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Compliance - UmweltDialog Magazin Nr . 3 (Mai 2015)

Korruption, Vetternwirtschaft, Nicht-Einhaltung von Regeln. Täglich berichten wir Medien über immer neue Fälle von Selbstbedienung und Kleptokratie. Die Welt agiert nachdem Motto „Jedem das seine, mir das Meiste.“ Liegt es also nicht eher in der Natur des Menschen, Regeln zu brechen und seinen eigenen Vorteil zu wahren? Helmut Schmidt, Ernst Ulrich von Weizsäcker und andere sagen laut „Nein“ und fordern eindringlich in einem Manifest: „Wir haben es satt, in einer Raffgesellschaft zu leben, in der Korruption nicht mehr die Ausnahme ist und in der sich allzu vieles nur ums Geldverdienen dreht. Es gibt Wichtigeres im Leben des Einzelnen wie auch im Leben der Nation.“ Tatsächlich ist Regelkonformität, neudeutsch nennt sich das Compliance, möglich, sinnvoll und umsetzbar. In der neuen UmweltDialog Ausgabe beleuchten wir Ansätze, diskutieren zentrale Aspekte wie Whistleblowing und Leitbilder und geben gute Praxisbeispiele.

Korruption, Vetternwirtschaft, Nicht-Einhaltung von Regeln. Täglich berichten wir Medien über immer neue Fälle von Selbstbedienung und Kleptokratie. Die Welt agiert nachdem Motto „Jedem das seine, mir das Meiste.“ Liegt es also nicht eher in der Natur des Menschen, Regeln zu brechen und seinen eigenen Vorteil zu wahren? Helmut Schmidt, Ernst Ulrich von Weizsäcker und andere sagen laut „Nein“ und fordern eindringlich in einem Manifest: „Wir haben es satt, in einer Raffgesellschaft zu leben, in der Korruption nicht mehr die Ausnahme ist und in der sich allzu vieles nur ums Geldverdienen dreht. Es gibt Wichtigeres im Leben des Einzelnen wie auch im Leben der Nation.“ Tatsächlich ist Regelkonformität, neudeutsch nennt sich das Compliance, möglich, sinnvoll und umsetzbar. In der neuen UmweltDialog Ausgabe beleuchten wir Ansätze, diskutieren zentrale Aspekte wie Whistleblowing und Leitbilder und geben gute Praxisbeispiele.

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<strong>Compliance</strong> I Meinung<br />

Wenn Sie jemanden in einer leitenden Funktion<br />

für 50 Euro zum Essen einladen, dürfen Sie davon<br />

ausgehen, dass die Person dadurch nicht befangen<br />

sein wird und Ihnen deshalb keinen Vorteil im Sinne<br />

einer Gegenleistung gewährt. Gebe ich aber einem<br />

Pförtner 50 Euro, der ja viel weniger verdient,<br />

dann stimmen die Relationen nicht und er gerät<br />

unter Umständen in einen Konflikt. Sie sehen: es<br />

geht dabei sehr stark um Verhältnismäßigkeit,<br />

aber auch um Fragen der Höflichkeit. Ich habe das<br />

auch ganz lautstark bei Transparency International<br />

auf Tagungen gesagt: Ihr müsst diese Null-Toleranz-Grenze<br />

auch mal infrage stellen. Wir dürfen<br />

die Ebene eines höflichen und vernünftigen zwischenmenschlichen<br />

Umgangs nicht aus reiner Regelungswut<br />

verlassen. In vielen Situationen ist der<br />

gesunde Menschenverstand der beste Ratgeber.<br />

Wenn eine Behörde oder Firma Business Keeper um<br />

Hilfe bittet, das eigene Korruptionsproblem anzugehen,<br />

auf was achten sie dabei? Gibt es von Ihrer<br />

Seite Vorbedingungen?<br />

40 Prozent der Anfragen erreichen uns, weil in den<br />

Organisationen ein Leidensdruck besteht, der häufig<br />

auf ganz konkrete Vorfälle zurückzuführen ist.<br />

60 Prozent wollen Verstößen gegen Gesetze wie<br />

auch gegen die unternehmensinternen Werte und<br />

Richtlinien bereits präventiv vorbeugen. Als erstes<br />

machen wir dann eine Bestandsaufnahme: Gibt es<br />

bereits ein funktionierendes <strong>Compliance</strong> Management<br />

System bzw. ernste Ansätze und Absichten,<br />

eines einzuführen? Gibt es einen Code of Conduct<br />

und ein Unternehmensleitbild? Werden die Werte<br />

auch entsprechend gegenüber den Mitarbeitern<br />

kommuniziert? Wie werden sie im Alltag gelebt?<br />

Wenn unsere Unterstützung angefragt wird,<br />

schauen wir uns das Unternehmen also zunächst<br />

sehr genau an und prüfen, ob da Ernsthaftigkeit<br />

dahintersteckt. Wenn diese nicht gegeben ist und<br />

das Hinweisgebersystem nur als Feigenblatt dienen<br />

soll, dann ziehen wir uns zurück. Genau aus<br />

solchen Gründen haben wir zwei großen Unternehmen<br />

das System bereits verwehrt. Die sind<br />

dann zu einem Wettbewerber gegangen und da<br />

sind sie auch gut aufgehoben.<br />

Hinweisgeber zahlen oft einen hohen Preis: Bradley<br />

Manning sitzt im Gefängnis, Edward Snowden in<br />

russischem Exil, Wikileaks-Gründer Julian Assange<br />

im Botschaftsasyl in London usw. Können Sie den<br />

Whistleblowern mehr Schutz versprechen?<br />

In unserem System warnen wir den Hinweisgeber,<br />

dass auch er selbst eine gewisse Sorgfalt walten<br />

lassen muss. Das System schützt die Anonymität<br />

des Meldenden umfassend in technischer<br />

Hinsicht. Wenn Hinweisgeber jedoch persönliche<br />

Daten eingeben, müssen sie vorher selber zu der<br />

Einschätzung gelangt sein, dass ihnen keine Repressalien<br />

drohen. Whistleblower melden meistens<br />

– zu 90 bis 95 Prozent – erst mal anonym und<br />

richten sich einen Postkasten für einen geschützten<br />

Dialog mit dem Hinweisbearbeiter bzw. dem<br />

<strong>Compliance</strong> Officer ein. Sobald sie merken, dass ihr<br />

Anliegen gewissenhaft bearbeitet wird, fassen sie<br />

Vertrauen und nennen ihren Namen im zweiten<br />

Schritt. Aber Angst schwingt immer mit. Es gab<br />

mal einen Fall in der Automobilindustrie, da hat<br />

die Sekretärin eines Hauptabteilungsleiters jeden<br />

Freitag den Dienstwagen des Chefs betankt. Jetzt<br />

hatte dieser aber zusätzlich im Kofferraum fünf<br />

Kanister à zehn Liter für seinen Sohn, seine Frau<br />

und wer weiß für wen sonst noch! Wir sprechen<br />

hier von einer Summe von vielleicht 3.000 Euro<br />

Spritklau bei einer Führungskraft, die 200.000 Euro<br />

im Jahr verdient. Der Mann hat seine Sekretärin<br />

also jeden Freitag eine Straftat begehen lassen. Sie<br />

war alleinerziehend und hatte Angst, ihren Job zu<br />

verlieren, wenn sie etwas sagt. Für solche Fälle ist<br />

unser System da!<br />

Häufig geht Korruption einher mit anderem Demokratieversagen<br />

wie der TI-Länderindex zeigt. Je gescheiterter<br />

ein Staat, desto eher denkt jeder nur an<br />

sich selbst und nimmt sich, was er kriegen kann.<br />

Können also Korruptionsvermeidungsmodelle oder<br />

auch Whistleblowing überhaupt in schwachen<br />

Demokratien oder auch Unternehmen funktionieren?<br />

Früher hat man in den Unternehmen gesagt:<br />

„Wenn wir nicht bestechen, verlieren wir Business“.<br />

Das ist falsch. Wir sind hier in Deutschland<br />

in einem hochtechnisierten Land, verfügen über<br />

viel Know-how, und dieses Know-how ist gefragt<br />

in der Welt. Wir produzieren Maschinen, geistiges<br />

Gut, und es hat sich einfach nicht bewahrheitet,<br />

dass wir keine Aufträge im Ausland bekommen,<br />

wenn wir nicht bestechen. Im Gegenteil: Wir können<br />

es uns guten Gewissens leisten, nicht korrupt<br />

zu sein! Viel schwieriger ist es für Länder wie die<br />

Türkei, Bulgarien oder Rumänien mit anderen Ländern<br />

ins Geschäft zu kommen. Deren Technik ist<br />

nicht so fortschrittlich und sie haben auch nicht<br />

die Reputation am Markt. Dadurch ist das Risiko<br />

für Korruption viel größer.<br />

Vielen Dank für das Gespräch! l<br />

Umweltdialog.de<br />

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