<strong>Die</strong> Verhinderung des Weltuntergangs“ 160<br />

hiéramente Anfänger im Strafrecht: „Fußballfrust“ 164<br />

eichenhofer Fortgeschrittene im Zivilrecht:<br />

„Tollende Kinder und nachbarlicher Friede!“ 167<br />

herrmann / wollenschläger<br />

Examenskandidaten im Öffentlichen Recht: „Tabakwerbeverbot“ 170<br />

Praxis<br />

veldhoff Interview mit Prof. Dr. Rolf Schmidt 176<br />

„Der Trend geht in Richtung Einfachheit.“<br />

lauscher Wahlstation bei der GTZ in Ghana 178<br />

gutowski Praktikumsbericht: Grosskanzlei Lovells 179<br />

Studentisches<br />

barutta Schwerpunktbereich Internationales und Europäisches 181<br />

Privatrecht und seine historischen Grundlagen<br />

schlenkhoff / knöller Der Studiengang „LL.M. in 182<br />

Unternehmensrestrukturierung“ an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg<br />

kiesow Schwerpunktbereich Arbeits- und Sozialrecht im 184<br />

internationalen und supranationalen Kontext<br />

pannemann Schwerpunktbereich Rechtsgestaltung und 185<br />

Streitbeilegung im Zivilrecht<br />

gehrig Deutsch - französisches Recht 186<br />

A. EINFÜHRUNG<br />

Gesetzlicher Schutz <strong>für</strong> geheimes Know-how –<br />

Nur gerecht oder auch wirtschaftlich sinnvoll?<br />

Prof. Dr. Christoph Ann LL.M. und Ass. jur. Björn Kalbfus<br />

Das Know-how eines Unternehmens – verstanden als dessen gesamtes nicht<br />

allgemein zugängliches gewerblich anwendbares Wissen – bildet heute in vie-<br />

len Fällen sein wesentliches Kapital. Know-how kann technischer Natur sein,<br />

wie etwa Herstellungsverfahren, Konstruktionsprinzipien, Rezepturen und<br />

sonstige stoffliche Zusammensetzungen, oder kaufmännischer Natur, wie<br />

Kundendaten oder Marktforschungsergebnisse. Naturgemäß sind diese „in-<br />

tangible assets“ anfällig <strong>für</strong> Nachahmung und deshalb in besonderem Maß<br />

schutzbedürftig.<br />

Prof. Dr. Christoph Ann LL.M., Jahrgang 1962, ist Inhaber des Lehrstuhls <strong>für</strong> Wirtschaftsrecht und Geistiges Eigentum an der<br />

TU München sowie Mitglied im Managing Board des Munich Intellectual Property Law Centers.<br />

Ass. jur. Björn Kalbfus, Jahrgang 1978, ist Doktorand am Lehrstuhl und beschäftigt sich im Rahmen seiner Promotion mit<br />

dem Know-how-Schutz.<br />

<strong>Die</strong> Rechtsordnung stellt zu diesem Zweck eine ganze Palette an gewerbli-<br />

chen Schutzrechten bereit. Zu nennen sind insbesondere das Patent, die<br />

Marke, das Gebrauchs- und das Geschmacksmuster. Auch dem Urheberrecht<br />

kommt, wenngleich es nicht zum engeren Kanon der gewerblichen Schutz-<br />

rechte gehört, eine bedeutende wirtschaftliche Rolle zu. Allerdings hat der<br />

Kanon der Immaterialgüterrechte Grenzen. Bei weitem nicht <strong>für</strong> jede Art<br />

unternehmensrelevanter Information steht ein solches Recht zur Verfügung.<br />

Insbesondere kaufmännische Informationen sind nur sehr begrenzt schutzfä-<br />

hig. Und selbst wenn <strong>für</strong> eine Information die Anmeldung eines Schutzrechts<br />

in Betracht kommt, verzichten Unternehmen häufig aus guten Gründen dar-<br />

auf. Denn obwohl beispielsweise das Patent sehr umfassenden Schutz <strong>für</strong> Er-<br />

findungen gewährt, ist es auch mit einer Reihe von Nachteilen verbunden: Im<br />

Rahmen der Patentanmeldung muss die Erfindung so umfassend offengelegt<br />

werden, dass ein Durchschnittsfachmann sie versteht. Das Anmeldeverfahren<br />

verursacht meist hohe Kosten und kann jahrelang dauern. 1 Außerdem beträgt<br />

die Patentlaufzeit maximal 20 Jahre – gerechnet nicht ab Ertei-lung, sondern<br />

ab dem Tag der Anmeldung (§ 16 I S. 1 PatG).<br />

Will oder kann ein Unternehmen diese Nachteile nicht in Kauf nehmen,<br />

bleibt als Alternative oft nur der Weg der strategischen Geheimhaltung. Das<br />

Unternehmen muss dann versuchen, sein Wissen möglichst lange nicht nach<br />

außen dringen zu lassen, um so seinen Vorsprung gegenüber Mitbewerbern<br />

zu sichern. Allerdings ist auch diese Geheimhaltung mit Risiken verbunden:<br />

Anders als beim Patentschutz gibt es hier kein Recht auf Exklusivität. Kon-<br />

kurrenten können also nicht davon abgehalten werden, sich ähnliches oder<br />

gar identisches Wissen unabhängig zu erschließen und zu verwerten. Zudem<br />

1 Ann, GRUR 2007, 39 (40).<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

wird die Geheimhaltung dadurch erschwert, dass die Verwertung von Know-<br />

how stets Mitwisser erfordert: Eingeweiht werden müssen Arbeitnehmer und<br />

gelegentlich auch andere Unternehmen als Kooperationspartner, z.B. Lieferan-<br />

ten. Eine gewisse Verbreitung ist daher unvermeidlich. Das schafft erhebliche<br />

Risiken, denn nach einer Daumenregel des Geheimschutzes steigt das Risiko<br />

des allgemeinen Bekanntwerdens einer Information exponentiell zum Grad ih-<br />

rer Verbreitung. <strong>Die</strong> größte Gefahrenquelle sind hier Arbeitnehmer. Sie kön-<br />

nen Know-how verraten oder von Mitbewerbern ausgespäht werden.<br />

Während der erstgenannte Nachteil – fehlende Exklusivität – als wesensim-<br />

manente Schwäche der Geheimhaltung hinzunehmen ist, versucht die Rechts-<br />

ordnung, das zweite Risiko zu begrenzen: <strong>Die</strong> Geheimhaltung von Know-how<br />

ist durch eine Vielzahl von Rechtsvorschriften geschützt. Der folgende Bei-<br />

trag gibt einen kurzen Überblick über diesen gesetzlichen Schutz (II.) und<br />

befasst sich anschließend mit Sinn und Zweck der dazu bestehenden Vor-<br />

schriften (III.).<br />

B. GESETZLICHER KNOW-HOW-SCHUTZ IM ÜBERBLICK<br />

I. DER BEGRIFF DES BETRIEBS- UND GESCHÄFTSGEHEIMNISSES<br />

Der Ausdruck „Know-how“ findet zwar in etlichen Verordnungen des eu-<br />

ropäischen Kartellrechts Verwendung, nicht aber im deutschen Recht. Hier<br />

knüpfen die einschlägigen Know-how Schutznormen an den Begriff des Be-<br />

triebs- oder Geschäftsgeheimnisses an. <strong>Die</strong>ser nicht legaldefinierte Begriff<br />

wird von der Rechtsprechung verstanden als im Zusammenhang mit einem<br />

Betrieb stehende Tatsache, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng<br />

begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem bekundeten, auf wirt-<br />

schaftlichen Interessen beruhenden Willen des Betriebsinhabers geheim ge-<br />

halten werden soll. 2 Dabei werden unter einem Betriebsgeheimnis technische<br />

Informationen verstanden, während sich der Begriff des Geschäftsgeheimnis-<br />

ses auf Informationen kaufmännischer Art bezieht. Rechtlich kommt dieser<br />

Unterscheidung aber keine Bedeutung zu, da sich der gesetzliche Schutz glei-<br />

chermaßen auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse erstreckt. Häufig wird<br />

deshalb aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung auch der Oberbegriff<br />

des Unternehmens- oder des Wirtschaftsgeheimnisses verwendet.<br />

2 BGH GRUR 2009, 613 (614 Rn. 13) – Versicherungsuntervertreter;<br />

BGH GRUR 2006, 1044 (1046 Rn. 19) – Kundendatenprogramm; Harte-<br />

Bavendamm, in: Harte/Henning, UWG, 2. Aufl. 2009, § 17 Rn. 1.<br />

133


134<br />

Titelaufsatz<br />

II. DER RECHTLICHE SCHUTZ VON BETRIEBS- UND<br />

GESCHÄFTSGEHEIMNISSEN<br />

Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist kein in sich geschlos-<br />

senes Rechtsgebiet, sondern eine Querschnittsmaterie, die sich aus Normen<br />

unterschiedlichster Bereiche zusammensetzt. Einschlägige Vorschriften fin-<br />

den sich etwa im Handels- und Gesellschaftsrecht, im Arbeitsrecht und im<br />

Kernstrafrecht, ferner im Prozessrecht und in einer Vielzahl verwaltungs-<br />

rechtlicher Normen. 3 <strong>Die</strong> praktisch wichtigsten Vorschriften sind im Gesetz<br />

über den unlauteren Wettbewerb (UWG) enthalten. Namentlich die §§ 17<br />

und 18 UWG sehen <strong>für</strong> die bedeutsamsten Varianten denkbarer Geheimnis-<br />

verletzungen Sanktionen vor:<br />

§ 17 I UWG stellt den Geheimnisverrat durch Beschäftigte eines Unterneh-<br />

mens unter Strafe. Es handelt sich um ein Sonderdelikt, das täterschaftlich<br />

nur von dem genannten Personenkreis begangen werden kann. Verboten<br />

wird insbesondere Arbeitnehmern, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse<br />

ihres Unternehmens weiterzugeben, etwa an Konkurrenten.<br />

§ 17 II Nr. 1 UWG untersagt demgegenüber die unbefugte Verschaffung oder<br />

Sicherung fremder Betriebsgeheimnisse und pönalisiert so die – faktisch vor<br />

allem mit technischen Mitteln geführte – Betriebsspionage. <strong>Die</strong>ses Delikt ist<br />

– im Unterschied zu § 17 I UWG – kein Sonderdelikt, sondern kann von je-<br />

dermann begangen werden. Tatbestandlich ist beispielsweise ein Angriff auf<br />

fremde Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse durch Ausspähen von Compu-<br />

terdaten oder durch Einsatz von Abhörgeräten oder Kameras. 4<br />

Im Verhältnis zu den beiden genannten Tatbeständen, die an Fälle der unlau-<br />

teren Informationsweitergabe, -verschaffung oder -sicherung anknüpfen und<br />

gleichsam Informationszugangsschutz gewähren, bildet § 17 II Nr. 2 UWG<br />

ein Anschlussdelikt. Strafbar ist nach dieser Vorschrift die Verwertung und<br />

jede weitere Mitteilung von Informationen, die bereits rechtswidrig erlangt<br />

wurden, insbesondere unter Verstoß gegen § 17 I oder § 17 II Nr. 1 UWG.<br />

Komplettiert wird der lauterkeitsrechtliche Geheimnisschutz schließlich<br />

durch § 18 UWG. <strong>Die</strong>se Norm bildet in gewisser Weise einen Paralleltatbe-<br />

stand zu § 17 I UWG, jedoch bezieht sie sich gerade nicht auf Beschäftigte ei-<br />

nes Unternehmens, sondern auf Außenstehende. Strafbar ist der Missbrauch<br />

im geschäftlichen Verkehr anvertrauter Vorlagen und technischer Vorschrif-<br />

ten. Tatobjekt ist hier also nicht jedes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, son-<br />

dern sind lediglich die genannten Gegenstände; dies jedoch wiederum nur,<br />

soweit sie nicht offenkundig sind (anderenfalls ist ein „Anvertrauen“ nicht<br />

denkbar 5 ). Das können zum Beispiel Konstruktionszeichnungen sein, die ein<br />

Unternehmen dem anderen mit einer Geheimschutzauflage übergeben hat. 6<br />

Auffallend ist, dass es sich bei den genannten Vorschriften durchweg um<br />

Straftatbestände handelt. Das ist insofern nicht abwegig, als Handlungen wie<br />

Geheimnisverrat und Betriebsspionage als besonders schwerwiegende Wett-<br />

3 Vgl. exemplarisch §§ 93 I S. 3, 404 AktG, 85 GmbHG, 90, 333 HGB, 79,<br />

120 BetrVG, 203, 204 StGB, 172 Nr. 2 GVG, 30 VwVfG, 6 S. 2 IFG.<br />

4 Harte-Bavendamm, in: Harte/Henning, UWG, 2. Aufl. 2009, § 17 Rn. 22.<br />

5 BGH GRUR 1955, 468 (473) – Schwermetall-Kokillenguß; BGH GRUR<br />

1958, 297 (298) – Petromax I.<br />

6 BGH GRUR 1964, 31 – Petromax II.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

bewerbsverstöße angesehen werden und der Gesetzgeber deshalb seit jeher<br />

besonderen Wert auf eine gewisse Abschreckungswirkung legt. Allerdings ist<br />

dem Geschädigten damit noch nicht geholfen. Er ist regelmäßig vor allem da-<br />

ran interessiert, Ersatz <strong>für</strong> erlittene Schäden zu erhalten und den Täter zur<br />

Unterlassung weiterer Verletzungshandlungen zu verpflichten. Der Schutz<br />

von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen erfordert daher auch zivilrechtli-<br />

che Regelungen. Hier ist die Ausgestaltung des Schutzes fragmentarisch. Spe-<br />

zielle Vorschriften finden sich kaum. 7 Stattdessen bedarf es des Rückgriffs auf<br />

allgemeine Regelungen. In Näheverhältnissen kann zunächst das Vertrags-<br />

recht herangezogen werden. So begründet ein Geheimnisverrat regelmäßig<br />

eine schuldhafte Verletzung von Treuepflichten im Sinne von § 241 II BGB,<br />

die Schadensersatzansprüche gemäß § 280 I BGB auslösen kann.<br />

In Fällen der Betriebsspionage besteht meist allerdings weder ein Vertrag,<br />

noch ein vertragsähnliches Schuldverhältnis im Sinne von § 311 II BGB.<br />

Dann helfen die genannten Anspruchsgrundlagen nicht weiter, vielmehr ist<br />

zivilrechtlicher Schutz nur über das Deliktsrecht möglich. Zentrale Bedeu-<br />

tung kommt insoweit § 823 II BGB (und §§ 3 I, 4 Nr. 11 UWG) in Verbin-<br />

dung mit oben genannten Straftatbeständen zu, namentlich mit den §§ 17, 18<br />

UWG. Daneben wird Rechtsschutz vor allem über Generalklauseln – etwa<br />

§ 826 BGB und §§ 3 I, 4 Nr. 10 UWG – gewährt. 8 Umstritten ist schließlich,<br />

inwieweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse „sonstige Rechte“ im Sinne<br />

von § 823 I BGB bilden oder wenigstens als Ausschnitt des Rechts am einge-<br />

richteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt sind. 9<br />

C. ZUR ZWECKSETZUNG DES KNOW-HOW-SCHUTZES<br />

I. DIE ÜBERKOMMENEN BEGRÜNDUNGEN<br />

<strong>Die</strong> innere Rechtfertigung <strong>für</strong> die genannten Vorschriften scheint sich<br />

– nicht zuletzt nach dem in der Einleitung Gesagten – auf den ersten Blick<br />

ohne weiteres zu erschließen: Unternehmen sind in vielen Fällen auf wirk-<br />

samen Geheimschutz angewiesen, insbesondere wenn die Alternative einer<br />

Schutzrechtsanmeldung zwar besteht, jedoch nicht wirtschaftlich ist. Das<br />

Geheimschutzinteresse eines Unternehmens ist daher legitim. Spionage ist<br />

demgegenüber eine Handlung, durch die man in die Sphäre eines anderen<br />

eindringt, um sich die Früchte fremder Mühen anzueignen. Weil Arbeits-<br />

ergebnisse demjenigen, der sie durch eigene Investitionen erschlossen hat,<br />

gleichsam natürlich zurechenbar sind, gilt der Geheimnisverrat durch Ein-<br />

geweihte, etwa Mitarbeiter des Geheimnisträgers, gemeinhin als Vertrauens-<br />

bruch und damit – in der Sprache des Gesetzes – als „unlauter“ (§ 3 I UWG)<br />

bzw. „sittenwidrig“ (§ 826 BGB).<br />

II. KNOW-HOW-SCHUTZ IM VERGLEICH ZUM PATENTSCHUTZ<br />

So nachvollziehbar die genannten Erwägungen zunächst auch erschei-<br />

nen, so erstaunlich ist gleichwohl, dass die ökonomischen Folgen des Know-<br />

how-Schutzes jedenfalls in Deutschland kaum jemals eingehend hinterfragt<br />

worden sind. Für Patente verhält sich dies vollkommen anders. Schon vor In-<br />

krafttreten des ersten deutschen Patentgesetzes im Jahr 1877 wurde eine teils<br />

vehement ausgetragene Diskussion über Sinn und Unsinn von Patentschutz<br />

7 Vgl. Ohly, in: Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl. 2006, Vor §§ 17-19 Rn. 10;<br />

Kraßer, GRUR 1977, 177 (195).<br />

8 Harte-Bavendamm, in: Harte/Henning, UWG, 2. Aufl. 2009, § 17 Rn. 44.<br />

9 Ann, GRUR 2007, 39 (42 f.).<br />

geführt. 10 Gegner wandten ein, es sei nicht gerechtfertigt, demjenigen, der<br />

eine Erfindung – vielleicht nur mit geringem Vorsprung – als erster gemacht<br />

habe, die Realisierung einer Monopolrente zu ermöglichen und alle Wettbe-<br />

werber mit Lizenzgebühren zur Kasse zu bitten. Schließlich einigte man sich<br />

auf den Kompromiss, der in seinen Grundzügen bis heute besteht: Solange<br />

eine Erfindung technisch, neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar ist<br />

(§ 1 I PatG), gewährt das Patent unabhängig vom technischen Fortschritt oder<br />

dem Nutzen, den es bedeutet, ein Monopol; jedoch zeitlich beschränkt auf 20<br />

Jahre ab Anmeldung (§ 16 I S. 1 PatG) sowie mit der Möglichkeit zur Erteilung<br />

von Zwangslizenzen (§ 24 PatG). Nach Auslaufen des Schutzes ist die Ver-<br />

wertung einer Erfindung <strong>für</strong> jedermann frei. Weil der Patentanmelder seine<br />

Erfindung in der Anmeldung so offenlegen muss, dass jeder Durchschnitts-<br />

fachmann sie ausführen kann (§ 34 IV PatG), wird sein Wissensmonopol hier<br />

zu einem bloßen Verwertungsmonopol. Für die Allgemeinheit hat das den<br />

Vorteil einer erheblichen Mehrung des öffentlich zugänglichen technischen<br />

Wissens: Nach Schätzungen des Europäischen Patentamts finden sich heute<br />

rund 85% des technischen Wissens der Menschheit in Patentdatenbanken. 11<br />

Darüber hinaus soll das Patentsystem den technischen Fortschritt auch da-<br />

durch fördern, dass es Innovationsanreize setzt. 12 Auch hiervon profitiert<br />

letztlich die Allgemeinheit.<br />

Aus dieser Perspektive wirft der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheim-<br />

nissen natürlich Fragen auf: Er erstreckt sich auf jedwede Information, ohne<br />

dass es auf Technizität, Neuheit, Erfindungshöhe oder eine anders geartete<br />

Qualität ankommt. Geheimhaltung ist ferner – zumindest theoretisch – zeit-<br />

lich unbegrenzt möglich, entfaltet aber keinerlei Fremdnutzen: Außenste-<br />

hende profitieren nicht vom geheimen Know-how eines Unternehmens, weil<br />

es ihnen ja gerade vorenthalten wird. Zwar handelt auch der Patentanmelder<br />

keineswegs altruistisch, doch wird er gezwungen, seine Erfindung preiszu-<br />

geben, wenn er in den Genuss rechtlichen Schutzes kommen will. Der Ge-<br />

heimnisinhaber hat keine vergleichbare Gegenleistung zu erbringen. Er erhält<br />

seinen Schutz, wenngleich dieser auch weniger weit geht als der Patentschutz,<br />

zum Nulltarif. Warum aber gibt es Rechtsschutz <strong>für</strong> eine Geheimhaltung, die<br />

ausschließlich eigennützig erfolgt? Sollte nicht derjenige, der von einer Infor-<br />

mation profitiert, selbst da<strong>für</strong> sorgen, dass diese nicht an Dritte gelangt? Wer<br />

hier an der Vorbeugung spart, ließe sich einwenden, muss mit den Konse-<br />

quenzen leben. Wäre es zudem aus Wettbewerbsgründen nicht eher angezeigt,<br />

eine faktische Wissensmonopolisierung der Unternehmen zu begrenzen statt<br />

sie durch gesetzlichen Schutz auch noch zu fördern? <strong>Die</strong> überkommenen Be-<br />

gründungen, die mit Unlauterkeit bis hin zur Strafwürdigkeit von Geheim-<br />

nisverletzungen argumentieren, beantworten diese Fragen nicht hinreichend,<br />

weil sie auf rational nur schwer nachvollziehbaren Wertungen beruhen und<br />

außerdem in Grenzfällen keine verlässliche Interpretation einschlägiger<br />

Rechtsvorschriften ermöglichen. Lässt sich die Sinnhaftigkeit des gesetzlichen<br />

Geheimnisschutzes aber nicht auch treffender begründen?<br />

III. RECHTFERTIGUNG DES KNOW-HOW-SCHUTZES<br />

Einen Ansatzpunkt da<strong>für</strong> liefern die <strong>für</strong> den Schutz geheimen Know-hows<br />

aufzuwendenden Kosten: Weil der gesetzliche Schutz eben nur geheime In-<br />

formation umfasst, entbindet er Unternehmen nicht von ihrer Obliegenheit,<br />

10 Machlup, GRUR Int. 1961, 373 (374 ff.).<br />

11 Ann, FS Schilling (2007), 1 (10).<br />

12 Kraßer, PatentR, 6. Aufl. 2009, § 3 IV. (S. 42 ff.).<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Titelaufsatz<br />

selbst angemessene Geheimschutzmaßnahmen zu treffen. Der in Deutsch-<br />

land gegenwärtig bestehende Know-how-Schutz setzt deshalb voraus, dass<br />

etwa das Firmenareal oder sensible Bereiche wie das IT-System so überwacht<br />

werden, dass dort auf rechtmäßigem Weg keine Information abfließen kann.<br />

Freilich müssen nur verhältnismäßige Maßnahmen ergriffen werden, also nur<br />

solche Maßnahmen, die in angemessener Relation sowohl zur Wahrschein-<br />

lichkeit einer Ausspähung als auch zum daraus drohenden Schaden stehen.<br />

Vorgabe ist also keineswegs die absolute Sicherheit geheimer Informatio-<br />

nen, sondern lediglich ein Sicherheitsniveau, das zu Kosten realisierbar ist,<br />

die gemessen am Nutzen des geheimen Wissens verhältnismäßig sind. <strong>Die</strong>ser<br />

Aspekt ist entscheidend, denn ohne den gesetzlichen Geheimnisschutz wür-<br />

den sich diese Relationen verschieben: Konkurrenzausspähung würde immer<br />

dann zur legitimen Handlungsoption <strong>für</strong> jedes rational agierende Unterneh-<br />

men, wenn sich dadurch die oftmals extrem teure eigene Forschung und<br />

Entwicklung einsparen lässt. Ohne gesetzlichen Know-how-Schutz würde<br />

deshalb die Zahl der Akteure und die Zahl der Spionagefälle signifikant zu-<br />

nehmen. Konkurrenzausspähung würde intensiviert und bezogen auf das<br />

herrschende, weithin unterschätzte Niveau auch nochmals professionalisiert.<br />

Damit stiege aus Sicht des Know-how-Inhabers <strong>für</strong> dessen kritische Informa-<br />

tionen die „Verlustwahrscheinlichkeit“. <strong>Die</strong> Folge: Der Standard der Sicher-<br />

heitsmaßnahmen müsste angehoben werden, um wieder ein angemessenes<br />

Verhältnis zwischen Prävention und (dann erhöhtem) Risiko herzustellen.<br />

Auf diese Weise droht eine Kostenspirale zwischen Spionage und deren Ab-<br />

wehr: Je höher die Zugangsbarrieren zu fremdem, relevantem Know-how,<br />

desto ausgefeilter und teurer werden auch die Mittel zur Überwindung dieser<br />

Barrieren und so fort. <strong>Die</strong> Erhöhung von Sicherheitsstandards führt deshalb<br />

gleichzeitig zu einer Weiterentwicklung der Spionagetechnik und umgekehrt.<br />

Ohne den gesetzlichen Schutz geheimen Know-hows käme es zu einer Kos-<br />

teneskalation, die zuweilen bildhaft als regelrechtes „Wettrüsten“ 13 dargestellt<br />

wird. Der Geheimnisverrat durch eigene Mitarbeiter ist dabei ein Kernpro-<br />

blem. Eigene Mitarbeiter bilden statistisch das größte Risiko <strong>für</strong> Unterneh-<br />

mensgeheimnisse und sind die ergiebigste Quelle <strong>für</strong> „Interessenten“. Keine<br />

technische Maßnahme – sei es das virtuelle Eindringen in ein IT-System oder<br />

auch schlichte Abhörmaßnahmen – können Geheimnisse so vollständig und<br />

umfassend offenbaren wie ein sachkundiger Mitarbeiter. Wären derart un-<br />

ternehmensschädliche Offenbarungen Arbeitnehmern gesetzlich nicht ver-<br />

boten, würden diese Vertraulichkeitsvereinbarungen womöglich nur gegen<br />

beträchtliche Zusatzentgelte unterzeichnen. Dann entstünde ein Bieterwett-<br />

bewerb zwischen Arbeitgebern und der an ihren Geheimnissen interessierten<br />

Konkurrenz. Volkswirtschaftlich bliebe ein solches Szenario nicht folgenlos,<br />

denn die durch Spionage und deren Abwehr entstehenden Kosten gingen ent-<br />

weder bei Forschung und Entwicklung verloren oder sie müssten an Abneh-<br />

mer „weitergereicht“ werden, was zu einer Verteuerung der Produkte führte.<br />

<strong>Die</strong> Umwälzungen, die ein Verzicht auf gesetzlichen Geheimnisschutz her-<br />

vorrufen würde, gingen jedoch vermutlich noch weiter. Um die genannten,<br />

kostenintensiven Maßnahmen zu vermeiden, würden gerade innovative Un-<br />

ternehmen möglicherweise dazu übergehen, ihre gesamte Organisations-<br />

struktur stärker an Belangen des Geheimnisschutzes auszurichten. Weil jeder<br />

Arbeitnehmer nur das verraten kann, was er auch weiß, wäre es denkbar, Auf-<br />

13 Ann, FS Schilling (2007), 1 (10).<br />

135


Titelaufsatz<br />

gabenzuschnitte so umzugestalten, dass immer nur wenige Mitarbeiter um-<br />

fassende Kenntnisse von zentralen Unternehmensgeheimnissen erlangen.<br />

Schlüsselpositionen könnten dann nur noch mit (mutmaßlich) besonders<br />

loyalen Mitarbeitern besetzt werden. Im Falle der Coca-Cola-Rezeptur, die<br />

auf diese Weise über Jahre hinweg nur zwei leitenden Angestellten vollstän-<br />

dig bekannt gewesen und im übrigen unter Verschluss gehalten worden sein<br />

soll, mag dies funktioniert haben. Auch aus der Automobilindustrie sind Ab-<br />

schottungen durch gestufte Informationsberechtigungen bekannt. Als breit<br />

eingesetzte, universelle Schutzmaßnahme stünde eine solche Reorganisation<br />

jedoch in diametralem Widerspruch zum Idealbild eines möglichst effizien-<br />

ten Informationsflusses innerhalb des Unternehmens.<br />

<strong>Die</strong> Vermeidung derartiger Fehlentwicklungen bildet den Kern des beste-<br />

henden gesetzlichen Geheimnisschutzes. Der rechtliche Know-how-Schutz<br />

ergänzt so die unentbehrlichen tatsächlichen Schutzvorkehrungen, indem<br />

er eine weitere – nennenswerte - Hürde gegen Konkurrenzausspähung und<br />

Wirtschaftsspionage errichtet: Deren Überwindung ist nur unter Verletzung<br />

von Strafbestimmungen möglich, erfordert also kriminelle Energie. Ebenso<br />

wie strafrechtliche Sanktionen erhöhen auch zivilrechtliche Unterlassungs-<br />

, Auskunfts- und Schadenersatzansprüche das Risiko <strong>für</strong> jeden, der sich ein<br />

fremdes Unternehmensgeheimnis rechtswidrig erschließt. Sein Handeln wird<br />

zum wirtschaftlichen Nullsummenspiel, wenn er die von ihm erlangten In-<br />

formationen nicht verwenden darf und im Fall der Zuwiderhandlung scha-<br />

denersatzpflichtig wird. Gesetzlicher Know-how-Schutz entfaltet also einen<br />

Präventiveffekt, der es Unternehmen erlaubt, Ressourcen primär auf die Er-<br />

schließung von Informationen und auf deren Nutzung zu konzentrieren und<br />

weniger auf deren Schutz. Für spionagegeneigte Wettbewerber sinkt im Ge-<br />

genzug die Attraktivität dieses Ansatzes bei gleichzeitig erhöhten Anreizen<br />

<strong>für</strong> eigene Forschung und Entwicklung.<br />

D. FAZIT<br />

<strong>Die</strong> Geheimhaltung von Know-how steht als legitime und in der Praxis un-<br />

entbehrliche Wettbewerbsstrategie neben den gewerblichen Schutzrechten.<br />

Rechtlicher Schutz von Know-how ist sinnvoll und wichtig. Seine Rechtferti-<br />

gung bezieht er keineswegs nur aus schwer greifbaren Gerechtigkeitsüberle-<br />

gungen. Zwar mag Wirtschaftsspionage auch schlicht ungerecht sein, der<br />

gesetzliche Know-how-Schutz erfüllt jedoch in erster Linie greifbare wirt-<br />

schaftliche Korrektivfunktionen. Andererseits ist er auch kein Patent „zweiter<br />

Klasse“, sondern ein aliud, dessen Zwecksetzung sich von derjenigen klassi-<br />

scher gewerblicher Schutzrechte deutlich unterscheidet.<br />

A. ALLGEMEINES:<br />

<strong>Die</strong> Bearbeitung von juristischen Sachverhalten während des Studiums erfor-<br />

dert Genauigkeit. Dabei ist es gerade bei komplexeren Sachverhalten oder<br />

Hausarbeiten wichtig, eine übersichtliche Struktur und Gliederung zu finden.<br />

<strong>Die</strong>s hat mehrere Funktionen. Zum Einen kann man damit komplexe Sach-<br />

verhalte „aufklaren“ und sich vor dem eigenen Auge besser verdeutlichen.<br />

Zum Anderen sollte es auch dazu führen, wichtige Einzelheiten nicht zu<br />

übersehen. Zuletzt kann es von Vorteil sein dem Korrekturassistenten mit<br />

einer systematischen Gliederung die Korrektur zu erleichtern. <strong>Die</strong>se Gliede-<br />

rung sollte sowohl in Klausuren, als auch in Hausarbeiten vorgenommen<br />

werden. In Klausuren muss dies aber nicht so feingliederig stattfinden, wie<br />

in Hausarbeiten.<br />

In Klausuren führt eine Gliederung zu Übersichtlichkeit. An dieser Gliede-<br />

rung können die oftmals mit nur sehr wenig Zeit ausgestatteten Korrekturas-<br />

sistenten erkennen, ob wichtige Kernprobleme angesprochen werden. Zudem<br />

sind übersichtliche Klausuren und Hausarbeiten besser zu lesen, was den<br />

Korrektor auch gegenüber der Arbeit freundlicher stimmen wird. Zudem hilft<br />

eine Gliederung jedem Prüfling bei der Strukturierung eines Sachverhalts<br />

und vermittelt eine Agenda, die kontinuierlich abgearbeitet werden kann.<br />

Ebenso wichtig ist aber das Werkzeug zur Darstellung juristischer Sachver-<br />

halte und deren gutachterliche Betrachtung. Auf die Einhaltung des Gutach-<br />

tenstils wird (gerade in den ersten Semestern) besonderer Wert gelegt.<br />

B. GUTACHTENSTIL:<br />

Im juristischen Studium bestehen die Prüfungen überwiegend aus Fallklausu-<br />

ren und Fallhausarbeiten. Man erhält einen Lebenssachverhalt, der juristisch<br />

betrachtet werden muss. <strong>Die</strong>se Begutachtung stellt nicht einen formlosen<br />

„Besinnungsaufsatz“ dar, wie man ihn vielleicht noch aus der Schulzeit kennt,<br />

sondern erfolgt in einer bestimmten Form. <strong>Die</strong> juristische Fallbearbeitung<br />

wird in der Ausformulierung im sog. Gutachtenstil vorgenommen. Der<br />

Gutachtenstil ergibt sich aus dem juristischen Syllogismus. Der Begriff des<br />

Syllogismus stammt von dem griechischen Wort: syllogismos ab welches „Zu-<br />

sammenrechnen“ und/oder „logischer Schluss“ bedeutet. Er ist also Bestand-<br />

teil von Argumentation und dem daraus folgendem Ergebnis. Der Syllogismus<br />

ist der Kerngedanke der Lehre von der Folgerichtigkeit, sog. Logik 2 und wird<br />

auch das Schlussverfahren genannt. 3 Das Denkschema des Syllogismus ist<br />

die Schlussfolgerung aus zwei Prämissen auf einen Schlusssatz, also auf eine<br />

Konklusion. 4 Mit dem Syllogismus kann man logisch beweisen, dass eine<br />

ganz bestimmte Ableitung aus dem Gesetz zu einem ganz bestimmten<br />

Ergebnis führen muss, wenn die Zwischenschritte jeweils richtig gebildet wor-<br />

den sind.<br />

Klausuren/Hausarbeiten, Technik und Tipps 1<br />

von cand. <strong>iur</strong>. Vivien Eckhoff (Universität Bremen)<br />

1 <strong>Die</strong>ser Beitrag ist meiner Hausarbeit bei Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano,<br />

Universität Bremen, mit dem Titel „Justizsyllogismus und Subsumtion“<br />

entsprungen. Danken möchte ich Herrn Rechtsreferendar Alexander Otto,<br />

ebenfalls Universität Bremen, der aus seinen Tätigkeiten als Korrekturassistent<br />

und Wissenschaftlicher Mitarbeiter einige Hinweise geben konnte.<br />

2 Schwintowski, Juristische Methodenlehre, S. 61.<br />

3 Dubischar, Grundbegriffe des Rechts, S. 15, §4.<br />

4 Joerden, Logik im Recht, S. 311.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Ausbildung<br />

Der aus dem juristischen Syllogismus abgeleitete Gutachtenstil (auch: 4-Schritt-<br />

Methode) besteht, wie der Name es bereits sagt, aus vier Schritten, die immer<br />

„gegangen“ werden müssen.<br />

I. OBERSATZ<br />

II. DEFINITION<br />

III. SUBSUMTION<br />

IV. KONKLUSION/ERGEBNIS<br />

I. OBERSATZ:<br />

Der Obersatz bildet gemeinsam mit der Konklusion den Rahmen eines jeden<br />

Gutachtens und eines jeden Prüfungspunktes.<br />

Der Obersatz wirft eine Frage auf, die dann mittels der anderen Schritte (2 + 3)<br />

geklärt und im Rahmen der Konklusion beantwortet wird. <strong>Die</strong> Fragestellung<br />

wird nicht direkt getätigt, sondern in der Form des Konjunktivs.<br />

Der Obersatz wird nicht nur <strong>für</strong> das gesamte Gutachten geschrieben, sondern<br />

<strong>für</strong> jeden einzelnen Prüfungspunkt.<br />

Bsp.: A könnte sich gemäß § 240 StGB wegen Nötigung strafbar gemacht haben,<br />

indem er an einer Sitzblockade auf einer Bundesstraße teilgenommen hat und so<br />

den Autofahrern die Weiterfahrt verwehrte.<br />

→ So könnte der Obersatz <strong>für</strong> ein Gutachten lauten, indem geprüft werden<br />

soll, ob sich der A wegen (nicht: einer!) Nötigung strafbar gemacht hat.<br />

Bei der Begutachtung eines strafrechtlich relevanten Sachverhalts ist es immer<br />

erforderlich, die <strong>für</strong> die Strafbarkeit relevante Tathandlung im Obersatz<br />

kurz darzustellen (…, indem…). <strong>Die</strong> „indem“-Formulierung ist eine gängige<br />

Formulierung, die es ermöglicht, kurz und prägnant das wichtigste in einem<br />

Satz unterzubringen.<br />

Bsp.: Fraglich ist, ob der B den C an der Gesundheit geschädigt hat.<br />

→ So würde ein Obersatz <strong>für</strong> einen einzelnen Prüfungspunkt aussehen. Hier<br />

würde man prüfen, ob das objektive Tatbestandsmerkmal der Gesundheits-<br />

schädigung aus § 223 I StGB vorliegt.<br />

Man sollte allerdings nicht jedes Mal denselben Satzanfang wählen. Das ist<br />

zu monoton und liest sich schlecht. Wer immer „Fraglich ist, …“ schreibt,<br />

hat unter Umständen Punktabzug wegen erheblicher stilistischer Mängel zu<br />

be<strong>für</strong>chten. Besser ist es zu variieren:<br />

• Weiter ist zu prüfen, ob…<br />

• Zu prüfen ist…<br />

• B müsste des Weiteren den C auch…<br />

• Eine weitere Voraussetzung ist, dass…<br />

<strong>Die</strong>s sind nur einige wenige Beispiele <strong>für</strong> verschiedene Formulierungsmög-<br />

lichkeiten. Es gilt immer die aufzuwerfende Frage im Konjunktiv zu stellen,<br />

jedenfalls nicht in direkter Form. Ein Obersatz endet also niemals mit einem<br />

Fragezeichen. Einleitungen wie „Fraglich ist, ob…“ sollten auch nur dann<br />

zur Anwendung kommen, wenn der im Folgenden zu prüfende Kontext um-<br />

stritten ist, es Abgrenzungsschwierigkeiten gibt oder berechtigte Zweifel am<br />

Vorliegen der zu prüfenden Voraussetzung bestehen, deren Vorliegen also<br />

tatsächlich „fraglich“ ist.<br />

137


138<br />

Ausbildung<br />

II. DEFINITION:<br />

Mittels Auslegung des Gesetzestextes wird dieser konkretisiert und genauer<br />

umschrieben. Es wird abstrakt vom Sachverhalt, lediglich mit Rückgriff auf<br />

den Gesetzestext, ermittelt, welchen Inhalts beispielsweise ein bestimmtes Tat-<br />

bestandsmerkmal ist. <strong>Die</strong>se Definitionen findet man in allen gängigen Kom-<br />

mentaren, in der Rechtsprechung oder in Lehrbüchern. Für die Klausur ist es<br />

von Vorteil die gängigsten Definitionen auswendig zu beherrschen, das spart<br />

Zeit und Nerven!<br />

Bsp.: Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines wenn<br />

auch vorübergehenden pathologischen Zustands. 5<br />

→So würde die Definition <strong>für</strong> das Tatbestandsmerkmal der Gesundheitsschä-<br />

digung aus § 223 I StGB aussehen.<br />

Es gibt auch noch einen weiteren „Typ“ von Definitionen, die sog. Legal-<br />

definitionen. Das sind Definitionen, die direkt im Gesetz zu finden sind.<br />

Teilweise sind sie daran zu erkennen, dass das Definierte in Klammern<br />

genannt wird.<br />

Bsp.: Unfallbeteiligter (§ 142 V StGB), Amtsträger (§ 11 I Nr. 2. StGB), Verbrau-<br />

cher (§ 13 BGB), Unternehmer (§14 BGB), Anspruch (§ 194 BGB), Polizei<br />

(§ 2 Nr.1 BremPolG).<br />

→ Das sind nur einige wenige Beispiele von Legaldefinitionen. <strong>Die</strong>se kann<br />

und sollte man in seiner Bearbeitung verwenden und dabei auch den entspre-<br />

chenden §§ benennen.<br />

In Hausarbeiten ist es erforderlich, Definitionen aus Rechtsprechung und<br />

Literatur zu belegen. Häufig lassen sich die Fundstellen <strong>für</strong> Definitionen in<br />

Kommentaren und Aufsätzen zu dem jeweiligen Thema finden.<br />

III. SUBSUMTION<br />

Als Subsumtion wird das unter eine Norm Einordnen eines Sachverhaltes ver-<br />

stan-den, welches auch als rechtliche Würdigung eines Umstandes beschrie-<br />

ben werden kann. Hinzu kommt die Vorstellung, dass der Sachverhalt die<br />

Merkmale des Gesetzes aufweist. 6 Es wird folglich mit Hilfe von Subsumtion<br />

eine Rechtsfolge <strong>für</strong> den konkreten Fall aus Rechtsnormen (auch aus Schrift-<br />

tum und Gewohnheitsrecht) hergeleitet. 7<br />

<strong>Die</strong> Subsumtion ist der wichtigste Teil einer jeden Klausur und Hausarbeit.<br />

An dieser Stelle kann man die meisten Punkte sammeln, muss demzufolge<br />

aber genau und schlüssig argumentieren. Im Rahmen der Subsumtion wird<br />

der konkrete Sachverhalt unter die abstrakte Definition subsumiert. Man<br />

prüft also, ob die konkreten Abläufe, Zustände und Handlungen mit der<br />

Definition vergleichbar sind. Man argumentiert zum Beispiel, warum eine<br />

bestimmte Handlung gerade die Anforderungen der Defini-tion erfüllt oder<br />

gerade nicht erfüllt.<br />

Bsp.: (Sachverhalt in Kurzform: Nach dem Besuch in seiner Stammkneipe will<br />

A mit seinem Fahrrad nach Hause fahren. Er glaubt, dass er trotz Genusses ei-<br />

niger Weißbiere noch in der Lage ist, sicher nach Hause zu kommen. Er wird<br />

auf dem Weg wegen eines defekten Rücklichts von der Polizei angehalten.)<br />

Fraglich ist, ob A ein Fahrzeug geführt hat (Obersatz). Ein Fahrzeug wird ge-<br />

führt, wenn der Fahrer das Fahrzeug selbst oder zusammen mit einem Anderen<br />

in Bewegung setzt oder in Bewegung hält von § 315c StGB werden nicht nur<br />

5 Tröndle/Fischer, StGB Kommentar, § 223, Rn. 6.<br />

6 Dubischar, Grundbegriffe des Rechts, S. 15, § 4.<br />

7 Rothfuß, Logik und Wertung bei der Subsumtion, S. 1.<br />

Kraftfahrzeuge gemäß § 1 II StVG, sondern auch andere Fahrzeuge ohne Motor-<br />

kraft erfasst (Definition).<br />

„A will nach dem Kneipenbesuch nach Hause fahren und benutzt dazu sein<br />

Fahrrad. Kennzeichnend <strong>für</strong> ein Fahrrad ist gerade, dass es vom Fahrer selbst,<br />

durch Treten der Pedale in Bewegung gebracht und gehalten wird. Deshalb<br />

fällt das Fahrrad trotz mangelnder Motorkraft unter den Fahrzeugbegriff des<br />

§ 315c StGB.“<br />

→ Der in Anführungsstriche gestellte Teil ist eine Subsumtion.<br />

Der Umfang einer Subsumtion ist unterschiedlich. Decken Definition und<br />

Sachverhalt sich eindeutig, unmissverständlich und ohne erkennbare Pro-<br />

bleme, sollte die Subsumtion eher kurz ausfallen. Und nicht unnötig proble-<br />

matisiert werden.<br />

Sind Sachverhalt und Definition im Verhältnis zueinander aber eher proble-<br />

matisch, so muss das Problem mit der Subsumtion in gegebenem Umfang<br />

gelöst werden. Das erfordert häufig eine Darstellung von Meinungsstreiten.<br />

Wenn ein Problem dies erfordert, muss eine kurze Darstellung des Meinungs-<br />

standes auch in einer Klausur erfolgen. In Hausarbeiten ist die Aufarbeitung<br />

von Meinungsstreiten die Kernarbeit.<br />

Herrschen zu einem zivilrechtlichen oder sonstigen juristischen Problem ver-<br />

schiedene Meinungen, so sind sie in einer Hausarbeit gegenüberzustellen.<br />

Man stellt zunächst die Auffassung dar, subsumiert den Sachverhalt unter<br />

die entsprechende Meinung und kommt dann zu einem Zwischenergebnis.<br />

<strong>Die</strong>sen Vorgang wiederholt man dann <strong>für</strong> alle darzustellenden Meinungen.<br />

Kommen alle Auffassungen zum gleichen Ergebnis, so ist eine Stellungnahme<br />

nicht erforderlich und sollte nicht erfolgen. Bei verschiedenartigen Ergebnis-<br />

sen muss man alle Argumente <strong>für</strong> und gegen die jeweiligen Meinungen dar-<br />

stellen und dann in der Stellungnahme den Streit entscheiden.<br />

Meinungsstreite können auch in einer komprimierten Form dargestellt<br />

werden (also erst Vorstellung aller verschiedenen Meinungen und dann eine<br />

zusammenfassende Subsumtion), diesen Weg sollte aber nur der geübte Bear-<br />

beiter wählen, da dies schnell zu Ungenauigkeiten, Unverständlichkeiten und<br />

Unübersichtlichkeit führen kann.<br />

Meinungsstreite sind allgemein nur darzustellen, wenn sie <strong>für</strong> den zu bearbei-<br />

tenden Fall von besonderer Bedeutung sind.<br />

In einer Hausarbeit bedient man sich dabei Literatur und Rechtsprechung.<br />

Bsp.: Fraglich ist, ob eine erste Hilfe auch erforderlich ist, wenn der Hilfsbedürf-<br />

tige trotz dieser, versterben würde. In diesem Fall ist sich die Literatur unein.<br />

Zum einen wird vertreten, dass „die Hilfeleistung dann nicht mehr erforderlich<br />

ist, wenn jede Hilfe aussichtslos ist, insbesondere beim sofortigen Tod des<br />

Verunglückten“ 8 .<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Schließt man sich dem an, ist die Hilfe <strong>für</strong> O nie erforderlich gewesen. A hätte<br />

also keinerlei Hilfeleistungsversuche anstrengen müssen und wäre auch nicht<br />

wegen unterlassener Hilfeleistung gemäß § 323 c strafbar.<br />

Andererseits vertritt ein anderer Teil der Literatur, dass „die Erforderlichkeit der<br />

Hilfe dort zu bejahen ist, wo erst aus der Rückschau klar zu erkennen ist, dass<br />

der Verunglückte auch bei sofortiger ärztlicher Hilfe keine Überlebenschance<br />

hätte, die in Betracht kommende Hilfeleistung also vergeblich gewesen wäre“ 9 .<br />

Im vorliegenden Fall konnte man zum Unfallzeitpunkt lediglich erkennen,<br />

dass O u.a. erhebliche Kopfverletzungen erlitten hat. Eindeutige Todeszei-<br />

chen sind keineswegs erkennbar gewesen. Erst später wird lt. Sachverhalt fest-<br />

8 Küpper, Strafrecht BT 1, § 5, Rn. 80.<br />

9 Wessels/Hettinger, Strafrecht BT 1, § 23, Rn. 1046.<br />

gestellt, dass O nicht mehr zur Besinnung gekommen ist und auch mit<br />

umgehender notärztlicher Hilfe nicht mehr hätte am Leben erhalten werden<br />

können. Folgt man also der letzteren Auffassung wäre die Hilfe erforderlich<br />

gewesen.<br />

<strong>Die</strong>se Auffassung kommt der h.M. sehr nahe. Denn auch aus Sicht eines „ver-<br />

ständigen Beobachters“ 10 darf man zum Unfallzeitpunkt kein Spezialwissen an-<br />

nehmen, mit dem man schon an der Unfallstelle hätte erkennen können, dass<br />

jede Hilfe zu spät kommt. <strong>Die</strong>se Auffassung wird damit gerade dem u.a. präven-<br />

tiven Schutzcharakter einer Strafnorm gerecht. Denn geht man davon aus, dass<br />

die im Nachhinein, am Ort nicht erkennbare, nicht bestehende Möglichkeit der<br />

Hilfeleistung strafbefreiend wirkt, verleitet dies unter Umständen zu einem ge-<br />

ringeren Grad der Hilfsbereitschaft. Zudem würde dies dem besonderen Un-<br />

rechtscharakter dieser Tat nicht gerecht werden, wenn es straflos bleibt, dass ein<br />

Täter eine hilflose Person in dem Bewusstein ihr könnte vielleicht doch geholfen<br />

werden auf sich gestellt liegen lässt.<br />

Im Ergebnis ist also der letzteren Auffassung zu folgen und im vorliegenden Fall<br />

die Erforderlichkeit der Hilfe zu bejahen.<br />

→ <strong>Die</strong>ser Weg ist der, wie oben beschrieben, „sicherste“ Weg einen Meinungs-<br />

streit darzustellen.<br />

Beispiel <strong>für</strong> den komprimierten Weg:<br />

(Fall: Brandstiftung an einer Kneipe, an der im oberen Stockwerk eine Woh-<br />

nung an-geschlossen ist) „Ob diese Handlung <strong>für</strong> ein Inbrandsetzen einer Woh-<br />

nung reicht, ist umstritten. Es handelt sich hier um ein gemischt genutztes<br />

Gebäude, wobei nur der gewerblich genutzte Bereich als Start des Feuers dienen<br />

sollte. Gemäß der herrschenden Meinung reicht es <strong>für</strong> das Inbrandsetzen aus,<br />

wenn sich das Feuer auf die den Wohnzwecken dienenden Bereiche ausbreiten<br />

kann. Laut einer anderen Ansicht ist ein Inbrandsetzen erst dann verwirklicht,<br />

wenn sich die abstrakte Gefahr des Brandes derart zugespitzt hat, dass die<br />

Rechtsgutsverletzung unmittelbar bevorsteht. Für die zweite Ansicht spricht,<br />

dass es sich hier um einen Verbrechenstatbestand handelt, der zum Schutz des<br />

Beschuldigten restriktiv ausgelegt werden sollte; dieses Argument kann jedoch<br />

vorliegend nicht überzeugen. Der § 306 a ist als Gefährdungsdelikt dem Schutze<br />

der Allgemeinheit verpflichtet, sodass von einem Inbrandsetzen schon ausgegan-<br />

gen werden kann, wenn das Feuer nur auf den Wohnungsteil übertreten kann.<br />

Zudem wollte A nicht nur die gewerblichen Gebäudeteile, sondern auch die<br />

Wohnung in der S wohnt, niederbrennen und wusste auch, dass sich die Woh-<br />

nung dort befindet. Der ersten und herrschenden Ansicht ist somit zu folgen.“<br />

→ In diesen Beispielen führen die Meinungen zu verschiedenen Ansichten.<br />

Deshalb musste der Meinungsstreit entschieden werden.<br />

IV. ERGEBNIS/KONKLUSION<br />

An dieser Stelle beantwortet man kurz und prägnant die im Obersatz aufge-<br />

worfene Frage.<br />

Bsp.: A hat sich wegen Nötigung gemäß § 240 StGB strafbar gemacht, indem er<br />

an einer Sitzblockade auf einer Bundesstraße teilnahm und den Autofahrern die<br />

Weiterfahrt verwehrte.<br />

→ So könnte das Ergebnis/die Konklusion <strong>für</strong> ein Gutachten lauten, indem<br />

geprüft wurde, ob sich der B wegen (nicht: einer) Nötigung strafbar gemacht hat.<br />

Bsp.: Folglich hat B den C an der Gesundheit geschädigt.<br />

10 BGHSt 17, 166, 169.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

→ So würde ein Ergebnis <strong>für</strong> einen einzelnen Prüfungspunkt aussehen. Hier-<br />

hätte man geprüft, ob das objektive Tatbestandsmerkmal der Gesundheits-<br />

schädigung aus § 223 I StGB vorliegt.<br />

<strong>Die</strong>se 4 Schritte werden sowohl auf das gesamte Gutachten, als auch auf jedes<br />

zu prüfende Detail angewandt.<br />

Hier noch ein kleines Beispiel <strong>für</strong> einen zivilrechtlichen Fall:<br />

Obersatz: Für einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung müsste<br />

der Schuldner die Pflichtverletzung auch zu vertreten haben.<br />

Definition: Der Schuldner hat gemäß § 276 I BGB grundsätzlich Vorsatz und<br />

Fahrlässigkeit zu vertreten. Vorsatz ist das Wissen und Wollen des<br />

rechtswidrigen Erfolges. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr<br />

erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.<br />

Subsumtion: A wusste vorliegend weder von der Reparatur, noch von einem<br />

Mangel. Er hat nichts zu der Unmöglichkeit (Pflichtverletzung)<br />

beigetragen.<br />

Ergebnis: Er hat diese somit auch nicht zu vertreten.<br />

C. PRÜFUNGSREIHENFOLGE:<br />

Neben dem Gutachtenstil und der Reihenfolge der vier Schritte, muss auch<br />

eine Prüfungsreihenfolge eingehalten werden. Hierbei ist insbesondere im<br />

Strafrecht und im Zivilrecht zu unterscheiden.<br />

Im Strafrecht kann man verschiedentlich verfahren. Entweder man prüft<br />

nach der Schwere der Taten, nach dem Verhältnis in dem die Taten zueinan-<br />

der stehen oder man bildet chronologisch Handlungskomplexe und prüft in<br />

diesen Komplexen in der o.g. Reihenfolge. Was die <strong>für</strong> den Fall „beste“ Vari-<br />

ante ist, hängt vom Fall ab und kann (leider) nicht pauschalisiert werden.<br />

Im Zivilrecht hingegen gibt es da starre Vorgaben. Es gilt: Vertragliche An-<br />

sprüche sind immer vor gesetzlichen Ansprüchen zu prüfen. Insgesamt gilt<br />

folgende Prüfungsreihenfolge:<br />

I. Vertragliche Ansprüche<br />

1. Primäransprüche<br />

2. Sekundäransprüche<br />

II. Quasivertragliche Ansprüche (z.B. § 280 I i.V.m. § 311 II BGB)<br />

III. Allgemeine gesetzliche Ansprüche (z.B. § 426 I BGB)<br />

V. Dingliche Ansprüche ( § 985 BGB)<br />

V. Deliktische Ansprüche (§§ 823 ff. BGB)<br />

VI. Bereicherungsrechtliche Ansprüche (§§ 812 ff. BGB)<br />

VII. Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB)<br />

<strong>Die</strong>se Reihenfolge ist sowohl in Klausuren, als auch in Hausarbeiten strikt<br />

einzuhalten. Hinsichtlich einzelner Punkte (insbesondere GoA und Bereiche-<br />

rungsrecht) herrscht die Prüfungsreihenfolge betreffend Uneinigkeit. Hier<br />

sollte man, soweit bekannt, auf die von dem jeweiligen Dozenten vertretene<br />

Auffassung oder einschlägige Literatur zurückgreifen.<br />

D. FORMALIEN EINER HAUSARBEIT:<br />

Eine Hausarbeit muss neben der eigentlichen Fallbearbeitung noch einige<br />

weitere Dinge enthalten, die wiederum in einer bestimmten Reihenfolge an-<br />

geordnet sein müssen.<br />

Ausbildung<br />

139


140<br />

Ausbildung<br />

<strong>Die</strong> Hausarbeit besteht aus folgenden Elementen, die auch in folgender Rei-<br />

henfolge in der Hausarbeit enthalten sein müssen:<br />

1. Deckblatt (ohne Seitenzahl).<br />

2. Sachverhalt (römische Seitenzahlen, beginnend mit II.).<br />

3. Inhaltsverzeichnis/Gliederung (fortlaufende römische Seitenzahlen<br />

im Anschluss an den Sachverhalt).<br />

4. Literaturverzeichnis (Seitenzahlen wie beim Inhaltsverzeichnis).<br />

5. Lösung bzw. Fallbearbeitung (arabische Seitenzahlen).<br />

6. Versicherung der eigenständigen Anfertigung und das<br />

ausschließliche Verwendung der .angegebenen Quellen.<br />

7. Unterschrift .<br />

Soweit im Sachverhalt der Hausarbeit zu den Formalien nichts anderes<br />

angegeben ist, gilt:<br />

• Zeilenabstand: 1 1⁄2.<br />

• 1/3 Korrekturrand – also 7 cm (grundsätzlich rechts,<br />

kann aber je nach Dozent variieren).<br />

• Schrift größe: 12 Pt, bei Standardschrift arten → Arial, Times New Roman.<br />

• Fußnoten: 10 Pt, Schrift art wie im Gutachten selbst.<br />

E. GLIEDERUNG:<br />

Sowohl Klausuren, als auch Hausarbeiten sollten gegliedert werden. Klausu-<br />

ren sollten beispielsweise nach Anspruchsgrundlagen gegliedert werden. Es<br />

ist aber nicht erforderlich, dass sie so feingliederig ist wie in einer Hausarbeit.<br />

Es gibt zwei verschiedene „Gliederungssysteme“. <strong>Die</strong>s sind die Dezimalgliede-<br />

rung und die alphanumerische Gliederung. Grundsätzlich gilt: „Wer ‘a‘ sagt,<br />

muss auch ‘b‘ sagen“!<br />

1. Dezimalgliederung 2. Alphanumerische Gliederung<br />

1.<br />

2.<br />

2.1<br />

2.2<br />

3.<br />

3.1<br />

3.2<br />

3.2.1<br />

3.2.2<br />

3.3 usw.<br />

Standard<br />

in jur.<br />

Bearbeitungen<br />

A.<br />

I.<br />

II.<br />

1.<br />

2.<br />

a.<br />

b.<br />

a.<br />

b.<br />

B. usw<br />

aa.<br />

bb.<br />

cc.<br />

aaa.<br />

bbb.<br />

F. FORMALIEN EINER KLAUSUR:<br />

Eine Klausur muss mit einem Deckblatt versehen werden. Das Deckblatt<br />

muss folgende Daten enthalten:<br />

1. Name (ggf. Anschrift )<br />

2. Matrikelnummer<br />

3. Anzahl Fachsemester<br />

4. Datum der Klausur<br />

5. Titel der Veranstaltung<br />

6. Dozent<br />

7. Veranstaltungskennziff er oder -nummer<br />

<strong>Die</strong>ses Deckblatt muss als erstes Blatt der Klausur mitabgegeben werden oder<br />

als erste Seite angeheft et werden.<br />

Für die Gliederung gilt das oben bereits erwähnte Procedere.<br />

Innerhalb der Ausarbeitung sollten Zwischenergebnisse gemacht werden.<br />

<strong>Die</strong>s steigert die Übersichtlichkeit und ist somit ein wichtiger Bestandteil<br />

einer jeden Klausur. Jede Klausur endet mit einem Endergebnis, in dem prak-<br />

tisch die Zwischenergebnisse noch einmal zusammengefasst werden.<br />

Zudem muss immer ein Korrekturrand gelassen werden. In der Regel geht<br />

man von 1/3 der Seite aus und lässt diesen Rand auf der rechten Seite.<br />

Besondere Wünsche und Angaben des jeweiligen Dozenten sollten natürlich<br />

beachtet werden.<br />

G. HÄUFIGE FEHLER:<br />

Da Gutachtenstil und Argumentationstechnik ein wichtiges Handwerkszeug<br />

<strong>für</strong> Juristen sind, sollte bereits zu Beginn des Studiums versucht werden, bei<br />

der Anwendung dieser bisweilen nicht gerade sehr beliebten Methoden Sorg-<br />

falt walten zu lassen. Möglichst früh sollten typische Fehler behoben werden.<br />

I. OBERSATZ<br />

Obersätze werden häufi g zu oberfl ächlich formuliert und wichtige Bestand-<br />

teile ausgelassen. Da der Obersatz aber die zu prüfende Fragestellung aufwirft ,<br />

beschränkt und umschreibt, ist hier besondere Präzision erforderlich. Soweit<br />

es sich um den Obersatz <strong>für</strong> ein gesamtes Gutachten handelt sind alle wesent-<br />

lichen Bestandteile zu nennen. Im Zivilrecht beispielsweise sind dies die sog.<br />

W‘s (Wer will was von wem warum woraus). Häufi g werden Obersätze dies-<br />

bezüglich nicht genau genug formuliert. Angesichts der Umgrenzungsfunk-<br />

tion von Obersätzen sollte sich der Bearbeiter deshalb sorgsam überlegen,<br />

welche Fragestellung er beantworten möchte.<br />

Hinzu kommt, dass häufi g zu viele Prüfungspunkte in einen Obersatz inte-<br />

griert werden. So werden zum Beispiel gelegentlich von Klausurbearbeitern<br />

alle objektiven Tatbestandsmerkmale einer Körperverletzung gemäß § 223 I<br />

StGB in einen Obersatz gequetscht und im weiteren Verlauf auf Obersätze<br />

verzichtet. Das ist falsch. Jeder Prüfungspunkt muss mit einem eigenen Ober-<br />

satz eingeleitet werden. Das vermeidet Verwirrungen und trägt zur Übersicht-<br />

lichkeit eines Gutachtens bei.<br />

II. DEFINITION<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Bei der Defi nition muss strikt darauf geachtet werden, dass es nicht zu einer<br />

Vermischung mit der Subsumtion kommt. Häufi g gelingt es Prüfl ingen nicht,<br />

diese beiden Schritte voneinander zu trennen.<br />

III. SUBSUMTION<br />

<strong>Die</strong> Liste möglicher Fehlerquellen im Rahmen einer Subsumtion ist lang. Hier<br />

soll nur auf die häufi gsten Fehler im Überblick eingegangen werden.<br />

1. ARBEIT MIT DEM SACHVERHALT<br />

Häufi g geht der Blick auf den Sachverhalt verloren. In den meisten Fällen ist<br />

es so, dass die Sachverhalte ausreichend Argumentationsmaterial liefern. Da-<br />

bei darf aber nicht der Fehler gemacht werden, dass der Sachverhalt lediglich<br />

wiedergegeben und nicht mit der Defi nition in Beziehung gesetzt wird. Es ist<br />

ja gerade die Aufgabe des Prüfl ings, den Sachverhalt unter die Defi nition zu<br />

subsumieren.<br />

Gelegentlich stehen die Bearbeiter einer Klausur oder Hausarbeit aber auch<br />

vor dem Problem, dass sie den Eindruck haben, der Sachverhalt liefere keine<br />

klaren Antwor-ten auf ihre Fragen und lasse wesentliche Aspekte aus. Um-<br />

stritten ist, wie damit umzugehen ist. Auf der einen Seite wird vertreten, dass<br />

der Sachverhalt in den Grenzen der sog. lebensnahen Auslegung interpretiert<br />

werden darf. <strong>Die</strong>s ist ein sehr schmaler Grad, bei dessen Beschreitung Vor-<br />

sicht geboten ist. Andererseits wird jegliche Sachverhaltsauslegung <strong>für</strong> unzu-<br />

lässig erachtet. Wichtig ist nur: Sollten Bearbeiter das Bedürfnis haben, einen<br />

Sachverhalt auszulegen, sollten Sie dabei sehr vorsichtig sein und mit derarti-<br />

gen Interpretationen sparsam sein. So ist die Auslegung, die an einer nord-<br />

deutschen Universität mal von einem Studierenden vorgenommen worden<br />

ist, dass alleinerziehende Mütter generell dazu neigen ein Problem mit Alko-<br />

holmissbrauch zu haben, fernab jeglicher lebensnaher Interpretation. Im<br />

Grundsatz gilt: „Der Sachverhalt ist heilig!“<br />

Bergstraße 24-26, 33803 Steinhagen<br />

Tel. 05204/9147-0 Fax 05204/9147-47<br />

Wir suchen Studierende, Referendare/innen und wissenschaftliche Mitarbeiter/innen<br />

<strong>für</strong> die Mitarbeit in der Anzeigenabteilung.<br />

2. UMGANG MIT MEINUNGSSTREITEN<br />

<strong>Die</strong> Tätigkeit besteht vornehmlich aus der Kontaktaufnahme mit potentiellen Anzeigenkunden und Sponsoren<br />

via Internet, Telefon oder auch persönlich vor Ort sowie der Pflege unsers Kundenverwaltungssystems.<br />

Bewerbungen bitte per E-Mail an anzeigen@<strong>iur</strong>ratio.de<br />

Ausbildung<br />

Auch der Umgang mit Meinungsstreiten enthält einige Fehlerquellen. Insbe-<br />

sondere die Darstellung von Meinungsstreiten überfordert einige Bearbeiter<br />

gelegentlich. Wichtig ist, dass jeder Meinungsstreit klar strukturiert darge-<br />

stellt und vermieden wird, verschiedene Meinungen wild durcheinander zu<br />

werfen. Ist ein Streitenscheid erforderlich, gelingt es vielen Bearbeitern bei der<br />

eignen Stellungnahme nicht, sich von den Argumenten anderer ausreichend<br />

zu distanzieren. Eine Stellungnahme darf nicht aus einer Zusammenfassung<br />

der gerade dargestellten Auff assungen bestehen.<br />

IV. ERGEBNIS/KONKLUSION<br />

Gelegentlich wird aus dem Blick verloren, welche Frage im Obersatz aufgewor-<br />

fen worden ist. Nur diese und nichts anderes sollte im Ergebnis beantwortet<br />

werden. <strong>Die</strong> Konklusion muss sich also eng an der Fragestellung im Obersatz<br />

orientieren.<br />

Unabhängig von diesen Fehlern im Bereich der 4-Schritt-Methode fällt auf,<br />

dass häufi g Schwerpunkte falsch gesetzt werden. In Klausuren und Hausar-<br />

beiten sollte die meiste Energie in problematische Punkte investiert werden.<br />

Unproblematisches kann kurz und prägnant abgehandelt werden.<br />

Viel zu häufi g wird den Fallfragen nicht gebührend Beachtung geschenkt. Ins-<br />

gesamt sollte ein Gutachten auf die Fallfrage fokussiert werden. In Kombina-<br />

tion mit den erkannten Problemen gibt diese den Weg <strong>für</strong> eine erfolgreiche<br />

und ausgewogene Prüfung vor und eröff net den Blick auf sich ggf. stellende<br />

Anschlussprobleme.<br />

Wir suchen Führungsnachwuchs!<br />

<strong>Die</strong>nstleistung hat Zukunft.<br />

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142<br />

Ausbildung<br />

V. STELLUNGNAHME<br />

1. DIE PRAKTISCHEN ERGEBNISSE DER VERSCHIEDENEN<br />

AUFFASSUNGEN<br />

<strong>Die</strong> bisherige Darstellung hat drei verschiedene Strömungen in der Diskus-<br />

sion zutage gefördert, von denen die dritte freilich nur eine Fortentwicklung<br />

der zweiten ist. Bevor in eine kritische Würdigung eingetreten werden kann,<br />

seien die praktischen Konsequenzen zur Klarstellung nochmals knapp zu-<br />

sammengefaßt:<br />

<strong>Die</strong> Ansicht, die aus § 118 I BGB die Notwendigkeit eines Erklärungsbewußt-<br />

seins schließen will, muß dabei zunächst in ihren Aussagen präzisiert werden.<br />

<strong>Die</strong> zum Ausgangspunkt der Argumentation deklarierte Scherzerklärung ist<br />

ungeachtet des Umstands, daß ihrem Urheber der Wille zu einer rechtserheb-<br />

lichen Erklärung fehlt, eine Willenserklärung. § 118 I BGB stellt nicht den<br />

Tatbestand der Willenserklärung in Frage, sondern setzt deren Existenz vor-<br />

aus und erklärt sie <strong>für</strong> nichtig. Da die Folgen einer Erklärung, die ohne Erklä-<br />

rungsbewußtsein abgegeben wurde, mit den Folgen der Scherzerklärung<br />

harmonisiert werden sollen, bietet es sich an, die hier wiedergegebene An-<br />

sicht im gleichen Sinne zu akzentuieren: Wenn das Erklärungsbewußtsein<br />

fehlt, mangelt es nicht schon an einer Willenserklärung an sich. <strong>Die</strong>se liegt<br />

vielmehr vor und ist entsprechend § 118 I BGB nichtig. Wir halten also fest:<br />

Nach der auf § 118 I BGB gestützten Auffassung liegt bei fehlendem Erklä-<br />

rungsbewußtsein immer eine Willenserklärung vor; diese ist aber immer<br />

nichtig. Mit dieser Deutung wird jene Auffassung im folgenden der weiteren<br />

Diskussion zugrunde gelegt.<br />

Nach Ansicht des BGH liegt eine Willenserklärung auch bei fehlendem Erklä-<br />

rungsbewußtsein vor, wenn dem Erklärenden bei Anwendung der erforder-<br />

lichen Sorgfalt klar sein mußte, daß seinem Verhalten von verständigen<br />

Dritten die Bedeutung einer rechtlich erheblichen Erklärung beigemessen<br />

wird. <strong>Die</strong>s führt zu einem zweigeteilten Ergebnis: Entweder es liegt gar keine<br />

Willenserklärung vor (wenn es nämlich an einer solchen „Erklärungsfahrläs-<br />

sigkeit“ fehlt) oder eine anfechtbare (wenn nämlich jene Erklärungsfahrlässig-<br />

keit gegeben ist): Im letzteren Fall ist die Erklärung von einem Inhaltsirrtum<br />

beeinflußt.<br />

Willenserklärung ohne Erklärungsbewußtsein?<br />

- Teil II -<br />

Prof. Dr. Martin Schwab (Freie Universität, Berlin)<br />

Prof. Dr. Schwab, Jahrgang 1967, <strong>stud</strong>ierte in Regensburg<br />

und Heidelberg Rechtswissenschaft und legte 1991 sein<br />

1. Examen ab. Es folgte das Referendariat am Landgericht<br />

Heidelberg, das er 1994 mit dem 2. Examen abschloss.<br />

Er promovierte 1997, 2002 habilitierte er. Seit Oktober 2003<br />

ist er Professor <strong>für</strong> Bürgerliches Recht, Verfahrens- und<br />

Insolvenzrecht an der Freien Universität Berlin.<br />

<strong>Die</strong> Ansicht, die generell das Willenselement der Willenserklärung durch Zu-<br />

rechnungskriterien ersetzen will, gelangt zu den gleichen praktischen Konse-<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

TEIL I DIESES AUFSATZES LESEN SIE IN<br />

AUSGABE 2/2009 VON IURRATIO AB SEITE 86.<br />

quenzen wie der BGH: Entweder die Erklärung ist ihrem Urheber zurechenbar;<br />

dann liegt eine Willenserklärung vor, die mangels Erklärungsbewußtseins<br />

abermals wegen Irrtums anfechtbar ist. Oder sie ist ihrem Urheber nicht zu-<br />

rechenbar; dann liegt überhaupt keine Willenserklärung vor.<br />

2. KRITISCHE WÜRDIGUNG<br />

Das aus § 118 I BGB gespeiste Argument ist von erheblichem Gewicht; es<br />

wirkt in seiner Stringenz geradezu unwiderlegbar: Wer ein Verhalten an den<br />

Tag legt, von dem er weiß, daß es als rechtlich bindende Erklärung ausgelegt<br />

werden kann, von dem er aber erwartet, daß dies nicht geschieht, gibt eine<br />

nichtige Willenserklärung ab. Er ist bereits kraft Gesetzes nicht gebunden –<br />

obwohl die Erklärung ihm in besonderem Maße zurechenbar ist: Der Erklä-<br />

rende hat hier gewissermaßen „mit dem Feuer gespielt“. Warum soll dann ein<br />

Verhalten, das ihrem Urheber in wesentlich geringerem Maße zurechenbar ist<br />

(weil dieser nämlich nur fahrlässig die Bedeutung als rechtlich bindende Er-<br />

klärung verkannt hat) zu einer – wenn auch anfechtbaren – rechtlich binden-<br />

den Erklärung führen können? Der Versuch, diesen Unterschied damit zu<br />

erklären, daß der unbewußt Handelnde noch die Chance erhalten soll, zu re-<br />

flektieren, ob er das solchermaßen Erklärte vielleicht doch gegen sich gelten<br />

lassen will, überzeugt jedenfalls dann nicht, wenn man mit dem BGH eine<br />

Willenserklärung nur bei „Erklärungsfahrlässigkeit“ annehmen will; denn –<br />

das ist zutreffend eingewandt worden (vgl. oben unter 3. b) – die Chance ei-<br />

ner solchen Reflexion müßte man dann auch dem schuldlos Handelnden<br />

zubilligen. 1 Im übrigen erweist sich die unter III. 1. wiedergegebene Ansicht<br />

im Schrifttum auch an dieser Stelle als überlegen: Versteht man sie nämlich<br />

wie hier in dem Sinne, daß die ohne Erklärungsbewußtsein abgegebene Er-<br />

klärung immer als Willenserklärung anzusehen, aber immer analog § 118 I<br />

BGB nichtig ist, steht dem Erklärenden die Möglichkeit offen, diese Erklärung<br />

nach § 141 I BGB zu bestätigen – und zwar ohne daß danach gefragt würde,<br />

ob er die rechtliche Relevanz seines Verhaltens hätte erkennen müssen oder<br />

nicht. Dem Erklärenden steht mithin sowohl nach der Rechtsprechung des<br />

BGH als auch nach der Gegenansicht in der Literatur ein Wahlrecht zu, ob er<br />

die Erklärung gelten lassen will oder nicht. Lediglich die Vorzeichen sind um-<br />

gekehrt: Nach der Rechtsprechung muß der fahrlässig Handelnde die Erklä-<br />

rung durch Anfechtung beseitigen; nach der Literaturmeinung muß der ohne<br />

Erklärungsbewußtsein Handelnde die Erklärung durch Bestätigung über-<br />

haupt erst in Geltung setzen.<br />

1 Brehmer, JuS 1986, 440, 444.<br />

<strong>Die</strong> aus § 118 I BGB gezogenen Folgerungen kann man daher nur dann noch<br />

aus dem Feld schlagen, wenn es gelingt, die Vorschrift als systemfremde Ano-<br />

malie im Recht der Willensmängel zu identifizieren. <strong>Die</strong>ser Versuch ist im<br />

neueren Schrifttum in der Tat unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte<br />

unternommen worden. 2 Und in der Tat leuchtet die in § 118 I BGB normierte<br />

Nichtigkeitsfolge nicht ohne weiteres ein. Denn bei Lichte betrachtet handelt<br />

es sich dort um einen besonderen Fall des Inhaltsirrtums: Der Erklärende<br />

weiß zwar, daß sein Verhalten als Willenserklärung gedeutet werden kann; er<br />

rechnet aber damit, daß sie unter den gegebenen Umständen nicht als Wil-<br />

lenserklärung gedeutet wird. Er irrt daher über den objektiven Erklärungs-<br />

wert seiner Erklärung an sich. <strong>Die</strong> Nichtigkeitsfolge mag man sich damit<br />

erklären, daß der Erklärende sich bereits entschlossen hat, das Erklärte nicht<br />

zu wollen. Gleichwohl ist die Nähe zu den Anfechtungstatbeständen offen-<br />

kundig. Dann sollte man aber in der Tat dabei bleiben, daß abgesehen von<br />

diesem Sonderfall eine irrtümlich abgegebene Willenserklärung nicht nichtig,<br />

sondern bloß anfechtbar ist.<br />

Damit ist freilich die Frage noch nicht beantwortet, ob ohne Erklärungsbe-<br />

wußtsein überhaupt eine Willenserklärung gegeben ist. In diesem Zusam-<br />

menhang ist zunächst auf die Lehre einzugehen, wonach das Erklärungs-<br />

bewußtsein lediglich einen (unselbständigen) Teil des Geschäftswillens dar-<br />

stellt. Wenn das richtig ist, darf man jedenfalls das Vorliegen einer Willenser-<br />

klärung nicht von besonderen Zurechnungselementen, insbesondere nicht<br />

von einem Verschulden des Erklärenden abhängig machen. Das zeigt der fol-<br />

gende Vergleich: Wenn sich jemand bewußt rechtlich binden will und dabei<br />

über den Inhalt der abgegebenen Erklärung irrt, wenn also (nur) der Ge-<br />

schäftswille im herkömmlichem, oben unter II. geschilderten Sinne fehlt, liegt<br />

eine Willenserklärung vor. Von ihr kann sich der Erklärende nur noch durch<br />

Anfechtung nach § 119 I BGB lösen – und zwar selbst dann, wenn der Irrtum<br />

nicht auf seinem Verschulden beruht. 3 <strong>Die</strong> mit Erklärungsbewußtsein abgege-<br />

bene Erklärung ist also immer eine Willenserklärung; auf besondere<br />

Zurechnungselemente kommt es nicht an. 4 Wenn man nun das Erklärungs-<br />

bewußtsein im Geschäftswillen aufgehen lassen will, muß man die ohne die-<br />

ses Bewußtsein abgegebene Erklärung im gleichen Sinne behandeln: Dann ist<br />

sie immer Willenserklärung und dann kann man sich von ihr immer nur<br />

durch Anfechtung nach § 119 I BGB lösen – unabhängig davon, ob die Un-<br />

kenntnis der Tatsache, daß das Handeln als Ausdruck des Willens zur rechtli-<br />

chen Bindung verstanden werden könnte, verschuldet war oder nicht.<br />

In der Tat scheint mir hier der Schlüssel zur richtigen Lösung zu liegen. Ein<br />

Handeln, das aus der verständigen Sicht des Erklärungsgegners als Ausdruck<br />

des Willens zur rechtlichen Bindung verstanden werden darf, ist ohne Rück-<br />

sicht auf ergänzende Zurechnungselemente als Willenserklärung anzusehen.<br />

Denn der Erklärende beherrscht das Risiko von Mißverständnissen grund-<br />

sätzlich besser als der Erklärungsempfänger: Er ist es, der den maßgeblichen<br />

Willen bildet oder zumindest den Handlungsentschluß faßt. Wenn man also<br />

<strong>für</strong> den Tatbestand der Willenserklärung überhaupt ein Zurechnungselement<br />

fordert (dazu sogleich unter IV.), so liegt es immer schon dann vor, wenn der-<br />

jenige, der den äußeren Tatbestand einer Erklärung gesetzt hat, überhaupt<br />

2 Thomale (Fn. 9), § 2 B II 2; in die gleiche Richtung schon Werba<br />

(Fn. 23), S. 63 f.<br />

3 Darauf weist zu Recht Kellmann, JuS 1971, 609, 614 f. hin.<br />

4 So auch Kellmann, JuS 1971, 609, 615 f.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Ausbildung<br />

willensgetragen gehandelt hat. 5 Wo es ausnahmsweise anders ist, wo also der<br />

Empfänger das Risiko einer Fehlinterpretation besser beherrscht als der Er-<br />

klärende das Risiko, mit seinem Handeln einen falschen Eindruck zu erwe-<br />

cken, drängt sich mit Nachdruck die Frage auf, ob dem fraglichen Handeln<br />

aus dem objektiven Empfängerhorizont tatsächlich noch ein Erklärungswert<br />

zukommt. Dann aber ist auch die These des BGH, wonach ein Handeln<br />

ohne Erklärungsbewußtsein nur im Falle der „Erklärungsfahrlässigkeit“ als<br />

Willenserklärung anzusehen ist, abzulehnen. Wir halten also als Zwischen-<br />

ergebnis fest: (Jedenfalls) Jedes willensgetragene Verhalten, das objektiv als<br />

Ausdruck eines rechtlichen Bindungswillens gedeutet werden kann, ist<br />

Willenserklärung.<br />

D. EXKURS:<br />

WILLENSERKLÄRUNG OHNE HANDLUNGSBEWUSSTSEIN?<br />

<strong>Die</strong> bisherigen Überlegungen haben ergeben, daß eine Willenserklärung<br />

weder eines Geschäftswillens noch eines Erklärungsbewußtseins bedarf.<br />

Wenigstens beim Handlungswillen scheint sich demgegenüber jegliche Dis-<br />

kussion bereits im Ansatz zu verbieten: Ein Verhalten, das nicht wenigstens<br />

von einem „natürlichen“ Willen getragen ist, kann nicht Ausdruck einer<br />

freien Selbstbestimmung des Individuums sein. So wird dann auch die Not-<br />

wendigkeit eines Handlungswillens ganz überwiegend bejaht 6 und mit der<br />

Überlegung begründet, jemand, bei dem dieser Wille fehle, setze keinen<br />

zurechenbaren Tatbestand. 7<br />

<strong>Die</strong>se Auffassung sieht sich indes einem gewichtigen Einwand ausgesetzt:<br />

Nach § 105 II, 1. Alt. BGB ist eine Willenserklärung nichtig, die im Zustand<br />

der Bewußtlosigkeit abgegeben wird. Daraus wird nunmehr geschlossen:<br />

Wenn die Willenserklärung des Bewußtlosen nichtig sei, müsse sie überhaupt<br />

erst einmal tatbestandlich vorliegen. Offenbar gehe also das Gesetz davon aus,<br />

daß der Bewußtlose eine Willenserklärung abgeben könne – und dies,<br />

obwohl ihm nach herkömmlicher Lesart der Handlungswille fehle. Der<br />

Handlungswille könne daher nicht zum subjektiven Tatbestand der<br />

Willenserklärung gehören. 8<br />

<strong>Die</strong>jenigen Autoren, die einen Handlungswillen <strong>für</strong> unerläßlich halten, haben<br />

viele Versuche unternommen, um diesem Einwand zu entrinnen. So hat man<br />

die in § 105 II BGB gewählte Formulierung als sprachliche Ungenauigkeit ab-<br />

getan: Das Gesetz spreche von einer nichtigen, meine aber in Wirklichkeit<br />

eine nicht existente Willenserklärung. 9 <strong>Die</strong>se Deutung paßt indes nicht zu<br />

den übrigen Fällen, in denen das Gesetz eine Willenserklärung <strong>für</strong> nichtig er-<br />

klärt (etwa §§ 117 I, 118, 125, 134, 138, 142 I BGB): Dort ist eindeutig der Tat-<br />

bestand einer Willenserklärung erfüllt, und das Gesetz versagt ihr lediglich<br />

die Anerkennung. Dann mag nicht einleuchten, warum § 105 II BGB trotz in-<br />

soweit identischer Formulierung anders zu verstehen sein soll. Des weiteren<br />

5 Ebenso HKK-Schermaier, BGB, §§ 116-124 Rn. 17.<br />

6 BGH DB 1975, 2075 (keine Willenserklärung bei vis absoluta); Armbrüster<br />

(Fn. 11), Frage 158, S. 73; Bar-tholomeyczik (Fn. 9), S. 51, 59, 61,<br />

67; Bork (Fn. 4), Rn. 589; Brehm (Fn. 8), Rn. 130; Hübner (Fn. 12), Rn.<br />

673; Larenz/Wolf (Fn. 8), § 24 Rn. 3; D. Schwab/Löhnig (Fn. 8), Rn. 464.<br />

7 Bartholomeyczik (Fn. 9), S. 51, 59, 61, 67.<br />

8 Kellmann, JuS 1971, 609, 614; Leenen, JuS 2008, 577, 579 f.; gegen das<br />

Erfordernis eines Handlungswillens auch Brehmer, JuS 1986, 440, 443;<br />

ders., Wille und Erklärung, 1992, S. 240 f.; Neuner, JuS 2007, 881, 884;<br />

Werba (Fn. 23), S. 76 ff.<br />

9 Bartholomeyczik (Fn. 9), S. 51, 70 f.<br />

143


144<br />

Ausbildung<br />

wird gelehrt, die vollständige Bewußtlosigkeit falle nicht unter § 105 II, 1. Alt.<br />

BGB, weil es insoweit an einem Handlungswillen fehle; unter „Bewußtlosig-<br />

keit“ i. S. dieser Vorschrift seien vielmehr lediglich Fälle vorübergehender Be-<br />

wußtseinstrübung wie hochgradige Trunkenheit und Fieberdelirium zu<br />

verstehen. 10 Dem ist indes zu Recht entgegengehalten worden, daß diese Fälle<br />

sich bereits ohne weiteres unter die zweite Variante des § 105 II BGB subsu-<br />

mieren lassen: Es handelt sich hierbei um eine vorübergehende Störung der<br />

Geistestätigkeit. <strong>Die</strong> hier abgelehnte Argumentation führt letztlich dazu, daß<br />

<strong>für</strong> die erste Variante des § 105 II BGB, nämlich <strong>für</strong> die Willenserklärung im<br />

Zustand der Bewußtlosigkeit, kein einziger denkbarer Anwendungsfall mehr<br />

übrig bleibt. 11 Abgesehen davon ist daran zu erinnern, daß auch das Fieberde-<br />

lirium als Anwendungsfall des fehlenden Handlungswillens apostrophiert<br />

worden war; die Gegenansicht muß also einräumen, daß sie einen solchen<br />

Fall unter § 105 II BGB subsumieren muß, obwohl eigentlich auch hier man-<br />

gels eines Handlungswillens bereits im Ansatz keine Willenserklärung vorlie-<br />

gen dürfte. Schließlich wird darauf hingewiesen, daß § 105 II BGB nicht alle<br />

Fälle fehlenden Handlungswillens erfasse. 12 Aber damit ist immer noch nicht<br />

der Befund aus dem Weg geräumt, daß das Gesetz jedenfalls einen Sachver-<br />

halt, in dem der Erklärende keinen zurechenbaren Tatbestand gesetzt hat,<br />

gleichwohl als Willenserklärung begreift. Wie man es also dreht und wendet:<br />

Das Argument aus § 105 II BGB ist bislang nicht widerlegt worden.<br />

Dann aber spricht viel da<strong>für</strong>, den Tatbestand einer Willenserklärung über-<br />

haupt nicht mehr von subjektiven Merkmalen und insbesondere nicht von<br />

Elementen der Zurechenbarkeit abhängig zu machen. 13 Es bleibt daher als<br />

Tatbestand der Willenserklärung nur ein objektives Merkmal übrig: Eine Wil-<br />

lenserklärung liegt vor, wenn ein (nicht notwendig willensgetragenes) Verhal-<br />

ten äußerlich als Ausdruck des Willens zur rechtlichen Bindung erscheint. 14<br />

<strong>Die</strong>jenigen Fälle fehlenden Handlungswillens, die im Wortlaut des § 105 II<br />

BGB nicht unterzubringen sind (z. B. unwiderstehlicher Nervenreiz, Reflex,<br />

ggf. vis absoluta), kann man ohne weiteres dadurch bewältigen, daß man die<br />

Erklärung analog § 105 II BGB als nichtig ansieht. 15 <strong>Die</strong>se Deutung hat den<br />

Vorteil, daß sie dem Erklärenden die Chance läßt, die unter einer solchen Stö-<br />

rung zustande gekommene Willenserklärung zu bestätigen (§ 141 BGB): <strong>Die</strong>s<br />

wäre nicht möglich, wenn man schon den Tatbestand einer Willenserklärung<br />

verneinen würde. 16<br />

E. DIE UMSETZUNG DER THEORIE IN DIE KLAUSURPRAXIS:<br />

WAS MUSS MAN WISSEN UND WIE SCHREIBT MAN ES HIN?<br />

Wer immer sich mit einem Beitrag zum subjektiven Tatbestand der Willens-<br />

erklärung an ein <strong>stud</strong>entisches Publikum wendet, kämpft mit folgender<br />

Schwierigkeit: Der Autor findet erstens einen komplexen Streitstand vor; es<br />

wäre unseriös, dem Leser Teile des Diskussionsstandes vorzuenthalten.<br />

10 Bork (Fn. 4), Rn. 987; Erman/Palm, BGB, 12. Aufl. 2008, § 105 Rn. 5;<br />

D. Schwab/Löhnig (Fn. 8), Rn. 465.<br />

11 Zutreffend Leenen, JuS 2008, 577, 579 mit Fn. 29. Gegen die vorstehend wiedergegebene<br />

Interpretation des § 105 II BGB auch Neuner, JuS 2007, 881, 883 f.<br />

12 Bartholomeyczik (Fn. 9), S. 51, 70.<br />

13 Wie hier Brehmer (Fn. 43), S. 65 ff., 240 f.; Leenen, JuS 2008, 577, 580.<br />

14 Ähnlich HKK-Schermaier, BGB, §§ 116-124 Rn. 14. Schermaier trennt<br />

dabei den Tatbestand der Willenserklärung von der weiteren Frage, ob sie<br />

dem Erklärenden zugerechnet werden kann; vgl. ebenda Rn. 15 ff.; <strong>für</strong><br />

eine solche Trennung auch Werba (Fn. 23), S. 108 ff.<br />

15 In diese Richtung Lange, JA 2007, 687, 688.<br />

16 Zutreffend Neuner, JuS 2007, 881, 884.<br />

Zweitens wird der Autor um eine eigene Stellungnahme bemüht sein; zumin-<br />

dest wird er bestrebt sein, Ungenauigkeiten im bisherigen Diskussionsstand<br />

aufzudecken. Drittens aber kann niemand erwarten, daß sie soeben vorgetra-<br />

genen bzw. wiedergegebenen Überlegungen in allen Verästelungen in einer<br />

Klausur als präsentes Wissen bereitgehalten werden, und noch weniger kann<br />

verlangt werden, jene Überlegungen unter dem Druck der Prüfungssituation<br />

selbständig zu entwickeln. Wie also geht man in einer Klausur mit dem<br />

Problem um?<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Erster Schritt: Wichtig ist, zunächst gründlich darüber nachzudenken, ob es<br />

auf das Problem überhaupt ankommt. Denn nicht jeder Fall, in dem Hand-<br />

lungswille oder Erklärungsbewußtsein fraglich erscheinen, wirft tatsächlich<br />

das Problem des subjektiven Tatbestands einer Willenserklärung auf. Das ha-<br />

ben wir deutlich im Fall 2 gesehen: Dort fehlte es schon am objektiven Erklä-<br />

rungstatbestand; es war <strong>für</strong> den Erklärungsgegner eindeutig, daß keine<br />

rechtliche Bindung eingegangen werden sollte. Oftmals lassen sich die Pro-<br />

bleme bereits auf dieser Ebene lösen. Das gilt übrigens auch <strong>für</strong> viele Fälle des<br />

fehlenden Handlungswillens: Wenn jemand während der Vertragsverhand-<br />

lungen einschläft und „ja, ja“ murmelt, 17 wird dem Verhandlungspartner<br />

kaum entgangen sein, daß der andere Teil eingeschlafen ist. Dann fehlt schon<br />

der objektive Tatbestand einer Willenserklärung, weil eben ein solches Ver-<br />

halten bei verständiger Beurteilung nicht als Ausdruck eines rechtlichen<br />

Bindungswillens verstanden werden darf. 18 Gerade die Fälle fehlenden Hand-<br />

lungswillens werden sich in den allermeisten Fällen auf dieser Ebene erledi-<br />

gen. Auf die oben unter IV. angestellten Überlegungen kommt es dann<br />

überhaupt nicht mehr an.<br />

Zweiter Schritt: Wenn man zu dem Ergebnis gelangt ist, daß der äußere<br />

Tatbestand einer Willenserklärung gegeben ist, tritt man dem Problem feh-<br />

lenden Erklärungsbewußtseins am besten näher, in dem man – gerne auch<br />

zunächst einmal unter Verzicht auf eine exakte juristische Ausdrucksweise –<br />

versucht, das Unrechtsempfinden der Beteiligten in Worte zu fassen. Dazu<br />

wiederum empfiehlt es sich, sich vorzustellen, man wäre selbst eine der Kon-<br />

fliktparteien oder deren Anwalt. Am Beispiel von Fall 3 würde man dann zu<br />

folgenden Überlegungen gelangen: Aus dem Blickwinkel der B würde man ar-<br />

gumentieren: „Ich habe keine Bürgschaft übernehmen wollen, ich war mir gar<br />

nicht darüber klar, daß ich eine Bürgschaft übernehme, ich habe nur nach den<br />

Schulden des S gefragt, weil ich dachte, ich hätte mich längst verbürgt.“ Aus<br />

dem Blickwinkel des G würde die Erwiderung dann wie folgt lauten: „Woher<br />

soll ich denn wissen, daß B keine Bürgschaft eingehen wollte? In dem Brief,<br />

den sie mir geschrieben hat, steht etwas anderes. Ich muß mich doch darauf<br />

verlassen können, daß B sich genau überlegt, was sie da schreibt.“<br />

Dritter Schritt: <strong>Die</strong> gefundenen Wertungen sind in juristische Argumente und<br />

Begriffe zu übersetzen. <strong>Die</strong> Frage lautet, ob eine Willenserklärung gegeben<br />

sein kann, obwohl der Erklärende überhaupt nicht gewußt hat, daß sein Ver-<br />

halten nach außen hin dahin interpretiert werden könnte, er wolle sich recht-<br />

lich binden. Der soeben unterstellte Vortrag der B läuft auf das Prinzip der<br />

Selbstbestimmung hinaus, der Vortrag des G auf das Prinzip des Vertrauens-<br />

schutzes. Wenn man auf dieser Ebene angelangt ist, fällt es nicht schwer, die<br />

17 <strong>Die</strong>ses Beispiel bringt Bork (Fn. 4) Rn. 590 <strong>für</strong> das Fehlen des Handlungswillens.<br />

18 Zutreffend Leenen, JuS 2008, 577, 580.<br />

Argumentation zu entwickeln: Selbstbestimmung und Vertrauensschutz<br />

geraten in einen unauflösbaren Konflikt und sind daher gegeneinander<br />

abzuwägen. Und diese Abwägung wird uns zu dem Ergebnis führen, daß das<br />

Vertrauen des G jedenfalls dann stärkeren Schutz verdient, wenn B selbst<br />

daran schuld ist, daß sie sich mißverständlich ausgedrückt hat. <strong>Die</strong> juristische<br />

Wertung führt uns also zunächst zu dem Ergebnis, das auch der BGH gefun-<br />

den hat: Eine Willenserklärung liegt vor. Wer in einer Klausur bis hierher<br />

kommt, hat bereits Erhebliches geleistet!<br />

Vierter Schritt: Für Studierende, die sich nicht mit einer solchen Interessenab-<br />

wägung zufriedengeben wollen (der ja zunächst einmal jegliche normative<br />

Anbindung fehlt), mag es sich jetzt anbieten, die Ebene der Wertung zu ver-<br />

lassen und zu fragen, ob das bisher gefundene Ergebnis auch dogmatisch<br />

richtig ist. <strong>Die</strong>s führt uns zu der Frage, welche Aussagen § 118 I BGB zu ent-<br />

nehmen sind. Wenn man die aus dieser Vorschrift gezogenen Folgerungen<br />

teilt (oben unter III. 1.), wird man folgern, daß die Erklärung der B im Fall 3<br />

nichtig ist. Wenn man diese Folgerungen nicht teilt, weil B um die rechtliche<br />

Relevanz ihrer Erklärung nicht gewußt habe und daher noch die Chance er-<br />

halten solle, darüber zu befinden, ob sie sich am Erklärten festhalten lassen<br />

will (oben unter III. 2.), wird man zu dem Ergebnis gelangen, daß eine wirk-<br />

same Willenserklärung der B vorliegt und zwischen G und B ein gültiger<br />

Bürgschaftsvertrag zustande gekommen ist. Im nächsten Schritt wäre dann<br />

eine Anfechtung wegen Erklärungsirrtums nach § 119 I BGB zu diskutieren.<br />

Mancher Leser wird sich fragen, warum er sich um dieses Ertrags willen<br />

durch die gesamten vorstehenden Ausführungen hindurchkämpfen mußte.<br />

<strong>Die</strong>se Frage sei mit folgendem Hinweis beantwortet: Wer eine gute Klausur<br />

schreiben will, muß davon überzeugt sein, daß das, was er gerade schreibt,<br />

richtig ist. <strong>Die</strong>se Überzeugung wird nur bilden können, wer sich in der Argu-<br />

mentation eine gewisse Selbstsicherheit aneignet. Der Weg zu dieser Selbstsi-<br />

cherheit führt zwingend über eine eigene kritische Auseinandersetzung mit<br />

dem Stoff; und dazu können die in Rechtsprechung und Schrifttum ausge-<br />

tauschten Argumente eine hilfreiche Handreichung bieten.<br />

F. DAS ERKLÄRUNGSBEWUSSTSEIN BEI BESONDEREN ARTEN<br />

VON WILLENSERKLÄRUNGEN<br />

I. EINWILLIGUNG UND GENEHMIGUNG<br />

In zahlreichen Fällen macht das BGB die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts<br />

davon abhängig, daß ein Dritter vorher einwilligt (prominentestes Beispiel: §<br />

107 BGB) oder das Geschäft nachträglich genehmigt (prominenteste Bei-<br />

spiele: §§ 108 I, 177 I BGB). Für derartige Zustimmungserklärungen hat der<br />

BGH zweierlei entschieden: (1.) Auch bei einer Einwilligung oder einer Ge-<br />

nehmigung bedürfe es keines Erklärungsbewußtseins. Vielmehr genüge wie<br />

sonst auch, ob der Erklärende bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt er-<br />

kennen konnte, daß sein Verhalten als Zustimmung aufgefaßt werden kann. 19<br />

(2.) Eine Genehmigung liege nur dann vor, wenn der Erklärende die Zustim-<br />

mungsbedürftigkeit des Rechtsgeschäfts gekannt oder sich zumindest der<br />

Möglichkeit bewußt gewesen sei, durch sein Handeln ein Rechtsgeschäft zu<br />

genehmigen. 20<br />

19 BGHZ 109, 171, 177; BGH NJW-RR 2000, 1583, 1584; NJW 2002, 2325,<br />

2327. Zustimmend Bork (Fn. 4) Rn. 1698; Köhler (Fn. 8) § 14 Rn. 4.<br />

20 BGH NJW 2002, 2863, 2864 und ständig.<br />

Beide Aussagen passen nicht zusammen. 21 Denn wenn jemand, von dessen<br />

Zustimmung ein fremdes Rechtsgeschäft abhängt, sich tatsächlich der Zu-<br />

stimmungsbedürftigkeit bewußt wird, ist schwer vorstellbar, daß sein an-<br />

schließendes Verhalten, wenn es denn objektiv als Zustimmung aufgefaßt<br />

werden kann, nicht von einem Erklärungsbewußtsein getragen ist. Der Wi-<br />

derspruch ist wie folgt aufzulösen: <strong>Die</strong> Einwilligung und die Genehmigung<br />

setzen bereits einen besonderen äußeren Erklärungstatbestand voraus: Das<br />

Verhalten des Zustimmungsberechtigten muß bei verständiger Betrachtung<br />

den Eindruck erwecken, daß der Erklärende sich der Zustimmungsbedürftig-<br />

keit bewußt gewesen ist. Ist dieses Erfordernis erfüllt, so bedarf es darüber<br />

hinaus keines Erklärungsbewußtseins; vielmehr liegt dann eine Zustim-<br />

mungserklärung vor. Ist die genannte Voraussetzung dagegen nicht erfüllt, so<br />

fehlt es an einer Zustimmungserklärung – aber nicht deshalb, weil dem Zu-<br />

stimmungsberechtigten das Erklärungsbewußtsein abging, sondern bereits<br />

deshalb, weil eine Erklärung des Inhalts, die Zustimmung werde erteilt, be-<br />

reits objektiv nicht vorliegt.<br />

II. BESTÄTIGUNG<br />

Nach § 141 BGB besteht die Möglichkeit, ein nichtiges, und nach § 144 BGB<br />

die Möglichkeit, ein anfechtbares Rechtsgeschäft zu bestätigen. <strong>Die</strong> Bestäti-<br />

gung drückt das Bestreben des Erklärenden aus, einem Geschäft, von dem er<br />

glaubt, daß es durch Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsgründe infiziert ist, zur<br />

endgültigen Rechtsbeständigkeit zu verhelfen. <strong>Die</strong> Verwandtschaft zur Ge-<br />

nehmigung ist offenkundig: <strong>Die</strong> Genehmigung bezieht sich auf ein fremdes,<br />

die Bestätigung auf ein eigenes Geschäft. Daß beide Rechtsinstitute einander<br />

ähneln, zeigt nicht zuletzt § 108 III BGB: Danach kann der vormals Minder-<br />

jährige nach Eintritt der Volljährigkeit ein Geschäft „genehmigen“, das er<br />

selbst zuvor in schwebend unwirksamer Weise vorgenommen hat. Das Gesetz<br />

spricht hier von „Genehmigung“, obwohl es sich der Sache nach um eine<br />

Bestätigung handelt. 22<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Ausbildung<br />

Aus diesem Grunde liegt es nahe, <strong>für</strong> die Bestätigung den gleichen äußeren<br />

Erklärungstatbestand zu fordern wie <strong>für</strong> die Genehmigung: Eine Bestäti-<br />

gungserklärung liegt nur vor, wenn das Verhalten des Erklärenden bei objek-<br />

tiver Betrachtung dessen erkennen läßt, er habe die Zweifel an der Wirksamkeit<br />

des Geschäfts gekannt und mit seiner (neuerlichen) Erklärung beseitigen<br />

wollen. 23 Bei der Annahme eines solchen Willens ist bisweilen Vorsicht gebo-<br />

ten. Wenn etwa der arglistig getäuschte Käufer in Kenntnis des Anfechtungs-<br />

rechts nach § 123 BGB Gewährleistungsansprüche geltend macht, deutet dies<br />

gerade nicht auf den Willen hin, den Anfechtungsgrund zu beseitigen. 24 Zwar<br />

setzen die Rechte aus § 437 BGB einen wirksamen Kaufvertrag voraus. Der<br />

Käufer, der Gewährleistungsrechte geltend macht, bekräftigt damit aber nicht<br />

die endgültige Bindung an den Kaufvertrag, sondern strebt eine Veränderung<br />

an – entweder (zunächst) in Gestalt der Nacherfüllung oder in Gestalt von Se-<br />

kundärrechten, welche die Bindung an den Kaufvertrag ganz (bei Rücktritt<br />

oder großem Schadensersatz) oder teilweise (bei Minderung oder kleinem<br />

Schadensersatz) wieder beseitigen sollen. Es ist kaum vorstellbar, daß der<br />

Käufer sich dabei des Rechts zur Arglistanfechtung begeben will.<br />

21 Zutreffend erkannt von Singer, Selbstbestimmung (Fn. 12), S. 136 f.;<br />

auch Brehm (Fn. 8) Rn. 496 bezeichnet die Aussage (2.) zu Recht als Abweichung<br />

von der Aussage (1.).<br />

22 Petersen, Jura 2008, 666.<br />

23 Wie hier Medicus (Fn. 7) Rn. 531.<br />

24 BGHZ 110, 220, 223.<br />

145


146<br />

Ausbildung<br />

III. WIDERRUF EINER VOLLMACHT<br />

1. BEISPIELSFALL<br />

Fall 4: 25 E lebt von seiner Ehefrau K, die er zur Alleinerbin eingesetzt hat, ge-<br />

trennt. Er nimmt die B als neue Lebensgefährtin in sein Haus auf. Zum Ver-<br />

mögen des E gehören Wertpapiere, die E seiner Tante C mit der Bitte übergibt,<br />

sie nach seinem Tode an B weiterzureichen. Der B erklärt er, falls ihm etwas<br />

passiere, sei <strong>für</strong> sie gesorgt; sie werde von C in seinem Auftrag ein wertvolles<br />

Paket an Wertpapieren erhalten. Als E stirbt, trifft K sich mit B und C in der<br />

Wohnung des E; auf Frage der K leugnen B und C, etwas vom Verbleib der<br />

Papiere zu wissen, und auch die anschließende Suche verläuft – wie sollte es<br />

anders sein – erfolglos. Wenig später übergibt und übereignet C im Namen<br />

des E der B die Wertpapiere. K verlangt von B Herausgabe. Mit Recht?<br />

2. DIE RECHTLICHE FRAGESTELLUNG<br />

<strong>Die</strong> Streitfrage bestand hier darin, ob B nach § 929 S. 1 BGB Eigentum an den<br />

Wertpapieren erworben hatte. 26 Das setzte eine dingliche Einigung zwischen<br />

B und E voraus. E hatte die hierauf gerichtete Willenserklärung nicht selbst<br />

abgegeben; es konnte aber die von C im Namen des E abgegebene Erklärung<br />

nach § 164 I 1 BGB <strong>für</strong> und gegen E wirken. C hatte von E eine entsprechende<br />

Vollmacht erhalten. <strong>Die</strong>se erlosch nach dem Willen der Parteien auch mit<br />

dem Tode des E nicht – sie sollte ja gerade nach dem Tod des E erst betätigt<br />

werden (§§ 672, 168 BGB). Allerdings wird in der Literatur vehement disku-<br />

tiert, ob in der Übereignung der Papiere nicht ein evidenter Mißbrauch der<br />

Vollmacht vorliegt, weil sich der B aufdrängen mußte, daß die Übereignung<br />

der Papiere den Interessen der Erbin K diametral zuwiderlief. 27 Der BGH<br />

steht demgegenüber auf dem Standpunkt, die Vollmacht könne selbst in Fäl-<br />

len wie dem vorliegenden ohne weiteres betätigt werden, es sei denn, es ge-<br />

linge der Erbin vorher, die Vollmacht zu widerrufen. 28 Und eben darum drehte<br />

sich die genannte Entscheidung: Es war zu fragen, ob K, indem sie in Anwe-<br />

senheit von B und C nach den Papieren fragte und suchte, konkludent die an<br />

C erteilte Übereignungsvollmacht widerrufen hatte.<br />

3. DIE ENTSCHEIDUNG DES BGH<br />

Der BGH verneinte das Vorliegen einer Widerrufserklärung mit der Begrün-<br />

dung, K habe im Moment der Nachfrage und Suche das Bewußtsein gefehlt,<br />

einen Widerruf der Vollmacht erklären zu wollen: Da K von der Existenz die-<br />

ser Vollmacht überhaupt nichts gewußt habe, habe sie auch nicht den Willen<br />

und das Bewußtsein bilden können, sie zu widerrufen. <strong>Die</strong> oben unter III. 2.<br />

geschilderte Rechtsprechung, wonach zum subjektiven Tatbestand einer<br />

Willenserklärung nicht notwendig ein Erklärungsbewußtsein gehöre, könne<br />

nicht zugunsten der K ins Feld geführt werden. Denn die hier<strong>für</strong> vorgetra-<br />

gene Argumentation sei ersichtlich auf den Schutz des Erklärungsempfängers<br />

in seinem Vertrauen auf den rechtlichen Bestand der Erklärung gemünzt ge-<br />

wesen und schließe es aus, dem Erklärenden selbst aus einem ohne rechtsge-<br />

schäftliches Bewußtsein an den Tag gelegten Verhalten rechtliche Vorteile<br />

erwachsen zu lassen. 29<br />

25 Sachverhalt nach BGH NJW 1995, 953.<br />

26 Der Einfachheit halber wird hier davon ausgegangen, daß es sich um<br />

Wertpapiere handelte, die nach § 929 BGB übereignet werden, und nicht<br />

um Wertpapiere, die nach § 952 BGB zusammen mit der Abtretung der in<br />

ihnen verbrieften Forderungen auf den Erwerber übergehen.<br />

27 Medicus, Bürgerliches Recht 21. Aufl. 2007, Rn. 399; Flume (Fn. 23),<br />

§ 51, 5b, S. 850.<br />

28 BGH NJW 1969, 1245.<br />

4. KRITIK<br />

<strong>Die</strong>se Argumentation steht, wie in der Anschlußliteratur 30 mit Recht bemerkt<br />

worden ist, in offenkundigem Widerspruch zu der oben III. 2. wiedergegebe-<br />

nen Rechtsprechung des BGH. Dort war die Wirksamkeit der ohne Erklä-<br />

rungsbewußtsein abgegebenen Erklärung unter anderem mit der Überlegung<br />

begründet worden, es müsse dem Erklärenden ein Wahlrecht eingeräumt wer-<br />

den, ob er das Erklärte nun – als ihm günstig – gegen sich gelten lassen wolle<br />

oder – als ihm nachteilig – nicht. Eben diese Möglichkeit, die Erklärung als<br />

vorteilhaft gelten zu lassen, hat der BGH im Fall 4 der K versagt.<br />

Gleichwohl hat der BGH im Ergebnis zu Recht das Vorliegen einer Wider-<br />

rufserklärung verneint. Wie <strong>für</strong> eine Genehmigung oder eine Bestätigung, so<br />

muß man nämlich auch <strong>für</strong> einen Vollmachtswiderruf verlangen, daß im äu-<br />

ßeren Erklärungstatbestand das Bewußtsein des Erklärenden zum Ausdruck<br />

kommt, daß der Eintritt oder Nichteintritt der Rechtsfolgen von seiner Ent-<br />

scheidung abhängt. Und das war im gegebenen Sachverhalt zumindest zwei-<br />

felhaft: Es ist unklar, ob K von der Vollmacht, die E der C erteilt hatte,<br />

überhaupt etwas wußte oder auch nur ahnte. <strong>Die</strong> Angaben im Sachverhalt<br />

sprechen eher dagegen. Dann aber mußten B und C bei objektiver Betrach-<br />

tung davon ausgehen, daß K um die Vollmacht nicht wußte und folglich auch<br />

keinen Widerruf dieser Vollmacht erklären wollte.<br />

G. ZUSAMMENFASSUNG<br />

Ungeachtet des Umstands, daß ich (oben unter V.) <strong>für</strong> die Fallbearbeitung<br />

eine eher dem „Mainstream“ entsprechende Argumentation empfohlen habe,<br />

sei hier die eigene Position in ihren wichtigsten Aussagen nochmals zusam-<br />

mengefaßt:<br />

1. Eine willensgetragene Handlung, die bei objektiver Betrachtung aus Aus-<br />

druck des Willens zur rechtlichen Bindung verstanden werden darf, ist selbst<br />

dann Willenserklärung, wenn sie ohne Erklärungsbewußtsein abgegeben<br />

wird. Auf einschränkende Zurechnungselemente kommt es nicht an. Insbe-<br />

sondere ist entgegen der Ansicht des BGH eine Willenserklärung nicht erst<br />

dann gegeben, wenn der Handelnde die rechtliche Relevanz seines Verhaltens<br />

bei pflichtmäßiger Sorgfalt hätte erkennen können.<br />

2. Wenn bei objektiver Betrachtung der Eindruck entsteht, daß eine rechtliche<br />

Bindung gewollt ist, liegt der Tatbestand der Willenserklärung darüber hin-<br />

aus selbst dann vor, wenn es am Handlungswillen fehlt. <strong>Die</strong> gegenteilige herr-<br />

schende Meinung kann § 105 II BGB nicht sinnvoll erklären.<br />

3. Der äußere Erklärungstatbestand von Einwilligung, Genehmigung, Bestäti-<br />

gung und Vollmachtswiderruf setzt voraus, daß der Handelnde bei objektiver<br />

Betrachtung den Eindruck erweckt, ihm sei bewußt gewesen, daß der Eintritt<br />

oder Nichteintritt der aus dem Geschäft resultierenden Folgen von seiner<br />

Entscheidung abhängt. Ein besonderes Erklärungsbewußtsein ist auch hier<br />

nicht erforderlich.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

29 BGH NJW 1995, 953; dem folgend Grigoleit/Herresthal (Fn. 8) Rn. 128<br />

mit Fn. 18.<br />

30 Habersack, JuS 1996, 585, 587.<br />

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148<br />

Chefredaktionsinterview<br />

Wer die Erfolgsromane „Cupido“ (Retribution), „Morpheus“ (Last Witness) und „Vater<br />

Unser“ (Plea of insanity) gelesen hat dem wird der Name dieser außergewöhnlichen<br />

Frau ein Begriff sein. Ihre Bücher zeichnen sich nicht nur durch fast unerträgliche<br />

Spannung, sondern auch durch Witz und vor allem juristisches Fachwissen aus. Sie hat als Staats-<br />

anwältin und Buchautorin in Ihrem Leben viel erlebt und wahrscheinlich macht gerade das ihre<br />

Bücher zu einem solchen Erfolg. <strong>Die</strong> <strong>Iurratio</strong>-Chefredaktion sprach mit Jilliane Hoffman über ihr<br />

Leben als Juristin und Bestsellerautorin.<br />

Jilliane P. Hoffman, geboren 1967 in Long Island, USA hat im Jahr 2004 ihren ersten Thriller Retribution<br />

veröffentlicht. In den Jahren 2005 und 2009 folgten zwei weitere, „Last Witness“ und „Plea of Insanity“.<br />

Jilliane Hoffman war als Referendarin beim Queens County District Attorney’s Office in New York verant-<br />

wortlich <strong>für</strong> mildere Delikte. Von 1992 bis 1996 war sie im State Attorney’s Office in Miami, Florida, als<br />

Staatsanwältin zuständig <strong>für</strong> die Auslieferung flüchtiger Gewalttäter zurück nach Florida. Außerdem<br />

war sie Anklägerin <strong>für</strong> schwere Gewaltverbrechen und schwerste Körperverletzungsdelikte. So hat sie<br />

z.B. die erfolgreiche Anklage des Serientäters Corey Lightsey geleitet.<br />

Im Florida Department of Law Enforcement und im Miami Regional Operations Center hat sie als regio-<br />

nale und alleinverantwortliche Staatsanwältin gearbeitet und dabei den Ermittlungsbehörden assistiert.<br />

Sie war deren juristische Beraterin (Police attorney). Dort war sie Mitverfasserin des Florida’s Public Safety<br />

Acts (1996) und hat dazu beigetragen den Mord an Gianni Versace aufzuklären.<br />

Bis heute ist sie rechtliche Beraterin und Analytikerin <strong>für</strong> Sexualstraftäter und Sexualstraftaten in „Good<br />

Morning America“, „The O’Reilly Factor“ und „Hannity & Colmes“.<br />

Für weitere Informationen über Jilliane Hoffman und ihre Bücher: http://www.jillianehoffman.com/.<br />

<strong>Iurratio</strong>: Why did you change your career plans from being a prosecutor<br />

and attorney to an author? Was it a slow process or a clear cut?<br />

Hoffman: I loved being a prosecutor. It was the greatest job, and one of the<br />

most rewarding, yet emotionally draining experiences that I have ever had.<br />

There is a lot of pressure on prosecutors to make sure they do a great job every<br />

day, because someone else’s life might very well depend on it. The plot concept<br />

for my first novel, Retribution was conceived about three years into my career<br />

as a prosecutor. I was trying a serial rapist for the brutal rape of a young teen-<br />

ager and, after watching my victim testify on the stand, and to hear how affec-<br />

ted her life would always be from that one horrific 15 minute act, the idea<br />

popped into my head, much like a tagline to a movie: What if a victim had an<br />

opportunity to prosecute her offender? What would she do? Would she<br />

choose justice or retribution? And really, that was how Retribution was born.<br />

From there, the plot sprouted legs and arms and characters and subplots.<br />

Eventually, after a few years of growing in my head, it got to the point that I<br />

just had to write it down. I knew no one would do it for me, so I quit my job<br />

and wrote my first novel.<br />

<strong>Iurratio</strong>: Why did you decide to become a lawyer in the first place?<br />

Hoffman: I decided to become a lawyer because I loved being in front of a<br />

jury, trying cases. I decided to be a prosecutor after I interned for a criminal<br />

Supreme Court Justice in New York. Trying criminal cases was a much more<br />

exciting and important career, in my opinion, than negotiating corporate con-<br />

tracts or practicing civil litigation. I couldn’t imagine doing anything else.<br />

<strong>Iurratio</strong>: Are you planning on going back to the legal field?<br />

Hoffman: As long as I have stories in my head, and people continue to want<br />

to read them, I do not plan on returning to the practice of law. I would enter-<br />

tain running for judge some day.<br />

<strong>Iurratio</strong>: Your novels are related to your former work field. Are you using<br />

some of your experiences as a lawyer for your stories?<br />

Hoffman: My stories are most definitely inspired by the crimes I prose-<br />

cuted as an Assistant State Attorney and investigated as a legal advisor with<br />

the Florida Department of Law Enforcement. While the plotlines are fictional,<br />

the characters and settings are flavored by my experiences.<br />

<strong>Iurratio</strong>: What is your interest in writing books? Do you only want to<br />

entertain or do you have another intention?<br />

Hoffman: My primary intention when I write a story is to entertain. I want<br />

the reader to be flipping the pages so fast that they can’t believe they’ve fini-<br />

shed a whole book in one day. But I think a good story can also educate. I like<br />

to read novels that teach me something I didn’t know when I started, which is<br />

why I really enjoy reading well-researched novels, or ones written by an<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

author who has actual experience in the field of which they are writing. It<br />

makes a fictional story all that much more authentic and believable.<br />

<strong>Iurratio</strong>: You give your reader an insight into the legal world by including<br />

a lot of legal problems into your books. Is that very important to you? Is it<br />

your concern to maybe even teach the legally non –experienced reader some-<br />

thing about the American legal system?<br />

Hoffman: Every criminal case has its own laundry list of potential legal<br />

problems that could hinder its prosecution. No case is ever a slam dunk or a<br />

sure thing. When I write a story, I want to take readers through the difficulties<br />

and challenges that a prosecutor faces in bringing a defendant to justice--wit-<br />

hout boring them, of course. As I stated above in number 5, I think you can<br />

entertain and educate at the same time.<br />

<strong>Iurratio</strong>: How do you explain your great success in Germany?<br />

Hoffman: I can’t, but I am grateful!<br />

<strong>Iurratio</strong>: Do you have any experiences with the German legal system? If<br />

yes, were you ever able to compare the American and German legal system?<br />

Hoffman: I do not have any experiences with the German criminal justice<br />

system.<br />

<strong>Iurratio</strong>: We believe you have seen a lot of brutality, fear and senselessness<br />

in your years as a prosecutor how have you been able to deal with those cases?<br />

Hoffman: I have seen many terrible things as a prosecutor. It is very distur-<br />

bing to see the calculated brutality with which some people inflict pain on<br />

others. As far as cases that I personally prosecuted, I know that I pushed for<br />

the harshest sentences under law. I did what I could to make sure truly evil in-<br />

dividuals will never get out of jail. It helps me sleep at night.<br />

<strong>Iurratio</strong>: On your homepage we can see that you sold the rights of Retribu-<br />

tion to Warner Brothers Pictures and Wells Productions. When is the movie<br />

coming out?<br />

Chefredaktionsinterview<br />

Justice or retribution?<br />

Ein Chefredaktionsinterview mit der Buchautorin und früheren Staatsanwältin Jilliane P. Hoffman<br />

Hoffman: I sold the movie rights to Retribution several years ago. Holly-<br />

wood has a mind and a timeline all of its own. I am told it is in “development,”<br />

which sometimes means years before a movie hits the big screen. Forest Gump<br />

was in “development” for eleven years. I can only hope that when John Wells<br />

does pick up a camera, that he does as good a job!<br />

<strong>Iurratio</strong>: And finally an obvious question: You are working on a new book.<br />

When can we expect it to be released in Germany?<br />

Hoffman: I have just finished The Portrait Painter, my fourth thriller. It will<br />

be published in Germany next summer.<br />

149


150<br />

Schwerpunkte<br />

Bilateral Investment Treaties (BITs)<br />

– An Effective Instrument of Investment Protection*<br />

von Claus-Peter Knöller (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg)<br />

Knöller ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl<br />

von Prof. Dr. Dr. h.c. Werner F. Ebke, LL.M.,<br />

Institut <strong>für</strong> deutsches und europäisches Gesellschafts-<br />

und Wirtschaftsrecht, Ruprecht-Karls-Universität<br />

Heidelberg.<br />

Bilateral Investment Treaties (BITs) empower private investors to sue directly<br />

before international arbitral tribunals for damages in case of breaches of con-<br />

tract. Therefore, the extent of protection offered by these treaties and the ef-<br />

fectiveness of the judicial process are worth being analysed.<br />

A. THE IMPORT OF FOREIGN INVESTMENTS<br />

Foreign direct investments have grown in 2007 to a total amount of 1.83 trillion<br />

dollar worldwide 1 . This is the highest level of foreign direct investments, even<br />

higher than 2006 and the previous record year 2000 with a total amount<br />

of 1.3 trillion dollar – which accounts for 20 % of the world gross national<br />

product 2 . However, foreign direct investments were severelly affected by the<br />

financial crisis and fell to 1.69 trillion dollar in 2008 3 . In the 1990s, the world<br />

saw a tremendous expansion of cross-border investments 4 . These facts un-<br />

derscore the economic significance of foreign investments. They stimulate the<br />

economic growth in both developed and developing countries, effectively<br />

transferring assets and technology. This can be seen as the primary reason for<br />

developing countries to open their markets for cross-border investments, but<br />

with the investment comes the desire to protect them. In response, the num-<br />

ber of BITs has grown from a mere 385 in 1990 to about 2700 treaties today 5 .<br />

B. THE NEED FOR LEGAL CERTAINTY<br />

Cross-border investments face increased risks compared to domestic invest-<br />

ments. Not only are investors exposed to general business risks, but they also<br />

face difficult systemic issues, e.g., factors immanent to the distinct political<br />

and socio-cultural setting in the host country. The investor’s anxiety can be<br />

reduced to the threat of a promising business opportunity being ruined by po-<br />

litically motivated measures. To put it in a nutshell, the possibility of confis-<br />

cations without compensation or expropriations without loss compensation<br />

* Eine deutsche Langfassung dieses Beitrages erscheint demnächst<br />

in <strong>Iurratio</strong> - das ePaper <strong>für</strong> <strong>stud</strong>. <strong>iur</strong>.<br />

1 UNCTAD, World Investment Report 2008, 16 (http://www.unctad.org/<br />

en/docs/wir2008_en.pdf).<br />

2 UNCTAD, World Investment Report 2001, 9 (http://www.unctad.org/<br />

en/docs/wir2001_en.pdf).<br />

3 UNCTAD, World Investment Report 2009, 3 (http://wwwunctad.org/<br />

en/docs/wir2009_en.pdf).<br />

4 Sacerdoti, 269 Recueil des Cours 251, 265 (1997); Sidhu, 2004 ZEuS<br />

335, 337.<br />

5 UNCTAD, World Investment Report 2009, 32 (http://www.unctad.org/<br />

en/docs/wir2009_en.pdf).<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

are on the radar screen of current and potential investors 6 . Recently, cases<br />

have gained importance in which investors’ expectations had been disappoin-<br />

ted by adverse regulatory interventions (e.g., modifications of the tax regime) 7 .<br />

For these (and other) reasons, cross-border investments always cause the<br />

need for legal relief and call for the host country to provide a legal framework<br />

attractive, i.e., protective to foreign investors.<br />

C. REMEDIES AT HAND FOR INVESTORS: AN OVERVIEW<br />

Based on the foregoing observations, numerous protective measures have<br />

been put in place, mostly using BITs. Their footprint on the legal framework,<br />

which will be elaborated upon in this section, has been mostly appreciative of<br />

investors’ interests and highly visible in recent years.<br />

Investments are, in principle, subject to the law of the host country, so inves-<br />

tors are firstly protected by means of the legal system of the host country.<br />

This kind of protection is not, however, sufficient in the majority of cases<br />

because of the unilateral possibility to change the legal regulations by the host<br />

country 8 .<br />

Under customary international law, investment protection is limited to regu-<br />

lations for already existing investments and international minimum stan-<br />

dards 9 . Thus, in general, public international law provides a certain level of<br />

property protection against illegal confiscations without compensation 10 .<br />

What exactly this level of protection is has been a focal point of the discussion.<br />

For instance, the questions of the necessity and the amount of compensation<br />

to be paid to the frustrated investor illustrate the conceptual vagueness of the<br />

unwritten rule of international law. To remedy the shortcomings, states began<br />

to conclude bilateral treaties. Despite several efforts to conclude an extensive<br />

multilateral investment treaty, such attempts failed grandiosely 11 .<br />

Some progress has been made, however, and notable examples of treaties af-<br />

fording covering at least some investment-related issues are the Convention<br />

for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms (ECHR), the<br />

EC Treaty, the Energy Charter Treaty (ECT), several WTO agreements like<br />

GATS, GATT, TRIMs and TRIPs, as well as different regional agreements (e.g.,<br />

NAFTA Chapter 11, APEC, MERCOSUR, ASEAN and CAFTA), the<br />

ICSID Convention and several World Bank rules. Double taxation agree-<br />

ments are also suitable as they avoid double taxation and therefore secure the<br />

investment profitability without containing concrete investment protection<br />

regulations 12 .<br />

6 Schwartmann, Private im Wirtschaftsvölkerrecht, 2005, 85; Wegen/Raible,<br />

2006 SchiedsVZ 225, 227.<br />

7 Happ, 2006 IStR 649.<br />

8 Fischer, in: Festschrift <strong>für</strong> Seidl-Hohenveldern, 1988, 95, 102; Karl,<br />

1994 RIW 809, 810.<br />

9 Häde, 35 Archiv des Völkerrechts 181, 185 (1997); Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht,<br />

2006, § 3 para. 544.<br />

10 Ohler, 2006 JZ 875, 878; Wegen/Raible, 2006 SchiedsVZ 225, 228.<br />

11 Regarding the failure of the MAI, see Görs, Internationales Investitionsrecht,<br />

2005, 139 et seq.; Karl, 99 ZVglRWiss 143 (2000).<br />

12 Häde, 35 Archiv des Völkerrechts 181, 192 (1997); Schwartmann, Private<br />

im Wirtschaftsvölkerrecht, 2005, 90.<br />

Efforts were successful, however, on a bilateral level. The bilateral treaties are<br />

the core of today’s investment protection system. Building upon its predeces-<br />

sors, so-called friendship, commerce and navigation (FCN) Treaties 13 , BITs<br />

offer the highest level of protection seen so far.<br />

D. BILATERAL INVESTMENT TREATIES (BITs)<br />

BITs are international treaties between two sovereign states on the mutual<br />

promotion and legal protection of investments by private persons or compa-<br />

nies from one country in the other country 14 . BITs are concluded by a multi-<br />

tude of states, many of which have developed their own model treaty as a<br />

starting point for further negotiations. The structure and protection provided<br />

are, in general, quite similar. Using the German Model Treaty developed by<br />

the Federal Ministry of Economics and Technology in 2005 as a representa-<br />

tive example, I will now analyse the details of the protection regime.<br />

I. GERMANY: TREND-SETTER IN CONCLUDING BILATERAL<br />

INVESTMENT TREATIES<br />

Germany is one of the key actors in the field of BITs. Not only did Germany<br />

conclude the very first BIT – with Pakistan in 1959 – 15 , it is also a party to<br />

more such treaties, namely 139, than any other country in the world. The Ger-<br />

many-Pakistan BIT is a classic example in several respects since, traditionally,<br />

industrialised countries have concluded BITs with developing countries.<br />

Meanwhile many BITs have been concluded among two developing countries<br />

as well 16 . Thus far, there are practically no BITs between leading capital-ex-<br />

porting countries for their respective domestic legal orders offer protection<br />

far beyond what is afforded to investors under most BITs 17 .<br />

II. THE STATED PURPOSE OF THE BIT<br />

Two considerations are key to investors: (i) protecting existing business inte-<br />

rests, and (ii) market access for future investments 18 . This motivation of the<br />

contracting parties is regularly reflected in a preamble. Though not legally<br />

binding, the preamble frames the issues and serves as a good starting point for<br />

the construction of the treaty 19 . On its face, the language oscillates around<br />

mutual granting of rights and obligations. Regardless of this reciprocity from<br />

a legal perspective, the de facto purpose of these treaties is the protection of<br />

private investments from industrialised countries in developing countries 20 . It<br />

is a handy framework for the facilitation of cross-border business activities,<br />

improving the legal position of private investors who are, in a way, third-party<br />

beneficiaries with many substantial entitlements 21 .<br />

13 Füracker, 2006 SchiedsVZ 236; Sornarajah, The International Law on<br />

Foreign Investment, 2nd ed., 2004, 209.<br />

14 See Knöller, 2008 IStR 453.<br />

15 BIT between Germany and Pakistan, BGBl. II 1961, 793.<br />

16 Lowenfeld, International Economic Law, 2002, 473; Rao, 26 Commonwealth<br />

Law Bulletin 623, 624 (2000); Salacuse, 24 International Lawyer<br />

655, 658-659 (1990).<br />

17 Görs, Internationales Investitionsrecht, 2005, 181; Xiao, 2006 ZEuS<br />

441, 455.<br />

18 Salacuse/Sullivan, 46 Harvard International Law Journal, 67, 75 (2005);<br />

Vandevelde, 36 Columbia Journal of Transnational Law 501, 514 (1998).<br />

19 Dolzer/Bloch, in: Kronke/Melis/Schnyder, Handbuch Internationales<br />

Wirtschaftsrecht, 2005, 1066 para. 61.<br />

20 Ohler, 2006 JZ 875,881.<br />

21 Court of Appeals, OEPC v. Ecuador, EWCA Civ. 1116, para. 18-20;<br />

Happ, 2006 IStR 649, 650; Knöller, 2008 IStR 453.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

III. THE BIT’S SCOPE OF APPLICATION<br />

Schwerpunkte<br />

To be subject to the scope of application of a BIT, an investment which has ac-<br />

cess to the market of the host country by an investor from the other contrac-<br />

ting state is necessary. If no BIT was concluded between the contracting state<br />

of the investor and the host country, there are several possibilities of evasion,<br />

e.g., establishing a subsidiary in, or relocating the head office to, a third coun-<br />

try that has a BIT with the target country in place (so-called BIT- or Treaty<br />

Shopping) 22 . An investment is, in principle, defined very broadly to cover<br />

every kind of asset or interest, often going hand in hand with an illustrative,<br />

non-exhaustive enumeration of certain types of doing business considered in-<br />

vestments (cf. Art. 1 section 1 of the German Model Treaty). Aspects infor-<br />

ming the application of the general formula are, e.g., the duration of the<br />

business project, the amount of capital expenditures involved, the expectation<br />

of periodical profit, the risks involved as well as the relationship of the invest-<br />

ment and the host country’s desire to develop its economy 23 . An aspect not to<br />

be neglected is the retroactivity to already existing investments of BITs – so<br />

not only future investments are protected (cf. Art. 9 of the German Model Tre-<br />

aty). A lot of BITs, including the German model BIT, contain a general obliga-<br />

tion to admit foreign investments.<br />

IV. THE STANDARD OF PROTECTION AFFORDED<br />

The general protection standards mainly consist of a rule against discrimina-<br />

tion (cf. Art. 2 section 3 of the German Model Treaty), the principle of natio-<br />

nal treatment, and the most-favoured-nation clause (e.g., Art. 3 section 1 and<br />

2 of the German Model Treaty) 24 . National treatment means that foreigners<br />

must not be treated less favourable concerning their business activity than na-<br />

tionals of the host country. This does not necessarily require equal treatment<br />

as better protection for foreigners is always possible 25 . The most-favoured-na-<br />

tion clause prescribes that any treatment granted to a national of a third coun-<br />

try which is more favourable than national treatment or treatment under the<br />

BIT must also be accorded to an investor or an investment 26 . In general, BITs<br />

include regulations against direct and indirect expropriation as well as com-<br />

pensation for harm done to the investor (cf. Art. 4 section 2 of the German<br />

Model Treaty). Under the terms of the BIT, expropriations are not unlawful<br />

per se, but may be justified if they serve a public purpose and the investor is<br />

compensated. Almost every BIT contains, additionally, language mandating<br />

the fair and equitable treatment of investments but this standard’s implicati-<br />

ons remain vague and are subject to debate (cf. Art. 2 section 2 of the German<br />

Model Treaty). Most probably, it is to be regarded as a catch-all clause prohi-<br />

biting arbitrary treatment in general 27 . Arbitral tribunals interpret the fair and<br />

equitable treatment provisions mainly as an expression of the principles of<br />

good faith and fair dealing and of the protection of confidence 28 . More recent<br />

22 Knöller, 2008 IStR 453, 454; Oschmann, 1996 RIW 494; Schäfer, 2004<br />

BB 1069, 1070.<br />

23 Fedax N.V. v. Venezuela, ICSID ARB/96/3, para. 43; Salini Construttori<br />

S.p.A. and Italstrade S.p.A. v. Morocco, ICSID ARB/00/4, para. 52.<br />

24 Herrmann, in: Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung<br />

im Steuerrecht der EU-Staaten, 2006, 29, 30.<br />

25 UNCTAD, Trends in International Investment Agreements, 60. (http://<br />

www.unctad.org/en/docs/iteiit13_en.pdf).<br />

26 OECD, Most-Favoured-Nation Treatment in International Investment<br />

Law, 2.<br />

27 Sidhu, 2004 ZEuS 335, 345.<br />

28 Tecmed v. Mexico, ICSID ARB(AF)/00/2, para. 154.<br />

151


152<br />

Schwerpunkte<br />

cases show that tribunals tend to base their decisions favouring investors<br />

more and more on this general standard since blatant expropriations are rare<br />

and more sophisticated ones are quite diffi cult to discern under the pure lan-<br />

guage of the anti-expropriation provisions 29 .<br />

V. DISPUTE SETTLEMENT<br />

Th e high standard of protection aff orded by BITs is not only a consequence of<br />

their substantial provisions, but also very much due to the convenient and po-<br />

werful enforcement procedures. Th ere are virtually no BITs without rule go-<br />

verning disputes that may arise between the inbound state and the outbound<br />

state (i.e., inter-state dispute) or an investor considered a citizen of the out-<br />

bound state (i.e., investor-state dispute) 30 . Th e BITs are embedded in an inter-<br />

national framework established under the guidance of the World Bank, with<br />

its affi liate ICSID as a cornerstone.<br />

Inter-state disputes are handled in an orthodox manner: In case of disputes<br />

between the contracting states, negotiations between the governments are the<br />

fi rst step. Aft er negotiations between governments (cf. Art. 10 section 1 of the<br />

German Model Treaty) have failed, the issue is usually submitted to an ad hoc<br />

arbitral tribunal (Art. 10 section 2 of the German Model Treaty).<br />

Investor-state disputes are more highly visible, having gained prominence not<br />

only among lawyers but also other stakeholders and the general public. Th is is<br />

mainly due to the novelty of the idea of the private enforceability of claims vis-<br />

à-vis a sovereign state. Th is option, which is extraordinarily attractive to pri-<br />

vate investors, is available if the host state is an ICSID member 31 . Key to the<br />

ICSID concept is the investor’s right to bring a case before an international ar-<br />

bitral panel even without the need to exhaust local remedies (see Art. 11 sec-<br />

tion 2 of the German Model Treaty).<br />

But investor protection goes even further than that: Th e international arbitral<br />

proceedings do not require an arbitral agreement between the investor and<br />

the host country (“arbitration without privity“) 32 . Moreover, pursuant to Art.<br />

26 section 1 of the ICSID Convention, the state party has eff ectively waived all<br />

other legal remedies. To put it diff erently, under this legal regime investors do<br />

not have to rely on diplomatic protection or other “toothless” traditional con-<br />

cepts of international law. Rather, the awards rendered by ICSID tribunals<br />

have the same legal power as fi nal decisions; i.e., they may neither be appealed<br />

nor be overruled by domestic courts (see Art. 54 section 1 ICSID-Conven-<br />

tion). An ICSID award may be put aside only by a special committee conve-<br />

ned by ICSID-Convention, and only under very limited circumstances. ICSID<br />

awards create binding obligations on the contracting states and are enforce-<br />

able to the fullest extent of domestic law (cf. Art. 11 section 3 of the German<br />

Model Treaty). In most cases, however, due to serious pressure by the out-<br />

bound state, the investment community and the media, contracting states<br />

voluntarily and expediently fulfi l their obligations to compensate arising un-<br />

der the award, so the question of sovereign immunity is of minor practical<br />

relevance 33 .<br />

29 OEPC v. Ecuador, LCIA UN 3467; cf. Knöller, 2008 IStR 453, 460; Schill,<br />

2005 SchiedsVZ 285, 291.<br />

30 See Knöller, 2008 IStR 453, 454.<br />

31 Regarding ICSID proceedings: Happ, 2005 SchiedsVZ 21, 25 et seq.;<br />

Lörcher, 2005 SchiedsVZ 11 et seq.<br />

32 Schäfer, 2004 BB 1069.<br />

33 Lörcher, 2005 SchiedsVZ 11, 20.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Against the background of these attractive features, the rapid increase of the<br />

number of investor-state arbitral proceedings over the past years is easily un-<br />

derstandable 34 . Given these numbers, one might wonder about the rare use by<br />

German investors of ICSID proceedings, all the more considering the heft y<br />

investments made abroad by German companies and the almost “imperme-<br />

able umbrella” of more than 130 German BITs in force. Possible explanations<br />

include general scepticism towards international law among German practiti-<br />

oners, lack of knowledge in the business community about the protections<br />

under BITs 34 , the fear to weaken the traditional concept of diplomatic protec-<br />

tion 35 , and the lack of actuarial incentives for German companies (as opposed<br />

to US companies) 36 .<br />

VI. CONCLUSIONS<br />

Bilateral Investment Treaties have become a powerful tool in making cross-<br />

border business more effi cient and predictable. Th ey are benefi cial not only to<br />

the investors that are accorded market access, non-discrimination and equi-<br />

table treatment, but also for the country where the investment is made and its<br />

citizens, fulfi lling developmental goals, since BITs facilitate the transfer of<br />

tangible and intangible wealth (i.e., assets and know-how), call for trans-<br />

parency and fairness of public institutions, procedures and offi cials, and are<br />

strong enough to hold them accountable in case of non-compliance.<br />

States with inbound investments should pay close attention to their duties un-<br />

der existing BITs which may signifi cantly limit their margin of manoeuvre as<br />

to the exercise of governmental power. Th e broad scope of application and the<br />

vagueness of a variety of legal concepts enshrined in these treaties make them<br />

prone to interfere with what has long be considered the “pouvoir souverain”.<br />

Wir suchen Studierende, wissenschaftliche MitarbeiterInnen, die Lust<br />

haben, an der Gestaltung unserer Publikationen mitzuwirken. Der<br />

Aufgabenbereich umfasst u.a die Einwerbung von Beiträgen und das<br />

Entwickeln eigener Ideen <strong>für</strong> Titelthemen oder sonstige Beiträge.<br />

Ab sofort suchen wir <strong>für</strong> das Ressort „Strafrecht“<br />

2 Redakteure (m/w)<br />

Berwerbungen bitte per E-Mail an bewerbung@<strong>iur</strong>ratio.de<br />

34 UNCTAD, World Investment Report 2009, 34 (http://www.unctad.org/<br />

en/docs/wir2009_en.pdf); UNCTAD, International Investment Disputes<br />

on the Rise (http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/webiteiit20042<br />

_en.pdf).<br />

35 Hauschka/Schramke, 2005 BauR 1550, 1551; Wegen/Raible, 2006<br />

SchiedsVZ 225.<br />

36 Dolzer/Bloch, in: Kronke/Melis/Schnyder, Handbuch Internationales<br />

Wirtschaftsrecht, 2005, 1083 para. 100.<br />

36 Escher, 2006 SchiedsVZ 95, 97.<br />

A. EINLEITUNG<br />

Beispiele:<br />

<strong>Die</strong> öffentliche Hand als Bieterin im Vergabeverfahren<br />

von Dipl.-Jur. Lars Wildhagen (Düsseldorf)<br />

a) Der als kommunaler Eigenbetrieb der Stadt D geführte Gartenbaubetrieb<br />

nimmt als Bieter am Vergabeverfahren der Stadt K teil, die einen Auft rag<br />

zur Rekultivierung von in städtischem Eigentum stehendem Brachland<br />

ausgeschrieben hat.<br />

b) <strong>Die</strong> Stadtwerke-GmbH, die im Alleineigentum der Gemeinde G steht,<br />

nimmt als Bieterin an einem Vergabeverfahren der Gemeinde K teil, die<br />

einen Auft rag zur Müllentsorgung im Gemeindegebiet ausgeschrieben<br />

hat.<br />

c) <strong>Die</strong> Gemeinde G hat die „Public Computer AG“ unter Verstoß gegen die<br />

kommunalrechtlichen Vorschrift en zur wirtschaft lichen Betätigung der<br />

Gemeinde gegründet. <strong>Die</strong>se nimmt als Bieterin an einem Vergabeverfah-<br />

ren das Landes S teil, das einen Auft rag zur Entwicklung und Wartung<br />

neuer Soft ware <strong>für</strong> die Finanzverwaltung in S ausgeschrieben hat.<br />

Anhand dieser Beispiele ergeben sich folgende Fragen, deren Beantwortung<br />

das Ziel dieses Beitrages ist:<br />

In welchem Rahmen darf sich die öff entliche Hand überhaupt wirtschaft lich<br />

betätigen? Ist die öff entliche Hand generell als Bieterin vom Vergabeverfah-<br />

ren auszuschließen oder hängt dies von der Rechtsform ab, in der die wirt-<br />

schaft -liche Betätigung erfolgt und wie reagiert das Vergaberecht auf eine<br />

rechts-widrige wirtschaft liche Betätigung der öff entlichen Hand?<br />

B. RECHTLICHER RAHMEN DER WIRTSCHAFTLICHEN<br />

BETÄTIGUNG DER ÖFFENTLICHEN HAND<br />

Der rechtliche Rahmen der wirtschaft lichen Betätigung der öff entlichen<br />

Hand wird im europäischen Mehrebenensystem auf jeder Stufe beeinfl usst.<br />

I. EUROPARECHTLICHE GRENZEN<br />

Gemäß Art. 86 I EG ist die Teilnahme öff entlicher Unternehmen am Wirt-<br />

schaft sgeschehen im Binnenmarkt in den Grenzen des Wettbewerbs- und<br />

Beihilfenrechts sowie der Grundfreiheiten und Gemeinschaft sgrundrechte<br />

zulässig. 1<br />

Auch die Vergaberechtskoordinierungsrichtlinie 2 schließt Angebote öff entli-<br />

cher Unternehmen nicht aus. 3 Vielmehr fordern der Wettbewerbsgrundsatz<br />

und das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 2 der Richtlinie als Ausprägung der<br />

Diskriminierungsverbote der Art. 6 EU, 28 ff . EG auch die Gleichbehandlung<br />

der öff entlichen Hand im Bieterwettbewerb. 4<br />

II. GRUNDGESETZLICHE GRENZEN<br />

Verfassungsrechtlich erfordert die wirtschaft liche Betätigung des Staates, wie<br />

jedes staatliche Handeln, einen öff entlichen Zweck. 5<br />

1 Vgl. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 269.<br />

2 RL 2004/18/EG, Abl. EG Nr. L 134/144.<br />

3 So <strong>für</strong> die vorangegangenen Richtlinien: Antweiler, VergabeR 2001,<br />

259 (260).<br />

4 Kus, in: Kulartz/Kus/Portz, GWB, § 97, Rn. 26; Hübner/Schliesky,<br />

VergabeR 2004, 380 (381).<br />

5 <strong>Die</strong>tlein, NZBau 2003, 141 (142).<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Schwerpunkte<br />

Wildhagen <strong>stud</strong>ierte Jura an der Heinrich-Heine-Universität<br />

Düsseldorf. Im April 2008 legte er die erste Staatsprüfung ab.<br />

Seit August 2007 ist er Geschäftsführer des Freundeskreises<br />

der Düsseldorfer Juristischen Fakultät e.V.<br />

Im Grundgesetz fi nden sich in Art. 15, 74 I Nr. 15, 87d-f, 88, einzelne, nicht<br />

verallgemeinerungsfähige Aussagen zur wirtschaft lichen Betätigung der öf-<br />

fentlichen Hand, aus denen weder ein grundsätzliches Verbot noch eine<br />

grundsätzliche Subsidiarität der staatlichen Wirtschaft stätigkeit abzuleiten<br />

ist. 6<br />

Auch das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG schützt grundsätz-<br />

lich nicht vor Konkurrenz durch den Staat. 7 Gerade im vergaberechtlichen<br />

Zusammenhang ist Art. 12 I GG gemeinschaft srechtskonform auszulegen.<br />

Vor dem Hintergrund der gemeinschaft srechtlichen Grundsätze von Wettbe-<br />

werb und Gleichbehandlung darf eine extensive Auslegung eines nationalen<br />

Grundrechts nicht dazu führen, dass die öff entliche Hand durch die Eröff -<br />

nung einstweiligen Rechtsschutzes de facto vom Wettbewerb ausgeschlossen<br />

wird. Vielmehr kann Art. 12 I GG erst dann eingreifen, wenn der Wettbewerb<br />

durch eine unzumutbare Einschränkung oder durch Verhinderung der pri-<br />

vatwirtschaft lichen Betätigung verzerrt ist.<br />

Der Grundrechtsschutz aus Art. 14 I GG ist parallel zum Schutz aus Art. 12 I<br />

GG gewährleistet. 8 Er umfasst den eingerichteten und ausgeübten Gewerbe-<br />

betrieb nur in seiner Substanz, so dass ein Eingriff erst bei einer staatlichen<br />

Monopolstellung denkbar ist. 9<br />

Schließlich kommt die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II 1 GG, die<br />

auch die wirtschaft liche Betätigung der Kommunen umfasst, als verfassungs-<br />

rechtliche Grenze in Betracht. 10 Das in der Selbstverwaltungs garantie statu-<br />

ierte Örtlichkeitsprinzip schließt in gemeinschaft srechtskon former Ausle-<br />

gung die überörtliche wirtschaft liche Betätigung der Gemeinde nicht aus. 11<br />

<strong>Die</strong> Selbstverwaltungsgarantie dient gerade nicht der Abgrenzung von Kom-<br />

petenzbereichen, sondern ausschließlich dem Schutz der Gemeinden und<br />

Gemeindeverbände. 12 Allein das Selbstverwaltungsrecht anderer Kommunen<br />

kann die wirtschaft liche Betätigung über das Gemeindegebiet hinaus verfas-<br />

sungsrechtlich begrenzen. 13<br />

6 Ronellenfitsch, HStR, IV, § 98, Rn. 33f.<br />

7 BVerwGE 39, 329 (336).<br />

8 BVerwG, NJW 1995, 2938 (2939).<br />

9 BVerfGE 17, 232 (248).<br />

10 Zacharias, Kommunalrecht, S. 249; Glahs/Külpmann, VergabeR 2002,<br />

555 (556).<br />

11 BVerfGE 79, 127 (152).<br />

12 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 28, Rn. 17.<br />

13 Burgi, in: <strong>Die</strong>tlein/Burgi/Hellermann, § 2, Rn. 409.<br />

153


154<br />

Schwerpunkte<br />

III. BUNDESRECHTLICHE GRENZEN<br />

Bundesrechtliche Grenzen ergeben sich im Wesentlichen aus dem Haushalts-<br />

recht. Nach § 65 I BHO ist <strong>für</strong> die Zulässigkeit der Beteiligung des Bundes an<br />

privaten Unternehmen neben einem wichtigen Interesse des Bundes erforder-<br />

lich, dass der angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf eine an-<br />

dere Weise erreicht werden kann. Weiterhin müssen die Einzahlungsver-<br />

pflichtungen des Bundes begrenzt, seine Einflussmöglichkeit auf das Unter-<br />

nehmen angemessen sowie ein ordnungsgemäßer Jahresabschluss gesichert<br />

sein. 14<br />

Schließlich ist die öffentliche Hand bei ihrer wirtschaftlichen Betätigung nach<br />

dem Markteintritt ebenso wie ein Privater an das Wettbewerbs-, Gesellschafts-<br />

und Kartellrecht gebunden. 15<br />

IV. LANDESRECHTLICHE GRENZEN<br />

Im Landesverfassungsrecht kommen als Grenze die Art. 28 II 1 GG entspre-<br />

chenden Vorschriften in Betracht, die in Anlehnung an diesen auszulegen<br />

sind. 16<br />

Da die Landeshaushaltsgesetze der Sache nach den bundesrechtlichen Rege-<br />

lung entsprechen und die Grenzen von Wettbewerbs- und Kartellrecht auch<br />

<strong>für</strong> das Land gelten 17 , kann im Übrigen auf das zum Bundesrecht Gesagte ver-<br />

wiesen werden.<br />

Weitere Grenzen <strong>für</strong> eine wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand er-<br />

geben sich neben der Spezialmaterie der Landessparkassengesetze 18 aus dem<br />

kommunalen Wirtschaftsrecht der Gemeindeordnungen. 19<br />

So muss beispielsweise gemäß § 107 I 1 Nr. 1 GO NW ein öffentlicher Zweck<br />

die wirtschaftliche Betätigung erfordern. <strong>Die</strong> Tätigkeit muss also im Gemein-<br />

wohlinteresse geboten sein 20 und darf gemäß § 107 I 1 Nr. 2 GO NW die Ver-<br />

waltungs- oder Finanzkraft der Gemeinde nicht übersteigen. 21<br />

Schließlich darf der verfolgten Zweck gemäß der Subsidiaritätsklausel des<br />

§ 107 I 1 Nr. 3 GO NW durch private Unternehmen nicht ebenso gut oder<br />

wirtschaftlich erfüllen werden können.<br />

C. VERGABERECHTLICHE RELEVANZ DER WIRTSCHAFTLI-<br />

CHEN BETÄTIGUNG DER ÖFFENTLICHEN HAND<br />

Ausgangspunkt zur Beantwortung der Frage nach der vergaberechtlichen Re-<br />

levanz der öffentlichen Wirtschaftstätigkeit sind der Wettbewerbsgrundsatz<br />

und das Gleichbehandlungsgebot aus § 97 I, II GWB. Als Ausprägung der ge-<br />

meinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote und des allgemeinen Gleich-<br />

heitssatzes des Art. 3 I GG fordert § 97 II GWB auch die Gleichbehandlung<br />

der öffentlichen Hand im Bieterwettbewerb. 22 Ausnahmen hiervon kommen<br />

gemäß § 97 II GWB nur in Betracht, sofern das GWB dies ausdrücklich<br />

vorsieht.<br />

14 Ronellenfitsch, (Fn. 6), Rn. 29.<br />

15 Vgl. § 130 I 1 GWB; Ronellenfitsch, (Fn. 6), Rn. 53f.<br />

16 Für Art. 78 Verf. NRW: <strong>Die</strong>tlein, in: <strong>Die</strong>tlein/Burgi/Hellermann,<br />

§ 1, Rn. 174.<br />

17 Ronellenfitsch, (Fn. 6), Rn. 53.<br />

18 Kämper/Heßhaus, NWVBl. 2001, 377 (380).<br />

19 Z.B. § 107 GO NW, § 85 GO Rhld.-Pf., Art. 87 BayGO.<br />

20 Reine Gewinnerzielungsabsicht reicht nicht aus: BVerfGE 61, 82 (107).<br />

21 Burgi, (Fn. 13), Rn. 404.<br />

22 Hübner/Schliesky, VergabeR 2004, 380 (381).<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

I. VERGABERECHTLICHE RELEVANZ DER RECHTSFORMWAHL<br />

DER ÖFFENTLICHEN HAND<br />

Ein möglicher Ausschluss kann sich unabhängig von der Frage nach der<br />

Rechtmäßigkeit der wirtschaftlichen Betätigung aus den auf Grundlage des<br />

§ 97 VI GWB i.V.m. §§ 1, 4 ff. VgV erlassenen § 8 Nr. 6 VOB/A und § 7 Nr. 6<br />

VOL/A 23 ergeben. 24<br />

1. DER AUSSCHLUSSGRUND DES § 8 NR. 6 VOB/A<br />

Gemäß § 8 Nr. 6 VOB/A sind Justizvollzugsanstalten, Einrichtungen der Ju-<br />

gendhilfe, Aus- und Fortbildungsstätten und ähnliche Einrichtungen sowie<br />

Betriebe der öffentlichen Hand und Verwaltungen zum Wettbewerb mit ge-<br />

werblichen Unternehmern nicht zuzulassen.<br />

a) BETRIEBE DER ÖFFENTLICHEN HAND<br />

Unklar ist, wie das Tatbestandsmerkmal „Betriebe der öffentlichen Hand“<br />

auszulegen ist. Fasst man hierunter nicht nur, wie allgemein angenommen,<br />

Regie- und Eigenbetriebe 25 , sondern auch juristische Personen des öffentli-<br />

chen Rechts und formell privatisierte juristische Unternehmen, so könnte<br />

dies de facto zu einem Ausschluss der öffentlichen Hand als Bieterin im Ver-<br />

gabeverfahren führen. 26<br />

aa) JURISTISCHE PERSONEN DES ÖFFENTLICHEN RECHTS<br />

Begründet wird ein genereller Ausschluss von juristischen Personen des öf-<br />

fentlichen Rechts zum Teil mit dem Wortlaut des § 8 Nr. 6 VOB/A. 27 <strong>Die</strong>ser<br />

spricht von „Betrieben“ der öffentlichen Hand. Der Begriff des Betriebes ist<br />

als Fachbegriff aus dem kommunalen Wirtschaftsrecht entlehnt 28 und erfasst<br />

nur Eigen- und Regiebetriebe, nicht aber juristische Personen des öffentli-<br />

chen Rechts. 29<br />

<strong>Die</strong> systematische und teleologische Auslegung zeigen, dass der Verordnungs-<br />

geber zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen lediglich solche Be-<br />

triebe ausschließen wollte, die primär öffentlichen Zwecken dienen und nicht<br />

erwerbswirtschaftlich tätig sind. 30 Öffentliche Unternehmen hingegen sollen<br />

konzeptionell sogar Erträge <strong>für</strong> die öffentlichen Haushalte erwirtschaften. 31<br />

Es besteht auch kein wettbewerbsrelevanter Unterschied zu privaten Konkur-<br />

renten auf Grund der Insolvenzunfähigkeit oder der besonderen Staatsnähe<br />

und -finanzierung der öffentlichen Unternehmen. 32 <strong>Die</strong> öffentliche Hand<br />

wird auf Grund ihrer Gewährträgerhaftung 33 den Betrieb einstellen, sofern er<br />

dauerhaft defizitär arbeitet. 34 Zudem können auch in privaten Konzernstruk-<br />

turen Weisungsgebundenheit und finanzielle Abhängigkeit bestehen. 35<br />

23 In der VOF fehlt eine solche Vorschrift, ein Ausschluss kann über<br />

§ 4 VOF erfolgen: Prieß/Hausmann, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB/A,<br />

§ 8, Rn. 160ff.<br />

24 OLG Celle, NZBau 2002, 400 (402).<br />

25 Prieß/Hausmann, (Fn. 23), Rn. 136.<br />

26 Zimmermann, (ZfBR. 2006), 220 (225).<br />

27 OLG Celle, NZBau 2002, 400 (402).<br />

28 Vgl. § 114 I GO NW; Zacharias, (Fn. 10), S. 260.<br />

29 Antweiler, VR 2002, 217 (218).<br />

30 Rusam, in: Heiermann/ u.a., VOB/A, § 8, Rn. 69.<br />

31 Vgl. § 109 I 2 GO NW; Antweiler, (Fn. 29), 217 (218).<br />

32 Zimmermann, (Fn. 26), 220 (221).<br />

33 Vgl. § 114a V GO NW.<br />

34 Antweiler, (Fn. 29), 217 (218).<br />

35 Vgl. grundlegend Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der<br />

Insolvenz, S. 101ff.<br />

Erwerbswirtschaftlich tätige juristische Personen des öffentlichen Rechts han-<br />

deln demnach nicht anders als private Konkurrenten und sind deshalb nicht<br />

stets, sondern nur im Einzelfall, wenn ihre Tätigkeit nicht erwerbswirtschaft-<br />

lichen Grundsätzen folgt, nach § 8 Nr. 6 VOB/A auszuschließen.<br />

bb) FORMELL PRIVATISIERTE UNTERNEHMEN<br />

Unternehmen, die auf Grund formeller Privatisierung von der öffentlichen<br />

Hand in Privatrechtsform geführt werden, sind keine „Betriebe der öffentli-<br />

chen Hand“ im Sinne von § 8 Nr. 6 VOB/A, der als Ausnahmevorschrift zu<br />

den Grundsätzen des europäischen Vergaberechts restriktiv auszulegen ist. 36<br />

<strong>Die</strong> Tatsache, dass öffentliche Unternehmen schon per definitionem einem<br />

öffentlichen Zweck und nicht allein erwerbswirtschaftlichen Zielen unterlie-<br />

gen, kann einen Ausschluss nicht rechtfertigen. 37 § 8 Nr. 6 VOB/A fordert<br />

keine ausschließliche Gewinnerzielungsabsicht <strong>für</strong> die Teilnahme am Verga-<br />

beverfahren 38 , was <strong>für</strong> den Staat auch nur unter Verstoß gegen den Grundsatz<br />

der Gemeinwohlverpflichtung möglich wäre.<br />

Formell privatisierte Unternehmen können auch nicht wie juristische Perso-<br />

nen des öffentlichen Rechts nach einer Einzelfallprüfung ausgeschlossen wer-<br />

den, weil die Gesellschaft von der öffentlichen Hand stets mit ausreichenden<br />

finanziellen Mitteln versorgt wird und ihr Insolvenzrisiko damit de facto ge-<br />

ringer ist. 39<br />

Wenn die Insolvenzunfähigkeit de <strong>iur</strong>e bei juristischen Personen des öffentli-<br />

chen Rechts keinen Ausschluss nach § 8 Nr. 6 VOB/A rechtfertigen konnte,<br />

kann dies eine einzelfallabhängige de facto Insolvenzunfähigkeit erst recht<br />

nicht. Das formell privatisierte Unternehmen steht damit privaten Konkur-<br />

renten gleich, da es im Übrigen auch denselben finanziellen Lasten unter-<br />

liegt. 40<br />

2. DER AUSSCHLUSSGRUND DES § 7 NR. 6 VOL/A<br />

In § 7 Nr. 6 VOL/A sind gegenüber dem ansonsten wortlautgleichen § 8 Nr. 6<br />

VOB/A „Betriebe der öffentlichen Hand“ und die „Verwaltung“ nicht er-<br />

wähnt.<br />

Eine trotz dessen unterschiedslose Anwendung der Vorschriften lässt sich<br />

dogmatisch im Hinblick auf die engere Regelungskonzeption des § 7 Nr. 6<br />

VOL/A 41 nicht begründen. 42<br />

Eine erweiternde Auslegung des § 7 Nr. 6 VOL/A scheidet im Hinblick auf die<br />

erheblichen Unterschiede der wirtschaftlichen Verhältnisse im Bau- und<br />

<strong>Die</strong>nstleistungssektor aus. 43<br />

Ebenso ist eine analoge Anwendung des § 8 Nr. 6 VOB/A im Rahmen des § 7<br />

Nr. 6 VOL/A mangels planwidriger Regelungslücke ausgeschlossen, da trotz<br />

Neufassungen der VOL/A die Vorschriften absichtlich nicht aneinander ange-<br />

passt wurden. 44<br />

36 Schröder, 596 (599). NZBau 2003<br />

37 So aber: Zimmermann, (Fn. 26), 220 (221f.).<br />

38 Schranner, in: Ingenstau/Korbion, VOB/A, § 8, Rn. 22.<br />

39 Prieß/Hausmann, (Fn. 23), Rn. 138; dagegen: Hertwig, NZBau 2008,<br />

355 (358).<br />

40 Willenbruch, VergabeR 2005, 256 (257).<br />

41 Zdzieblo, in: Daub / u.a., VOB/A, § 7, Rn. 74.<br />

42 VK Münster, VK 21/04, Rn. 188.<br />

43 OLG Düsseldorf, NZBau 2000, 155 (157).<br />

44 Horn, NVwZ 2001, 647.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

3. ÄHNLICHE EINRICHTUNGEN<br />

Schwerpunkte<br />

Gemäß § 8 Nr. 6 VOB/A und § 7 Nr.6 VOL/A sind auch „ähnliche Einrichtun-<br />

gen“ vom Verfahren auszuschließen, die ebenso wie die in den Vorschriften<br />

ausdrücklich genannten Einrichtungen vorwiegend sozialpolitischen Zwe-<br />

cken dienen und nicht erwerbswirtschaftlich handeln. 45<br />

<strong>Die</strong>s gilt jedoch nicht unabhängig von der Rechtsform des öffentlichen Unter-<br />

nehmens 46 , sondern nach dem Wortlaut der Vorschriften und im Vergleich<br />

mit den übrigen ausgeschlossenen Einrichtungen nur <strong>für</strong> öffentlich-rechtlich<br />

organisierte Einrichtungen. 47<br />

Ebenso kann es nicht alleine auf die sozialpolitisch motivierte Tätigkeit und<br />

die daraus folgenden steuerlichen Privilegien des Bieters ankommen. Das Er-<br />

fordernis einer konkreten Wettbewerbsverzerrung ist nicht verzichtbar. 48 Ei-<br />

nen Bieter auch dann auszuschließen, wenn der Wettbewerb gar nicht gefähr-<br />

det ist, verstößt gegen den Wettbewerbsgrundsatzes des § 97 I GWB. 49 Steuer-<br />

liche Privilegierung alleine kann ebenfalls nicht als Kriterium <strong>für</strong> einen<br />

Ausschluss herangezogen werden. Es wäre vielmehr widersprüchlich, Ein-<br />

richtungen steuerlich zu privilegieren, sie aber zugleich durch einen Aus-<br />

schluss vom Wettbewerb an einer Betätigung entsprechend dem Zweck der<br />

Privilegierung zu hindern. 50 Deshalb ist, wie schon zuvor, darauf abzustellen,<br />

ob durch die sozialpolitisch motivierte Tätigkeit der „ähnlichen Einrichtung“<br />

Nebenprodukte auf nichtgewerblichem und damit wettbewerbsverzerrendem<br />

Weg entstehen. 51<br />

II. RECHTSWIDRIGE WIRTSCHAFTLICHE BETÄTIGUNG DER<br />

ÖFFENTLICHEN HAND<br />

Nachdem nunmehr geklärt ist, dass die öffentliche Hand nicht per se als<br />

Bieterin durch die Vergabeseite ausgeschlossen werden kann, sollen im Fol-<br />

genden Ausschlussgründe bei rechtswidriger wirtschaftlicher Betätigung der<br />

öffentlichen Hand betrachtet werden.<br />

1. DER AUSSCHLUSS WEGEN WETTBEWERBSBESCHRÄNKEN-<br />

DEN VERHALTENS<br />

Gemäß den Verdingungsordnungen 52 können Bieter ausgeschlossen werden,<br />

die einen vergaberechtlichen Wettbewerbsverstoß begehen.<br />

<strong>Die</strong>s ist dann unproblematisch möglich, wenn die öffentliche Hand wie ein<br />

Privater einen Wettbewerbsverstoß im Markt begeht. 53 <strong>Die</strong> Frage hier ist hin-<br />

gegen, ob ein öffentlicher Bieter einen Wettbewerbsverstoß begeht, wenn er<br />

die rechtlichen Zulässigkeitsgrenzen der wirtschaftlichen Betätigung über-<br />

schreitet.<br />

So kann nach Ansicht des OLG Düsseldorf ein Verstoß gegen die Vorschrift<br />

§ 107 GO NW einen Ausschluss des öffentlichen Bieters rechtfertigen. 54<br />

<strong>Die</strong>ser Rechtsprechung könnten jedoch zwei Entscheidungen des BGH entge-<br />

genstehen 55 , in denen ausdrücklich festgestellt wird, dass die Vorschrift des<br />

45 Kullack/Zeiss, (Fn. 30), Rn. 121.<br />

46 So aber: Nielandt, VergabeR 2004, 457 (459f.).<br />

47 So auch: Hardraht, Vergabe R 2005, 530 (531).<br />

48 So aber: OLG Düsseldorf, VergabeR 2004, 379 (380).<br />

49 Hübner/Schliesky, (Fn. 22), 380 (381).<br />

50 Nielandt, VergabeR 2004, 457 (459f.).<br />

51 Hardraht, (Fn. 48), 530 (531).<br />

52 § 25 Nr. 1 II b) i.V.m. §§ 7 Nr. 5 c), 2 Nr. 1 II VOL/A, bzw. § 25 II i.V.m.<br />

§§ 8 Nr. 5 c), 2 Nr. 1 VOB/A und § 11 IV c) i.V.m. § 4 I VOF.<br />

53 Antweiler, (Fn. 3), 259 (265).<br />

54 OLG Düsseldorf, NZBau 2000, 155.<br />

55 BGH NJW 2003, 586.<br />

155


156<br />

Schwerpunkte<br />

§ 107 GO NW nicht die Lauterkeit des Wettbewerbs im Sinne von § 1 UWG<br />

a.F. 56 schützt.<br />

Das Festhalten des OLG Düsseldorf an seiner Rechtsprechung 57 ist nur auf<br />

Grundlage eines eigenen vergaberechtlichen Wettbewerbsbegriffs möglich. 58<br />

Ansonsten hätte das OLG nicht entscheiden dürfen, sondern die Sache gemäß<br />

§ 124 II 1 GWB dem BGH zur Entscheidung vorlegen müssen. 59<br />

Beim vergaberechtlichen Wettbewerbsbegriff handelt es sich um einen Begriff<br />

des europäischen Vergaberechts, der ein eigenes, vom UWG unabhängiges,<br />

Prinzip statuiert. 60<br />

Zudem besteht im Vergabeverfahren bereits eine konkrete Konkurrenzsitua-<br />

tion im Bieterwettbewerb, so dass die Verhinderung von Popularklagen, die<br />

Zweck der engen Auslegung des Wettbewerbsbegriffs im UWG ist, nicht not-<br />

wendig ist. 61 Im Rahmen des Vergaberechts reicht deshalb bereits ein Verstoß<br />

gegen eine Norm aus, die auch den privaten Konkurrenten schützt. 62 <strong>Die</strong>s<br />

trifft auf § 107 GO NW zu, nicht aber auf das im Übrigen einschlägige Haus-<br />

haltsrecht als reines Innenrecht der Verwaltung. 63<br />

Dennoch kann eine Verletzung kommunalen Wirtschaftsrechts in keinem<br />

Fall einen vergaberechtlichen Wettbewerbsverstoß darstellen. 64 <strong>Die</strong>s würde<br />

nämlich eine entsprechende Prüfungskompetenz der Vergabestelle vorausset-<br />

zen. 65 <strong>Die</strong> verfassungsrechtlich anerkannte rechtsstaatliche Zuständigkeits-<br />

ordnung weist aber die Prüfungskompetenz in Anlehnung an die Sachkom-<br />

petenz zu. 66 Demnach läge die nationale Prüfungskompetenz bei der kommu-<br />

nalen Rechtsaufsicht 67 und den Verwaltungsgerichten. 68 Gerade bei europa-<br />

weiten Vergabeverfahren hätte die Vergabestelle ansonsten auch ausländisches<br />

Kommunalrecht zu prüfen. 69<br />

Aus einer rechtswidrigen wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand<br />

kann sich ein Ausschluss wegen vergaberechtlich wettbewerbswidrigen Ver-<br />

haltens damit schon mangels Prüfungskompetenz der Vergabestelle nicht er-<br />

geben.<br />

2. DER AUSSCHLUSS WEGEN UNZUVERLÄSSIGKEIT<br />

Nach den Verdingungsordnungen 70 sind zudem unzuverlässige Bieter auszu-<br />

schließen.<br />

Schon auf Grund seiner Entsprechung in Art. 48 V der Richtlinie 71 ist der<br />

Begriff der Zuverlässigkeit gemeinschaftsrechtlich und nicht in Anlehnung an<br />

§ 35 GewO 72 auszulegen. 73 Unzuverlässig ist, wer durch sein vergangenes oder<br />

56 § 3 UWG n.F.<br />

57 Zuletzt: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.03.2006, Verg 77/05<br />

58 Glahs/Külpmann, (Fn. 10), 555 (563ff.).<br />

59 Glahs/Külpmann, (Fn. 10), 555 (563).<br />

60 Vgl. nur die Begründung zu RL 2004-18-EG, Rn. 2, Abl. EG Nr. L<br />

134/114.<br />

61 Glahs/Külpmann, (Fn. 10), 555 (563).<br />

62 OLG Düsseldorf, NZBau 2002, 626 (630f.).<br />

63 OVG Münster, NZBau 2005, 167.<br />

64 Antweiler, (Fn. 3), 259 (267).<br />

65 Burgi, (NZBau 2003), 539 (544).<br />

66 Burgi, (Fn. 66), 539 (544) m.w.N.<br />

67 Z.B. §§ 119ff. GO NW.<br />

68 So: Horn, (Fn. 45), 647.<br />

69 Burgi, (Fn. 66), 539 (544); dagegen Hertwig (Fn. 40), 355 (358).<br />

70 § 25 Nr. 2 I VOL/A und VOB/A, § 13 I VOF i.V.m. § 2 Nr. 1 VOB/A,<br />

bzw. § 2 Nr. 3 VOL/A und § 97 IV GWB.<br />

71 RL 2004/18/EG v. 31.03.2004, Abl. EG Nr. L 134/144.<br />

72 So aber: Glahs, in: Kapellmann/Messerschmidt , VOB/A, § 2, Rn. 13f.<br />

73 Zeiss, NZBau 2003,475.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

gegenwärtiges Verhalten nicht die Gewähr da<strong>für</strong> bietet, den Auftrag aus-<br />

schreibungsgemäß auszuführen. 74<br />

<strong>Die</strong> bloße Geltendmachung des Verstoßes gegen kommunales Wirtschafts-<br />

recht durch einen Konkurrenten und die daraus folgende potentielle Inter-<br />

vention der Kommunalaufsicht reichen hierzu nicht aus. 75 Andernfalls könn-<br />

ten Konkurrenten allein durch die Behauptung eines Rechtsverstoßes einen<br />

Ausschluss der öffentlichen Hand erreichen.<br />

Schon die Regelungen der Verdingungsordnungen selbst zeigen, dass die Zu-<br />

verlässigkeit nur bei besonders schweren Rechtsverstößen verneint werden<br />

kann. 76<br />

Zusätzlich müsste die Vergabestelle also noch die „Schwere“ eines Verstoßes<br />

prüfen, um hieraus Maßnahmen der Rechtsaufsicht oder der Verwaltungsge-<br />

richte prognostizieren zu können. 77 Wenn aber schon hinsichtlich der Vor-<br />

schriften des kommunalen Wirtschaftsrechts keine Prüfungskompetenz der<br />

Vergabestelle besteht, kann dies in Bezug auf Reaktionen von Aufsichtsbehör-<br />

den und Gerichten in 27 EG-Mitgliedsstaaten erst recht nicht gelten. Ein Ver-<br />

stoß gegen kommunales Wirtschaftrecht führt damit nicht zu einem Aus-<br />

schluss der öffentlichen Hand als Bieterin. 78<br />

D. FAZIT<br />

1. <strong>Die</strong> wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand ist gemeinschafts-<br />

rechtlich vorgesehen und durch das wirtschaftspolitisch neutrale Grundge-<br />

setz nicht ausgeschlossen. Grundrechtsschutz greift bei gemeinschaftsrechts-<br />

konformer Auslegung nur bei qualifizierten Verstößen ein. Einfachrechtlich<br />

setzen das Haushaltsrecht des Bundes und der Länder sowie die Vorschriften<br />

des Kommunalwirtschaftsrechts den Rahmen der wirtschaftlichen Betäti-<br />

gung der öffentlichen Hand.<br />

2. Allein auf Grund der Rechtsform sind gemäß § 8 Nr. 6 VOB/A nur Eigen-<br />

und Regiebetriebe vom Vergabeverfahren ausgeschlossen sowie juristische<br />

Personen des öffentlichen Rechts auszuschließen, wenn sie nicht erwerbswirt-<br />

schaftlich handeln.<br />

3. Vom Vergabeverfahren auszuschließende ähnliche Einrichtungen im Sinne<br />

von § 8 Nr. 6 VOB/A, § 7 Nr. 6 VOL/A sind nur öffentlich-rechtlich organi-<br />

sierte Einrichtungen, die im Einzelfall nicht erwerbswirtschaftlich handeln<br />

und dadurch den Wettbewerb verzerren. Unternehmen in privater Rechts-<br />

form sind von den Vorschriften nicht erfasst.<br />

4. Ein Ausschluss wegen vergaberechtlich wettbewerbswidrigen Verhaltens<br />

oder Unzuverlässigkeit kann sich schon mangels Prüfungskompetenz der<br />

Vergabestelle nicht aus einer rechtswidrigen wirtschaftlichen Betätigung der<br />

öffentlichen Hand ergeben.<br />

74 Zeiss, (Fn. 74), 475 (479).<br />

75 Schmidt-Wottrich/Harms, Vergabe R 2004, 691 (699).<br />

76 Vgl. § 8 Nr. 5 VOB/A; Glahs, (Fn. 73), Rn. 14.<br />

77 Schmidt-Wottrich/Harms, (Fn. 76), 691 (699).<br />

78 So im Ergebnis auch: Glahs, (Fn. 73), Rn. 17.<br />

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158<br />

Citi Run Duisburg<br />

Der Citi Run ist der größte Firmenlauf im Ruhrgebiet und fand am<br />

27. August diesen Jahres statt. <strong>Die</strong>ses Jahr sind mehr als 5000 Läu-<br />

fer aus mehr als 250 Unternehmen aus Duisburg und Umgebung<br />

angetreten, um die Strecke von 5,5 km zu bewältigen. Start und Ziel der Ver-<br />

anstaltung war das Theater, das sich im Herzen Duisburgs befindet.<br />

Ziel des Citi Runs ist es in einem motivierten und sportlichen Team von Läu-<br />

ferinnen und Läufern der Unternehmen, Geld <strong>für</strong> den guten Zweck zu sam-<br />

meln. Durch die Teilnahme an dem von einem vielfältigen Programm einge-<br />

rahmten Lauf wurden lokale Projekte unterstützt.<br />

<strong>Die</strong> Duisburger Wirtschaftsprüfungskanzlei PKF Fasselt Schlage Lang und<br />

Stolz, <strong>für</strong> die auch <strong>Iurratio</strong>-Ressortleiterin Dagmar Furmanek teilnahm, ist<br />

mit ihrem lokalen Team, das von Kollegen aus Hamburg unterstützt wurde auch bei diesem Lauf angetreten. Das PKF-Team konnte schon bei der JPMorgan<br />

Chase Corporate Challenge in Frankfurt am Main gute Erfahrungen <strong>für</strong> den Citi Run sammeln. Unternehmensläufe sind eine besondere Herausforderung <strong>für</strong><br />

Teams, die grundsätzlich nur am Schreibtisch zusammenwirken. Für die eigene Kanzlei zu laufen, bedeutet eine neue Form der Identifikation und Motivation und<br />

bietet die Chance sich auch außerhalb des Arbeitsumfeldes besser kennen zu lernen, das geselliges Beisammensein nach dem Lauf schuf da<strong>für</strong> eine angenehme<br />

Basis. Der Wille erfolgreich zu sein kommt hier auf der sportlichen Ebene zum Ausdruck und schafft Synergie-Effekte <strong>für</strong> die Arbeit im Alltag.<br />

Jeder hat es schon mal in einer Hausarbeit zitiert oder seine Rechtspre-<br />

chung zu bestimmten Themen <strong>für</strong> eine Klausur gelernt: Das Bundesver-<br />

fassungsgericht in Karlsruhe. Wer sich schon immer mal gefragt hat,<br />

wie das Bundesverfassungsgericht überhaupt arbeitet und welche Menschen<br />

hinter den Urteilen stehen, der sollte einmal versuchen, an einer Urteilsver-<br />

kündung des Bundesverfassungsgerichts teilzunehmen. Aber wie geht das?<br />

Ganz einfach den Newsletter des Bundesverfassungsgerichts unter www.bun-<br />

desverfassungsgericht.de abonnieren. <strong>Die</strong>ser enthält regelmäßig Hinweise auf<br />

mündliche Verhandlungen und Urteilsverkündungen des Gerichts und wie<br />

man sich <strong>für</strong> eine Teilnahme anmeldet.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Iurratio</strong>-Chefredaktion hatte vor einigen Monaten die Möglichkeit auf<br />

der Pressetribüne direkt im Sitzungssaal Platz zu nehmen, als unter Vorsitz<br />

des Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Andreas Voß-<br />

Ein Besuch beim Bundesverfassungsgericht<br />

2. Gesprächskreis Wirtschaftskriminalität großer Erfolg<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

kuhle das Urteil in Sachen „Vertrag von Lissabon“ verkündet wurde. Abgese-<br />

hen von der ohnehin schon interessanten Erfahrung der Urteilsverkündung,<br />

war es auch sehr interessant Vertreter aus Wissenschaft und Politik und die<br />

Verfahrensbeteiligten kennenzulernen. So waren u.a. auch Gregor Gysi, Frank-<br />

Walter Steinmeier, Volker Kauder und andere prominente Vertreter aus der<br />

Bundespolitik vertreten.<br />

Nach der Urteilsverkündung brach dann der Presserummel rund um alle Ver-<br />

fahrensbeteiligten im und rund um den Sitzungssaal aus, was zur Folge hatte,<br />

dass die <strong>Iurratio</strong>-Chefredaktion zwischenzeitig unfreiwillig zwischen Perso-<br />

nenschützern, Staatssekretären und Frank-Walter Steinmeier eingekeilt war<br />

und sich am Abend dann in der Tagesschau wiederentdecken musste.<br />

All‘ das lässt sich auch im Rahmen anderer wichtiger Urteilsverkündungen<br />

bei einem Besuch des Bundesverfassungsgerichts erleben.<br />

Schon zum zweiten Mal haben „Convent Kongresse“, die IHK Frankfurt und PriceWaterhouseCoopers gemeinsam den Gesprächskreis Wirt-schaftskri-<br />

minalität in der „Wirtschafts- und Finanzhauptstadt“ Frankfurt veranstaltet. Experten aus Unternehmen, Wissenschaft, Journalismus und Vertreter<br />

diskutierten dieses Jahr über aktuelle Punkte rund um das Thema Wirtschaftskriminalität. Nach einem Impulsreferat durch Bundesjustizministerin a.D.<br />

Brigitte Zypries befasste sich eine Gesprächsrunde mit aktuellen Erfahrungen<br />

aus Sicht des Gesetzgebers. Im Anschluss folgten Gesprächsrunden mit den<br />

Themen „Vorbeugen ist besser als Heilen: Haftungsvermeidung durch Gut-<br />

achten – Rettungsanker <strong>für</strong> Vorstände und Geschäftsführer“ und „Feigenblatt<br />

Compliance? Oder gibt es einen Wettbewerbsvorteil durch verantwortliche<br />

Unternehmensführung?. Teilnehmer aus Unternehmen, Wissenschaft, Öf-<br />

fentlichen Unternehmen, Verwaltung und aus Banken- und Investorenkrei-<br />

sen lobten im Nachhinein insbesondere die hochkarätige Besetzung der Ge-<br />

sprächsrunden, die interessanten Vorträge und die unmittelbare Einbindung<br />

des Auditoriums in die Diskussionen.<br />

40-Jahre Fakultät <strong>für</strong> Rechtswissenschaft<br />

an der Universität Bielefeld<br />

Vierzig Jahre Universität Bielefeld – Anlässlich dieses bedeutsamen<br />

Jubiläums feierte die Fakultät <strong>für</strong> Rechtswissenschaft als eine der<br />

drei Gründungsfakultäten ihr vierzigjähriges Bestehen, zu dem alle<br />

aktuellen und ehemaligen Studenten, Professoren, Praktiker und Freunde der<br />

Fakultät eingeladen waren.<br />

Nach einer Begrüßung der Gäste lud die Dekanin der Fakultät <strong>für</strong> Rechtswis-<br />

senschaft Frau Prof. Dr. Regina Harzer die Gäste zu einem Rückblick auf die<br />

Geschichte der Fakultät ein. Dabei stellte sie insbesondere die Vernetzung mit<br />

anderen Fakultäten, die eingliedrige Juristenausbildung sowie die Gründung<br />

des Zentrums <strong>für</strong> interdisziplinäre Forschung (ZiF) heraus.<br />

Anschließend hob der neue Rektor der Universität Bielefeld Prof. Dr. Gerhard<br />

Sagerer die Bedeutung der Fakultät <strong>für</strong> Rechtswissenschaft <strong>für</strong> die Geschichte<br />

der Universität Bielefeld hervor. So wurde insbesondere daran erinnert, dass<br />

der Lehrbetrieb an der hoch innovativen Universität Bielefeld mit einer Vor-<br />

lesung der altehrwürdigen „<strong>iur</strong>is prudentia“ aufgenommen worden war.<br />

Daran anknüpfend begeisterte der Gründungsdekan der Fakultät Prof. Dr.<br />

Dres h.c. Jochen Abr. Frowein, M.C.L. die Gäste mit seinem Festvortrag über<br />

die Entwicklung des Europäischen Menschenrechtsschutzes zwischen 1964<br />

und 2009.<br />

Im Folgenden wurden drei Ehrendoktorwürden an ehemalige Professoren der<br />

Fakultät verliehen, die sich insbesondere durch ihren langjährigen Einsatz an<br />

der Fakultät und die „<strong>iur</strong>is prudentia“ insgesamt ausgezeichnet hatten.<br />

Im Rahmen der feierlichen Verleihung der Ehrendoktorwürden wurde zu-<br />

nächst Prof. Dr. Dr.h.c. Ernst-Joachim Mestmäcker nach einer Laudatio von<br />

Prof. Dr. Wolfgang Oehler geehrt und die Ehrendoktorwürde überreicht.<br />

Anschließend erhielt Prof. Dr. Dr. h.c. Harm Peter Westermann nach einer<br />

Laudatio von Prof. Dr. Detlef Kleindiek die Ehrendoktorwürde. Dabei wurde<br />

an seinen großen Einsatz <strong>für</strong> das ZiF und die Fakultät erinnert und auf seine<br />

Verbundenheit mit der Stadt Bielefeld hingewiesen.<br />

Abschließend wurde Prof. Dr. Dr. h.c. Mult. Werner Maihöfer posthum, ins-<br />

besondere <strong>für</strong> sein Mitwirken beim ZiF mit der Ehrendoktorwürde ausge-<br />

zeichnet, die seine Tochter stellvertretend entgegen nahm, nachdem Prof. Dr.<br />

© IHK Frankfurt am Main/Goetzke V. l. n. r.: Prof. Dr. Wolfgang Schild / <strong>stud</strong>. <strong>iur</strong>. Shari Schuldheis<br />

Weitere interessante Berichte finden Sie auf unserer Homepage<br />

www.<strong>iur</strong>ratio.de<br />

Querflöte: Meike Korfmacher / Cello: Joanna Biernat-Heine V. l. n. r.: Prof. Dr. Wolfgang Oehler / Prof. Dr. Ernst-Joachim<br />

Mestmäcker / Prof. Dr. Gerhard Sprenger /Prof.in Dr. Regina Harzer<br />

(Dekanin ReWi) / Tochter Prof. Dr. Werner Maihöfer /<br />

Prof. Dr. Peter Westermann / Prof. Dr. Detlef Kleindiek /<br />

© Fotos auf dieser Seite: Fakultät <strong>für</strong> Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld<br />

Prof. Dr. Dres. h.c. Jochen Abr. Frowein, M.C.L.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Professor Dr. Gerhard Sagerer (Rektor Uni Bielefeld)<br />

Gerhard Sprenger dem Leben Prof. Maihöfers, seiner Wandlungsbereitschaft,<br />

der Bedeutung seiner Werke <strong>für</strong> die Rechtsphilosophie, sowie seines immer<br />

in die Zukunft gerichteten Wirkens gedacht hatte.<br />

Beim anschließenden Empfang konnten Ehrengäste, Studierende, Lehrende<br />

und Praktiker wie sooft ohne Berührungsängste miteinander diskutierten.<br />

Gekrönt wurde der Abend durch einen knapp zweieinhalb stündigen Auftritt<br />

der Jura-Band der Fakultät, welche vor knapp zehn Jahren von Prof. Dr. Wolf-<br />

gang Schild gegründet wurde und sich aus aktuellen und ehemaligen Studie-<br />

renden sowie Professoren zusammen setzt. Hits von den Ärzten, Oasis,<br />

Westernhagen, Red Hot Chilli Peppers oder Survivour begeisterten die Gäste<br />

und machten die ohnehin gelungene Feier zu einem unvergesslichen Abend<br />

<strong>für</strong> alle Besucher.<br />

159


160<br />

Fallbearbeitung<br />

Anfänger im Strafrecht: „<strong>Die</strong> Verhinderung des Weltuntergangs“<br />

von Dr. Georgios Sotiriadis (Universität Bremen)<br />

SACHVERHALT<br />

Sotiriadis, Jahrgang 1979, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am Lehrstuhl <strong>für</strong> Strafrecht einschließlich Grundlagen und<br />

Nebengebiete (Prof. Dr. Felix Herzog, Bremen). Sotiriadis<br />

<strong>stud</strong>ierte an der Aristoteles Universität zu Thessaloniki und<br />

an der Humboldt Universität zu Berlin. Es folgte ein Masterstu-<br />

dium (LL.M.) an der Freien Universität Berlin. Sotiriadis promo-<br />

vierte im Strafrecht an der Humboldt Universität zu Berlin.<br />

B ist Anführer einer „Weltuntergangssekte“. In der Nacht zum 21. Juni er-<br />

scheint ihm Gott im Traum und befiehlt, dass die jüngste Mutter der Ge-<br />

meinde getötet werden muss, um den Weltuntergang in der kommenden<br />

Nacht abzuwenden. Er weist deswegen das Gemeindemitglied M, den Ehe-<br />

mann der jüngsten Mutter der Gemeinde, an, seine Frau gleich nach dem Ein-<br />

schlafen mit dem Kissen zu ersticken und weiht den M ein, dass ansonsten<br />

der Weltuntergang drohe.<br />

Nach den Aussagen eines psychiatrischen Sachverständigen ist davon auszu-<br />

gehen, dass B tief davon überzeugt ist, dass Gott zu ihm gesprochen hat, und<br />

dass der M ein treu ergebenes Gemeindemitglied ist, das keinerlei Zweifel an<br />

der Wahrheit der Weissagungen des B hat.<br />

Um den Weltuntergang abzuwenden, tötet M am 21. Juni kurz nach 22 Uhr<br />

seine schlafende, nichts ahnende Frau, indem er ihr ein Kissen auf das Gesicht<br />

drückt.<br />

STRAFBARKEIT VON B UND M?<br />

Ausführungen zur Schuldfähigkeit i.S. des § 20 StGB sind nicht zu machen!<br />

Schwerpunkte/Problemstellung:<br />

Mordmerkmal der Heimtücke, Irrtümer, mittelbare Täterschaft<br />

A. STRAFBARKEIT DES M NACH §§ 211, 212 I<br />

M könnte sich des Mordes nach §§ 211, 212 I strafbar gemacht haben, indem<br />

er seine schlafende Frau mit einem Kissen erstickte.<br />

Dazu müsste er den Tatbestand vorsätzlich verwirklicht sowie rechtswidrig<br />

und schuldhaft gehandelt haben.<br />

I. TATBESTAND<br />

1. OBJEKTIVER TATBESTAND<br />

A. GRUNDTATBESTAND DES § 212 I<br />

Zunächst müsste der M einen anderen Menschen getötet haben. M hat seine<br />

Frau mit einem Kissen erstickt. <strong>Die</strong>se Handlung bewirkt den Tod als irrever-<br />

sibles Erlöschen der Hirntätigkeit. Somit ist die Handlung des M auch kausal<br />

<strong>für</strong> den Tod seiner Frau und dieser ihm objektiv zurechenbar.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

B. QUALIFIKATION DES § 211<br />

Zudem könnte der M ein Mordmerkmal verwirklicht haben. In Betracht<br />

kommt an dieser Stelle das Merkmal „heimtückisch“ aus der 2. Gruppe der<br />

Mordmerkmale, die sich durch die besondere Verwerflichkeit ihrer Bege-<br />

hungsweise auszeichnen.<br />

<strong>Die</strong>ses Mordmerkmal ist dadurch gekennzeichnet, dass der Täter dem Opfer<br />

in besonders niederträchtiger Weise seinen Schutz und seine Chance raubt,<br />

den Angriff auf sein Leben erfolgreich abzuwehren. Da die Bejahung eines<br />

Mordmerkmals eine besonders schwere Folge hat (lebenslange Freiheits-<br />

strafe), ist dabei besondere Vorsicht, das heißt eine restriktive Auslegung, ge-<br />

boten. Aus diesem Grund sind die Anforderungen im Einzelnen umstritten.<br />

Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Prüfung ist jedoch das Verständnis von Heimtücke als<br />

das bewusste Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers 1 . Arglos ist<br />

dabei, wer sich zum Zeitpunkt der Tat keines tätlichen Angriffs auf seine kör-<br />

perliche Unversehrtheit oder sein Leben versieht 2 . <strong>Die</strong> Ehefrau schläft, als der<br />

M sie erstickt. Bei Schlafenden stellt sich jedoch die Frage, ob diese überhaupt<br />

arglos bzw. zum Argwohn fähig sein können. Der BGH stellt hier darauf ab,<br />

ob das Opfer seine Arglosigkeit „mit in den Schlaf genommen“ hat. <strong>Die</strong> Fä-<br />

higkeit zum Argwohn sei somit zu verneinen bei Personen, die vom Schlaf<br />

übermannt wurden 3 . Im Sachverhalt finden sich keine Hinweise da<strong>für</strong>, dass<br />

die Ehefrau von dem Vorhaben ihres Mannes wusste, so dass davon ausgegan-<br />

gen werden kann, dass sie sich ahnungslos schlafen gelegt hat. Demnach ist<br />

sie als arglos zu beurteilen.<br />

Weiterhin müsste sie auch wehrlos, also aufgrund ihrer Arglosigkeit in ihrer<br />

Verteidigungsbereitschaft und –fähigkeit eingeschränkt sein 4 . Infolgedessen<br />

dass die Ehefrau schläft, besitzt sie keinerlei Möglichkeit, sich zu verteidigen.<br />

Ihre Abwehrbereitschaft während des Schlafs ist nicht nur erheblich, sondern<br />

gänzlich verhindert. Folglich ist sie auch wehrlos. Das Mordmerkmal<br />

der Heimtücke erfordert weiter ein bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehr-<br />

losigkeit des Opfers in tückisch-verschlagener Weise. Ein solches liegt vor,<br />

wenn der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit nicht nur äußerlich wahrgenom-<br />

men, sondern sich die zugrunde liegenden Umstände <strong>für</strong> seine Tatbegehung<br />

gerade zu Nutze gemacht hat 5 . M ist sich im Klaren darüber, dass seine schla-<br />

fende Frau sich nicht wehren kann, und hat diese Situation, auf Anweisung<br />

des B, bewusst gewählt, um seinen „Auftrag“ durchzuführen. Ein bewusstes<br />

Ausnutzen ist also gegeben. (Anm.: <strong>Die</strong> subjektive Seite von diesem Merkmal<br />

kann alternativ auch erst im subjektiven Tatbestand geprüft werden)<br />

Zur Einschränkung des weiten Anwendungsbereichs dieses Mordmerkmals<br />

und zur besseren Erfassung des Elements der „Tücke“, die durch eine derar-<br />

1 Wessels/Hettinger, Strafrecht BT/1, Rn. 107; weitere Nachweise und aktuelle<br />

Rechtssprechung bei Geppert, Jura 07, 270.<br />

2 Vgl. BGHSt 28, 210; BGH NJW 06, 1008, 1010.<br />

3 Vgl. BGHSt 23, 119, 121; BGH NStZ 07, 523, 524; Fischer, StGB, § 211<br />

Rn. 20.<br />

4 Wessels/Hettinger, Strafrecht BT/1, Rn. 112.<br />

5 Wessels/Hettinger, Strafrecht BT/1, Rn. 115.<br />

tige Mordhandlung besonders zum Ausdruck kommt, verlangt eine Meinung<br />

in der Literatur, neben der oben erläuterten Formel ein Handeln in feindlicher<br />

Willensrichtung, um darüber Mitleidstötungen zum vermeintlich Besten des<br />

Opfers auszuschließen 6 . <strong>Die</strong>ser Fall ist hier jedoch nicht einschlägig.<br />

Schließlich verlangt die h.L. einschränkend einen besonders verwerflichen<br />

Vertrauensbruch, womit jedoch zum Beispiel der klassische Meuchelmord<br />

aus dem Anwendungsbereich fallen würde 7 . In Anbetracht dessen, dass vor-<br />

liegend das Opfer die Ehefrau des Täters ist und daher ein Vertrauensverhält-<br />

nis besteht, welches der M ausnutzt, kann der Streit jedoch offen bleiben. Das<br />

Drücken des Kissens während des Schlafs vom eigenen Ehemann und zwar<br />

ohne jeglichen, <strong>für</strong> die Frau erkennbaren Grund, stellt auf jeden Fall einen be-<br />

sonders verwerflichen Vertrauensbruch dar. Das Merkmal der Heimtücke<br />

kann daher bejaht werden. Weitere objektive Mordmerkmale sind nicht er-<br />

sichtlich.<br />

2. SUBJEKTIVER TATBESTAND<br />

In subjektiver Hinsicht ist Vorsatz, also das Wissen und Wollen der Tatbe-<br />

standsverwirklichung, in Bezug auf die Tötung ebenso wie in Bezug auf das<br />

objektive Mordmerkmal der Heimtücke erforderlich.<br />

A. GRUNDTATBESTAND DES § 212 I<br />

M will seine Frau töten, um den Weltuntergang abzuwenden. Er handelte<br />

diesbezüglich also mit zielgerichtetem Erfolgswillen, dolus directus I. Grades.<br />

B. QUALIFIKATION DES § 211<br />

Dass er seine Frau im Schlaf mit dem Kissen erstickte, entsprach dem Tatplan,<br />

so dass die heimtückische Begehungsweise ebenfalls vom Vorsatz in Form des<br />

dolus directus I. Grades umfasst ist.<br />

Für subjektive Mordmerkmale liegen indes keine Anhaltspunkte vor. Insbe-<br />

sondere kann in Anbetracht der Motivation des M, den Weltuntergang zu<br />

verhindern, nicht von niedrigen Beweggründen, die sittlich auf tiefster Stufe<br />

stehen, gesprochen werden.<br />

II. RECHTSWIDRIGKEIT<br />

Weiterhin müsste die Tat des M rechtswidrig sein. Fraglich ist, ob der M, vor<br />

dem Hintergrund, dass er die Welt retten wollte, gerechtfertigt ist.<br />

Für eine Rechtfertigung nach § 32 fehlt es jedoch bereits an einem Angriff sei-<br />

tens der Ehefrau, so dass das Verhalten des M hier weder als Notwehr noch als<br />

Nothilfe ausgelegt werden kann.<br />

Mangels eines tatsächlich bevorstehenden Weltuntergangs liegt auch keine<br />

notstandsbegründende Gefahr nach § 34 vor. Vielmehr irrt der M gerade über<br />

die sachlichen Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrundes. Folglich wäre<br />

dieser als (Erlaubnis)Tatbestandsirrtum nach § 16 I (analog) zu behandeln,<br />

wenn die Umstände, über die der M irrt, im Fall ihres Vorliegens, zu seiner<br />

Rechtfertigung führen würden 8 . Stünde aber in der Tat ein Weltuntergang be-<br />

vor, käme es im Rahmen von § 34 bei der Verhältnismäßigkeit zu der Abwä-<br />

gung „Leben gegen Leben“. <strong>Die</strong>se ist jedoch unzulässig, so dass § 34 an dieser<br />

Stelle scheitern würde. Aber auch in dieser Hinsicht unterliegt der M einem<br />

6 So etwa Hassemer JuS 71, 626, 630; s. auch Fischer, StGB, § 211 Rn. 21;<br />

Otto Grundkurs Strafrecht Rn. 18.<br />

7 Schönke/Schröder/Eser § 211 Rn. 26 mwN.<br />

8 Heinrich, Strafrecht-AT II, Rn. 1123.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Fallbearbeitung<br />

Irrtum. Er glaubt nicht nur fälschlicherweise an das Eintreten des Weltunter-<br />

gangs, sondern auch daran, dass der Tod der gesamten Menschheit, die Tö-<br />

tung seiner Ehefrau rechtfertigen würde. Hierbei handelt es sich um einen<br />

Irrtum auf der Wertungsebene. <strong>Die</strong> vorliegende Konstellation des sog. Dop-<br />

pelirrtums wird im Ergebnis als Verbotsirrtum nach § 17 behandelt und ist<br />

daher in der Schuld zu prüfen 9 .<br />

Möglich ist auch die Bejahung eines Verbotsirrtums. Ein solcher (direkter<br />

Verbotsirrtum) liegt vor, wenn der Täter die seine Tat betreffende Verbots-<br />

norm nicht kennt, sie <strong>für</strong> ungültig hält oder infolge unrichtiger Auslegung zu<br />

Fehlvorstellungen über ihren Geltungsbereich gelangt und aus diesem Grund<br />

sein Verhalten als rechtlich zulässig ansieht 10 . Aus dem Sachverhalt ergeben<br />

sich allerdings keine Anhaltspunkte <strong>für</strong> das Vorliegen eines solchen Verbots-<br />

irrtums. M scheint sich des Unrechts seiner Tat bewusst zu sein. Der M hat<br />

die faktische Lage (bezüglich des Vorliegens der Tatbestandsmerkmale) rich-<br />

tig eingeschätzt. Er wusste, dass durch seine Handlung seine Frau sterben<br />

würde und wollte auch dieses Ergebnis. Er agiert lediglich, „um den Weltun-<br />

tergang abzuwenden“, er nimmt also irrig an, dass seine Handlung von einem<br />

Rechtfertigungsgrund gedeckt wäre, er irrt sich also hinsichtlich der rechtli-<br />

chen Bewertung der Umstände, die sein Verhalten rechtfertigen ließen. Somit<br />

handelt es sich dabei um einen indirekten Verbotsirrtum bzw. um einen Er-<br />

laubnisirrtum. Dessen Rechtsfolgen sind identisch mit denen des direkten<br />

Verbotsirrtums (§ 17) und auch auf der Ebene der Schuld zu prüfen.<br />

Somit hat M rechtswidrig gehandelt.<br />

III. SCHULD<br />

Schließlich müsste die Tat des M schuldhaft sein.<br />

Wie bereits festgestellt könnte die Schuld des M jedoch aufgrund eines Ver-<br />

botsirrtums gemäß § 17 ausgeschlossen sein. Danach entfällt die Schuld,<br />

wenn der Irrtum vermeidbar war. Entscheidend ist, ob dem Täter sein Vorha-<br />

ben unter Berücksichtigung seiner sozialen Stellung, seiner individuellen Fä-<br />

higkeiten und Kenntnisse hätte Anlass geben müssen, über dessen mögliche<br />

Rechtswidrigkeit nachzudenken oder sich zu erkundigen und er auf diesem<br />

Wege zur Unrechtseinsicht gekommen wäre 11 . Laut Sachverhalt handelte M<br />

als treu ergebenes Mitglied einer „Weltuntergangssekte“ auf Anweisung des<br />

Anführers B. Allein das Handeln auf Anweisung entbindet jedoch noch nicht<br />

von einer eigenen Gewissensanspannung. <strong>Die</strong> Tat des M entsprach den Vor-<br />

stellungen einer Glaubensgemeinschaft, es liegen jedoch keine Anhaltspunkte<br />

da<strong>für</strong> vor, dass <strong>für</strong> ihn keine Zweifel auftauchten, die ihm Grund geboten hät-<br />

ten, sein Verhalten in Frage zu stellen. Erkundigungen, zumindest innerhalb<br />

der Gemeinde, hätten allerdings kein anderes Ergebnis hervorgebracht. Inso-<br />

fern besteht ein Unterschied zu dem vom BGH entschiedenen „Katzenkönig-<br />

Fall“, in dem der Täter sich lediglich in einem „neurotischen Beziehungsge-<br />

flecht“ befand, welches keine Unvermeidbarkeit seines Irrtums begründete,<br />

da der Täter Polizist war und es ihm nach Ansicht des Gerichts zumutbar ge-<br />

wesen wäre, eine Vertrauensperson zu fragen 12 . Zudem ist insbesondere das<br />

psychiatrische Sachverständigengutachten zu berücksichtigen, wonach der M<br />

keinerlei Zweifel an seinem Auftrag hegte.<br />

9 Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 485; Heinrich, Strafrecht-AT II, Rn.<br />

1148.<br />

10 Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 461.<br />

11 Fischer, StGB § 17 Rn. 7; vgl. auch BGHSt 21, 18 ff.<br />

12 Vgl. BGHSt 35, 347 ff.<br />

161


162<br />

Fallbearbeitung<br />

Auf der anderen Seite stellt die Rechtsprechung strenge Anforderungen an die<br />

Unvermeidbarkeit. <strong>Die</strong>s gilt umso mehr, wenn es um die Tötung eines ande-<br />

ren Menschen geht. Dabei kann der Irrtum schwerlich vermeidbar sein, da es<br />

sich um das grundlegendste rechtliche sowie auch ethische Handlungsverbot<br />

handelt. Es kann daher angeführt werden, dass der M zwar in seiner Sekte<br />

stark integriert war, aber dennoch davon auszugehen ist, dass er die in<br />

Deutschland allgemein geltenden Gesetze kannte und somit auch um das<br />

Verbotensein der Tötung wusste.<br />

Im Ergebnis ist daher die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums anzunehmen,<br />

mit der Folge, dass der M auch schuldig gehandelt hat. Möglich ist jedoch eine<br />

Milderung der Strafe nach § 17 S. 2 i.V.m. § 49 I StGB.<br />

IV. ERGEBNIS<br />

M hat sich des Mordes nach §§ 211, 212 I strafb ar gemacht.<br />

B. STRAFBARKEIT DES B NACH §§ 211, 212 I, 25 I 2. ALT.<br />

B könnte sich des Mordes in mittelbarer Täterschaft nach §§ 211, 212 I, 25 I 2.<br />

Alt. strafb ar gemacht haben, indem er dem M dazu anwies, seine schlafende<br />

Frau mit einem Kissen zu ersticken.<br />

I. TATBESTAND<br />

1. OBJEKTIVER TATBESTAND<br />

Zunächst müsste der Tatbestand „durch einen anderen“ verwirklicht sein.<br />

Kennzeichen des Tatmittlers ist dabei seine unterlegene Stellung, die sich<br />

darin widerspiegelt, dass er nicht volldeliktisch handelt 13 . Im vorliegenden<br />

Fall begeht B die Tötung der Ehefrau nicht selbst, sondern lässt sie durch den<br />

M vornehmen. Wie unter A. III. festgestellt handelt jedoch dieser (der ver-<br />

meintliche Tatmittler) aufgrund eines vermeidbaren Verbotsirrtums schuld-<br />

haft , so dass er den <strong>für</strong> den Tatmittler erforderlichen Strafb arkeitsmangel<br />

nicht aufweist.<br />

Von der Regel des Strafb arkeitsmangels des Tatmittlers werden jedoch Aus-<br />

nahmen vor allem im Rahmen von Organisationsstrukturen statuiert (Stich-<br />

wort „Täter hinter dem Täter“). Maßgebend in solchen Fällen ist, dass der als<br />

Hintermann fungierende Befehlsgeber das Gesamtgeschehen kraft seiner<br />

„Organisationsherrschaft “ bedingungslos in die von ihm gewünschte Rich-<br />

tung lenken kann und der Vordermann quasi beliebig austauschbar ist 14 . Für<br />

die Begründung einer mittelbaren Täterschaft bedarf es beim Hintermann<br />

eine überlegene Stellung aufgrund seiner Tatherrschaft kraft überlegenen<br />

Wissens oder Wollens 15 .<br />

Handelt der Tatmittler in vermeidbarem Verbotsirrtum, stellt diese Vermeid-<br />

barkeit nach Ansicht des BGH und weiter Teile der Literatur kein Hindernis<br />

<strong>für</strong> die Annahme einer mittelbaren Täterschaft (Th eorie der eingeschränkten<br />

Verantwortlichkeit). Denn das Merkmal der Vermeidbarkeit verkörpert kein<br />

sicheres Abgrenzungskriterium <strong>für</strong> den Beitrag eines Tatbeteiligten. Denn<br />

dem in vermeidbarem Irrtum handelnden Täter fehlt es zum Tatzeitpunkt in<br />

jedem Fall an Unrechtseinsicht, mit der Folge dass auch in diesem Fall mittel-<br />

13 Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 535.<br />

14 Wessels/Beulke, Strafrecht At Rn 541; vgl. auch BGHSt 48, 77, 89.<br />

15 Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 535.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

bare Täterschaft grundsätzlich möglich ist. Entscheidend ist dann bei norma-<br />

tiver Betrachtung die Art und Tragweite des Irrtums sowie die Intensität der<br />

Einwirkung durch den Hintermann 16 .<br />

Innerhalb einer religiösen Sekte wie die unseres Sachverhalts entstehen eben-<br />

falls solche Hierarchien, die eine mittelbare Täterschaft rechtfertigen, wenn<br />

der Tatmittler aufgrund abergläubischer Ängste in einem vermeidbaren Ver-<br />

botsirrtum handelt.<br />

In Betracht könnte ebenso eine Anstift ung gem. § 26 kommen, so dass das<br />

Verhalten des B gegenüber einem bloßen Bestimmen abgegrenzt werden<br />

muss. Bedenken hinsichtlich der Überlegenheit des B bestehen hier insoweit,<br />

als dass dieser laut Sachverständigengutachten tief davon überzeugt ist, dass<br />

Gott ihm befohlen hat, die jüngste Mutter der Gemeinde töten zu lassen, so<br />

dass er dem gleichen Irrtum unterliegt wie der M. Im Rahmen der Abgren-<br />

zung zu § 26 wird gefordert, dass der Hintermann die Schuldunfähigkeit des<br />

Tatmittlers oder die Umstände kennt, die den Schuldvorwurf entfallen lassen,<br />

und dass er die von ihm richtig erfasste Situation zur Begehung der von ihm<br />

gewollten Straft at ausnutzt 17 . Dem steht nach Ansicht des BGH ein ebenfalls<br />

beim Hintermann vorliegender Verbotsirrtum nicht entgegen, solange dieser<br />

mit Täterwillen und Tatherrschaft handelt 18 .<br />

Im vorliegenden Fall weist der B den M an, seine Frau im Schlaf mit einem<br />

Kissen zu ersticken. Dabei kommt ihm bereits aufgrund seiner Position als<br />

Anführer der Sekte eine gewisse Macht zu, die er auch gegenüber M nutzt und<br />

die sich darin bestätigt, dass dieser die Tat, ohne sie in Frage zu stellen, aus-<br />

führt. Zudem handelt es sich bei dem M laut Sachverhalt auch um ein treu er-<br />

gebenes Gemeindemitglied. Für die Tatherrschaft des B spricht weiter, dass<br />

dieser dem M auch genau vorgibt, wie er seine Frau töten soll und dieser sich<br />

daran hält. Hätte z.B. der B vor der Tatbestandsverwirklichung dem M befoh-<br />

len, die Tötung der Frau doch nicht durchzuführen, hätte der M von seiner<br />

Tat abgesehen. Im Ergebnis fungiert der M daher wie ein Werkzeug in der<br />

Hand des B, so dass dieser als mittelbarer Täter im Sinne des § 25 I 2. Alt. zu<br />

qualifi zieren ist.<br />

Der objektive Tatbestand ist damit erfüllt.<br />

2. SUBJEKTIVER TATBESTAND<br />

Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz, also das Wissen und Wollen der<br />

Tatbestandsverwirklichung.<br />

Zunächst müsste dieser die durch den Tatmittler begangene Tat umfassen. B<br />

wollte, dass der M seine Frau mit einem Kissen im Schlaf erstickt. <strong>Die</strong>sbezüg-<br />

lich hatte er also dolus directus I. Grades. Aufgrund dessen, dass er die Tat-<br />

ausführung auch genau vorgegeben hatte, erstreckt sich sein zielgerichteter<br />

Erfolgswille gerade auch auf das objektive Mordmerkmal der Heimtücke.<br />

Weiter müsste sich sein Vorsatz auch auf die eigene Tatherrschaft sowie die<br />

unterlegene Stellung des Tatmittlers beziehen. B ging davon aus, dass der M,<br />

16 BGHSt 35, 347, 351 f.; Otto Grundkurs Strafrecht, § 21, Rn. 84;<br />

Heinrich, Strafrecht-AT II, Rn. 1260.<br />

17 Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 538.<br />

18 BGHSt 40, 257, 267.<br />

als treu ergebenes Gemeindemitglied, seiner Auff orderung Folge leisten<br />

würde. Zudem teilte er selbst ihm mit, dass andernfalls der Weltuntergang<br />

drohe, so dass ihm auch die Umstände, die den Strafb arkeitsmangel des M be-<br />

gründen, bekannt waren. Folglich handelte er diesbezüglich mit dolus direc-<br />

tus II. Grades.<br />

Subjektive Mordmerkmale in der Person des B sind darüber hinaus nicht<br />

ersichtlich.<br />

Der subjektive Tatbestand ist somit ebenfalls zu bejahen.<br />

II. RECHTSWIDRIGKEIT<br />

In Bezug auf eine Rechtfertigung nach § 32 bzw. § 34 gelten die unter A. II. ge-<br />

machten Ausführungen zu M entsprechend, mit der Folge, dass kein Recht-<br />

fertigungsgrund greift und die Tat des B daher rechtswidrig ist.<br />

III. SCHULD<br />

Schließlich ist die Schuld des B festzustellen. Wie bereits erwähnt unterliegt er<br />

dem gleichen Irrtum wie der M, der als Verbotsirrtum nach § 17 zu behan-<br />

deln ist. Fraglich ist also dessen Unvermeidbarkeit. Im Vergleich zu M ergibt<br />

sich kein Unterschied daraus, dass der B Anführer der Sekte ist. Obwohl der<br />

Sachverhalt keine Anhaltspunkte da<strong>für</strong> liefert, dass B die Mitglieder seiner<br />

Sekte bewusst in einen Irrglauben führen würde, kann nicht ernsthaft<br />

Fallbearbeitung<br />

behauptet werden, dass er das Tötungsverbot der Rechtsordnung nicht kannte.<br />

Im Ergebnis ist daher auch im Fall des B von einer Vermeidbarkeit des<br />

Verbotsirrtums auszugehen, so dass er schuldhaft handelte, § 17 S. 1 (a.A.<br />

vertretbar).<br />

IV. ERGEBNIS<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

B hat sich nach §§ 211, 212 I, 25 I 2. Alt. strafb ar gemacht.<br />

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163


164<br />

Fallbearbeitung<br />

SACHVERHALT 1<br />

Hiéramente, Jahrgang 1983, ist Doktorand in der „Research<br />

School on Retaliation, Mediation and Punishment“ am<br />

Max-Planck-Institut <strong>für</strong> ausländisches und internationales<br />

Strafrecht in Freiburg.<br />

Er <strong>stud</strong>ierte Rechtswissenschaften an der Universität<br />

Hamburg und Paris-X Nanterre und promoviert zur Zeit auf<br />

dem Gebiet des Völkerstrafrechts.<br />

Anfänger im Strafrecht: „Fußballfrust“<br />

von Mayeul Hiéramente (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg)<br />

Der von der Saison 08/09 frustrierte Dortmund-Fan D ist zum Abendessen<br />

nach Gelsenkirchen eingeladen. D ist bewusst, dass dort viele, teilweise auch<br />

gewalttätige Anhänger des Erzrivalen Schalke 04 auf den Straßen zu finden<br />

sind. Trotzdem möchte er sein Lieblingstrikot anziehen. Zur Sicherheit ent-<br />

schließt sich D, sein altes Taschenmesser (Klingenlänge 7 cm) mitzu-nehmen,<br />

und macht sich auf den Weg. Als er auf dem Weg vom Bahnhof zu seinen<br />

Freunden in einer Seitenstraße den einsamen Schalke-Fan F erblickt, über-<br />

kommt ihn der Frust und er beschließt, diesem eine schmerzhafte Abreibung<br />

zu verpassen. Er rennt auf den ahnungslosen F zu, schlägt ihm mit der Faust<br />

ins Gesicht, zieht das Messer und sticht einmal mit Wucht in die Magenge-<br />

gend. D läuft davon. F wird kurz darauf von Passanten gefunden und ins<br />

Krankenhaus gebracht. Eine konkrete Lebensgefahr bestand nach Aussage<br />

der Ärzte zu keinem Zeitpunkt. Das Trikot des F ist allerdings zerstört.<br />

Währenddessen setzt D seinen Weg fort. Doch schon an der nächsten Ecke<br />

wartet weiteres Ungemach. Eine Gruppe alkoholisierter Schalke-Anhänger<br />

erblickt D und rennt mit erhobenen Fäusten und mit Bierflaschen bewaffnet<br />

auf D zu. <strong>Die</strong>ser erkennt die Gefahr sofort und tritt die Flucht an. Nach einer<br />

zehnminütigen Hetzjagd kann er in eine Seitenstraße abtauchen. <strong>Die</strong> Angrei-<br />

fer beenden daraufhin ihre Verfolgung und widmen sich wieder ihrem Bier. D<br />

hat das Ende der Jagd jedoch nicht bemerkt und sucht weiterhin panisch nach<br />

einer Möglichkeit, sich vor den Angreifern zu verstecken. Da sieht er, dass in<br />

einem der Wohnhäuser ein Fenster nur angelehnt ist. Um die vermeintlichen<br />

Angreifer abzuschütteln, klettert er durch das Fenster in die Wohnung. Nach-<br />

dem er sich versichert hat, dass dort niemand anwesend ist, kommt D lang-<br />

sam zur Ruhe. Er reinigt das Messer und entschließt sich, seinen Weg zur Ver-<br />

abredung fortzusetzen. Auf dem Weg zum Fenster sieht D eine antike<br />

Goldkette auf einer Kommode liegen. Da D vergessen hat, seinen Gastgebern<br />

ein Präsent mitzubringen, entschließt er sich kurzerhand, die Kette mitzu-<br />

nehmen, und steckt sie in die Innentasche seiner Jacke. Er klettert aus dem<br />

Fenster. Vor dem Fenster hält ihn der Wohnungsinhaber W von hinten an der<br />

Schulter fest. D, der be<strong>für</strong>chtet, dass W ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest-<br />

halten will, zieht sein Messer und sticht dem W fünf Mal in die Brust. Er<br />

nimmt dabei billigend in Kauf, dass W sterben könnte, was auch geschieht. D<br />

war dabei klar, dass W aufgrund der Dunkelheit nicht in der Lage gewesen<br />

1 <strong>Die</strong>ser Fall wurde im SoSe 2009 an der Universität Freiburg von Prof. Dr.<br />

Hefendehl als Orientierungsklausur gestellt. Den Lehrstuhlmitarbeitern<br />

und meiner Kollegin Sarah Kiesel danke ich <strong>für</strong> Inspiration und Kritik.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

wäre, ihn im Nachhinein wiederzuerkennen. Es kam ihm in dem Moment des<br />

Zustechens nicht darauf an, die Kette zu behalten.<br />

WIE HAT SICH D NACH DEM STGB STRAFBAR GEMACHT?<br />

Eine Strafbarkeit wegen Aussetzung gem. § 221 StGB und Straftaten des 20.<br />

Abschnitts sind nicht zu prüfen.<br />

LÖSUNG<br />

ERSTER TATKOMPLEX: DER ÜBERFALL 2<br />

Eine Strafbarkeit wegen versuchten Totschlags gem. §§ 212 I, 22, 23 I StGB 3<br />

scheitert am Tötungsvorsatz (Hemmschwelle). Es besteht eine Strafbarkeit<br />

wegen gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 5, da das Ta-<br />

schenmesser als gefährliches Werkzeug verwendet wurde und die Behand-<br />

lung abstrakt (hM) lebensgefährlich war. Mangels Hinterlist ist Nr. 3 nicht<br />

einschlägig. Zudem ist § 303 I verwirklicht. 4<br />

ZWEITER TATKOMPLEX: IM WOHNHAUS<br />

A. STRAFBARKEIT WEGEN HAUSFRIEDENSBRUCH GEM.<br />

§ 123 I ALT. 1<br />

D könnte sich durch das Hineinklettern eines Hausfriedensbruchs gem.<br />

§ 123 I Alt. 1 strafbar gemacht haben.<br />

I. TATBESTAND<br />

Dazu müsste D vorsätzlich in eine Wohnung eingedrungen sein. 5 D hat<br />

gegen den Willen des Hausrechtsinhabers 6 die Wohnung betreten. <strong>Die</strong>s<br />

geschah auch willentlich und wissentlich.<br />

II. RECHTSWIDRIGKEIT<br />

Angesichts der Tatsache, dass die Angreifer bereits die Suche nach D<br />

beendet hatten, liegt weder ein gegenwärtiger Angriff (§ 32) noch eine<br />

gegenwärtige Gefahr (§ 34) vor. Rechtfertigungsgründe sind objektiv<br />

nicht gegeben.<br />

III. ERLAUBNISTATUMSTANDSIRRTUM (ETI) 7<br />

Zwar lag eine Rechtfertigungslage objektiv nicht vor, D hat sich aber vorge-<br />

stellt, er würde noch verfolgt. Er könnte sich damit eine Rechtfertigungslage<br />

iSd § 32 oder § 34 vorgestellt haben.<br />

1 Längere Strafrechtsklausuren sollten zur Übersichtlichkeit unbedingt<br />

in Tatkomplexe eingeteilt werden.<br />

3 Sofern nicht anders benannt, sind folgende §§ solche des StGB.<br />

4 Definitionen und Problemdarstellung in: <strong>iur</strong>ratio 1/2009, S.48ff.<br />

Bearbeiter in einer Anfängerklausur sollten im Übrigen darauf achten,<br />

den Gutachtenstil stärker zu verwenden als in dieser Lösung möglich.<br />

5 Das Merkmal „widerrechtlich“ in Alt. 1 ist nach allg. Ansicht ein<br />

Verweis auf Rechtfertigungsgründe.<br />

6 Zu den Voraussetzungen, Fischer, (56. Aufl.), § 123, Rn. 14.<br />

7 <strong>Die</strong> Einordnung des ETI in der Falllösung ist angesichts der vielen<br />

verschiedenen Ansichten zur rechtlichen Einordnung nicht ganz leicht.<br />

Folgt man, wie vorliegend, der hM, so ist eine Prüfung im Anschluss an<br />

die Rechtswidrigkeit zu empfehlen, da so eine fließende Überleitung<br />

möglich ist.<br />

D stellte sich einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff (§ 32 II) vor. Selbst<br />

bei tatsächlichem Vorliegen dieses Angriffs, hätte D hier aber nicht das Recht<br />

gehabt, Rechtsgüter Unbeteiligter zu beeinträchtigen 8 .<br />

Nach der Vorstellung des D hätte die Verfolgung aber die Voraussetzungen<br />

des § 34 S. 1 9 erfüllt, da diese einen Zustand, in dem aufgrund tatsächlicher<br />

Umstände die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines schädigenden Ereignis-<br />

ses 10 besteht, d.h. eine Gefahr darstellt. D hielt die Verfolgung <strong>für</strong> noch an-<br />

dauernd und daher gegenwärtig. Schließlich steht die Handlung (Verletzung<br />

des Hausrechts) auch im angemessenen Verhältnis zum drohenden Schaden<br />

und wäre, das tatsächliche Vorliegen der Notstandslage vorausgesetzt, ge-<br />

rechtfertigt. 11<br />

Umstritten ist aber, wie der ETI rechtlich einzuordnen ist 12 . <strong>Die</strong> früher vertre-<br />

tene strenge Vorsatztheorie, die das Unrechtsbewusstsein als Teil des Vorsat-<br />

zes einordnet, ist nicht mehr vertretbar, da § 17 diesen Fall normiert. Zum sel-<br />

ben Ergebnis kommt die modifizierte Vorsatztheorie, die das „Bewusstsein<br />

der Sozialschädlichkeit“ als Teil des Vorsatzes definiert. <strong>Die</strong> strenge Schuld-<br />

theorie ordnet den ETI dem § 17 zu 13 , verkennt aber, dass der Täter anders als<br />

bei § 17 über Tat“umstände“ irrt und nicht etwa eine falsche rechtliche Wer-<br />

tung vornimmt. Daher kommen die modifizierten Schuldtheorien im Ergeb-<br />

nis zu einer Verneinung des Vorsatzelementes. Nach der Lehre der neg. Tat-<br />

bestandsmerkale wird gem. §16 I S. 1 in direkter Anwendung der Vorsatz<br />

verneint, die eingeschränkte Schuldtheorie ieS wendet § 16 I S.1 an und<br />

schließt das Vorsatzunrecht aus. <strong>Die</strong> rechtfolgen-verweisende eingeschränkte<br />

Schuldtheorie (hM) wendet nur die Rechtsfolgen des § 16 I S. 1 an und ver-<br />

neint die Vorsatzschuld. 14 Ist nur die Strafbarkeit des Einzeltäters zu ermitteln,<br />

ist ein Streitentscheid zwischen den eingeschränkten Schuldtheorien zumeist<br />

entbehrlich. Im Ergebnis ist D nicht gem. § 123 I Alt. 1 zu bestrafen.<br />

IV. ERGEBNIS<br />

Keine Strafbarkeit gem. § 123 I Alt. 1.<br />

B. STRAFBARKEIT WEGEN HAUSFRIEDENSBRUCHS DURCH UN-<br />

TERLASSEN GEM. §§ 123 I ALT 1, 13 I 15<br />

Zwar wurde D nicht zum Verlassen der Wohnung aufgefordert, so dass Alt. 2<br />

nicht einschlägig ist. Es kann aber eine Unterlassenstrafbarkeit gegeben sein,<br />

da D sich noch etwas in der Wohnung aufgehalten hat. Zunächst erscheint es<br />

8 Zu Ausnahmen siehe Schönke/Schröder-Perron, (27. Aufl.), § 32, Rn. 32.<br />

9 Es ließe sich überlegen, ob nicht auch § 904 BGB zur Anwendung kommen<br />

könnte. <strong>Die</strong>ser wäre in der Prüfung vor §34 zu erörtern. Dagegen spricht<br />

allerdings, dass § 904 von „Einwirkung“ auf Sachen spricht, § 123 aber das<br />

über vermögensrechtliche Aspekte hinausgehende Hausrecht schützt.<br />

10 Fischer, § 34, Rn. 3.<br />

11 Beim ETI ist Vorsicht geboten. Vielen Bearbeitern ist der Meinungsstreit<br />

des ETI bekannt. Das führt in Klausuren oft dazu, dass sich die Bearbeiter auf<br />

den Meinungsstreit stürzen, ohne vorher subsumiert zu haben, ob nach der<br />

Vorstellung des Täters ein Rechtfertigungsgrund überhaupt einschlägig ist.<br />

12 Für einen ausführlichen Überblick siehe Wessels/Beulke, (38. Aufl.),<br />

Rn. 468ff.<br />

13 Mit der Konsequenz, dass die Vermeidbarkeit des Irrtums von<br />

Bedeutung ist.<br />

14 Stets beachtet werden sollte, dass damit eine Strafbarkeit wegen eines<br />

Fahrlässigkeitsdelikts unberührt bleibt (bei § 123 I aber ohne Bedeutung).<br />

15 <strong>Die</strong>s muss im vorliegenden Fall nicht zwangsläufig gesehen werden.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Fallbearbeitung<br />

fraglich, ob ein Eindringen durch Unterlassen möglich ist. Der Begriff „Ein-<br />

dringen“ ist aktivitätsgeprägt, so dass Zweifel im Hinblick auf eine Entspre-<br />

chung (§ 13 I) bestehen. Auch normsystematische Gründe sprechen gegen ein<br />

Eindringen durch Unterlassen 16 . Schließlich regelt Alt .2 den Fall des Verwei-<br />

lens. Weiterhin erscheint fraglich, ob eine Garantenstellung besteht, wo<strong>für</strong><br />

einzig Ingerenz in Betracht kommt. <strong>Die</strong>s hängt davon ab, wie der ETI oben<br />

behandelt wurde. Jedenfalls aber hat D keinen Vorsatz bzgl. einer Ingerenzga-<br />

rantenstellung. Schließlich hielt D sein Verweilen in der Wohnung <strong>für</strong> ge-<br />

rechtfertigt, so dass der ETI auch hier einschlägig wäre. Eine Strafbarkeit gem.<br />

§§ 123 I Alt. 1, 13 ist demnach abzulehnen.<br />

C. STRAFBARKEIT WEGEN DIEBSTAHLS IN EINEM BESONDERS<br />

SCHWEREN FALL GEM. §§ 242 I, 243 I S. 2 NR. 1, 5<br />

Durch das Mitnehmen der Kette könnte D einen <strong>Die</strong>bstahl in einem beson-<br />

ders schweren Fall begangen haben.<br />

I. TATBESTAND<br />

Bei der Kette handelt es sich um eine fremde, bewegliche Sache, da diese nicht<br />

im Alleineigentum des D und nicht herrenlos 17 war. Da sich diese in der Woh-<br />

nung des W befand, hatte dieser zunächst Gewahrsam, da er einen generellen<br />

Herrschaftswillen bzgl. der Gegenstände in seiner Wohnung hat und ihm die<br />

Sachherrschaft nach der Verkehrsauffassung zukommt. Durch das Einstecken<br />

in die Innentasche der Jacke (Gewahrsamsenklave) hat D eigenen Gewahr-<br />

sam begründet. Der Wechsel des Gewahrsams erfolgte gegen den Willen des<br />

W und damit „durch Bruch“. Eine Wegnahme lag daher bereits mit Einste-<br />

cken vor.<br />

D handelte vorsätzlich und mit Enteignungsvorsatz, da er W dauerhaft aus<br />

seiner Eigentumsstellung verdrängen wollte. Einzig fraglich ist, ob er mit<br />

Selbstaneignungsabsicht handelte. Da er die Kette noch am selben Abend ver-<br />

schenken wollte und ansonsten kein Geschenk gekauft hätte, kommt Drittan-<br />

eignungsabsicht in Betracht. Da die Aneignung nicht dauerhaft sein muss,<br />

könnte man die Schenkung als Selbstaneignung ansehen, da sich D eine Ei-<br />

gentümerstellung anmaßt. 18 Da sich D aber nicht einmal eigene Aufwendung<br />

erspart 19 erscheint es vorzugswürdig, eine Drittaneignungsabsicht anzuneh-<br />

men. <strong>Die</strong> angestrebte Zueignung ist zudem rechtswidrig, da kein fälliger und<br />

einredefreier Anspruch besteht.<br />

II. RECHTSWIDRIGKEIT UND SCHULD<br />

Bzgl. des <strong>Die</strong>bstahls handelte D rechtswidrig und schuldhaft.<br />

III. STRAFZUMESSUNG, § 243 S. 2 NR. 1, 5<br />

Es ist weiterhin zu klären, ob eine Strafschärfung durch Verwirklichung eines<br />

Regelbeispiels vorliegt. Zwar ist D in ein Gebäude eingedrungen. <strong>Die</strong>s ge-<br />

schah aber nicht „zur Ausführung“ der Tat. <strong>Die</strong> antike Kette mag ggf. von ge-<br />

schichtlicher Bedeutung sein, ist aber nicht öffentlich ausgestellt.<br />

16 Dazu Kindhäuser, Strafrecht BT I, (3. Aufl.), § 33, Rn. 29ff.<br />

17 Das Merkmal “herrenlos” ist eine Gefahrenquelle in Anfängerklausuren.<br />

Herrenlos darf nicht mit Gewahrsamsverlust verwechselt werden. Herrenlos<br />

sind Sachen, an denen der Eigentümer bewusst das Eigentum aufgegeben<br />

hat oder z.B. wilde Tiere.<br />

18 Rengier, Strafrecht BT I, (11. Aufl.), Rn 72ff.<br />

19 Schönke/Schröder-Eser, § 242, Rn. 57.<br />

165


166<br />

Fallbearbeitung<br />

IV. ERGEBNIS<br />

D hat sich nur wegen <strong>Die</strong>bstahls gem. § 242 I strafb ar gemacht.<br />

D. STRAFBARKEIT WEGEN DIEBSTAHLS MIT WAFFEN UND<br />

WOHNUNGSEINBRUCHSDIEBSTAHLS GEM. §§ 242 I, 244 I NR. 1<br />

A), B), NR. 3 20<br />

Der von D begangene <strong>Die</strong>bstahl könnte aber gem. §§ 242 I, 244 I Nr. 1 a), b),<br />

Nr. 3 qualifi ziert sein.<br />

I. TATBESTAND<br />

Der Grundtatbestand des § 242 I ist erfüllt (s.o). Der Wohnungseinbruchs-<br />

diebstahl scheitert daran, dass beim Eindringen noch kein <strong>Die</strong>besplan vorlag.<br />

Das Taschenmesser ist zwar keine Waff e (s.o), kann aber ein gefährliches<br />

Werkzeug iSd Nr. 1 a) darstellen. Fraglich ist, wie dieses im Rahmen des § 244<br />

zu defi nieren ist. 21 Es ließe sich in einer subjektiven Interpretation auf die Ver-<br />

wendungsabsicht abstellen. Systematisch überzeugt dies angesichts der Nr .1<br />

b) nicht. Auch eine objektive Betrachtung ist nicht unproblematisch, da das<br />

Merkmal der Gefährlichkeit ohne konkreten Einsatz des Werkzeugs kaum zu<br />

beurteilen ist. <strong>Die</strong>se Ungewissheit lässt sich zumindest insofern einschränken,<br />

als dass man bei Gegenständen, die waff enähnlich sind, eine abstrakte Ge-<br />

fährlichkeit und eine Gefährlichkeit im Rahmen einer <strong>Die</strong>bstahlshandlung<br />

annimmt. 22 So fällt das Messer unter § 244 I Nr. 1 a), da es schnell einsetzbar<br />

ist und schwere Verletzungen hervorrufen kann. (a.A. vertretbar) <strong>Die</strong>ses hat<br />

D auch bewusst bei sich geführt. Nr. 1 a) ist demnach verwirklicht.<br />

Da D das Messer in der Beendigungsphase eingesetzt hat, spricht vieles da<strong>für</strong>,<br />

dass er auch eine Verwendungsabsicht iSd Nr. 1 b) hatte. Allerdings erscheint<br />

es fraglich, ob ein Beisichführen mit Verwendungsabsicht in der Beendi-<br />

gungsphase ausreichend ist. 23 Anders als bei Nr. 1 a) kommt es bei Nr. 2 b)<br />

nicht auf das Merkmal des Beisichführens an, sondern auf die subjektive Wid-<br />

mung als Nötigungsmittel. Daher bietet sich eine restriktive Interpretation an,<br />

die einen Verwendungsentschluss nach Vollendung als nicht mehr erfasst an-<br />

sieht 24 . Ansonsten drohten die Voraussetzungen (Beutesicherungsabsicht)<br />

des § 252 umgangen zu werden. Nr. 1 b) ist demnach nicht verwirklicht.<br />

II. ERGEBNIS<br />

D hat sich gem. §§ 242 I, 244 I Nr. 1 a) wegen <strong>Die</strong>bstahls mit Waff en strafb ar<br />

gemacht.<br />

20 <strong>Die</strong> Qualifikationsprüfung kann auch gemeinsam mit der Prüfung des<br />

Grundtatbestands erfolgen. Ist diese allerding kompliziert und kommen<br />

Regelbeispiele in Betracht, so kann die Prüfung geteilt werden, um<br />

Unübersichtlichkeit zu vermeiden.<br />

21 Eine überzeugende Lösung oder gar hM ist hier<strong>für</strong> nicht festzustellen.<br />

Es kommt daher in der Klausur darauf an, die wichtigsten Ansichten zu<br />

präsentieren, die Schwächen der Ansätze aufzuzeigen und sich dann mit<br />

vertretbaren Argumenten <strong>für</strong> eine Ansicht zu entscheiden. Wichtig ist<br />

dann eine saubere Subsumtion.<br />

22 Für einen Überblick, Fischer, § 244 Rn. 8ff.<br />

23 So Schönke/Schröder- Eser, § 244, Rn. 20, BGH NStZ-RR 2003, S. 202.<br />

24 SK-StGB-Hoyer, § 244, Rn. 28.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

DRITTER TATKOMPLEX: DIE TÖTUNG DES W<br />

A. STRAFBARKEIT WEGEN VERDECKUNGSMORDS GEM.<br />

§§ 212 I, 211 II 25 VAR. 9 26<br />

Durch das fünfmalige Zustechen in die Brustgegend, um unerkannt fl iehen<br />

zu können, könnte sich D wegen eines Verdeckungsmords strafb ar gemacht<br />

haben. Der Tod des W ist eingetreten und dem D auch kausal und objektiv<br />

zurechenbar. Da er den Todeserfolg „billigend in Kauf “ nahm, handelte er zu-<br />

dem mit Eventualvorsatz. Fraglich ist aber, ob Verdeckungsabsicht vorlag. Es<br />

kam dem D zwar darauf an, unerkannt zu verschwinden und damit seine Tä-<br />

terschaft zu verdecken 27 . Problematisch könnte aber sein, ob ein Täter mit<br />

Verdeckungsabsicht handeln kann, wenn er bzgl. der Tötung nur mit Eventu-<br />

alvorsatz handelte. Hier ist zu diff erenzieren. Ist der Todeseintritt relevant da-<br />

<strong>für</strong>, dass die Tat nicht aufgeklärt wird (etwas weil das Opfer den Täter persön-<br />

lich kennt), so ist Eventualvorsatz bzgl. der Tötung nicht ausreichend. Ist es<br />

<strong>für</strong> die Verdeckung der Tat, wie im vorliegenden Fall, aber irrelevant, ob das<br />

Opfer überlebt oder nicht, so ist Verdeckungsabsicht zu bejahen, da der Täter<br />

weiß, dass sein Vorgehen die <strong>für</strong> ihn erstrebte Geheimhaltung garantiert 28 . Da<br />

D auch rechtswidrig und schuldhaft handelte, ist eine Strafb arkeit wegen Ver-<br />

deckungsmord gem. §§ 212 I, 211 II Var. 9 gegeben.<br />

B. STRAFBARKEIT WEGEN GEFÄHRLICHER KÖRPERVERLET-<br />

ZUNG GEM. §§ 223 I, 224 I NR. 2, 5<br />

Durch die Stiche hat D ebenfalls eine gefährliche Körperverletzung begangen,<br />

da im Tötungsvorsatz der Verletzungsvorsatz mit enthalten ist. <strong>Die</strong> Körper-<br />

verletzung tritt jedoch hinter dem Verdeckungsmord zurück.<br />

GESAMTERGEBNIS UND KONKURRENZEN<br />

D hat sich wegen gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 2, (5)<br />

in Tateinheit (§ 52) mit Sachbeschädigung gem. § 303 I strafb ar gemacht.<br />

Dazu in Tatmehrheit (§ 53) stehen ein <strong>Die</strong>bstahl mit Waff en gem. §§ 242 I,<br />

244 I Nr.1. a) und der Verdeckungsmord gem. §§ 212 I, 211 II Var. 9. Der ein-<br />

fache <strong>Die</strong>bstahl tritt hinter dem <strong>Die</strong>bstahl mit Waff en (Spezialität) zurück.<br />

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25 Durch das Mitzitieren des § 212 macht der Bearbeiter deutlich, dass er<br />

Mord entgegen der (noch) ständigen Rspr. als Qualifikation des Totschlags<br />

ansieht.<br />

26 Man kann (<strong>für</strong> eine bessere Übersicht) die Mordmerkmale auch nach<br />

Gruppen bezeichnen. Da diese aber nicht im Gesetz genannt werden, ist<br />

eine solche Zitierweise angreifbar.<br />

27 Vgl. Kindhäuser, § 2, Rn. 42.<br />

28 Fischer, § 211, Rn. 33.<br />

Fortgeschrittene im Zivilrecht:<br />

„Tollende Kinder und nachbarlicher Friede!“<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Eberhard Eichenhofer<br />

<strong>Die</strong> Aufgabe war ein Besprechungsfall meiner im Sommersemester 2009<br />

abgehaltenen Übung im BGB. Der Fall hat seinen Schwerpunkt im Recht der<br />

gesetzlichen Schuldverhältnisse.<br />

SACHVERHALT<br />

<strong>Die</strong> Eheleute A und B leben mit ihren Kindern in einem Zweifamilienhaus.<br />

Sie nutzen jeweils eine Wohnung und den gemeinsamen Garten. Im Sommer<br />

spielen dort ihre Kinder, die alle zwischen drei und sechs Jahre alt sind. Ob-<br />

wohl schon häufi ger beim Ballspiel das Grundstück der Nachbarn geschädigt<br />

- namentlich Blumen geknickt und Sträucher beschossen - wurden, boten die<br />

Eltern den Kindern keinen Einhalt.<br />

Eines Tages trat Bs 5jähriger Sohn Basti in einem unbeobachteten Augenblick<br />

seinen Ball auf Nachbars (N) Terrasse. <strong>Die</strong>ser traf dort die Kaff eekanne aus<br />

Meißener Porzellan, die vom Ball getroff en zu Boden stürzte und in viele Stü-<br />

cke zerschellte. Der Sammlerwert der Kanne liegt bei 800 €. <strong>Die</strong> Eltern A -<br />

wohl wissend, dass nicht ihr, sondern Bs Sohn Basti den Ball auf Ns Terrasse<br />

schoss - boten N, um den Frieden zu wahren und den Kindern ihr Spielpara-<br />

dies im Garten zu erhalten, 500 € als Entschädigung an, was N sofort dankend<br />

annahm, indes erwiderte, darin freilich nur eine Teilentschädigung zu sehen.<br />

Frage: Wie ist die Rechtslage?<br />

LÖSUNG<br />

A. ANSPRUCH N GEGEN B (§ 832)<br />

N könnte von B Schadensersatz in Höhe von 300 € nach §§ 832,249,251 ver-<br />

langen, falls B dem geschädigten N wegen Verletzung der Aufsichtspfl icht<br />

haft pfl ichtig geworden (1), die danach geschuldete Ersatzpfl icht auf Gelder-<br />

satz in Höhe von 800 € gerichtet (2) und der Anspruch durch die von A an N<br />

geleistete Zahlung von 500 € nur zum Teil erfüllt worden wäre (3).<br />

1.§ 832 begründet eine deliktsrechtliche Haft ung gegenüber dem Geschädig-<br />

ten <strong>für</strong> diejenigen, welche kraft Gesetzes zur Aufsicht über eine Person ver-<br />

pfl ichtet sind. <strong>Die</strong> Eltern trifft nach § 1626 die Pfl icht, <strong>für</strong> ihr minderjähriges<br />

Kind zu sorgen (Personensorge). <strong>Die</strong>se umfasst die Befugnis zur Beaufsichti-<br />

gung von Kleinkindern 1 und umschließt vornehmlich die Aufgabe, Kleinkin-<br />

der von der Schädigung Dritter beim Ballspiel abzuhalten 2 . Da Basti in einem<br />

unbeobachteten Augenblick den Schaden bei N anrichtete, haben die Eltern B<br />

ihre dem Kind gegenüber bestehende Aufsichtspfl icht verletzt.<br />

§ 832 begründet wie § 831 eine Haft ung <strong>für</strong> vermutetes eigenes Verschulden.<br />

<strong>Die</strong> deliktsrechtliche Haft pfl icht wird danach widerlegbar vermutet, so ein<br />

Verrichtungsgehilfe oder Minderjähriger eine rechtswidrige schädigende<br />

1 BGHZ 111,282; Gerd Wagner in Münchener Kommentar zu BGB, SchR<br />

BT II, 2009(5.Aufl.) § 832 Rn 26f; Palandt - Sprau, BGB, 2009 (68.Aufl.) §<br />

832 Rn 10,12.<br />

2 BGH NJW 1993,1003.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Fallbearbeitung<br />

Eichenhofer, Jahrgang 1950, lehrt an der Friedrich-Schiller-<br />

Universität Jena Sozialrecht und Bürgerliches Recht.<br />

Eichenhofer, der 2003 von der Universität Göteborg die<br />

Ehrendoktorwürde verliehen bekam, ist derzeit Dekan der<br />

Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-<br />

Universität Jena.<br />

Handlung begehen; die Einstandspfl icht entfällt indessen, falls sich Ge-<br />

schäft herr oder Personensorgenberechtigter durch den Nachweis eigener<br />

Sorgsamkeit entlasten können. § 832 I 2 eröff net den Eltern also eine Entlas-<br />

tungsmöglichkeit, falls sie die erforderliche Aufsicht ausgeübt hätten. Im Hin-<br />

blick darauf ist die Erwägung wichtig: “Kinder erlernen den Umgang mit Ge-<br />

fahrenquellen und die Sorgfalt um Verkehr nicht durch permanente oder<br />

bloß punktuelle „Aufsicht“, sondern durch wiederholte Belehrung über Risi-<br />

ken und über den sachgerechten Umgang mit ihm, durch psychisches Un-<br />

möglichmachen gefährlicher Verhaltensweisen“ 3<br />

Da Bs Kinder aber bereits in der Vergangenheit des Öft eren Schäden auf dem<br />

Grundstück der Nachbarn verursachten, ohne dass die Eltern ihnen Einhalt<br />

geboten hätten, können sie sich daher nicht entlasten. Weil ein Mitverschul-<br />

den (§ 254) Ns ist nicht zu erkennen, sind B dem N also nach § 832 ersatz-<br />

pfl ichtig.<br />

2. Der demgemäß nach § 249 geschuldete Schadensersatz ist auf Naturalresti-<br />

tution gerichtet. Der schädigende Deliktsschuldner muss danach den vor<br />

Schädigung bestehenden ursprünglichen Zustand wiederherstellen 4 . Der auf<br />

Ns Terrasse geschossene Ball zerstörte eine Kaff eekanne aus Meißener Porzel-<br />

lan; sie fi el zu Boden und zerschellte dort .Eine Wiederherstellung kommt<br />

nicht in Betracht.<br />

Nach §§249, 251 ist bei Unmöglichkeit der Naturalrestitution der geschuldete<br />

Schadensersatz im Wege der Kompensation - also durch Wertersatz - zu leis-<br />

ten. Bei gebrauchten Sachen und Sachen mit Sammlerwert führt deren Zer-<br />

störung regelmäßig zur Unmöglichkeit der Naturalrestitution und damit bei<br />

einer durch Delikt begründeten gesetzlichen Haft ung zur Pfl icht zum Werter-<br />

satz 5 . <strong>Die</strong> Eltern B hätten danach 800 € an N zu zahlen<br />

3. <strong>Die</strong>ser Anspruch könnte aber in Folge der von den Eltern A an N erbrach-<br />

ten Zahlung insgesamt (a) oder zumindest in Höhe von 500 € getilgt worden<br />

sein(§362) (b).<br />

3 Gerd Wagner, in Münchener Kommentar zum BGB, SchR BT II, 2009<br />

(5.Aufl.), § 832 Rn 26.<br />

4 Hartmut Oetker, in Münchener Kommentar zum BGB ,SchR AT, 2007<br />

(5.Aufl.) § 249 Rn. 308ff.<br />

5 ebd., § 251 Rn 10.<br />

167


168<br />

Fallbearbeitung<br />

a) <strong>Die</strong> A wussten, dass Basti den Ball auf Ns Grundstück schoss und dadurch<br />

die Kaff eekanne zu Bruch ging .A bezweckten mit der Zahlung also nicht, ei-<br />

ner eigenen Haft pfl icht nachzukommen, sondern wollten vielmehr stattdes-<br />

sen, einen Beitrag zur Schadensregulierung leisten. <strong>Die</strong> A zahlten mithin auf<br />

eine Schuld der B.<br />

Weil aber Geldschulden – anders als <strong>Die</strong>nst- (§ 613), Gesellschaft s-(§ 713)<br />

oder Verwahrungsverträge(§ 691) – grundsätzlich nicht höchstpersönlich er-<br />

füllt werden müssen, können sie gemäß § 267 auch von Dritten getilgt werden.<br />

<strong>Die</strong>s setzt voraus, dass der Gläubiger mit der Schuldentilgung durch Dritte<br />

einverstanden ist. Allerdings ist der Gläubiger nicht zur Entgegennahme des<br />

zwecks Erfüllung angebotenen Geldes verpfl ichtet, falls der Schuldner einer<br />

Tilgung der Verbindlichkeit durch einen Dritten widerspricht (§ 267 II). Da<br />

die B keinen Widerspruch gegen die Zahlung der A an N erhoben, konnte N<br />

der Schuldentilgung durch die A nicht widersprechen ,so dass die Zahlung<br />

der A an N die bei diesem bestehende Schuld der B erfüllte und damit ver-<br />

minderte.<br />

b) Durch den von N nach Empfang erklärten Vorbehalt, in der Zahlung nur<br />

eine Teilentschädigung zu sehen, ist deutlich geworden, dass N die Zahlung<br />

nicht als vollen Schadensausgleich versteht. N hat also die Zahlung von 500€<br />

nicht an Erfüllung statt (§364 II) angenommen; vielmehr ist diese als Teilleis-<br />

tung anzusehen. Teilleistungen sind zwar grundsätzlich unstatthaft ; die von A<br />

erbrachte hat aber die ausdrückliche Billigung durch N gefunden .Trotz des<br />

grundsätzlichen Verbots der Teilleistung(§266) ist sie bei der Schadensersatz-<br />

leistung auch wegen der bei deliktsrechtlichen Haft ung regelmäßig bestehen-<br />

den Unsicherheit über die Verantwortung <strong>für</strong> Schadensentstehung und Er-<br />

satzauft eilung als grundsätzlich statthaft anzusehen 6 . Deswegen ist die Schuld<br />

der B durch die Zahlung der A jedenfalls in Höhe von 500 € erfüllt. N kann<br />

von B also noch 300 € verlangen.<br />

B. ANSPRUCH A GEGEN N AUF RÜCKZAHLUNG<br />

(§ 812 I 1, 1. ALT.)<br />

A könnte von N Rückgewähr von 500 € nach § 812 I 1, 1. Alt. verlangen, falls<br />

A an N ohne Rechtsgrund geleistet hätten. Zwar hatten A an N gezahlt. Sie be-<br />

zweckten mit der Zahlung jedoch, die Schuld der B zu tilgen. <strong>Die</strong> Zahlung der<br />

A sollte der Wahrung des Friedens zwischen A und B mit N und der Erhal-<br />

tung des Spielparadieses <strong>für</strong> die Kinder der A und B dienen. Deshalb be-<br />

zweckten A mit ihrer Zahlung in erster Linie die Befriedung des N durch eine<br />

Befriedigung der Verbindlichkeit der B gegenüber N.<br />

Des Weiteren stellte sich As Zahlung aus der <strong>für</strong> das Vorliegen eines Leis-<br />

tungsverhältnisses allgemein maßgeblichen Sicht des Empfängers der Leis-<br />

tung 7 nicht als diejenige der A, sondern als die Erfüllung der N gegenüber B<br />

zustehenden Forderung auf Schadensersatz dar.<br />

5 ebd., § 251 Rn 10.<br />

6 Wolfgang Krüger in Münchener Kommentar zum BGB, SchR AT,2007<br />

(5.Aufl), § 266 Rn 16.<br />

7 BGHZ 122,46, BGH NJW 2005,60;1999,1393.<br />

8 BGHZ 113, 62, 68, Martin Schwab in Münchener Kommentar zum<br />

BGB, SchRBT II, 2009 (5.Aufl), § 812 Rn 155.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Ob diese Deutung auch gilt, wenn die Verbindlichkeit nicht besteht, ist zwar<br />

umstritten und wird in Judikat<strong>iur</strong> und Literatur überwiegend verneint 8 ; etwas<br />

anderes soll indessen auch nach h.M. gelten, wenn die Verbindlichkeit – wie<br />

hier - besteht 9 . A können daher mangels eigener Leistung an N nicht von die-<br />

sem die Rückzahlung nach § 812 I 1, 1.Alt verlangen, weil die getilgte Ver-<br />

bindlichkeit bestand und damit ein Rechtsgrund <strong>für</strong> die Leistung im Verhält-<br />

nis B zu N gegeben war.<br />

C. ANSPRÜCHE A GEGEN B<br />

I. AUS GESCHÄFTSFÜHRUNG OHNE AUFTRAG, GERICHTET<br />

AUF AUFWENDUNGSERSATZ (§§ 683, 677, 670)<br />

A könnten von B nach §§ 683, 677, 670 Zahlung von 500 € verlangen, wenn A<br />

mit der Zahlung ein Geschäft <strong>für</strong> B besorgten (a), das deren Willen oder Inte-<br />

ressen entsprach (b) und die zum Zweck des Schadensersatzes geleistete Zah-<br />

lung eine Aufwendung darstellte (c).<br />

a) Ein objektiv fremdes Geschäft liegt vor, wenn die Handlung des Geschäft s-<br />

führers den Geschäft skreis des Geschäft sherrn berührt 10 . <strong>Die</strong> Bezahlung einer<br />

Schuld ist eine den Schuldner treff ende Last, welche ihm eine Handlungs-<br />

pfl icht gegenüber dem Gläubiger auferlegt (§ 241). Deshalb stellt die Tilgung<br />

der Schuld der B bei N durch A ein objektiv fremdes Geschäft (§ 677) dar<br />

ganz ebenso wie eine Rettungshandlung, die A <strong>für</strong> ein in Gefahr geratenes<br />

Haus des B unternommen hätten. Beide Handlungen der A berührten den<br />

Geschäft skreis der B. Da A das Geschäft auch <strong>für</strong> B und nicht <strong>für</strong> sich selbst<br />

führen wollten, liegt darin weder eine Eigengeschäft sführung (§ 687 I), noch<br />

Geschäft sanmaßung (§ 687 II), sondern ein zugleich objektiv wie subjektiv<br />

fremdes Geschäft vor.<br />

b) Durch die Zahlung der Schulden der B durch A werden die <strong>für</strong> B bestehen-<br />

den Verbindlichkeiten gegenüber N aus § 832 zum Teil erfüllt und gleichzei-<br />

tig die Haft ung der B gegenüber N vermindert. <strong>Die</strong>s erfüllte den Tatbestand<br />

der berechtigten Geschäft sführung ohne Auft rag, falls die Handlung dem<br />

Willen und Interesse des Schuldners entsprechen würde. Weil durch jegliche<br />

Schuldentilgung die Verpfl ichtungen des Schuldners gegenüber seinem Gläu-<br />

biger vermindert werden und der Schuldner damit einen Zuwachs an Rech-<br />

ten in Gestalt der Verminderung von eigenen Verpfl ichtungen gegenüber an-<br />

deren erfährt ,ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine Schuldentilgung im<br />

Wille und Interesse des Schuldners liegt 11 . Folgleich haben A als berechtigte<br />

Geschäft sführer ohne Auft rag gehandelt, weshalb A wie Beauft ragte nach<br />

§§683,670 Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen können.<br />

c) <strong>Die</strong> Begleichung einer Schadensersatzpfl icht erfordert ein eigenes Vermö-<br />

gensopfer von dem Geschäft sführer. <strong>Die</strong> A opfern in Höhe von 500 € eigene<br />

Vermögenswerte zum Vorteil der B auf. Da Aufwendungen im Unterschied<br />

zum Schaden freiwillige, statt unfreiwilliger Vermögensopfer darstellen 12 ,<br />

9 ebd, Rn . 157.<br />

10 Palandt-Sprau, BGB , 2009 (68.Aul.), § 677 Rn 4, BGH ZIP<br />

2003,1399,1403; OLG Koblenz NJW –RR 1998,1516.<br />

11 BGHZ 47,370, , WM 1999,2032;1998,494.<br />

12 BGHZ 8, 222,229; BGH NJW 2000,3712,3715.<br />

liegt in der Zahlung des von B dem N geschuldeten Schadensersatzes eine<br />

Aufwendung (§ 670). <strong>Die</strong> A können also von B nach §§ 683, 677, 670 Aufwen-<br />

dungsersatz in Höhe von 500 € verlangen.<br />

II. ANSPRUCH AUF RÜCKZAHLUNG NACH § 812 I 1, 1. ALT.<br />

A könnten von B Zahlung von 500 € nach § 812 I 1, 1. Alt. verlangen, wenn sie<br />

an B geleistet hätten(a) und <strong>für</strong> die Leistung im Verhältnis zu B kein Rechts-<br />

grund bestünde(b)<br />

a) A bezweckten mit der Zahlung, die B von ihrer gegenüber N bestehenden<br />

Verbindlichkeit aus § 832 zu befreien. Indem die A an N zahlten, haben sie<br />

folglich an B geleistet, weil die A den B gegenüber den Zweck verfolgten, ei-<br />

nen letzterem nützliches Geschäft zu besorgen 13 . A handelten also N gegenü-<br />

ber mit Fremdtilgungswillen und trafen mit ihrer Zahlung auch eine entspre-<br />

chende Tilgungsbestimmung zugunsten des N 14 Mit der Tilgung ist jedoch<br />

ein Rechtsverhältnis nach § 677 zwischen A und B zustande kommen. <strong>Die</strong>ses<br />

bildet das Kausalverhältnis <strong>für</strong> die Leistungsgewährung 15 der B an N und in<br />

ihm liegt auch der Rechtsgrund <strong>für</strong> die von A und B erbrachte Leistung. Eine<br />

Leistungskondiktion zwischen A und B ist folglich nicht begründet.<br />

III. ANSPRUCH AUF RÜCKZAHLUNG NACH § 812 I 1, 2. ALT<br />

(RÜCKGRIFFSKONDIKTION)<br />

Da die Geschäft sführung der A den B einen Vermögensvorteil über 500 € ver-<br />

schafft en, könnten die B aber auf Kosten der A bereichert sein. B schuldeten<br />

daher den A einen Ausgleich in Höhe einer erlangten Bereicherung, falls<br />

durch die Zahlung an N eine Bereicherung der B in sonstiger Weise eingetre-<br />

ten wäre. <strong>Die</strong>se wäre zu verneinen, wenn wegen der Leistung der A an B ein<br />

Rückgriff im Wege der Nichtleistungskondiktion ausgeschlossen wäre (a), in-<br />

dessen zu bejahen, falls As Zahlung zwar N zufrieden stellte, aber im Ergeb-<br />

nis nicht B entlasten sollte (b) und die in § 684 enthaltene Regelung dem An-<br />

spruch nicht entgegensteht (c)..<br />

a) Ausweislich des Sachverhalts verfolgten die A mit Ihrer Zahlung an N den<br />

Zweck, die Folgen der Schädigung zu beseitigen, namentlich <strong>für</strong> Frieden zwi-<br />

schen N und den Eltern B und A zu sorgen. <strong>Die</strong> Zahlung sollte aber nicht zu-<br />

gleich bezwecken, dass A die B aus ihrer haft pfl ichtrechtlichen Verantwor-<br />

tung gegenüber N endgültig und auf deren eigene Kosten befreien sollte.<br />

Der mit der Schuldentilgung im Verhältnis B und N verfolgte Zweck war folg-<br />

lich mit der Absicht verbunden, B gegenüber A durch ein eigenes Rechtsver-<br />

hältnis der Geschäft sführung ohne Auft rag zu verbinden. <strong>Die</strong> von A an N ge-<br />

richtete Zahlung ist also nicht nur als eine mit Rechtsgrund erfolgende<br />

Leistung der B an N, sondern zugleich als eine mit Rechtsgrund erfolgende<br />

Leistung der A an B zu verstehen. Da <strong>für</strong> beide Vermögensübertragungen je-<br />

weils ein eigener Rechtsgrund vorliegt, bleibt <strong>für</strong> einen Ausgleich der Berei-<br />

cherungen mangels Bestehens einer Leistungskondiktion kein Raum.<br />

<strong>Die</strong> Gefahr einer möglichen Verdrängung einer begründeten Leistungskon-<br />

diktion durch eine Nichtleistungskondiktion besteht daher nicht. Weil im<br />

Verhältnis A zu B zwar eine Leistung vorliegt, diese aber mit Rechtsgrund er-<br />

13 BGH ZIP 2008,1703.<br />

14 Palandt-Sprau, BGB , 2009 ( 68.Aufl), § 812 Rn 63<br />

15 Harm Peter Westermann/ P Buck-Hueb, in Erman, BGB , 2008 (12.<br />

Aufl), § 812 Rn 26 ; Esser/Weyers, SchR BT, 1976 (4.Aufl.), § 48 III4.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Fallbearbeitung<br />

ging, besteht vorliegend keine Konkurrenzlage zwischen Leistungs- und<br />

Nichtleistungskondiktion ,die nach der Vorrangregel: Leistungs- vor Nicht-<br />

leistungskondiktion! aufzulösen wäre.<br />

b) Der Tatbestand der Nichtleistungskondiktion wird nicht nur durch Akte<br />

des Eingriff s in die Rechtssphäre des Bereicherungsgläubigers erfüllt, sondern<br />

auch durch anderweitige Rechtshandlungen, welche den Zuweisungsgehalt<br />

eines fremden Rechts zwar berühren, in dieses aber nicht eingreifen 16 .<br />

<strong>Die</strong>s ist namentlich der Fall, wenn jemand <strong>für</strong> einen anderen Verwendungen<br />

oder Aufwendungen trifft , deren Ergebnis dem Rechtsinhaber zugute kommt.<br />

Unter dieser Voraussetzung besteht die Pfl icht zum Bereicherungsausgleich<br />

aufgrund einer Verwendungs- oder Rückgriff skondiktion – die ihrerseits als<br />

Unterfälle einer Bereicherung in sonstiger Weise anzusehen sind. 17 . Eine<br />

Rückgriff skondiktion ist regelmäßig dann gegeben, wenn ein Schuldner auf<br />

Kosten eines Dritten von einer eigenen Verbindlichkeit befreit wird. Da die A<br />

die B von der in § 832 begründeten deliktsrechtlichen Haft ung gegenüber N<br />

befreiten, ohne selbst die Zahlung endgültig zu tragen, sind im Verhältnis A<br />

zu B die Voraussetzungen einer Rückgriff skondiktion gegeben.<br />

c) § 684 steht diesem Anspruch nicht unmittelbar entgegen, weil die Bestim-<br />

mung <strong>für</strong> die unberechtigte, jedoch gerade nicht der § 683 genügende Ge-<br />

schäft sführungsmaßnahme gilt und deshalb <strong>für</strong> die vorliegende Fallgestal-<br />

tung nicht einschlägig ist. <strong>Die</strong> darin enthaltene Rechtsfolgenverweisung 18<br />

stellt aber im Gegenzug klar, dass selbst eine unberechtigte Geschäft sführung<br />

ohne Auft rag den Geschäft sherrn zum Bereicherungsausgleich verpfl ichtet.<br />

Hier liegt dagegen eine berechtigte Geschäft sführung ohne Auft rag vor. Ver-<br />

pfl ichtet aber schon jene zur Abschöpfung ungerechtfertigter Vermögensvor-<br />

teile des Geschäft sherrn zum Bereicherungsausgleich, so muss dieses umso<br />

mehr – argumentum a fortiori - <strong>für</strong> die berechtigte Geschäft sführung gelten.<br />

B schulden A folglich auch nach § 812 I 1, 2. Alt. Zahlung von 500 €.<br />

ERGEBNIS:<br />

N kann von B nach § 832 300 €, A können von N nichts, aber von B weitere<br />

500 € nach §§ 677,683,670 sowie § 812 I1,2. Alt. verlangen.<br />

Wir suchen Studierende, wissenschaftliche MitarbeiterInnen, die Lust<br />

haben, an der Gestaltung unserer Publikationen mitzuwirken. Der<br />

Aufgabenbereich umfasst u.a die Einwerbung von Beiträgen und das<br />

Entwickeln eigener Ideen <strong>für</strong> Titelthemen oder sonstige Beiträge.<br />

Ab sofort suchen wir <strong>für</strong> das Ressort „Fallbearbeitungen“<br />

1 Redakteur (m/w)<br />

Berwerbungen bitte per E-Mail an bewerbung@<strong>iur</strong>ratio.de<br />

16 Martin Schwab, In Münchener Kommentar zum BGB, SchR BT II2009<br />

(5.Aufl), § 812 Rn 235ff.<br />

17 Ebd., Rn 317ff.<br />

18 BGH WM 1976, 1056, 1060.<br />

169


170<br />

Fallbearbeitung<br />

SACHVERHALT<br />

Examenskandidaten im Öffentlichen Recht: „Tabakwerbeverbot“<br />

Prof. Dr. Christoph Herrmann, LL.M. / Akad. Rat Dr. Ferdinand Wollenschläger<br />

Der Autor Herrmann ist Inhaber der Lehrstuhls <strong>für</strong> Staats- und Vewaltungsrecht, Europarecht, Europäisches und Inter-<br />

nationales Wirtschaftsrecht an der Universität Passau, der Autor Wollenschläger Akademischer Rat am Lehrstuhl <strong>für</strong><br />

Öffentliches Recht und Staatsphilosophie (Prof. Dr. Peter M. Huber) der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-<br />

Universität München.<br />

Das Europäische Parlament und der Rat erlassen formell ordnungsgemäß<br />

eine Richtlinie über die Herstellung und Aufmachung von Tabakerzeugnissen<br />

sowie über die Werbung <strong>für</strong> diese (Tabakrichtlinie). <strong>Die</strong> Richtlinie wurde im<br />

Amtsblatt der EU vom 31.3.2009 veröffentlicht. In der Richtlinie werden<br />

Grenzen <strong>für</strong> den zulässigen Gehalt an Nikotin, Teer und Kohlenmonoxid ge-<br />

regelt und es wird die Anbringung von Warnhinweisen und Angaben über<br />

die Gehalte an o.g. Stoffen vorgeschrieben. Zudem enthält die Richtlinie ein<br />

Verbot der Werbung <strong>für</strong> Tabakwaren in Zeitungen und <strong>Zeitschrift</strong>en sowie<br />

durch Restaurantausstattungen (Sonnenschirme, Aschenbecher etc.). Zur Be-<br />

gründung wird angeführt, ein Handeln der EU auf diesem Gebiet sei ange-<br />

zeigt, da ansonsten infolge auseinander laufender Gesetzgebung in den Mit-<br />

gliedstaaten der Binnenmarkt <strong>für</strong> Tabakerzeugnisse ebenso wie der <strong>für</strong> Zei-<br />

tungen und <strong>Zeitschrift</strong>en beeinträchtigt würde. Bereits mehrere Mitgliedstaa-<br />

ten hatten angekündigt, dass sie ihre Vorgehensweise gegen das Rauchen ver-<br />

schärfen wollten und hierzu verschiedene Maßnahmen in Betracht ziehen,<br />

u.a. Werbeverbote sowie Einfuhrverbote <strong>für</strong> Zigaretten, die bestimmte<br />

Höchstwerte an Nikotin etc. übersteigen.<br />

<strong>Die</strong> Rauchgenuss AG, ein führender deutscher Hersteller von Tabakwaren,<br />

sieht sich durch die Richtlinie in erheblichem Maße wirtschaftlich beein-<br />

trächtigt. <strong>Die</strong> Richtlinie erleichtere den Handel zwischen den Mitgliedstaaten<br />

nicht, vielmehr verhindere sie ihn praktisch vollständig. Im Übrigen dürfe die<br />

EU im Bereich des Gesundheitsschutzes überhaupt nicht tätig werden. Zu-<br />

mindest sei es ihr diesbezüglich verboten, die Rechtsvorschriften der Mit-<br />

gliedstaaten zu harmonisieren. Das Vorgehen der EU stelle insoweit eine<br />

klare Umgehung dar.<br />

Auch die BRD sieht sich in ihren Zuständigkeiten rechtswidrig beschnitten.<br />

Genauso wie die Rauchgenuss AG hält sie die EU <strong>für</strong> unzuständig; jedenfalls<br />

widerspreche aber ein Tätigwerden der Union dem Subsidiaritätsgrundsatz.<br />

Schließlich verletzten die Verbote die Eigentums-, Berufs- und Meinungsfrei-<br />

heit.<br />

<strong>Die</strong> Rauchgenuss AG und die BRD erheben deshalb am 16.6.2009 Klage beim<br />

Gerichtshof.<br />

Bearbeitervermerk:<br />

Prüfen Sie gutachterlich die Erfolgsaussichten der Klagen.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

LÖSUNGSHINWEISE<br />

Vorbemerkung: Ungeachtet etwaiger Übergangsfragen beruht die Lösung<br />

auf dem Vertrag von Lissabon.<br />

A. EINSCHLÄGIGER RECHTSBEHELF<br />

<strong>Die</strong> BRD und die Rauchgenuss AG begehren die Nichtigerklärung einer EU-<br />

Richtlinie. Hier<strong>für</strong> kommt die Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV in Be-<br />

tracht (vgl. Art. 264 AEUV).<br />

B. ZULÄSSIGKEIT DER KLAGEN<br />

I. ZUSTÄNDIGKEIT<br />

Für Klagen der Mitgliedstaaten sowie der Unionsorgane ist grundsätzlich der<br />

EuGH zuständig (Art. 256 I 1 AEUV i.V.m. Art. 51 Satzung EuGH; dort auch<br />

zu Ausnahmen). Für sonstige Klagen ist das EuG zuständig (Art. 256 I 1<br />

AEUV i.V.m. Art. 51 Satzung EuGH e contrario).<br />

II. KLAGEBERECHTIGUNG<br />

Klageberechtigt sind die Mitgliedstaaten, die Unionsorgane sowie natürliche<br />

und juristische Personen. <strong>Die</strong> BRD ist als Mitgliedstaat klageberechtigt, die<br />

Rauchgenuss AG als juristische Person i.S.d. Art. 263 IV AEUV (unions-<br />

rechtlich-autonomer Begriff 1 ).<br />

III. BEKLAGTER<br />

<strong>Die</strong> Klage ist gegen das Unionsorgan zu richten, welches den streitgegen-<br />

ständlichen Rechtsakt erlassen hat, d.h. hier gegen EP und Rat als Unionsge-<br />

setzgeber im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, dem Mitentscheidungs-<br />

verfahren (Art. 289, 294 AEUV).<br />

IV. KLAGEGEGENSTAND<br />

Als privilegiert klageberechtigter Mitgliedstaat kann die BRD ohne Weiteres<br />

eine Richtlinie anfechten.<br />

Natürliche und juristische Personen konnten gemäß Art. 230 IV EG gegen an<br />

sie und an Dritte ergangene Entscheidungen sowie gegen Entscheidungen,<br />

1 EuGH, Rs. 135/81, Slg. 1982, 3799, Rn. 10 – Groupement des agences<br />

de voyages; W. Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV-Kommentar,<br />

2007, Art. 230 (jetzt: Art. 263 AEUV), Rn. 27.<br />

die als Verordnung ergangen sind („Schein-Verordnung“) Klage erheben.<br />

Eine Schein-Verordnung ist ein der Form nach als Verordnung erlassener<br />

Rechtsakt, der allerdings keine allgemeine Geltung (vgl. Art. 249 UA 2 S. 1<br />

EGV, jetzt Art. 288 UA 2 S. 1 AEUV) aufweist und damit seinem Inhalt nach<br />

kein normativer Akt ist. Mit der Einbeziehung von Schein-Verordnungen in<br />

Art. 230 IV EG „sollte insbesondere verhindert werden, dass die Gemein-<br />

schaftsorgane allein durch die Wahl der Form der Verordnung die Klage eines<br />

Einzelnen gegen die Entscheidung ausschließen können, die ihn unmittelbar<br />

und individuell betrifft; es sollte klargestellt werden, dass die Wahl der Form<br />

die Rechtsnatur einer Handlung nicht ändern kann“. 2 Nach der Rechtspre-<br />

chung des EuGH konnten darüber hinaus sogar „echte“ Verordnungen mit<br />

der Nichtigkeitsklage angegriffen werden, wenn sie „bestimmte natürliche<br />

oder juristische Personen individuell betreffen und damit ihnen gegenüber<br />

Entscheidungscharakter haben“. 3 <strong>Die</strong>s war dann im Rahmen der Klagebefug-<br />

nis zu prüfen.<br />

Richtlinien waren vom Wortlaut des Art. 230 IV EG aber überhaupt nicht er-<br />

fasst. Daher war umstritten, ob sie Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein<br />

können. Gegen eine solche Möglichkeit sprach der eindeutige Wortlaut. Sah<br />

man hierin kein generelles Hindernis, so stellte sich weiter die Frage, ob –<br />

analog zum eben zu Verordnungen ausgeführten – nur sog. „Scheinrichtli-<br />

nien“ oder auch „echte“ Richtlinien angreifbar sein sollten. Jedenfalls „Schein-<br />

Richtlinien“ wurden überwiegend <strong>für</strong> angreifbar gehalten mit dem Argument,<br />

dass insoweit genauso wie bei Verordnungen die Gefahr des Formmiss-<br />

brauchs bestünde (Entscheidung im Gewande einer Richtlinie) und der Ge-<br />

meinschaftsgesetzgeber nicht mittels der Formwahl über Rechtsschutzmög-<br />

lichkeiten bestimmen dürfe. 4 Ob auch „echte“ Richtlinien erfasst waren, war<br />

genauso – wie bei „echten“ Verordnungen – umstritten. <strong>Die</strong> neuere Recht-<br />

sprechung des EuG bejahte dies; argumentiert wurde analog zur Problematik<br />

bei „echten“ Verordnungen. 5<br />

Der neu gefasste Art. 263 IV AEUV sieht vor, dass natürliche und juristische<br />

Personen „gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell<br />

betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter,<br />

die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach<br />

sich ziehen“ Nichtigkeitsklage erheben können. Da der Begriff der Handlun-<br />

gen auch Richtlinien umfasst (vgl. Art. 288 AEUV), stellen Richtlinien seit In-<br />

Kraft-Treten des Vertrags von Lissabon unproblematisch einen tauglichen<br />

Klagegegenstand dar.<br />

Zwischenergebnis:<br />

<strong>Die</strong> Tabak-Richtlinie ist mithin tauglicher Klagegegenstand.<br />

2 EuGH, Verb. Rs. 789 und 790/79, Slg. 1980, 1949, Rn. 7 – Calpak u.a.<br />

3 EuGH, Rs. C-50/00 P, Slg. 2002, I-6677, Rn. 36 – Unión de Pequeños<br />

Agricultores; ferner Rs. C-358/89, Slg. 1991, I-2501, Rn. 13 f. – Extramet;<br />

Rs. C-309/89, Slg. 1994, I-1853, Rn. 19 – Codorníu. Näher: W. Cremer, in:<br />

Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV-Kommentar, 2007, Art. 230, Rn. 30 ff.<br />

4 EuG, Rs. T-223/01, Slg. 2002, II-3259, Rn. 28 – Japan Tobacco Inc. u.a.;<br />

T-321/02, Slg. 2003, II-1997, Rn. 21 – Vannieuwenhuyze-Morin; Rs. T-<br />

310/03, Slg. 2006, II-36, Rn. 40 ff. – Kreuzer.<br />

5 EuG, Rs. T-135/96, Slg. 1998, II-2335, Rn. 67 f. – UEAPME; ferner verb.<br />

Rs. T-172, T-175–177/98, Slg. 2000, II-2487, Rn. 30 – Salamander; Rs. T-<br />

223/01, Slg. 2002, II-3259, Rn. 28 ff. – Japan Tobacco Inc. u.a.; Rs. T-<br />

321/02, Slg. 2003, II-1997, Rn. 21 ff. – Vannieuwenhuyze-Morin; T-<br />

310/03, Slg. 2006, II-36, Rn. 47 – Kreuzer; R. Streinz, Europarecht, 2008,<br />

Rn. 591; siehe aber auch Rs. T-99/94, Slg. 1994, II-871, Rn. 17 f. – Asocarne.<br />

I. E. str., näher: W. Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV-<br />

Kommentar, 2007, Art. 230 (jetzt: Art. 263 AEUV), Rn. 38 ff.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

V. KLAGEBEFUGNIS<br />

Fallbearbeitung<br />

Fraglich ist, ob die BRD und die Rauchgenuss AG klagebefugt sind. Insoweit<br />

ist zwischen ersterer als privilegiert (1.) und letzterer als nicht-privilegiert (2.)<br />

Klageberechtigten zu differenzieren. Sog. „privilegiert Klageberechtigte“ sind<br />

stets klagebefugt (Art. 263 II AEUV). Damit ist die Klagebefugnis der BRD<br />

ohne Weiteres zu bejahen. Für sog. „nicht-privilegiert“ Klageberechtigte muss<br />

die Klagebefugnis demgegenüber gesondert festgestellt werden. Natürliche<br />

und juristische Personen sind bei an sie gerichteten Handlungen stets klage-<br />

befugt. Im Übrigen ist eine unmittelbare (aa) und individuelle (bb) Betroffen-<br />

heit erforderlich.<br />

A) UNMITTELBARE BETROFFENHEIT<br />

<strong>Die</strong> angegriffene Maßnahme muss sich auf die Rechtsstellung des Betroffen<br />

unmittelbar auswirken, d.h. es dürfen entweder keine Vollzugsakte mehr er-<br />

forderlich sein (formelle Unmittelbarkeit) oder trotz Notwendigkeit eines<br />

Vollzugsakts keinerlei Ermessensspielräume bzgl. des „Ob“ und „Wie“ der<br />

Umsetzung bestehen (materielle Unmittelbarkeit). 6 Da Richtlinien einer Um-<br />

setzung in das nationale Recht bedürfen (vgl. Art. 288 III AEUV), kommt nur<br />

die zweite Alternative in Betracht. Bei der Umsetzung dürfte den Mitglied-<br />

staaten mithin kein Ermessensspielraum zukommen. <strong>Die</strong>s kann <strong>für</strong> die zwin-<br />

genden Vorschriften einer Richtlinie angenommen werden (str. mit Blick auf<br />

Umsetzungsbedürftigkeit). 7<br />

Hinsichtlich der Umsetzung des Werbeverbots besteht kein Spielraum <strong>für</strong> die<br />

Mitgliedstaaten. Damit ist eine unmittelbare Betroffenheit der Rauchgenuss<br />

AG zu bejahen.<br />

B) INDIVIDUELLE BETROFFENHEIT<br />

<strong>Die</strong> Rauchgenuss AG müsste aber auch individuell betroffen sein.<br />

Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Bestimmung der individuellen Betroffenheit ist die<br />

sog. „Plaumann-Formel“ des EuGH. Danach erfordert die individuelle Be-<br />

troffenheit, dass die „streitige Vorschrift … den Kläger wegen bestimmter<br />

persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen<br />

Personen heraushebenden Umstände [betrifft] und … ihn daher wie den<br />

Adressaten einer Entscheidung [individualisiert]“. 8 Wann dies der Fall ist, ha-<br />

ben der EuGH und das EuG in ihrer Rechtsprechung <strong>für</strong> den Einzelfall kon-<br />

kretisiert. 9<br />

<strong>Die</strong> bloße (nachteilige) Betroffenheit durch einen Unionsrechtsakt qua Grup-<br />

penzugehörigkeit genügt damit nicht. Demnach wäre die Rauchgenuss AG<br />

nicht klagebefugt, da sie durch die Richtlinie lediglich als Tabakwarenherstel-<br />

lerin nachteilig betroffen ist. In der Rs. Jégo-Quéré hat das EuG das der Recht-<br />

sprechung des EuGH zugrunde liegende restriktive Verständnis der individu-<br />

6 W. Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV-Kommentar, 2007,<br />

Art. 230 (jetzt: Art. 263 AEUV), Rn. 46 ff. Siehe aber auch EuG, verb. Rs.<br />

T-172 und 175-177/98, Slg. 2000, II-2487, Rn. 54, 64 ff. – Salamander<br />

u.a.<br />

7 So auch U. Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV-Kommentar, 2003,<br />

Art. 230 (jetzt: Art 263 AEUV), Rn. 49. Siehe demgegenüber aber auch<br />

EuG, verb. Rs. T-172 und 175-177/98, Slg. 2000, II-2487, Rn. 54, 64 ff. –<br />

Salamander u.a.; C. Herrmann, Examens-Repetitorium Europarecht/<br />

Staatsrecht, 2009, Rn. 225.<br />

8 EuGH, Rs. 25/62, Slg. 1963, 199 (238) – Plaumann.<br />

9 Vgl. EuG, Rs. T-177/01, Slg. 2002, II-2365, Rn. 32 ff. – Jégo-Quéré.<br />

171


172<br />

Fallbearbeitung<br />

ellen Betroffenheit kritisiert. 10 Eine individuelle Betroffenheit sei demgegen-<br />

über bereits dann anzunehmen, wenn eine Bestimmung des Unionsrechts die<br />

„Rechtsposition [einer Person] unzweifelhaft und gegenwärtig beeinträchtigt,<br />

indem sie ihre Rechte einschränkt oder ihr Pflichten auferlegt. <strong>Die</strong> Zahl und<br />

die Lage anderer Personen, deren Rechtsposition durch die Bestimmung<br />

ebenfalls beeinträchtigt wird oder werden kann, sind insoweit keine relevan-<br />

ten Gesichtspunkte.“ 11<br />

Der EuGH hat ungeachtet der Kritik des EuG in der Rs. Unión de Pequeños<br />

Agricultores 12 und in seiner Revisionsentscheidung in der Rs. Jégo-Quéré 13 an<br />

der Plaumann-Formel festgehalten. Zur Begründung führt der Gerichtshof<br />

aus, dass nach dem System des unionsrechtlichen Rechtsschutzes ein Indivi-<br />

duum – anders als die privilegiert Klageberechtigten – Verordnungen (jetzt:<br />

Handlungen) nur im Ausnahmefall angreifen kann, nämlich wenn diese ihn<br />

individuell in dem Sinne betreffen, dass sie ihm gegenüber Entscheidungs-<br />

charakter haben. Ein weites Verständnis der individuellen Betroffenheit, das<br />

lediglich eine Berührung in eigenen Rechten, aber keine besondere Individu-<br />

alisierung verlangt, stellt diesen vertraglich vorgezeichneten Ausnahmecha-<br />

rakter der Klagemöglichkeit Einzelner gegen Verordnungen (jetzt: Handlun-<br />

gen) in Frage und würde damit die Auslegungskompetenz des EuGH über-<br />

schreiten. Effektiver Rechtsschutz gegen Verordnungen (jetzt: Handlungen)<br />

sei damit auf mitgliedstaatlicher Ebene sicherzustellen; in diesem Rahmen<br />

kann dann der Gerichtshof angerufen werden, um über die Gültigkeit von Se-<br />

kundärrecht zu entscheiden. 14<br />

Nach der Neufassung des Art. 263 IV AEUV durch den Vertrag von Lissabon<br />

entfällt, wie bereits im Verfassungsvertrag (Art. III-365 IV VVE), das Erfor-<br />

dernis einer individuellen Betroffenheit bei Rechtsakten „mit Verordnungs-<br />

charakter“. Bei diesen handelt es sich aber nicht generell um alle Verordnun-<br />

gen i.S.d. Art. 288 UA 2 AEUV (früherer Art. 249 UA 2 EG), sondern ledig-<br />

lich um die Rechtsakte, die nicht im Rahmen des „ordentlichen Gesetzge-<br />

bungsverfahrens“ (Art. 289 I AEUV) bzw. eines „besonderen Gesetzgebungs-<br />

verfahrens“ (Art. 289 II AEUV) erlassen worden sind, da diese „Gesetzge-<br />

bungscharakter“ haben (Art. 289 III AEUV). Solchen „Verordnungscharak-<br />

ter“ weisen insbesondere die Durchführungsverordnungen (Art. 291 II<br />

AEUV) bzw. delegierten Verordnungen der Europäischen Kommission auf<br />

(Art. 290 AEUV). 15 Vorliegend handelt es sich jedoch um einen Rechtsakt, der<br />

im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen wurde, so dass es bei dem<br />

Erfordernis der individuellen Betroffenheit bleibt.<br />

Da die Rauchgenuss AG in keine der Fallgruppen der individuellen Betroffen-<br />

heit fällt und die Kriterien der Plaumann-Formel nicht erfüllt, ist sie nicht<br />

klagebefugt, ihre Klage damit unzulässig. <strong>Die</strong> BRD ist demgegenüber klage-<br />

befugt.<br />

10 EuG, Rs. T-177/01, Slg. 2002, II-2365, Rn. 41 ff. – Jégo-Quéré.<br />

11 EuG, Rs. T-177/01, Slg. 2002, II-2365, Rn. 51 – Jégo-Quéré.<br />

12 EuGH, Rs. C-50/00 P, Slg. 2002, I-6677, Rn. 32 ff. – Unión de Pequeños<br />

Agricultores.<br />

13 EuGH, Rs. C-263/02 P, Slg. 2004, I-3425, Rn. 29 ff. – Jégo-Quéré.<br />

14 EuGH, Rs. C-50/00 P, Slg. 2002, I-6677, Rn. 32 ff. – Unión de Pequeños<br />

Agricultores; Rs. C-263/02 P, Slg. 2004, I-3425, Rn. 29 ff. – Jégo-Quéré.<br />

15 <strong>Die</strong>s ergibt sich aus dem Vergleich mit den Vorschriften des Verfassungsvertrages,<br />

in dem der Begriff „Verordnung“ <strong>für</strong> Rechtsakte, die<br />

nicht in einem Gesetzgebungsverfahren erlassen worden sind, vorbehalten<br />

war (vgl. R. Streinz/C. Ohler/C. Herrmann, Der Vertrag von Lissabon<br />

zur Reform der Europäischen Union, 2008, S. 93 ff.).<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

VI. GELTENDMACHUNG EINES KLAGEGRUNDES<br />

Der Kläger muss mindestens einen der in Art. 263 II AEUV abschließend auf-<br />

gezählten Nichtigkeitsgründe geltend machen (Unzuständigkeit, Verletzung<br />

wesentlicher Formvorschriften, Verletzung der Verträge oder von Sekundär-<br />

recht, Ermessensmissbrauch). Eine schlüssige Darlegung genügt; die genaue<br />

Zuordnung und Bezeichnung des jeweiligen Nichtigkeitsgrundes ist nicht er-<br />

forderlich. 16 Hiervon kann vorliegend ausgegangen werden.<br />

VII. KLAGEFRIST<br />

Gemäß Art. 263 VI AEUV ist die Nichtigkeitsklage „binnen zwei Monaten zu<br />

erheben; diese Frist läuft je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der be-<br />

treffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung<br />

dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kennt-<br />

nis erlangt hat.“ Näheres regeln die VerfO von EuGH und EuG (Art. 80 f.<br />

VerfO-EuGH bzw. Art. 101 f. VerfO-EuG).<br />

Bei im Amtsblatt der EU veröffentlichten Maßnahmen – wie EU-Richtlinien<br />

– gilt Art. 81 § 1 VerfO-EuGH, der bestimmt: „Beginnt eine Frist <strong>für</strong> die Erhe-<br />

bung einer Klage gegen eine Maßnahme eines Organs mit der Veröffentli-<br />

chung der Maßnahme, so ist diese Frist im Sinne von Artikel 80 § 1 Buchstabe<br />

a vom Ablauf des vierzehnten Tages nach der Veröffentlichung der Maß-<br />

nahme im Amtsblatt der Europäischen Union an zu berechnen.“ In der Aus-<br />

legung des EuGH ordnet dies den Fristbeginn am 14. Tag nach Veröffentli-<br />

chung (hier: 31.3.2009) an, mithin am 14.4.2009. 17 Sie endet gemäß Art. 80 §<br />

1 lit. b VerfO-EuGH am 14.6.2009 (So). Eine Verschiebung auf den nächsten<br />

Werktag gemäß Art. 80 § 2 VerfO-EuGH kommt nicht in Betracht, da zu-<br />

nächst die pauschale Entfernungsfrist von 10 Tagen gemäß Art. 81 § 2 VerfO-<br />

EuGH zu addieren ist. 18 Fristende ist damit der 24.6.2009 (Mi).<br />

<strong>Die</strong> Klageerhebung am 16.6.2009 erfolgte damit fristgerecht.<br />

VIII. FORM (ART. 21 SATZUNG EUGH, ART. 37F.<br />

VERFOE-EUGH BZW. 43 F. VERFOE- EUG)<br />

Zwischenergebnis: Mangels Klagebefugnis ist die Klage der Rauchgenuss AG<br />

unzulässig; die Klage der BRD ist demgegenüber zulässig.<br />

C. BEGRÜNDETHEIT DER KLAGE DER BRD<br />

<strong>Die</strong> Klage ist begründet, wenn einer der in Art. 263 II AEUV abschließend<br />

aufgezählten Nichtigkeitsgründe vorliegt, nämlich die Unzuständigkeit (I.),<br />

eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften (II.), ein Ermessensmiss-<br />

brauch (III.) oder eine Verletzung der Verträge oder einer bei ihrer Durch-<br />

führung anzuwendenden Rechtsnorm (Sekundärrecht; IV.). Der Gerichtshof<br />

prüft allerdings nur die geltend gemachten bzw. von Amts wegen zu berück-<br />

sichtigenden Mängel. 19 Das folgende Schema ist demgegenüber umfassender<br />

angelegt.<br />

16 C. Herrmann, Examens-Repetitorium Europarecht/Staatsrecht, 2009, Rn. 230.<br />

17 EuGH, Rs. C-406/01, Slg. 2002, I-4561, Rn. 12 ff. – D/EP und Rat; ferner<br />

(<strong>für</strong> die VerfO-EuG) EuG, Rs. T-126/00, Slg. 2001, II-85, Rn. 14 f. –<br />

Confindustria u.a. Siehe auch W. Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.),<br />

EUV/EGV-Kommentar, 2007, Art. 230, Rn. 67.<br />

18 EuG, T-126/00, Slg. 2001, II-85, Rn. 18 – Confindustria u.a. (<strong>für</strong> die<br />

VerfO-EuG); W. Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV-Kommentar,<br />

2007, Art. 230 (jetzt: Art. 263 AEUV), Rn. 70.<br />

19 W. Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV-Kommentar, 2007,<br />

Art. 230 (jetzt: Art. 263 AEUV), Rn. 72.<br />

I. UNZUSTÄNDIGKEIT<br />

Bei der Zuständigkeit ist zwischen der Verbands- (EU oder Mitgliedstaaten),<br />

Organ-, räumlichen und sachlichen (Handlungsform) Zuständigkeit zu un-<br />

terscheiden. 20<br />

1. VERBANDSZUSTÄNDIGKEIT<br />

Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 I 1 EUV)<br />

bedarf jedes Unionshandeln einer Rechtsgrundlage in den Unions-Verträgen.<br />

Hier kommt die Harmonisierungskompetenz des Art. 114 AEUV in Betracht.<br />

<strong>Die</strong>se ermächtigt zum Erlass von Maßnahmen zur Angleichung der Rechts-<br />

und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und<br />

das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben.<br />

A) REICHWEITE DER RECHTSETZUNGSERMÄCHTIGUNG<br />

DES ART. 114 AEUV<br />

Aus Art. 114 AEUV kann keine allgemeine Regelungskompetenz <strong>für</strong> den Bin-<br />

nenmarkt abgeleitet werden. Eine derartige Auslegung wäre nämlich weder<br />

mit seinem Wortlaut noch dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächti-<br />

gung (Art. 5 I 1 EUV) zu vereinbaren. 21<br />

Gedeckt sind vielmehr nur solche Maßnahmen, deren tatsächlicher Zweck es<br />

ist, die Voraussetzungen <strong>für</strong> das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbes-<br />

sern (Verhinderung von Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrun-<br />

gen). Nicht ausreichend ist insoweit die bloße Existenz unterschiedlicher Re-<br />

gelungen in den Mitgliedstaaten oder die abstrakte Möglichkeit von Handels-<br />

hemmnissen bzw. Wettbewerbsverzerrungen. Vielmehr müssen die unter-<br />

schiedlichen nationalen Regelungen entweder zu Handelshemmnissen bzw.<br />

Wettbewerbsverzerrungen geführt haben oder solche mit einer bestimmten<br />

Wahrscheinlichkeit be<strong>für</strong>chten lassen und muss die Harmonisierungsmaß-<br />

nahme tatsächlich deren Beseitigung bezwecken. 22<br />

Handelshemmnisse resultieren aus der Beeinträchtigung des freien Waren-<br />

und <strong>Die</strong>nstleistungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten, Wettbewerbsver-<br />

zerrungen aus unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen <strong>für</strong> Unterneh-<br />

men in den einzelnen Mitgliedstaaten. Um ein Tätigwerden nach Art. 114<br />

AEUV zu legitimieren, müssen Wettbewerbsverzerrungen zudem spürbar<br />

sein. 23<br />

Unschädlich ist, wenn aufgrund von Art. 114 AEUV erlassene Regelungen<br />

auch maßgeblich Aspekte des Gesundheitsschutzes betreffen. Denn letzterer<br />

ist als Ziel im Rahmen der Binnenmarktregulierung mit zu berücksichtigen.<br />

Zum einen bestimmt Art. 168 I UA 1 AEUV: „Bei der Festlegung und Durch-<br />

führung aller Unionspolitiken und -maßnahmen wird ein hohes Gesund-<br />

20 W. Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV-Kommentar, 2007,<br />

Art. 230 (jetzt: Art. 263 AEUV), Rn. 73.<br />

21 EuGH, Rs. C-376/98, Slg. 2000, I-8419, Rn. 81 ff. – Deutschland/EP<br />

und Rat; C. Herrmann, Examens-Repetitorium Europarecht/<br />

Staatsrecht, 2009, Rn. 236.<br />

22 EuGH, Rs. C-376/98, Slg. 2000, I-8419, Rn. 84 ff. – Deutschland/EP<br />

und Rat; Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Rn. 60 f. – British<br />

American Tobacco u.a.; verb. Rs. C-154 und C-155/04, Slg. 2005, I-6451,<br />

Rn. 27 ff. – Alliance for Natural Health u.a.; Rs. C-380/03, Slg. 2006, I-<br />

11573, Rn. 37 ff. – Deutschland/Rat und EP.<br />

23 EuGH, Rs. C-376/98, Slg. 2000, I-8419, Rn. 106 f. – Deutschland/EP<br />

und Rat.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Fallbearbeitung<br />

heitsschutzniveau sichergestellt“. Art. 114 III 1 AEUV verpflichtet zum ande-<br />

ren die Kommission, bei Vorschlägen <strong>für</strong> Harmonisierungsmaßnahmen nach<br />

Art. 114 I AEUV von einem hohen Schutzniveau im Gesundheitsbereich aus-<br />

zugehen. Der Gesundheitsschutz kann mithin im Rahmen von Harmonisie-<br />

rungsmaßnahmen nach Art. 114 AEUV berücksichtigt werden. 24<br />

Hinweis: Sobald die Harmonisierung vollständig erreicht ist, darf Art. 114<br />

AEUV auch zur Anpassung des Schutzniveaus genutzt werden, da die Mit-<br />

gliedstaaten ihre dahingehende Kompetenz nicht mehr ausüben könnten<br />

(Sperrwirkung der Harmonisierungsvorschrift). 25<br />

B) SUBSUMTION<br />

Es ist zwischen den einzelnen in der Richtlinie enthaltenen Maßnahmen zu<br />

differenzieren.<br />

AA) HÖCHSTGRENZEN UND ETIKETTIERUNGSVORSCHRIFTEN<br />

Angesichts der geplanten divergierenden mitgliedstaatlichen Normierung<br />

von Höchstgrenzen und Etikettierungsvorschriften sind Hemmnisse <strong>für</strong> den<br />

freien Warenverkehr zu be<strong>für</strong>chten. In einem Mitgliedstaat gemäß den natio-<br />

nalen Vorschriften hergestellte Tabakerzeugnisse wären nämlich nicht mehr<br />

unionsweit verkehrsfähig. 26<br />

BB) WERBEVERBOTE IN ZEITUNGEN UND ZEITSCHRIFTEN<br />

Werbeverbote in Zeitungen und <strong>Zeitschrift</strong>en sind geeignet, das Entstehen<br />

von Handelshemmnissen <strong>für</strong> diese zu verhindern, da die Mitgliedstaaten<br />

sonst den Verkehr mit Zeitungen und <strong>Zeitschrift</strong>en, in denen Tabakwerbung<br />

enthalten ist, unterbinden könnten. 27 <strong>Die</strong>se Produkte wären mithin ebenfalls<br />

nicht mehr unionsweit verkehrsfähig.<br />

CC) VERBOT DER RESTAURANTWERBUNG<br />

Das Verbot der Werbung durch Sonnenschirme, Aschenbecher etc. ist hinge-<br />

gen nicht von Art. 114 AEUV gedeckt, da die Richtlinie dadurch den Verkehr<br />

mit diesen Produkten vollständig unterbindet. 28<br />

Zwischenergebnis: Das Verbot der Restaurantwerbung kann nicht auf Art.<br />

114 AEUV gestützt werden; im Übrigen ist die Union zuständig. 29<br />

2. ORGANZUSTÄNDIGKEIT<br />

Für den Erlass von Harmonisierungsrichtlinien im ordentlichen Gesetzge-<br />

bungsverfahren gemäß Art. 114 I, 289 i.V.m. 294 AEUV sind das Parlament<br />

und der Rat zuständig.<br />

24 EuGH, Rs. C-376/98, Slg. 2000, I-8419, Rn. 78, 88 – Deutschland/EP<br />

und Rat; Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Rn. 62 – British American Tobacco<br />

u.a.; verb. Rs. C-154 und C-155/04, Slg. 2005, I-6451, Rn. 30 f. –<br />

Alliance for Natural Health u.a.; Rs. C-380/03, Slg. 2006, I-11573, Rn. 39,<br />

92 ff. – Deutschland/Rat und EP.<br />

25 EuGH, Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Rn. 76 ff. – British<br />

American Tobacco u.a.; C. Herrmann, Examens-Repetitorium Europarecht/Staatsrecht,<br />

2009, Rn. 236; R. Streinz, Europarecht, 2008, Rn. 925.<br />

26 EuGH, Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Rn. 63 ff. – British<br />

American Tobacco u.a.<br />

27 EuGH, Rs. C-380/03, Slg. 2006, I-11573, Rn. 44 ff. – Deutschland/Rat<br />

und EP. Siehe aber auch Rs. C-376/98, Slg. 2000, I-8419, Rn. 96<br />

ff. – Deutschland/EP und Rat.<br />

28 EuGH, Rs. C-376/98, Slg. 2000, I-8419, Rn. 99 – Deutschland/EP und Rat.<br />

29 Kritisch zur Entscheidung des EuGH T. Stein, EuZW 2007, S. 54 (55 f.).<br />

173


174<br />

Fallbearbeitung<br />

3. RÄUMLICHE ZUSTÄNDIGKEIT<br />

Der Rechtsakt entfaltet keine unzulässigen extraterritorialen Wirkungen.<br />

4. SACHLICHE ZUSTÄNDIGKEIT<br />

Art. 114 I S. 2 AEUV gestattet den Erlass von „Maßnahmen“ zur Rechtsanglei-<br />

chung; hierunter fallen auch Richtlinien (Art. 288 AEUV).<br />

Zwischenergebnis: <strong>Die</strong> Union ist <strong>für</strong> die erlassene Richtlinie nur teilweise zu-<br />

ständig.<br />

II. VERLETZUNG WESENTLICHER FORMVORSCHRIFTEN<br />

Vorliegend scheidet eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften aus, da lt.<br />

Sachverhalt die Richtlinie formell ordnungsgemäß erlassen wurde. Zu prüfen<br />

wären insbesondere Verfahren (Art. 294 AEUV), Begründung (Art. 296<br />

AEUV) und Veröffentlichung bzw. Bekanntgabe (Art. 297 AEUV), wobei<br />

Rechtsverstöße nur bei Wesentlichkeit zur Nichtigkeit des Rechtsaktes füh-<br />

ren. 30 Wesentlichkeit ist dann anzunehmen, wenn sich der Verstoß auf das<br />

Verfahrensergebnis inhaltlich auswirken kann. 31<br />

III. ERMESSENSMISSBRAUCH<br />

Fraglich ist, ob der Erlass von (auch) den Gesundheitsschutz betreffenden Re-<br />

gelungen auf der Grundlage von Art. 114 I AEUV als eine ermessensmiss-<br />

bräuchliche Umgehung des in Art. 168 V AEUV verankerten Harmonisie-<br />

rungsverbots im Bereich des Gesundheitsschutzes qualifiziert werden kann.<br />

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs „ist eine Rechtshandlung nur<br />

dann ermessensmissbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und<br />

übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie ausschließlich oder zu-<br />

mindest vorwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem<br />

Ziel erlassen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell<br />

vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen.“ 32<br />

Demnach dürfen zwar „andere Artikel des EG-Vertrags (jetzt: AEUV) nicht<br />

als Rechtsgrundlage herangezogen werden …, um [das Harmonisierungsver-<br />

bot] zu umgehen“. 33 Von einer Umgehung kann jedoch dann keine Rede sein,<br />

wenn – wie hier (s. oben, C.I.1.a) – die Rechtsgrundlage eine Berücksichti-<br />

gung von Aspekten des Gesundheitsschutzes deckt und „die Richtlinie [nicht]<br />

ausschließlich oder zumindest überwiegend zu einem anderen Zweck als dem<br />

der Verbesserung der Bedingungen <strong>für</strong> das Funktionieren des Binnenmarktes<br />

<strong>für</strong> Tabakerzeugnisse erlassen worden ist.“ 34<br />

30 Näher W. Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV-Kommentar,<br />

2007, Art. 230, Rn. 74 ff.<br />

31 R. Streinz, Europarecht, 2008, Rn. 596.<br />

32 Siehe nur EuGH, Rs. 331/88, Slg. 1990, I-4023, Rn. 24 – Fedesa<br />

u.a.; ferner Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Rn. 189 – British American<br />

Tobacco u.a.; W. Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV-Kommentar,<br />

2007, Art. 230 (jetzt: Art. 263 AEUV), Rn. 80.<br />

33 EuGH, Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Rn. 190 – British American<br />

Tobacco u.a.; ferner Rs. C-376/98, Slg. 2000, I-8419, Rn. 79 – Deutschland/EP<br />

und Rat.<br />

34 EuGH, Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Rn. 190 f. – British American<br />

Tobacco u.a.<br />

IV. VEREINBARKEIT MIT PRIMÄR- UND SEKUNDÄRRECHT<br />

IM ÜBRIGEN<br />

1. VEREINBARKEIT MIT DEN GRUNDFREIHEITEN<br />

<strong>Die</strong> Grundfreiheiten binden nach überwiegender Auffassung nicht nur die<br />

Mitgliedstaaten, sondern auch den Unionsgesetzgeber (vgl. nunmehr auch<br />

Art.15 II, 51 GRC). 35<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

<strong>Die</strong> streitgegenständlichen Regelungen stellen eine Beschränkung der Waren-<br />

verkehrsfreiheit i.S.d. Art. 34 AEUV dar, da sie innerhalb der EU die Ver-<br />

marktung dieser Produkte untersagen bzw. an bestimmte Voraussetzungen<br />

knüpfen. 36 Darüber hinaus liegt eine Beschränkung der <strong>Die</strong>nstleistungsfrei-<br />

heit von Unternehmen, die unionsweit Werbedienstleistungen im Bereich der<br />

Tabakwerbung erbringen, vor.<br />

<strong>Die</strong> Beschränkung der beiden Marktfreiheiten könnte allerdings gerechtfer-<br />

tigt sein. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der EuGH dem Unionsgesetzge-<br />

ber im Kontext von Art. 114 AEUV einen weiten Ermessensspielraum zuge-<br />

steht und lediglich prüft, ob die Maßnahme zur Zielerreichung offensichtlich<br />

ungeeignet ist. 37 <strong>Die</strong>s ist allerdings nicht so zu verstehen, dass nur noch eine<br />

Eignungsprüfung stattfände; vielmehr prüft der EuGH die Verhältnismäßig-<br />

keit umfassend unter Berücksichtigung eines weiten Gestaltungsspielraums<br />

des Unionsgesetzgebers. 38<br />

Der Unionsgesetzgeber verfolgt mit den Beschränkungen – neben dem die<br />

Kompetenznorm begründenden Harmonisierungsziel – das Ziel des Gesund-<br />

heitsschutzes (Art. 36 S. 1 AEUV). <strong>Die</strong>ses Ziel ist auch legitim (vgl. Art. 114<br />

III AEUV) und muss bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Beschränkun-<br />

gen mit Berücksichtigung finden, auch wenn die Union primär zur Beseiti-<br />

gung von Handelshemmnissen tätig wird. <strong>Die</strong>se Hemmnisse resultieren aber<br />

aus Maßnahmen der Mitgliedstaten, welche ausschließlich gesundheitspoliti-<br />

sche Zielsetzungen aufweisen und regelmäßig auf Grundlage von Art. 36<br />

AEUV gerechtfertigt sind. Dann kann aber <strong>für</strong> die harmonisierende Maß-<br />

nahme der EU nichts anderes gelten, da es ansonsten zu einer – von Art. 114<br />

III AEUV – gerade nicht gewollten Absenkung der Gesundheitsschutzstan-<br />

dards käme. 39 <strong>Die</strong> vorliegenden Maßnahmen sind zur Zielerreichung geeig-<br />

net. Angesichts des gewichtigen Schutzgutes und dessen Bedrohung durch<br />

das Rauchen stellen sich die ergriffenen Maßnahmen – auch unter Berück-<br />

35 Siehe nur EuGH, Rs. 15/83, Slg. 1984, 2171, Rn. 15 – Denkavit; verb.<br />

Rs. C-154 und C-155/04, Slg. 2005, I-6451, Rn. 47 – Alliance for Natural<br />

Health u.a.; C. Herrmann, Examens-Repetitorium Europarecht/Staatsrecht,<br />

2009, Rn. 251; ablehnend T. Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.),<br />

EUV/EGV-Kommentar, 2007, Art. 28–30 EGV (jetzt: Art. 34–36 AEUV),<br />

Rn. 109 f.<br />

36 Vgl. <strong>für</strong> das Verbot der Vermarktung von Nahrungsmitteln mit bestimmten<br />

Nahrungsergänzungsmitteln EuGH, verb. Rs. C-154 und C-155/04, Slg.<br />

2005, I-6451, Rn. 49 – Alliance for Natural Health u.a.; ferner C. Herrmann,<br />

Examens-Repetitorium Europarecht/Staatsrecht, 2009, Rn. 251.<br />

37 EuGH, verb. Rs. C-154 und C-155/04, Slg. 2005, I-6451, Rn. 52<br />

– Alliance for Natural Health u.a.<br />

38 Vgl. EuGH, verb. Rs. C-154 und C-155/04, Slg. 2005, I-6451,<br />

Rn. 53 ff. – Alliance for Natural Health u.a.<br />

39 Siehe zu dieser Mitberücksichtigung des Gesundheitsziels bei auf Art.<br />

114 I AEUV gestützten Maßnahmen auch C. Herrmann, <strong>Die</strong> Grenzen der<br />

Binnenmarktkompetenz in der jüngeren Rechtsprechung des EuGH, in:<br />

W. Schroeder (Hrsg.), Europarecht als Mehrebenensystem. Tagungsband<br />

zum 7. Österr. Europarechtstag 2007, 2008, S. 141 (155).<br />

sichtigung des weiten Gestaltungsspielraums des Unionsgesetzgebers – als er-<br />

forderlich und angemessen dar. Sie können damit nicht als zur Zielerreichung<br />

offensichtlich ungeeignet angesehen werden.<br />

Zwischenergebnis: Ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten scheidet aus.<br />

2. VEREINBARKEIT MIT DEN<br />

GEMEINSCHAFTSGRUNDRECHTEN<br />

<strong>Die</strong> Richtlinie könnte des Weiteren die in der GRC verankerten (Art. 6 I UA 1<br />

EUV) Unionsgrundrechte der Berufs-, Eigentums- und Meinungsfreiheit, die<br />

zudem allgemeine Rechtsgrundsätze des Unionsrechts (Art. 6 III EUV) dar-<br />

stellen, verletzen. Auch juristische Personen können sich auf die hier inmitten<br />

stehenden Grundrechte berufen. 40<br />

A) BERUFS- BZW. UNTERNEHMERISCHE FREIHEIT<br />

<strong>Die</strong> Berufsfreiheit ist in Art. 15 I GRC gewährleistet, die unternehmerische<br />

Freiheit in Art. 16 GRC. Sie sind zudem Teil der gemeinsamen Verfassungs-<br />

tradition der Mitgliedstaaten (vgl. nur Art. 12 GG) und zählen damit zu den<br />

Unionsgrundrechten. 41<br />

<strong>Die</strong> streitgegenständlichen Beschränkungen der unternehmerischen Tätig-<br />

keit stellen einen Eingriff dar. 42<br />

Freilich beanspruchen die Unionsgrundrechte keine uneingeschränkte Gel-<br />

tung; vielmehr sind Beschränkungen einer Rechtfertigung zugänglich, „so-<br />

fern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft<br />

entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unver-<br />

hältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten<br />

Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet“ (nunmehr Art. 52 I GRC). 43<br />

Angesichts der Bedeutung des Gesundheitsschutzes kann – auch unter Be-<br />

rücksichtigung des Gestaltungsspielraums des Unionsgesetzgebers – keine<br />

unverhältnismäßige, den Wesensgehalt verletzende Beschränkung angenom-<br />

men werden (siehe bereits oben).<br />

B) EIGENTUMSFREIHEIT<br />

Das Eigentumsrecht wird durch Art. 17 I GRC gewährleistet. Es ist zudem<br />

Teil der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten (vgl. nur Art.<br />

14 GG) und in Art. 1 des 1. ZP zur EMRK anerkannt. Damit zählt es zu den<br />

Gemeinschaftsgrundrechten. 44<br />

40 Vgl. D. Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten,<br />

2009, § 14, Rn. 43; R. Streinz, Europarecht, 2008, Rn. 769.<br />

41 EuGH, Rs. 4/73, Slg. 1974, 491, Rn. 14 – Nold; Rs. 44/79, Slg. 1979,<br />

3727, Rn. 32 – Hauer; verb. Rs. C-154 und C-155/04, Slg. 2005, I-6451,<br />

Rn. 126 – Alliance for Natural Health u.a.<br />

42 EuGH, verb. Rs. C-154 und C-155/04, Slg. 2005, I-6451, Rn. 127 – Alliance<br />

for Natural Health u.a.<br />

43 EuGH, verb. Rs. C-154 und C-155/04, Slg. 2005, I-6451, Rn. 126 – Alliance<br />

for Natural Health u.a.<br />

44 EuGH, Rs. 4/73, Slg. 1974, 491, Rn. 14 – Nold; Rs. 44/79, Slg. 1979,<br />

3727, Rn. 32 – Hauer; verb. Rs. C-154 und C-155/04, Slg. 2005, I-6451,<br />

Rn. 126 – Alliance for Natural Health u.a.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Fallbearbeitung<br />

Vorliegend kann allerdings die Eigentumsfreiheit nicht <strong>für</strong> einschlägig erach-<br />

tet werden, da die Beschränkung die von der Berufsfreiheit geschützte wirt-<br />

schaftliche Betätigung am Markt und nicht eigentumskräftig verfestigte Posi-<br />

tionen betrifft. 45<br />

C) MEINUNGSFREIHEIT<br />

Schließlich ist auch die Meinungsfreiheit durch Art. 11 I GRC gewährleistet.<br />

Sie ist zudem Teil der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten<br />

(vgl. nur Art. 5 I GG) und in Art. 10 EMRK anerkannt. Damit zählt sie zu den<br />

Gemeinschaftsgrundrechten. 46<br />

Vorliegend kommt aufgrund der Hinweispflichten zum einen ein Eingriff in<br />

die negative Meinungsfreiheit in Betracht. 47 Zum anderen ist nach der Recht-<br />

sprechung des EuGH auch die – hier beschränkte – kommerzielle Werbung<br />

von der Meinungsfreiheit umfasst. 48<br />

Allerdings sind die Eingriffe – wie oben – gerechtfertigt. 49 Insoweit ist zudem<br />

zu berücksichtigen, dass die kommerzielle Werbung einen geringeren Schutz<br />

genießt als Äußerungen von allgemeinem Interesse. 50<br />

3. VERHÄLTNISMÄSSIGKEITS- (ART. 5 I 2, IV EUV) UND<br />

SUBSIDIARITÄTSGRUNDSATZ (ART. 5 I 2, III EUV)<br />

<strong>Die</strong> Maßnahme wahrt, wie aus der grundfreiheitlichen und grundrechtlichen<br />

Prüfung folgt, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Da die Beseitigung<br />

von Handelshemmnissen auf der Ebene der Union grundsätzlich besser zu er-<br />

reichen ist, und auch die Regelung durch den Unionsgesetzgeber nicht zu in-<br />

tensiv erscheint, ist auch der Subsidiaritätsgrundsatz gewahrt. 51<br />

Zwischenergebnis: Für das Verbot der Restaurantwerbung ist die Union un-<br />

zuständig und die Richtlinie insoweit nichtig. Im Übrigen ist die Richtlinie<br />

wirksam. <strong>Die</strong> Klage der BRD ist also nur teilweise begründet.<br />

D. GESAMTERGEBNIS<br />

<strong>Die</strong> Klage der Rauchgenuss AG ist bereits unzulässig; die der BRD zwar zuläs-<br />

sig, aber nur teilweise begründet. Nur insoweit bestehen mithin Erfolgsaus-<br />

sichten.<br />

Der EuGH wird die angefochtene Richtlinie teilweise <strong>für</strong> nichtig erklären<br />

(Art. 264 I AEUV). Eine Begrenzung der Nichtigkeitsfolgen gemäß Art. 264 II<br />

AEUV kommt nicht in Betracht.<br />

45 Vgl. EuGH, verb. Rs. C-154 und C-155/04, Slg. 2005, I-6451, Rn. 128 –<br />

Alliance for Natural Health u.a.<br />

46 EuGH, Rs. C-71/02, Slg. 2004, I-3025, Rn. 48 ff. – Karner; Rs. C-380/03,<br />

Slg. 2006, I-11573, Rn. 153 ff. – Deutschland/Rat und EP.<br />

47 Vergl. zu dieser H. Pünder, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte<br />

und Grundfreiheiten, 2009, § 16.2, Rn. 13.<br />

48 EuGH, Rs. C-71/02, Slg. 2004, I-3025, Rn. 44 ff. – Karner; Rs. C-380/03,<br />

Slg. 2006, I-11573, Rn. 153 ff. – Deutschland/Rat und EP. Siehe ferner H.<br />

Pünder, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten,<br />

2009, § 16.2, Rn.10,13,23.<br />

49 Siehe auch EuGH, Rs. C-380/03, Slg. 2006, I-11573, Rn. 153 ff. –<br />

Deutschland/Rat und EP.<br />

50 EuGH, Rs. C-71/02, Slg. 2004, I-3025, Rn. 51 – Karner; Rs. C-<br />

380/03, Slg. 2006, I-11573, Rn. 155 – Deutschland/Rat und EP.<br />

51 Siehe auch EuGH, Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Rn. 177 ff.<br />

– British American Tobacco u.a.<br />

175


176<br />

Praxis<br />

PROF. DR. ROLF SCHMIDT<br />

„Der Trend geht in Richtung Einfachheit“<br />

Ein Interview mit Prof. Dr. Rolf Schmidt<br />

von Dipl.-Jur. Dirk Veldhoff (Doktorand an der Universität Bremen)<br />

<strong>Iurratio</strong>: Herr Schmidt, Sie haben Ihr Jura-Studium erst sehr spät<br />

aufgenommen. Was haben Sie vor dem Studium gemacht und wie kam<br />

es zu dem späten Entschluss, Jura zu <strong>stud</strong>ieren?<br />

Schmidt: Nun, ich war Offizier der Bundesmarine und dort als Marineflie-<br />

ger eingesetzt. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und der Beendi-<br />

gung des Kalten Krieges musste sich auch die Bundeswehr an die geänderten<br />

Rahmenbedingungen anpassen. Internationale Verträge verpflichteten die<br />

Bundesrepublik, und damit die Bundeswehr, die Präsenzstärke des Truppen-<br />

kontingents drastisch zu reduzieren. <strong>Die</strong>se Gelegenheit nahm ich wahr, um<br />

mit Hilfe von Übergangsgeldern meinem Wunsch nachzukommen und Jura<br />

zu <strong>stud</strong>ieren. <strong>Die</strong> Wahl des Fachs war auch schon deshalb naheliegend, weil<br />

ich neben der Fliegerei das Aus- und Fortbildungsreferat geleitet und in die-<br />

sem Zusammenhang aufgrund der internationalen Einsätze der Bundeswehr<br />

die jüngeren Offiziere im Staats- und Verfassungsrecht sowie im Völkerrecht<br />

unterrichtet habe.<br />

<strong>Iurratio</strong>: Wie hat sich die Idee entwickelt einen eigenen juristischen<br />

Fachverlag zu gründen?<br />

Schmidt: Sie müssen wissen, dass das Lehrbuchangebot Mitte der neunzi-<br />

ger Jahre nicht so reichhaltig war wie es heute ist. Es gab wenige so genannte<br />

Standardwerke, die sich aufgrund praktisch nicht vorhandener Konkurrenz<br />

auch nicht <strong>stud</strong>entenfreundlich präsentieren mussten. Sie nannten sich zwar<br />

Lehrbücher, waren aber offensichtlich nicht <strong>für</strong> Studenten, sondern <strong>für</strong> Fach-<br />

kollegen geschrieben. Fälle mit Lösungsgesichtspunkten oder Prüfungssche-<br />

mata suchte man vergebens. Ich erinnere mich noch, als Ende der neunziger<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

In dem kleinen niedersächsischen Ort Grasberg bei Bremen befin-<br />

det sich in einem Gewerbegebiet der Dr. Rolf Schmidt Verlag.<br />

Rolf Schmidt (45) Geschäftsführer des Verlags und Professor an<br />

der Hochschule der Polizei Hamburg, ist vielen Jura<strong>stud</strong>enten<br />

in erster Linie wegen der von ihm verfassten Studienliteratur<br />

bekannt.<br />

Nachdem er sein juristisches Studium von 1994 – 1998 an der<br />

Universität Bremen absolvierte, gründete er noch im Jahr 1998<br />

den juristischen Fachverlag. Im Jahr 2004 promovierte er an der<br />

Humboldt-Universität zu Berlin und ist seit 2008 als Professor an<br />

der Hochschule der Polizei Hamburg tätig.<br />

Jahre meine ersten Auflagen der Bücher zum Verwaltungsrecht in einer Aus-<br />

bildungszeitschrift eines führenden juristischen Fachverlags zerrissen wur-<br />

den, weil sie sehr viele „fragwürdige“ Schemata enthielten, deren Nutzung<br />

zweifelhaft sei. Heute finden sich sogar auf Büchern dieses Verlages Stempel<br />

des Inhalts: „mit vielen Fällen und Aufbauschemata“.<br />

Nun ja, das in meinen Augen defizitäre Lehrbuchangebot Mitte der neunziger<br />

Jahre brachte mich schon während meines Studiums dazu, eigene Lehrunter-<br />

lagen zu verfassen, mit deren Hilfe ich dann 1998 auch überaus erfolgreich<br />

das erste juristische Staatsexamen absolvierte.<br />

<strong>Iurratio</strong>: Wie lange hat die Anfertigung Ihres ersten Lehrbuchs<br />

gedauert?<br />

Schmidt: Das erste Buch konnte ich innerhalb eines Zeitraums von einem<br />

halben Jahr fertigstellen, da ich ja umfassend auf meine Studienskripte zu-<br />

rückgreifen konnte. Viel schwieriger war das Finden eines Fachverlags, weil<br />

die Lehrbuchlandschaft zur damaligen Zeit einfach noch nicht reif genug war<br />

<strong>für</strong> die Umsetzung meiner Idee. Stattdessen legte man mehr Wert auf die ver-<br />

meintliche wissenschaftliche Qualifikation des Autors. Heute ist das aufgrund<br />

des geänderten Marktverhaltens anders. So genannte Großlehrbücher finden<br />

sich zwar noch in Universitätsbibliotheken, kaum mehr aber im heimischen<br />

Bücherregal.<br />

Wie dem auch sei, eben weil Ende der neunziger Jahre die Philosophie der<br />

Verlage noch eine andere war, war kein von mir angeschriebener Verlag bereit,<br />

mein Manuskript anzunehmen. Da fasste ich den Entschluss, meine gesamten<br />

Ersparnisse, die ich während meiner Bundeswehrzeit aufgebaut hatte, in die<br />

Gründung eines eigenen Verlags zu investieren. Der Durchbruch gelang mir<br />

gleich im Jahre 1998, als im Zuge der 6. Strafrechtsreform das StGB umfas-<br />

send geändert wurde. Mit Hilfe einer ehemaligen Kollegin konnte ich sehr<br />

schnell reagieren und eine völlig neu bearbeitete, die 6. Strafrechtsreform<br />

vollumfänglich berücksichtigende Auflage meiner Strafrechtsbücher veröf-<br />

fentlichen. Damit war ich praktisch ein halbes Jahr konkurrenzlos – ein Um-<br />

stand, der heute praktisch unmöglich ist.<br />

In der Folgezeit vervollständigte ich dann sukzessive das Lehrbuchprogramm<br />

und übernahm Lehraufträge an der Universität Bremen, der Hochschule <strong>für</strong><br />

öffentliche Verwaltung Bremen und später an der Hochschule der Polizei<br />

Hamburg.<br />

<strong>Iurratio</strong>: Ihre Bücher werden von einigen Ihrer Professorenkollegen<br />

abgelehnt. Wie erklären Sie sich das?<br />

Schmidt: <strong>Die</strong> Ressentiments stammen offenbar aus der Zeit, in der es in<br />

Fachkreisen nicht angesehen war, schwierige juristische Probleme in einer<br />

verständlichen Sprache <strong>stud</strong>entenfreundlich aufzubereiten. Offenbar musste<br />

ein bestimmtes Verständnis des eigenen Berufsstandes gewahrt werden. Doch<br />

das hat sich mittlerweile geändert. Vergleichen Sie die modernen Lehrbücher<br />

anderer Professoren mit den von mir verfassten; Sie werden feststellen, dass<br />

eine große inhaltliche und didaktische Annäherung an meine Konzeption<br />

stattgefunden hat. Daher würde heute wohl kaum ein Universitätsprofessor<br />

von dem Kauf eines (von einem Fachkollegen verfassten) Buches abraten, weil<br />

es Fälle mit Lösungsgesichtspunkten und Aufbauschemata enthält.<br />

Auch was die Zitierfähigkeit meiner Bücher betrifft, bestehen keine durch-<br />

schlagenden Argumente gegen meine Bücher. So finden sich in meinen Neu-<br />

auflagen Stellungnahmen zu Gerichtsurteilen, die in Fachzeitschriften oder<br />

anderen Büchern noch nicht behandelt wurden. Wenn ich dann ein halbes<br />

Jahr später dieselben oder ähnliche Argumente in den <strong>Zeitschrift</strong>en oder an-<br />

deren Lehrbüchern lese, freilich, ohne dass auf meine Bücher verwiesen wird,<br />

dürfte klar werden, dass die Debatte um meine Bücher und meine Person un-<br />

redlich ist. Sofern sie noch geführt wird, kann sie nur damit erklärt werden,<br />

dass einige Universitätsprofessoren immer noch alles ablehnen, was nicht von<br />

Mitgliedern ihres Standes verfasst wurde.<br />

Wenn mir dann von Studenten zugetragen wird, ihr Professor habe die Zitier-<br />

fähigkeit meiner Bücher mit der Begründung abgelehnt, ich sei nicht habili-<br />

tiert und hätte keinen Lehrstuhl inne, wird die Unredlichkeit überaus deut-<br />

lich. Denn mit dieser Argumentation müsste man auch einem Aufsatz des<br />

(ehemaligen) Generalbundesanwalts in der NStZ über die Verfassungsmäßig-<br />

keit des Brechmitteleinsatzes die Zitierfähigkeit absprechen. Bitte beurteilen<br />

Sie selbst derartige Äußerungen.<br />

<strong>Iurratio</strong>: Wie haben sich die Bedürfnisse von Studenten an Lehrbü-<br />

cher im Laufe der Zeit verändert bzw. wie hat sich das Lernverhalten ge-<br />

ändert?<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Praxis<br />

Schmidt: Der Trend geht in Richtung Einfachheit. Viele Studierende sind<br />

nicht mehr bereit, sich vertieft mit einer Problematik auseinanderzusetzen.<br />

Das merke ich insbesondere, wenn ich Prüfungen abnehme. Oft fehlt System-<br />

verständnis. Als Erklärung <strong>für</strong> die relativ schlechten Prüfungsergebnisse wird<br />

der Schwierigkeitsgrad der Prüfungsaufgabe angeführt oder es wird ein zu<br />

strenger Bewertungsmaßstab geltend gemacht. <strong>Die</strong> Einsicht, dass man sich<br />

nicht mit einem 120 Seiten umfassenden Skript zum Allgemeinen Verwal-<br />

tungsrecht die erforderlichen Kenntnisse aneignen kann, fehlt in weiten Tei-<br />

len. Ob dies den Studierenden vorzuwerfen ist, mag eine andere Frage sein.<br />

Denn das Angebot an Skripten ist überwältigend und viele suggerieren eine<br />

Einfachheit, die den tatsächlichen Prüfungsanforderungen nicht gerecht wird.<br />

Jura ist eine Wissenschaft, die man sich nicht mit Hilfe von Schmalspurskrip-<br />

ten oder kostenlosen Internet-Downloads erschließen kann. Wer etwas Gutes<br />

und redaktionell Betreutes anzubieten hat, wird dies nicht kostenlos im Inter-<br />

net veröffentlichen.<br />

<strong>Iurratio</strong>: Seit dem vergangenen Jahr sind Sie Professor der Hoch-<br />

schule der Polizei Hamburg. Was unterscheidet die Arbeit mit Polizei-<br />

anwärtern von der Arbeit mit Jura<strong>stud</strong>enten?<br />

Schmidt: Es handelt sich um ein international anerkanntes Bachelorstu-<br />

dium. In einer Regel<strong>stud</strong>ienzeit von 6 Semestern (wobei aufgrund wesentlich<br />

kürzerer vorlesungsfreier Zeiten der Stundenaufwand mit einem 8-semestri-<br />

gen Universitäts<strong>stud</strong>ium vergleichbar sein dürfte) werden den Studierenden<br />

des gehobenen Polizeivollzugsdienstes und des Studienzweigs Kriminalpoli-<br />

zei neben allgemeinen rechtswissenschaftlichen Grundlagen insbesondere<br />

das Polizei- und Ordnungsrecht, das Versammlungsrecht, das Ausländer-<br />

recht, das Betäubungsmittelrecht, das Waffenrecht, das Gewerberecht, das<br />

Straßenverkehrsrecht, das Ordnungswidrigkeitenrecht sowie das materielle<br />

Strafrecht und das Strafverfahrensrecht vermittelt. Gerade das Strafverfah-<br />

rensrecht wird sehr viel ausführlicher behandelt als im Jura<strong>stud</strong>ium, weil fun-<br />

dierte Rechtskenntnisse <strong>für</strong> Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaften<br />

unabdingbar sind. Es stellt sich also als eine große Verantwortung und zu-<br />

gleich große Herausforderung dar, Polizeivollzugsbeamte und Kriminalbe-<br />

amte auszubilden.<br />

Insgesamt beinhalten die Studiengänge zwar nicht die Zahl an verschiedenen<br />

Rechtsgebieten, wie das bei einem Jura<strong>stud</strong>ium der Fall ist. <strong>Die</strong> Rechtsgebiete,<br />

die gelehrt werden, werden da<strong>für</strong> aber in größerer Tiefe und Breite behandelt.<br />

Herr Schmidt, wir danken Ihnen herzlich <strong>für</strong> dieses Gespräch.<br />

177


178<br />

Praxis<br />

Von Anfang Juni bis Anfang September 2007 absolvierte ich meine Wahlsta-<br />

tion des Referendariats bei der Deutschen Gesellschaft <strong>für</strong> Technische Zu-<br />

sammenarbeit (GTZ) GmbH in Accra, der Hauptstadt Ghanas, im Rahmen<br />

des Programms „Verbesserung der öffentlichen Finanzen“ (Good Financial<br />

Governance). Ziel des auf 13 Jahre angelegten Programms ist es, die ghanai-<br />

sche Regierung bei Steuer- und Haushaltsfragen zu unterstützen.<br />

DAS LAND<br />

Ghana gilt aus deutscher Sicht als Musterland Afrikas, sowohl was die politi-<br />

sche Stabilität als auch das Wirtschaftswachstum angeht. Das Land liegt in<br />

Westafrika am Golf von Guinea, der sogenannten Gold Küste. Im Osten<br />

grenzt es an Togo, im Norden an Burkina Faso und im Westen an die Elfen-<br />

beinküste. Ghana hat gut 23 Millionen Einwohner. Flächenmäßig entspricht<br />

es ungefähr der Größe der alten Bundesrepublik. Seit dem Jahr 1957 ist Ghana<br />

politisch unabhängig. Zuvor war es englische Kolonie. Amtssprache ist wei-<br />

terhin Englisch. Accra, eine direkt am Meer gelegene pulsierende Millionen-<br />

stadt, ist zugleich die größte Stadt des Landes. Staatlich organisiert ist Ghana<br />

als Präsidialrepublik. <strong>Die</strong> letzten Wahlen im Januar 2009, die mit einem Re-<br />

gierungswechsel verbunden waren, hat das Land friedlich überstanden. <strong>Die</strong><br />

Ghanaer sehen sich als friedliches und freundliches Volk, das stolz auf die po-<br />

litische Stabilität und das friedliche Zusammenleben der verschiedenen<br />

Volksgruppen ist. In Ghana besteht uneingeschränkte Pressefreiheit, was an<br />

der Zeitungs- und Meinungsvielfalt auch gut sichtbar wird. <strong>Die</strong>se Freiheit<br />

schätzen die Ghanaer sehr und machen rege davon Gebrauch. <strong>Die</strong> Infrastruk-<br />

tur Ghanas ist <strong>für</strong> afrikanische Verhältnisse gut. Das Land versorgt sich zu<br />

80 % mit Strom aus dem Wasserkraftwerk des Akosombo-Staudamms. Der<br />

angrenzende Volta-Stausee ist einer der größten Stauseen der Welt. Ghana<br />

verfügt über diverse Rohstoffe, wie Gold und Erdöl. Wichtigstes <strong>für</strong> den Ex-<br />

port bestimmtes landwirtschaftliches Produkt ist Kakao.<br />

DIE GTZ<br />

Das Geschäft der GTZ ist die internationale Zusammenarbeit <strong>für</strong> nachhaltige<br />

Entwicklung. Dabei ist die GTZ weltweit aktiv. Sie unterstützt komplexe Ent-<br />

wicklungs- und Veränderungsprozesse in Transformations- und Entwick-<br />

lungsländern. Ziel ist es die Lebensbedingungen und Perspektiven der Men-<br />

schen nachhaltig zu verbessern. <strong>Die</strong> GTZ ist ausführendes Organ im Rahmen<br />

der Technischen Zusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland. Sie<br />

übernimmt Aufträge des Bundesministeriums <strong>für</strong> wirtschaftliche Zusam-<br />

menarbeit und Entwicklung (BMZ) und anderer in- und ausländischer Stel-<br />

len zur Prüfung und Durchführung von Vorhaben der Technischen Zusam-<br />

menarbeit. Ghana ist Partnerland der deutschen und internationalen Ent-<br />

wicklungszusammenarbeit. Seit 1983 ist die GTZ mit einem Büro in Accra<br />

vertreten. Ihre Arbeit ist in die ghanaische Strategie zur Armutsbekämpfung<br />

eingebetet. Beabsichtigt ist, ein nachhaltiges, gerecht verteiltes Wirtschafts-<br />

wachstum und eine beschleunigte Armutsminderung in einem demokrati-<br />

schen Umfeld zu verwirklichen.<br />

DAS PROGRAMM<br />

Da das System öffentlicher Finanzen in Ghana nicht den Anforderungen gu-<br />

ter Regierungsführung entsprochen hat, ist es Ziel des Programms eine nach-<br />

Wahlstation bei der GTZ in Ghana<br />

Florian Lauscher* (Düsseldorf)<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

haltige Verbesserung zu unterstützen. Es handelt sich um ein Langzeitpro-<br />

gramm, das eine Laufzeit von September 2003 bis August 2015 hat. Auftrag-<br />

geber ist das BMZ. Das Programm besteht aus mehreren Teilbereichen. Im<br />

Rahmen der Steuerpolitik und Steuerverwaltung berät das Programm das<br />

ghanaische Finanzministerium bei der Einrichtung und strategischen Aus-<br />

richtung einer steuerpolitischen Grundsatzabteilung. Ziel ist es, die Steuer-<br />

einnahmen zu erhöhen. Zu diesem Zweck unterstützt das Programm auch die<br />

oberste ghanaische Steuerbehörde, die Verwaltung leistungsfähiger, transpa-<br />

renter und bürgernäher zu machen. Dementsprechend sollen die Verfahren<br />

in der Einkommensteuerverwaltung durch den Einsatz von IT-Systemen be-<br />

schleunigt werden. Daneben werden Ansätze verfolgt, die Steuermoral der<br />

Bürger zu verbessern. Ein weiterer Schwerpunkt des Programms ist, bei<br />

Staatseinnahmen aus dem Rohstoffsektor, eine gewisse Transparenz zu schaf-<br />

fen. Aus diesem Grund unterstützt es die Regierung bei der Umsetzung der<br />

Prinzipien und Richtlinien der internationalen Initiative <strong>für</strong> Transparenz in<br />

der Rohstoffwirtschaft (EITI-Initiative) bei deren Ziel, den Einnahmenfluss<br />

aus dem Rohstoffsektor lückenlos zu erfassen. Außerdem soll gewährleistet<br />

werden, dass ein Teil der Einnahmen der unmittelbar betroffenen Zivilbevöl-<br />

kerung zugutekommt, die oft stark durch den Rohstoffabbau beeinträchtigt<br />

wird. Das Programm setzt nicht nur bei der Einnahmenseite, sondern auch<br />

der Ausgabenseite an. Ein weiterer Schwerpunkt ist deswegen, die ghanaische<br />

Regierung bei der Reform des Haushalts- und Finanzwesens zu beraten.<br />

Wichtige von den Reformen betroffene Teilbereiche sind die öffentliche Haus-<br />

haltsplanung, der öffentliche Haushaltsvollzug, die öffentliche Rechenschafts-<br />

legung sowie das öffentliche Beschaffungswesen.<br />

DER ARBEITSALLTAG<br />

Das Büro, in dem das Programm untergebracht war, befand sich in einem der<br />

wenigen Hochhäuser in Accra. Wir haben in einem jungen ghanaisch-deut-<br />

schen Team aus Ökonomen, Soziologen, Informatikern und Juristen zusam-<br />

mengearbeitet. <strong>Die</strong>se Vielfalt in einem internationalen Team gewährleistete<br />

einen regen konstruktiven Dialog und Meinungsaustausch, der mitunter sehr<br />

unterhaltsam war. Zu meinen Kernarbeitsgebieten gehörte die rechtliche<br />

Würdigung sowohl steuerrechtlicher Sachverhalte in Ghana als auch interner<br />

Vertragsentwürfe bezüglich Kooperationsabkommen. Daneben bereitete ich<br />

den Besuch einer deutschen Expertengruppe vor und begleitete diese. <strong>Die</strong> Ex-<br />

pertengruppe war zur Unterstützung des Aufbaus der steuerpolitischen<br />

Grundsatzabteilung im ghanaischen Finanzministerium vor Ort. Außerdem<br />

war ich in die Zusammenarbeit mit der ghanaischen Sonderstaatsanwalt-<br />

schaft <strong>für</strong> Wirtschaftskriminalität (Serios Fraud Office) involviert. Im Rah-<br />

men dieser Zusammenarbeit haben wir untersucht, ob das ghanaische Recht<br />

eine Gewinnabschöpfung bei Wirtschaftsstraftaten ermöglicht, wenn ja, wie<br />

diese ausgestaltet ist und wie sie in der Praxis umgesetzt wird. Daneben war<br />

ich in die tägliche Projektarbeit eingebunden.<br />

<strong>Die</strong> Arbeit im Programm war sehr abwechslungsreich und spannend. Auch<br />

wenn drei Monate sehr kurz sind, erhielt ich doch einen ganz guten Eindruck<br />

über die Arbeit in einem Programm/Projekt der GTZ.<br />

Zusätzlich zum Referendargehalt zahlte die GTZ eine Aufwandsentschädi-<br />

gung von fünfhundert Euro im Monat und eine Reisekostenpauschale.<br />

* Florian Lauscher, Assessor, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter in<br />

der Düsseldorfer Kanzlei Glade Michel Wirtz.<br />

DAS LEBEN<br />

Das Leben in Ghana unterscheidet sich sehr vom Leben in Deutschland. Ich<br />

brauchte eine gewisse Zeit um die völlig neuen Eindrücke zu verarbeiten und<br />

mich an die so andere Umgebung zu gewöhnen. Das Leben in Ghana spielt<br />

sich überwiegend auf der Straße ab. <strong>Die</strong> vielen Menschen, die einem dort be-<br />

gegnen sind sehr offen, nett und gastfreundlich. Geprägt ist das Leben der<br />

Ghanaer vor allem durch das schöne Wetter, die Musik und die verschiedenen<br />

Religionen. <strong>Die</strong> Betreuung durch die GTZ war sehr gut. So hatten Kollegen<br />

sich um eine Unterkunft <strong>für</strong> mich gekümmert und mich nach meiner An-<br />

kunft am Flughafen abgeholt. Bei der Unterkunft handelte es sich um ein mö-<br />

bliertes Wohngemeinschaftshaus in Osu, einem der lebendigsten Viertel Ac-<br />

cras. In diesem „Obruni-Compound“, wie es von den Einheimischen genannt<br />

wurde, wohnten insgesamt bis zu 25 Europäer und Amerikaner. <strong>Die</strong> meisten<br />

arbeiteten <strong>für</strong> Regierungs- oder Nicht-Regierungsorganisationen. Zwar sind<br />

die Lebenshaltungskosten in Ghana günstiger als in Deutschland, aber nicht<br />

wesentlich. Ghana hat einen hohen Freizeitwert. Es gibt traumhafte Strände<br />

und beeindruckende Sehenswürdigkeiten, die einen Besuch wert sind. Dem-<br />

entsprechend sind wir an den Wochenenden viel gereist, was auch problem-<br />

los möglich ist. Da<strong>für</strong> haben wir bevorzugt die sogenannten Tro-Tros benutzt.<br />

Dabei handelt es sich um alte Kleinbusse in denen je nach Größe zwischen 15<br />

und 40 Personen Platz finden. Wenn auch nicht ganz ungefährlich ist es doch<br />

die günstigste Variante im Land zu reisen. Da auch die meisten Ghanaer die-<br />

ses Fortbewegungsmittel nutzen, bietet es eine gute Gelegenheit mit ihnen in<br />

Kontakt zu kommen. An zentralen Orten in Accra gibt es sogenannte Tro-Tro-<br />

Stationen. Von hieraus brechen regelmäßig Kleinbusse ins ganze Land auf. In<br />

Bezug auf die Kriminalitätsrate unterscheidet sich Accra nicht wesentlich von<br />

A. EINLEITUNG<br />

Praktikumsbericht: Großkanzlei Lovells<br />

cand. <strong>iur</strong> Tobias Gutowski (Universität Bremen)<br />

Im Rahmen meines juristischen Pflichtpraktikums verbrachte ich in der Zeit<br />

von Februar bis April 2009 insgesamt 6 1⁄2 Wochen bei der internationalen<br />

Rechtsanwaltssozietät Lovells in Hamburg. Im Vorfeld des universitären Schwer-<br />

punkt<strong>stud</strong>iums „Europäisches Wirtschaftsrecht“, wollte ich die Chance nutzen,<br />

die tägliche Arbeit der Rechtsanwälte in einer Großkanzlei kennenzulernen.<br />

B. DIE KANZLEI<br />

Lovells gehört mit über 3000 Mitarbeitern an 27 Standorten rund um den<br />

Globus zu den größten Rechtsanwaltskanzleien weltweit. Regelmäßige hohe<br />

Platzierungen in den Rankings der Karrierezeitschrift AZUR/JUVE belegen,<br />

dass Lovells auf den Gebieten des nationalen und internationalen Wirtschafts-<br />

rechts mit zu den führenden Sozietäten zählt. In Deutschland ist die Kanzlei<br />

mit über 300 Anwälten in Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg und<br />

München vertreten. <strong>Die</strong> Beratungsschwerpunkte richten sich hierbei jeweils<br />

nach dem lokalen Bedarf. An den einzelnen Standorten existieren sogenannte<br />

„Praxis Groups“ <strong>für</strong> die verschiedenen Rechtsbereiche, z.B. im Arbeitsrecht,<br />

Gesellschaftsrecht/M&A (Corporate), Immobilienrecht, Kartellrecht oder<br />

auch Steuerrecht. Einen besonderen Schwerpunkt hat das Hamburger Büro<br />

im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes gesetzt.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

C. DIE BEWERBUNG<br />

Praxis<br />

einer mitteleuropäischen Großstadt. Wie dort kann man sich in den meisten<br />

Stadtvierteln frei bewegen. <strong>Die</strong> Stadt zeichnet sich durch ein ausgeprägtes, ab-<br />

wechslungsreiches Nachtleben aus. <strong>Die</strong> Ghanaer halten sich <strong>für</strong> die Biertrin-<br />

kernation schlechthin. Recht gibt ihnen die Vielfalt an ghanaischen Biersorten.<br />

Allerdings ist das Leben nicht ganz unbeschwerlich. <strong>Die</strong> hohe Luftfeuchtigkeit,<br />

die enorme Hitze und die Abgase können einem zu schaffen machen. Außer-<br />

dem kann es zu Engpässen in der Strom- und Wasserversorgung kommen.<br />

DIE VORBEREITUNG<br />

Für einen Aufenthalt in Westafrika sollte man berücksichtigen, dass zahlrei-<br />

che Impfungen empfohlen werden. Für Ghana ist eine Gelbfieberimpfung<br />

zwingend erforderlich, ohne sie wird eine Einreise nicht gestattet. Da manche<br />

Impfungen über einen längeren Zeitraum erfolgen, sollte man früh genug<br />

damit beginnen. Außerdem sollte man eine Malariaprophylaxe in Betracht<br />

ziehen, da Ghana Malariagebiet ist. Des Weiteren ist <strong>für</strong> die Einreise ein<br />

Visum erforderlich, das bei der ghanaischen Botschaft zeitnah beantragt wer-<br />

den muss.<br />

DAS FAZIT<br />

Es waren drei spannende, wunderbare Monate in einem friedlichen und poli-<br />

tisch stabilen afrikanischen Land. Ich hatte Gelegenheit, einen mir bis dahin<br />

völlig fremden Teil der Welt zu entdecken. In dieser Zeit habe ich viele nette<br />

Menschen aus Ghana, Europa und Nordamerika kennengelernt. Außerdem<br />

ermöglichte mir die Arbeit bei der GTZ, einen ersten kurzen, aber guten Ein-<br />

blick in die staatliche Entwicklungszusammenarbeit zu erhalten.<br />

<strong>Die</strong> Bewerbung <strong>für</strong> ein Praktikum ist an allen vier deutschen Standorten<br />

ganzjährig möglich. Feste Bewerbungstermine oder –fristen gibt es nicht.<br />

Aufgrund der Arbeitsplanung empfiehlt es sich , seine Bewerbung drei bis vier<br />

Monate vor dem gewünschten Praktikumsbeginn per Post oder per E-Mail<br />

einzureichen. Neben Anschreiben und Lebenslauf sollte sie alle relevanten<br />

Zeugnisse beinhalten. Formelle Voraussetzungen sind, dass der oder die Be-<br />

werbende mindestens das fünfte Fachsemester aufgenommen und die ent-<br />

sprechenden Prüfungsleistungen erfolgreich absolviert hat. <strong>Die</strong>s ist von Be-<br />

deutung, um in den Praxisgruppen sinnvoll mitarbeiten zu können und ernst-<br />

haft in die Arbeit mit eingebunden zu werden. Das Praktikum sollte mindes-<br />

tens sechs Wochen dauern.<br />

Im Oktober 2008 hatte ich mich per E-Mail beworben und bekam innerhalb<br />

von wenigen Tagen eine Nachricht vom zuständigen Anwalt <strong>für</strong> die Einstel-<br />

lung von Referendaren, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Praktikanten.<br />

Das darauffolgende Bewerbungsgespräch war eine lockere Unterhaltung, wel-<br />

che vorrangig dem Kennenlernen diente. Es ging nicht darum, in fachlicher<br />

Hinsicht zu überzeugen. Am Ende wurde ich gefragt, in welchem Bereich ich<br />

gerne eingesetzt werden würde und nannte mit Arbeitsrecht und Gesell-<br />

179


180<br />

Praxis<br />

schaft srecht zwei <strong>für</strong> mich interessante Rechtsgebiete. Ein Praktikumsplatz<br />

wurde nicht an Ort und Stelle zugesichert, aber nach ca. 1 1⁄2 Wochen bekam<br />

ich das Praktikumsangebot <strong>für</strong> den Bereich Arbeitsrecht per E-Mail.<br />

D. DAS PRAKTIKUM<br />

Das Praktikum begann mit einer Einweisung in organisatorische Abläufe und<br />

einer Führung durch die Räumlichkeiten, bei der ich von der zuständigen<br />

Human Resources Managerin begleitet wurde. Sie übergab mir ein Handbuch<br />

zum Umgang mit den kanzleiinternen PC-Anwendungen sowie meine<br />

PC-Zugangsdaten. Nachdem ich mir einen ersten Überblick über die Kanzlei<br />

verschaff en konnte, wurde ich zu meinem Arbeitsplatz geführt. An dem<br />

Schild an der Tür des Büros, welches ich mir mit einer Referendarin teilte,<br />

stand bereits mein Name.<br />

Sodann lernte ich auch meinen Praktikumsbetreuer kennen, einen Senior As-<br />

sociate (Angestellter Anwalt, der bereits einige Jahre in der Kanzlei arbeitet)<br />

aus der Praxisgruppe Arbeitsrecht. <strong>Die</strong>ser teilte mir eine Aufgabe zu und so<br />

war ich <strong>für</strong> die nächsten 1 1⁄2 Tage mit einer Rechercheaufgabe zum Tarif-<br />

und Streikrecht beschäft igt. <strong>Die</strong> Frage betraf ein aktuelles Mandat und hatte<br />

insofern Brisanz, als dass ein Streik im Betrieb des Mandanten kurz bevor<br />

stand und alles getan werden sollte, um diesen abzuwenden. Bei der Bearbei-<br />

tung bestand die Möglichkeit auf die umfangreiche Literatur in der Arbeits-<br />

rechtsbibliothek zurückgreifen und – oft mals als ersten Einstieg – die Portale<br />

Beck-online und Juris zu nutzen.<br />

Weitere Fragestellungen stammten ebenfalls vornehmlich aus dem Bereich<br />

des Arbeitsrechts. Ich konnte mich z.B. ausgiebig mit Problemen zur Kurzar-<br />

beit und zum Kündigungsschutz beschäft igen. Schnittstellen ergaben sich<br />

zum Sozialrecht und oft mals zum allgemeinen Zivilrecht (z.B. AGB-Kon-<br />

trolle im Arbeitsvertrag). Eine umfangreichere Aufgabe betraf eine Recht-<br />

sprechungsrecherche zum Th ema außerordentliche Kündigung aus „gering-<br />

fügigen Gründen“. Im März war der Fall einer Kassiererin, die wegen Unter-<br />

schlagung zweier Pfandbons entlassen worden war, in die Medien gelangt.<br />

Meine Aufgabe bestand darin, sämtliche ähnlich gelagerte Fälle der letzten<br />

Jahre systematisch aufzubereiten um so einen Mandantennewsletter, den<br />

mein Praktikumsbetreuer zu dem Th ema verfassen wollte, vorzubereiten.<br />

Neben arbeitsrechtlichen Fragestellungen befasste ich mich u.a. mit einem<br />

englischsprachigen Energielieferungsvertrag und kontrollierte, ob in einem<br />

neuen Gesellschaft svertrag eines Mandanten alle gewünschten Änderungen<br />

vorgenommen worden waren. Meine Ergebnisse hielt ich dabei meistens in<br />

Aktenvermerken fest, die ich gutachterlich aufb ereitete. In wenigen Fällen<br />

präsentierte ich meine Ergebnisse mündlich oder verfasste direkt einen E-<br />

Mail- Entwurf <strong>für</strong> den Mandanten, in dem diesem von ihm vorgelegte Rechts-<br />

fragen beantwortet wurden. Zeitdruck kam nur selten auf. Vielmehr wurde<br />

mir viel Zeit gegeben, mich in die oft mals <strong>für</strong> mich fremden Rechtsbereiche<br />

hineinzulesen.<br />

„Typische Praktikantentätigkeiten“ wie Kaff ekochen oder Kopieren wurden<br />

nicht von mir gefordert. Vielmehr wurde ich als Praktikant ebenso wie die Re-<br />

ferendare, die wissenschaft lichen Mitarbeiter und die anderen Nachwuchsju-<br />

risten, zu jeder Zeit ernst genommen und als Mitglied des Teams angesehen.<br />

Insofern fi el es mir nicht schwer, während der Arbeit mit einigen Anwälten<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

ins Gespräch zu kommen. Insbesondere fachliche Nachfragen waren fort-<br />

während möglich. <strong>Die</strong>s sei vor dem Hintergrund des enormen Arbeitspen-<br />

sums eines Anwalts in einer Großkanzlei wie Lovells besonders lobend her-<br />

vorgehoben.<br />

Meine Arbeitszeit war nicht von vornherein konkret festgelegt worden. Im<br />

Bewerbungsgespräch hieß es, dass Praktikanten regelmäßig um ca. 9 Uhr an-<br />

fangen und je nach Arbeitsaufk ommen bis ca. 18/19 Uhr blieben sollten. Je-<br />

doch wurde in Fällen, in denen eine Aufgabe dringend erledigt werden sollte,<br />

auch erwartet, dass man diese noch am selben Tag fertigstellte.<br />

Abwechslungsreich und kurzweilig war die Praktikumszeit auch nicht zuletzt<br />

wegen der besonderen Veranstaltungen, die die Kanzlei regelmäßig <strong>für</strong> Refe-<br />

rendare, wissenschaft liche Mitarbeiter und Praktikanten anbietet. Alle zwei<br />

Wochen fi ndet ein Workshop statt, bei dem ein Rechtsanwalt „seinen“ Rechts-<br />

bereich präsentiert. Auf diese Weise erhielt ich u.a. Einblicke in das Marken-<br />

und in das Medienrecht. Ebenfalls in zweiwöchigen Abständen bietet die<br />

Kanzlei einen sogenannten „Referendars-Lunch“ an. Hierbei kommen alle<br />

Referendare, Praktikanten und wissenschaft lichen Mitarbeiter zu einem von<br />

der Kanzlei ausgerichteten Mittagessen in den Kanzleiräumen zusammen,<br />

um sich gegenseitig näher kennenzulernen. Außerdem wurde einmal im Mo-<br />

nat in einem Hamburger Restaurant der sogenannte „Lawyer’s Event“ veran-<br />

staltet. Neben den Referendaren und Praktikanten waren beim „Lawyer‘s<br />

Event“ auch viele Anwälte zugegen und es stellte sich jeweils eine Praxis-<br />

gruppe mit ihrem Rechtsbereich vor.<br />

E. FAZIT UND AUSBLICK<br />

Insgesamt kann ich jedem Studenten im fortgeschrittenen Semester empfeh-<br />

len, ein Praktikum in einer Großkanzlei wie Lovells zu absolvieren. <strong>Die</strong>s gilt<br />

insbesondere deshalb, weil man die Gelegenheit erhält über den gesamten<br />

Praktikumszeitraum selbstständig juristisch zu arbeiten und damit sinnvoll in<br />

den Arbeitsalltag eingebunden zu werden. Nicht zuletzt ist diese Art von ju-<br />

ristischer Arbeit auch ein „training on the job“. Als einziger Kritikpunkt<br />

bleibt, dass sich die Praktikantentätigkeit auf die Arbeit im Büro beschränkte.<br />

<strong>Die</strong> Teilnahme an Treff en mit Mandanten oder an Gerichtsterminen war<br />

nicht vorgesehen.<br />

Hinsichtlich der Möglichkeiten, als Nachwuchsjurist bei Lovells zu arbeiten,<br />

sei noch erwähnt, dass überdurchschnittlich viele wissenschaft liche Mitarbei-<br />

ter beschäft igt werden, die nach der ersten schrift lichen Examenspfl ichtfach-<br />

prüfung die Zeit zur mündlichen Prüfung überbrücken wollen. Ebenso wer-<br />

den neben dem Ableisten von Referendariatsstationen auch Nebentätigkeiten<br />

<strong>für</strong> Referendare und promotionsbegleitende Mitarbeit angeboten.<br />

A. EINLEITUNG<br />

Wer schon immer mal einen Blick über den Tellerrand der nationalen Rechts-<br />

ordnung werfen wollte, dem ist der Schwerpunktbereich „Internationales und<br />

Europäisches Privatrecht und seine historischen Grundlagen“ des Fachbe-<br />

reichs Rechtswissenschaft en der Universität Osnabrück wärmstens zu emp-<br />

fehlen. In diesem Schwerpunkt bekommt man in zwei Semestern unter ande-<br />

rem einen kleinen Einblick in andere (europäische) Rechtsordnungen, er-<br />

fährt, wie man Sachverhalte mit internationalem Bezug zu beurteilen hat und<br />

welchen Einfl uss das Europarecht auf das nationale Privatrecht ausübt.<br />

B. VERANSTALTUNGEN<br />

In den zwei Semestern der Schwerpunktbereichsausbildung werden verschie-<br />

den Veranstaltungen mit Bezügen zum Internationalen Privatrecht (IPR), Eu-<br />

ropäischen Privatrecht (EPR), sowie zur Europäischen Rechtsgeschichte an-<br />

geboten. Feste Veranstaltungen sind dabei die drei Wahlpfl ichtfächer, in de-<br />

nen ein Überblick über die allgemeinen Regeln des IPR geboten, sich mit den<br />

Grundprinzipien des Vertragsrechts unter Berücksichtigung verschiedener<br />

Rechtsordnungen auseinander gesetzt und die Rezeption des römischen<br />

Rechts in Europa betrachtet wird.<br />

Zusätzlich zu den Wahlpfl ichtfächern werden verschiedene Wahlfächer ange-<br />

boten, von denen mindestens zwei zum Gegenstand der mündlichen Prüfung<br />

gemacht werden müssen. <strong>Die</strong>se Wahlfächer können sich mit der Rechtsver-<br />

gleichung, dem Internationalen Schiedsverfahrens- und Zivilprozessrecht,<br />

dem UN-Kaufrecht sowie europäischen Bezügen des BGB beschäft igen, oder<br />

den Stoff der Wahlpfl ichtfächer ergänzen und vertiefen.<br />

Soweit dies möglich ist, werden manche Veranstaltungen auch von ausländi-<br />

schen Gastdozenten im Rahmen von Blockseminaren gehalten.<br />

Des Weiteren muss im Rahmen eines Seminares eine häusliche Th emenarbeit<br />

(Seminararbeit) erstellt und präsentiert werden. In den Semestern werden<br />

meistens 2 – 3 rechtsvergleichende und ein rechtsgeschichtliches Seminar an-<br />

geboten.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Praxis<br />

Schwerpunktbereich Internationales und Europäisches Privatrecht<br />

und seine historischen Grundlagen<br />

<strong>stud</strong>. <strong>iur</strong>. Anne-Kathrin Barutta (Universität Osnabrück)<br />

In den Lehrveranstaltungen wird sich zum Teil mit englischsprachigen oder<br />

anderen fremdsprachigen Texten beschäft igt. Zudem kann es im Rahmen der<br />

Seminar- und hinterher der Studienarbeit erforderlich sein, dass man sich mit<br />

einer ausländischen Rechtsordnung und daher mit fremdsprachiger Literatur<br />

beschäft igen und auseinandersetzen muss. Daher ist es durchaus hilfreich,<br />

wenn man ein gewisses Interesse an Fremdsprachen und ein solides Maß an<br />

Fremdsprachenkenntnissen mitbringt. Dabei ist es jedoch schon ausreichend,<br />

wenn man die englische Sprache einigermaßen sicher beherrscht.<br />

C. PRÜFUNG<br />

<strong>Die</strong> Schwerpunktsprüfung unterteilt sich in eine Studienarbeit und in eine<br />

mündliche Prüfung.<br />

Bei der Studienarbeit handelt es sich ebenfalls um eine häusliche Th emenar-<br />

beit, zu deren Anfertigung der Studierende vier Wochen Zeit hat und die an-<br />

schließend im Rahmen eines Seminars präsentiert werden muss.<br />

<strong>Die</strong> mündliche Prüfung besteht wiederum aus zwei Prüfungsgesprächen, wo-<br />

bei die Wahlpfl ichtkurse Gegenstand des ersten Prüfungsgesprächs, und zwei<br />

von dem Studierenden ausgewählte Wahlkurse Gegenstand des zweiten Prü-<br />

fungsgesprächs sind. In den Prüfungsgesprächen wird zudem auch Bezug zu<br />

den Pfl ichtfächern genommen.<br />

Eine Besonderheit dieses Schwerpunktes besteht darin, dass er noch einmal in<br />

zwei Teilschwerpunkte untergliedert ist. Der Studierende hat somit die Mög-<br />

lichkeit entweder einen Schwerpunkt auf die Europäische Rechtsgeschichte<br />

oder das IPR, EPR und Gemeinschaft sprivatrecht zu legen, was insbesondere<br />

Auswirkungen auf das Th ema der Studienarbeit hat.<br />

E. SCHLUSS<br />

Wer also Interesse an Fremdsprachen hat und schon immer mal gucken wollte,<br />

wie sich gewisse rechtliche Aspekte in anderen Rechtsordnungen darstellen,<br />

<strong>für</strong> den ist dieser Schwerpunkt genau richtig.<br />

<strong>Die</strong> Gruppe der Teilnehmer ist sehr überschaubar, was zu einer angenehmen<br />

Lern- und Arbeitsatmosphäre führt.<br />

Hinzu kommt, dass dem Studierenden in der Bibliothek des „European<br />

Legal Studies Institute“ (ELSI), die derzeit 55.000 Bände zum Internationalen<br />

und Europäischen Privatrecht sowie zum Gemeinschaft sprivatrecht umfasst,<br />

ein sehr umfangreiches Angebot ausländischer Literatur zur Verfügung steht,<br />

was sich insbesondere <strong>für</strong> das Anfertigen der Seminar- und Studienarbeit<br />

auszahlt.<br />

<strong>Die</strong> Dozenten, zu denen u.a. die Professoren Christian von Bar, Martin<br />

Schmidt-Kessel und Hans Schulte-Nölke gehören, sind zudem ausgewiesene<br />

Experten auf dem Gebiet des Internationalen sowie Europäischen Privat-<br />

rechts und des Gemeinschaft sprivatrechts.<br />

Wir suchen Studierende, wissenschaftliche MitarbeiterInnen, die Lust<br />

haben, an der Gestaltung unserer Publikationen mitzuwirken. Der<br />

Aufgabenbereich umfasst u.a die Einwerbung von Beiträgen und das<br />

Entwickeln eigener Ideen <strong>für</strong> Titelthemen oder sonstige Beiträge.<br />

Ab sofort suchen wir <strong>für</strong> das Ressort „Praxis“<br />

1 Redakteur (m/w)<br />

Berwerbungen bitte per E-Mail an bewerbung@<strong>iur</strong>ratio.de<br />

181


Studentisches<br />

Der Studiengang „LL.M. in Unternehmensrestrukturierung“<br />

an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg<br />

Philipp Schlenkhoff / Claus-Peter Knöller (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg)<br />

Seit dem Wintersemester 2008/09 bietet die Juristische Fakultät der Universi-<br />

tät Heidelberg den Studiengang „Legum Magister in Unternehmensrestruk-<br />

turierung (LL.M. corp. restruc.)“ <strong>für</strong> maximal 30 Studierende an. Es sollen<br />

Fachleute <strong>für</strong> die Unternehmensrestrukturierung, eine der schwierigsten Ma-<br />

nagement- und Beratungsaufgaben im Spannungsfeld von Rechts- und Wirt-<br />

schaft swissenschaft en, ausgebildet werden.<br />

Zu einer Unternehmensrestrukturierung zählen alle Maßnahmen, die geeig-<br />

net und notwendig sind, um ein Unternehmen in der Krise wieder auf den Er-<br />

folgsweg zu führen. Der Studiengang ist in sechs aufeinander aufb auende Mo-<br />

dule unterteilt, die entweder in einem oder berufsbegleitend in zwei Jahren<br />

absolviert werden können. <strong>Die</strong> ersten drei Module sind themen-, die letzten<br />

drei vertiefungs- bzw. prüfungsbezogen.<br />

Das erste Modul „Restrukturierungs-, Sanierungs- und Insolvenzrecht“ be-<br />

fasst sich mit den grundsätzlichen rechtlichen Fragen einer Unternehmensre-<br />

strukturierung. Daneben wird, da auch Wirtschaft swissenschaft ler zum Stu-<br />

dium zugelassen sind, ein Tutorium zur Einführung in das Wirtschaft srecht<br />

angeboten. Das Modul umfasst folgende Lehrveranstaltungen: Einführung in<br />

das deutsche, europäische & internationale Insolvenzrecht, M&A in Krise, In-<br />

solvenz & Sanierung und Liquidation bzw. Teilabwicklung/-stilllegung von<br />

Geschäft sbetrieben. <strong>Die</strong>se sollen bei den Studierenden Verständnis <strong>für</strong> die<br />

wichtigsten Insolvenzursachen und die grundlegenden rechtlichen und be-<br />

triebswirtschaft lichen Methoden und Instrumente zur strategischen Früher-<br />

kennung von Unternehmenskrisen wecken und ihnen die Grundlagen <strong>für</strong> die<br />

Erstellung von Konzeptionen zur Restrukturierung und Sanierung vermit-<br />

teln.<br />

<strong>Die</strong> Studierenden sollen darüber hinaus mit dem deutschen, europäischen<br />

und internationalen Insolvenzrecht vertraut gemacht werden, um die Insol-<br />

venz als eine mögliche Option der Sanierung einsetzen zu können. Dabei geht<br />

es um die Chancen und Risiken in der Insolvenz, die Regeln des Insolvenz-<br />

rechts zur Erleichterung der Restrukturierung und Sanierung, den Ablauf des<br />

Insolvenzverfahrens, den Insolvenzplan sowie die übertragende Sanierung<br />

bzw. die Reorganisation mittels Insolvenzplans. Ferner wird vermittelt, wie<br />

die Liquidation bzw. die Teilabwicklung/-stilllegung von Geschäft sbetrieben<br />

oder Geschäft szweigen die Restrukturierungs- und Sanierungs-<br />

ziele ergänzen können.<br />

<strong>Die</strong> Dozenten verstehen es, den Stoff didaktisch verständlich<br />

aufzubereiten und die Vorlesungen schnell auf ein Niveau zu he-<br />

ben, das sich mit dem aktuellen wissenschaft lichen und prakti-<br />

schen Stand der Diskussion deckt. So werden die Grundlagen<br />

<strong>für</strong> die Rahmenbedingungen einer Restrukturierung gelegt, die<br />

in späteren Lehrveranstaltungen vertiefend und im praktischen<br />

Zusammenhang behandelt werden.<br />

Das zweite Modul „Wirtschaft srecht“ mit Veranstaltungen zum<br />

Bilanz-, Handels-, Gesellschaft s-, Unternehmens-, Insolvenz-<br />

straf-, Bank-, Finanzdienstleistungs- und Steuerrecht sowie zu<br />

Rechtsfragen und Praxis der Personalrestrukturierung trägt der<br />

Tatsache Rechnung, dass eine Restrukturierung nahezu alle<br />

möglichen juristischen Problemfelder in einem Unternehmen<br />

berührt, und baut damit auf den zuvor gelegten Grundlagen auf.<br />

Den Studierenden werden die rechtlichen Grundlagen <strong>für</strong> das<br />

Erkennen von Überschuldungsrisiken sowie der Restrukturie-<br />

rungs- und Sanierungsbedarf vermittelt und die einschlägigen<br />

rechtlichen Instrumentarien <strong>für</strong> die Konzeption, Planung und<br />

Umsetzung von Restrukturierungs- und Sanierungsmaßnah-<br />

men an die Hand gegeben. <strong>Die</strong> Veranstaltungen umfassen daher<br />

die Maßnahmen der strukturellen Sanierung (insbesondere<br />

Fortführungsgesellschaft , krisenbedingte Betriebsaufspaltung,<br />

Eigentümerwechsel als strukturelle Sanierungsoption, Verände-<br />

rung der Organisationsstruktur, Beschäft igungs- und Qualifi -<br />

zierungsgesellschaft en, Management Buy-outs, Going Private in der Krise).<br />

Dabei spielen steuerrechtliche Konsequenzen, die bank- und fi nanzdienstleis-<br />

tungsrechtlichen Rahmenbedingungen und die Fragen der Personalrestruk-<br />

turierung mit individual- und kollektivrechtlichen Aspekten eine wichtige<br />

Rolle. Auch Haft ungsrisiken <strong>für</strong> das Management in der Unternehmenskrise<br />

(Geschäft sführer- bzw. Vorstandspfl ichten, zivilrechtliche Haft ung, straf-<br />

rechtliche Verantwortlichkeit) und deutsche sowie internationale Rechnungs-<br />

legungsgrundsätze, samt der Rolle des Abschlussprüfers in der Krise, werden<br />

mit einbezogen.<br />

<strong>Die</strong> Spannung der Vorlesungen profi tiert dabei von der Tatsache, dass die Stu-<br />

dierenden den aktuellen Entscheidungsträgern aus der Rechts- und Wirt-<br />

schaft spraxis in einer kleinen Gruppe gegenübersitzen. Dass diese die Studie-<br />

renden am Ende einer Lehrveranstaltung meist dazu auff ordern, sie bei Pro-<br />

blemen und Fragestellungen später im Beruf oder auch bei dem Berufsein-<br />

stieg zu kontaktieren, ist nicht selbstverständlich und liegt vielleicht auch an<br />

der entspannten und kollegialen Atmosphäre des Studiengangs.<br />

Das dritte Modul „Krisenmanagement und Kommunikation“ umfasst die<br />

Veranstaltungen Grundlagen der Finanzierung, Rechnungswesen, Control-<br />

ling, Finanzplanung, Krisen- und Sanierungsmanagement und Krisen- und<br />

Turnaround-Kommunikation. <strong>Die</strong>ses bildet den eher betriebswirtschaft lichen<br />

Teil des Curriculums. Dabei geht es zunächst um Maßnahmen zur fi nanzwirt-<br />

schaft lichen Sanierung unter Einsatz moderner Instrumente, wie etwa den<br />

Spielarten des Mezzanine-Kapitals oder dem Zugriff auf öff entliche Bürg-<br />

schaft en. Dann werden die zu ergreifenden strategischen, strukturellen und<br />

operativen Maßnahmen auf der leistungswirtschaft lichen Seite der Sanierung<br />

intensiv durchgearbeitet. Denn durch reine Kostensenkungen kann meist<br />

kein nachhaltiger Turnaround erreicht werden. Vielmehr sollte vor dem Hin-<br />

tergrund einer langfristigen Strategie geplant werden, um zukünft ige Er-<br />

folgspotentiale zu heben, getreu dem Motto: „In der Krise liegt auch eine<br />

Chance“. Der Strategie folgt die strukturelle Umsetzung, die z.B. eine Stand-<br />

ortoptimierung und Kapazitätsanpassung bedeuten kann. <strong>Die</strong>s wird von auch<br />

kurzfristig wirksamen operativen Maßnahmen begleitet, wie dem Working<br />

Capital Management mit bspw. Forderungseinzug oder Vorratsreduzierung.<br />

Bei der Planung und Umsetzung der genannten Maßnahmen ist nicht nur ein<br />

effi zientes Planungs- und Controlling Tool anzuwenden, sondern es ist auch<br />

immer der rechtliche Regelungsrahmen zu beachten. Den Studierenden soll<br />

weiter aufgezeigt werden, wie das Management dem großen internen und ex-<br />

ternen Kommunikationsbedarf in der Krise gerecht werden kann. Der Praxis-<br />

bezug wird immer wieder durch Fallbeispiele sichergestellt, die häufi g in kur-<br />

zen Gruppenarbeiten gelöst werden.<br />

<strong>Die</strong> in dem Studiengang vermittelten betriebswirtschaft lichen Inhalte dürft en<br />

<strong>für</strong> die meisten juristisch vorgebildeten Studierenden neu sein; die Notwen-<br />

digkeit der Beherrschung dieser Inhalte steht aber außer Frage. Denn auch<br />

wer sich auf eine juristische Sanierungs- bzw. Restrukturierungsberatung be-<br />

schränkt, muss sich der Interpendenzen mit dem wirtschaft lichen Umfeld zu-<br />

mindest bewusst sein. Dem wird praxisorientiert und (auch <strong>für</strong> Juristen) ver-<br />

ständlich Rechnung getragen.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

<strong>Die</strong> sich anschließenden Module vier und fünf bestehen aus einem interdis-<br />

ziplinären Planspiel, in dem das bisher Erlernte praxisnah umgesetzt werden<br />

soll, und der Magissterarbeit. Der Studiengang wird mit dem sechsten<br />

Modul, einer mündlichen Abschlussprüfung, beendet.<br />

Den Absolventen steht ein großer, gerade in der Krise sprunghaft wachsender<br />

Bedarf an qualifi zierten Nachwuchskräft en gegenüber (z.B. in Anwaltssozie-<br />

täten, Insolvenzverwalterkanzleien, Unternehmensberatungs-, Wirtschaft s-<br />

prüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft en, in der öff entlichen Verwaltung<br />

sowie den Workout-Abteilungen von Finanzinstituten). Aber auch nach einem<br />

Abfl auen der aktuellen Wirtschaft skrise werden Managementfehler, die ca.<br />

80 % aller Unternehmenskrisen verursachen, <strong>für</strong> stete Nachfrage sorgen.<br />

Schon bevor ich auf den Studiengang LL.M. corp. restruc. aufmerksam wurde,<br />

galt mein Interesse der Unternehmensrestrukturierung. <strong>Die</strong> Wahl dieses Stu-<br />

dienganges zur Vertiefung stellt sich daher <strong>für</strong> mich als ideal heraus. Gleiches<br />

gilt meiner Ansicht nach auch <strong>für</strong> Interessenten mit juristischem Hinter-<br />

grund, die häufi g den Erwerb eines LL.M. im Ausland einer postgradualen<br />

Ausbildung in Deutschland vorziehen. Hat man <strong>für</strong> sich noch keine spezifi -<br />

sche berufl iche Zielsetzung und wenig Auslandserfahrung, mag diese Einstel-<br />

lung richtig sein. Wenn man aber diese konkrete Karriereperspektive <strong>für</strong> sich<br />

entdeckt hat, gibt es meiner Ansicht nach keine bessere Vorbereitung da<strong>für</strong><br />

als die Teilnahme an dem Heidelberger Studiengang „LL.M. corp. restruc.“.<br />

Ich bin davon überzeugt, durch diesen Studiengang die bestmögliche Ausbil-<br />

dung <strong>für</strong> alle Bereiche des Wirtschaft s- und Beraterlebens zu erhalten. Denn<br />

wer hier eines der schwierigsten Problemfelder im Griff hat, beherrscht<br />

„einfachere“ Aufgaben erst recht.<br />

Studentisches<br />

Wir suchen Studierende, wissenschaftliche MitarbeiterInnen, die Lust<br />

haben, an der Gestaltung unserer Publikationen mitzuwirken. Der<br />

Aufgabenbereich umfasst u.a die Einwerbung von Beiträgen und das<br />

Entwickeln eigener Ideen <strong>für</strong> Titelthemen oder sonstige Beiträge.<br />

Ab sofort suchen wir <strong>für</strong> das Ressort „Studentisches“<br />

2 Redakteure (m/w)<br />

Berwerbungen bitte per E-Mail an bewerbung@<strong>iur</strong>ratio.de<br />

183


184<br />

Studentisches<br />

Schwerpunktbereich Arbeits- und Sozialrecht im internationalen und<br />

supranationalen Kontext<br />

cand.<strong>iur</strong>. Daniel Kiesow (Universität Bremen)<br />

I. EINLEITUNG<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung <strong>für</strong> einen der Schwerpunktbereiche fällt mitunter gar nicht<br />

leicht. Ich wählte „Arbeits- und Sozialrecht im internationalen und suprana-<br />

tionalen Kontext“ an der Universität Bremen. Ausschlaggebend war <strong>für</strong> mich<br />

dabei ein, während der beiden Praktika entwickeltes, Interesse <strong>für</strong> das Ar-<br />

beitsrecht, die beiden sehr politisch geprägten Rechtsgebiete, als faire Prüfer<br />

empfundene Dozenten und auch die Relevanz des Arbeitsrechts <strong>für</strong> den staat-<br />

lichen Teil des Examens.<br />

Auch rückblickend bin ich damit zufrieden und werde daher versuchen im<br />

Folgenden einen kurzen Einblick in diesen Schwerpunktbereich zu geben.<br />

II. VERANSTALTUNGEN<br />

Während der zwei Semester finden insgesamt acht Vorlesungen á 2 SWS statt.<br />

Zeitlich werden das Arbeits- und das Sozialrecht dabei etwa zu gleichen Tei-<br />

len berücksichtigt.<br />

Im ersten Semester wird hauptsächlich Arbeitsrechtliches vertieft. „Das ar-<br />

beitsgerichtliche Verfahren“ bei Tilo Winter, einem Fachanwalt <strong>für</strong> Arbeits-<br />

recht vermittelt u.A. Kenntnisse im ArbGG, etwas Prozesstaktik und typische<br />

praxisrelevante Fallkonstellationen. „Vertiefung des kollektiven Arbeitsrechts“<br />

bei Dr. Katja Nebe, ist eine fallbezogene Veranstaltung, die die zentralen In-<br />

strumente des kollektiven Arbeitsrechts wie etwa das Betriebsverfassungs-<br />

recht und das Arbeitskampfrecht anhand von Gerichtsentscheidungen be-<br />

handelt. In „Strukturen des Sozialrechts“ bei Prof. Dr. Ursula Rust wird ein<br />

erster Überblick über die Sozialgesetzbücher, insbesondere das Sozialversi-<br />

cherungsrecht, geschaffen. Darüber hinaus werden in „Grundlagen des Euro-<br />

päischen Arbeits- und Sozialrechts“ die Bezüge der beiden Rechtsgebiete zur<br />

europäischen Ebene hergestellt.<br />

Für das zweite Semester liegt der Schwerpunkt dann auf dem Sozialrecht.<br />

„Steuerfinanzierte Grundsicherung“ bei Prof. Dr. Klaus Sieveking befasst sich<br />

mit dem SGB II, dem SGB XII und den zahlreichen problematischen Konstel-<br />

lationen der noch im entstehen befindlichen Rechtssprechung zu „Hartz IV“.<br />

„Forensische Praxis des Sozialrechts“ bei Renate Holst, der Direktorin des Bre-<br />

mer Sozialgerichts, behandelt das Sozialgerichtsgesetz und es werden typi-<br />

sche sozialrechtliche Fragestellungen anhand aktueller Entscheidungen des<br />

BSG besprochen. In „Arbeitsrechtliche Bezüge des Sozialrechts“ werden die<br />

zahlreichen Schnittstellen der Gebiete betrachtet und das im ersten Semester<br />

behandelte Sozialversicherungsrecht vertieft. „Kollisionsrecht und Europäi-<br />

sches Arbeitsrecht“ vertieft die europäische Dimension des Arbeitsrechts,<br />

insbesondere wird auf arbeitsrechtlich relevante Richtlinien und richtungwei-<br />

sende Entscheidungen des EuGH eingegangen.<br />

Durch die geringe Anzahl an Teilnehmern (ca.16 im SoSe 08 und WS 08/09)<br />

gestalteten sich die Vorlesungen allesamt sehr flexibel und es gab genügend<br />

Zeit <strong>für</strong> genauere Nachfragen und Diskussionen, auch Gruppenarbeiten und<br />

Referate der Studierenden zu einzelnen Themenkomplexen wurden einge-<br />

baut.<br />

Der Bezug zur Praxis erfolgte durch die prozessrechtlichen Veranstaltungen,<br />

die wie beschrieben von Praktikern gehalten wurden und Gerichtsbesuche<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

beim LAG Bremen und BSG in Kassel (Fahrtkosten wurden von der Uni<br />

übernommen). Dass viele der Studierenden, parallel zum Besuch der Veran-<br />

staltungen, schon in der Vorbereitung auf den staatlichen Teil des ersten Exa-<br />

mens stecken, wurde von den Dozenten berücksichtigt und so wurde vieles in<br />

den Veranstaltungen selbst erarbeitet.<br />

III. PRÜFUNGEN<br />

Um zur Schwerpunktbereichsprüfung zugelassen zu werden verlangt die Prü-<br />

fungsordnung zunächst die Anfertigung und das Bestehen einer Prüfungs-<br />

vorleistung, diese kann in Form einer vierwöchigen Themenhausarbeit (Um-<br />

fang ca. 25-30 Seiten) erbracht werden. Themen hier<strong>für</strong> werden sowohl nach<br />

dem ersten, als auch nach dem zweiten Semester ausgegeben. Zudem ist es<br />

möglich eine Seminararbeit, in Verbindung mit einem kurzen Referat über<br />

das auszuarbeitende Thema, als Prüfungsvorleistung anerkennen zu lassen.<br />

<strong>Die</strong>jenigen, die sowieso gerne eine Seminararbeit schreiben möchten können<br />

dieses also gut mit der Pflichtaufgabe der Prüfungsvorleistung verbinden.<br />

<strong>Die</strong> eigentliche Schwerpunktbereichsprüfung besteht, wie in allen Schwer-<br />

punktbereichen der Universität Bremen, aus einer vierwöchigen Themen-<br />

hausarbeit (Umfang ca. 50-60 Seiten) an deren Bestehen sich eine mündliche<br />

Prüfung anschließt. <strong>Die</strong> Themen <strong>für</strong> die Hausarbeiten werden aus einem Topf<br />

gelost, in dem sich Themen aus dem gesamten Spektrum des Schwerpunktbe-<br />

reichs befinden. Gleiches gilt auch <strong>für</strong> die mündliche Prüfung, wobei sich die<br />

Themen eingrenzen lassen, sobald die Prüfer <strong>für</strong> den konkreten Termin be-<br />

kannt sind.<br />

Hervorzuheben ist, dass mehrere Veranstaltungen stattfanden, in denen die<br />

Prüfungsanforderungen genau besprochen wurden, unter anderem gab ein<br />

erfolgreicher Kandidat aus dem vergangenen Durchgang Tipps und Hinweise<br />

zu seiner Arbeitsweise. Durch die Prüfungsvorleistung musste auch schon<br />

einmal mit einer, ansonsten eher ungewohnten, Themenhausarbeit umgegan-<br />

gen werden und auch die Simulation einer mündlichen Prüfung wurde von<br />

Prof. Dr. Ursula Rust und Renate Holst durchgeführt. Was ich als sehr positiv<br />

empfand.<br />

IV. SCHLUSS<br />

Abschließend kann ich diesen Schwerpunkt wirklich empfehlen. <strong>Die</strong> Kombi-<br />

nation der beiden Gebiete schult den Sinn <strong>für</strong> Zusammenhänge im Rechtssys-<br />

tem. Inhaltlich kann die Vertiefung der arbeitsrechtlichen Kenntnisse in Hin-<br />

blick auf das Examen, insbesondere die Zivilrecht III Klausur sinnvoll sein,<br />

aber auch als Einblick <strong>für</strong> die spätere Berufswahl dienen. Auch die Kenntnis<br />

von sozialrechtlichen Regelungen ist in vielen Lebenslagen nützlich. Über das<br />

Fachliche hinaus sorgte die Zusammensetzung der Studierenden (mehrheit-<br />

lich Staatsexamen, aber auch LL.M. und Nebenfach waren vertreten) und die<br />

individuelle Betreuung <strong>für</strong> eine angenehme Atmosphäre.<br />

Zwingende Voraussetzungen <strong>für</strong> den Besuch des Schwerpunktes gibt es<br />

kaum, der vorherige Besuch der Grundlagenvorlesung zum Arbeitsrecht ist<br />

natürlich empfehlenswert. Ebenso sind wie überall Interesse und Engagement,<br />

gern gesehen, insbesondere weil sich in einer kleinen Gruppe niemand<br />

verstecken kann.<br />

A. EINLEITUNG<br />

<strong>Die</strong> Universität Münster bietet im Bereich der Schwerpunktbereichprüfung<br />

acht verschiedene Schwerpunkte an. Der Schwerpunkt Rechtsgestaltung und<br />

Streitbeilegung im Zivilrecht zeichnet sich hierunter als einer der praxisnahs-<br />

ten Schwerpunkte aus. Soweit dies einen Studenten, der sich nach den ersten<br />

Semestern mit der strukturierten und schematischen Vorgehensweise der<br />

Rechtswissenschaften angefreundet hat, vielleicht abschrecken könnte, so<br />

bietet es doch auch gerade die Möglichkeit Jura schon zu einem frühen Zeit-<br />

punkt im Studium unter praktischen Gesichtspunkten zu entdecken.<br />

B. VERANSTALTUNGEN<br />

<strong>Die</strong> beschriebene Praxisnähe zeigt sich vor allem im Bereich der Veranstal-<br />

tungen. Nach der Schwerpunktordnung wird zwischen Pflicht- und Wahl-<br />

pflichtveranstaltungen unterschieden. <strong>Die</strong> drei Pflichtveranstaltungen wer-<br />

den zurzeit ausschließlich von Praktikern gehalten. Dabei bringen zum<br />

Beispiel Herr Peitscher (Hauptgeschäftsführer der Rechtsanwaltskammer<br />

Hamm) und Herr Sandkühler (Geschäftsführer der Westfälischen Notarkam-<br />

mer) den Studenten mit ihrem Erfahrungsschatz das Berufsrecht des Anwalts<br />

näher. Ein Einblick in die Verhandlungsstrategien und die forensische Taktik<br />

gibt Prof. Dr. Speckmann. <strong>Die</strong> Veranstaltung Rechtsgestaltung profitiert hin-<br />

gegen außerordentlich vom Wissen der vortragenden Rechtsanwälte Dr.<br />

Aderhold und Dr. Lenkaitis, die die Veranstaltung mit Anekdoten und span-<br />

nenden Fälle aus dem eigenen Berufsleben bereichern und auflockern.<br />

Gerade hierdurch entsteht eine interessante Symbiose aus dem Lernen des<br />

Stoffes unter gleichzeitiger Augenmerksetzung auf die praktische Relevanz.<br />

<strong>Die</strong> sonst im Laufe des Studiums teilweise aufgekommene Frage der Sinnhaf-<br />

tigkeit des Gelernten stellt sich daher im Schwerpunkt Rechtsgestaltung und<br />

Streitbeilegung nicht. Durch das im Rahmen der Veranstaltung erworbene<br />

Wissen beginnt eine Hinterfragung auch der Begebenheiten im alltäglichen<br />

Leben. Bei dem sonst einfach unbewusst getätigten Kauf eines Brötchens,<br />

wird der Blick nun auf das standardisierte Inventar gelenkt und es kommt die<br />

Frage auf, wie wohl hier der Franchisevertrag gestaltet ist. Bei dem sonst nur<br />

überflogenem Zeitungsartikel über eine Firmenübernahme, blitzen nun so-<br />

fort die Begriffe share- und asset deal auf. Im Verlauf des Schwerpunktes wer-<br />

den so vorher kaum beachtete Formularbücher auf einmal zum besten Freund<br />

des Studenten.<br />

Auch die Wahlpflichtfächer bestechen durch ihre Praxisnähe. Zum Einen<br />

werden diese auch von Praktikern gehalten. Zum Anderen bietet aber auch<br />

die Fächerauswahl vom Arzthaftungsrecht bis hin zum Versicherungsver-<br />

tragsrecht den Studenten die Möglichkeit über die normalen im Studienver-<br />

lauf vorgesehenen Fächer hinauszuschauen und hierbei eigene Interessen zu<br />

entdecken.<br />

C. PRÜFUNGEN<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Studentisches<br />

Schwerpunktbereich Rechtsgestaltung und Streitbeilegung<br />

im Zivilrecht<br />

cand. <strong>iur</strong>. Jana Pannemann (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)<br />

Für den erfolgreichen Abschluss der Schwerpunktsbereichsprüfung müssen<br />

30 Credits gesammelt werden, was einem Umfang von 17 Semesterwochen-<br />

stunden entspricht. 18 Credits müssen dabei durch Klausuren in Pflicht- und<br />

Wahlpflichtveranstaltungen erreicht werden und 3 Credits werden <strong>für</strong> das<br />

erfolgreiche Bestehen einer zum Schwerpunktbereich gehörenden Klausur in<br />

einem Grundlagenfach angerechnet. <strong>Die</strong> dann noch fehlenden 9 Credits sind<br />

durch eine Seminararbeit zu erlangen. <strong>Die</strong>se kann im Bereich der Thematik<br />

des Grundlagenfaches oder der Pflicht- und Wahlpflichtveranstaltungen ge-<br />

schrieben werden. Der Umfang der dabei vorgesehenen Seitenanzahl, sowie<br />

die Schreibzeit variieren dabei zwischen den einzelnen Seminaren. Mit in die<br />

Bewertung der Seminararbeit fließt auch ein mündlicher Vortrag ein, bei dem<br />

der Vortragende sein Thema den anderen Seminarteilnehmern präsentiert<br />

und in einer anschließenden Diskussion die einzelnen Thesen näher erläutert<br />

werden.<br />

D. ZUSATZAUSBILDUNG ANWALTSRECHT<br />

Eine Besonderheit des Schwerpunktbereiches Rechtsgestaltung und Streitbei-<br />

legung ist die Möglichkeit des Erwerbs eines Zertifikates im Bereich des An-<br />

waltsrechts. <strong>Die</strong> Teilnahme an dieser Zusatzausbildung kann auch unabhän-<br />

gig von der Belegung des Schwerpunktes Rechtsgestaltung und Streitbeile-<br />

gung erfolgen, jedoch bietet die gleichzeitige Ablegung große Vorteile. <strong>Die</strong><br />

Zusatzausbildung setzt sich zusammen aus dem Besuch der Veranstaltungen<br />

und dem Schreiben einer Abschlussklausur. Umfasst werden dabei die Veran-<br />

staltungen Rechtsgestaltung I und II, Berufsrecht I und II, sowie Verhand-<br />

lungsstrategien und forensische Taktiken I und II. Zeitlich erstreckt sich die<br />

Zertifikatsablegung über zwei Semester. Vorteilhaft bei der gleichzeitigen Ab-<br />

legung mit dem Schwerpunkt ist, dass je nach Wahl eine der beiden Vorlesun-<br />

gen (I oder II) grundsätzlicher Pflichtfachstoff ist. Weiterhin kann die jeweils<br />

andere Klausur als Wahlpflichtfach gewählt werden, sodass es zu einer gleich-<br />

zeitigen Wertung <strong>für</strong> den Schwerpunkt und die Zusatzausbildung kommt<br />

und keine zusätzlichen Belastungen entstehen.<br />

E. SCHLUSS<br />

Insgesamt stellt sich der Schwerpunktbereich Rechtsgestaltung und Streitbei-<br />

legung im Zivilrecht als eine wirklich lohnenswerte Schwerpunktwahl dar.<br />

Einschränkend muss allerdings angeführt werden, dass es im Hinblick auf die<br />

Examensrelevanz des Stoffes an der Universität Münster andere Schwer-<br />

punkte (z.B. Staat und Verwaltung) gibt, bei denen im Rahmen der Schwer-<br />

punktvorlesungen das Wissen aus der Zwischenprüfung weiter vertieft wird<br />

und sich dies vorteilhaft in der Examensvorbereitung auswirkt. Jedoch sollte<br />

dringend davon abgeraten werden, diesen Aspekt als einziges Kriterium <strong>für</strong><br />

die Schwerpunktwahl zu nehmen. <strong>Die</strong> Entscheidung sollte immer nach dem<br />

Schwerpunkt des eigenen Interessenfeldes gefällt werden. Gerade <strong>für</strong> den<br />

Schwerpunkt Rechtsgestaltung und Streitbeilegung im Zivilrecht spricht da-<br />

bei neben dem zusätzlichen Highlight der Zertifikatserwerbung die außeror-<br />

dentliche Praxisnähe, die jedem Studenten individuelle Möglichkeiten bietet<br />

viele neue Sichtweisen und Einblicke zu gewinnen.<br />

185


186<br />

Studentisches<br />

Deutsch- französisches Recht<br />

<strong>stud</strong>.<strong>iur</strong>. Christina Gehrig (Universität Erlangen-Nürnberg)<br />

Seit dem Wintersemester 2007/2008 haben jedes Jahr ca. 20 Jura<strong>stud</strong>enten an<br />

der Universität Erlangen-Nürnberg die Möglichkeit nach dem 4. Semester<br />

eineinhalb Jahre in Rennes Rechtswissenschaft en zu <strong>stud</strong>ieren und dort den<br />

„Master 1“ und „Master 2“ zu absolvieren.<br />

Außerdem schreiben sie in Frankreich die Seminararbeit in deutsch-französi-<br />

schem Recht, deren Leistung gänzlich in Deutschland anerkannt wird. Nach<br />

dem 3-semestrigen Aufenthalt in Rennes kommen die deutschen Studieren-<br />

den wieder zurück nach Erlangen und schließen ihr Studium mit dem Staats-<br />

examen ab. Im Anschluss an den Aufenthalt der deutschen Studenten in Ren-<br />

nes, <strong>stud</strong>iert der französische Jahrgang drei Semester in Erlangen und absol-<br />

viert dort einen deutschen Master in Rechtswissenschaft en.<br />

Als Vorbereitung <strong>für</strong> das Studium in Frankreich, werden an der Universität<br />

Erlangen Sprachkurse, „francais juridique 1, 2 und 3“ angeboten, die einem<br />

einen Einblick in das französische Recht geben sollen. Außerdem kommt je-<br />

weils am Ende des Semesters ein französischer Professor an die Universität<br />

Erlangen, der im Rahmen von Blockveranstaltungen das öff entliche Recht<br />

und Zivilrecht in Frankreich vermittelt.<br />

<strong>Die</strong> Bewerbungen <strong>für</strong> diesen deutsch-französisch integrierten Studiengang<br />

müssen einen „lettre de motivation“ enthalten. Natürlich erhöhen längere<br />

Aufenthalte in Frankreich z.B. als Au-Pair oder Austauschschüler die Chance<br />

ausgewählt zu werden. Französisch Leistungskurs wird zwingend vorausge-<br />

setzt. Aber die französischen und deutschen Professoren, die die Auswahl<br />

treff en, wollen auch Begeisterung <strong>für</strong> das Land, seine Kultur und Menschen in<br />

der Bewerbung spüren.<br />

Anhand dieser Motivationsschreiben wird dann eine Vorauswahl getroff en,<br />

die besten Bewerber werden zu einem Auswahlgespräch eingeladen. Im Rah-<br />

men dieses Gesprächs, das sowohl deutsche als auch französische Dozenten<br />

und Professoren führen, wird besonders großen Wert auf die sprachlichen Fä-<br />

higkeiten gelegt.<br />

Als ich im zweiten Semester hörte, dass ab dem Wintersemester 07/08 ein<br />

deutsch- französisch integrierter Studiengang an der Universität Erlangen-<br />

Nürnberg angeboten wird, machte ich mich gleich am nächsten Tag an die<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 + 4 / 2009<br />

Arbeit um die Bewerbungsunterlagen fertig zu stellen. Ich wollte schon immer<br />

Sprachen in meinem Studium integrieren und eineinhalb Jahre in Frankreich<br />

hörten sich sehr verlockend an. Wie funktioniert das Rechtssystem in Frank-<br />

reich, welche Unterschiede gibt es zu dem in Deutschland? Fragen auf die ich<br />

eine Antwort haben wollte. Innerhalb dieses Programms würde ich die Mög-<br />

lichkeit haben, es herauszufi nden. Glücklicherweise sind auch Quereinstiege<br />

möglich. Jedoch konnte ich außer dem Leistungskurs Französisch keine be-<br />

sonderen Qualifi kationen wie längere Auslandsaufenthalte in Frankreich<br />

oder beste Abiturnoten in Französisch vorweisen. In meinem „lettre de moti-<br />

vation“ schrieb ich viel über meine Begeisterung <strong>für</strong> Frankreich, die zahlrei-<br />

chen, schönen Urlaube und den Sprachkurs, den ich dort im Rahmen eines<br />

Sprachenprogramms absolvierte. Ein Auswahlgespräch gab es in meinem<br />

Jahrgang noch nicht. Außer mir schafft en es ca. 15 weitere Bewerber sich <strong>für</strong><br />

das Programm zu qualifi zieren. Im ersten Semester nahmen wir an dem Kurs<br />

„écouter et entendre“ teil, der unsere Sprechfertigkeiten und das Hörverständ-<br />

nis schulen sollte. <strong>Die</strong> folgenden Semester belegten wir die Kurse „francais ju-<br />

ridique 1, 2 und 3“. Aber der Spaß kam auch nicht zu kurz: französische Filme,<br />

die in Erlangen vom deutsch-französischen Institut, gezeigt werden, schauten<br />

wir uns bei gemütlichem Zusammensein immer wieder an. Auch Diskussi-<br />

onsabende über deutsch-französische Beziehungen wurden besucht.<br />

Im Sommer 2008, ein Jahr vor unserem großen Aufb ruch nach Frankreich,<br />

reisten wir dann alle mit dem Bus nach Rennes um unsere zukünft ige Heimat<br />

kennen zu lernen. Dort durft en wir Wohnheimszimmer der Universität be-<br />

wohnen. In den darauf folgenden<br />

Tagen lernten wir unsere „Aus-<br />

tausch<strong>stud</strong>enten“ in Rennes kennen<br />

und nahmen die Stadt unter die<br />

Lupe. Außerdem hörten wir uns<br />

Vorlesungen an. Uns wurde klar,<br />

dass diese sehr anders waren als in<br />

Deutschland. Alle Studenten mach-<br />

ten während der Vorlesung ohne<br />

Unterbrechung Notizen und eine<br />

Orientierung <strong>für</strong> den Ablauf der<br />

Vorlesung mit Hilfe einer Power<br />

Point Präsentation gab es nicht. Natürlich machte es dies <strong>für</strong> uns Deutsche<br />

noch schwieriger den Ausführungen des Professors zu folgen. Nach diesen<br />

aufregenden vier Tagen in Frankreich, in denen wir unsere neue Heimat sehr<br />

viel besser kennengelernt haben, freuten wir uns auf schöne aber natürlich<br />

auch lernintensive eineinhalb Jahre in Rennes.<br />

Ich kann dieses Programm allen Studenten empfehlen, die die französische<br />

Sprache und das Land genauso mögen wie ich. Natürlich ist auch das Inter-<br />

esse <strong>für</strong> rechtsvergleichende Th emen sehr wichtig. Vor allem denjenigen, die<br />

sich vorstellen könnten später einmal in Frankreich bzw. auch in Deutschland<br />

in Unternehmen mit französischen Beziehungen zu arbeiten, vermittelt dieser<br />

Studiengang sehr gute Grundkenntnisse um diese Zukunft spläne verwirkli-<br />

chen zu können.<br />

Welche Ziele hat der Freundeskreises<br />

Juristische <strong>Zeitschrift</strong> <strong>Iurratio</strong> e.V.?<br />

Ziele des Freundeskreises Juristische <strong>Zeitschrift</strong> <strong>Iurratio</strong> e.V. sind die Förderung<br />

des wissenschaft lichen Nachwuchses, die Unterstützung der Universitäten<br />

und Hochschulen in Lehre, Wissenschaft und Forschung durch rechtswissen-<br />

schaft liche Studien, die im Magazin sowie im Internet <strong>für</strong> alle Studierenden<br />

und Nachwuchskräft e veröff entlicht werden. Dem Freundeskreis sollen<br />

Studierende, Professoren, Juristen und weitere Persönlichkeiten aus Wissen-<br />

schaft , Politik und Wirtschaft beitreten.<br />

Welche Vorteile bietet eine Mitgliedschaft<br />

in diesem Verein?<br />

Alle Mitglieder erhalten ein Abonnement der <strong>Zeitschrift</strong> <strong>Iurratio</strong>.<br />

Der Freundeskreis hat es sich zur Aufgabe gemacht, den kostenlosen Bezug<br />

der juristischen <strong>Zeitschrift</strong> insbesondere <strong>für</strong> seine Mitglieder und <strong>für</strong> alle<br />

juristischen Bibliotheken im ganzen Bundesgebiet sicherzustellen.<br />

So kümmert sich der Freundeskreis insbesondere um den regelmäßigen<br />

kostenlosen Versand der <strong>Zeitschrift</strong> an alle Mitglieder des Vereins sowie an<br />

die juristischen Bibliotheken in ganz Deutschland.<br />

Darüber hinaus trägt der Freundeskreis Juristische <strong>Zeitschrift</strong> <strong>Iurratio</strong> e.V.<br />

durch die Übernahme der Druckkosten <strong>für</strong> die Exemplare seiner Mitglieder und<br />

der juristischen Bibliotheken zum kostenlosen Erscheinen der <strong>Iurratio</strong> bei.<br />

<strong>Die</strong> Mitglieder des Freundeskreises Juristische <strong>Zeitschrift</strong> <strong>Iurratio</strong> e.V. werden<br />

auf unserer Homepage www.<strong>iur</strong>ratio.de unter dem Link „Freundeskreis“<br />

aufgeführt. Auf Wunsch kann die Mitgliedschaft anonym bleiben.<br />

Wie hoch ist der jährliche Mitgliedsbeitrag?<br />

Der jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt fünfundzwanzig Euro. Der ermäßigte<br />

Beitrag <strong>für</strong> Schüler, Studierende und Referendare beläuft sich auf zehn Euro.<br />

Wie kann ich Mitglied werden und wie sehen die<br />

Satzung und die Beitragsordnung aus?<br />

Werden auch Sie Mitglied im Freundeskreis Juristische <strong>Zeitschrift</strong> <strong>Iurratio</strong> e.V.!<br />

<strong>Die</strong> Mitgliedschaft garantiert Ihnen zunächst den regelmäßigen Bezug der<br />

juristischen <strong>Zeitschrift</strong> <strong>Iurratio</strong>. Das Anmeldeformular fi nden Sie auf unserer<br />

Homepage und gleich hier.<br />

Freundeskreis Juristische <strong>Zeitschrift</strong> <strong>Iurratio</strong> e.V. Vorstand c/o Vivien Eckhoff , Graf-Moltke-Straße 18, 28203 Bremen<br />

Aufnahmeantrag Freundeskreises Juristische <strong>Zeitschrift</strong> <strong>Iurratio</strong> e.V.<br />

Hiermit trete ich dem Freundeskreis Juristische <strong>Zeitschrift</strong> <strong>Iurratio</strong> e.V. bei. Ich trete dem Verein bei als<br />

SchülerIn, StudentIn, ReferendarIn (ermäßigter Jahresmitgliedsbeitrag 10€,<br />

entsprechende Nachweise sind dem Vorstand jährlich vorzulegen),<br />

natürliche Person (Jahresmitgliedsbeitrag 25€),<br />

juristische Person (Jahresmitgliedsbeitrag 25€).<br />

Den <strong>für</strong> mich nach der Beitragsordnung gültigen Mitgliedsbeitrag zahle ich bei Eintritt in den Verein unverzüglich, danach gemäß § 2 Nr. 4 der Bei-<br />

tragsordnung jeweils zum 1. Januar des Kalenderjahres, auf das Konto des Vereins bei der Bremer Landesbank, Kontonummer 1051387004, BLZ 290<br />

500 00 ein. Das Erteilen einer Lastschrift ermächtigung ist auf einem gesonderten Formular möglich.<br />

Firma/Titel/Frau/Herr:<br />

Name, Vorname:<br />

Geburtsdatum:<br />

Beitrittsdatum:<br />

Ich möchte / möchte nicht als Förderer von <strong>Iurratio</strong> auf www.<strong>iur</strong>ratio.de genannt werden. (Unzutreff endes bitte streichen)<br />

<strong>Die</strong> aktuelle Satzung und die derzeit gültige Beitragsordnung vom 14.12.2008 habe ich zur Kenntnis genommen.<br />

Ort, Datum:<br />

Straße:<br />

PLZ/Stadt:<br />

E-Mail:<br />

Telefon:<br />

Unterschrift :


Referendars- oder Praktikumsplatz<br />

<strong>für</strong> Rechtsreferendar/in oder Student/in<br />

Bewerbungen richten Sie bitte<br />

z. Hd. Hans-Joachim Brockmeier<br />

Sie sind Rechtsreferendar/in oder Student/in und suchen einen<br />

attraktiven Referendars- oder Praktikumsplatz? Dann sind Sie<br />

bei uns richtig. Sie erhalten bei uns eine zukunftsorientierte<br />

Weiterbildung.<br />

Wir legen besonderen Wert darauf, Sie mit der notwendigen<br />

Intensität zu betreuen. Unser Ziel ist es, Ihnen in unserer wirt-<br />

schaftlich- und privatrechtlich ausgerichteten Rechtsanwalts-<br />

und Notariatskanzlei einen vertieften Einblick in die juristische<br />

Praxis zu gewähren und Sie bei ihrem beruflichen Werdegang<br />

tatkräftig zu unterstützen.<br />

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!<br />

Rechtsanwälte Brockmeier, Grotholt, Bietmeier, Faulhaber und Kollegen<br />

Büro Rheine | Humboldplatz 4 | 48429 Rheine

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