17.11.2012 Aufrufe

Kescher - Abraham Geiger Kolleg

Kescher - Abraham Geiger Kolleg

Kescher - Abraham Geiger Kolleg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Kescher</strong><br />

„Wir brauchen neue Rabbiner hier wie die Luft<br />

zum Atmen“, sagte Dr. Dieter Graumann, der Prä -<br />

sident des Zentralrats der Juden in Deutsch land,<br />

bei unserer letzten Ordinationsfeier in Bamberg<br />

und forderte: „Lasst daher Hundert neue<br />

Rabbiner hier blühen – damit auch das Judentum<br />

in Deutschland wieder aufs Neue blühen kann!“<br />

9. Jahrgang, Nr. 2 | Schawuot 2012 | Siwan 5772<br />

Unser gemeinsames Anliegen ist, dass die<br />

Bezeichnung ‚Rabbiner Made in Germany’ ein<br />

Markenzeichen werden möge. Vierzehn Rabbiner,<br />

ein Kantor: Eine Erfolgsbilanz nicht nur für das<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>, sondern auch für die jüdischen<br />

Gemeinden in Deutschland und darüber<br />

hinaus.<br />

„Rabbis<br />

Made in<br />

Germany“


Präsident<br />

Rabbiner Prof. Dr. Walter Jacob<br />

Rektor<br />

Rabbiner Prof. Dr. Dr. h.c. Walter Homolka<br />

Direktorium<br />

Prof. Dr. Admiel Kosman<br />

Rabbiner Drs Edward van Voolen<br />

Rabbiner Dr. Tovia Ben-Chorin<br />

PD Dr. Jascha Nemtsov<br />

Dr. Anne-Margarete Brenker<br />

Senat<br />

Rabbiner Dr. W. Gunther Plaut, Toronto<br />

Prof. Dr. Paul Mendes-Flohr, Jerusalem<br />

Prof. Dr. Ernst Ludwig Ehrlich*<br />

Rabbiner Dr. John D. Rayner CBE*<br />

Prof. Dr. Wolfgang Loschelder, Potsdam<br />

Rabbiner Dr. Andrew Goldstein, London<br />

Prof. Dr. Erich Thies, Berlin<br />

Kuratorium<br />

Dr. Josef Joffe, Vorsitzender, Hamburg<br />

Adina Ben-Chorin, Berlin<br />

Leslie F. Bergman, London<br />

Benno Bleiberg, Berlin<br />

Rabbiner Dr. Albert H. Friedlander OBE*<br />

Rabbiner Dr. David J. Goldberg OBE, London<br />

Rabbiner Prof. Dr. Arthur Hertzberg*<br />

Lord Joffe CBE, Swindon<br />

Rabbiner Dr. Peter S. Knobel, Chicago<br />

György Konrád, Budapest<br />

Stuart Matlins, Woodstock, VT<br />

Felix Mosbacher, Paris<br />

Rabbinerin Baroness Neuberger DBE, London<br />

Wolfgang M. Nossen, Erfurt<br />

Prof. Dr. Elizabeth Petuchowski, Columbus, OH<br />

Harold Sandak-Lewin, Cape Town<br />

Prof. Dr. Julius H. Schoeps, Potsdam<br />

Dr. med. Josef Schuster, Würzburg<br />

Max Warburg, Hamburg<br />

Rabbiner Dr. Mark L. Winer DD, London<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Durch<br />

Erforschung des<br />

Einzelnen zur<br />

Erkenntnis des<br />

Allgemeinen,<br />

durch Kenntnis<br />

der Vergangen -<br />

heit zum<br />

Verständ nis der<br />

Gegenwart,<br />

durch Wissen<br />

zum Glauben.<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong><br />

(1810 – 1874)<br />

Impressum<br />

<strong>Kescher</strong>: Informationen über liberales Judentum<br />

im deutschsprachigen Raum<br />

Newsletter des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s<br />

<strong>Kescher</strong>: hebräisch: Verbindung, Kontakt<br />

Titelbild: Die Absolventen des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong><br />

<strong>Kolleg</strong>s. Fotos: Tobias Barniske<br />

Herausgeber<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> gGmbH<br />

Postfach 120852, 10598 Berlin<br />

Tel: (030) 31805910, Fax: (030) 318059110<br />

bomhoff@geiger-edu.de<br />

www.abraham-geiger-kolleg.de<br />

Redaktion / V.i.S.P.<br />

Hartmut Bomhoff<br />

Gestaltung: Thomas Regensburger<br />

Druck: Oktoberdruck AG,<br />

Rudolfstraße 1-8, 10245 Berlin<br />

Auflage: 1.500 Exemplare<br />

ISSN-Nr.: 1861-4469<br />

Inhalt<br />

9. Jahrgang | Ausgabe 2<br />

Zentrum Jüdische Studien 4<br />

Theologie im öffentlichen Raum 6<br />

Rabbinerausbildung heute 8<br />

Rabbinerordination in Bamberg 10<br />

Emil Fackenheim Lecture 2012 13<br />

JTS Breslau 1862 16<br />

Jüdische Bibliothek Hannover 18<br />

Meldungen des Kantorenseminars 19<br />

Allgemeine Rabbinerkonferenz 20<br />

EUPJ-Tagung in Amsterdam 24<br />

Israelitengesetz in Österreich 28<br />

Archäologie: Jerusalemer Tempel 32<br />

Schawuot 33<br />

Campus 35<br />

Vermischtes 36<br />

Termine 37<br />

Wir freuen uns über Ihre Spende!<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong><br />

Konto Nr. 108 30 39<br />

Deutsche Bank AG Berlin<br />

(BLZ 100 700 24)


Vielen Dank,<br />

Annette Schavan!<br />

Am 30. Mai wird nun endlich das Zentrum Jüdi -<br />

sche Studien Berlin-Brandenburg feierlich eröffnet.<br />

Die Bundesbildungsministerin Annette<br />

Schavan wird persönlich dabei sein, wenn in der<br />

Hauptstadtregion der größte Forschungsverbund<br />

gegründet wird, den es in Judaistik, Jüdischen<br />

Studien und Jüdischer Theologie europaweit gibt.<br />

Grundlage sind die Empfehlungen des Wissen -<br />

schaftsrats vom Januar 2010 zu den religionsbezogenen<br />

Wissenschaften an deutschen Hoch -<br />

schulen. Dort hatte man die Ausgrenzung des<br />

Themas Religion in eigene Hochschulen bemängelt<br />

und die Clusterbildung gerade in den<br />

Jüdischen Studien als Ziel für die deutsche<br />

Hochschullandschaft formuliert. Das ist nun der<br />

Grund dafür, das Zentrum Jüdische Studien in<br />

Berlin-Brandenburg zu eröffnen.<br />

Im Januar 2011 hatten die drei Berliner Universi -<br />

täten – Freie Universität (FU), Humboldt-Uni -<br />

versität (HU), Technische Universität (TU) –, die<br />

Brandenburger Universität Potsdam (UP) sowie<br />

die zwei Institutionen <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong><br />

(AGK) und Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ)<br />

(Potsdam) ein gemeinsames Konzept verabschiedet,<br />

das die Gründung eines universitäts- und<br />

länderübergreifenden sowie interdisziplinären<br />

Zentrums Jüdische Studien Berlin-Brandenburg<br />

vorsieht. Ein entsprechender Antrag auf Förde -<br />

rung wurde im November 2011 beim Bundes -<br />

ministerium für Bildung und Forschung (BMBF)<br />

eingereicht.<br />

<strong>Kescher</strong> Editorial<br />

Die Einrichtung des Zentrums verfolgt das Ziel<br />

einer besseren Vernetzung des schon bestehenden<br />

Angebots in Lehre und Forschung für den<br />

Bereich Jüdische Studien, die damit verbundene<br />

bessere Veranke rung der Jüdischen Studien in<br />

der Region Berlin-Brandenburg sowie die<br />

Nachwuchsförderung und Internationalisierung<br />

auf diesem Gebiet. Das Zentrum Jüdische Studien<br />

Berlin-Brandenburg dient der Förderung von<br />

Forschung und Lehre. Das Zentrum ist an der<br />

Zielsetzung ausgerichtet, die breiten kulturwissenschaftlichen,<br />

philologischen, soziologischen<br />

und interreligiösen Kom petenzen in Forschung<br />

und Lehre auf dem Gebiet der Jüdischen Studien<br />

in der Region Berlin-Brandenburg zu vernetzen.<br />

Damit soll die Inten sität in Forschung und Lehre,<br />

deren Internatio nalität und die Sichtbarmachung<br />

der Jüdischen Studien im universitären und<br />

außeruniversitären Diskurs verstärkt werden.<br />

Das Zentrum fördert Synergieeffekte in Lehre<br />

und Forschung, die durch die Bündelung und<br />

Koordination vorhandener Aktivitäten im Bereich<br />

Jüdische Studien, Judaistik und Jüdischer<br />

Theologie erreicht und durch zusätzliche<br />

Kapazitäten erweitert werden. Am Zentrum wird<br />

es sowohl eine akademische rabbinische<br />

Ausbildung als auch bekenntnisneutrale, allgemeine<br />

Jüdische Studien geben. Für die<br />

Rabbinerausbildung wird die Institutiona lisie -<br />

rung Jüdischer Theologie als fakultätsäquivalente<br />

Organisationseinheit der Universität Potsdam<br />

von besonderer Bedeutung sein. Dafür hat das<br />

Zentrum Jüdische Studien wesentliche Voraus -<br />

setzungen geschaffen: durch die Errichtung der<br />

Professuren Jüdische Musik, Biblische Exegese<br />

und die Gastprofessur Jüdisches Recht. Damit<br />

ergibt sich eine enge Verflechtung von geistlicher<br />

Ausbildung und der im Zentrum vertretenen<br />

Fächer in Forschung und Lehre.<br />

Das Land Brandenburg steht nun in der Pflicht,<br />

die vom Wissenschaftsrat vorgegebene Kern -<br />

fächerab deckung durch drei weitere Lehrstühle<br />

zu arrondieren: Jüdische Pkilosophie, Religionsund<br />

Geistesgeschichte sowie Religionspädagogik.<br />

Dann wird die Vision <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong>s Wirk -<br />

lichkeit geworden sein, die dieser seit 1830<br />

hegte: jüdische Theologie als gleichberechtigte<br />

Disziplin an der deutschen Hochschule. Das<br />

Zentrum er möglicht folglich nicht nur den interkulturellen,<br />

sondern auch den interreligiösen<br />

Dialog und macht den Standort der deutschen<br />

Hauptstadt region zu einem einzigartigen<br />

Forschungs- und Kompetenzzentrum für Jüdische<br />

Studien. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit!<br />

Mit herzlichen Grüßen<br />

Rabbiner Walter Homolka<br />

Foto: Margrit Schmidt<br />

3


4<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Das Bundesministerium für Bildung<br />

und Forschung fördert den<br />

Aufbau eines Zentrums in<br />

Berlin und Brandenburg /<br />

Schavan: „Große Tradition<br />

jüdischer Gelehrsamkeit“<br />

Jüdische Studien werden gestärkt<br />

Den Jüdischen Studien in Deutschland ist es in<br />

den letzten Jahren gelungen, international wieder<br />

starke Beachtung und Anerkennung zu ge -<br />

winnen. Diese gute Entwicklung wird zukünftig<br />

durch das Bundesministerium für Bildung und<br />

Forschung besonders unterstützt. Die Humboldt-<br />

Universität zu Berlin, die Freie Universität Berlin,<br />

die Technische Universität Berlin, die Universität<br />

Potsdam, das <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> und das<br />

Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische<br />

Studien werden vom Bundesministerium für<br />

Bildung und Forschung beim Aufbau des Zen -<br />

trums für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg<br />

gefördert.<br />

Im Zentrum werden wissenschaftliche Aktivitä -<br />

ten auf diesem Gebiet in Studium und Lehre<br />

gebündelt und vernetzt. Zugleich wird durch<br />

Gastprofessuren und Fellows der internationale<br />

Austausch mit Wissenschaftlern und Wissen -<br />

schaft lerinnen, insbesondere aus den USA,<br />

Israel, Großbritannien, Frankreich und den GUS-<br />

Ländern, verstärkt. Darüber hinaus werden<br />

Forschungsstellen für Nachwuchswissenschaftler<br />

geschaffen. Das Bundesministerium für Bildung<br />

und Forschung fördert den Aufbau des Zentrums<br />

für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg (ZfJS)<br />

mit 6,9 Mio € für einen Zeitraum von zunächst<br />

fünf Jahren. „Das Zentrum für Jüdische Studien<br />

wird weit über Deutschland hinaus wirken", sagte<br />

Bundesforschungsministerin Annette Schavan.<br />

„Es knüpft an die große Tradition jüdischer<br />

Gelehrsamkeit insbesondere in Berlin an."<br />

Bei den Partnern sind beste Voraussetzungen für<br />

eine gelingende interdisziplinäre Zusammen -<br />

arbeit der relevanten Fächer gegeben. Im Raum<br />

Berlin/Potsdam ist das gesamte Spektrum der<br />

wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem<br />

Judentum vertreten, wobei sich Schwerpunkte<br />

und Arbeitsteilungen herausgebildet haben: von<br />

historischen und kulturwissenschaftlichen<br />

Ansätzen (vor allem an der Humboldt-Universität<br />

Berlin) über philologisch-kritische und dialogische<br />

(vor allem an der Freien Universität Berlin),<br />

religionshistorische und theologisch-philosophische<br />

Zugänge (vor allem an der Universität<br />

Potsdam), über die Holocaust- und Antisemi -<br />

tismus-Forschung an der Technischen Universität<br />

Berlin und die Erforschung des Zionismus am<br />

Moses Mendelssohn Zentrum bis zur akademischen<br />

Ausbildung von Rabbinern und Kantoren<br />

am <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>.<br />

Damit greift das Zentrum die „Empfehlungen zur<br />

Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen<br />

Wissenschaften an deutschen Hoch -<br />

schulen" des Wissenschaftsrats auf. „Besonders<br />

vielversprechend ist die Zusammenarbeit zwischen<br />

bekenntnisneutralen Wissenschaftler -<br />

innen und Wissenschaftlern beispielsweise aus<br />

Kultur- oder Sozialwissenschaften mit bekenntnisgebunden-theologisch<br />

arbeitenden <strong>Kolleg</strong>en<br />

vom <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>", so Schavan.<br />

BMBF, 11.04.2012 [Pressemitteilung 039/2012]<br />

9. Jahrgang | Ausgabe 2<br />

Foto: Laurence Chaperon<br />

Hier<br />

Schon heute bietet die Region um<br />

Berlin eine Vielzahl an Möglich keiten,<br />

sich in Forschung und Lehre jüdischen<br />

Themen zu widmen. Von der Judaistik<br />

an der Freien Universität, dem <strong>Kolleg</strong>ium<br />

Jüdische Studien an der Humboldt-Universität,<br />

dem Zentrum für Antisemitismus forschung an<br />

der Technischen Universität Berlin bis zum Moses<br />

Mendelssohn Zentrum in Potsdam. Dort steht mit<br />

dem liberal ausgerichteten <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong><br />

<strong>Kolleg</strong> zudem eine Rabbiner- und Kantorenaus -<br />

bildung zur Verfügung.<br />

Schoeps: Alle haben Angebote, die einschlägig<br />

sind. Aber die Versuche, diese Angebote zu Ko -<br />

ordinieren, haben bis jetzt noch nicht funktioniert.<br />

(...) Es hat immer Widerstände gegeben<br />

und Ängste. Die einen dachten, wenn man so<br />

etwas macht, nimmt man ihnen was weg, undsoweiter.<br />

Wir haben hier ein Konzept entwickelt,<br />

wo alle bei ihren bisherigen Aktivitäten bleiben,<br />

aber miteinander arbeiten in der Zukunft und das<br />

ist das Neue.<br />

Julius Schoeps leitet seit zwanzig Jahren das<br />

Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum, das als<br />

An-Institut der Universität Potsdam gute Erfah -<br />

rungen in der Kooperation zwischen Lehre und<br />

Forschung gemacht hat. Im Miteinander sieht er<br />

vor allem konkrete Verbesserungen für die<br />

Studierenden:<br />

Schoeps: Und jetzt ist die Überlegung, auch ein<br />

gemeinsames Vorlesungsverzeichnis zu ent -<br />

wickeln, was dann zur Folge auch hätte, dass die


Studenten, die Jüdische Studien in Berlin-<br />

Potsdam studieren hier ein Angebot bekommen,<br />

wie es sonst nirgendwo in Deutschland vorhanden<br />

ist. (...) Das wäre hier das Nonplusultra, um<br />

das mal so zu sagen.<br />

Das Bundesforschungsministerium fördert den<br />

Aufbau des Zentrums für Jüdische Studien mit<br />

knapp 7 Millionen Euro in den kommenden fünf<br />

Jahren. Geplant ist ein wissenschaftliches Dach<br />

mit dem Ziel einer stärkeren Vernetzung untereinander.<br />

Die Kapazitäten der einzelnen Fach bereiche<br />

an den Universitäten und Forschungs instituten<br />

sollen gebündelt werden. Ein starker Fokus wird<br />

dabei auf die Förderung des wissenschaftlichen<br />

Nachwuchses gesetzt, durch die Etablierung einer<br />

Graduiertenschule als Kern des Zentrums. Auf<br />

lange Sicht soll es auch einen Masterstudiengang<br />

geben. Christina von Braun, Sprecherin und<br />

Mitinitiatorin des ambitionierten Vorhabens, sieht<br />

aber noch mehr Vorteile:<br />

von Braun: Was jetzt möglich sein wird ist, dass<br />

die Theologie jetzt auch mit der Kunstgeschichte<br />

oder der Literaturwissenschaft, der Philosophie<br />

zusammenarbeitet auf dem Gebiet der Jüdischen<br />

Studien, und da bieten sich sehr viele Brücken -<br />

schläge in diesen Disziplinen an, das eben jetzt<br />

ganz gezielt zu vernetzen, oder aber ein anderer<br />

Aspekt ist: Es kommen ohnehin sehr viele ausländische<br />

Wissenschaftler auf diesem Gebiet der<br />

Jüdischen Studien nach Berlin, und denen einen<br />

Ort zu bieten, wo wir sie schneller leiten können<br />

an Wissenschaftler hier in der Gegend, wird auch<br />

durch so ein Zentrum leichter möglich sein.<br />

Im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert<br />

zählte Berlin schon einmal zu den weltweit<br />

bedeutendsten Zentren jüdischer Gelehrsamkeit:<br />

Als Ort der akademischen Beschäftigung mit dem<br />

Judentum sowie der Rabbinerausbildung. Die<br />

1872 gegründete Hochschule für die Wissen schaft<br />

des Judentums, die bis zur ihrer Schlie ßung durch<br />

die Nationalsozialisten im Jahre 1942 einen hervorragenden<br />

Ruf besaß, dient jetzt denn auch als<br />

Vorbild:<br />

Schoeps: Es ist ein Anknüpfen an die Tradition,<br />

wenngleich man nicht mehr so ohne Weiteres an<br />

solche Traditionen anknüpfen kann, weil dazwi-<br />

<strong>Kescher</strong><br />

schen liegen eben die Jahre der Hitlerdiktatur, es<br />

liegt die Teilung Deutschlands dazwischen und<br />

mittlerweile auch durch die Zuwanderung von<br />

Juden aus der früheren Sowjetunion eine völlig<br />

andere Situation. Ein deutsches Judentum wie<br />

vor 1933 gibt es nicht mehr. Aber: Anknüpfen<br />

ZENTRUM<br />

JÜDISCHE<br />

STUDIEN<br />

BERLIN-BRANDENBURG<br />

kann man natürlich an bestimmte Traditionen,<br />

man muss sie aber vermitteln.<br />

Inhaltlich will das künftige Zentrum drei Schwer -<br />

punkte setzen: Zur Geschichte der Juden in<br />

Brandenburg-Preußen. Zum sogenannten Trialog<br />

zwischen Judentum, Christentum und Islam und<br />

zur Memorialkultur. Mit der Rabbiner- und<br />

Kantorenausbildung am Potsdamer <strong>Abraham</strong><br />

<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> gesellt sich zu dieser stark säkularen<br />

Ausrichtung zugleich eine bekenntnisgebundene<br />

Orientierung.<br />

Schoeps: Das ist ein Problem, das gelöst werden<br />

muss. Bei der bekenntnisgebundenen Wissen -<br />

schaft, (...) da handelt es sich um die Rabbiner -<br />

ausbildung, das muss so sein. Andererseits kann<br />

ein säkularer Student, also der Jüdische Studien<br />

studiert, zum Beispiel viel lernen, wenn er ein<br />

Seminar belegt über jüdisches Recht, das zum<br />

entsteht ein Ort, der richtig attraktiv ist<br />

Fotos: MMZ / Archiv<br />

Carsten Dippel sprach<br />

mit Christina von Braun<br />

und Julius H. Schoeps<br />

über das neue Zentrum<br />

für Jüdische Studien<br />

Berlin-Brandenburg, das<br />

am 30. Mai eröffnet<br />

wird.<br />

Beispiel der Rabbinerstudent als Pflicht haben<br />

wird.<br />

Das Zentrum für Jüdische Studien Berlin-<br />

Brandenburg wird seine Arbeit zum Winter -<br />

semester aufnehmen. Dann werden auch die<br />

ersten Fellows erwartet. Berlin erfährt damit eine<br />

deutliche Aufwertung gegenüber anderen Orten<br />

wie etwa Heidelberg mit der dortigen Hochschule<br />

für Jüdische Studien. Christina von Braun sieht<br />

darin aber keine Konkurrenz:<br />

von Braun: Es hat bis jetzt schon so viel gegeben<br />

hier in Berlin und Brandenburg auf dem Gebiet<br />

der Jüdischen Studien, dass man sich kaum vorstellen<br />

kann, dass das zusätzlich Wasser abgräbt.<br />

Das einzige, was jetzt passiert, ist, dass es jetzt<br />

etwas sichtbarer wird und das es besser gebündelt<br />

und strukturiert wird. Aber es hat genauso<br />

viel Forschung und Aktivitäten schon gegeben<br />

und insofern glaube ich keine Sekunde, dass<br />

Heidelberg darunter zu leiden hat.<br />

5


6<br />

Ein Leuchtturm in der Wissenschaftslandschaft?<br />

Geht es nach den Vorstellungen der Beteiligten,<br />

wird das Zentrum für Jüdische Studien Berlin-<br />

Brandenburg mehr sein als ein wissenschaftliches<br />

Verbundprojekt. Berlin, da ist sich Julius Schoeps<br />

sicher, schwingt sich auf, die erste Adresse für<br />

Jewish Studies in Europa zu werden:<br />

Schoeps: Wir werden selbstverständlich eine<br />

Austausch und<br />

Dialog nötig<br />

Zum Artikel von Heike Schmoll, „Das Heidel -<br />

berger Unikat —Die Hochschule für Jüdische<br />

Studien und das Studienzentrum in Berlin" (FAZ.<br />

vom 28. April): Als Vertreter des Faches deutschjüdische<br />

Geschichte an der Universität Potsdam<br />

und Mitglied der Universität Potsdam im Direk -<br />

torium des neugegründeten „Zentrums Jüdische<br />

Studien Berlin-Brandenburg" gestatte ich mir<br />

deshalb folgende ergänzende Hinweise: Das<br />

„Zentrum jüdische Studien" konterkariert keineswegs<br />

die Intentionen des Wissenschaftsrates,<br />

indem es die Grenzen zwischen Kulturwissen -<br />

schaft und Theologie verwischt. Im Gegenteil:<br />

Sinn der Zentrumsgründung war es von Anfang<br />

an, die einschlägigen kulturwissenschaftlich<br />

arbeitenden Einrichtungen im Raum Berlin-<br />

Brandenburg zu bündeln und den Jüdischen<br />

Studier in dieser Region dadurch zu noch größerer<br />

Attraktivität zu verhelfen. Das <strong>Abraham</strong><br />

<strong>Geiger</strong>-<strong>Kolleg</strong> gehört zwar ebenfalls dem<br />

„Zentrum“ an; angesichts der Gesamtstruktur<br />

des Zentrums, zu der vier Universitäten und mit<br />

dem Moses-Mendelssohn-Zentrum ein kulturwissenschaftlich<br />

orientiertes außeruniversitäres<br />

Institut beitragen, kann aber von einer<br />

„Konfessionalisierung" der Jüdischen Studien<br />

wirklich keine Rede sein.<br />

Ein Junktim zwischen dem „Zentrum jüdische<br />

Studien" und einer ebenfalls zu gründenden<br />

jüdisch -theologischen Fakultät entsprach nie<br />

den Intentionen der kulturwissenschaftlich<br />

arbeitenden Fächer und Einrichtungen. Faktum<br />

ist: ein solches Junktim besteht nicht; das<br />

„Zentrum jüdische Studien ist von einer theologichen<br />

Fakultätsgründung völlig unabhängig zu<br />

<strong>Kescher</strong><br />

europäische Dimension haben. Nach Westeuropa<br />

hin und nach Osteuropa hin. (...) Ich bin überzeugt<br />

davon, dass hier viele osteuropäische<br />

Studenten studieren werden und vielleicht eine<br />

Rabbineraus bildung absolvieren und dann<br />

zurückgehen in ihre Heimatländer, um dort ein<br />

Rabbinat zu übernehmen. (...) Es wird Austausch<br />

geben, es werden Studenten, Forscher aus Israel,<br />

aus den USA, aus Südamerika nach Berlin kom-<br />

S T I M M E N Z U M Z E N T R U M F Ü R J Ü D I S C H E S T U D I E N<br />

sehen. Gleichwohl wäre die Gründung einer<br />

jüdisch-theologischen Fakultät, die eine akademisch<br />

institutionalisierte Rabbinerausbildung an<br />

einer staatlichen Universität bereitstellte, eine<br />

außerordentliche Errungenschaft und als solche<br />

zu begrüßen. Die historischen Gründe dafür zu<br />

nennen erübrigt sich.<br />

In den derzeit an der Universität Potsdam<br />

geführten intensiven Gesprächen geht es darum,<br />

die Frage zu klären, wie das zukünftige Neben -<br />

einander von Jüdischen Studien als kulturwissenschaftlicher<br />

Disziplin und jüdischer Theologie<br />

mit dem Ziel der Ausbildung von Rabbinern organisatorisch<br />

und inhaltlich geregelt werden soll.<br />

Dabei wird von einer Autonomie beider Bereiche<br />

auszugehen sein und nicht von einer konturenlosen<br />

Verschmelzung. Dass natürlich zwischen beiden<br />

Bereichen Austausch und Dialog herrschen<br />

muss, ist ebenso selbstverständlich, diese<br />

Entwicklungen werden von und an der Philoso -<br />

phischen Fakultät mit kritischer Aufmerksamkeit<br />

beobachtet und diskutiert. Sinnvoll wäre es, Ver -<br />

treter der Jüdischen Studien auch in die interfakultäre<br />

Arbeitsgruppe der Universität zu berufen.<br />

Das „Zentrum jüdische Studien Berlin- Branden -<br />

burg" stärkt auf einzigartige Weise die Jüdischen<br />

Studien als Kulturwissenschaft. Zu deren<br />

Konzept gehört gerade ein Pluralismus der<br />

Ansätze, Disziplinen und Themen. Was Frau<br />

Schmoll als mangelhafte Profilierung beklagt, ist<br />

Absicht und reflektiert die Vielfalt der global<br />

betriebenen jüdischen Studien.<br />

Professor Dr. Thomas Brechenmacher, Potsdam<br />

(FAZ vom 7. Mai 2012)<br />

9. Jahrgang | Ausgabe 2<br />

men, und das ist das, was wir bezwecken. (...)<br />

Und da entsteht hier ein Ort, der richtig attraktiv<br />

ist.<br />

Der Beitrag von Carsten Dippel wurde am 11. Mai<br />

in der Sendung "Von Tag zu Tag" im Deutsch -<br />

land funk gesendet.<br />

Oben: Dr. Karin Wollschläger (Redakteurin<br />

Katholische Nachrichten-Agentur, Berlin) im<br />

Gespräch mit Taner Yüksel (Fachdienstleiter<br />

Integration des Landkreises Nienburg)) und<br />

Ludger Westrick (Rechtsberater der Griechisch-<br />

Orthodoxen Metropolie von Deutschland).<br />

Unten: Joachim Hake (Direktor der Katholischen<br />

Akademie Berlin) im Gespräch mit Dr. Maria<br />

Flachsbarth MdB (Beauftragte für Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften der CDU/CSU-Fraktion<br />

im Deutschen Bundestag) und Prof. Dr. Jörg<br />

Rüpke (Vergleichende Religionswissenschaft,<br />

Universität Erfurt, links) und Kerstin Griese MdB<br />

(Beauftragte für Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften der SPD-Fraktion im<br />

Deutschen Bundestag, rechts).<br />

Fotos: Tobias Barniske


Der Wissenschaftsrat hat 2010 „Empfehlungen<br />

zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen<br />

Wissenschaften“ veröffentlicht.<br />

Sie richten sich sowohl an die christlichen<br />

Kirchen als auch an die jüdischen und muslimischen<br />

Religionsgemeinschaften.<br />

Aus den Empfehlungen des Wissenschaftsrates<br />

ergeben sich folgende Fragen: Welche Rolle spielt<br />

die Theologie in einer religiös pluralen Gesell -<br />

schaft? Welches Interesse hat der Staat an theologischer<br />

Forschung? Wie und zu welchem Zweck<br />

können staatliche Universitäten das Gespräch<br />

zwischen den verschiedenen theologischen<br />

Disziplinen und Fakultäten fördern? Wie kann<br />

das Zusammenspiel der verschiedenen Religi ons -<br />

gemeinschaften für eine moderne Religions -<br />

forschung innerhalb der staatskirchenrechtlichen<br />

Vorgaben gestaltet werden? Welche zusätzlichen<br />

Expertisen der Religionswissenschaften können<br />

eingebracht werden?<br />

Diese und weitere Fragen wurden am 28. März auf<br />

der Berliner Tagung „Theologie im öffentlichen<br />

Raum“ behandelt, zu der die Konrad-Adenauer-<br />

Stiftung in Zusammenarbeit mit der Europä -<br />

ischen Akademie für Wissenschaft und Kunst, der<br />

Eugen-Biser-Stiftung und der Universität<br />

Potsdam eingeladen hatte.<br />

Rabbiner Brandt fordert zügige Gründung einer<br />

Jüdischen Fakultät<br />

Der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonfe -<br />

renz (ARK), Rabbiner Henry G. Brandt (Foto<br />

rechts), sprach sich für die zügige Gründung<br />

einer jüdisch-theologischen Fakultät an einer<br />

staatlichen Universität aus. „Wir brauchen sie,<br />

und es wäre auch eine Vervollständigung der<br />

deutschen Geschichte“. Solch eine Fakultät sei<br />

eine „qualitative Bereicherung für die Renais -<br />

sance des Judentums in Deutschland" und nicht<br />

zuletzt auch für den Wissenschaftsbetrieb. Der<br />

Frankfurter Jurist Hermann Weber betonte, wenn<br />

es bei der neuen Imam-Ausbildung an staatlichen<br />

Universitäten bleibe, wie sie jetzt mit den<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Theologie im öffentlichen Raum<br />

Zentren für Islamische Studien anlaufe, führe<br />

kein Weg an einer jüdisch-theologischen Fakultät<br />

für die Rabbiner-Ausbildung vorbei. Dies müsse<br />

allein schon aus paritätischen Gründen erfolgen.<br />

Die Potsdamer Neuesten Nachrichten fassten den<br />

Tagungsverlauf und die aktuelle Diskussion um<br />

die Gleichstellung der jüdischen Theologie unter<br />

der Überschrift: „Konstruktive Gespräche.<br />

Positiver Verlauf bei den Verhandlungen zur jüdischen<br />

Theologie an der Universität Potsdam“:<br />

zusammen. Der damalige Vizepräsident für Lehre<br />

und Studium der Universität, Thomas Grünewald,<br />

sagte dazu, dass die Universität eine wissenschaftsadäquate<br />

Organisation der jüdischen<br />

Theologie innerhalb der Hochschule verwirklichen<br />

will. Der Fakultätsbegriff sei allerdings ein<br />

Arbeitstitel, er werde unter Vorbehalt benutzt:<br />

„Wir werden erst zum Schluss entscheiden, ob<br />

dies im klassischen Sinne eine Fakultät sein<br />

muss“, erklärte Grünewald den PNN am Rande<br />

der Veranstaltung.<br />

Stärkere Öffnung der Theologien zu anderen<br />

Disziplinen<br />

Grünwald, der seit Anfang Mai als Beauftragter<br />

der Landesregierung für die Hochschulregion<br />

Lausitz tätig ist, zeigte sich optimistisch, bis zur<br />

Jahresmitte einen Organisationsvorschlag für die<br />

jüdische Theologie zu präsentieren, der von den<br />

anderen Fakultäten mitgetragen wird. „Ich bin<br />

relativ zuversichtlich, dass wir das schaffen werden.“<br />

An der Potsdamer Universität könne die<br />

Diskussion um das Vorhaben ohne größere<br />

Vorbelastungen geführt werden, weil es kein<br />

Konfliktpotenzial mit einer bereits bestehenden<br />

Fakultät für Theologie gibt. Grünewald betonte<br />

auch, dass eine jüdisch-theologische Fakultät<br />

anders konstruiert werden müsse als eine christliche.<br />

„Es geht nicht darum einen Klerikalisie -<br />

rungsprozess zu übertragen“, erklärte er gegenüber<br />

dem Wissenschaftsredakteur der PNN, Jan<br />

Kixmüller. Es solle etwas Eigenständiges entste-<br />

Tagung der Konrad-<br />

Adenauer-Stiftung zur<br />

Rolle der Universitäten<br />

hen. Die jüdische Theologie solle in einer Quer -<br />

struktur an der Uni etabliert werden: Es gibt<br />

viele Personen und Disziplinen an der Universi -<br />

tät, die kooperieren wollen.“ Das reiche von der<br />

Religionssoziologie bis zur Physik. Zu den klassischen<br />

jüdischen Theologen sollen „affine<br />

<strong>Kolleg</strong>en“ hinzukommen, die das Spektrum<br />

erweitern. Das läge ganz im Sinne von Wissen -<br />

schaftsministerin Susannen Kunst, die auf der<br />

Theologie-Konferenz eine stärkere Öffnung zu<br />

den anderen Disziplinen und eine größere wissenschaftliche<br />

Sichtbarkeit der deutschen<br />

Theologien gefordert hatte.<br />

Die jüdische Theologie soll nach Grünewalds<br />

Vorstellungen mitten in der Hochschule platziert<br />

werden: „Damit soll der Universität durchaus ein<br />

religionswissenschaftlich-theologischer Schwer -<br />

punkt gegeben werden.“ In der Universität gebe<br />

es viel Sachverstand für das Thema. „Wenn wir<br />

das geschickt neu zusammenführen, dann können<br />

wir mit vergleichsweise begrenzten Mitteln<br />

beginnen“, sagte Grünewald. Er plädierte dafür,<br />

nicht zu warten, bis eine gut ausgestattete<br />

Fakultät auf den Beinen steht, sondern mit dem,<br />

was vorhanden ist, das Projekt umgehend zu<br />

beginnen.<br />

Der vollständige Bericht der Potsdamer Neuesten<br />

Nachrichten vom 30. März 2012 ist nachzulesen<br />

unter http://www.pnn.de/campus/636012/.<br />

7


8<br />

ls Max Grünewald 1957 über „The<br />

Modern Rabbi“ schrieb, wurde dies<br />

zu einem Rückblick auf eine Ent -<br />

wicklung, der die Schoa ein jähes<br />

Ende gemacht hatte: „The ,modern rabbi’, one of<br />

the more representative features of Central<br />

European Jewry, appears on the scene rather<br />

late. Not until the years following the First World<br />

War were all the features assembled which allow<br />

us to deal with them as a specific entitiy. His<br />

appearance, therefore, was brief.“ 1<br />

A<br />

Inzwischen wissen wir, dass jüdisches Leben in<br />

Deutschland wieder eine Zukunft hat, mit ihm<br />

auch die Rabbinerausbildung. Die Fragestellun -<br />

gen, die die Diskussionen um die Stellung des<br />

Rabbiners in der Gemeinde zu Beginn des 20.<br />

Jahrhundert ausmachten, sind dabei nach wie<br />

vor aktuell, wenn es darum geht, Modelle für das<br />

Gemeindeleben für die kommenden Generationen<br />

zu entwickeln. Die Rabbinerausbildung leistet<br />

dazu einen entscheidenden Beitrag.<br />

Die Aufgaben des modernen Rabbinats umfassen<br />

Predigt und Seelsorge, Religionsunterricht,<br />

Jugendarbeit und Erwachsenenbildung, die<br />

Klärung religionsgesetzlicher Statusfragen und<br />

die Begleitung von Gemeindemitgliedern bei life<br />

cycle events sowie auch die Teilnahme am interreligiösen<br />

Gespräch und repräsentative Tätig -<br />

keiten.<br />

1979 wurde auf Initiative des badischen Landes -<br />

rabbiners der Juden in Deutschland, Werner<br />

Nachmann (1925–1988) die Hochschule für<br />

Jüdische Studien in Heidelberg gegründet, auf<br />

Beschluss der bundesdeutschen Kultusminister -<br />

konferenz und in der Trägerschaft des Zentral -<br />

rates. Levinson hatte bereits 1971 die Einrich -<br />

tung einer Ausbildungsstätte für jüdische<br />

Religionslehrer, Kantoren und Rabbiner angeregt.<br />

Ein erstes Memorandum über die Einrich -<br />

tung eines jüdisch-theologischen Instituts<br />

stammt vom 4. Mai 1972. Der Oberrat der Israe -<br />

liten Badens forderte damals für die jüdischen<br />

Gemeinden in Deutschland, für die 25.000 hier<br />

lebenden Juden ein akademisches Institut, um<br />

Rabbiner, Religionslehrer und Vorbeter für sie<br />

nicht länger im Ausland bei deutschsprachigen<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Fachleuten in der Emigration oder bei ausländischen<br />

Lehrkräften ausbilden zu lassen, die die<br />

deutsche Sprache nicht sonderlich<br />

beherrschen.<br />

Für ein solches Institut in der Nachfolge der von<br />

den Nationalsozialisten zerstörten Rabbiner -<br />

seminare wie der Hochschule für die Wissen -<br />

schaft des Judentums in Berlin oder des Jüdisch-<br />

Theologischen Seminars in Breslau schlug der<br />

Oberrat in seinem Memorandum als Sitz Heidel -<br />

berg vor, und zwar in Verbindung zur Ruprecht-<br />

Karls-Universität. Ausschlaggebend dafür war<br />

der internationale Ruf der Heidelberger theologischen<br />

Fakultät. Neben Levinson selbst dürfte<br />

auch dessen zweite Ehefrau, die ebenfalls in<br />

Berlin gebürtige Pnina Navé (1921–1998) zur<br />

Durchsetzung der Pläne beigetragen haben; von<br />

9. Jahrgang | Ausgabe 2<br />

Rabbinerausbildung<br />

„Der moderne Rabbiner“. Band 124 der Jüdischen<br />

Miniaturen wurde dem Vizepräsidenten der Uni -<br />

versität Potsdam zum Abschied gewidmet. Dr.<br />

Thomas Grünewald hat sich um die Institutiona -<br />

lisierung jüdischer Theologie verdient gemacht<br />

und wurde dafür 2011 mit der <strong>Abraham</strong>-<strong>Geiger</strong>-<br />

Plakette gewürdigt. Herzlichen Dank!<br />

ihr stammt unter anderem ein Aufsatz „Zur<br />

Einrichtung der Wissenschaften vom Judentum<br />

in Heidelberg“ 2 .<br />

Im Errichtungsbeschluss des Zentralrats der<br />

Juden vom Mai 1979 war die Rede vom »festen<br />

Willen zur Errichtung eines Zentrums jüdischer<br />

und judentumskundlicher Ausbildung in<br />

Deutschland, das an die großen Traditionen der<br />

Zeit vor der Katastrophe anknüpft; aus dem<br />

Wunsch heraus, auf deutschem Boden die<br />

Möglichkeit der Weiterreichung und Weiterbil -<br />

dung jüdischen Wissens und jüdischen Forschens<br />

zu fördern“ 3 . Und Landesrabbiner Levinson sagte<br />

schließlich zur Eröffnung der Hochschule für<br />

Jüdische Studien im Oktober 1979: „Dem Ungeist<br />

kann nur der Geist entgegengesetzt werden, der<br />

Entfremdung die Nähe, der Entzweiung die<br />

Zwiesprache.“ 4 Die Hochschule sollte sich in der<br />

Folge zu einem bedeutenden Zentrum judaistischer<br />

Forschung und Lehre entwickeln, das durch<br />

seine Ausbildung von Religionslehrern auch positiv<br />

in die jüdischen Gemeinden hineinwirkt.<br />

Die Idee zur erneuten Gründung eines<br />

Rabbinerseminars in Deutschland entstand<br />

jedoch erst in der zweiten Hälfte der 1990er<br />

Jahre. Die Hintergründe dazu waren vielfältig;<br />

sie hingen wesentlich mit der rapide wachsenden<br />

Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinschaft von<br />

kaum 23.000 Mitgliedern deutschlandweit im<br />

Jahr 1989 auf nunmehr gut 106.000 Gemeinde -<br />

mitglieder in Folge der Zuwanderung aus den<br />

Staaten der früheren Sowjetunion zusammen.<br />

Die Zuwanderer brachten nach 90-jähriger<br />

Diktatur und vehementem Antisemitis mus eine<br />

geringe religiöse Ausbildung mit. Ihr Bedürfnis<br />

nach Sozialberatung und Kontakten war jedoch<br />

groß – viele von ihnen wandten sich daher an die<br />

mit der Aufgabe der Integration überforderten<br />

und allein gelassenen jüdischen Gemeinden vor<br />

Ort. Nur die allerwenigsten dieser Kultusgemein -<br />

den verfügten über einen eigenen Rabbiner. Da<br />

nach der Schoa das religiöse Gemeindeleben nie<br />

wieder die Qualität der Zeit bis 1933 hatte gewinnen<br />

können und viele Gemeindemitglieder überdies<br />

bis in die 1980er Jahre hinein auf den viel<br />

zitierten gepackten Koffern saßen, war die<br />

Einsicht in die Notwendigkeit einer geistlichen


heute<br />

Führung nicht sehr ausgeprägt. Die wenigen vorhandenen<br />

Rabbiner kamen zumeist auch nicht<br />

aus Deutschland; sie waren sprachlich und kulturell<br />

anders geprägt als ihre Gemeindemitglieder,<br />

was weitere Probleme bereitete. 5<br />

Diejenigen, die Rabbiner werden wollten, mussten<br />

sich ins Ausland begeben. Sie konnten zwar<br />

am der Heidelberger Hochschule für Jüdische<br />

Studien seit 1979 eine Grundqualifikation erhalten,<br />

doch diese wurde in London, Cincinnati oder<br />

New York nur als Studieneingangsvoraussetzung<br />

anerkannt; ein fünfjähriges MA-Studium schloss<br />

sich daran an. Stipendien des Zentralrats der<br />

Juden in Deutschland wurden vergeben, allerdings<br />

nur für Männer. Die Tatsache, dass das jüdische<br />

Leben in Deutschland brach lag, die<br />

Gemeinden klein und mittellos waren und weder<br />

Synagogen noch Gehälter finanzieren konnten,<br />

schuf für die im Ausland studierenden Kandida -<br />

ten keine Motivation, nach diesem aufwändigen<br />

Auslandsstudium zurückzukehren. Sie zogen oft<br />

die gute Struktur der amerikanischen Gemeinden<br />

den Problemen in Deutschland vor.<br />

Ausschlaggebend für die Gründung eines Rabbi -<br />

nerseminars waren also:<br />

a) der große Bedarf an Rabbinern, die kulturell<br />

und sprachlich mit den Gegebenheiten in deutschen<br />

Gemeinden umgehen zu können,<br />

b) der Wunsch, wie international im liberalen<br />

und konservativen Judentum üblich, auch Frauen<br />

in die religiöse Gemeindeleitung einzubeziehen,<br />

c) die Notwendigkeit, die wenigen zur Rabbiner -<br />

ausbildung vorhandenen Mittel effizient einzusetzen.<br />

Warum nun Potsdam als Standort für dieses neue<br />

Rabbinerseminar? Das wissenschaftliche Umfeld<br />

der Judaistik und Jüdischen Studien ist in<br />

Deutschland ausgeprägt, es gibt Lehrstühle und<br />

Institute an beinahe allen großen Universitäten.<br />

Die Wahl des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s fiel 1999<br />

auf Potsdam, da hier die Jüdischen Studien mit<br />

Schwerpunkt in den Bereichen Religion und<br />

Philosophie, Geschichte und Literatur / Kultur<br />

gelehrt werden und somit bereits ein breit gefächertes<br />

Lehrangebot vorhanden war, das über die<br />

<strong>Kescher</strong><br />

stark säkular und christlich geprägte<br />

Juda istik deutlich hinausging. Das <strong>Abraham</strong><br />

<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> wurde als ein An-Institut der<br />

Universität Potsdam eingerichtet. Auf internationaler<br />

Ebene ist das <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong><br />

Mitglied der Weltunion für progressives Juden -<br />

tum, den von Leo Baeck 1926 mitgegründeten<br />

internationalen Dachverband der liberalen<br />

Juden. 2007 wurde überdies ein Kooperations -<br />

vertrag mit dem Hebrew Union College –<br />

Institute of Jewish Religion abgeschlossen.<br />

Gastdozenten vom Hebrew Union College in<br />

Cincinnati bzw. New York unterrichten als<br />

Fellows am <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> und ergänzen<br />

so das Studium am Seminar. Seit 2008 bildet das<br />

<strong>Kolleg</strong> in einer eigenen Abteilung zudem<br />

Kantoren und Kantorinnen aus. 2011 erfolgte die<br />

endgültige Akkreditierung durch die Central<br />

Conference of American Rabbis, die seit 2006 die<br />

Absolventen des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s als<br />

Mitglieder aufnimmt. Im September 2006 waren<br />

in Dresden die ersten drei Absolventen des<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s als erste Rabbiner in<br />

Deutschland seit der Schoa ordiniert worden.<br />

2009 wurden außerdem in München die ersten<br />

Zöglinge des orthodoxen Rabbinerseminars der<br />

Ronald S. Lauder Foundation Berlin in das<br />

Rabbineramt eingeführt worden. Die Lauder<br />

Yeschiwa sieht sich mit diesem Ausbildungszweig<br />

in der Tradition des Hildesheimerschen Seminars<br />

von 1873, bietet jedoch kein akademisches<br />

Studium an.<br />

Das Studium am 1999 gegründeten <strong>Abraham</strong><br />

<strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> ist dual organisiert: Die akademische<br />

Ausbildung in jüdischer Theologie findet an<br />

der Universität Potsdam statt, die praktische<br />

Ausbildung leistet das <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>.<br />

Mit seiner Arbeit setzt das <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong><br />

das geistige Erbe des liberalen deutschen<br />

Judentums in aktuelle Bezüge; sein Curriculum<br />

umfasst Module, die schon in der Weimarer<br />

Republik Bestandteil des Lehrplans waren und<br />

den akademischen und praktischen Lehrinhalten<br />

vergleichbarer internationaler Rabbineraus -<br />

bildungsstätten entsprechen. Zusätzlich wird in<br />

Potsdam eine Kooperation mit der konservativen<br />

Ziegler School of Rabbinic Studies der American<br />

Jewish University Los Angeles auf gleichwertiger<br />

akademischer Grundlage angestrebt. Dabei lassen<br />

wir uns vom Wahlspruch <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong>s für<br />

das Studium der jüdischen Theologie und das<br />

moderne Rabbinat leiten: „Durch Erforschung<br />

des Einzelnen zur Erkenntnis des Allgemeinen,<br />

durch Kenntnis der Vergangenheit zum Ver -<br />

ständnis der Gegenwart, durch Wissen zum<br />

Glauben.“<br />

1 Max Gruenewald: The Modern Rabbi, in: Leo Baeck<br />

Institute Year Book II, London 1957, S. 85.<br />

2 Vgl. Ruperto-Carola, Band 42, S. 18ff<br />

3 Niedergelegt in den Generalakten der Universität<br />

Heidelberg Nr. 6981 3. Akte.<br />

4 Heidelberger Tagblatt vom 17.10.1979<br />

5 Willi Jasper / Julius H. Schoeps / Bernhard Vogt<br />

(Hrsg.): Russische Juden in Deutschland. Integration und<br />

Selbstbehauptung in einem fremden Land, Weinheim<br />

1996. Willi Jasper / Julius H. Schoeps / Bernhard Vogt<br />

(Hrsg.): Ein neues Judentum in Deutschland? Fremd- und<br />

Eigenbilder der russisch-jüdischen Einwanderer, Potsdam<br />

1999<br />

Walter Homolka<br />

Der moderne Rabbiner<br />

Ein Rollenbild im Wandel<br />

Jüdische Miniaturen, Bd. 124<br />

112 Seiten, Broschur<br />

18 Abbildungen, Verlag Hentrich<br />

und Hentrich, Berlin 2012<br />

ISBN: 978-3-942271-62-2<br />

9,90 € / 18,90 CHF<br />

9


10<br />

„Die Pluralität ist die neue<br />

Am 23. November wurden mit Dr. Yael Deusel,<br />

Yann Boissière, Yuriy Kadnykov, Jona Simon und<br />

Paul M. Strasko zum vierten Mal Absolventen des<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s an der Universität Pots -<br />

dam ordiniert. Die Ordination fand in der Syna -<br />

goge Or Chajim der Israelitischen Kultusgemeinde<br />

Bamberg in Anwesenheit zahlreicher Rabbiner<br />

und Gemeinderepräsentanten aus dem In- und<br />

Ausland statt. Der Präsident des Zentralrats der<br />

Juden in Deutschland, Dr. Dieter Graumann, der<br />

Innenminister des Freistaats Bayern, Staats -<br />

Im November wurden in Bamberg<br />

fünf Absolventen unseres <strong>Kolleg</strong>s<br />

ordiniert<br />

Fotos: Tobias Barniske<br />

jüdische Normalität“<br />

minister Joachim Herrmann, und der Präsident<br />

des Landesverbandes der Israelitischen Kultus -<br />

gemeinden in Bayern, Dr. Josef Schuster, waren<br />

unter den Ehrengästen und sprachen Grußworte.<br />

„Die Pluralität ist die neue jüdische Normalität“,<br />

sagte Dr. Dieter Graumann in seiner Rede, die<br />

hier im Wortlaut nachzulesen ist.<br />

Die Ordina tionsfeier in der Bamberger Synagoge<br />

Or Chajim wurde vom Bayerischen Rundfunk live<br />

im Fernsehen übertragen.


Lasst hundert neue Rabbiner blühen!<br />

Grußwort des Präsidenten des Zentralrats der<br />

Juden, Dr. Dieter Graumann, zur Ordinationsfeier<br />

des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s am 23. November<br />

2011 in der Israelitischen Kultusgemeinde<br />

Bamberg.<br />

„…Heute ist für uns ein Feiertag, ein Freudentag<br />

und zugleich ein Fest der Hoffnung. Wir setzen<br />

heute gemeinsam hier ein Signal von neuer<br />

Zuversicht. Es ist doch bekannt: Wir hungern<br />

nach rabbinischer Betreuung. Neue Rabbiner<br />

braucht das Judentum in Deutschland, sogar<br />

noch viele mehr. Lange haben wir hier auf einem<br />

jüdisch und rabbinisch ausgetrockneten Terrain<br />

gelebt.<br />

Neue Rabbiner sind daher wie ein frischer Regen<br />

von Hoffnung für uns. Wir brauchen neue Rab -<br />

biner hier wie die Luft zum Atmen. Rabbiner sollen<br />

uns den Himmel zwar etwas näher bringen.<br />

Aber Rabbiner fallen leider doch nicht einfach<br />

vom Himmel. „Geh, mache Dir einen Lehrer“<br />

sagen schon unsere Weisen in den Sprüchen der<br />

Väter, den Pirkei Awot. Wir müssen uns also<br />

schon selbst die Rabbiner machen, die wir brauchen,<br />

und uns selbst darum bemühen.<br />

Ich will mich daher ausdrücklich bedanken bei<br />

allen, die die neue Ausbildung möglich machen.<br />

Im <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> und auch im Hildes -<br />

heimer-Rabbinerseminar, wo die traditionelle<br />

Richtung gepflegt wird, haben wir nunmehr zwei<br />

renommierte Rabbinerseminare, die beide vom<br />

Zentralrat substanziell gestützt und mitgetragen<br />

werden und auf die wir alle gemeinsam stolz sein<br />

können. Und die auch noch so viel leisten sollen<br />

in der Zukunft.<br />

Denn wir sind doch noch lange nicht fertig. Wir<br />

brauchen noch viele Rabbiner mehr, mindestens<br />

noch einhundert mehr: Lasst daher Hundert neue<br />

Rabbiner hier blühen – damit auch wieder das<br />

Judentum in Deutschland aufs Neue blühen<br />

kann! Und bunt gemischt soll außerdem auch<br />

noch die neue Blüte unter den Rabbinern sein:<br />

Progressiv und orthodox, modern und traditionell.<br />

Für den Zentralrat der Juden gilt allemal:<br />

Unter unserem großen, gemeinsamen Dach,<br />

unter dem schützendem Dach des Zentralrats,<br />

soll jeder auf seine Fasson fröhlich und jüdisch<br />

und glücklich sein können.<br />

Wir bauen schließlich hier gerade gemeinsam<br />

eine ganz neue jüdische Gemeinschaft auf, mit<br />

großer Begeisterung und mit Leidenschaft. Es<br />

wächst das neue plurale Judentum in Deutsch -<br />

land. Das ist spannend und eine Herausforderung<br />

– und wir sind schon mittendrin. Die Pluralität<br />

ist die neue jüdische Normalität in Deutschland.<br />

Sie ist für uns eine Quelle von frischer Bereiche -<br />

rung und von neuer Stärke. Wir bauen diese Ge -<br />

meinschaft hier neu auf, gerade nicht in erster<br />

Linie als Trauergemeinschaft, sondern mit den<br />

vielen positiven Dimensionen, die das Judentum<br />

zu bieten hat – mit wieder ganz frischer<br />

Zuversicht.<br />

Und unsere neue jüdische Gemeinschaft soll blühen:<br />

munter und bunter. Wir streben dabei auch<br />

einen Akzentwechsel und Perspektivwechsel an.<br />

11<br />

Wir wollen das Judentum in Deutschland künftig<br />

moderner, frischer, positiver positionieren und<br />

präsentieren und dabei deutlich machen: Juden -<br />

tum ist eine religiöse, eine politische und moralische,<br />

eine emotionale, vor allem auch eine spirituelle<br />

Kraftquelle ganz besonderer Art. Und das<br />

alles sollen nun auch Rabbiner vermitteln - was<br />

für eine Chance!<br />

Ich wünsche den neuen Rabbinern jedenfalls: Sie<br />

sollen also zum Segen sein, für die ganze jüdische<br />

Gemeinschaft, ja für alle Menschen und<br />

sogar für die ganze Welt, aber auch gerade für Sie<br />

selbst. Sie sollen Erfüllung und persönliches<br />

Glück finden, in dem, was sie tun. Nur wer selbst<br />

brennt, kann doch das Feuer in anderen entzünden.<br />

Rasch werden Sie auch spüren: Wer anderen<br />

beisteht, verliert überhaupt gar nichts und<br />

gewinnt selbst sogar am Ende noch am allermeisten.<br />

Den neuen Rabbinern wünsche ich jedenfalls<br />

von Herzen Glück und Segen.<br />

Und ich selbst will mir auch noch etwas wünschen<br />

dürfen: Dass wir hier künftig weniger<br />

Rabbiner von auswärts importieren müssen, sondern<br />

sogar auch Rabbiner noch für andere ausbilden<br />

können. Dass die Bezeichnung ‚Rabbiner -<br />

Made in Germany’ geradezu ein Markenzeichen<br />

werden möge - und ein fulminanter Export -<br />

schlager obendrein. Ein schöner Wunsch, gewiss.<br />

Aber wo, wenn nicht in einer Synagoge, soll man<br />

denn große Wünsche äußern dürfen?“<br />

Es gilt das gesprochene Wort.


Isn‘t it time you discovered Jewish Europe? We are<br />

excited to be offering tours in the following locations:<br />

Berlin · Bratislava · Bucharest · Budapest · Cologne · Cracow<br />

· Dresden · Frankfurt · Hamburg · Istanbul · Munich · Palma<br />

de Mallorca · Paris · Poznan · Prague · Riga · Rome · Saraje-<br />

vo · Stockholm · St.Petersburg · Vienna · Warsaw · Zurich<br />

Discover Jewish Europe! Each journey to a European destination is<br />

a journey into a thousand years of history and culture. Paris, Vienna,<br />

Berlin, Istanbul – in every city it is the Jewish story, past and present,<br />

which fascinates visitors. Our Milk & Honey Tours guides throughout<br />

Europe will give you insight as to how the fall of the Wall has brought about<br />

a renaissance of Jewish life, how the future is always contemplated<br />

through the memory of the Holocaust, how the growing Jewish communities<br />

are contributing to art, culture and politics of society at large.<br />

Experience with us what Judaism means to Europe today!<br />

Milk & Honey Tours UG · Noa Lerner · Berlin Germany<br />

www.milkandhoneytours.com · info@milkandhoneytours.com<br />

Tel +49-30-61 62 57 61 · Fax +49-30 -61 62 57 62


Das <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> veranstaltete am 10.<br />

April gemeinsam mit dem Institut für Jüdische<br />

Studien an der Universität Potsdam seine diesjährigen<br />

Emil Fackenheim Lecture. Mit der jährlichen<br />

Vorlesung wird jeweils eine Persönlichkeit<br />

geehrte, deren wissenschaftliche Arbeit auf dem<br />

Gebiet des Judentums für die Verbindung von<br />

Tradition und Moderne in Forschung und religiöser<br />

Praxis steht.<br />

Dieses Jahr eröffnete Professorin Hanna Liss<br />

(Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg)<br />

mit der Fackenheim Lecture das Sommersemes -<br />

ter. Ihrem Vortrag ging ein Workshop unter der<br />

Leitung von Prof. Dr. Markus Witte (Inhaber des<br />

Lehrstuhls für Exegese und Literaturgeschichte<br />

des Alten Testaments an der Humboldt-Univer -<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Hebraica Veritas?<br />

Fackenheim Lecture 2012:<br />

Herausforderungen an eine jüdische<br />

Bibelwissenschaft heute<br />

sität Berlin) voraus, der sich mit Benno Jacob<br />

beschäftigte. „Die Kommentare des einst in<br />

Göttingen und Dortmund tätigen Bibelwissen -<br />

schaftlers und Rabbiners Benno Jacob (1862-<br />

1945) zu den Büchern Genesis (1934) und Exodus<br />

(1943) stellen“, so Witte, „ eine monumentale<br />

Summe rabbinischer Gelehrsamkeit, philologischer<br />

Kenntnis und exegetischer Intuition dar.“<br />

Im Workshop wurde an ausgewählten Beispielen<br />

aus den beiden genannten Kommentaren der<br />

besondere Charakter der Bibelauslegung Jacobs<br />

herausgearbeitet.<br />

Hanna Liss (im Foto unten mit Rabbiner Walter<br />

Homolka), die derzeit als Professorin für das<br />

Fach Bibel und Jüdische Bibelauslegung an der<br />

Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg<br />

Jüdische Bibelauslegung und<br />

Jüdische Theologie<br />

Jüdische Bibelauslegung wird von einer intensiven<br />

theoretischen Durchdringung der eigenen<br />

Text- und Lebenstradition getragen, ein philologischer<br />

Diskurs, der hierin die jüdische Bibel -<br />

auslegung zu einem Teil, wenn nicht sogar zur<br />

Voraussetzung der jüdischen Theologie werden<br />

lässt. Jüdische Theologie deshalb, weil das, was<br />

wir hier vorfinden, nichts anderes ist als ein<br />

Diskurs der Reflexivität und damit ein genuiner<br />

Teil eines Prozesses, der innerhalb der hebräischjüdischen<br />

Tradition durch Verifizierungs- und<br />

Falsifizierungsprozesse Wissen generiert und<br />

ausdifferenziert, und zwar mit dem Ziel, ausgehend<br />

von der hebräischen Texttradition den jüdischen<br />

Glaubenshorizont in Auseinandersetzung<br />

mit dem nicht-jüdischen intellektuellen Kontext<br />

immer wieder in Frage zu stellen, diskursiv aus-<br />

von Prof. Dr. Hanna Liss (Heidelberg)<br />

zuloten und gegebenenfalls zu stabilisieren.<br />

Selbst-Distanzierung nach innen.<br />

Bereits an dieser Stelle wird also deutlich, dass<br />

die heute so gerne aufgebotene Unterscheidung<br />

zwischen Theologie und Philologie künstlich und<br />

der jüdischen Geistesgeschichte nicht angemessen<br />

ist, denn ungeachtet aller philologischen<br />

oder philosophischen Waffen kämpften schon die<br />

jüdischen Intellektuellen des Mittelalters und<br />

der Neuzeit vor allem gegen die Dummheit in den<br />

eigenen Reihen, gegen dogmatische Dunkel -<br />

männer wie gegen philologisch nicht versierte<br />

Hohlköpfe (reqe moach). Exegese und Theologie<br />

gehören damit zusammen, denn die Beschäfti -<br />

gung mit den hebräischen Texten, das Lernen,<br />

das Beten, aber damit eben auch das richtige<br />

13<br />

lehrt zeichnet die Geschichte der wissenschaftlichen<br />

Bibelauslegung im 19. und 20. Jh. nach<br />

und entwarf dabei Perspektiven für die aktuelle<br />

jüdische Bibelwissenschaft heute.<br />

„Bibelauslegungen sind ein Produkt der Heraus -<br />

forderung von innen und von außen, des Re -<br />

flexiv werdens der eigenen Überzeugungstraditionen<br />

und der Schärfung der exegetischen, religiösen<br />

und sozio-kulturellen Position. Was aber<br />

bedeutet eigentlich konfessionelle Bibelaus -<br />

legung im Kontext der akademischen Disziplinen,<br />

Theologie und Jüdische Studien?“ Wir bringen an<br />

dieser Stelle eine Zusammenfassung ihres<br />

Vortrages.<br />

Foto: Tobias Barniske


14<br />

Lesen und die richtige Aussprache, die Pluralität<br />

der exegetischen Diskurse sind nie unabhängig<br />

von dem spätestens seit der rabbinischen Epoche<br />

verinnerlichten und zu eigen gemachten göttlichen<br />

Auftrag an die Juden, der selbst natürlich<br />

nicht in Frage gestellt wird.<br />

Jüdische Bibelauslegung als Teil der jüdischen<br />

Theologie ist damit zunächst nicht mehr, aber<br />

auch nicht weniger als das bewusste begründete<br />

und nach außen wissenschaftlich verantwortete<br />

Nachdenken über das (eigene!) religiöse Erbe.<br />

Inhaltlich ist damit noch nichts gesagt. Ob also<br />

Zion, PaRDeS; Kabbalah oder Torah-Religion zur<br />

Theologie gehört, ist damit noch nicht entschieden.<br />

Aber das wissenschaftlich verantwortete<br />

Nachdenken ist nicht ohne Philologie und<br />

Geschichte zu haben. Das heißt nicht, dass nun<br />

alle jüdischen Judaisten Theologie betreiben und<br />

alle nicht-jüdischen dies nicht könnten. Aber so,<br />

wie sich schon die mittelalterlichen Ausleger der<br />

damaligen arabischen Wissenschaftstradition<br />

gestellt haben, so sollte auch das heutige Juden -<br />

tum mit der akademischen Tradition umgehen.<br />

Aus der Perspektive der akademischen Wissen -<br />

schaftstradition leisten darin die Forschungen<br />

zur Bibel, dem Talmud, der Auslegungs- und<br />

Rechtsliteratur ihren allgemein anerkannten<br />

philologisch-historischen Beitrag gleich jeder<br />

anderen universitären Disziplin. Aber aus der<br />

Perspektive der jüdischen Rezipienten dieser<br />

Glaubens- und Lebenstradition werden diese zur<br />

Theologie im oben genannten Sinne, weil diese<br />

philologisch-historischen Forschungen Einfluss<br />

<strong>Kescher</strong><br />

auf die jüdische Gruppe haben können und sollen.<br />

Dies deshalb, weil eine philologisch und<br />

texthistorische Forschung dort zu Reibungs -<br />

verlusten führt, wo die Selbstgewissheit einer<br />

Tradition oder einer Kultur in Frage gestellt wird:<br />

Wer den Auszug aus Ägypten von der Texttradi -<br />

tion her erklärt und damit diese Tradition ruhig<br />

als historisch nicht verifizierbar auszeichnen<br />

kann, wird damit bei Teilen der jüdischen<br />

Gläubigen auf Ablehnung stoßen, weil hier die<br />

Bereitschaft zur Selbstdistanzierung von liebgewordenen<br />

Überzeugungen noch nicht vorliegt<br />

und offenbar noch keine intellektuelle Möglich -<br />

keit zur Auslotung neuer Interpretations spiel -<br />

räume aufgezeigt werden konnte. Nur zu oft<br />

kommt es daher vor, dass sich die jüdischen<br />

Studierenden der Jüdischen Studien auf einen<br />

solchen Prozess der Selbstdistanzierung ungern<br />

einlassen, dass sie, wo es um die gelebte jüdische<br />

Kultur und Religion geht, die akademischen<br />

Inhalte wegblenden und die Infragestellung ihrer<br />

eigenen Glaubenstradition zurückweisen, um das<br />

Moment der Entfremdung von autoritativen<br />

Texten und die Mühsal einer Re-Identifizierung<br />

zu vermeiden. Und so steuert man die vermeintlich<br />

sicheren Häfen der Literatur und Geschichte<br />

an und laviert sich gerne um die Arbeit an den<br />

Quellentexten wie Bibel oder Talmud herum, die<br />

die religiöse Glaubens- und Praxistradition<br />

offensichtlich beeinflussen könnten. Die Multi -<br />

plizität der Rezeptionsweisen kann grundsätzlich<br />

auch eine religionskritische Distan zierung beinhalten,<br />

der es sich dann zu stellen gilt. Die von<br />

9. Jahrgang | Ausgabe 2<br />

der christlichen Tradition explizit geforderte<br />

„Auslotung der Spielräume einer Religions -<br />

tradition zur Ausarbeitung neuer pluralitäts- und<br />

säkularitätsrobuster Sprachformen“ (Knut<br />

Wenzel), wie sie auch heute von den Muslimen<br />

gefordert wird, ist unbequem und auch auf jüdischer<br />

Seite noch nicht durchgehend akzeptiert,<br />

bleibt aber die Heraus forderung für jedwede akademische<br />

jüdische Tradition.<br />

Prof. Dr. Hanna Liss: Studium der Altorientalistik,<br />

Bibelwissenschaft und Judaistik in (u.a.) Berlin<br />

und Jerusalem, Promotion 1995, Habilitation<br />

2002 im Fach Judaistik/Jüdische Studien am<br />

Fachbereich Kunst-, Orient- und Altertums -<br />

wissen schaften, Martin-Luther-Universität Halle-<br />

Wittenberg; 2008: Alfried Krupp Senior Fellow<br />

am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald;<br />

2003: Harry Starr Research Fellow in Judaica,<br />

Center for Jewish Studies, Harvard University,<br />

Cambridge/MA; 2002: Moosnick Distinguished<br />

Professor of Hebrew Bible & Jewish Studies,<br />

Lexington Theological Seminary and the<br />

University of Kentucky, Lexington, KY.<br />

Professorin für das Fach Bibel und Jüdische<br />

Bibelauslegung an der Hochschule für Jüdische<br />

Studien in Heidelberg<br />

Prof. Dr. Markus Witte im<br />

Workshop. Foto: Tobias<br />

Barniske


16<br />

Vor 150 Jahren, am 3. April 1862, wurden in<br />

Breslau mit Dr. Moritz Güdemann (1835−1918),<br />

Dr. Joseph Perles (1835−1894) und Dr. Moritz<br />

Rahmer (1837−1904) die ersten in Deutschland<br />

akademisch ausgebildeten Rabbiner ordiniert.<br />

Die drei hatten den ersten siebenjährigen<br />

Studienzyklus am Breslauer Seminar absolviert.<br />

In seiner Ansprache sagte der Seminar di rektor<br />

Rabbiner Zacharias Frankel (1801−1875): „In<br />

diesen drei jungen Männern erblickt das Seminar<br />

die gesegneten Erstlingsfrüchte seines Strebens.<br />

Mit akademischem Wissen geziert hat ihr Geist<br />

sich in das umfangreiche Gebiet der jüdischen<br />

Theologie vertieft. Sie haben durch in vergangener<br />

Woche öffentlich abgehaltene Vor träge,<br />

sowie in einem dreitägigen rigorosen Examen<br />

befriedigende Proben ihres theologischen<br />

Wissens abgelegt, auch durch in der Seminar -<br />

synagoge und an anderen Orten gehaltene<br />

Predigten ihre Befähigung zum Predigtamte<br />

bewährt. Sie wurden daher als reif zum Rabbi -<br />

nate erklärt.“<br />

Carsten Wilke befand 2004 in einem Aufsatz zum<br />

150. Jahrestag der Gründung des Jüdisch-<br />

Theologischen Seminars kurz und knappp: „Die<br />

seit 1862 in Breslau ausgebildeten Rabbiner<br />

konnten auf Anhieb unter den angesehensten<br />

Stellen wählen.“ 1 Dr. Moritz Güdemann etwa<br />

wurde Wiener Oberrabbiner und schließlich auch<br />

Rabbiner des Wiener Stadttempels. In seiner<br />

Rede anlässlich der Entlassung der ersten drei<br />

Absolventen des Breslauer Seminars sagte<br />

Güdemann unter anderem: „[…] Diese Verant -<br />

wortlichkeit lässt es denn auch angemessen<br />

erscheinen, dass ich im Namen derer, welche sie<br />

mit mir tragen, über das Wesen des Berufes, dem<br />

wir unser Leben geweiht, das heißt ‚über die<br />

Stellung und Wirksamkeit des Rabbiners im<br />

Judenthume’, mich vor Ihnen ausspreche.<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Vor 150 Jahren entließ das Jüdisch-Theologische<br />

Seminar zu Breslau seine ersten drei Rabbiner<br />

Wenngleich der Beruf des Rabbiners, das heißt<br />

das Amt des mit ihrer religiösen Führung und<br />

Fortbildung von der Gemeinde eigends Betrauten<br />

keine mit dem Judenthume ursprünglich verwachsene<br />

Erscheinung, sondern vielmehr eine<br />

erst im Verlaufe der Zeit hervorgetretene und in<br />

ihrer heutigen Form kaum drei Jahrhunderte<br />

bestehende ist: so ruht er doch als eine aus dem<br />

jüdischen Volksgeiste naturgemäss entwickelte<br />

Institution auf Prinzipien, die in dem innersten<br />

Wesen des Judenthums begründet sind. Demnach<br />

bedingt sich zunächst die Stellung des Rabbiners<br />

durch den Grundsatz, dass im Judenthume der<br />

Schwerpunkt aller in zweifelhaften praktischen<br />

Fragen entscheidenden Autorität nicht in einen<br />

jenseit der menschlichen Vernunft liegenden<br />

Bereich, sondern lediglich in die geistige<br />

Subjectivität des Menschen fällt. Das Judenthum<br />

knüpft nur in seiner Entstehung an eine über die<br />

Grenzen menschlicher Vernunft hinausgehende<br />

göttliche Offenbarung an; in seinem geschichtlichen<br />

Dasein aber erscheint es als ein Fertiges,<br />

Abgeschlossenes und somit zugleich als Object<br />

des vernünftigen Denkens, als der freien<br />

Subjectivität überantwortet.<br />

[…] Von diesem Principe des Judenthums<br />

erscheint die Stellung des Rabbiners innerhalb<br />

desselben wesentlich bedingt. Der Rabbiner des<br />

Judenthums ist weder Priester, noch Geistlicher:<br />

seine Autorität wurzelt nicht in einem von Gott<br />

eingesetzten Amte, sondern ihm selbst; sie ist<br />

daher weder eine übertragene, noch auch eine<br />

unbedingte. Es kann also auch in Judenthume<br />

nicht von, einer zum Lehramte, wie zur Ausübung<br />

religiöser Functionen befähigenden Weihe die<br />

Rede sein.<br />

[…] Vielmehr trat man im Judenthume der<br />

Ausbildung eines auf die Ausübung der Lehre und<br />

der religiösen Functionen gestützten gleichsam<br />

9. Jahrgang | Ausgabe 2<br />

Das Judentum: Eine<br />

Religion der Wissenschaft<br />

‚geistlichen Amtes’ mit aller Energie entgegen.<br />

Man befürchtete oder, wir' können besser sagen,<br />

man sah voraus, dass mit der Bildung eines<br />

eigentlichen religiösen Amtes die Lehre sich in<br />

Einzelnen gewissermassen monopolisire. Die<br />

Lehre aber soll den Principien des Judenthums<br />

gemäss frei sein, sie soll Gemeingut des Volkes,<br />

oder, um mit einem talmudischen Autor zu reden,<br />

‚eine Krone sein, nach der Jeder greifen könne.’<br />

Von diesem Gesichtspunkte aus war man<br />

bestrebt, statt dem Entstehe ‚eines die Lehre in<br />

sich absorbirenden und ihr eine Sonderstellung<br />

anweisenden Amtes Vorschub zu leisten, das Volk<br />

vielmehr auf sein eigenes Gewissen zu stellen<br />

und es im Gebiete des Glaubens und der Lehre im<br />

eigentlichsten Sinne des Wortes selbstherrlich zu<br />

machen. […] Die Stellung des Rabbiners im<br />

Judenthume aber wird durch seine Einsetzung in<br />

ein Amt nicht berührt: sie wird immer gemäss<br />

den ewigen Principien des Judenthums eine solche<br />

bleiben, die den Rabbiner weder als den<br />

geweihten Vertreter eines religiösen, noch gar<br />

eines göttlichen Amtes erscheinen lässt, noch<br />

ihm überhaupt in der Gemeinde Israels einen<br />

anderen Rang anweist, als die durch seine subjective<br />

Geistesfähigkeit bedingte Autorität.<br />

In demselben Sinne ist auch die Berufsthätigkeit<br />

des Rabbiners aufzufassen. Obgleich nach dem<br />

Gesagten von den Principien des Judenthums aus<br />

amtliche, d. h. auf den Rabbiner nothwendig sich<br />

beschränkende Functionen nicht denkbar sind,<br />

so haben doch seit dem Hervortreten eines<br />

Rabbineramtes die Anforderungen des praktischen<br />

Lebens eine Anzahl religiöser Handlungen<br />

in dem Rabbiner concentrirt.<br />

[…] Die grausamen Verfolgungen und die<br />

Lieblosigkeit einer, Dank der göttlichen Gnade,<br />

verschollenen Zeit, welche die Juden in ihre<br />

Ghetto`s einschloss, konnten es entschuldigen,


wenn man innerhalb des Judenthums die<br />

Wissenschaft, von Händen der Bedrücker dargereicht,<br />

als ein Danaergeschenk betrachtete und<br />

ihr, als einer der Feindin des Glaubens, den<br />

Rücken kehrte. Aber nur von den verkannten<br />

Juden konnte solche Verkennung geübt werden;<br />

der Geist des Judenthums hat mit ihr nichts<br />

gemein. Weit entfernt, das Licht der Wissen -<br />

schaft zu scheuen, setzt es sich vielmehr demselben<br />

aus; denn es ist selbst eine Religion der<br />

Wissenschaft. Es will nicht bloss gläubig umfangen,<br />

sondern geistig erfasst werden, daher<br />

mahnt es zum Nachdenken, statt dasselbe zu<br />

fürchten, daher verlangt es die Forschung, statt<br />

sie zu verbieten. Es sind also die Principien der<br />

Wissenschaft auch die des Judenthums; wo aber<br />

zwischen zweien Mächten so verwandte<br />

Beziehungen walten, da ertragen sie sich nicht<br />

blos einander, sondern sie drängen zum Bündnis<br />

miteinander. Das Judenthum duldet demnach<br />

nicht blos die Wissenschaft, sondern es will sich<br />

zu einem innigen Bunde mit ihr zusammenschliessen.<br />

[…]“ 2<br />

1 Carsten Wilke: Interkulturelle Anbahnungen.<br />

Das Rabbbinat und die Gründung des Jüdisch-<br />

Theologischen Seminars Breslau 1854, in:<br />

Kalonymos. Beiträge zur deutsch-jüdischen<br />

Geschichte aus dem Salomon Ludwig Steinheim-<br />

Institut, 7. Jg (2004), Heft 2, S. 2<br />

2 Vgl.: Zacharias Frankel: Entlassung dreier zu<br />

Rabbinen herangebildeten Hörer des jüdisch-theologischen<br />

Seminars zu Breslau, in: Monatsschrift<br />

für Geschichte und Wissenschaft des Judentums,<br />

11. Jg (1862), Heft 5, S. 161-174<br />

Abb.: Dr. Moritz Güdemann, ab 1894 Oberrabbi -<br />

ner von Wien. Druck nach einer Federzeichnung.<br />

Um 1900. Foto: IMAGNO/Austrian Archives<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Der Komponist und Kantor Moritz Deutsch, dessen<br />

Todestag sich am 27. Februar zum 120. Mal<br />

jährte, zählt zusammen mit Salomon Sulzer und<br />

Louis Lewandowslki zum „Dreige stirn der Syna -<br />

go galmusik“. Deutsch wurde 1818 im mährischen<br />

Nikolsburg geboren und war in Wien erst Schüler,<br />

dann <strong>Kolleg</strong>e von Sulzer, bevor er von 1844 an<br />

an der Seite von Rabbbiner <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> in<br />

Breslau wirkte. Der gefragte Konzertsänger<br />

gründete 1856 ein Institut, an dem<br />

Lehramtsanwärter in enger Kooperation mit dem<br />

Foto: Universitätsbibliothek Augsburg<br />

17<br />

Jüdisch-Theolo gischen Seminar gegen Entgelt<br />

eine Kantoren ausbildung absolvieren konnten.<br />

Deutsch leitete dieses Institut, das nach der<br />

Schließung der Lehrerabteilung des Seminars im<br />

Jahr 1867 als unabhängige Institution fortbestand,<br />

bis 1895. Er veröffentlichte unter anderem<br />

die „Deutschen Synagogen- und Schullieder“<br />

(1867) und die „Vorbeterschule! (1872) und schuf<br />

für die Neue Breslauer Synagoge die „Breslauer<br />

Synagogen gesänge“ für Solo, Chor und Orgelbe -<br />

glei tung, die er 1880 im Druck herausbrachte.


18<br />

Am 10. Mai, dem 79. Jahrestag der nationalsozialistischen<br />

Bücherverbrennung, wurde in den<br />

Räumen der Liberalen Jüdischen Gemeinde Han -<br />

nover die erste öffentliche jüdische<br />

Bibliothek Niedersachsen eröffnet.<br />

Dass dieser Termin zugleich auf den<br />

jüdischen Feiertag Lag ba’Omer<br />

fiel, gab der Festveranstaltung eine<br />

ganz besondere Note. Die Gruß -<br />

worte und Ansprachen, unter anderem<br />

von Niedersachsens Ministerin<br />

für Wissenschaft und Kultur, Prof.<br />

Dr. Johanna Wanka, und der<br />

Direktorin der Stadtbiblio thek<br />

Hannover , Dr. Carola Schelle-Wolff,<br />

nahmen den Gedenktag zum<br />

Anlass, die kulturelle Bedeutung<br />

und Strahlkraft der neuen Biblio -<br />

thek zu unterstreichen. Dass sich<br />

die Kommune und die jüdische<br />

Gemeinschaft dieser Bedeutung<br />

bewusst sind, machte die große<br />

Zahl der Ehrengäste deutlich, darunter<br />

Hannovers Oberbürger -<br />

meister Stephan Weil, der Präsi -<br />

dent der Region Hanno ver, Hauke<br />

Jagau, und der General sekretät des<br />

Zentralrats der Juden in Deutsch -<br />

land, Stephan J. Kramer.<br />

„Wir sammeln rund ums Judentum und die Ge -<br />

schichte Israels“, erklärte Alisa Bach vom Vor -<br />

stand der Israel Jacobson Gesellschaft, die<br />

Trägerin der Bibliothek innerhalb der Liberalen<br />

Jüdischen Gemeinde ist. Drei Jahre lang haben<br />

rund ein Dutzend Ehrenamtliche auf die Eröff -<br />

nung hingearbeitet, Nachlässe und Bücherspen -<br />

densortiert, katalogisiert und signiert. Das<br />

Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Bibliothek,<br />

die auf 20.000 Titel ausgerichtet ist, hat bereits<br />

einen Bestand von 4.000 Bänden auf Deutsch,<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Ein Ort voll<br />

deutsch-jüdischer<br />

Geschichten<br />

Hebräisch, Englisch, Jiddisch und Russisch; weitere<br />

2.000 Bände warten auf ihre Erschließung,<br />

wobei das Spektrum von klassischer Judaica über<br />

Belletristik zu Koch- und auch Kinderbüchern<br />

reicht. „Ein Ort voll deutsch-jüdischer Geschich -<br />

ten“, heißt es denn auch treffend in der Presse.<br />

„Wir haben die Arbeit am Anfang unterschätzt,<br />

weil wir als Laien nicht wussten, was auf uns<br />

zukommt“, sagt die ehrenamtliche Mitarbeiterin<br />

Kristina-Ruth Geyer. Umso wichtiger ist die fachliche<br />

Unterstützung durch die Stadtbibliothek<br />

Hannover. Die Stadt fördert die neue Bücherei,<br />

die bereits Teil des länderübergreifenden Nord -<br />

deutschen Bibliotheksverbund GBV ist, im<br />

Rahmen ihres Projektes „Internationale Biblio -<br />

9. Jahrgang | Ausgabe 2<br />

In Hannover wurde<br />

Niedersachsens erste<br />

öffentliche jüdische<br />

Bibliothek eröffnet<br />

thek Hannover“. Die Jüdische Bibliothek ist für<br />

den Vorsitzenden der Israel Jacobson Gesell -<br />

schaft, Dr. Kay Schweigmann-Greve, „einerseits<br />

ein Ort des kulturellen Gedächt -<br />

nisses für die reiche jüdische<br />

Tradition, Kultur und Ge -<br />

schichte, andererseits Zeichen<br />

für deren Erneuerung und<br />

Lebendigkeit nach den Zer -<br />

störungen der Nazizeit“.<br />

Der Namensgeber dieses engagierten<br />

Kultur vereins, Israel<br />

Jacobson (1768−1828), steht<br />

für praktische Reformen in<br />

Juden tum, für die Erneuerung<br />

des jüdischen Schulwesens und<br />

für politische Emanzipation<br />

und war Hannover persönlich<br />

eng verbunden. Auf ihn ging<br />

auch die Seesener Jacobson-<br />

Biblio thek zurück, deren Rest -<br />

be stände heute in Heidelberg<br />

bewahrt werden: Durch die<br />

Vermittlung von Landesrab -<br />

biner Dr. Zwi Asaria, der von<br />

1966 bis 1970 in Nieder sachsen<br />

tätig war, wurden die Judaica,<br />

die den Zweiten Weltkrieg<br />

überstanden hatten, dem Landesverband der<br />

Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen mit Sitz<br />

in Hannover geschenkt, während die übrigen<br />

wissenschaftlichen Werke an die Göttinger Uni -<br />

versität gingen. 1996 übergab die Jüdische<br />

Gemeinde Hannover ihre Bib liothek der Hoch -<br />

schule für Jüdische Studien als Dauerleih gabe.<br />

Mit diesen Büchern gelangte auch der größte Teil<br />

der ehemaligen Judaica-Sammlung der Seesener<br />

Jacobsonschule an die Hochschule nach Heidel -<br />

berg.<br />

Fotos: Dietmar Geyer


Gedenkstunde des Deutschen Bundestags Der Akademische Direktor<br />

unseres Kantoren seminars, PD Dr. Jascha Nemtsov, eröffnete die Gedenk -<br />

stunde des Deutschen Bundestages zum Tag des Gedenkens an die Opfer<br />

des National sozia lismus am 27. Januar mit dem Nocturne in cis-Moll von<br />

Frédéric Chopin. Der polnische Pianist und Komponist Władysław Szpil -<br />

man hatte dieses Stück im polnischen Rund funk gespielt, als dieser seine<br />

Sendung im September 1939 wegen des Angriffs deutscher Truppen auf<br />

Warschau unterbrach.<br />

Die Begrüßungsrede hielt Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert,<br />

CDU/CSU, die Gedenk rede Prof. Dr. Marcel Reich-Ranicki. An der<br />

Gedenk feier nahmen die Verfassungsorgane, Bundes präsident Christian<br />

Uraufführung “‘L’absence’ fills the contemporary<br />

Jewish music void”, hieß es nach<br />

der Uraufführung der Oper in fünf Akten<br />

von Sarah Nemtsov, mit der die 12.<br />

Münchner Biennale eröffnet wurde. Die<br />

Oper beruht auf Edmond Jabès’ Buch der<br />

Fragen. Jabès, 1912 in Kairo geboren, musste<br />

nach der Suezkrise Ägypten verlassen<br />

und emigrierte nach Paris. 1963 schrieb er<br />

sein Livre des questions. Sarah Nemtsov<br />

traf daraus eine Auswahl, ohne die Abfolge<br />

der Passagen und den Wortlaut der<br />

Dichtung zu verändern. Das „Buch der<br />

Fragen“umfasst die Geschichte von Sarah,<br />

Yukel und ihrer Liebe. In ihrem Gesang<br />

klingen jüdische Kantillationen nach.<br />

Zeitverläufe und Formen des Singens und<br />

Bedenkens beeinflussen Verlauf und<br />

Struktur der Komposition. In der Rolle des<br />

Yukel brillierte der Bariton Assaf Levitin,<br />

einer der Studenten am Kantorenseminar<br />

des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s.<br />

Foto: Regine Koerner<br />

Wulff, CDU/CSU, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, (re), CDU/CSU,<br />

Präsident des Bundesverfassungs gerichts, Dr. Andreas Vosskuhle, und die<br />

Abgeordneten des Deutschen Bundestages sowie geladene Gäste teil, darunter<br />

der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Dieter<br />

Graumann, unser Rabbiner Prof. Dr. Walter Homolka, und die Berliner<br />

Gemeinde rabbiner Gesa Ederberg und Dr. Tovia Ben-Chorin. Jascha<br />

Nemtsov und Kolja Blacher beschlossen die Gedenkstunde mit dem<br />

Andantino aus der Sonate für Violine und Klavier Nr. 3, opus 37, des polnisch-jüdischen<br />

Komponisten Mieczysław Weinberg. Foto: Deutscher<br />

Bundestag / Lichtblick / Achim Melde<br />

19


20<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Die Herzen der Menschen fürs<br />

„The seminary has not only a very nice little garden<br />

but also the advantage of adjoing the promenade”,<br />

schrieb Rabbiner Gottthard Deutsch (1859−1921)<br />

über das Breslauer Seminar, 1 an dem er zehn Jahre<br />

lang Hörer war. Als die Mitglieder der Allgemeinen<br />

Rabbinerkonferenz im Februar in Wroclaw an das<br />

berühmte Jüdisch-Theologische Seminar Fraenckel -<br />

scher Stiftung erinnerten, taten sie das am Rande<br />

eines Parkplatzes. Seit kurzem weist an dessen Seite<br />

zur Promenade eine Gedenktafel darauf hin, das hier<br />

von 1854 bis 1938 in der Wallstraße 1b (heute<br />

Pawla Włodkowica 14-18) die weltweit erste akademische<br />

Ausbildungsstätte für Rabbiner bestand.<br />

Einer ihrer bekanntesten Studenten, Rabbiner Leo<br />

Baeck (1873–1956) erinnerte sich einst ebenfalls mit<br />

Sehnsucht an die „theologische Luft im alten<br />

Hintergarten, der oft gewissermaßen mit dem Garten<br />

der Epikureer verglichen wurde.“<br />

9. Jahrgang | Ausgabe 2<br />

Judentum gewinnen Die Allgemeine Rabbinerkonferenz<br />

beschreitet in Polen neue Wege<br />

Glaubenswissenschaft Die Stiftung des Bres -<br />

lauer Seminars durch Jonas Fraenckel ging<br />

mittelbar auf die Empfehlung Rabbiner <strong>Abraham</strong><br />

<strong>Geiger</strong>s (1810−1874) zurück, der 1872 auch zu<br />

den Mitbegründern der Berliner Hochschule für<br />

die Wissenschaft des Judentums zählte. Carsten<br />

Wilke schreibt dazu: „Es gibt sogar Anlass zur<br />

Vermutung, dass Fraenckel sich eine Verwirk -<br />

lichung des <strong>Geiger</strong>schen Fakultätsprojekts unter<br />

dessen leitender Hand vorgestellt hatte. Er hatte<br />

ja im laufenden Gemeindekonflikt eindeutig auf<br />

<strong>Geiger</strong>s Seite gestanden; er hatte den Reform -<br />

rabbinern 1845 den Versammlungsort finanziert<br />

und <strong>Geiger</strong> noch in seinem Testament damit<br />

beauftragt, die Beisetzungsfeierlichkeiten zu leiten.“<br />

2 Die feierliche Eröffnung des Seminars<br />

erfolgte am 10. August 1854. Zum Direktor wurde<br />

aber der Dresdner Rabbiner Zacharias Frankel<br />

(1801-1875) ernannt – für <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> die,<br />

wie es sein Sohn und Biograph Ludwig <strong>Geiger</strong> formulierte,<br />

„größte Enttäuschung seines Lebens“.<br />

Frankel, für den jüdische Wissenschaft „Glau -<br />

benswissenschaft“ war, verband zwei Forde run -<br />

gen mit einander, „die Rechte der Wissen schaft<br />

im Judentum und [die] Rechte des historischen<br />

Judentums innerhalb der Kultur“. Damit war eine<br />

Mittelposition beschrieben: „Freiheit der<br />

Forschung, doch Gebundenheit an das ,positivhistorische<br />

Judentum’“. Fränkel wird auch die<br />

Formel „Kein Judentum ohne Wissenschaft“<br />

zugeschrieben.<br />

Das Seminar wurde nach der Pogromnacht im<br />

November 1938 von den Nationalsozialisten<br />

geschlossen. Lothar Rothschild schreibt dazu in<br />

seinem historischen Abriss: „Im vierundachtzigsten<br />

Jahr seines Bestehens fiel das Jüdisch-<br />

Theologische Seminar roher Gewalt zum Opfer.<br />

[…] Wenige Tage genügten, um im ganzen Lande<br />

zu zerstören, woran Jahrhunderte geschaffen<br />

hatten. Die Bibliothek wurde weitgehend vernichtet,<br />

der Lehrbetrieb wurde ausgelöscht, For -<br />

schung und Studium verstummten. In ganz be -<br />

scheidenem Rahmen wurden noch einige Monate<br />

der Zusammenarbeit<br />

hindurch Vorlesungen gehalten, bis sich dann<br />

Lehrer und Schüler in die Welt hinaus zerstreuten“.<br />

3 Die Überreste des Gebäudes und seines<br />

Gartens verschwanden kurz nach dem Zwei ten<br />

Weltkrieg, und heute macht an dieser Leer stätte<br />

nichts deutlich, dass dieses Rabbinersemi nar im<br />

Jewish Theological Seminary of America in New<br />

York City eine lebendige Fortsetzung gefunden<br />

hat.<br />

Bevor die ARK-Delegation an diesem Februar -<br />

morgen zusammen mit Lucyna Rojzen-Siedlecka<br />

(Jüdische Gemeinde Wroclaw), Bente Kahan und<br />

der stellvertretenden deutschen Generalkonsulin<br />

Heidrun Jung einen Kranz niederlegte, verwies<br />

Rabbinerin Gesa Ederberg (Berlin) in einem kurzen<br />

Limmud auf Rabbi Jochanan ben Zakai, der<br />

einst mit Rabbi Jehoschua aus Jerusalem hinausgegangen<br />

war und den zerstörten Tempel gesehen<br />

hatte, das zerstörte Lehrhaus. Rabbiner<br />

Henry G. Brandt sagte El male rachamim, worauf<br />

das Kaddisch de Rabbanan folgte.


Zurückgewonnene Geschichte Heute erinnern in<br />

Wroclaw nur noch die aufwändig renovierte Syna -<br />

goge Zum Weissen Storch, die 1827 von der<br />

reform orientierten „Ersten Gesellschaft der<br />

Brüder“ nach Plänen von Carl Ferdinand Lang -<br />

hans errichtet wurde, sowie das Grab seiner Frau<br />

Emilie an das bald dreißig Jahre lange Wirken<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong>s in der Stadt. Und doch: die<br />

deutsch-jüdische Geschichte Breslaus, zu der<br />

Namen wie Zacharias Frankel (1801–1875),<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> (1810–1874), Heinrich Graetz<br />

(1817–1891) und Moritz Deutsch (1818–1892)<br />

gehören, kehrt sehr sichtbar in das Stadtbild<br />

Wrocławs und in das Bewusstsein seiner polnischen<br />

Einwohner zurück. Anschaulicher Ausdruck<br />

dieser Rückbesinnung ist die Dauerausstellung<br />

„Zurückgewonnene Geschichte, Jüdisches Leben<br />

in Breslau und Niederschlesien“, die im Oberge -<br />

schoss der Synagoge gezeigt wird. Darin kommen<br />

auch das kurze Wiederaufblühen jüdischen<br />

Lebens nach der Schoa zur Sprache, als Hunder -<br />

tausende Überlebende der Lager und aus Ost -<br />

polen in Niederschlesien angesiedelt wurden,<br />

und der große Exodus in Folge staatlicher antijüdischer<br />

Kampagnen und Repressalien, für die das<br />

Jahr 1968 steht und mit dem das jüdisches Leben<br />

in Polen schwand: „Those who did not leave<br />

Poland left their Judaism“, fasste es einer der<br />

Gesprächspartner der ARK in Wroclaw zusammen.<br />

Die Sängerin und Schauspielerin Bente Kahan,<br />

deren Initiative die Wiederherstellung der Syna -<br />

goge zum Weißen Storch zu verdanken ist, gab<br />

eigens für die ARK-Delegation und für Ver treter<br />

örtlicher Institutionen ein Konzert, in dem sie<br />

die jüdische Erfahrung des vergangenen Jahr -<br />

hunderts in Texte, Bilder und Musik verwob.<br />

Ermöglicht wurde dieser musikalische Auftakt<br />

der Reise durch Polen durch die finanzielle<br />

Unterstützung der Axel Springer AG. Kahan hofft<br />

21<br />

für die nächsten Jahr auf intensivere Kontakte<br />

nach Deutschland, auch zur Allgemeinen Rabbi -<br />

nerkonferenz und dem <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>:<br />

„Ich denke, dass sehr viele Polen nicht wissen,<br />

dass es wieder eine so große Gemein schaft von<br />

Juden in Deutschland gibt. Man denkt immer<br />

zuerst daran, dass, Deutschland dieses Land war,<br />

das uns 1939 attackiert hat.“ Für manchen der<br />

Mitreisenden war dieser Besuch auch eine Begeg -<br />

nung mit der eigenen Familienge schichte, so<br />

etwa für Rabbiner William Wolff, den Landes -<br />

rabbiner von Mecklenburg-Vorpommern: „Es ist<br />

für mich sehr bewegend, ein Onkel – wir sprechen<br />

jetzt von Wroclaw, von Breslau – ein Onkel meiner<br />

Mutter hat hier gelebt.“<br />

1 Gotthard Deutsch: Scrolls. Essays<br />

on Jewish History and Literature<br />

and Kindred Subjects, Cincinnati<br />

1917, S. 44<br />

2 Carsten Wilke: „Den Talmud und<br />

den Kant“. Rabbinerausbildung an<br />

der Schwelle zur Moderne, Hildes -<br />

heim 2003, S. 670<br />

3 Lothar Rotschild, Die Geschichte<br />

des Seminars von 1904 bis 1938,<br />

in: Guido Kisch (Hrsg.): Das<br />

Breslauer Seminar, a.a.O., S. 165<br />

Fotos: Michael Kaiser


Der Horror der Schoa Breiten Raum nahm auch der Umgang mit der Schoa in Polen ein. Bei einer Gedenkfahrt ins ehemalige Vernichtungslager Auschwitz-<br />

Birkenau sprachen die Rabbiner mit dem charismatischen Leiter der Gedenkstätte, Dr. Piotr Cywinski, und besuchten das Archiv und eine Sonderausstellung.<br />

Darüber hinaus standen Informationsgespräche mit Vertretern des Holo caust Studies Center der Universität Krakau und des Galicija-Museums im Krakauer<br />

Stadtteil Kazimierz sowie des künftigen Museum der Geschichte der polnischen Juden in Warschau, das im April 2013 eröffnet werden soll, auf dem dichten<br />

Programm. Dabei wurde immer wieder betont, dass über die Geschichte der Vernichtung nicht die Jahrhunderte blühender jüdischer Kultur in Polen sowie heutige<br />

Zeichen neuen jüdischen Lebens übersehen werden dürfen. Und doch: „Der unsägliche Horror der Schoa, der mit dem Namen Auschwitz verbunden ist,<br />

bedrückt einen in Polen besonders tief“, betonte Rabbiner Brandt. Foto: Michael Kaiser<br />

Ein Toraschrein für Warschau End- und vielleicht<br />

auch ein Höhepunkt der Reise war die Übergabe<br />

eines aufwändig gestalteten Toraschreins, den<br />

die liberale jüdische Gemeinde Etz Chaim in<br />

Hannover der gleichnamigen liberalen Chawura<br />

Ec Chaim innerhalb der jüdischen Gemeinde<br />

Warschaus schenkte. Dazu Ingrid Wettberg, die<br />

hannoversche Gemeindevorsitzende: „Seit unserem<br />

Umzug in das neue Gemeindezentrum 2009,<br />

fristete der wunderschöne Toraschrank, den wir<br />

über zwölf Jahre Jahre in der Freundallee im<br />

Synagogenraum hatten, in Einzelteile zerlegt<br />

sein Dasein in unserem Keller. Alle Bemühungen,<br />

ihn anderen liberalen Gemeinden in Deutschland<br />

zukommen zu lassen, scheiterten: Mal passte der<br />

Schrank nicht in die Räume, mal war kein Inte -<br />

resse vorhanden.“<br />

In einer feierlichen Zeremonie nach der von Rab -<br />

biner Dr. Daniel Katz gestaltete Havdala, an der<br />

auch der deutsche Botschafter in Polen, Rüdiger<br />

Freiherr von Fritsch (Foto rechts), teilnahm,<br />

über gab Ingrid Wettberg, den Aron Ha’ Kodesch<br />

ganz offiziell an den liberalen War schauer<br />

Gemeinderab biner Stas Wojciechowicz: „Dass wir<br />

den gleichen Namen haben wie Sie hier in War -<br />

schau, nämlich ‚Etz Chaim’, das sehe ich fast als<br />

ein kleines Wunder an. Der Baum des Lebens –<br />

der starke Stamm, er stellt symbolisch die Thora<br />

dar, die Äste und Blätter die vielen Mitglieder.<br />

Unter einem Baum soll man sich sicher fühlen, er<br />

gibt Schutz und Geborgenheit. So sollen sich Ihre<br />

Mitglieder in dieser Gemeinde auch fühlen. Nun<br />

steht also unser Tooraschrank in der Gemeinde<br />

Etz Chaim in Warschau. Wir freuen uns sehr darüber<br />

und wünschen Ihnen, dass ihre Gemeinschaft<br />

wachsen möge, sie viele jüdische .Feste und<br />

Feiertage erleben mögen und ihre Torarollen<br />

immer sicher und fest in diesem Schrank stehen<br />

mögen. Es ist ein gutes Gefühl, unseren Tora -<br />

schrank nun hier bei Ihnen zu wissen.“<br />

Der jüngste Teilnehmer der Polen-Reise der All -<br />

gemeinen Rabbinerkonferenz, der Thüringer<br />

Rabbbiner Konstantin Pal, wurde 1979 in Moskau<br />

geboren und ist damit nur zwei Jahre jünger als<br />

sein Warschauer <strong>Kolleg</strong>e Stas Wojciechowicz. Pal<br />

befand zum Abschluss: „Wir leben in einer genialen<br />

Zeit. Zumindest bei uns in Mitteleuropa wird<br />

sich etwas komplett Neues aufbauen, also auch<br />

in diesem deutsch-jüdisch-polnischen Verhält -<br />

nis.“ Foto: Bomhoff


Wege der Zusammenarbeit Vor der Schoa lebten<br />

rund 3,5 Million Juden in Polen, heute zählt die<br />

Union jüdischer Religionsgemeinden in Polen um<br />

die 8.000 Mitglieder. Daneben gibt es noch weitere<br />

Zehntausende Menschen jüdischer Herkunft,<br />

von denen sich zunehmend mehr auf ihre jüdischen<br />

Wurzeln besinnen. Die ARK-Delegation<br />

kam in Krakau und Warschau auch mit einer<br />

Reihe von <strong>Kolleg</strong>en zusammen, die dafür Sorge<br />

tragen, dass jüdisches Leben in Polen wieder eine<br />

Zukunft hat, darunter Rabbinerin Tanya Segal<br />

und Rabbiner Boaz Pash in Krakau und Ober -<br />

rabbiner Michael Schudrich und sein liberaler<br />

<strong>Kolleg</strong>e Rabbiner Stas Wojciechowicz von der<br />

Gmina Wyznaniowa Żydowska w Warszawie. Zu<br />

dem weiteren Stationen im Besuchsprogramm<br />

gehörten das säkular ausgerichtete Jewish Cul -<br />

tural Center (JCC) in Krakau sowie die Stiftung<br />

Beit Warszawa, die sich als progressives Forum<br />

außerhalb der etablierten jüdischen Gemeinde<br />

versteht und Mitglied der World Union for Pro -<br />

gressive Judaism ist.<br />

Im Anschluss an die achttägige Reise erklärte<br />

Rabbiner Henry G. Brandt als Vorsitzender der<br />

Allgemeinen Rabbinerkonferenz: „Wir sind zu der<br />

Überzeugung gekommen, dass wir unseren jüdischen<br />

Schwestern und Brüdern, die direkt vor<br />

unserer Tür leben, Hilfestellung leisten müssen.“<br />

Dabei gehe es etwa um die Klärung von Status -<br />

fragen zur Gemeindezugehörigkeit. Dem<br />

Deutschlandfunk gegenüber formulierte Brandt<br />

dies so: „Von dem sehr Wenigen, was ich jetzt<br />

schon erfahren habe, zeigt sich mir auf, dass die<br />

Möglichkeit existiert, dass hier viel, viel mehr<br />

Menschen mit jüdischen Wurzeln leben als wir<br />

denken und bestimmt mehr als in den jüdischen<br />

Gemeinden registriert sind. Es ist ein bisschen<br />

ähnlich wie in Deutschland, wo wir die Herzen<br />

der Menschen, die zu uns aus der ehemaligen<br />

Sowjetunion gekommen sind, wieder fürs<br />

Judentum gewinnen müssen.“ Nach seiner Überzeugung<br />

sind hier gerade die liberalen Strömun -<br />

<strong>Kescher</strong><br />

gen innerhalb des Judentums gefordert: „Zum<br />

Einen bei Gottesdiensten und religiösen Veran -<br />

staltungen, Bildungsveranstaltungen und<br />

besonders im jüdischen Kultus. Für jüdische<br />

Kultur und Geschichte, da gibt es hier Personal,<br />

da gibt es Professoren und Lehrstühle. Aber was<br />

den Kultus angeht, scheint das sehr, sehr dünn<br />

vertretent zu sein. Und wenn überhaupt, dann<br />

noch in der althergebrachten orthodoxen Form.<br />

Ich habe nichts gegen Orthodoxie als solche,<br />

aber ich glaube ich nicht, dass diese Form dazu<br />

angetan ist, diesen versteckten jüdischen Ele -<br />

mente herauszukitzeln. Dazu braucht es eine<br />

moderne, neue, auch psychologische Hinwen -<br />

dung, und da muss auch das Judentum in entsprechender<br />

Art und Weise präsentiert werden.<br />

Ich glaube, da haben wir als Liberale doch eher<br />

das Instrumentarium dazu. Aber auch im Fest -<br />

legen von Status, im gegebenen Fall bei Konver -<br />

sionen. Da ist der etwas verbindlichere, ich<br />

würde sagen menschlichere und verständnisvollere<br />

Zugang, den wir zu dieser Problematik<br />

haben, ohne dabei Minimalisten zu sein, eher<br />

geeignet, die Probleme hier anzupacken als alte<br />

traditionelle Vorgehensweisen.“ „Natürlich ist es<br />

ein Wagnis für uns polnische Juden, demnächst<br />

mit den deutschen Juden enger zusammenzuarbeiten“,<br />

befand dazu Grazyna Pawlak, die dem<br />

Vorstand der Jüdischen Gemeinde Warschau<br />

angehört und das Rabbiner Moses-Schorr-Zen -<br />

trum leitet, gegenüber der Jüdischen Allge -<br />

meinen. „Aber den liberalen Juden in Polen wird<br />

der Kontakt mit ihren <strong>Kolleg</strong>en in Deutschland<br />

helfen, ihre eigene Identität zu finden und zu<br />

festigen.“ Foto: Sjaak Samshuijzen<br />

Der nahe und<br />

der ferne<br />

Andere<br />

Häretiker und Heiden in den Religionen<br />

Religionen, die eine Wahrheit behaupten,<br />

haben einen Begriff vom Ungläubigen. Dieser<br />

muss um die Andersgläubigen erweitert werden,<br />

wenn Mitglieder der eigenen Religion die<br />

heiligen Texte oder Rituale mit einer anderen<br />

Auslegung verwenden. Die Ringvorlesung<br />

unter Leitung von Prof. Dr. Johann Ev. Hafner<br />

und Ercan Karakoyun fragt, ob und warum<br />

eine Religion einen pauschalen oder differenzierten<br />

Begriff des Anderen besitzt und welche<br />

Sanktionen sie ihm auferlegt (Toleranz,<br />

Mission, Verfolgung, ...).<br />

29.05. Wahrheit und Toleranz im<br />

Judentum (Rabbiner Prof. Dr. Dr. h.c. Walter<br />

Homolka, <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>)<br />

05.06. Konfessionen im Islam (Yasin<br />

Cakír, Frankfurt a. M.)<br />

12.06. Spaltungen und Unionsversuche<br />

am Beispiel der syrisch-orthodoxen Christen<br />

(Dr. Amill Georgi / Murat Üzel, Berlin)<br />

19.06. Neuoffenbarungen als Träger<br />

esoterischen Gedankenguts (Patrick Diemling<br />

MTh, Potsdam)<br />

26.06. Orthodoxe Religiosität und familiäre<br />

Frömmigkeit im Alten Israel (Prof. Dr.<br />

Rüdiger Liwak, Benno-Jacob-Gastprofessur,<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>)<br />

03.07. Sikhismus (Dr. Gabriele Yonan,<br />

Berlin)<br />

10.07. Abwege, Umwege, Irrwege. Von<br />

den Grenzen buddhistischer Toleranz gegenüber<br />

Anders- und Ungläubigen (Prof. Dr.<br />

Christoph Kleine, Leipzig)<br />

17.07. Orthodoxes Judentum (Dr. Hans-<br />

Michael Haußig, Potsdam)<br />

Die Ringvorlesung findet dienstags von 18 -<br />

20 Uhr in Raum: 1.09.1.14, Am Neuen Palais<br />

10 in 14469 Potsdam statt.<br />

23


24<br />

LeDor VaDor:<br />

„Generations 2012“<br />

Vom 15.-18. März fand im neuen Gemeindezen trum der Liberalen Jüdischen Gemeinde Amsterdam die Biennial Conference der European Union for Progressive<br />

Judaism statt - nach Meinung der über 300 Teilnehmer eine der gelungensten Tagungen der europäischen Sektion der WUPJ seit langem. Daran beteiligt waren<br />

neben sieben unserer Studierenden, die unter anderem den Morgengottesdienst am Freitag gestalteten und am Schabbatmorgen Tora leinten, auch Rabbiner Dr.<br />

Tovia Ben-Chorin und Adina Ben-Chorin sowie unser Rektor. Rabbiner Prof. Dr. Walter Homolka hielt zu Beginn der Tagung eine Keynote Speech, „Freedom of<br />

Religion and Tolerance in Europe“, und wurde beim Annual General Meeting als Vizepräsident der EUPJ bestätigt. Adrian Schell, Amnon Seelig und Hartmut<br />

Bomhoff bestritten ebenso wie unser Alumnus Rabbiner Dr. Tom Kučera Workshops. Fotos: Sjaak Samshuijzen<br />

Tagung der<br />

European Union for<br />

Progressive Judaism<br />

in Amsterdam


Judaism: Freedom of Religion and<br />

Tolerance in Europe<br />

L<br />

ast weekend was spent in Budapest<br />

and started with a total surprise.<br />

When I checked into my room at the<br />

hotel I realized that I had chosen the<br />

latest addition to an Arab hotel chain and that<br />

very weekend it was fully booked with the delegates<br />

of the Union of Palestinian Communities in<br />

Europe who were about to form their organization.<br />

Sitting in the lobby and going over my<br />

speech on the laptop was a pretty peculiar experience<br />

when surrounded by a good hundred<br />

Palestinians who were all in lively discussion<br />

with each other and would have been rather baffled<br />

to realize who I am. As if this had not been<br />

enough I turned on the telly and was confronted<br />

with Yisroel Dovid Weiss, a United States anti-<br />

by Rabbi Professor Walter Homolka PhD DHL<br />

Zionist Haredi rabbi, on Al Jaseera: an activist<br />

and spokesman for a branch of Neturei Karta who<br />

believes that observant Jews should peacefully<br />

oppose the existence of the Israeli state. Coming<br />

to think about it I thought that this weekend was<br />

one of the occasions when tolerance was key.<br />

We all think that we can be rather tolerant, don’t<br />

we? But when the moment comes and we bump<br />

into the “other”, the “foreign”, the “strange” we<br />

can feel that it is often quite strenuous to come<br />

to a feeling of live and let live. Today we<br />

encounter the diversity of orientations and life<br />

styles in all spheres of social life. Cultural, ideological<br />

and religious diversity is no longer primarily<br />

found outside the confines of our own<br />

European societies, but inside its boundaries in<br />

concrete situations of our everyday lives. The<br />

stranger has become a neighbour. A consensus<br />

on fundamental values can no longer be presumed;<br />

on the contrary, all questions of orientation<br />

have to be renegotiated in all areas of life.<br />

The history of tolerance is the history of religious<br />

freedom, and of freedom of opinion. The most<br />

radical challenge to a person's identity is the<br />

confrontation with convictions of alien faiths or<br />

alternative interpretations within one’s own<br />

faith that question the very foundation on which<br />

that identity is built.<br />

It was Rabbi Samuel Wolk – in the Universal<br />

Jewish Encyclopedia of 1941 – who thought of


26<br />

Die schönsten<br />

Gebete des<br />

Judentums<br />

Frieden in Fülle komme vom Himmel<br />

Herausgegeben von Walter Homolka<br />

144 Seiten | Paperback<br />

€ 10,– / SFr 14.90 / € [A] 10,30<br />

ISBN 978-3-451-06401-2<br />

Das Herz einer Religion schlägt<br />

weder in den Lehrbüchern noch in<br />

den Moralvorschriften, sondern in<br />

ihren Gebeten. In den Gebeten<br />

bringen Menschen ihr Vertrauen<br />

ebenso zum Ausdruck wie ihre Sorgen<br />

und Nöte und suchen die Nähe<br />

des Göttlichen und die Erfahrung<br />

des inneren Friedens. Die schönsten<br />

Gebete des Judentums sind in diesem<br />

Band versammelt.<br />

Neu in allen Buchhandlungen<br />

oder unter www.herder.de<br />

<strong>Kescher</strong><br />

tolerance as an essential identity marker for<br />

Judaism. ”The dictum that history is the history<br />

of liberty, when shorn of its Hegelian vagaries,<br />

finds a concrete verification in the story of the<br />

Jew and his religion. For Judaism is so broadly<br />

tolerant that it has permitted the widest divergences<br />

of opinion within its fold.” Wolk also said<br />

why this is so: he found the basis for this in the<br />

essentially democratic foundations and structure<br />

of Jewish life. And he continues that one of the<br />

most characteristic qualities of Jewish thought<br />

throughout the ages was its open-mindedness<br />

toward new ideas.<br />

This optimistic evaluation of Jewish appreciation<br />

for religious freedom and tolerance cannot probably<br />

be shared by Rabbi <strong>Abraham</strong> Kohn who had<br />

accepted the rabbinate of Lemberg in 1844 where<br />

he opened a wellequipped school for secular as<br />

well as religious subjects, of which he was the<br />

superintendent, dedicated a new reform temple,<br />

abolished many old abuses, and did not rest until<br />

the degrading tax on kosher meat and Sabbath<br />

candles was removed that had been imposed<br />

upon the Jewish community by the government.<br />

Despite his many successes the traditionalists of<br />

the community bitterly protested those changes<br />

to their religion and in 1848 a fanatical clique<br />

hired somebody to poison Kohn and his whole<br />

family with arsenic. While the other members of<br />

his family recovered, Kohn and his youngest<br />

daughter died the following day. One may call<br />

them Jewish martyrs for tolerance and religious<br />

freedom.<br />

Laura Janner-Klausner has pointed to the fact<br />

that nowadays the number of these Jewish martyrs<br />

is on the rise. Haredi attempts to highjack<br />

Israeli society as a whole and to dominate large<br />

sections of public life, family and marital law in<br />

Israel and the galut, the rights of women to<br />

Inner-Jewish religious expression guided by<br />

their conscience – all of this and more is a clear<br />

violation of religious freedom.<br />

Europe as we currently know it is the result of a<br />

long history of pluralisation that began with the<br />

Reformation. In the Reformation, the single allencompassing<br />

Christian church was re-placed by<br />

two churches, or two religions, as people<br />

described them in the 16th Century. The revocation<br />

of the Edict of Nantes in 1685 by Louis XIV<br />

resulted in the exodus of some 500.000<br />

Huguenots from France and triggered heated discussion<br />

throughout Europe on matters relating<br />

to religious tolerance and religious freedom. A<br />

number of philosophers was inspired to write<br />

9. Jahrgang | Ausgabe 2<br />

books on these themes. John Locke’s “A letter<br />

Concerning Toleration” argues in 1689 that no<br />

state or church should have the right of compulsion<br />

over human souls and insists on tolerance<br />

for all religions. The Netherlands, which had<br />

accepted religious refugees of various backgrounds,<br />

became the first state to adopt the<br />

principle of religious tolerance. It was followed<br />

by England, which, after the Glorious Revolution,<br />

offered tolerance also to nonconformists on condition<br />

of their affirming loyalty to the King – and<br />

denying the Pope. The concept of tolerance was<br />

taken from Europe to the United States and<br />

incorporated into the “Bill of Rights”, and later<br />

fuelled the French Revolution.<br />

A long learning curve taught us Europeans to<br />

incorporate tolerance and religious freedom into<br />

our societies: as antidote to the destructive<br />

potential of religion as it was instrumentalised<br />

for national territorial ends. Tolerance became a<br />

matter of life and death. Previous experience<br />

formed a fundamental consensus of religious and<br />

ethical beliefs that tie European societies<br />

together today. Religious dissent can be tolerated<br />

as long as it is confined to the sphere of private<br />

religious practice and does not threaten the<br />

basis of life within society. Enlightenment<br />

became the basis for the general consensus. And<br />

it finally permitted Judaism to enter the wider<br />

community in the wake of the 19th century,<br />

largely due to the Napoleonic reforms that utterly<br />

and totally changed the legal and social framework<br />

for Jews as individuals and Judaism as a<br />

whole. Under Napoleonic rule, in the Kingdom of<br />

Westphalia, it was Israel Jacobson who introduced<br />

the first systematic reform of Jewish<br />

thought and practice when he formed the Seesen<br />

co-educative school and consecrated the first<br />

Reform Temple in 1810. It was the beginning of<br />

Reform Judaism as an antiassimilationist<br />

endeavour.<br />

These days we celebrate the Edict of Emancipa -<br />

tion in Prussia of 1812 which also helped to trigger<br />

off this new development. A good hundred<br />

years saw the differentiation of Jewish denominations,<br />

the urge for emancipation and the many<br />

drawbacks for aspiring Jews to make it within<br />

the “Christian State” and remain Jewish nevertheless.<br />

Finally, the separation of church and<br />

state inaugurated the ideological neutrality of<br />

the state and the equality of all religions. It is<br />

right to say: we Jews in Europe have been a<br />

major beneficiary of this trend of relativisation<br />

of religious truth. This has been true in the past.


It is true for the present and it will remain true if<br />

we look at our perspectives for the future.<br />

The demand for tolerance appears to involve a<br />

relativisation of religious truth that seems to<br />

weaken religious identity. And precisely this may<br />

in turn foster a fundamentalist affirmation of<br />

religion by some which easily degrades into<br />

intolerance against both inner-Jewish dissent<br />

and against other religious and ideological orientations.<br />

It is an Orthodox dilemma when the<br />

urge for tolerance finally leads to utter intolerance.<br />

It may only be avoided if tolerance can be<br />

based on religious truth itself, on the heart and<br />

essence of religious identity. This makes one<br />

question an interesting one: is there prove that<br />

tolerance is part of our very Jewish religious<br />

identity?<br />

Moses Mendelssohn, in 1769, was, invited by the<br />

Zurich preacher Johann Caspar Lavater to a religious<br />

disputation aimed at converting<br />

Mendelssohn to Calvin’s Christianity. In<br />

December 1769 Moses Mendelssohn counters<br />

with a reference to the tolerant attitude of<br />

Judaism, which rejects any missionizing: “In<br />

accordance with the principle of my religion I<br />

should not seek to convert anyone who is not<br />

born according to our law. This spirit of conversion,<br />

the origin of which some are so keen to burden<br />

the Jewish religion with, is diametrically<br />

opposed to this. All our rabbis teach unanimously<br />

that the written and oral laws in which our<br />

revealed religion consists are binding only on our<br />

nation. Moses commanded the law for us, it is a<br />

legacy of the community of Jacob. All the other<br />

peoples of the earth, we believe, have been<br />

instructed by God to observe the law of nature<br />

and the religion of the patriarchs [Mendelssohn<br />

notes: “The seven main commandments of the<br />

Noachids”]. Those who direct their way of life in<br />

accordance with this religion of nature and reason<br />

are called by other nations virtuous men, and<br />

these are children of the eternal blessedness.”<br />

With this statement about the recognition by<br />

Judaism of other convictions Mendelssohn<br />

rejects Lavater’s demand for conversion. Here he<br />

identifies the Noachidic commandments with the<br />

natural law. And as natural law they are open to<br />

Lavater’s rational insight. So according to Jewish<br />

tradition the Noachidic rules give fundamental<br />

instructions for action by all human beings in<br />

respect of God (the prohibition of idolatry and<br />

blasphemy), one’s fellow human beings (prohibition<br />

of murder, theft and sexual promiscuity),<br />

<strong>Kescher</strong><br />

nature (prohibition against torturing animals)<br />

and society (commandment for a just society<br />

with just laws). The Jewish sources from the<br />

Talmud through Maimonides to Moses Mendels -<br />

sohn and Hermann Cohen indicate that every<br />

non-Jew who observes these commandments and<br />

prohibitions is to be regarded as righteous<br />

among the peoples. Thus non-Jews attain the<br />

same spiritual and moral level as the high priest<br />

in the temple.<br />

Back to Samuel Wolk who was so convinced about<br />

Jewish individualism and praise for liberty? Is it<br />

a formative element of Judaism to allow inner-<br />

Jewish dissent? The distinctive definition of<br />

“truth” in Judaism becomesvery vivid through<br />

the following story: “R. Abba stated in the name<br />

ofSamuel: For three years there was a dispute<br />

between Beth Shammai and Beth Hillel, the former<br />

asserting, The halachah is in agreement<br />

with our views’ and the latter contending, The<br />

halachah is in agreement with our views.’ Then a<br />

bath kol issued announcing, [The utterances of]<br />

both are the words of the living God, but the<br />

halachah is in agreement with the rulings of Beth<br />

Hillel.’ Since, however, ‘both are the word of the<br />

living God’ what was it that entitled Beth Hillel<br />

to have the halachah fixed in agreement with<br />

their rulings?’ Because they were kindly and<br />

modest, they studied their own rulings and those<br />

of Beth Shammai, and were even so [humble] as<br />

to mention the actions of Beth Shammai before<br />

theirs.”<br />

In his commentary on Erubin 13b the rabbi Yom<br />

Tov ben Avraham Asevilli from Seville, known as<br />

“Ritva,” writes the following: “The rabbis of<br />

France asked: ‘How can it be that both opinions<br />

are the word of the living God, since one says<br />

that a certain thing is prohibited and the other<br />

that it is permitted?’ They answered that when<br />

Moses went up to the heavens to receive the<br />

Torah, he was shown 49 ways of prohibiting and<br />

49 ways of permitting each thing. When Moses<br />

asked the Holy One about this, he was told that<br />

this is to be entrusted to the sages of Israel in<br />

every generation and the decision will be in their<br />

hands.”<br />

In both texts it becomes very clear how important<br />

it is for the rabbis to respect the position of<br />

the other in discussions and not make their own<br />

opinion absolute: that is the key to the truth in a<br />

plural sense. The content of revelation has been<br />

handed down to the two houses—Hillel and<br />

Shammai—since the revelation event on Sinai.<br />

27<br />

Both texts put forward the view that the revelation<br />

must be interpreted, that one must dig in it,<br />

“turn it this way and that”, research and interpret<br />

it.<br />

Asher Maoz of the University of Tel Aviv has<br />

raised the question whether Judaism recognizes<br />

freedom of religion for its members. His answer<br />

is ‘yes’ when it comes to the tolerance of coexisting<br />

with other faiths, his response is ‘no’ when it<br />

comes to the right of a Jew to take up a gentile<br />

religion. However, he says, Judaism does totally<br />

sanction freedom within religion. Therefore, it is<br />

for us progressive Jews to reiterate the conviction<br />

of old that there is more than one truth<br />

within Judaism and outside of Judaism, that in<br />

fact what we hold to be the truth and the exact<br />

opposite may both be acceptable in the eyes of<br />

God.<br />

Our very task remains to uphold the relevance of<br />

the Jewish tradition in the context of modernity<br />

for the Jewish people so that we can resume our<br />

holy task of the priesthood for the universality of<br />

humankind. If the Orthodox do not uphold these<br />

Jewish essentials, we Progressive Jews definitely<br />

should continue to do so.<br />

„Diejenigen, die Tora studieren,<br />

spenden Licht, wo immer sie sind.“<br />

Midrasch Schemot Raba<br />

Unterstützen Sie unsere<br />

Arbeit! Spenden auch<br />

Sie.<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong><br />

Konto Nr. 108 30 39<br />

Deutsche Bank AG Berlin<br />

(BLZ 100 700 24)


28<br />

„Zwei Juden - drei Meinungen" ist ein gängiger<br />

Ausdruck für die Tatsache, dass es in der jüdischen<br />

Gemeinschaft sehr unterschiedliche An -<br />

sichten gibt, die gar nicht oft unter einen Hut<br />

passen. Und warum sollte es anders ein? Auch<br />

Christen leisten sich doch von jeher Zerwürfnisse<br />

in Glaubensfragen, und es würde keiner auf die<br />

Idee kommen, den Papst in Rom zum Schieds -<br />

richter darüber zu machen. Es ist gut möglich,<br />

dass es sinnvoll ist, das Israelitengesetz von<br />

1890 zu ersetzen und die Beziehungen der<br />

Republik Österreich zu den verschiedenen jüdischen<br />

Strömungen auf eine zeitgemäße Basis zu<br />

stellen. Seit März liegt jedoch eine Regierungs -<br />

vorlage vor, die enttäuscht: Im 21. Jahrhundert<br />

soll dem Judentum staatlicherseits eine quasi<br />

hierarchische Struktur aufgezwungen werden.<br />

Die Religionsfreiheit der verschiedenen Bekennt -<br />

nisrichtungen würde wesentlich beeinträchtigt<br />

und in das Belieben einer Richtung - der Ortho -<br />

doxie - gestellt.<br />

Schlecht für Rabbinerinnen<br />

Man fragt sich, was die Abgeordneten des Natio -<br />

nalrats verbrochen haben, dass ihnen durch<br />

Bundesministerin Claudia Schmied eine solch<br />

offensichtliche Missgeburt unterbreitet wird. Im<br />

Vorblatt zur Ministerialvorlage heißt es lapidar,<br />

der Gesetzentwurf habe "keine geschlechtsspezifischen<br />

Auswirkungen". Das werden die vielen<br />

hundert Rabbinerinnen der konservativen und<br />

liberalen Bekenntnisrichtungen weltweit ganz<br />

anders sehen, wenn ihnen künftig von Staates<br />

wegen eine autoritative Ausübung des geistlichen<br />

Amtes in Österreich verwehrt bleiben<br />

wird.<br />

Vor mehr als hundert Jahren hatte der Diskurs<br />

um die Frauenordination im Judentum eingesetzt,<br />

bis 1935 schließlich Regina Jonas als erste<br />

Rabbinerin in Berlin ordiniert worden war. Das<br />

"Fräulein Rabbiner" wurde von den Nazis nach<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Auschwitz deportiert und im Dezember 1944 vergast.<br />

Heute bilden Frauen die Mehrzahl der<br />

Anfängerklassen an nichtorthodoxen Rabbi -<br />

nerseminaren in Nordamerika.<br />

Der grundsätzliche Irrtum des Gesetzentwurfs<br />

liegt in der Annahme, beim Judentum handele es<br />

sich um eine einheitliche Religionsgemeinschaft.<br />

Anders wusste es sogar schon der Gesetzgeber<br />

von 1890: "Zwischen den extremen Richtungen in<br />

der Judenschaft, den Reformern und Orthodoxen,<br />

[...] besteht eine große, noch nicht abgeschlossene<br />

Zahl von Nuancen. Um deren Ansprüche<br />

klarzustellen, fehlt bei Abgang einer Hierarchie<br />

jedes Forum" (nachzulesen im Bericht des Aus -<br />

schusses des Abgeordnetenhauses).<br />

Ebenso stellte auch 2002 das Bundesverwal -<br />

tungs gericht in Berlin fest: "‚Das Judentum‘<br />

[stellt] ebenso wenig eine Religionsgemein -<br />

schaft im staatskirchenrechtlichen Sinne dar wie<br />

‚das Christentum‘. Vielmehr fassen solche<br />

Gattungsbegriffe verschiedene Religions -<br />

gemeinschaften im Blick auf ihre zentralen<br />

Glaubensgehalte zusammen; sie beziehen sich<br />

dagegen weder auf eine die einzelnen Religions -<br />

gemeinschaften erfassende Organisation noch<br />

auf eine zentrale Lehrautorität."<br />

In Deutschland hatte man seit 1989 einen Zuzug<br />

von fast 200.000 jüdischen Immigranten aus der<br />

ehemaligen Sowjetunion zu verzeichnen. Das<br />

Judentum wurde hierdurch lebendiger, aber das<br />

religiöse Spektrum differenzierte sich auch. Auf<br />

Bundesebene konstituierten sich seit 1997 drei<br />

Bekenntnisverbände: die Union progressiver<br />

Juden in Deutschland, Masorti Deutschland und<br />

der Bund traditioneller Juden. Am Ende einer<br />

zwanzigjährigen Entwicklung stellte 2009<br />

schließlich das Bundesverfassungsgericht in<br />

Karlsruhe fest: Es ist die Aufgabe des Staates,<br />

den Gleichheitsgrundsatz in der Behandlung der<br />

verschiedenen jüdischen Bekenntnisse anzuwen-<br />

9. Jahrgang | Ausgabe 2<br />

Ein Intoleranzedikt für Österreichs Judentum<br />

Die Neufassung des Israelitengesetzes ist eine<br />

Missgeburt - sie beschränkt das Judentum auf die<br />

Orthodoxie / von Rabbiner Prof. Dr. Walter Homolka<br />

den und gleiche Rahmenbedingungen zu schaffen.<br />

Diese Aufgabe ist nicht "innerjüdisch" zu<br />

organisieren. Vielmehr sind die Bekenntnis -<br />

strömungen in ihrer Unterschiedlichkeit zu be -<br />

achten und unabhängig voneinander zu würdigen.<br />

Deutsches Vorbild<br />

Der Zentralrat der Juden in Deutschland definiert<br />

sich spätestens seit 2006 als politischer Zusam -<br />

menschluss liberaler, konservativer und orthodoxer<br />

Gemeinden und Landesverbände. Dies drückt<br />

sich auch in der Einrichtung zweier Rabbiner -<br />

konferenzen aus: der Orthodoxen und der<br />

Allgemeinen Rabbinerkonferenz. Auf diese Weise<br />

ist es gelungen, dem Grundrecht auf Religions -<br />

freiheit gerecht zu werden und die staatliche<br />

Neutralität gegenüber den Bekenntnissen herzustellen.<br />

Ist das österreichische Rechtssystem<br />

dem deutschen so fremd, dass das Kultusamt im<br />

Unterrichtsministerium diese internationalen<br />

Realitäten völlig außer Acht lässt?<br />

Es ist erst wenige Monate her, dass der Präsident<br />

des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter<br />

Graumann, in der Bamberger Synagoge sein<br />

Konzept für die jüdische Gemeinschaft in<br />

Deutschland beschrieb: "Es wächst das neue plurale<br />

Judentum in Deutschland. Das ist spannend<br />

und eine Herausforderung - und wir sind schon<br />

mittendrin. Die Pluralität ist die neue jüdische<br />

Normalität in Deutschland."<br />

Diese Vision steht am Ende von zwanzig Jahren<br />

Tauziehen in der deutschen Politik und vor deutschen<br />

Gerichten um die um die Individualrechte<br />

der jüdischen Bekenntnisströmungen. Es wäre<br />

kein schöner Ausblick für Österreich, wenn<br />

Claudia Schmieds Edikt der Intoleranz wirklich<br />

Gesetz werden würde.<br />

Der Standard, 16.4.2012


Auf Wunsch der Israelitischen Kultusgemeinde<br />

Wien wurde von der österreichischen Bundes -<br />

regierung ein neues Israelitengesetz vorgelegt.<br />

Leider stellt dieses neue Gesetz gegenüber dem<br />

bestehenden aus dem Jahre 1890 einen religionspolitischen<br />

Rückschritt dar. So schreibt die<br />

Novelle unter anderem fest, dass nicht mehr der<br />

Staat, sondern die Israelitische Religionsgesell -<br />

schaft über Neugründungen von Kultusgemein -<br />

den entscheidet. Auch wenn auf erste Proteste<br />

hin nun ein zusätzlicher Satz die „angemessene<br />

Vertretung aller innerhalb der Religionsgesell -<br />

schaft vertretenen Traditionen“ fordert, wird mit<br />

der Schaffung einer neuen Zentralautorität – der<br />

Israelitischen Religionsgesellschaft – der Fort -<br />

bestand des nicht-orthodoxen Judentums in<br />

Österreich gefährdet. Die World Union for<br />

Progressive Judaism und die Allgemeine Rabbi -<br />

nerkonferenz Deutschlands waren unter den<br />

ersten, die an die österreichische Bildungs -<br />

ministerin Claudia Schmied wandten. Sie warnen<br />

vor massiven Diskriminierungen der liberalen<br />

Juden durch den orthodoxen Mehrheitsflügel in<br />

Österreich, der etwa keine Frauen als Rabbiner<br />

anerkennt; auch bei der rechtlichen Anerken -<br />

nung von Übertritten gebe es Differenzen.<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Das Ende der jüdischen<br />

Einheitsgemeinde in Österreich?<br />

Die Novellierung des<br />

Israelitengesetzes diskriminiert<br />

das nicht-orthodoxe<br />

Judentum<br />

„Das System stößt an seine Grenzen“, meint der<br />

Rechtsexperte Richard Potz. „Das neue Israeli -<br />

tengesetz offenbart entscheidende Defizite im<br />

gesamten österreichischen Religionsrecht.“<br />

Dass eine liberale Gemeinde innerhalb der Reli -<br />

gionsgesellschaft akzeptiert wird, zweifelt der<br />

Professor Richard Potz an. Der Vorstand des<br />

Instituts für Rechtsphilosophie, Religions- und<br />

Kulturrecht an der Universität Wien befand dazu:<br />

„Die Wahrscheinlichkeit scheint derzeit nicht<br />

hoch, wenn man weiß, wie groß die Spannungen<br />

zwischen Liberalen und Orthodoxen sind." Die als<br />

Verein organisierte und schon über 20 Jahre<br />

bestehende liberale jüdische Gemeinde Or<br />

Chadasch hat deshalb noch auf Grundlage des<br />

bisherigen Israelitengesetzes die Errichtung<br />

einer Jüdischen Liberalen Kultusgemeinde beantrag:<br />

„Wir wollen eine echte Einheitsgemeinde,<br />

die auch dem liberalen Judentum einen sicheren<br />

Platz innerhalb der Wiener jüdischen Gemein -<br />

schaft gibt.“<br />

29<br />

Schreiben der Central Conference of American<br />

Rabbis an Bundesministerin Dr. Claudia Schmied<br />

vom 3. Mai 2012<br />

Dear Dr. Schmied<br />

The Central Conference of American Rabbis<br />

(CCAR) represents 2,000 Reform Rabbis in North<br />

America and throughout the world; these rabbis<br />

serve and lead communities representing more<br />

than 1,5 million members of the Jewish community.<br />

As the world’s largest group of Jewish clergy, we<br />

write to you in support of our Jewish community<br />

in Vienna, the liberal congregation Or Chadasch,<br />

and their application for recognition as a Kultus -<br />

gemeinde under public charter. The new Israeli -<br />

tengesetz as passed in the Nationalrat on April<br />

19 discriminates against Progressive Judaism,<br />

the largest denomination worldwide.<br />

An application for a Jewish liberal Kultusgemein -<br />

de under the Israelitengesetz of 1890 was submitted<br />

to the Kultusamt in March. Since the<br />

newly passed Israelitengesetz takes away the<br />

right to apply for a Kultusgemeinde with the<br />

Ministry, we urge you to approve the application<br />

under the current law.<br />

We express our hope that Progressive Judaism<br />

will receive the same legal status as all other<br />

expressions of the Jewish religious tradition, as<br />

an authoritative and authentic interpretation of<br />

Judaism.<br />

Sincerely yours<br />

Foto: Parlamentsdirektion / Peter Korrak<br />

Rabbi Jonathan Stein Rabbi Steven Fox<br />

President Chief Executive


30 <strong>Kescher</strong><br />

Foto: Roman Jurowetzki<br />

Als Rabbinerin bin ich entsetzt, dass<br />

der österreichische Staat die große<br />

Mehrheit der Juden in der Welt und<br />

ihre religiösen Gremien und Ent -<br />

scheidungsträger diskriminiert. Was ich und<br />

meine <strong>Kolleg</strong>innen und <strong>Kolleg</strong>en tun, wird in der<br />

großen Mehrheit der jüdischen Gemeinden in der<br />

Welt anerkannt. Doch wenn wir jemanden als<br />

Jude oder Jüdin anerkennen oder verheiraten,<br />

kann es durchaus sein, dass die IKG Kindern den<br />

Besuch der jüdischen Schule verweigert und<br />

ihnen nicht einmal das Recht auf eine jüdische<br />

Beerdigung zugesteht. Will Österreich wirklich<br />

ein Land sein, in dem es heißt „nicht-orthodoxe<br />

Juden unerwünscht“?<br />

Als Bürgerin eines Staates der Europäischen<br />

Union bin ich entsetzt darüber, dass 150 Jahren<br />

nach Einführung der Religionsfreiheit der österreichische<br />

Staat festlegen will, was Judentum<br />

sei. Der Staat hat seinen Bürgerinnen und<br />

Bürgern die freie Religionsausübung zu ermöglichen.<br />

Dabei geht es auch anders, wie ich als Gemeinde -<br />

rabbinerin aus Berlin berichten kann. Unter dem<br />

Dach des Zentralrats finden sich die verschiedenen<br />

Strömungen gemeinsam. Und in manchen<br />

Gemeinden, so z.B. in Berlin, gibt es in echtem<br />

Pluralismus Synagogen unterschiedlichster<br />

Ausprägung, Rabbiner mit und ohne Bart wie<br />

auch eine Rabbinerin. In anderen Städten gibt es<br />

eine organisatorische Trennung der verschiedenen<br />

Richtungen – es ist Aufgabe des Staates ist,<br />

gleiche Behandlung der verschiedenen Strö -<br />

mungen sicherzustellen, und nicht von oben<br />

herab zu definieren, wer Jude sei und wie<br />

Judentum heute auszusehen hat.<br />

Rabbinerin Gesa S. Ederberg ist Gemeinde -<br />

rabbinerin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und<br />

Vizepräsidentin der Europäischen Konservativen<br />

Rabbinerkonferenz<br />

S T I M M E N<br />

Das Judentum“ als monolithischen<br />

Block gibt es nicht; es besteht aus<br />

unterschiedlichen Strömun gen. Das<br />

Grundrecht der Religionsfreiheit zu<br />

beachten, heißt das Recht auf diese Pluralität zu<br />

respektieren. Aus diesen Gründen fordere ich<br />

Bundes ministerin Claudia Schmied auf, die<br />

Jüdische Liberale Kultusgemeinde so rasch wie<br />

möglich anzuerkennen.<br />

Bei meiner Ordination 2011 in Bamberg sagte<br />

Dieter Graumann, der Präsident des Zentralrats<br />

der Juden in Deutschland: „Lasst hundert neue<br />

Rabbiner hier blühen - damit auch wieder das<br />

Judentum in Deutschland aufs Neue blühen<br />

kann! Und bunt gemischt soll außerdem auch<br />

noch die neue Blüte unter den Rabbinern sein:<br />

progressiv und orthodox, modern und traditionell."<br />

[…] Das Judentum hat nun einmal, unbestreitbar,<br />

unterschiedliche Strömungen, von liberal<br />

über konservativ bis orthodox. Alle diese<br />

Strömungen basieren auf der gleichen Halacha,<br />

den gleichen religiösen Grundwerten. Aber sie<br />

leben ihr Judentum auf jeweils unterschiedliche -<br />

und doch keinesfalls beliebige - Weise. Was in<br />

Deutschland und anderen Ländern möglich ist,<br />

muss auch in Österreich verwirklicht werden können.<br />

Daher unterstütze ich die Forderung nach<br />

Anerkennung einer Jüdischen Liberalen Kultus -<br />

gemeinde. Österreich steht, ebenso wie<br />

Deutschland, in einer historischen Verantwor -<br />

tung gegenüber seinen jüdischen Bürgern. Diese<br />

Verantwortung der Republik besteht gegenüber<br />

Juden und Jüdinnen aller Strömungen, nicht<br />

bloß gegenüber solchen der Orthodoxie.<br />

Rabbinerin Dr. Yael Deusel ist Rabbinerin der<br />

Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg<br />

Die Stellung der Frau im religiösen<br />

und gesellschaftlichen Leben ist<br />

einer der grundlegendsten Unter -<br />

schiede zwischen der Orthodoxie<br />

und der Reformbewegung. Die Ausgrenzung der<br />

Frau ist keine immanent jüdische Praxis, sondern<br />

ein Brauch (und kein Gesetz), der in einigen<br />

Teilen des Judentums gesetzartigen Charakter<br />

angenommen hat. Diese orthodoxen Gruppierun -<br />

gen innerhalb des Judentums stellen weltweit<br />

eine Minderheit dar. Das Reformjudentum hat<br />

sich für die Rechte der Frauen im 19. Jahrhun -<br />

dert. und damit auch für die freie persönliche<br />

Entschei dung, wie man sein Judentum auslebt,<br />

eingesetzt. Deswegen wird möglicherweise durch<br />

den Vorzug der Einheitsgemeinde in Österreich<br />

diese Errungenschaft der Frauenrechte und der<br />

freien Wahl verhindert. Es darf doch nicht passieren,<br />

dass die jüdische Reformgemeinde Österreichs<br />

zu einer Sekte degradiert wird.<br />

Es kann nicht sein, dass ein Jude, nur weil es für<br />

ihn kein Problem darstellt, dass eine (wohlgemerkt:<br />

professionell dafür ausgebildete) Frau<br />

eine Beerdigung durchführt, oder einen Gottes -<br />

dienst leitet, durch ein Bundesgesetz in eine<br />

Situation gebracht wird, in der ihm sein Judesein<br />

abgesprochen wird, und dessen Kindern auf diesem<br />

Weg der Besuch einer jüdischen Schule und<br />

damit religiöser Bildung verwehrt wird. […]<br />

Das neue Israelitengesetz schafft bitteres<br />

Unrecht, Zwist und Streit vor den Gerichten.<br />

Damit es nicht zu kaltem Recht wird, bitte ich<br />

Sie, Frau Bundesministerin: wenden Sie das noch<br />

geltende alte Gesetz an und bewilligen Sie eine<br />

liberale Kultusgemeinde!<br />

Rabbinerin Alina Treiger M.A. ist Rabbinerin der<br />

Jüdischen Gemeinden zu Oldenburg und<br />

Delmenhorst. Fotos: Tobias Barniske


<strong>Kescher</strong><br />

The Baroness Neuberger of Primrose Hill DBE ist seit 2004 Mitglied im britischen<br />

Oberhaus. Von 2007 bis 2011 Präsidentin des Liberalen Juden tums im Vereinigten<br />

Königreich, ist Julia Neuberger seit 2011 Ober rabbinerin der West London Synagogue.<br />

Steht es Österreich<br />

mit seiner Geschichte<br />

wirklich zu, einen<br />

Großteil des modernen<br />

Judentums zur<br />

Sekte herabzuwürdigen?<br />

Rabbinerin<br />

Julia Neuberger<br />

(London) über das<br />

neue Israelitengesetz<br />

Eine liberale jüdische Kultus -<br />

gemeinde auch in Österreich!<br />

Wie schwer müssen es die Frauen der letzten<br />

hundert Jahre gehabt haben, bis sie die Funk -<br />

tionen erreicht haben, die uns Frauen eben<br />

zustehen: weil wir nicht schwächer oder dümmer<br />

sind als die andere Hälfte der Menschheit, dafür<br />

aber Qualitäten mitbringen, die unsere heutige<br />

Zeit dringend nötig hat.<br />

Das Erbe der Rabbinerinnen<br />

Meine Mutter, Liesel Schwab, hatte sich 1937 aus<br />

dem Machtbereich der Nazis retten können. So<br />

wurde ich 1950 in England geboren. 1977 bin ich<br />

als zweite Frau in Großbritannien zur Rabbinerin<br />

ordiniert worden. Ich habe mich nicht gescheut,<br />

meinen Kopf hinzuhalten für Dinge, die mir wichtig<br />

waren: als Gemeinderabbinerin, als Gesund -<br />

heitspolitikerin für die Liberaldemokraten, als<br />

Präsidentin des liberalen Judentums im Ver -<br />

einigten Königreich und jetzt als Oberrabbinerin<br />

der West London Synagogue und Mitglied des britischen<br />

Oberhauses.<br />

Ich habe mich in der Verantwortung gesehen, das<br />

Erbe all derer hochzuhalten, die mir als Frau im<br />

Rabbinat vorangegangen waren. 1897 hielt<br />

Hanna G. Salomon in Chicago vor vollen Syna -<br />

gogenbänken ihre Probepredigt. Im Jüdischen<br />

Vereinsboten Berlin las man: „Die Probepredigt<br />

des weiblichen Rabbi fiel so glänzend aus, dass<br />

seine Anstellung demnächst erfolgen dürfte.“<br />

Frauliche Feinfühligkeit<br />

Für viele jüdische Frauen war es Zeit, von den<br />

Synagogengalerien herabzusteigen und aktiv in<br />

das Gemeindeleben einzugreifen. Aber es sollte<br />

noch dauern. 1935 schließlich wurde Regina<br />

Jonas als weltweit erste Frau ordiniert. Sie hielt<br />

Gottesdienste in schwerster Zeit, besuchte die<br />

Alten und Kranken und sprang da ein, wo<br />

Rabbinerkollegen emigriert oder inhaftiert<br />

waren. 1944 wurde sie in Auschwitz vergast.<br />

31<br />

Mit Regina Jonas hatten weiblicher Instinkt und<br />

frauliche Feinfühligkeit Einzug in das Rabbiner -<br />

amt gehalten. 1972 ordinierte das Hebrew Union<br />

College in Cincinnati Sally Priesand, 1974 das<br />

Reconstructionist Rabbinical College in Wyncote<br />

(Pennsylvania) Sandy Eisenberg Sasso, 1976 das<br />

Londoner Leo Baeck College Jacqueline Tabick,<br />

1985 das New Yorker Jewish Theological<br />

Seminary Amy Eilberg. Das <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong><br />

<strong>Kolleg</strong> an der Universität Potsdam ordinierte am<br />

4.November 2010 mit Alina Treiger die erste Frau,<br />

die seit Regina Jonas wieder in Deutschland ausgebildet<br />

worden war.<br />

Heute gibt es weltweit mehr als eintausend<br />

Rabbinerinnen, und ich bin stolz, eine von ihnen<br />

zu sein. Deshalb die Frage an Österreichs Bun -<br />

desministerin Claudia Schmied: Wieso sollten<br />

diese Rabbinerinnen, die der weltweiten Mehr -<br />

heit des nicht orthodoxen Judentums zugehören,<br />

in Österreich ihre Amtsbefugnis und Autorität<br />

abgesprochen bekommen? Steht es Österreich<br />

mit seiner Geschichte wirklich zu, einen Großteil<br />

des modernen Judentums zur Sekte herabzuwürdigen?<br />

Bitte an die Ministerin<br />

Wir Jüdinnen und Juden aus aller Welt können<br />

dies nicht zulassen. Ich bin es meinen Überzeugungen<br />

schuldig, und den Frauen, in deren Nach -<br />

folge ich mich empfinde. Und deshalb bitte ich<br />

die Frau Bundesminister im Namen von 77 progressiven<br />

jüdischen Gemeinden in meinem Land,<br />

sich für die Gleichbehandlung liberaler und<br />

ortho doxer Juden durch die Republik starkzumachen.<br />

Ich bitte Sie um die Zulassung einer liberalen<br />

jüdischen Kultusgemeinde in Österreich!<br />

Die Presse, 10. Mai 2012. Foto: Derek Tamea


Jerusalemer Tempel<br />

Ein erstaunlicher Fund hat zum Jahreswechsel<br />

2012 das Interesse der archäologischen und<br />

bibelforschenden Fachwelt erregt. Auslöser der<br />

Euphorie ist ein kleines, 2000 Jahre altes Ton -<br />

siegel, das im Rahmen der Ausgrabungen am Fuß<br />

des Jerusalemer Tempelberges gefunden wurde,<br />

nämlich an dessen Südwestecke unterhalb des<br />

Robinson-Bogens. Die aramäische Inschrift darauf<br />

könnte gelesen werden דַכִּי לְיָה „rein für den<br />

Herrn“ und legt einen engen Bezug zum kultischen<br />

Geschehen im angrenzenden Tempel bezirk<br />

nahe. Damit wäre unter Umständen ein Beweis<br />

für die Opferpraxis überhaupt in der späten zweiten<br />

Tempelperiode erbracht, datiert nach der<br />

Fundlage in der Schicht über der herodianischen<br />

Straße, also zeitlich einzuordnen zwischen der<br />

Fertigstellung des Tempels (Baubeginn 18 v.d.Z.)<br />

und der Zerstörung Jerusalems durch die Römer<br />

im Jahre 70 d. Z.<br />

Das Ausgrabungsteam der Israel Antiquities<br />

Authority unter Eli Shukron hatte den Fund bei<br />

den Surveyarbeiten im Zusammenhang mit der<br />

Erforschung des Kanalisationssystems vom<br />

Tempelbereich zum Shiloach-Teich in der Ir David,<br />

der Davidsstadt entdeckt. Prof. Ronny Reich vom<br />

Department of Archaeology der Universität Haifa,<br />

Co-Direktor der Grabung, hat das Siegel der<br />

Presse als einzigartiges und authentisches<br />

Prädikatssiegel für „reine“ Opfergaben? / von<br />

Bettina S. Schwarz<br />

Beweisrelikt für die Opferaktivitäten und den<br />

religiösen Tempelbetrieb mit Pilgern, Kauf und<br />

Darbringung von Opfergaben präsentiert. Bislang<br />

wurden nur wenige Artefakte mit Hinweis auf den<br />

Tempel aufgefunden wie Öllampen, Bullae mit<br />

Personennamen, römische Münzen und die<br />

berühmten silbernen Halbschekel aus der Präge -<br />

stätte in Tyros, die für die Entrichtung der<br />

Tempel steuer eingetauscht werden mussten, um<br />

die Berührung mit profanem Geld zu vermeiden.<br />

Eine Sensation war auch der Fund eines kleinen<br />

Glöckchens aus Gold im Sommer 2011, das der<br />

Schutt des 1. Jahrhunderts verborgen hatte und<br />

zum Gewand eines Priesters gehört haben könnte,<br />

so wie es EX 28,33-35 für den Mantel des<br />

Aaron mit פַּעֲמֹנֵי זָהָב beschreibt.<br />

Das entdeckte Siegel nun ist nicht im herkömmlichen<br />

Sinne zum Verschluss oder zur Beschrif -<br />

tung von Vorratsbehältern gedacht (es fehlt auch<br />

eine Öse auf der Rückseite), sondern hatte sicher<br />

eine konkrete, aber schwer zu bestimmende<br />

Funktion in den Tempelhöfen. Es könnte die<br />

Reinheitsvorschriften der Tempelopfer anschaulich<br />

erklären, so wie sie im Mischna-Traktat<br />

Schekalim V 1-5 beschrieben werden. Für eine<br />

Opferspende wurde beim zuständigen Beamten<br />

eine Art Wertmarke (חוֹתָם)gegen Geld erworben,<br />

für die man erst bei einem weiteren<br />

Zuständigen das Opfer ausgehändigt bekam<br />

(ebd. V 4), um es dann dem Priester zu übergeben.<br />

Die Aufschrift „rein für den Herrn“ kann<br />

also eine Art Qualitätssiegel sein, mit dem sicher<br />

gestellt wird, dass bei der Prüfung auf Reinheit<br />

und bei der Bezahlung alles seine Richtigkeit<br />

hat, nach R. Reich eine Art Quittung oder<br />

Coupon, den der Pilger auf dem Tempelgelände<br />

mit sich führt. Dieser Vorschlag muss sich die<br />

Frage gefallen lassen, ob ein Siegel wirklich die<br />

rituelle Reinheit einer Opfergabe wie etwa Öl,<br />

Wein oder ein Tier auf dem riesigen Tempelplatz<br />

mit Tausenden von Menschen gewährleisten<br />

kann, bevor das Opfer schließlich dem Priester<br />

übergeben wird? Und wird es auch mehrfach verwendet,<br />

geht also von einer Hand in die andere?<br />

Geht es um vorbereitende und endgültige Rein -<br />

heit, um eine von mehreren Abstufungen? Warum<br />

wurden dann nicht große Mengen dieser Tokens<br />

gefunden, auch wenn Grabungen auf dem Berg<br />

selbst nicht durchgeführt werden konnten? Wäre<br />

es nicht sinnvoller, auf einer solchen Wertmarke<br />

die Art des Opfers zu vermerken, sodass die<br />

Abwicklung leichter vonstatten geht? In diese<br />

Richtung deutet Shlomo Naeh, Professor für<br />

Talmud der Hebrew University in Jerusalem die<br />

Inschrift, indem er sie דכ א ליה als Abkürzung<br />

für דְּכַר א לִיהוֹיָרִיב liest, was für einen Widder<br />

steht, der vom Priester Jehojariv am ersten Tag


Links: Die Südwestecke<br />

des Tempelbergs. Foto:<br />

Bettina Schwarz. Unten:<br />

Moritz Daniel<br />

Oppenheim, Bilder aus<br />

dem altjüdischen<br />

Familienleben, "Das<br />

Wochenfest"<br />

Uns ist ein hohes Maß<br />

an Mitwirkung an der<br />

Offen barung gegeben /<br />

von Rabbiner Walter<br />

Homolka<br />

der Woche (Alef) geopfert wird, nach 1Chr 24,7<br />

wo die Priesterabteilungen aufgezählt werden.<br />

So könnte der Pilger im Tausch gegen Geld eine<br />

Marke mit der Aufschrift des jeweiligen Opfers<br />

und des Datums (Wochentag) erhalten haben,<br />

z.B. in der sogenannten Siegelkammer (Traktat<br />

Tamid III 3), eine Opfergabe, die er danach an<br />

anderer Stelle abholt oder in Auftrag gibt.<br />

Es stellt sich auch die Frage, ob ein aramäischer<br />

Schriftzug nicht eher für Laien gedacht ist, die in<br />

den Tempel kommen? Dazu würde der nahezu<br />

lapidare Text passen, auch denkbar als Zertifikat<br />

für die Echtheit des Silberschekels, der die einzige<br />

zugelassene Währung im Tempel war, „rein“<br />

im Sinne des über 90 prozentigen Silbergehalts<br />

und durch das Siegel erwiesenermaßen „rein“ für<br />

den Einkauf des Opfers.<br />

Welche Lesart auch immer man zugrunde legt,<br />

klar ist, dass der winzige Siegelfund aus einem<br />

rituellen Kontext stammt und auf den großen<br />

Apparat des Opferdienstes mit den verschiedensten<br />

administrativen Einrichtungen hinweist.<br />

Fehlt auch der endgültige Beweis, so scheint<br />

doch die schriftliche Überlieferung plötzlich<br />

greifbar nahe geworden.<br />

Bettina S. Schwarz M. A. ist Dozentin für<br />

Biblische Archäologie und hebräische Bibel -<br />

wissenschaft<br />

<strong>Kescher</strong><br />

Schawuot: Die Zeit der<br />

Gabe unserer Tora<br />

„Auch das Wochenfest sollst du feiern zur Zeit<br />

der Erstlinge der Weizenernte“, heißt es in Ex<br />

34,22. Schawuot, das Wochenfest, ist wie Pessach<br />

und Sukkot eines der drei Wallfahrtsfeste im<br />

jüdischen Jahreskreis. Es fällt dieses Jahr auf den<br />

28. und 29. Mai unseres bürgerlichen Kalenders.<br />

Schawuot war in Eretz Jisrael zunächst ein<br />

Erntedankfest, an dem die Bauern die Erstlings -<br />

früchte im Tempel darbrachten, und hat dann so<br />

wie Pessach einen entscheidenden Bedeutungs -<br />

wandel erfahren. Die Tora stellt noch gar keinen<br />

Bezug zwischen Schawuot und der Offenbarung<br />

Gottes auf dem Berg Sinai dar. Dies geschieht<br />

erst im Talmud, wo von seman matan toratenu,<br />

„die Zeit der Gabe unserer Tora“ die Rede ist. Nun<br />

33<br />

erinnert Schawuot zunächst an die Offenbarung<br />

der Zehn Gebote am Berg Sinai, weswegen für die<br />

Toralesung auch Ex 19-20 bestimmt worden ist;<br />

die Zehn Gebote werden dabei von der Gemeinde<br />

in der Regel stehend vernommen.<br />

Das jüdische Konzept von Offenbarung misst dem<br />

hermeneutischen Prozess eine hohe Bedeutung<br />

bei. Während orthodox ausgerichtete Juden aber<br />

davon ausgehen, dass die Tora am Sinai wortwörtlich<br />

übergeben wurde, haben wir liberalen<br />

Juden ein anderes Verständnis vom Offenba -<br />

rungs geschehen und stehen damit in einer langen<br />

Tradition. So schreibt der im 14. Jahrhundert<br />

wirkende Rabbi Jom Tow ben Avraham Ischbilly<br />

aus Sevilla, „Ritba“ genannt, in seinem Talmud -


34<br />

kommentar zu Eruwin 13 b: „Als Mosche auf die<br />

Höhe stieg, um die Tora in Empfang zu nehmen,<br />

wurden ihm im Zusammenhang mit einer jeden<br />

Sache 49 Gründe gezeigt, warum es erlaubt sein<br />

sollte und 49 Gründe, warum es verboten sein<br />

sollte. Als Mosche den Heiligen – Gepriesen sei<br />

er! – um endgültige Entscheidungen bat, wurde<br />

ihm gesagt, dass derartige Entscheidungen den<br />

Weisen Israels in jeder einzelnen Generation vorbehalten<br />

seien und dass die Entscheidungen, die<br />

sie dann jeweils träfen, die gültigen Entschei -<br />

dungen seien“. Dem Menschen wird also bei der<br />

Offenbarung des Willens Gottes offensichtlich ein<br />

hohes Maß an Mitwirkung gegeben. Der andauernde<br />

Prozess menschlicher Interpretation wird<br />

so zum stetigen Offenbarungsprozess, der weit<br />

über das einmalige Sinaigeschehen hinausgeht.<br />

Wir können verborgene Wahrheiten und An -<br />

sichten entdecken, es entstehen Neuerungen,<br />

durch die der menschliche Interpret zum Mit -<br />

schöpfer wird. Damit verändert und wandelt sich<br />

das Judentum, so wie es zu jeder Zeit geschah: Es<br />

hat den Glauben der Erzväter mit der Gesetzge -<br />

bung am Sinai in Einklang gebracht, mit dem<br />

Idealismus der Propheten, mit den praktischen<br />

Anliegen der Rabbinen. Erneuerung ist im<br />

Judentum also gang und gäbe. Das befand übrigens<br />

schon der chassidische Rabbi Ahron aus<br />

Karlin (1802–1872): „Wer nicht jeden Tag etwas<br />

erneuert, zeigt, dass er auch nichts Altes hat“.<br />

„Wir alle standen am Berge Sinai“, heißt es.<br />

Diese Teilhabe am Sinaigeschehen trifft sogar für<br />

eine Vielzahl von religiösen Glaubenstraditionen<br />

zu, denn im Midrasch Schemot Rabba V. 9 wird<br />

von Rabbi Jochanan berichtet, dass Gottes<br />

Stimme sich am Sinai erst in sieben Stimmen und<br />

dann in 70 Sprachen geteilt habe - damit alle<br />

Völker außerhalb des Bundes Anteil bekommen<br />

an dem, was zu Israel und in Israel gesagt wurde.<br />

Das wiederum impliziert, dass das Offenbarungs -<br />

erlebnis als Schritt zur geistigen Befreiung allen<br />

Menschen gleichermaßen zuteil werden soll.<br />

Der Überlieferung nach wurde die Tora im Jahr<br />

2448 nach der Erschaffung der Welt gegeben.<br />

Nach traditioneller Auffassung empfing Mosche<br />

im Offenbarungsgeschehen am Sinai nicht allein<br />

die schriftliche Tora von Gott, sondern auch die<br />

mündliche Tora. Sie ist der Schlüssel, der allein<br />

zum vollen Verständnis der schriftlichen Tora<br />

Zugang verschafft.<br />

Da den Kindern Israels zu Schawuot die Tora<br />

über geben wurde, wird das Fest auch chag matan<br />

tora, „Fest der Tora-Gabe“ genannt. Die Rab -<br />

binen betonen, dass die Kinder Israels erst durch<br />

die Tora ein freies Volk wurden. Sie empfingen<br />

<strong>Kescher</strong><br />

die Tora freiwillig und bewusst (Ex 24,), und ohne<br />

die Annahme des „Jochs des himmlischen<br />

Königreichs“ wäre die Befreiung aus der auch<br />

geistigen Knechtschaft zu Pessach nicht vollendet<br />

worden. Ein dritte Name ist chag hakatzir,<br />

„das Fest der Ernte“ nach Ex 23,16: „Ferner das<br />

Fest der Ernte, der Erstlinge des Ertrags deiner<br />

Aussaat, mit der du das Feld bestellt hast“. Die<br />

Gerstenernte beginnt zu Pessach und endet zu<br />

Schawuot, wenn in Eretz Jisrael die Weizenernte<br />

einsetzt. Unmittelbar damit verbunden ist der<br />

vierte Name chag bikkurim, das „Fest der ersten<br />

Früchte“: „Auch das Wochenfest sollst du feiern<br />

zur Zeit der Erstlinge der Weizenernte“ (Ex<br />

34,22). So wie zu Pessach das Omer-Mass der<br />

neuen Gerste während des Festes „seiner ersten<br />

Ernte“ geopfert wurde, so wurden zu Schawuot,<br />

dem Ende der Gerstenernte, einst die beiden<br />

Schaubrote dargebracht. Diese Opfer sind religiöse<br />

Pflichten, die nicht an den Einzelnen gebunden<br />

sind, sondern an die Öffentlichkeit. Die fünfte<br />

Bezeichnung für Schawuot ist schließlich atzeret.<br />

Mischna und Talmud kennen Schawuot unter<br />

diesem Begriff als festliche Versammlung des<br />

Volkes in Erinnerung daran, dass die Pilger, die<br />

einst nach Jerusalem kamen, das Fest dort<br />

gemeinsam begingen.<br />

In aschkenasischen Gemeinden wird zu Schawuot<br />

vor der Toralesung die Akdamut („Vorbereitung“)<br />

als eine Art Eröffnung eingeschaltet, ein aramäisches<br />

liturgisches Gedicht aus dem 11. Jahrhun -<br />

dert, das die Verfolgung der Juden zur Zeit der<br />

Kreuzzüge und ihr Sterben zur Heiligung Gottes<br />

beschreibt und so im Sinne von Schawuot<br />

Ausdruck von Israels Treue zur Tora ist. Ein weiterer<br />

Brauch ist es, in der Schawuotnacht wach zu<br />

bleiben und gemeinschaftlich Kapitel aus der<br />

Tora, der Mischna, der Gemara und dem Sohar zu<br />

lesen. Dieser Brauch der Lernnacht, tikkun leil<br />

schawuot, hat seinen Ursprung in der Mischna,<br />

die erzählt, dass die Israeliten die Übergabe der<br />

Tora vernachlässigt hätten, weil sie in der Nacht<br />

zuvor schliefen und Mosche sie mehrmals wecken<br />

musste. Selbstverständlich findet auch dieses<br />

Jahr wieder eine Lernnacht mit Studierenden und<br />

Dozenten am <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> statt.<br />

Rabbiner Prof. Dr. Walter Homolka ist Rektor des<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s an der Universität<br />

Potsdam. Sein Artikel erschien zuerst in der Mai-<br />

Ausgabe von "jüdisches berlin".<br />

9. Jahrgang | Ausgabe 2<br />

Im Frühjahr unterrichtete<br />

eine Reihe<br />

renommierter<br />

Gastdozenten am<br />

Kantorenseminar<br />

Kantorin Josée Wolff, D. Min.. Kantorin<br />

Wolff ist Director of Student Placement in<br />

the Debbie Friedman School of Sacred<br />

Music, Hebrew Union College – Jewish


Meldungen<br />

Judith Clurman ist Dirigentin, Stimmbildnerin und Chorleiterin. Das gemeinsame Thema von<br />

Kantor Ruben und ihr war “The Hallel Service of the Three Pilgrimage Festivals and Other<br />

Holydays”.<br />

Institute of Religion in New York und<br />

unterrichtete “Haftarah Cantillation<br />

According to Eastern European<br />

Tradition”.<br />

Kantor Gershon Silins. Unser Senior Consultant<br />

aus Birmingham ist Kantor von Liberal Judaism<br />

in Großbritannien und unterrichtet „American<br />

Compositions for the Three Pilgrimage Festivals”.<br />

Kantor Dr. Bruce L.<br />

Ruben ist Director of<br />

the Debbie Friedman<br />

School of Sacred<br />

Music, Hebrew<br />

Union College–<br />

Jewish Institute of<br />

Religion in New<br />

York. Fotos: Tobias<br />

Barniske<br />

Der Präsident der Universität Potsdam, Prof. Dr.<br />

Günther, Ph.D.,(r.) und der Präsident der Heb -<br />

räischen Universität in Jerusalem, Prof. Dr.<br />

Menahem Ben-Sasson, tauschten am 30. April im<br />

Beisein von Ministerpräsident Matthias Platzeck<br />

35<br />

eine Kooperationsvereinbarung aus. Professor<br />

Günther nutzte während seines Aufenthalts in Israel<br />

die Gelegenheit, das in Gründung befindliche<br />

Zentrum Jüdische Studien Berlin-Branden burg vorzustellen<br />

und über die Bemühungen einer<br />

Institutionalisie rung der Jüdischen Theo logie und<br />

der damit verbundenen Rabbiner-Ausbildung an der<br />

Universität Potsdam zu informieren. Foto: Klaus-<br />

Dietmar Gabbert/dapd<br />

Im Sommersemester unterrichten wieder eine Reihe<br />

von Gastdozenten am <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>. Ein<br />

besonderer Gast war Rabbiner Alexander Duchovny<br />

M.A. aus Kiev, der bei uns am 3. Mai über „Juden -<br />

tum in der Ukraine“ sprach. Der gelernte Ingenieur<br />

arbeitete bereits zwanzig Jahre lang an der National<br />

Academy of Science of Ukraine, bevor es sein<br />

Studium am Leo Baeck College in London aufnahm,<br />

wo er 1999 zum Rabbiner ordiniert wurde.<br />

Duchovny (geb. 1950) betreut heute über Kiev hinaus<br />

liberale jüdische Gemeinden in der ganzen<br />

Ukraine. Foto: Tobias Barniske<br />

Studentenzahlen<br />

Das <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> hat derzeit 28 Studie -<br />

rende. Am Kantorenseminar sind elf Studierende<br />

eingeschrieben, davon sechs Männe und fünf<br />

Frauen. Von den siebzehn Studierenden am Rab -<br />

binerseminar sind elf Männer, fünf Frauen. Von<br />

unseren Studenten und Studentin nen kommen neun<br />

aus Deutschland, sechs aus den Staaten der früheren<br />

Sowjetunion (Russland, Weißrussland, Ukraine), vier<br />

aus Israel, zwei aus Ungarn, einer aus Frankreich,<br />

einer aus Serbien, eine aus Polen, einer aus<br />

Schweden, einer aus Norwegen, eine aus Südafrika,<br />

einer aus Argentinien.


36<br />

Muhammad-Nafi-<br />

Tschelebi-Friedenspreise<br />

2011 erhielt Rabbiner Prof. Dr. Walter Homolka<br />

den Muhammad-Nafi-Tschelebi-Friedenspreis.<br />

Die diesjährige Friedenspreisverleihung wird am<br />

11. November 2012 in der DITIB-Moschee in Werl<br />

/ Westfalen stattfinden. An diesem Tag wird<br />

zunächst das Soester Forum der Religionen und<br />

Kulturen 2012 stattfinden. Dabei wird ein Im puls<br />

zum Thema „Das Herz des Islam - Liebe zu Gott<br />

und Verant wortung für das Leben“ zur Diskussion<br />

gestellt. Damit soll die Diskussion über das wichtige<br />

epochale Wort der 138 Gelehr ten, „A<br />

Common Word“, befördert werden. Gottesliebe<br />

und Menschen liebe und Verantwor tung für die<br />

ganze Schöpfung sind untrennbar. Können sich<br />

auf dieser Basis Juden, Christen und Muslime<br />

zusammenfinden für das Leben auf dem Planeten<br />

Erde.<br />

Nachmittags wird die eigentliche Verleihung der<br />

diesjährigen Muhammad-Nafi-Tschelebi-Frie -<br />

denspreise 2012 stattfinden. Mit dem internationalen<br />

Preis wird die Lebensarbeit von Patriarch<br />

Gregorios III. vom griechisch-katholischen melkitischen<br />

Patriarchat von Antiochien und dem<br />

ganzen Orient, von Alexandrien und Jerusalem,<br />

Beirut/Libanon gewürdigt. Patriarch Gregorius<br />

hat für das Memorandum zum 60. Jahrestag des<br />

Grundgesetzes 2009 den Artikel „Gründen wir<br />

das Forum des Wortes Gottes“ verfasst. Kurator<br />

Manfred Erdenberger wird die Laudatio halten.<br />

Vermischtes<br />

Mit dem nationalen Preis wird Romani Rose, der<br />

Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und<br />

Roma, gewürdigt. Prof. Dr. Wilhelm Solms, Mar -<br />

burg, Vorsitzender der Gesellschaft für Anti -<br />

ziganismusforschung, wird die Laudatio halten.<br />

Amtseinführung<br />

Am 4. März wurde in der Oldenburger Synagoge<br />

Rabbiner Jona Simon feierlich in sein Amt als<br />

Rabbiner des Landesverbandes der Jüdischen<br />

Gemeinden von Niedersachsen eingeführt. Bei<br />

der im Beisein zahlreicher Ehrengäste stattfindenden<br />

Feier war der Zentralrat der Juden in<br />

Deutschland durch seinen Generalsekretär<br />

Stephan J. Kramer vertreten. Rabbiner Simon ist<br />

ebenso wie seine Ehefrau, die Oldenburger<br />

Gemeinderabbinerin Alina Treiger, Absolvent des<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s, das nichtorthodoxe<br />

Rabbinatskandidaten ausbildet. Von den insge-<br />

9. Jahrgang | Ausgabe 2<br />

samt sieben Rabbinern, die in den beiden jüdischen<br />

Landesverbänden von Niedersachsen<br />

amtieren, haben bislang vier ihr Rabbinerdiplom,<br />

die Smicha, am <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> erworben.<br />

Simon wurde von dem <strong>Kolleg</strong> im November 2011<br />

ordiniert. Mit seiner Amtseinführung wurde er<br />

jetzt vom niedersächsischen Landesrabbiner<br />

Jonah Sievers offiziell damit betraut, jüdische<br />

Gemeinden in Göttingen, Hameln und Hildesheim<br />

rabbinisch zu betreuen. Rabbiner Simon wird<br />

außerdem am Leo-Trepp-Lehrhaus der Jüdischen<br />

Gemeinde Oldenburg unterrichten. Der Rabbiner<br />

wurde 1978 in Bielefeld geboren und wuchs in<br />

Gran Canaria auf. Er studierte Romanistik und<br />

Judaistik an den Universitäten Sevilla/Spanien<br />

und Bielefeld. Anschließend wechselte er zum<br />

<strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> nach Potsdam. In seiner<br />

Magisterarbeit setzte er sich mit dem Kleider -<br />

zerreißen im Trauerfall auseinander, einem<br />

Brauch, der schon in der Tora erwähnt wird.<br />

Quelle: Heinz Peter Katlewski, in: Die Zukunft 12.<br />

Jg, Nr. 3 (30. März 2012), S. 6. Foto: Bomhoff<br />

Neuer liberaler Landes -<br />

verband in NRW<br />

Nach dem Beispiel von Niedersachsen und<br />

Schleswig-Holstein haben sich Anfang Mai auch<br />

die liberalen jüdischen Gemeinden in Nordrhein-<br />

Westfalen zu einem eigenständigen Landes -<br />

verband zusammengeschlossen. Dieser Landes -<br />

verband jüdischer Gemeinden in Nordrhein-<br />

Das Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk (ELES) ist das zwölfte Begabtenförderungswerk, das vom Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt wird. ELES fördert nach den Richtlinien des<br />

BMBF besonders begabte jüdische Studierende und Promovierende mit deutscher Staatsangehörigkeit,<br />

Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaates oder dem Status eines Bildungsinländers/einer Bildungsinländerin<br />

im Sinne des §8 BAföG für ihre Ausbildung an staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen,<br />

d. h. an Universitäten, Fachhochschulen sowie Kunst- und Musikhochschulen in Deutschland,<br />

der Europäischen Union und der Schweiz. Diese Förderung setzt auf das Engagement und die Selbstentfaltungsmöglichkeiten<br />

unserer Stipendiaten. Weitere Informationen unter www.eles-studienwerk.de


Westfalen will die drei angeschlossenen<br />

Gemeinden dabei unterstützen, die synagogalen<br />

Traditionen zu vertiefen, die rabbinische<br />

Betreuung sowie die Lehr- und Lernange bote<br />

auszuweiten und in Kooperation mit Politik und<br />

Landesregierung einen Beitrag für ein friedliches<br />

und freundliches Miteinander der Kulturen und<br />

Religionen zu leisten, die sich in NRW zu Hause<br />

fühlen. Der Landesverband hat insbesondere die<br />

Aufgabe, die Interessen seiner gut 500 Mitglie -<br />

der unter anderem gegenüber der Landesre -<br />

gierung zu vertreten und strebt eine direkte<br />

Beteiligung am neuen Staatsvertrag an; der derzeitige<br />

Vertrag läuft Ende des Jahres aus. Dem<br />

Vorstand des Landesverbandes gehören Sonja<br />

Guentner (Köln) als Vorsitzende, Sabine Kamp<br />

(Köln), Alexandra Khariakova (Unna) und Lev<br />

Schwarzmann (Oberhausen) an.<br />

Ausstellung<br />

Synagoge und Tempel: 200 Jahre jüdische<br />

Reformbewegung und ihre Architektur<br />

Die Ausstellung zeigt die Anfänge der Reform -<br />

synagogen und -tempel im Spiegel der allgemeinen<br />

jüdischen Reformbewegung, verdeutlicht so<br />

den einstigen Reichtum dieser heute zumeist<br />

verlorenen Architektur und macht Synagogen als<br />

wichtige Baudenkmale und wesentlichen<br />

Bestandteil des deutsch-jüdischen kulturellen<br />

Erbes erfahrbar. Zwölf detailreiche Holzmodelle<br />

beispielhafter Synagogenbauten verdeutlichen<br />

die Entwicklung von den in Hinterhöfen versteckten<br />

Bauwerken des Barock über die ersten im<br />

Städtebild sichtbaren klassizistischen und späteren<br />

eklektizistischen Bauten bis hin zu den<br />

monumentalen Bauwerken der Moderne. Textund<br />

Bildtafeln informieren anschaulich über ihre<br />

Geschichte und architekturhistorische Bedeu -<br />

tung im Kontext der frühen jüdischen Reform -<br />

bewegung. Die Ausstellung ist ein Ergebnis der<br />

Kooperation zwischen der Stadt Seesen, der<br />

Braunschweiger Bet Tfila – Forschungsstelle für<br />

jüdische Architektur in Europa, dem Jacobson-<br />

Gymnasium Seesen und dem Braunschweigischen<br />

Landesmuseum.<br />

Ausstellung wird vom 23. Mai bis zum 8. Juli<br />

2012 in der Stiftung Neue Synagoge Berlin –<br />

Centrum Judaicum, Oranienburger Straße 28/30<br />

in 10117 Berlin-Mitte gezeigt (So-Mo 10-20 Uhr,<br />

Di-Do 10-18 Uhr und Fr 10-17 Uhr).<br />

<strong>Kescher</strong><br />

JÜDISCHE MINIATUREN<br />

������������������������<br />

��������������� �������������������� ���������������<br />

ABRAHAM GEIGER RABBINER LEO BAECK ERNST L. EHRLICH<br />

������������������������ ��������������� �����������������������<br />

����������<br />

�������<br />

�������<br />

�������<br />

���������������������� ���������������������� ����������������������<br />

������<br />

������<br />

������<br />

�������������� ��������������� ������������<br />

JESUS VON NAZARETH ISRAEL JACOBSON BENNO JACOB<br />

��������������������� ���������������������� ���������������������<br />

���������<br />

������������<br />

�������<br />

��������<br />

��������<br />

���������������������� ���������������������� ����������������������<br />

�������<br />

������<br />

������<br />

����������������������������������������������<br />

�����������������������������������������������<br />

�����������������������������������������<br />

37


38<br />

Kantor Nathan Lam 2009 in Polen. Foto: Cantors Assembly<br />

Die 1947 gegründete Cantors Assembly ist der<br />

weltweit größte Berufsverband jüdischer Kan -<br />

toren und Kantorinnen und mit dem Jewish<br />

Theological Seminary in New York und der United<br />

Synagogue of Conservative Judaism verbunden.<br />

Nach ihrem Besuch in Polen 2009, der in dem<br />

Film „A Journey Home“ dokumentiert worden ist,<br />

macht die Cantors Assembly dieses Jahr auf<br />

ihrem Weg nach Israel in Berlin Halt. Der Besuch<br />

steht unter dem Motto „The Song Returns“;<br />

Auftakt einer ganzen Reihe von öffentlichen<br />

Veranstaltungen ist ein Konzert im Jüdischen<br />

Museum.<br />

The Sound of Prayer - A World of Cantorial Music<br />

Jüdisches Museum Berlin, 26. Juni, 19.30 Uhr,<br />

Großer Saal (2. Etage), Eintritt frei.<br />

Hochzeitsrituale und geschlechterspezifische<br />

Verhältnisse in der Eheschließung in jüdischer<br />

und christlicher Tradition<br />

Internationales Sommer-<br />

Seminar vom 2. bis 9.<br />

September<br />

Das Potsdamer Institut für Religionswissenschaft<br />

organisiert vom 2. bis 9. September dieses Jahres<br />

in der Reihe „Building fort he Future“ ein internationales<br />

Seminar zum Thema „Hochzeitsrituale<br />

und geschlechterspezifische Verhältnisse in der<br />

Eheschließung in jüdischer und christlicher<br />

Tradition". Veranstaltungsort ist die Begeg -<br />

nungsstätte Schloss Gollwitz (bei Berlin).<br />

Anliegen der Veranstaltung ist die interreligiöse<br />

und internationale Begegnung zwischen jüdischen,<br />

christlichen und nichtreligiösen Studie -<br />

renden aus Israel, Polen und Deutschland. Sie<br />

werden die Gelegenheit haben, die Vielfalt jüdischer,<br />

christlicher und säkularer Eheschließungs -<br />

rituale kennenzulernen und eigene Erfahrungen<br />

einzubringen. Das anschauliche Thema beinhal-<br />

Termine<br />

Die Cantors Assembly<br />

zu Gast in Berlin<br />

Renowned cantors from around the world – in<br />

Berlin for the 2012 Cantors Assembly Mission –<br />

come together for a musical journey through the<br />

history of Jewish liturgical music. The Jewish<br />

religious tradition has deep and ancient musical<br />

roots, while constantly developing and incorporating<br />

the music of their surrounding cultures.<br />

This unique musical evening introduces and celebrates<br />

the music of the Ashkenazi and Sephardic<br />

traditions. A gift to the museum from the<br />

Cantors Assembly.<br />

Kiss the Bride<br />

tet unter anderem. das Verhältnis zwischen<br />

Theologie und Volkstradition, zwischen religiösen<br />

und säkularen Bräuchen sowie der weiblichen<br />

und der männlichen Rolle. Anhand grundlegender<br />

Texte der verschiedenen Konfessionen<br />

und Institutionen sowie von Hochzeitsmovies<br />

werden die Werte und Erwartungen an Ehen und<br />

Partnerschaften formuliert sowie die „Eventi sie -<br />

rung“ dieser Lebenswende aufgezeigt. Das<br />

Seminar ist höchst interaktiv gestaltet und<br />

schließt Podiumsdiskussionen, intensive Arbeit<br />

in Gruppen, Crossover-Referate und kurze Exkur -<br />

sionen nach Berlin ein. Die Teilnehmer werden<br />

weiterhin Lehrmaterial für verschiedene Bil -<br />

dungsstufen entwickeln, das dann wechselseitig<br />

nach ihrer Akzeptanz seitens der entsprechenden<br />

Tradition (liberal/orthodox, protestantisch/<br />

katho lisch, religiös/säkular) untersucht wird.<br />

Angesicht des Erfolgs bisheriger „Building for<br />

the Future“-Seminare, die 1998 in der Gedenk -<br />

stätte Auschwitz-Birkenau, 2002 in Nürnberg<br />

2002 und 2007 in Lublin stattfanden, führt das<br />

Potsdamer Institut für Religionswissenschaft<br />

9. Jahrgang | Ausgabe 2<br />

The Legacy<br />

Lives On<br />

Koleinu - B’yachad. One Voice - One Heart<br />

Gottesdienst und Konzert in der Synagoge<br />

Rykestraße<br />

Donnerstag, 28. Juni, 19.30 Uhr<br />

Kabbalat Shabbat Service im Konzerthaus<br />

Berlin<br />

Freitag, 29. Juni, 20 Uhr<br />

Putting on Shabbes at the Ritz<br />

Sonnabend, 30. Juni 2012, 9 Uhr, im Ritz Carlton<br />

Hotel<br />

Shared Music, Shared Message<br />

Sonntag, 1. Juli 2012, im Berliner Dom am<br />

Lustgarten<br />

unter Leitung von Prof. Dr. Johann Ev. Hafner<br />

diese wichtige akademische Aktivität dieses Jahr<br />

zusammen mit dem <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> und<br />

dem Lehrstuhl für Judaistik der Universität Bam -<br />

berg fort. Das Seminar richtet sich insbesondere<br />

an Studierende des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s und<br />

des Instituts für Religionswissenschaft an der<br />

Universität Potsdam, Studierende des Hebrew<br />

Union College – Jewish Institute of Religion in<br />

Jersalem, der Katedra Judaistyki der Jagiel lonen-<br />

Universität in Krakau, des Zentrums für interreligiöse<br />

Studien Bamberg sowie der Uni versität<br />

Regensburg. Wir laden Masterstudie rende und<br />

Bachelorstudierende der höheren Fachsemester<br />

herzlich dazu ein, an diesem einmaligen Seminar<br />

teilzunehmen und sich dafür bis zum 25. Mai<br />

2012 bei Jenny Welke (jwelke@uni-potsdam.de)<br />

anzumelden. Für die aktive Beteiligung können<br />

entsprechend Leistungspunkte in passenden<br />

Modulen angerechnet werden. Die Teilnehmer -<br />

kosten betragen € 350,-. Pro Person (Unterkunft<br />

und Verpfle gung, Tagungsbeitrag) zuzüglich<br />

Reisekosten.


Hotel Esplanade Esplanad de Resort & Spa<br />

Seestraße 49 | 15526 1552 26 Bad Saarow | Tel.: +49 (0)33631.432 (0)3363 31.432 - 0 | www.esplanade-resort.de<br />

rt.de<br />

ankommen.<br />

ank kommen.<br />

abschalten.<br />

abschal<br />

ten.<br />

auftanken.<br />

auft tanken.<br />

45 Minuten vor Berlin<br />

genießen Sie die Ruhe einzigartiger zigartiger Natur Natur und finden<br />

Sie Entspannung in unserer er Badewelt – idyllisch<br />

gelegen am Scharmützelsee. ee.<br />

Ihre Entspannungshotline: : 033631.432 - 0


MEET THE REBEL WHO WANTS<br />

THE WORLD UNCHANGED.<br />

POWERING FACTORIES SOLELY ON RENEWABLE ENERGY. IT’S WHAT’S NEXT FOR US.<br />

Cleve Beaufort is all for unconventional ideas — as<br />

long as they help him achieve his target of manufacturing<br />

a car more sustainably. Cleve sees beyond<br />

using sun, wind, and water as sources of renewable<br />

energy. He’s also looking at a nearby landfi ll. Gas<br />

turbines at BMW’s Spartanburg plant convert<br />

methane gas, which is emitted from the landfi ll,<br />

into power and hot water. This stops 92,000 tons of<br />

CO2 emissions from entering the atmosphere and<br />

currently accounts for more than 50 percent of the<br />

plant’s total energy requirements. Cleve and his<br />

team are especially proud their concept has been<br />

implemented in other BMW plants.<br />

The BMW Group is the world’s most sustainable car<br />

company for the seventh consecutive year. Find out<br />

more about the Dow Jones Sustainability Index<br />

sector leader at<br />

www.bmwgroup.com/whatsnext

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!