2. Was bedeutet eigentlich Heterogenität?
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Annedore Prengel<br />
Inklusive Bildung:<br />
Grundlagen, Praxis, offene Fragen<br />
Rostock 11. Juni 2013
Inklusive Bildung: Grundlagen, Praxis,<br />
offene Fragen<br />
1. Einstimmung: Imaginationen zu Inklusion<br />
1. <strong>Was</strong> <strong>bedeutet</strong> <strong>eigentlich</strong> Heterogenität?<br />
1. Wie ist die Praxis der Inklusiven Pädagogik<br />
möglich?
„Pride Toronto“ 2011
STUDENTS IN EDUCATION ENHANCING DIVERSITY (S.E.E.D.)
<strong>2.</strong> <strong>Was</strong> <strong>bedeutet</strong> <strong>eigentlich</strong> Heterogenität ?
<strong>2.</strong> <strong>Was</strong> <strong>bedeutet</strong> <strong>eigentlich</strong> Heterogenität?<br />
<strong>2.</strong>1 Zur Perspektive der Gleichheit<br />
- Grundbedürfnisse<br />
- Rechte<br />
<strong>2.</strong>2 Zur Perspektive der Heterogenität<br />
- Verschiedenheit - Vielschichtigkeit<br />
- Veränderlichkeit - Unbestimmtheit<br />
<strong>2.</strong>3 Egalitäre Differenz als gleiche Freiheit
3. Wie ist die Praxis der inklusiven Schule möglich?<br />
3.1 Institutionelle Ebene<br />
3.2 Didaktische Ebene<br />
3.3 Beziehungsebene
Fünf Meilensteine auf dem langen Weg der Institution<br />
Schule zur Inklusion<br />
• Um 1660 Comenius: Erste Idee einer Schule für alle<br />
• 1773 Rochow: Eröffnung der Musterschule für alle Stände<br />
• 1920 Grundschule als Schule für (fast) alle Kinder in der Fläche<br />
• 1975 Erstmals Integration in der Fläming-Schule Berlin<br />
• 2009 Behindertenrechtskonvention: Inklusion = geltendes Recht
Johan Amos Comenius (1592-1670):<br />
„Zunächst wünschen wir, dass in dieser<br />
vollkommenen Weise nicht nur irgendein Mensch,<br />
wenige oder viele zum wahren Menschentume<br />
geformt werden, sondern alle Menschen, und zwar<br />
jeder einzelne, jung und alt, arm und reich, adelig<br />
und nichtadelig, Männer und Frauen, kurz jeder,<br />
der als Mensch geboren ist (…).“<br />
„(…) wo Gott keinen Unterschied gemacht hat, da<br />
soll auch der Mensch keine Schranken aufrichten.“
1773 Rochow: Eröffnung der Musterschule für alle Stände<br />
„Ich denke doch nicht,<br />
(…) dass man den<br />
Verstand eines<br />
Bauernkindes und<br />
seine Seele für Dinge<br />
einer anderen Gattung<br />
hält als den Verstand<br />
und die Seelen der<br />
Kinder höherer<br />
Stände“
Friedrich Eberhard von<br />
von Rochow<br />
(1734-1805)<br />
Christiane Louise<br />
von Rochow, geb. von Bose<br />
(1733-1808)
Fünf Meilensteine auf dem langen Weg zur Inklusion<br />
• Um 1660 Comenius: Erste Idee einer Schule für alle<br />
• 1773 Rochow: Eröffnung der Musterschule für alle Stände<br />
• 1920 Grundschule als Schule für (fast) alle Kinder in der Fläche<br />
• 1975 Erstmals Integration in der Fläming-Schule Berlin<br />
• 2009 Behindertenrechtskonvention: Inklusion = geltendes Recht
3.2 Didaktische Ebene:<br />
1. Zielgleich-individualisierend unterrichten:<br />
Obligatorische Inhalte vermitteln (Lesen,<br />
Schreiben, Rechnen, Naturkunde,<br />
Sozialkunde, Sport, Musik, Kunst)<br />
<strong>2.</strong> Zieldifferent unterrichten:<br />
Freiräume für selbstbestimmte Inhalte und<br />
Kinderkreativität eröffnen
Beispiel ILEA<br />
(Individuelle Lernstands- bzw.<br />
Lernentwicklungsanalyse)<br />
ILEA 1 usw. + psychosoziale Gesamtsituation:<br />
Bildungsserver Brandenburg<br />
ILEA T: Martin Luther Universität Halle<br />
Text Prengel: Lern- und Förderplanung LIS<br />
Bremen 2011
Mehrperspektivische Anerkennung von Lernleistungen<br />
1. Die Perspektive der Anerkennung der universellen<br />
Menschenrechte<br />
<strong>2.</strong> Die Perspektive der Anerkennung der Mitgliedschaft in<br />
der Kindergruppe und in der Schule<br />
3. Die Perspektive der Anerkennung der einzelnen Person<br />
mit ihren individuellen Lernprofilen<br />
(individuelle Bezugsnorm)<br />
4. Die Perspektive Leistungsvergleiche mit einer<br />
Lehrplannorm<br />
(kriteriale Bezugsnorm)<br />
5. Die Perspektive des Vergleichs mit anderen Kindern<br />
(soziale Bezugsnorm)
<strong>2.</strong>3 Beziehungsebene
• „In der Entwicklungslogik ist es<br />
widersinnig, Kinder in ihrer wichtigsten<br />
Sozialisationsphase voneinander zu<br />
isolieren und später von ihnen als<br />
Jugendliche oder Erwachsene zu<br />
verlangen, dass sie sich gegenseitig in<br />
ihrer Besonderheit achten und<br />
akzeptieren“ (Maria Kron 2008, S. 193).
Kinder haben gute Beziehungen in gemischten Gruppen.<br />
Wenn Schwierigkeiten entstehen, dann durch:<br />
• Dominantes und aggressives Verhalten<br />
• Orientierungsloses und distanzloses Verhalten<br />
• Übergriffiges Hilfegeben<br />
• Nichtakzeptieren von (körperlichen) Beeinträchtigungen
Erste Ergebnisse für Interaktionen im<br />
Anfangsunterricht<br />
• Mehrheitlich anerkennende und neutrale Handlungsmuster, weniger<br />
verletzende Handlungsmuster<br />
• Sehr heterogen Profile einzelner Lehrpersonen, häufig anerkennende<br />
und häufig verletzende Lehrkräfte arbeiten Tür an Tür<br />
• Kinder reagieren körperlich sichtbar auf die Qualität der Ansprache<br />
• Verletzungen blockieren Lernaktivitäten<br />
• Anerkennungen ermöglichen Lernaktivitäten<br />
• Verletzungen treffen teilweise seriell die gleichen Kinder<br />
• Alle Kinder der 1./<strong>2.</strong> Klasse, auch die verletzten, kämpfen um<br />
Anerkennung als Schüler<br />
• Muster der Anerkennung: zu Leistungen ermutigen, Leistung loben,<br />
bei Kummer trösten, freundlich streicheln oder in den Arm nehmen,<br />
Konflikte lösen helfen, Humor ermöglichen, Grenzen setzen, anhören<br />
• Muster der Missachtung: Anbrüllen, am Arm schütteln, vor die Tür<br />
schicken, ignorieren, sarkastisch ansprechen, lächerlich machen,<br />
Hilfe durch Peers verbieten, keine Grenzen setzen, Kummer<br />
ignorieren, Fehler oder Fehlverhalten böse kritisieren, in seiner<br />
Gegenwart negativ über ein Kind sprechen, nicht anhören
Konferenz 3./4.10.2013 in Potsdam:<br />
„Kinderrechte und die Qualität<br />
pädagogischer Beziehungen“<br />
paed-beziehung-2013.com/
Neun Zentrale Bausteine der Inklusion<br />
• Aufnahme aller Kinder in ihre wohnortnahe Kita und Schule<br />
• Anerkennung: „schlechte“ Schüler gibt es nicht, jedes Kind ist auf<br />
seiner Stufe kompetent.<br />
• Sicherung einer Halt gebenden pädagogischen Beziehung und<br />
Pflege der Peerbeziehungen<br />
• Didaktik mit Materialien und Kompetenzrastern für gestuftes<br />
Kerncurriculum + Freiräumen für Themen der Kinder<br />
• Zugehörigkeit zur Stammgruppe und temporäre Lerngruppen oder<br />
temporäre 1:1-Betreuung<br />
• Kontinuierliche multiprofessionelle Teamarbeit und<br />
Supervisionsgruppe (nicht nur in Problemsituationen!)<br />
• Kontinuierliche und enge Kooperation zwischen Schule und allen<br />
außerschulischen Hilfen + mit Eltern<br />
• Die gemeinsam von Kindern und Erwachsenen vertretene, das<br />
Wohlbefinden aller anstrebende Schulordnung<br />
• Ausreichende Ausstattung
3.1 Bio-psycho-soziale Gesamtsituation:<br />
Exemplarische Bausteine<br />
• Subjektive Erlebnisweise des Kindes / Jugendlichen im<br />
ökosozialen Kontext<br />
• Körperliche Voraussetzungen und bei Bedarf<br />
sonderpädagogische Informationsbeschaffung für<br />
personale Assistenz und materiale Barrierefreiheit<br />
• Familienbeziehungen, Biografie, auch Notsituationen oder<br />
Gewalterfahrungen<br />
• Peerbeziehungen<br />
• Lehrer-Schüler-Beziehung und Selbstreflexion der<br />
Lehrkräfte
Exemplarisches Stufenmodell ILEA-T@philfak3.uni-halle.de<br />
Strategien<br />
Päd. Angeb. → nächste Stufe<br />
1. pärliteral-basal Blickkontakt, Gestik, Mimik,<br />
dabei zeigen + benennen<br />
<strong>2.</strong> präliteral-symbolisch 1 Umgang mit ersten Büchern,<br />
Zeichen, Reimspielen<br />
<strong>2.</strong> Prälietral-symbolisch 2 Spielerisch Schriftliches aller Art<br />
+ seinen Sinn erkunden<br />
3. Logografemisch Übungen z phonolog Bewussth.<br />
z. Buchst-Laut-Beziehung<br />
4. Beginnend alfabetisch Schreibanlässe, Anlauttabelle,<br />
Schreiben nach Gehör<br />
5. Entfaltet alfabetisch flüssiges Lesen + Orthografie<br />
üben<br />
6. Lexikalisch-orthografisch Eigenständig lesen + schreiben<br />
komplexerer Texte