Kosten der Unterkunft - Tacheles e.V.
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Aktionsleitfaden<br />
Wenn die Beratung im Einzelfall nicht weiterhilft<br />
beziehungsweise immer wie<strong>der</strong> an die gleichen<br />
Grenzen stößt, ist weitergehendes sozialanwaltschaftliches<br />
Engagement gefragt. Im Fokus stehen<br />
dabei die Mietobergrenzen sowie insgesamt die<br />
kommunalen Richtlinien. Wie diese zu beurteilen<br />
sind, wie eine eigenständige Beweisführung in<br />
strittigen Fällen geführt werden kann und wie eine<br />
entsprechende Öffentlichkeitsarbeit aussehen kann,<br />
zeigen die nachfolgenden Kapitel.<br />
1 Richtlinien für die <strong>Kosten</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Unterkunft</strong><br />
1.1 Übersicht: Kriterien für gute und<br />
schlechte Richtlinien<br />
Generell gilt: Differenzierte und transparente Regelungen<br />
schaffen Rechtsklarheit für die Betroffenen<br />
und erleichtern dementsprechend die Beratung. Wo<br />
vor Ort keine guten o<strong>der</strong> gar rechtlich problematischen<br />
Richtlinien vorliegen, hilft oft ein Verweis<br />
auf die Positivbeispiele. Dies hilft auch in vielen<br />
strittigen Einzelfällen weiter, weil damit <strong>der</strong> gesetzliche<br />
Ermessensspielraum <strong>der</strong> Verwaltung offensichtlich<br />
wird.<br />
Die beste Datengrundlage für die anzusetzenden<br />
<strong>Kosten</strong> <strong>der</strong> <strong>Unterkunft</strong> ist ein aktueller örtlicher<br />
Mietspiegel – Kaltmiete –, wenn bei den <strong>Kosten</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Unterkunft</strong> zudem berücksichtigt wird<br />
– die tatsächliche Verfügbarkeit von Wohnraum.<br />
Dabei geht es um das tatsächlich vor Ort verfügbare<br />
Angebot, aber auch um die Frage, ob ALG II-<br />
Empfängerinnen und -empfänger als Mieterinnen<br />
o<strong>der</strong> Mieter akzeptiert werden.<br />
Bei <strong>der</strong> Regelsatzfestlegung wird von dem Prinzip<br />
ausgegangen, dass sich die Lebensverhältnisse<br />
von Sozialhilfeempfangenden zur Vermeidung<br />
von Ausgrenzung nicht von denen <strong>der</strong> untersten<br />
20 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung unterscheiden sollen,<br />
gleiches gilt demnach für die Regelleistung<br />
von ALG II-Berechtigten. Dieses sinnvolle Prinzip<br />
lässt sich auch auf die Wohnverhältnisse übertragen.<br />
Demnach muss ein Marktsegment von 20<br />
Prozent tatsächlich zugänglich sein. Je nach Höhe<br />
<strong>der</strong> Ablehnungsquote <strong>der</strong> Vermieter muss dieses<br />
Segment also entsprechend höher gesetzt werden.<br />
Eine Ablehnungsquote von 50 Prozent braucht somit<br />
ein rechnerisch zugängliches Marktsegment<br />
von 40 Prozent des Wohnungsbestandes, damit<br />
20 Prozent als tatsächlich zugänglich verbleiben.<br />
Mindestens aber muss ein Marktanteil tatsächlich<br />
zugänglich sein, <strong>der</strong> dem Anteil aller Leistungsberechtigten<br />
von Fürsorgeleistungen entspricht.<br />
Hierzu ist <strong>der</strong> Bevölkerungsanteil von<br />
Leistungsberechtigten nach SGB II und SGB XII<br />
(einschließlich Grundsicherung im Alter und bei<br />
Erwerbsmin<strong>der</strong>ung) zu ermitteln und mit <strong>der</strong><br />
Ablehnungsquote das rechnerisch zugängliche<br />
Marktsegment des erfor<strong>der</strong>lichen Wohnungsbestands<br />
hochzurechnen.<br />
In einigen Kommunen wird öffentlich geför<strong>der</strong>ter<br />
Wohnraum als Maßstab herangezogen – das<br />
kann akzeptabel sein, wenn kommunale Wohnungsbaugesellschaften<br />
tatsächlich ein relevantes<br />
Marktsegment abdecken und wenn Wohnraum in<br />
ausreichen<strong>der</strong> Menge verfügbar ist. Nicht akzeptabel<br />
ist dagegen <strong>der</strong> Maßstab <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung nach<br />
dem Wohngeldgesetz, da durch Hartz IV zumeist<br />
<strong>der</strong> Nachfragedruck nach Wohnungen im unteren<br />
Preissegment erheblich zugenommen hat. Ebenfalls<br />
nicht akzeptabel sind Mietobergrenzen, die<br />
sich in einem Flächenkreis am ländlichen Randgebiet<br />
orientieren, wenn ALG II-Bezieherinnen<br />
und -bezieher in einem regionalen Zentrum mit<br />
erheblich höherem Mietniveau leben (siehe hierzu<br />
auch die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts<br />
im Anhang).<br />
20 Diakonie Texte 22.2006