Neue Szene Augsburg 2015-05
Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung. Aktuelle Info und Veranstaltungskalender unter www.neue-szene.de
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38 Zoom<br />
DIE<br />
10<br />
EURO<br />
REPORTAGE<br />
Ich weiß genau, was Sie, lieber Leser, jetzt denken.<br />
Sprechen! Als ob man das üben müsste,<br />
als ob wir das nicht bereits virtuos beherrschen<br />
würden! Wer lispelt denn heute noch?<br />
Wer nuschelt denn bitte vor sich hin? Wem<br />
geht denn die Luft aus, wenn er vor Publikum reden<br />
soll? Na ja, eigentlich gar nicht so wenigen Leuten,<br />
außer natürlich uns selbst. Deswegen konnte ich so<br />
herrlich entspannt sein, als ich mich auf den Weg<br />
zur Sprechtrainerin Dagmar Franz-Abott machte. Ich<br />
hatte den etwas widersprüchlichen und damit allzu<br />
menschlichen Gedanken, dass ich einerseits hervorragend<br />
sprechen kann, ich andererseits umso mehr<br />
zu gewinnen habe, wenn mir eine versierte Trainerin<br />
den letzten Schliff gibt. Herrlich, diese Selbsteinschätzung.<br />
Es geht ja zum Glück nicht nur mir so.<br />
Eine psychologische Studie hat kürzlich den Beweis<br />
erbracht, dass wir wesentlich besser durchs Leben<br />
kommen, wenn wir unsere Fähigkeiten überschätzen.<br />
Man kennt das aus dem Alltag. Jeder hält sich im<br />
Grunde für einen überdurchschnittlich guten Autooder<br />
Radfahrer, jeder meint, dass er überdurchschnittlich<br />
guten Geschmack in Sachen Essen oder<br />
Wohnungseinrichtung hat. Das Problem dabei ist<br />
natürlich: Wenn der durchschnittliche Mensch denkt,<br />
er wäre durchschnittlich klüger oder geschmackvoller<br />
als der Durchschnitt der Menschen, muss er sich im<br />
Durchschnitt oft irren. Ich gestatte mir diesen kleinen<br />
Exkurs nur, um ein wenig auf meine durchschnittliche<br />
persönliche Befindlichkeit einzugehen, die mir,<br />
in sanfter Überschätzung der eigenen Fähigkeiten,<br />
zuraunt, ich hätte sprechtechnisch den schnöden<br />
Rest der Menschen bereits hinter mir gelassen. Dem<br />
war natürlich nicht so, aber fangen wir doch einfach<br />
bei meiner Sprechtrainingstunde selbst an.<br />
An der Tür eines gepflegten Hauses in Sichtweite<br />
des Siebentischwalds begrüßte mich Frau Franz-<br />
Abbott. Kurzes blondes Haar, akkurat-elegante Bluse<br />
in Schwarzweiß und eine wunderbare Stimme...<br />
hellweich könnte man sagen. Wenn es für Frau und<br />
Mann eine ideale Stimmlage gibt, dann ist es für<br />
Frauen wahrscheinlich diese klare Hellweichheit und<br />
für Männer ist es die sonore Stimmlage. Das hat mir<br />
Miss Franz-Abbott gleich erklärt, ich wusste also,<br />
worauf es ankam, zumindest was den Ton angeht,<br />
ohne den eine Stimme freilich wenig hermacht.<br />
Aber bevor ich mich mit Miss Franz-Abbott, einer<br />
ausgebildeten Schauspielerin, an die Sonorität wage,<br />
lässt sich mich erst einen kurzen Text vorlesen, der<br />
zeigen soll, wie es um meine Stimme steht. Praktischerweise<br />
befasst sich dieser Text bereits mit der<br />
Stimme. Ich gebe mir natürlich ein wenig mehr Mühe<br />
als bei der üblichen Nuschelei in der Redaktion, ich<br />
fühle mich wie ein Claus Kleber, der sonor vor sich<br />
hin moderiert.<br />
Und was sagt meine Sprechtrainerin dazu?<br />
Sie haben eine gute Stimme, gutes Hochdeutsch,<br />
wobei natürlich jeder nördlich des Weißwurstäquators<br />
sofort ihre südliche Herkunft erkennt.<br />
Ja, das ist auch so eine faszinierende Sache. Das<br />
Hochdeutsch des süddeutschen Menschen. Man<br />
kann noch so hochdeutsch reden, die Nordlichter<br />
erkennen sofort, dass man keiner der ihren ist. Auch